Unterwegs im Zeichen der Muschel - Fränkische St. Jakobus-Gesellschaft ...
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Zeitschrift der Fränkischen St. Jakobus-Gesellschaft e.V. gegründet 1988 - Elias-Valiña-Preis 2010 Inhalt Grußwort des Präsidenten 3 Termine 4 - 5, 7, 29 Pilgerstammtisch 5 Pilgersegen 6 Zum Nach-Denken 8 Dieter Wagner, Bonifatius - ein Wegbereiter Europas 11 Aus unserer Gesellschaft 21, 29, 34 - 37 Santiago de Compostela 23, 33 Aus der Pilgerwelt 22, 56 Pilgerstimmen 27f, 30, 39, 57 Jakobus überall 30, 38, 43 - 46 Peter Spielmann, Die Kathedrale von Santiago d. C. 24 Büchertisch 49 - 55 Herbergen - Pilgerwege 22, 31, 32 Aus anderen Gesellschaften 60, 65 1. Encuentro Mundial 62 - 64 Neue Mitglieder 66 EinBlick in Zeitschriften 67 Impressum 68 Zum Titelbild Im Jahre 2015 begleitet die Leser von “unterwegs” der Apostel Jakobus d. Ä. aus einem Fens- ter der Pfarrkirche Üchtelhausen bei Schweinfurt. An der Nahtstelle zweier Täler hat sich Üchtelhausen entwickelt. Der weithin als „Üchtelstücht“ bekannte Ort spielt mit seinem mundartlichen Namen auf die kesselartige Lage des Dorfes an. Die erstmalige urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1194. Beeindruckend ist die Kirche „St. Jakobus und St. Katharina“. Die mittelalterlichen Kuratiekirche von 1687 wurde 1985/86 mit einem modernen Kirchenbau vorbildlich verbunden. Die barocke Gestaltung wurde in den zeitgenössischen Kirchenraum integriert. Den Altarbereich schuf der örtliche Bildhauer Peter Vollert. Zwei 2.027 große Farbfenster zu den Kirchenpatronen entwarf Kunstmaler Curd Lessig (*1924) aus Würzburg. Das Jakobusfenster zeigt Szenen aus dem Leben des Apostels von der Berufung bis zur Enthauptung. In der Mitte steht überlebensgroß der Apostel im Pilgergewand mit Stab, Wasserflasche, Tasche und Muschel. Foto: Manfred Zentgraf Tage waren es am 15. Juni 2015 bis zum nächsten Heiligen Compostelanischen Jahr 2021! unterwegs 2 nr. 96 juli 2015
Grußwort des Präsidenten können. Dies hat aber auch zur Konse- quenz, daß es schwieriger wird, ein passen- des Haus zu finden. Für die Jahresversammlungen 2016 und 2017 Ulm, 30. Mai 2015 waren wir erfolgreich. Allerdings müssen wir jeweils zum ersten Märzwochenende einladen. Hier sind die Termine: Liebe Mitglieder und Freunde des Jakobus- weges, 04. – 06. März 2016 im Evang. Bildungs- das war ein froher und fröhlicher Gottes- und Tagungszentrum in Pappenheim, dienst am 19. April 2015 in St. Jakob in 03. – 05. März 2017 in der Evang. Ta- Nürnberg: die Kirche war sehr gut gefüllt, gungsstätte Wildbad in Rothenburg o. d. das Kirchenschiff war festlich geschmückt Tauber. mit sichtbaren Hinweisen auf die Pilger- wege, die sich in Nürnberg treffen. Ich bitte Sie, jetzt schon diese Termine vor- Und der Anlass war die Eröffnung der zumerken. Räume des Pilgerbüros für den Jakobsweg- knoten Nürnberg. Viele Pilgerinnen und Pil- Unsere Fränkische St. Jakobus-Gesellschaft ger, viele Mitglieder unserer Gesellschaft zeichnet sich durch das Engagement vieler feierten an diesem Tag das Fest der Ge- Ehrenamtlicher aus. Dafür sind wir sehr meinde mit. Lesen Sie dazu den Beitrag auf dankbar. Dennoch suchen wir derzeit wei- Seite 29. tere Mitglieder für die ehrenamtliche Tätig- Und wir dürfen uns auf ein weiteres Fest keit als Pilgerausweis-Aussteller. Unsere freuen: das alte Schulhaus in Kirchschletten Gesellschaft stellt mit rund 7000 die meis- wird als Pilgerherberge eröffnet und einge- ten Pilgerausweise aller deutschen Jakobus- weiht. Unsere Gesellschaft hat das Projekt gesellschaften aus. Wir wollen diese des Klosters Maria Frieden von Anfang an Tätigkeit leichter gestalten und bestimmte begleitet, damit es als LEADER- Projekt er- Arbeitsschritte automatisieren. Daher su- folgreich werden konnte. So freuen wir uns chen wir Mitglieder mit PC und guten E- auf den Festakt am Freitag, 24. 