Lichtspieltheater-Legenden: SAVOY-Kino wiedereröffnet Hundert Jahre PASSAGE-Kino - Filmmuseums Hamburg
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# 20 / Dezember 2013 / www.filmmuseum-hamburg.de Lichtspieltheater-Legenden: SAVOY-Kino wiedereröffnet Hundert Jahre PASSAGE-Kino
Stürmischer Applaus in einem Hamburger Innenstadt-Kino 4 KINOGESCHICHTE Eine Passage durch 100 Jahre Kalenderblätter aus einem bewegten Leben 11 A LT E H A M B U R G E R L I C H T S P I E L H Ä U S E R Letzter Vorhang am Jungfernstieg Nach 57 Jahren wurde das Streit’s-Kino geschlossen 16 KINOGESCHICHTE Savoy – Alles ganz neu Die Wiedereröffnung eines legendären Filmtheaters 20 MEDIENZENTRUM 40 Jahre Medienpädagogik Zentrum Hamburg Ein Streifzug durch die Geschichte 24 FILMTECHNIK Ende des Umkehrfilms? Ein Hamburger und ein Italiener sind um Rettung bemüht 26 FERNSEHGESCHICHTE „… wer, wie, was …?“ 40 Jahre Sesamstraße – ein kursorischer Rückblick 34 F I L M K L A S S E Aller Anfang ist Film Die erste Filmklasse in Hamburg an der HfbK 38 FERNSEHGESCHICHTE Wiederentdeckt: Jürgen Rolands Kurzfilm über seinen Kripo-V-Mann 44 FILMGESCHICHTE Als Jürgen Roland 1963 die Pferde sattelte … Hamburgs Krimikönig und sein Western-Abstecher 49 B U C H B E S P R E C H U N G E N Dagmar Fohl: „Palast der Schatten“ Walfried Malleskat (Hrsg.): „Filmbuch Bendestorf“ 50 FILMGESCHICHTE Alle wollen den Doktor sehen Doktor Schiwago von 1966 bis 1969 im Grindel-Kino 57 A U S D E M V E R E I N Jahresrückblick 2012/2013 58 B U C H B E S P R E C H U N G / M AT I N E E N Dirk Alt: „Der Farbfilm marschiert!“ Film-Matineen Frühjahr 2014 im Abaton-Kino Impressum Hamburger Flimmern Die Zeitschrift des Film- und Fernsehmuseums Hamburg e.V. www.filmmuseum-hamburg.de, www.fernsehmuseum-hamburg.de Redaktion: Jürgen Lossau (V.i.S.d.P.), Dr. Joachim Paschen, Volker Reißmann Layout: atelier anita wertiprach | Adresse: Sierichstr.145, 22299 Hamburg Telefon 040-468855-0, Fax -99, info@filmmuseum-hamburg.de Erscheinen: unregelmäßig 1–2 mal jährlich | Anzeigen: sind gern gesehen Bezug: für Mitglieder kostenlos | Titelblatt und Foto links: Vereinsarchiv Der Verein „Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.“ wird unterstützt von der
4 KINOGESCHICHTE KINOGESCHICHTE 5 DIE ERÖFFNUNG Publikum gefunden hat, veranlasst uns, das grandiose Bild auch noch für die 1. NOVEMBER 1913 nächste Woche auf dem Spielplan zu „Hamburg hat wieder – das Bedürfnis lassen.“ Kinobetreiber Julius Cohn hat danach scheint unersättlich zu sein – ein offenbar die richtige Entscheidung ge- neues Lichtspieltheater“, schreibt das troffen, als er für die Eröffnung nicht Fremdenblatt zur Eröffnung. „Sehr üppig irgendeinen Film mit Asta Nielsen oder ist der Vorraum mit seinem breiten Trep- Henny Porten wählte. Die Passage Licht- penaufgang zum Balkon. Er strotzt von spiele wollen kein Kintopp sein; man setzt Marmor und echten Hölzern, von Perser- auf das Bildungsbürgertum, schließlich teppichen und Lichtluxus.“ Einen Absatz ist 1913 ein Wagner-Jahr. Vielleicht hat lang schwärmt der Journalist von der Cohn auch gehört, dass mit der Urauf- sanft eindringlichen Schönheit der Innen- führung in Berlin ein Filmtheater in der architektur, den aparten Formen und vornehmen Friedrichstraße eingeweiht Farben, den geschmackvollen Kristall- wurde. In Hamburg ist die Mönckeberg- körpern und der Mahagonibekleidung. straße seit 1909 als Verbindung zwischen „Aber da geht schon der wundervolle Hauptbahnhof und Rathaus die neue Kinoanzeige vom 30. Oktober 1913 schwarze Vorhang, bedeckt mit diskreter, Einkaufsmeile, und in den Anzeigen wird lichtgrüner Ornamentik, auseinander, das neue repräsentative Innenstadt-Kino Lichtbänder flirren durch den Saal und auf lokalisiert mit „Warenhaus Karstadt ge- die weiße Leinwand schreibt der Licht- genüber“. Die Firma ist ein süddeutsches Pendant griffel das Wort: Herzlich willkommen!“ Allerdings: Ein 1.000-Plätze-Kino all- zur Berliner UFA, gerät jedoch bald in Erst spielt das Hausorchester – in die- abendlich zu füllen, ist nicht leicht, da finanzielle Turbulenzen. Struckmeyer & sem Kino gibt es einen richtigen Orches- muss man Konzessionen an den Publi- Behnke gründen daraufhin die Eftege, tergraben – die Jubel-Ouvertüre von Carl kumsgeschmack machen. In der zweiten wiederum ein Firmenkürzel: F(ilm) Maria von Weber, anschließend spricht Woche besteht das Programm deshalb t(heater)g(esellschaft). Direktor Mayring einen Prolog, den ein nicht allein aus dem Wagner-Film, son- Dichter extra für diesen Anlass verfasst dern es gibt dazu noch das Lustspiel Bubi 1 3 . M ä rz 1 9 2 9 hat. Danach ein Raunen im Saal: Enrico gewährt Gastfreundschaft, den Kultur- „Eine Autoauffahrt wie vor Berliner Caruso erscheint, alle Augen des Publi- film Spaziergänge in Rom, die illustrierte Theater-Premieren“, staunt das Fremden- kums richten sich auf den weltberühmten Wochenchronik Der Weltspiegel und blatt. Die Hapag präsentiert im Passage Eine Passage durch 100 Jahre Maestro, der in einer Loge Platz nimmt. Für die Einweihung hat man den Monu- zum Abschluss Leos Liebeslenz, laut An- zeige „ein farbenprächtiges Frühlings- den Film Melodie der Welt, und die han- seatische Prominenz ist vollständig ver- Kalenderblätter aus einem mentalstreifen Richard Wagner ausge- wählt, der in Bayreuth (Villa Wahnfried) gedicht“. sammelt. Die Sensation: Ein „Volltonfilm“, allerdings kein „Sprechfilm“. Regisseur bewegten Leben wie auch in der Elbmündung gedreht Z w is c hen den K riegen Walter Ruttmann will den „visuellen wurde (als Fliegender Holländer diente Rhythmus des Universums“ einfangen; der Segelkutter Sturmvogel). Musikalisch 2 3 . J uli 1 9 2 5 seinem Bilderreigen (die Aufnahmen Von Michael Töteberg geht es weiter, den Naturfilm Des Meeres Das gründlich renovierte Passage, nun stammen von der letzten Weltreise des ewiges Rauschen begleitet das Orchester wieder eines der „vornehmsten und Luxus-Dampfers „Resolute“) unterlegt er mit Stücken aus Griegs Peer Gynt. Kapell- schönsten Lichtspielhäuser des Deut- eine raffinierte Tonmontage (Straßen- „Das Theater ist vornehm-behaglich eingerichtet, die meister Drache gibt sein Bestes, doch schen Reiches“, wird der Öffentlichkeit lärm, Schiffstuten, Maschinengeräusche Beleuchtung ist von zauberischer Pracht“, staunte der Caruso zeigt deutlich sein Missfallen. „Als vorgestellt. Zwischendurch hatte der usw.). Eigentlich nichts weiter als ein Hamburgische Correspondent 1913 bei einer ersten die Hörner einmal anfingen, zu rasen, Kinobetreiber gewechselt: 1917 über- unkonventioneller Werbefilm für die wurde der Maestro sehr nervös. Er rief, nahm James Henschel das Filmtheater, Hapag-Touristik, erweist sich der Ex- Besichtigung. Das Passage war nie irgendein Innenstadt- nicht eben sehr leise, ‚Bääh!‘, trommelte der es ein Jahr später an die neu gegrün- perimentalfilm als Geschäft. 18.191 Be- Kino, sondern immer ein repräsentatives Haus. Ein Ort dann mit dem dunstroten Achatknopf dete UFA weitergab. Vier Jahre wurde sucher in der ersten Woche, nochmals für glanzvolle wie denkwürdige Premieren, in denen sich seines Stockes auf dem Zylinder herum im Stillen mit dem Besitzer des Grund- über 10.000 in der zweiten Woche; damit 100 Jahre Filmgeschichte spiegeln. und hielt sich dann mit beiden Händen stücks, der Konfektionsfirma Feldberg Er- kann sowohl die Reederei wie das Kino Quelle: Staatsarchiv Hamburg/Conti-Press die Ohren zu, bis die Gefahr vorüber war. ben, verhandelt, und jetzt ist das Passage hoch zufrieden sein. Aber sonst war’s sehr nett“, liest man am ein Emelka-Kino, betrieben von Hans nächsten Tag im Fremdenblatt. Struckmeyer und Wilhelm Behnke. Bran- 2 0 . D ezember 1 9 2 9 chenfremde sprechen den Namen falsch Die Tonfilm-Revolution erreicht Ham- 7. NOVEMBER 1913 E-mel-ka aus, richtig wäre jedoch Em-el- burg: Der amerikanische Spielfilm The Die Theaterleitung gibt per Annonce ka, denn es handelt sich um die phoneti- Singing Fool (mit Al Jolson und seinem Curd Jürgens beim Pressefototermin anlässlich bekannt: „Der kolossale Erfolg, den der sche Schreibweise von MLK, Abkürzung Hit Sonny Boy) sorgt für ein täglich aus- der Dreharbeiten zum Remake Auf der Reeperbahn Film Richard Wagner bei der Presse und für M(ünchner) L(ichtspiel) k(unst) AG. verkauftes Haus. Das „alleinige Auffüh- nachts um halb eins im Juni 1969