7. 2015 um Mail-Kenntnissen. Wir freuen uns, wenn 15.00 h mit Erzbischof Dr. Schick (Bam- Sie daran Interesse haben. Bitte rufen Sie berg) und dem Konvent der Benediktinerin- uns einfach an oder mailen Sie uns. Vielen nen mit Äbtissin M. Mechthild Thürmer Dank sage ich Ihnen schon heute für Ihre (das genaue Programm werden wir dann auf Bereitschaft sich einzubringen. unsere Homepage stellen). Für uns und unsere Pilgerwege erbitte ich Damit stehen insgesamt 50 Übernachtungs- die Begleitung unseres Pilgerapostels und plätze (Pilgerherberge und im Kloster) zur unseres Herrn Jesus Christus. Buen camino Verfügung, so daß Besucher des Festaktes und eingeladen sind zu übernachten (Tel: 09547 herzliche Pilgergrüße – 922 30). Dies ist in diesem Jahr auch die Ihr Joachim Rühl Präsenz und Beteiligung unserer Gesell- schaft zum Jakobustag. Camino de Santiago Bei unseren Jahresversammlungen sind wir ist seit 4. Juni in den Kinos zu sehen. Der Doku- es gewohnt, diese am 2. Wochenende im mentarfilm zeigt verschiedene Facetten des Jakobs- März durchführen zu können. Wir freuen weges: Gespräche mit Pilgern, herrliche Bilder von der Schweiz über Le Puy bis Santiago. uns, wenn wir viele Besucher begrüßen unterwegs 3 nr. 96 juli 2015
Termine Pilgersegen in Nürnberg. In der Ev.-Luth. Unterwegs auf Jakobs- und Martinuswegen Kirche St. Jakob, Jakobsplatz 1, können Pilger Karl Hägele, Ellwangen, (T. 07961-4180 zw. 17 u. jeden 1. Mittwoch im Monat im Frühgottes- 18 h. ) Mitglied unserer Ge- dienst um 6:30 Uhr persönlich gesegnet wer- sellschaft begleitet Pilgergruppen. 2015 sind den. Anmeldung ist nicht erforderlich. folgende Termine und Wege im Programm: Pilger oder Pilgergruppen, die mit dem Reise- Martinusweg in Deutschland - Von Tann- segen ihren Pilgerweg in Nürnberg beginnen heim Württ bis Ulm. Ca. 110 km.: 14. bis wollen, wenden sich bitte an das Evang.-Luth. 19. Sept. Info Tel. 0711-4406 136 Innenstadtpfarramt. Tel. 0911 – 214 25 00 od. Jakobsweg in Deutschland - Von Ulm bis Alle anderen Anfragen bitte an das Infos Hannelore Schuster. Tel. 07961-53775 Pilgerbüro St. Jakob. Tel. 0911 – 20 91 43 od. Es sind Fuß-Pilgerreisen mit Beten, Singen, Email Nachdenken und Verweilen. Es gibt weder Geführte Pilgerwanderungen Gepäcktransport, noch Begleitfahrzeug. Or- auf den Jakobswegen Nürnberg - Oettingen ganisiert werden Übernachtung und Halb- und Nürnberg - Eichstätt pension. Flyer erhältlich bei LAG Erlebenswelt, Wein- Aschaffenburg bergweg 1, 91154 Roth T: 09171 81 410 oder Pilgertermine am Untermain über mail: Pilger-Treffen jeweils am 3. Samstag wechselnd Durststrecken in St. Laurentius und St. Kilian. Als Einstieg zu den Begegnungen gibt Peter Spielmann für 5-10 min einen gedanklichen Impuls zu Pilgerkir- Kein Baum. chen, z.B. der Genius eines Ortes, die Ausrich- Kein Schatten. tung der Kirchen, Sonnenlicht, Ikonographie Kein Wasser. usw. So werden nicht nur der Weg, sondern auch Der Weg dehnt sich bis zum Horizont. Raum und Zeit vertieft. Erst auf den Durststrecken des Lebens lernen wir, 18. 07. St. Laurentius - Fahrt mit DB zur Jakobuskirche in Bamberg (H. Stowasser) Besinnung zu schöpfen. 19. 09. St. Kilian - Gedenkgottesdienst für Pfr. Karl Reichert aus: Berthold Weckmann (Hg), Pilgern ... dem 17. 10. St. Kilian - Fam. Hofmann: Von Sar- Leben entgegen. 144 S., kt. Topos Taschenbücher der Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer. ria nach Santiago 2015. - siehe Seite 21. 11. St. Laurentius - R. Haumeyer: Auf dem Camino del Norte Pilgerstammtische 19. 12. St. Laurentius - Bilanz 2015 (Hel- Ornbau und Elbersroth. mut Stowasser) Jeweils im Wechsel in den beiden Jakobus- Info:Peter Spielmann Pfarreien . Tel.: 06028/6037 Info: KEB - Kath. Erwachsenenbildung in mail: peters.aschaff@gmx.de Ansbach. T: 098114044 mail: info@keb-an.de Das Info-Blatt unserer Gesellschaft wurde vollkommen neu gestaltet. Es bietet die Ge- Heilbronn am Neckar. schichte der Pilgerschaft, die Karte mit den Unregelmäßiger Pilgertreff in der Heilbron- europäischen Jakobswegen und alle wichtigen ner Gegend nach Absprache. Info: Gerhard Informationen für den Pilger vor der Abreise, Mössner, email . Compostela. unterwegs 4 nr. 96 juli 2015
Pilgerstammtisch Termine Volkach Gasthof “Rose” am Oberen Markt Fr. 24.7.2015 - 15:00 Kirchschletten Einwei- 16 - 18 Uhr: jeweils erster Freitag im Monat: hung der Pilgerherberge - Jakobustag unse- 3. Juli / 7. Aug. / 4. Sept. / 2. Okt. 2015 rer Gesellschaft. Unsere Mitglieder sind herzlich eingeladen. Siehe Foto S. 22 Hallerndorf-Schlammersdorf (bei Sa. 14.11.2015 - Würzburg Pilgerberater Forchheim) Brauereigasthof Witzgall Jahrestreffen neben der Kirche, jeweils erster Samstag im Sa 21.11.2015 - Würzburg Pilgerausweis- Monat um 16 Uhr; 19 Uhr Vorabendmesse mit Aussteller Jahrestreffen Pilgersegen; 4. 7./ 1. 8./ 5. 9./ 3. 10. 2015. Info: Sawinsky 09190 1461 - mobil 0171 4979019 jetzt schon vormerken: Nürnberg Gasthaus „Steichele“ Knorr- Fr. 4. - So. 6. März 2016 Jahrestagung und straße 4 (unweit St. Jakob) ab 18 Uhr jeweils Mitgliederversammlung in Pappenheim “Pilgern verbindet” erster Mittwoch im Monat: 5. 8./ 2. 9./ 7. 10. 2015 - Vorher um 17:30 Uhr ist in der Krypta in St. Eli- Fr. 3. - So 5. März 2017 Jahrestagung und sabeth (Kuppelbau gegenüber St. Jakob) eine An- Mitgliederversammlung in Rothenburg dacht. Bitte anmelden bei Paul Diemer: < Wildbad jakobspilger-nuernberg@paul-diemer.de> oder Telefon 0911 - 74 72 009. Die KEB (Katholische Erwachsenenbil- dung) Neustadt-Weiden bietet auch 2015 Regensburg im „Spitalgarten“ 19 Uhr - wieder geführte Tageswanderungen auf dem jeweils letzter Freitag im Monat: 31. Juli / 28. Oberpfälzer Jakobsweg an. Die Tagesetappen betragen zwischen 15,5 und 20 km. Aug. 25. Sept./ 31. Okt. 2015 Auf der tschechischen Seite bis nach Fuchs- Kontakt: Sepp Reif >josef.reif@t-online.de< berg werden die Strecken durch die beiden Pilgerbegleiter Tanja Ringholz und Paul Landshut. jeweils 3.Freitag im 1. Monat Zetzlmann aus Waidhaus betreut. des Quartals: 17. Juli / 16. Okt. 2015. Anmeldung und Infos: KEB Neustadt-Weiden 19:30 Gasthaus Freischütz, Neustadt 446. T: 0961/634964-0 + Etappentermine: 04.07.2015 Darmysl bis Hostoun, München. Jeden 3. Dienstag im Monat. 19.09.2015 Hostoun bis Tillyschanz, “Schinkenpeter”, Perlacherstr. 53/55 (U2 24.10.2015 Eslarn bis Fuchsberg Untersbergstr./ Bus 54 Valeppstr.) 21. Juli/ 18. Aug./ 15. Sept./ 20. Okt. 2015. Info:Bar- Neue Etappe von Pilsen bis Plesnice bara Massion, Tel. 089 / 43 93 183 oder per Da die Stadt Pilsen dieses Jahr europäische E-Mail: . Kulturhauptstadt ist, wird als Highlight die Etappe von Pilsen bis Plesnice angeboten. Termin: 26.-27.09.15 mit Übernachtung, Fulda-Neuenberg. Gaststätte “Dreilin- Stadtführung und Halbpension in Pilsen. den”, Neuenberger Str. 37 An jedem ers- ten Freitag im Quartal Pilgertreff: 3. Juli / 9. Pilgerseminare mit Raimund Joos: Okt 2015. Kontakt: E. Reitz 0661 74332 Cursillo – Haus Oberdischingen bei Ulm 30.10. bis 01.11.2015 Rottweil Regionaler Pilgerstammtisch Jugendherberge Eichstätt in Bayern Info: Peter Müller 11.09. bis 13.09.2015 Infos unter unterwegs 5 nr. 96 juli 2015