6 KINOGESCHICHTE KINOGESCHICHTE 7 Quelle: Staatsarchiv Hamburg Blick in den noch ungeteilten Kinosaal des Passage-Kinos in den 1940er Jahren rungsrecht“ für Hamburg teilt sich das gewinnung („Volk ohne Raum“) und 2 1 . J uli 1 9 3 7 Opfergang, ein schwülstiges Melodrama, Wunsches bedeuten, der häufig der Be- Passage mit dem Waterloo-Theater. Führerprinzip. Die beiden Hauptdarstel- Hinter geschlossenen Türen finden Ver- von einer „schwermütigen Todesmelo- satzungsmacht vorgetragen worden ist.“ ler Mathias Wieman und Marianne Hop- handlungen statt, von denen die Öffent- die“ (Kristina Söderbaum) durchzogen. Doch zu früh gefreut: Die Verhandlungen pe sind nach Hamburg gekommen und lichkeit nichts erfährt. In Berlin tagt der Bereits in den ersten Szenen werden verlaufen im Sande. Während die ande- UNTER DEM HAKENKREUZ werden vom Publikum gefeiert; auch die Vorstand der UFA und stimmt einem morbide Töne angeschlagen: Während ren Kinos sukzessive wieder den norma- 1 . N ovember 1 9 3 3 Tochter des Dichters, Gertrud Storm, ist „Poolabkommen“ mit dem Passage zu. draußen über der Alster die Sonne lacht, len Spielbetrieb aufnehmen, bleibt als Zum 20jährigen Jubiläum gibt es offi- anwesend. Die Premiere wird, wie an- Zunächst hatte man eine Übernahme des widmen sich die Honoratioren hinter einziges das Passage beschlagnahmt. zielle Glückwünsche von der Stadt und derntags der Film-Kurier berichtet, „zu Hamburger Kinos erwogen, doch die Ver- zugezogenen Gardinen der Lektüre von den neuen Machthabern. Es sollte „zu einem von brausender Begeisterung ge- handlungen scheiterten: Struckmeyer Nietzsche. Ein Hamburg-Film, wie ihn 4 . J uni 1 9 5 1 den Aufgaben eines Filmtheaterleiters im tragenem Erfolg“. forderte neben dem Pachtzins auch noch sich die Lokalpatrioten über all die Jahre Nach sechs Jahren und 26 Tagen wird nationalsozialistischen Staat gehören“, eine jährliche Abfindung, zusammen gewünscht hatten, ist das sicher nicht. die Beschlagnahme aufgehoben, das postuliert das Hamburger Tageblatt, die 2 3 . F ebruar 1 9 3 4 110.000 Reichsmark, was den UFA-Her- Kino an die Besitzer zurückgegeben. „Im lokale Nazi-Zeitung, „das Programm Als Auftakt zum Gauparteitag in Ham- ren laut Vorstandsprotokoll nicht tragbar 2 0 . M ä rz 1 9 4 5 Blitztempo sind die Jugendstildekorati- nach den kulturellen und nationalpo- burg zeigt das Passage Hans Westmar. erschien. Mit dem Abkommen werden in Das Passage-Kino wird von zwei Bomben onen von 1913 und die Grinzinglauben litischen Gesichtspunkten des neuen Einer von Vielen. Hakenkreuzfahnen im Zukunft die Einnahmen von Lessing- und getroffen, die in den Lichtschacht und ins der britischen Truppenbetreuer aus dem Reiches zu gestalten“. Doch das Passage Kinoeingang und Zuschauerraum, bei Passage-Theater hälftig geteilt; Filmmie- Treppenhaus fallen, jedoch nicht deto- Foyer verschwunden“, stellt das Ham- musste nicht erst „gleichgeschaltet“ wer- der Vorführung sind Reichsstatthalter ten und Unkosten zahlt jedes Theater nieren. Der Betrieb geht weiter bis zum burger Echo fest. „In der Zeit von gut drei den: Schon vor der Machtergreifung Kaufmann, Polizeipräsident Boltz sowie selbst, die Film-Disposition übernimmt Schluss. Wochen haben die Architekten Th. fanden hier häufig Veranstaltungen der weitere lokale Nazi-Prominenz anwe- für beide Kinos die UFA. Der Filmkon- Holthey und Prof. Hanns Stich den Ein- NS-Ortsgruppen statt. Struckmeyer und send; anschließend gibt es einen Fackel- zern verspricht sich davon eine bessere gang an der Mönckebergstraße ein mo- N a c h dem K rieg Behnke hatten ihr Kino bereits in der zug durch die Straßen. Der Film ist ein Ausnutzung der eigenen Produktion, dernes, schlichtes, aber freundliches „Kampfzeit“ in den „Dienst der national- Rückblick „auf die opfervollen Kämpfe, speziell jener Filme, die für den UFA- 3 . M ai 1 9 4 5 Gesicht gegeben.“ Im Kinosaal waren sozialistischen Bewegung“ gestellt, wie die zum Werden des neuen Reiches führ- Palast nicht geeignet erschienen. Politi- Britische Truppen ziehen in die Stadt die Spuren der britischen Militärs – nicht ein Oberregierungsrat in einem Schrei- ten“, wie die Hamburger Theater-Woche sche Überlegungen spielen ebenfalls eine ein. Sämtliche Filmtheater werden zu- unerhebliche Schäden durch Zigaret- ben lobt. Dass einstmals ein Mann schreibt. Inspiriert durch Horst Wessel Rolle: Man will einem „erwarteten Ein- nächst geschlossen, einige ausgewählte ten und angeklebte Kaugummis, klagt namens Cohn das Kino gründete, ver- (der Name darf nicht genannt werden), griff der Reichsfilmkammer zugunsten Kinos in der Innenstadt – Lessing, Urania Struckmeyer – zu beseitigen. schweigt man besser in der Nazizeit. wird die Märtyrerlegende eines von des Passage-Theaters“ zuvorkommen. und Passage – und in den Randbezirken Kommunisten ermordeten SA-Mannes, beschlagnahmt: Sie dienen als Truppen- N euanfang 1 2 . J anuar 1 9 3 4 eines „vom Untermenschentum gemeu- 8 . D ezember 1 9 4 4 kinos für die britischen Besatzer. Deut- Welturaufführung: Der Schimmelreiter, chelten Mitkämpfers“, ins Bild gesetzt. Eine Welturaufführung, parallel im schen ist der Zutritt verboten. 2 8 . J uni 1 9 5 1 eine Verfilmung der Storm-Novelle. Die Das Propagandaministerium ist nicht Lessing-Theater und dem Passage Kino: Festliche Wiedereröffnung vor gelade- Regisseure Hans Deppe und Curt Oertel An der Kasse für 10 Pfennig ganz zufrieden mit dem Streifen, doch Opfergang von Veit Harlan. Goebbels 1 7 . A pril 1 9 4 8 nem Publikum. Programmatisch zeigt haben alles Spukhafte und Gespensti- zu haben: Zum Eröffnungsfilm der Rezensent wischt alle Einwände bei- hatte der „vom Feindterror so hart be- „Von unterrichteter Seite wird mitge- man einen neuen deutschen Film, doch sche der literarische Vorlage einem nüch- Richard Wagner 1913 gab es – seite: „Es ist ein Film, der das Hohe Lied troffenen Hamburger Bevölkerung“ ver- teilt, daß seit einiger Zeit Verhandlungen leider hat die einheimische Produktion „die zeitgemäßeste Neuerung ternen Realismus geopfert: Deichgraf der Treue zu Führer, Volk und Vaterland sprochen, dass sie „ihren Film“ zuerst zu über die Freigabe des Passage-Kinos ge- im Moment nicht viel zu bieten: Man für alle Kino-Besucher“ – ein Hauke Haien im heroischen Kampf gegen Begleitbuch mit Fotos und singt, und wer wollte da zürnen, wenn sehen bekommen, nämlich Große Freiheit führt werden“, weiß die Hamburger Freie muss sich mit dem in Hamburg gedreh- die Naturgewalt des Meeres, ganz ge- Aufdruck „Passage-Lichtspiele auch einmal ein nicht ganz reiner Ton Nr. 7 Aber der Film wird für Deutschland Presse zu berichten. „Ein positiver Ab- ten Melodrama Irrwege zweier Herzen mäß den „Forderungen der Zeit“, Land- Hamburg“ dabei ist?“ nicht zugelassen, und so gibt es als Ersatz schluß würde die Verwirklichung eines begnügen. Eine ziemlich verquaste Ge-
8 KINOGESCHICHTE KINOGESCHICHTE 9 Foto: picture alliance/dpa (Christian Charisius) Foto: Manfred Thielemann / Vereinsarchiv Foto: Staatsarchiv Hamburg/Conti-Press Foto: Jürgen Lossau 1956 1968 1986 1988 2009 2013 schichte um einen Musikprofessor, dem alten Schauerromans von Hanns Heinz 2 1 . A pril 1 9 6 7 beiden Vorführräume ist zu hoch gewor- Schmuckstück. Zwar lassen sich die Sün- von links nach rechts: ein junger Schüler die Frau ausspannt, Ewers, eine Frankenstein-Variation. Die Mord und Totschlag: Papas Kino ist tot, den. Das Traditions-Kino, das eine fast den der Vergangenheit nicht alle wieder- Der in den letzten 50 Jahren mehrfach umgestaltete Kinoeingang worauf der Verlassene sich erschießt. Presse ist nicht begeistert: „Das Ganze das „Schnulzenkartell“ haben die Jung- 70-jährige Spieldauer aufzuweisen hat, gutmachen, aber bei der Neueröffnung Bei allem Wohlwollen, selbst das Abend- ist wirklich Sensation von dunnemals, filmer zu Grabe getragen. Regisseur Vol- soll nur noch bis zum Dezember dieses erstrahlt das Haus in neuem Glanz. Ulrich blatt fand den Streifen verlogen und arg ist Dämonie in Plüsch“, schreibt das ker Schlöndorff zeigt seinen zweiten Film Jahres bespielt werden. Nach dem Um- Tukur und Band spielen, der rote Teppich missglückt; die Laune wollte man sich Abendblatt. im Passage, mitgekommen ist die Haupt- bau soll im Hause eine Ladenpassage ist bis zur Mönckebergstraße ausgerollt. deshalb nicht verderben lassen: „Das darstellerin Anita Pallenberg. Ihr Freund, entstehen.“ Es kommt nicht dazu, doch Der Hausherr begrüßt seine Gäste mit Publikum nahm die ernstgemeinte Kost 1 . N ovember 1 9 6 3 Brian Jones von den Rolling Stones, hat nachdem drei Jahre zuvor der Kinokönig Handschlag und verspricht: „So festlich gestern heiter auf, hielt sich an Grothes Aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums die Musik zu dem Film beigesteuert. Heinz Riech das Passage seinem Reich wie bei der Eröffnungsfeier soll es auch Musik und ließ es die ungerufen vor dem bekräftigt Wilhelm Behnke in der Welt, „Schlöndorff beobachtet sachverständig, einverleibt hat, geht es mit dem einstigen bei künftigen Filmpremieren zugehen.“ Vorhang erscheinenden Beteiligten nicht das Passage werde auch weiterhin Heim- distanziert, reglos, mit anatomischen Vorzeigekino weiter bergab. entgelten.“ stätte des oft geschmähten deutschen Blicken aus unterkühlter und brillant ge- 1 8 . S eptember 1 9 9 1 Films sein. „Es gehört Mut dazu“, kom- führter Kamera“, urteilt die Hamburger 1 5 . O ktober 1 9 8 7 Ex-Beatle Paul McCartney ist für einen 2 5 . O ktober 1 9 5 1 mentiert die Zeitung. „Und ein gewisser Kritik. „Dabei ist ihm der beste Film ge- „Ein Jubelschrei, als Peter Maffay vor das Tag in Hamburg zur Welturaufführung Aus London kommt Operettenkönig Glaube daran, daß der deutsche Film lungen, den die jungen Deutschen bisher Passage-Kino tritt. An der Glastür drü- des Dokumentarfilms Get Back. Vormit- Robert Stolz zur Welturaufführung sei- eines Tages wieder den Anschluß an die zustande gebracht haben.“ cken sich Fans die Nasen platt, Mädchen tags um 11 Uhr im Passage Pressevorfüh- nes Films Tanz ins Glück und dirigiert internationale Produktion findet.“ Zu- halten Blumen, Jungen schwenken Plat- rung für 350 Journalisten aus ganz Eu- das NWDR-Orchester. „Ein melodienbe- sammen mit Ellen Dietrich, eine Tochter 1 . F ebruar 1 9 6 8 tenhüllen. Weltpremieren sind selten in ropa. Um 19.35 Uhr Cocktail-Stehparty schwingter Film des Frohsinns, der den des 1956 gestorbenen Hans Struckmeyer, Aufklärung à la Oswalt Kolle: Das Wun- Hamburg“, berichtet das Abendblatt von im Foyer: 650 geladene Gäste, darunter Alltag zum Sonntag macht“, lockt die führt Behnke auch in lausigen Zeiten den der der Liebe erlebt im Passage seine Welt- der Uraufführung des Films Der Joker. auch Ex-Star Club-Geschäftsführer Horst Kinoanzeige und jubiliert: „Ein musika- Betrieb weiter, später übernimmt seine uraufführung. Wissenschaftlich beraten Maffay spielt einen vom Dienst suspen- Fascher, Champagner, Sekt, Kir Royal lischer Triumph in nie erlebter Farben- Tochter Ursula Raschke. von dem Hamburger Sexologen Prof. dierten St.-Pauli-Polizisten, der sich mit und ein vegetarisches Büfett. Paul und pracht!“ Robert Stolz, gebürtiger Wiener, Hans Giese wollen es mehr als drei der Unterwelt anlegt. Inszeniert hat den Anhang verschwinden durch den Hinter- der in der Nazizeit in die amerikani- 8 . N ovember 1 9 6 4 Millionen Bundesbürger wissen. Sieben längst vergessenen Streifen der Kottan- ausgang um 21.20 Uhr, während die Vor- sche Emigration ging, trifft auf Jo- Aus 1 mach 2: Das Kino wird modernisiert weitere Kolle-Filme folgen. Regisseur Peter Patzak; es wirken mit führung im Kino beginnt. hannes Heesters, der im „Dritten Reich“ und – die Damen Dietrich und Raschke (und sind ebenfalls anwesend) Armin Kinoanzeige von 1967 Karriere machte. In dem Film spielt haben von Branchenprimus Riech ge- 2 9 . A pril 1 9 7 7 Mueller-Stahl und Tahnee Welch, die 4 . F ebruar 1 9 9 3 Heesters einen Tenor, der einer kleinen lernt, dem Erfinder des Schachtelkinos Mit Passage 3 hat das Kino nun einen Tochter von Raquel Welch. „Ich bleibe Keine gewöhnliche Premiere, sondern Schmiere am Bodensee zu unerwarteter – zweigeteilt. Der Saal wird zu Passage 1 kleinen Ableger – einen Schuhkarton mit Musiker“, versichert Maffay den Fans. eine Benefiz-Gala: Sir Richard Atten- Sensation verhilft. Nett und harmlos, (522 Plätze), der ehemalige Rang zu Pas- 52 Plätzen. Man hat einfach das ehema- Das ist auch besser so. borough und Geraldine Chaplin stellen Politik wird im Fünfziger-Jahre-Kino aus- sage 2 (271 Plätze). Vier Monate dauerte lige Büro umgebaut – Kinogenuss sieht sechs Wochen vor dem offiziellen Kino- Foto: Michael Töteberg gespart. der Umbau, eine Operation am lebendi- anders aus. 3 1 . M ai 1 9 8 8 Start das Biopic Chaplin vor. Die Eintritts- gen Leib: Man brauchte den Betrieb nicht Mit der Übernahme durch Hans-Joachim karten kosten 200 Mark, von denen 180 2 . J anuar 1 9 5 3 an einem einzigen Tag zu schließen. „Ge- Flebbe, dem Erzrivalen von Heinz Riech, Mark an das Kinder-Hilfswerk UNICEF T otgesagte leben l ä nger Lange Schlangen vor der Kasse schon schickt halbiert“ findet Bild und freut wird das Passage wieder zu dem schöns- fließen. Um 23 Uhr, nach Ende der Vor- morgens um 11 Uhr: Hildegard Knef sich: „Es macht immer mehr Spaß, in 9 . A pril 1 9 8 3 ten Filmtheater der Stadt. Flebbe inves- stellung, überreicht Attenborough Bür- ist abends zu Gast zur Premiere von Hamburg ins Kino zu gehen.“ Nicht alle „Passage-Kino muß schließen“, meldet tiert fünf Millionen DM und macht aus germeister Henning Voscherau einen Alraune. Es ist die x-te Verfilmung eines Cineasten sind dieser Meinung. das Abendblatt. „Die Pachtgebühr für die dem heruntergekommenen Kino ein Scheck in Höhe von 60.660 Mark. Die Rückseite des Kinos (Speersort) 2009