Pilgersegen Würzburg. Ab Januar 2014 jeden 2. Samstag im Monat um 17:30 Uhr in der Kirche der Erlöserschwestern in der Ebracher Gasse 6 (nur wenige Meter von Dom und Paradeplatz - Parkmöglichkeit) entfernt. - Für Gruppen, die in Würzburg aufbrechen wollen, bietet das Schottenkloster nach Absprache eine Feier an. >www.schottenanger.de< Ochsenfurt. St. Andreas So. nach der Messe 18 Uhr. Anmeldung: T: 09331 8025080. Aschaffenburg-Leider, St. Laurentius im Wechsel mit Nilkheim, St. Kilian. Pil- gergottesdienst jeweils am 3. Sa. im Monat - Näheres siehe S. 4. Miltenberg. In der Pfarrkirche St. Jakobus wird auf Anfrage nach den Gottesdiensten in der Staffelkapelle der Jakobuskirche der Pilgersegen erteilt. Anmeldung Pfarramt Tel. 09371 2330. Benningen. Pilger aus dem Raum Memmingen können in der Pfarreiengemeinschaft im Rahmen der Sonntagsgottesdienste - in der Regel Sa. 18.30 Uhr, So. 9.00 und 10.30 Uhr - den Pilgersegen empfangen. - Im Pfarrheim besteht Möglichkeit zur Übernachtung (ohne Dusche). Anmeldung bei Pfr. Xaver Wölfle, Tel. 08331 2842 Fax: 929200 oder E-Mail >pg.benningen@bistum-augsburg.de< Schlammersdorf bei Forchheim. Pilgersegen jeweils nach dem Pilgertreff bei der Vor- abendmesse um 19 Uhr. Siehe dazu Termine auf Seite 5. Freiburg im Breisgau. In der Kirche der Universitätsklinik ist nach den Messen So. 9.30, Di. und Fr. 18.30 und Mi. 15 Uhr die Möglichkeit, den Pilgersegen zu empfangen. Bitte vorherige Absprache mit P. Norbert Riebartsch Tel.: 0761 270-3401(d) und 2024262 (p) oder E-Mail >pater.norbert@uniklinik-freiburg.de< Regensburg. Pilgersegen oder Pilgerstempel erhalten Sie gerne im Priesterseminar, dessen Seminarkirche die Schottenkirche ist. Es ist erreichbar an der Pforte Bismarckplatz 2 oder über die Telefon-Nr. 0941 58516-0. - In der Schottenkirche St. Jakob ist am Sonntag 9 Uhr Eucharistiefeier. Herbstein. Pilgersegen und Pilgerstempel an allen Tagen des Jahres möglich. Tel.06643 234. E-Mail >pfarrbuero@st-jakobus-herbstein.net< Marburg. Die kath. Kirchengemeinde St. Michael und St. Elisabeth, Kettelerstr. 12, 35043 Marburg-Schröck bietet in allen Gottesdiensten den Pilgersegen nach Absprache an. Tel.: 06424 92230, E-Mail: >buero@pfarrei-schroeck.de< Münster. Für Pilger aus Münster und Umgebung bietet P. Erich Purk, Kapuzinerstr. 27, 48149 Münster, den Pilgersegen an. Bitte vorher Termin vereinbaren: 0251 9276-122. E-Mail: >erich.purk@kapuziner.org< Augsburg. In St. Jakob, Jakobsplatz, Pfr. Friedrich Benning: T: 0821 551244 - In der Pfar- rkirche St. Max, Franziskanergasse 8, bitte telefonisch erfragen: Tel. 0821 3432230. Bremen. In der kath. St. Marien-Gemeinde, St. Magnusstr. 2, 28217 Bremen, wird im Gottesdienst der Pilgersegen erteilt nach vorheriger Absprache mit Pastor Robert Wagner. Tel.: 0421 38 36 38 - E-Mail: >pfarramt@st-marien.de< Rothenburg o.T. St. Jakob. Pilgerpfarrer Oliver Gußmann bietet einen Pilgersegen an. Tel. 09861-7006-25 oder Mail: >gaestepfarrer@rothenburgtauber-evangelisch.de< Nürnberg St. Jakob Jakobsplatz 1: Jeden 1. Mi im Monat im Frühgottesdienst 6:30 - weit- ere Infos siehe S. 4 ++ Gemeinden, die Pilgersegen anbieten, teilen ihre Zeiten der Redaktion mit. Viele Pilger freuen sich. ++ unterwegs 6 nr. 96 juli 2015
Termine Sonntagspilgern 2015 auf dem Mittelfränkischen Jakobsweg Nurnberg – Rothenburg 05.07. Großhaslach – Weihenzell (11 km) 19.07. Weihenzell – Lehrberg (10,5 km) 26.07. Lehrberg – Häslabronn (7,5 km) 13.09. Häslabronn – Binzwangen (12 km) 27.09. Binzwangen – Windelsbach (9) 11.10. Windelsbach – Schweinsdorf (7,5 km) 25.10. Schweinsdorf – Rothenburg (durchs Steinbachtal 7 km) Beginn jeweils um 14:00 Uhr in der ev. Kirche des Ausgangspunktes. Am Ziel jeweils eine kleine Stärkung. Anmeldung nicht erforderlich. Auskunfte bei den Pfarrämtern am Weg: Nürnberg: 0911 2142500, Oberweihersbuch: 0911 684046, Roßtal:09127 57416, Bürglein: 09872 7504, Heilsbronn: 09872 1297, Großhaslach: 09872 7600, Weihenzell: 09802 8542, Lehrberg: 09820 912500, Häslabronn: 09803 222, Binzwangen: 09803 257, Windelsbach: 09867 682, Schweinsdorf: 09861 934898 Rothenburg: 09861 700620 - siehe auch S. 45 Würzburg. Die Kapelle der Theresienkli- nik, wo jeden 2. Samstag im Monat der Pil- Samstagspilgern 2015 auf dem Jakobsweg gergottesdienst stattfindet, kennt kaum von Hof nach Nurnberg. jemand. Von der Straße aus ist sie nicht zu Pfarrer Michael Thein lädt zu begleiteten Ta- sehen. Die Klinikgebäude umschließen sie, gespilgertouren auf dem Oberfränkischen Ja- nur durch diese findet man den Zugang. 1492, kobusweg von Hof nach Nürnberg ein. Das in der Spätgotik, wurde sie für Johannes von Samstagspilgern findet zum 10. Mal statt: Allendorf, Domherr und Propst bei St. Bur- Start ist am Ostermontag, an dem die Evang.- kard, im ehemaligen Domherrenhof Seebach Luth. Kirche in Bayern mit einem gemeinsa- errichtet. Das Wappen des Domherrn ziert men Pilgertag in die Pilgersaison einlädt. einen der Schlußsteine im Gewölbe der Ka- 25. Juli (Jakobustag): Creußen - Pegnitz pelle, der andere zeigt den heiligen Kilian. 22. August: Pegnitz - Betzenstein Foto: MZ 26. September: Betzenstein - Gräfenberg 24. Oktober: Gräfenberg - Kalchreuth KraichgauPilger Treffen 2015 21. November: Kalchreuth - Nürnberg Sa. 25. Juli 2015 – Jakobustag (10. Treffen) Info + Aktuelles: Michael Thein, Bayreuth 8:20 Uhr am Bahnhof in 75031 Eppingen (S 5) und oder 8:50 Uhr Hbf in 74889 Sinsheim Pilgerweg 1. Teil: Sinsheim, Jakobskirche – Sinsheim-Dühren, Nikolauskirche, dort 10:30 Ökumenischer Gottesdienst Wandern 12:00 Mittagessen im Ev. Gemeindehaus auf dem Fränkischen Marienweg Pilgerweg 2. Teil: Waldangelloch – Michaels- mit Pfarrer Josef Treutlein, dem Initiator des kapelle – Eichelberg, Jakobuskirche – Eppin- Weges. Anmeldung ist erforderlich. gen-Elsenz, 18:00 Rückfahrt mit Bus 10. Oktober Sommerach - Dettelbach 15 km Anmeldung bis 12. Juli 2015 bei Hans Lauerer, Info und Anmeldung T: 0931 7940776 0 kraichgaupilger@gmx.net oder T. 07262 6961 Mail: unterwegs 7 nr. 96 juli 2015
Zum Nach-Denken Hans Holtzkirchner, der kleine Pilger von Frickenhausen aus dem 15. Jahrhundert Da ist doch eine Jakobsmuschel. Erst beim näheren Hinsehen fällt sie mir auf. An der Südseite der St.Galluskirche in Frickenhausen am Main gehe ich immer wieder einmal an einem Epitaph vorbei. Es ist eine Kreuzigungsszene mit dem gekreuzigten Jesus. Rechts und links stehen seine Mutter Maria und sein Lieblingsjünger Johannes. Dann knien als kleine Figuren dargestellt zu Füßen von Johannes eine Frau und neben Maria ein Mann. Nach der umlaufenden Inschrift stiftete im Jahre 1461 Hans Holtz- kirchner einen Altar und dieses Steinbildnis. Erst spät entdecke ich hinter der Schulter dieses Hans Holtzkirchner die Jakobsmuschel und jetzt sehe ich auch den umhängenden Pilgerbeutel. 