10 KINOGESCHICHTE A LT E H A M B U R G E R L I C H T S P I E L H Ä U S E R 11 Letzter Vorhang am Jungfernstieg Nach 57 Jahren wurde das Streit’s-Kino geschlossen Von Volker Reißmann Im Frühjahr 2010 wurde bei der Fotos: Anita Wertiprach Renovierung die vorher auf- klappbare Leinwand durch eine feste Projektionsfläche ersetzt Unten: Das Kino hatte sich schon von seinen Gästen verabschiedet Folge 19 1 9 . S eptember 2 0 0 5 eine Balken-Überschrift wert. Kein Kino- Regisseur und Hauptdarstellerin sind mogul, kein Medienkonzern, sondern diesmal nicht zur Promotion ihre neuen ein mittelständischer Unternehmer aus Films angereist, sondern um einen un- Schwaben tritt den Beweis an, dass man gewöhnlichen Erfolg zu feiern: Der mil- das Passage rentabel führen kann. „Ich Foto: Michael Töteberg lionste Besucher von Dani Levys Kino- mache das hier nicht aus Raffgier, son- Komödie Alles auf Zucker, eigentlich nur dern aus Liebe“, sagt Heinz Lochmann, fürs Fernsehen gedacht, wird erwartet. ergänzt aber nach einer kleinen Pause: Hannelore Elsner überreicht dem Jubilä- „Ich möchte schon, dass sich die ganze umszuschauer einen speziellen Gewinn: Mühe lohnt.“ Erst einmal wird es teurer eine Gastrolle in Levys nächstem Film. als geplant. Gut 1,7 Millionen Euro muss er in das Kino stecken, denn vom Vor- 1 1 . N ovember 2 0 0 9 gänger kann er nichts übernehmen: Das Das Passage schließt. An diesem Abend rückerstattet bekommen haben, inzwi- alte Kino ist entkernt und ausgeweidet. – letzte Vorstellung, Ende 22.30 Uhr – schen verstreut in den USA, Uruguay und Wiederauferstanden verfügt das Passage scheint das Schicksal des Traditionshau- England leben – haben die Miete erhöht. über die neueste Technik inkl. Stereo-3D ses besiegelt. Die Nachrufe sind bereits Damit ist das Passage wirtschaftlich nicht und prunkvollen Glanz im Stil des Art geschrieben, selbst in der Frankfurter mehr tragbar, erklärt ein Sprecher von déco: Goldglanztapeten, Kronleuchter Allgemeinen hat man einen Kranz gebun- Cinemaxx. Als börsennotiertes Unter- (handgefertigte Unikate) im Foyer, Tep- den. Zum Abschied haben sich Stamm- nehmen könne man sich leider keine pichboden mit Schneckenmuster. Ham- gäste und Kino-Enthusiasten eingefun- Liebhabereien leisten. Branchenkenner burg hat wieder ein repräsentatives Erst- den; auch Kinobetreiber erweisen dem haben Zweifel, ob dies die wahren Grün- aufführungstheater in der Innenstadt. alten Haus ihre Reverenz: Hans-Peter de für die Schließung sind. Das Passage Die Eröffnung wird ein rauschendes Fest, Jansen, Werner Grassmann und andere, gehört Cinemaxx, die – seitdem sie ins irritiert sind die Hanseaten nur über das unter ihnen Flebbe, der ehemalige Cine- Multiplex-Geschäft eingestiegen ist – alle Catering: Der Schwabe Lochmann tischt maxx-Chef. Bevor der Film beginnt, wird anderen Kinos der Gruppe stiefmütterlich Maultaschen und Spätzle auf. Feste wurden in dem ursprünglich von Christian Daniel Friedrich noch einmal eine besondere Kuriosität in behandelt und langsam abstößt. Immer- Streit als Hotel errichteten Traditionshaus am Jungfernstieg Gang gesetzt: Von starkem Quietschen hin 150.000 Besucher jährlich kamen Z um 1 . N ovember 2 0 1 3 begleitet, wird die für Breitwandfilme ins Passage, damit – meinen alte Hasen – Das Passage kann sein 100-jähriges Beste- bereits seit 1837 gefeiert. 1842 gab es vorübergehend eine Unter- notwendige Leinwand ausgefahren und müsste man leben können. Aber Cine- hen feiern. Um das gut besuchte, ebenso brechung, da das Gebäude zur Begrenzung des Stadtbrandes seitlich aufgeklappt. maxx steckt tief in den roten Zahlen, komfortable wie elegante Kino braucht kurzerhand gesprengt wurde; doch schon ein Jahr später wurde Quelle: Privatarchiv Frank-Oliver Möller Als der Film aus ist und das Licht im braucht dringend mehr Besucher. Ein man sich keine Sorgen zu machen. Als es in alter Pracht wieder aufgebaut. Saal erlischt, steht die Trauergemeinde böses Wort macht die Runde: Marktberei- Schlusswort sei zitiert, was vor bald hun- noch lange auf der Straße vor dem Kino nigung. dert Jahren eine Zeitung zur Eröffnung und diskutiert. Die Besitzer der Immobi- schrieb: „Wir dürfen nur hoffen, dass lie – immer noch Feldberg Erben, die 2 5 . M ai 2 0 1 0 man den Menschen die bunte Bewegtheit während der Nazizeit emigrieren muss- Totgesagte leben länger: „Hamburgs äl- des Lebens in geschmackvoller Form und ten, aber ihr „arisiertes“ Eigentum zu- testes Kino gerettet“, das ist nicht nur Bild unverzerrt bietet.“ • Neonwerbung aus den 1950er Jahren
12 K LT A O LEU M HANM ENBT UIRTG EELR LICHTSPIELHÄUSER A LT E H A M B U R G E R L I C H T S P I E L H Ä U S E R 13 der allgemeinen Kinokrise leisten. Der senen Innenstadt-Kinos Kurbel am Jung- Hausmanager war gleichzeitig techni- fernstieg, Waterloo und Esplanade an. So Foto: Staatsarchiv/Conti-Press scher Direktor, sein Assistent auch ne- kam Michael Douglas als 1975 als Pro- benbei Filmvorführer, der Portier längst duzent von Einer flog über das Kuckucks- pensioniert. Rund 50.000 DM koste der nest zusammen mit Jack Nicholson nach Kinobetrieb jeden Monat, davon alleine Hamburg und natürlich auch ins Streit’s. 100 DM an Strom täglich für den Projek- Klaas Akkermann war dabei der wich- tor und die Beleuchtung. Ein Mittelplatz tigste Protagonist – als Promoter für im Kino koste inzwischen stolze 8 Mark. Rundfunk, Fernsehen und Presse war er Anfang Mai 1975 überraschte die der Dreh- und Angelpunkt für alle Son- gleiche Zeitung Hamburger mit der dervorführungen für die schreibende Schlagzeile: „Die Amerikaner wollen Zunft. Der Filmkritiker Georg von Grote noch mehr Kinos in Hamburg kaufen: erinnerte sich kürzlich: „Für mich war Streit’s ist der Anfang.“ Zwei Millionen DM das Streit’s während meiner Hamburger sollten dem Bericht zufolge angeblich für Zeit mein Arbeitsplatz. Schätzungsweise die Übernahme von der britischen Rank die Hälfte aller Pressevorführungen, ob Organization gezahlt worden sein, die nun im großen Saal oder im Streit’s Foto: Pressebild/UFA-Theater AG sich nach dem Ableben ihres Gründers J. Studio, fanden dort statt. Es gab Tage, Arthur Rank gerade neu ausrichtete und da war man von morgens bis abends nur aus Deutschland zurückzog. Inwieweit dort, ging höchstens mal raus um was zu diese Informationen stimmten oder ob es essen oder sich um die Ecke was zu essen vielmehr um eine Übernahme des lang- zu besorgen.“ Das erwähnte Pressestudio fristigen Pachtvertrages ging, lässt sich mit 25 Plätzen war Ende der 1980er Jahre nicht nachprüfen – jedenfalls gehörte auf Betreiben von Klaas Akkermann im der Großteil der Immobilie schon damals ehemaligen Hotel-Küchenbereich einge- der Familie Reimers. Fox-Manager Steve richtet worden, nachdem das Presse- Roberts ließ sich für die Presse stolz vor studio im Passage-Kino nach diversen dem neuesten Kino seiner Gesellschaft Umbauten und Schließungen vorüber- Das Gästebuch verzeichnete schon da- anstelle des alten Speise- und Festsaals im Rang. In den Folgejahren liefen im Links: Heinz und Harry Anger fotografieren. gehend nicht mehr zur Verfügung stand mals große Namen wie den Dichter ein Kino und das übrige Gebäude zu einem Streit’s viele große Klassiker, vor allem mixten in den 1950er Jahren an Besonderer Anziehungspunkt war (später konnte das kleine Streit’s Studio der ersten Bar im Kinofoyer die auch für private Feiern gemietet werden). Hoffmann von Fallersleben oder den Bürohaus um. Nach dem Abbruch des aus britischer und amerikanischer Pro- nach wie vor über viele Jahre die Bar. Getränke Komponisten Gustav Mahler. 1925 kauf- alten Saals musste aber erst einmal auf- duktion – ob David Leans Die Brücke am „Geöffnet von 11 Uhr morgens bis 2 Uhr Aber die glanzvollen Zeiten neigten ten Bertha und Ludwig Vogt das Objekt. wändig eine neue Gründung mit 60 Stahl- Kwai oder die James-A.-Michener-Verfil- Oben: Blick in den gerade nachts“, warben Eröffnungsannoncen sich vorübergehend dem Ende zu: Horst- Prächtig war der Hotel-Saal, der schon betonpfählen vorgenommen werden. mung Hawaii – alle diese Werke erlebten fertiggestellten Kinosaal am schon 1956 in den großen Zeitungen. Dieter Eber verfasste 1986 in Hamburgs in den 1930er und 1940er Jahren ab und Als Betreiber des 463-Plätze-Kinos hier ihre deutsche Erstaufführung. 6. Dezember 1956, unten die Zu Klaviermusik mixten Werner Müller, Top Ten (2. aktualisierte Auflage 1989) ein zweite Bar aus den 1970er Jahren kritisches Urteil über das Streit’s: „Keiner an für Filmvorführungen genutzt wur- konnte der britische J.-Arthur-Rank-Ver- Von nun an war das Streit’s die erste Harry und Heinz Anger die Getränke. de: Flugs wurde dann an der Stirnwand leih gewonnen werden, der das Lichtspiel- Adresse in Hamburg, wenn für festliche Hier trafen sich seither Kinobesucher weiß, warum diese Projektionsstätte die eine Leinwand aufgestellt und so konn- theater in hellblauen Farben gestalten Uraufführungen der rote Teppich aus- und Filmkritiker nach Pressevorführun- feinste Kinoadresse der Stadt sein soll. ten hier auch bewegte Bilder über die ließ. Eigentlich sollten dem ersten deut- gerollt wurde. Barbra Streisand, Peter gen ebenso wie die Stars nach Premieren. An den betonharten Sitzen, der furchtba- Leinwand flimmern. In der NS-Zeit gab schen Kino der Rank-Organization (das O’Toole, Liza Minnelli – die Liste der Überhaupt – als Pressekino trat das ren Leinwand und an den Filmen kann es es Veranstaltungen, die einen deutlichen britische Unternehmen hatte sich gerade Streit’s-Gäste in den folgenden Jahrzehn- Streit’s spätestens seit Ende der 1970er nicht liegen. Vielleicht an der Bar? Aber Propagandaeinschlag erkennen ließen: kurz zuvor mit dem US-Kopiergeräteher- ten liest sich wie das „Who-is-who“ von Jahre die Nachfolge der zuvor geschlos- wer mag schon warmes Bier? Vielleicht So hat sich im Hamburger Staatsarchiv steller Xerox zusammengeschlossen und Hollywood. 1957 feierte Hardy Krüger eine Einladungskarte erhalten, in der befand sich deshalb auf Expansionskurs) die Premiere von Einer kam durch, 1961 die Fremdsprachliche Arbeitsgemeinschaft noch viele weitere folgen – schließlich Shirley MacLaine kam für Irma La Dou- der Frauen des Bundes zur Pflege persönli- blieb es jedoch beim Streit’s als einzigem ce, 1980 auch Bette Midler gastierte mit Einladungskarte von 1956 für den Eröffnungsfilm Doktor Ahoi! mit cher Freundschaften mit Ausländern e.V., Lichtspielhaus in Deutschland. ihrem neuen Film Rose und 1986 schließ- James Robertson Justice als trink- Ortsgruppe Hamburg für den 13. Januar Die Eröffnung erfolgte am 6.12.1956 lich auch Erotik-Star Valérie Kaprisky mit festen Schiffskapitän (er kam auch 1942 um 16 Uhr in Streit’s Hotel für eine mit der britischen Komödie Doktor Ahoi! La Gitane. persönlich zur Premiere ins Streit’s) Farbfilm-Reise vom Norden über die Alpen in Anwesenheit des britischen Botschaf- Am 2. August 1974 erschien in der nach Italien mit Ewald Zeyn, Reiseleiter ters Sir Frederick R. Hoyer Miller und Lokalausgabe der Bild-Zeitung der Arti- des Reisebüros Schnieder, warb: „Unkos- des Senators Dr. Biermann-Ratjen. Auch kel „Wie teuer es ist, ein Kino zu haben“ tenbeitrag: 1 Reichsmark.“ einige Darsteller wie James Robertson – Geschäftsführer Friedrich W. Herzog Im Mai 1945 wurde das Hotel von Justice kamen persönlich zur Premiere. berichtete, dass von den einstmals 26 den Briten als Offiziersquartier beschlag- Vor der gläsernen Schwingtür stand ein Mitarbeitern beim Start 1956 nur noch Foto: Filmmuseumsarchiv nahmt. Nach ihrem Abzug 1955 war Portier in roter Livree, zwei Direktoren 13 Mitarbeiter übrig geblieben seien: die einstige Nobelherberge in einem so im Smoking empfingen die 650 Gäste im Lediglich drei Platzanweiserinnen, zwei desolaten Zustand, dass die Eigentümer Foyer, sieben uniformierte Platzanweise- Kassiererinnen, eine Garderobiere und des Objektes von einer weiteren Nutzung rinnen reichten Sekt. Lediglich 1,45 Mark eine Süßwarenverkäuferin sowie eine als Hotel Abstand nahmen. So baute man kostete ein Kinokarte im Parkett, 3,95 DM Sekretärin könne man sich in den Zeiten
14 A LT E H A M B U R G E R L I C H T S P I E L H Ä U S E R rührt das Vorurteil daher, dass die bes- Eastwood kam im September 1996 per- ten Hollywood-Produktionen hier jeden sönlich, um das von ihm inszenierte Me- Foto: Staatsarchiv/Conti-Press Sonntagmorgen im Original anzusehen lodram vorzustellen: Nachmittags gab Foto: Frank-Oliver Möller sind.“ es im Kinosaal zunächst eine große Pres- Doch im gleichen Jahr wurde dieses sekonferenz, bevor dann am Abend die Manko behoben: Am 27. November 1986 Gala-Premiere mit anschließender Verlei- Legendäre „Raubtierfütterung“ mit titelte die Bild-Zeitung in ihrer Hambur- hung des Douglas-Sirk-Preises des Film- Chipstüten bei der montäglichen ger Lokalausgabe: „Das Streit’s am Jung- fests Hamburg stattfand: Festivalleiter OV-Sneak von 2008 bis 2013 fernstieg wird jetzt umgebaut: Mahagoni- Josef Wutz und Bürgermeister Henning Tresen und weiche, rote Sessel.“ Der da- Voscherau überreichten den neugeschaf- malige Betriebsleiter Dieter Rohlf und der fenen Preis persönlich an Eastwood, der Foto: Volker Reißmann Direktor Richard Holubowsky präsen- sich artig bedankte und eine Anekdote an Haus“ feierte: Das Kino wurde in dem Hineinwerfen von Chips-Tüten ins Pub- tierten persönlich die neuen weinroten den Namensgeber des Preises, den 1987 siebenminütigen Werbevideo, das die likum und auch keine analoge Projekti- Sitze; ein rotgrauer Teppichboden und gestorbenen, aus Hamburg stammenden Hauseigentümer wohl für potentielle onsmöglichkeit mehr, so dass das Kino- eine hellgraue Wandbespannung sorgten Filmregisseur Detlef Sierck, der sich in Mieter herstellen ließen, gerade einmal trailer-Archiv mit immerhin über 1.400 für ein neues Farbdesign. Am 17. Dezem- den USA Douglas Sirk nannte, beisteuerte. sieben Sekunden erwähnt – umso mehr Filmrollen von unserem Verein übernom- Oben: Jack Nicholson und Michael ber 1991 erschien in der gleichen Zeitung Noch einmal im April/Mai 2001, wur- wurden die Einkaufsmöglichkeiten im men wurde, um es vor der Entsorgung zu Douglas (als Produzent) am eine Laudatio zum 35-jährigen Jubiläum de das Streit’s-Kino renoviert und die Umfeld und angrenzenden Passagen- bewahren. Aber die bereits mehrmals 23. Februar 1976 bei der Promotion umgezogene Sneak-Preview (von 1994 des Kinos mit der Schlagzeile: „Wo schon Bestuhlung komplett erneuert. Zugleich Bereichen ins Bild gerückt. Theaterleiter zu Einer flog über das Kuckucksnest Hans Albers seinen Cognac trank“. versetzte man den Eingangsbereich samt Gary Rohweder hatte dann die Idee, bis 2001 fand sie im City statt, danach von Mitte: Clint Eastwood, Bürgermeister Ein besonderer Höhepunkt in den Bar in den ursprünglichen Zustand zu- einen eigenen Streit’s-Spot herstellen zu 2001 bis 2008 im Grindel, seit 2008 dann Voscherau am 13. Sept. 1995 bei der 1990er