1461, da stand dieses Gotteshaus noch gar nicht. In Gedanken gehe ich die 450 Jahre zurück und frage mich: Wer war dieser Hans Holtzkirchner? Was hat ihm bewegt, als Jakobuspilger unterwegs zu sein? Was war der Anlass für seine Stiftung? Wenn er Frickenhäuser Bürger war, dann war sein Leben wie bei vielen anderen Fricken- häusern geprägt von der Landwirtschaft, vom Weinbau und vom Fischfang im nahen Main. Natürlich könnte er auch eines der gängigen Handwerke betrieben haben als Schmied, als Wagner oder als Büttner. Auf ähnlichen Steinbildnissen sind zu dem Stifterpaar oft auch Kinder mit abgebildet. Dies ist bei Hans Holtzkirchner nicht der Fall. Also könnte das Paar kinderlos gewesen sein. Aber was hat ihn bewegt, sich zur Pilgerschaft auf Jakobswegen aufzumachen, vielleicht sogar bis nach Santiago de Compostela? Möglicherweise ist er in jungen Jahren vor sei- ner Heirat als religiös Suchender oder mit Abenteuerlust aufgebrochen. Haben ihn ein Schicksalsschlag oder eine Not auf den Weg gebracht? Gab es für ihn oder seine Familie etwas abzubüßen? Alles wird Spekulation bleiben. Allerdings seine Stiftung des Altars und des Steinbildnisses deutet auf eine überstandene Not oder Schicksalsherausforderung hin. Wohl aus Dankbarkeit für etwas Überstandenes. Er stellt sich ja mit seiner Frau unter das Kreuz Jesu. Vielleicht weil er selbst oder die Fa- milie ein Kreuz zu tragen hatte. Mit gefalteten Händen knien sie unter dem Kreuz. Auch nach 450 Jahren demonstrieren sie den heute Vorübergehenden ihren Glauben und ihre Dankbarkeit. Und den Frickenhäusern oder denen, die als Besucher unseres Weinortes vor dem Epi- taph stehen bleiben, könnte dieser Hans Holtzkirchner zurufen: „Bleib ruhig stehen und lass dir sagen: Auch du bist ein Pilger, ein Suchender. Manch-mal auch ein Gehetzter, Gejagter und Getriebener auf dem Weg. Nimm dir Zeit, im Zeichen der Muschel Schritt für Schritt unterwegs zu sein, d.h. mit dem Blick auf einen ganz tief von Jesus geprägten Heiligen, wie den Jakobus. Nimm dir Zeit, dich unter das Kreuz zu stellen mit deiner eigenen Not und mit der Not und den Herausforderungen so vieler Mit- menschen. Und eines darfst du noch wissen: Wo immer Menschen die Hände zum Gebet falten, werden sie diese nicht so schnell zu Fäusten ballen. Guten Weg dir - Buen camino!“ Franz Schmitt, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Emmaus-Frickenhausen und Diözesanaltenseelsorger unterwegs 8 nr. 96 juli 2015
Zum Nach-Denken Frickenhausen und seine Weinlagen sind bereits im 9. Jh. bekannt, seit 903 würzburgisch, 1406 dem Domkapitel übertragen. Die Pfarrkirche St. Gallus, eine vierjochige Hallenkirche, wurde von 1514 - 1613 erbaut, Turm aus dem 13. Jh. Foto: Franz Schmitt unterwegs 9 nr. 96 juli 2015
Aus unserer Gesellschaft GPS und Pilgern, ein Gegensatz? Was war es doch früher so einfach. Der mittelalterliche Pilger trug seine Sachen am Leib, Stock, Hut und Wasserflasche und das Vertrauen in Gott, ihm den rechten Weg nach Santiago zu zei- gen. Das hat sich etwas gewandelt. Immer wieder stößt man, im Gespräch mit anderen Pilgern, auf recht gegensächliche Meinungen über die Art des Pilgerns. So ist es für viele wichtig, jeden Kilometer des Caminos zu laufen, andere versuchen mit möglichst wenigen Ausgaben den Weg zu meistern. Viele wollen auf dem Jakobsweg leiden oder stören sich an neugepflanzten Bäu- men in der Meseta. Für manchen ist Religiosität auf dem Weg zu wenig, andere stören sich an der Menge der Pilger auf dem Camino. Fürwahr ein großes Spektrum in Bereich unserer Wall- fahrt nach Santiago. Und da gibt es noch eine Gruppe, welche sich von den herkömmlichen Landkarten verabschiedet hat und mit einem neuzeitlichen GPS-Gerät den Camino läuft. Aber was ist das überhaupt? Brauche ich als Pilger ein solches Hilfsgerät? Für was ist es nützlich oder mehrt es nur das Gewicht des ohnehin schon schweren