Jahren war die Deutschland- rück. Die Ufa-Theater AG führte das Kino lassen. Vorführer Frank-Oliver Möller im Streit’s) hatte damit wenigstens lang- Premiere von Die Brücken am Fluss Premiere der Bestseller-Verfilmung Die nun neben dem Studio-Kino in der Bern- kontaktierte daraufhin Ex-Kollegen vom fristig eine neue Heimstätte gefunden. Unten: Eingangstür, Dezember 1956 Brücken am Fluss – Hollywood-Ikone Clint storffstraße als Ufa-Arthouse mit beson- Atlantik Filmkopierwerk und so wurden Die CineStar AG gab Ende März 2013 ders ausgewähltem Filmprogramm. Nach fünf digitale Imagetrailer hergestellt. eine Pressemitteilung heraus, der zufolge der Ufa-Insolvenz 2003 wurde das Haus Die Dreharbeiten zu den Motiven fanden man sich mit dem Vermieter bisher nicht der Lübecker CineStar AG als Partnerkino dann, ausserhalb der Kinoöffnungszeiten, über die Auszugskonditionen und die ihrer Multiplex-Kette angegliedert. Blick in die Bar und den kleinen im Foyer statt. Regisseur Dennis Albrecht von ihm verlangten Instandsetzungsar- Im März 2007 konnte das 50-jährige Zuschauerraum des Streit’s-Presse- und sein Team setzten die Motive ins beiten (Ausbau der Klimaanlage und des studios gesamten Interieurs) habe einigen kön- Jubiläum mit einer kleinen Nostalgie- rechte Bild. Die digitalen Imagetrailer Schau (nach)gefeiert werden. Probleme (Streit’s OV-Das Original) wurden nach nen. So kam es wie es kommen musste, gab es jedoch zu diesem Zeitpunkt mit der Fertigstellung vor jedem Spielfilm zu einem unwürdigen Ende: Hatte man einer Mäuseplage, über die auch ande- eingesetzt und fanden beim Publikum, am Ostermontag, den 1. April, noch ein- re Geschäfte zwischen Gänsemarkt und Aufgrund der ideenreichen Umsetzung, mal das volle Programm geboten, ende- Rathausmarkt allgemein klagten – so großen Anklang. te der Spielbetrieb am Dienstag, den 2. konnte es schon einmal passieren, dass Da half es auch nichts, dass der Deut- April 2013, abrupt: Bereits Vormittags mitten in einer Vorstellung auf einmal sche Kulturrat des Streit’s-Kino ganz blockierte ein großer Diesel-Trafo den ein kleines Tierchen zwischen den Stuhl- oben auf die aktuelle „Rote Liste“ der Kinoeingang und nach Androhung von reihen auftauchte und dass mehrmals bundesweit gefährdeten Kulturinstitutio- rechtlichen Zwangsmaßnahmen einigten der Kammerjäger bemüht werden muss- nen setzte – unter Denkmalschutz stand sich beide Parteien: Die Kinobetreiber te. Zudem stieg mehrmals nach heftigen lediglich die äußere Hausfassade, nicht klebten am gleichen Tag einen Zettel mit Regenfällen der Grundwasserspiegel der jedoch der Kinosaal im Innenhof. der lapidaren Feststellung an die Tür, der Fotos: Frank-Oliver Möller Alster trotz Sandsack-Barrieren derart Eigentlich sollte das Kino bereits „Spielbetrieb sei mit sofortiger Wirkung“ stark an, dass der gesamte untere Foyer- Ende Februar 2013 schließen; dann wur- eingestellt. Bereich überschwemmt wurde – zuletzt de der Termin auf Anfang März verlegt Die Betreiber überließen es den im Juni 2011: Anschließend musste der und wenig später auf Mitte des Monats. Hauseigentümern, die Bestuhlung, den völlig durchnässte Teppichboden kom- Die Hoffnung, dass Heinz Lochmann, der Vorhang und den Rest der Projektions- plett ausgetauscht werden. Auch das Retter des Passage-Kinos an der Möncke- technik zu entsorgen – vieles landete bei Heftige Regenfälle und steigendes digitale Zeitalter zog ins Streit’s ein. Ende Grundwasser überschwemmten am bergstraße oder Hans-Joachim Flebbe, Privatsammlern, die damit ihre eigenen 2010 wurde zusätzlich zur vorhandenen 6. Juni 2011 das Kinofoyer der gerade in Hamburg auf der Suche Garagenkinos einrichteten (die Stühle 35mm-Projektor, ein Digital-Beamer zur nach einem Standort für ein neues „Pre- mussten selbst demontiert werden). Nur Wiedergabe von 2D-und 3D-Spielfilmen mium-Kino“ war, nun auch das Streit’s Tage später begann die Entkernung der installiert. Somit war das Streit’s der we- übernehmen würde, zerschlugen sich. angrenzenden Ladengeschäfte und des Foto: Pressebild/UFA-Theater AG nigen Hamburger Kinos, dass Filme nun Die legendäre Sneak-Preview, die Foyer-Bereiches; die aufwändige Stüt- analog und digital zeigen konnte. immer montags Filme lange vor dem ei- zung der denkmalgeschützten Fassade Dass die Hauseigentümer an dieser gentlichen Kinostart in Originalsprache mit neu eingezogenen Stahlträgern Stelle etwas anderes als einen Kino- zeigte und fast immer ausverkauft war, nahm mehrere Monate in Anspruch. betrieb planten, konnte man schon im wanderte am 11. März 2013 ins Passage- Dem Vernehmen nach soll hier in Zu- Frühjahr 2012 einem Imagefilm entneh- Kino ab – dort gab es zwar keine Bühne kunft eine gemischte Nutzung aus Büro- men, der das Jubiläum „175 Jahre Streit’s für die „Raubtierfütterung“, sprich das und Ladenflächen vorgesehen sein.“ •
16 KINOGESCHICHTE KINOGESCHICHTE 17 1957 kam aus den USA ein neues, sehr Objekt von Grund auf saniert. Unterstützt Linke Seite: Handzettel mit der eindrucksvolles Filmverfahren nach Eu- wurde er dabei von dem Architekten R. Werbung für die Eröffnung 1957 und das damals sensationelle ropa: Todd-AO setzte neue erfolgreiche Siegmeier, der sich übrigens auch für das TODD-AO-Projektionsverfahren Maßstäbe, auch für den Kinobau – mit bereits Ende Mai 2010 offiziell von Heinz 70mm-Breitfilm, einhüllendem 6-Kanal- Lochmann wiedereröffnete Passage-Kino Magnetton und großen gekrümmten (im edlen Art-Déco-Stil) in der Möncke- Leinwänden. Das erste in Europa eigens bergstraße verantwortlich zeigte. für Todd-AO erbaute Kino war damals das Hamburger Savoy-Filmtheater, das O R I G I N A L FA S S U N G E N am 14. März 1957 festlich eingeweiht UND SCHMUSESESSEL wurde. Fast 60 Jahre später existiert das Kino immer noch, trotz mehrfacher Alles wurde, in Abstimmung mit der Bau- Schließungen, langjährigen Leerstandes behörde und der für den Brandschutz und der Gefahr des Abrisses (siehe dazu zuständigen Bauprüfabteilung des Be- Hamburger Flimmern, Heft 11/2004: „Vom zirksamts Hamburg-Mitte, von Grund Premierentempel zum Geisterkino – Die auf erneuert – von der Klimaanlage, der wechselhafte Geschichte des Savoy- elektrischen Verkabelung, dem Sanitär- Kinos“). Dank der Initiative von Hans- bereich bis hin zu den Wänden und Joachim Flebbe wurde es am 19. Juni Decken im Kinosaal und im Foyer. Um 2013 erneut zum Leben erweckt: „Ein dies zu ermöglichen, investierte Flebbe so schönes Kino darf man einfach nicht mit seiner neu gegründeten „Savoy-Film- sterben lassen“, sagte Flebbe. theater-GmbH“ kräftig. Mehr als 1,2 Mil- Lange Zeit liefen Flebbes Planungen lionen Euro betrugen die Kosten, von auf das am 6. Dezember 1956 eröffnete der Gesellschaft selber finanziert, unter- und am 2. April 2013 endgültig ge- stützt mit einem Filmtheaterförderungs- schlossene Streit’s-Filmtheater als idea- darlehen der Bundesfilmförderungsan- len Standort für sein Astor-Film-Lounge stalt (FFA). Kinoprojekt in Hamburg hinaus. Liebe- Da das im Streit’s-Filmtheater viele voll bis ins Detail gestaltete Pläne einer Jahre bereits erfolgreich erprobte Kon- Berliner Innenarchitektin fanden bei zept mit englischsprachigen Originalfas- den Hauseigentümern jedoch keinen sungen im Savoy fortgeführt werden soll, Anklang. überrascht es nicht, dass nun Ex-Streit’s- Theaterleiter Gary Rohweder das wie- dereröffnete Haus leiten wird. Mit ihm EINE NEUE CHANCE FÜR