Rucksacks? Ersetzt es meine Land- karte und komme ich mit dem Gerät klar? Auf diese oder ähnliche Fragen versuche ich hier Ant- worten zu geben. Zuerst einmal ist ein GPS-Gerät ein Empfänger, der Signale von Satelliten empfängt und bei mehr als 4 Satelliten die genaue Position erkennen kann. Je mehr Satelliten er empfängt, desto genauer ist die Or- tung, in der Regel bis auf 3 Meter genau. Ursprünglich aus dem militärischen Gebrauch, hat es sich sehr schnell im privaten Bereich durchgesetzt, z. B. alle Navis in un- seren Autos arbeiten nach diesem Prinzip. Mittlerweile gibt es die Technik auch in Fotoapparaten und Smartphones. Einer der wichtigsten Gerätehersteller ist die Firma Garmin, die sich schon recht lange mit dem Thema beschäftigt. Die mittlerweile recht handlichen Geräte besitzen in der Grundausstattung eine recht „grobe“ Karte, welche für ein genaues Wandern zu ungenau ist. Anders dagegen sieht es aus, wenn ich mir eine passende Karte kaufe oder sie mir kostenlos über das Internet beziehe. Schon zaubert das Gerät eine bunte Menge an Wegen und Straßen auf den Bildschirm, ausgestattet mit den diversen Wanderzeichen, auch unserer Jakobsmuschel. So ist es für den Pilger einfach, nach einem Blick auf das Gerät zu wissen, ob er noch auf dem rechten Weg ist, oder wie er zu laufen hat, um wieder zu ihm zurückzukommen. Als ich im Jahr 2005 auf dem Camino durch Frank- reich unterwegs war, verloren wir im Aubrac unsern Weg und nur mit Hilfe unseres GPS-Gerä- tes und unseres vorher eingespielten Weges, der sich als rote Linie abzeichnete, haben wir nach vielen Mühen den Weg zu unserem Ziel wiedergefunden. Vorher diente das Gerät nur zum Auf- zeichnen der gelaufenen Kilometer, der Geschwindigkeit, der Laufzeit und der Höhenmeter. Statistische Zahlen, die einem im Rückblick noch einmal die gelaufene Strecke verdeutlicht. Das GPS-Gerät merkt sich über sogenannte „Tracks“ den Weg, den man sich später z. B. über Goggle Earth anschauen kann. Die Frage, ob ich das auf meiner Pilgerschaft nach Santiago brauche, muss sich jeder selber stellen. Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus kann ich fest- stellen, dass es schön ist, den Weg später aus der Vogelperspektive zu betrachten, und es erfüllt einen schon mit einigem Stolz, wenn man auf die gelaufenen Kilometer schauen kann. Das GPS ersetzt nicht die Landkarte, sondern ist eine sinnvolle Ergänzung. Das Gerät ist in seinem Auf- bau einfach zu bedienen und lässt sich handlich im Rucksack unterbringen. Somit trage ich es gerne mit und bin immer gespannt auf das Ergebnis unserer Tagesstrecke. Anmerkung: Ich bin kein Experte in Sachen GPS sondern nur ein begeisterter Nutzer. Becker Siegfried, Haibach PS. Dieser Bericht aus der Praxis im Gebrauch von GPS ist im Vorfeld der Jahrestagung 2016 (siehe S. 36) zu sehen; im nächsten “unterwegs” kommt ein Beitrag zu den Geräten. unterwegs 10 nr. 96 juli 2015
Aus unserer Gesellschaft - Jahrestagung Prof. Dieter Wagner Bonifatius – ein Wegbereiter Europas Vortrag anlässlich der Jahrestagung der Fränkischen St. Jakobus-Gesellschaft Würzburg e.V. Bonifatiushaus Fulda, 13. März 2015 Was interessiert heute noch, mehr als 1260 Jahre nach seiner Ermor- dung im friesischen Dokkum, an diesem angelsächsischen Benedikti- nermönch Winfrid: dem Lehrer und Missionar, der seit 722 Bonifatius genannt wird, Bischof, Erzbischof, dem päpstlichen Legaten, Organisator und Reformer der Kirche im fränkischen Reich und seinen Randgebieten in Hessen, Thüringen und Bayern? Die wenigen Stichpunkte deuten es an. Es ist die spannende Fülle eines langen, ereignisreichen Lebens und