wurden erfreulicherweise auch weitere DAS TRADITONSHAUS Streit’s-Mitarbeiter übernommen. Doch es gab eine Alternative: Das alt- „Der Zuschauerraum dieses Kinos ist ehrwürdige Savoy-Filmtheater am Stein- beeindruckend und sicherlich einer der damm, welches sich in Hamburgs multi- schönsten noch existierenden Filmthea- kulturellem Stadtteil St. Georg befindet, tersäle Hamburgs“, schwärmte Flebbe der in den letzen Jahren bekanntlich mit bei der ersten Pressekonferenz am 19. allerlei sozialen Problemen und auch Juni. Die neue elegante und bequeme Anzeigen für Monumentalfilme einem teilweise baulich wenig attraktiv dunkelbraune Bestuhlung kommt von und Musicals, die bevorzugt gestalteten Umfeld zu kämpfen hatte. der Firma SKEIE in Sandnes aus Norwe- in den Anfangsjahren des Savoy Alles ganz neu „Die Lage des Kinos, so ganz in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs, ist gen. Von den ursprünglich 950 Sitzplät- zen bleiben noch 284, davon 94 Plätze in gezeigt wurden Die Wiedereröffnung eines sicherlich nicht ideal für ein Luxuskino der Astor-Film-Lounge-Klasse“, gestand der so genannten Loge (letzte 4 Reihen im Kinosaal) und 190 im Parkett (8 Rei- legendären Filmtheaters Flebbe bei der Wiedereröffnung des Sa- hen). Auch drei Rollstuhlplätze gibt es. voy. Gleichzeitig gab er bekannt, dass in Die Sessel haben natürlich verstellbare den kommenden Jahren ein Neubau für Rückenlehnen, bei einigen Sitzen sogar Neuer Hausherr: Kinokönig ein Astor-Premium-Kino mit drei Sälen in bis fast in die Liegeposition mit ausklap- Hans-Joachim Flebbe Von Gerhard Witte der Hamburger Hafencity in Planung sei. penden Fußstützen. Überall besteht gro- Erfreulicherweise können die Ham- ße Beinfreiheit. In den letzten Reihen burger nun wieder Filme auf der großen hinten, im Logenbereich, gibt es zusätz- Foto: Filmmuseumsarchiv Leinwand in dem legendären Filmthea- lich Beinhocker und sogar integrierte Foto: Volker Reißmann Deutschlands Kinounternehmer Hans-Joachim Flebbe eröffnete in diesem Sommer das Savoy- ter am Steindamm genießen. Dafür wur- Weinkühler. Hier und da sind auch Filmtheater erneut – als „Originalfassungs-Premium-Kino“ ganz in der Tradition seines zuvor in de über vier Monate renoviert. Unter der doppelsitzige „Schmusesessel“ eingebaut. Berlin, München, Frankfurt am Main und Köln erprobten „Astor-Film-Lounge“- Konzepts. Leitung des CinemaxX-Hausarchitekten Ein besonderer Clou: Die erste Reihe Heinz-Jürgen Schuhmacher wurde das des Kinos hat „Chaiselongue-Charakter“,
18 KINOGESCHICHTE KOLUMNENTITEL 19 Anschließend gab es sehr unterhalten- Links: Der Monumentalfilm de Showauftritte der Dresdner Sängerin Salomon und die Königin von Saba lief Ende 1959 und Chansonnière Anna Maria Scholz, mehrere Wochen lang alias Annamateur, und des Komikers und Parodisten Jörg Knör, der erst vor kur- Rechts: Kinoanzeige für den zem nach Hamburg umgezogen ist. Zum CinemaScope-Film Roter Abschluss zeigte man auf der großen Staub von Irving Rapper, mit dem 1957 das Kino eröffnet Leinwand den mit viel Soul-Musik unter- wurde legten australischen Spielfilm The Sap- phires, der am Folgetag dann in Deutsch- land offiziell in den Kinos anlief. Die Neueröffnung des Filmpalasts war für Hamburgs Kinolandschaft na- türlich ein freudiges Ereignis, besonders wenn man bedenkt, dass im Laufe der vergangenen Jahre sehr viele Kinos ihre Türen für immer schließen mussten. Das Hamburger Abendblatt und auch die regionalen Fernsehsender NDR und Foto: Filmmuseumsarchiv SAT.1-Norddeutschland berichteten aus- führlich darüber. In der Nacht der Eröff- nung wurde das Kino zusätzlich durch heftige und ungewöhnlich lang andau- ernde Gewitter „getauft“ – hoffentlich ein gutes Omen für die Zukunft! Wer, wie der Autor, das Glück hatte, die Breitfilm-Ära im Savoy miterleben zu können, dem waren solche Kinobesuche eine Bestuhlung, in der man es sich Service sorgen. Über das Internet kön- Kopfhörer ansehen konnte. Im Savoy ein „Hollywood am Steindamm“. Man mit ausgestreckten Beinen bequem ma- nen Eintrittskarten platzgenau reserviert werden dann Filme in der Originalver- darf froh sein, dass Hans-Joachim Flebbe chen kann. Allerdings soll es typische oder gekauft werden. Zusätzlich zu den sion gezeigt, und man wird sie zugleich dem altehrwürdigen Haus nun eine Über- Premium-Kino-Dienste wie Valet Parking, regulären Vorstellungen sollen einige über Kopfhörer in der deutschen Syn- lebenschance gibt. • Begrüßungsgetränke und eine direkte Filme mit deutschen Untertiteln und chronisation hören können. Doch erst Platzbedienung im Kinosaal im Savoy zu Matinee-Vorstellungen am Sonntag bei steigender Zahl von Kinos, die diese nicht geben. Filme nur in deutscher Sprache gezeigt Technik anwenden können, wären die werden. Theateraufführungen aus dem Filmverleihe bereit, derartige Festplatten National Theatre und dem Globe Theatre (DCPs – Digital Cinema Packages) mit M O D E R N S T E V O R F Ü H RT E C H N I K in London, teils auch als Live-Übertra- der entsprechenden Software zur Verfü- Für den Einbau der hochmodernen Pro- gungen, erfreuen die Filmenthusiasten gung zu stellen. jektions-, Ton- und Bühnentechnik in bereits in einem Klassik-Programm. „Ich dem Kino war die Firma Cine Project hoffe auf rund 100.000 filmbegeisterte STIMMUNGSVOLLE ERÖFFNUNG GmbH (Zentrale in Landshut/Bayern) Besucher im Jahr“, sagte Flebbe. zuständig: Ein Christie (Solaria-Serie) In naher Zukunft ist eine Zwei-Spra- Etwa 250 Gäste liefen am 19. Juni 2013 2D- und 3D-Digitalprojektor mit 3-Chip chen-Version über Kopfhörer per Infrarot- abends über den roten Teppich und freu- DLP Cinema Technologie mit 2K-HD übertragung geplant. Erste Tests liefen ten sich, das neue Theater einweihen zu (2048 × 1080 Pixel) Auflösung sorgt für in der Frankfurter Astor-Film-Lounge er- können. In der ersten Stunde, ab 19 Uhr, Foto: Savoy ein gestochen scharfes brillantes Bild. Er folgreich, wo man sich den deutschspra- wurde das Publikum bereits mit Lie- wiegt 111 kg und ist auf 4K (4096 × 2160 chigen Film Der große Gatsby auch in der dern der Sängerin Leonore Bartsch mit Pixel) aufrüstbar. 3D-Filme werden mit englischsprachigen Originalversion über Gitarrenbegleitung eingestimmt. Gegen dem 3D Masterimage System vorgeführt. 20 Uhr hielt Flebbe dann eine kurze Blick in den komplett renovierten und neu bestuhlten Zuschauerraum, Für den gewaltigen einhüllenden Ton Rede, anschließend wurde eine etwa wie er sich seit Juni 2013 den Besuchern präsentiert sorgt ein 7.1 Sound-System mit CROWN 15-minütige Filmkompilation aufgeführt, DSi 2000 Verstärkern (Power Amplifier) die die wechselvolle Geschichte des Kinos mit 30 000 Watt Verstärkerleistung. Ein beschrieb. Amüsant waren auch lustige Wermutstropfen: Analoge Filme können Filmclips diverser Persönlichkeiten aus Die vollständige Fassung dieses Berichts ist auf hier nicht mehr vorgeführt werden, da Film, Sport und Politik oder auch ani- der Internet-Seite von Thomas Hauerslev für alle traditionellen Vorführmaschinen be- mierte Cartoons, die, mit veränderten Freunde des Breitfilms www.in70mm.com zu reits vor längerer Zeit ausgebaut wurden. Texten synchronisiert, mit Witz und Foto: Savoy finden: http://www.in70mm.com/news/2013/ Im Foyer des Kinos stehen zwei Kassen Charme das wiedereröffnete Savoy vor- savoy/de/index.htm. Dort ist auch eine Bilder- zur Verfügung, die für einen schnellen stellten. galerie verlinkt.
20 KO M EL DUI EMNNZEENNTTI R TUEL M MEDIENZENTRUM 21 Videoarchiv (1980) die Arbeit von Lehrern und Lehrerinnen filme, Projekte und Themenschwerpunkte im medienpädagogischen Bereich zu diskutiert und koordiniert werden. Die unterstützen. Projekte in außerschuli- Organisierung des Archivs und Verleihs, schen Bereichen führten jedoch schnell Korrespondenz etc. wird vom „mpz-Tages- zur Erweiterung der Konzeption und der dienst“ erledigt. Zu den Öffnungszeiten Arbeitsfelder des mpz. 1974 wurde ein ge- können Interessierte mit Fragen und Aus- 40 Jahre Medienpädagogik Zentrum Hamburg meinsamer Werkstattraum im Grindel- leihwünschen kommen, Filme sichten hof 59c, in unmittelbarer Nähe zur Uni- und recherchieren. Die praktische Medien- Ein Streifzug durch die Geschichte versität Hamburg, angemietet, der durch arbeit erfolgt im Rahmen von Arbeits- Mitgliedsbeiträge bezahlt wurde. Die ers- gruppen oder Einzelprojekten und wird Fotos: mpz Ein Beitrag des mpz ten eigenen Videogeräte für Aufnahme, von den Beteiligten selbst organisiert. Schnitt und Verleih wurden angeschafft Um Abhängigkeiten zu vermeiden, (die sog. cv- und av-Bänder-Generation) wird versucht, die Arbeit vorwiegend und aus eigenen Mitteln, durch Kredite über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Ein- und Spenden finanziert. Gleichzeitig ent- nahmen aus dem Videoverleih/Verkauf 8. Juni 2013: Aus einem Hamburger Hinterhof dringen ungewohnte Töne und Stimmen auf die Susannenstraße und standen die ersten praktischen Videopro- zu finanzieren, was zunehmend schwerer lassen Passanten und Bewohner im beliebten und belebten Hamburger Schanzenviertel aufhorchen. Die ungewöhn- jekte: Schülerwochenschauen („Schüler wird. Vereinzelt kommen für bestimmte lichen und schrägen Bläsertöne, die Sambarhythmen, Afro- und Reggaeklänge zeichnen – für Musikkenner sofort informieren Schüler“), Videowochen- Geräteanschaffungen und Projekte auch erkennbar – die Musik von Tuten und Blasen und Toto Lightman & Band aus, die anlässlich des 40-jährigen Jubiläums schauen zum Hochschulrahmengesetz, Fördermittel über das Bezirksamt und des mpz (Medienpädagogik Zentrum Hamburg e.V.) und der Werkstattgemeinschaft „Die Tischler“ aufspielen. Rund zu den Berufsverboten, mit Lehrlingen die Kulturbehörde. Die Umstellung der zum Tarifkampf im Öffentlichen Dienst, Produktionsmittel auf die digitale Video- 150 Gäste sind der Einladung zu einem gemeinsamen Fest gefolgt, tauschen sich über vergangene Zeiten aus, mit Jugendlichen in Jugendzentren, mit technik gelang mit der finanziellen Un- informieren sich über gegenwärtige Aktivitäten, in Form von Werkstattführungen, Filmvorführungen, Lesungen und Mieterinitiativen zum Problem Wohn- terstützung durch die Medienstiftung persönlichen Gesprächen. raumzerstörung und Mietwucher, mit Hamburg. Die weitgehend unabhängige Frauengruppen zum § 218 und mit Anti- Existenz von staatlichen Geldern und In- AKW-Initiativen gegen den Bau von stitutionen ist wesentlich den Förderern Atomkraftwerken in Brokdorf und an- zu verdanken, die das mpz seit vielen unschätzbares Gedächtnis der sozialen Gruppen, wurde damals versucht, diese derswo. Über diese praktischen Projekte Jahren ideell und finanziell unterstützen. K urzgefasst und politischen Bewegungen der letzten Situation durch selbstorganisierte, hoch- wurden auch Interessierte aus anderen Das mpz ist ein selbstorganisiertes, un- 40 Jahre. schulübergreifende Projektseminare zu Arbeits- und Berufsfeldern für die Mitar- M edienpolitis c he U topie abhängiges Medienzentrum, das 1973 ändern, zunächst im Rahmen des Studi- beit im mpz gewonnen. gegründet wurde und bis heute aktiv ums, später durch die Schaffung eines ge- Das medientheoretische Selbstverständ- RÜCKBLICK ist. Wir produzieren und verleihen Vi- meinsamen Arbeitszusammenhangs für nis des mpz knüpft an die Konzeption organisationsform deofilme, sammeln und veröffentlichen Die Entstehung des mpz wurde wesent- praktische Medienarbeit außerhalb der einer eingreifenden und selbsttätigen Literatur zur Geschichte alternativer lich beeinflusst durch das Studium an der Institution Hochschule/Schule. Das mpz ein eingetragener, gemeinnüt- Kulturarbeit und Gegenöffentlichkeit Medienarbeit, organisieren Veranstal- Hochschule für bildende Künste/HfbK ziger Verein, der sich die Förderung der an, wie sie von Sergej Tretjakov, Bertolt tungen, sind Treffpunkt für Gruppen. und der Universität Hamburg, durch die beruflichen, schulischen und außerschu- Brecht und Walter Benjamin im Kontext AUFBRUCH Wir versuchen, mit Medien in politische gemeinsame fachliche und hochschul- lischen Bildung zum Ziel gesetzt hat. der Arbeiterkulturbewegung der 1920/ und alltägliche Auseinandersetzungen politische Arbeit. Unzufrieden mit der 1973 wird ein erstes Konzept- und Die Mitarbeit erfolgt auf ehrenamtlicher 30er Jahre und von Hans Magnus Enzens- einzugreifen und Öffentlichkeit/Gegen- traditionellen Kunst- und Pädagogik- Selbstverständnispapier zur Gründung Basis, als nebenberufliches Engagement, berger, Oskar Negt und Alexander Kluge öffentlichkeit herzustellen. Wir unter- ausbildung, ständig konfrontiert mit der erarbeitet, das im Laufe der Jahre wei- was den zeitlichen Rahmen der Aktivitä- in den 1970er Jahren formuliert worden stützen Initiativen, selbst mit Medien materiellen und personellen Misere an terentwickelt wurde. Die anfängliche ten einschränkt. war. Kultur sollte nach diesem Verständ- aktiv zu werden und ihre eigene Kultur- der Hochschule, unzufrieden mit der Konzeption bezog sich schwerpunkt- Linke Seite: Auf einer Der regelmäßige Informations- und nis nicht länger von der Wirklichkeit ab- und Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln. Trennung von fachlicher und politischer mäßig auf die Bereiche Schule und Containerbrücke im Erfahrungsaustausch findet im „Plenum“ gehoben und aus dem Arbeits- und Wir haben ein großes Videoarchiv – ein Arbeit in vielen hochschulpolitischen Hochschule. Sie setzte sich zum Ziel, Hamburger Hafen (1988) statt, wo alle laufenden Arbeiten, Video- Lebenszusammenhang herausgelöst sein,
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