Schaffens, die bis heute nachwirken und Winfrid-Bonifatius ziemlich bald, nämlich schon im 12. Jahrhundert, spätestens jedoch 1603 mit dem Titel „Apostel der Deutschen“ bzw. „Apostel Deutschlands“ ehren. Die Dankbarkeit und Verehrung, die sich darin ausspricht, ist in ihrer Ursprünglichkeit eine liebgewordene, schöne Bezeichnung, die besonders hier in Fulda gepflegt wird, wo der heilige Bonifatius seine letzte Ruhestätte haben wollte. Historisch gesehen ist dieser Ehrentitel problematisch. Die elementare Heidenbekehrung, die stillschweigend mit dem Ehrentitel „Apostel der Deutschen“ verbunden wird, beansprucht im Missionswerk des Winfrid-Bonifatius nur einen begrenzten Raum. Zu Recht betont deshalb der Historiker Theodor Schieffer bereits 1954: „Eine Einzelpersönlichkeit, der ausschließlich oder auch nur mit Vorrang die Bezeichnung als Apostel Deutschlands zukäme, gibt es nicht. Die Christianisierung der deutschen Lande … ver- teilt sich auf viele Jahrhunderte und auf zahlreiche, zum großen Teil namenlose Kräfte.“ Ohne Frage ist und bleibt Bonifatius eine markante Gestalt unter den germanischen Missionaren des 7. und 8. Jahrhunderts. Doch darüber dürfen andere wichtige Glau- bensboten nicht vergessen werden: • Männer wie der 739 verstorbene Willibrord, der eigentliche Missionar der Friesen. • Oder Emmeram, der etwa 715 oder auch schon vorher in Regensburg gewirkt hat. • Oder den Wormser Bischof Rupert, der mit Zustimmung des Herzogs Theodo im bairi- schen Salzburg ein dort bestehendes Kloster reformierte und ein Nonnenkloster neu errichtete. • Oder der Freisinger Bischof Corbinian, der bereits vor Bonifatius in eine enge Verbin- dung mit Rom trat und schon 716 den Plan zu einer „bairischen Landeskirche“ konzipierte. • Nicht vergessen werden dürfen auch die irischen Missionars-Gruppen beginnend mit Columban dem Jüngeren bis hin zu Kilian und seinen Gefährten. Während die oben genannten irischen Glaubensboten das Christentum bei den Friesen und Bay- ern einpflanzten, hat demgegenüber Bonifatius lediglich die heidnischen Reste in Hessen und Thüringen für das Christentum gewonnen und damit – was historisch freilich nicht unterschätzt werden darf - die letzte Lücke im Verband des damaligen Frankenreiches geschlossen. Nur unter erheblichen Vorbehalten lässt sich im Übrigen der Begriff „deutsch“ mit dem historischen Bonifatius in Verbindung bringen. Denn erst seit etwa 900 kann man vom Staat und Volk der Deutschen sprechen. Erst zu diesem Zeitpunkt hatten sich nämlich die vier ostfränkischen Stämme der Franken, Schwaben, Bayern und Sachsen zu einer vom Karolingerreich abgesonderten Gemeinsamkeit zusammengefunden. Bonifatius war gewiss ein selbstbewusster Germane, der noch ganz der germanisch-fränkischen Kultur angehörte, aber nur mittelbar der deutschen Geschichte. unterwegs 11 nr. 96 juli 2015
Aus unserer Gesellschaft Bonifatiusgrab im Dom zu Fulda. Der reichverzierte Sarkophag von Johann Neudecker enthält die Ge- beine des Heiligen. Das Reliefbild (Detail) zeigt Bonifatius, wie wenn er aus der Gruft käme. Foto: M. Zentgraf Zur 1300. Geburtstagsfeier der anglikanischen Kirche für Winfrid-Bonifatius haben Wis- senschaftler der Universität Exeter den Angelsachen als „The greatest Englishman“ be- zeichnet. Seit seinem 1250. Todestag im Jahre 2004 wird der heilige Bonifatius - medienwirksam auch von der Brüsseler Europa-Behörde unterstützt - als „Apostel Europas“ bzw. „Bau- meister des christlichen Europa“ bezeichnet. Inwiefern und ob dieser Ehrentitel überhaupt angemessen ist, soll nach einer stichwortartigen biographischen Charakterisierung erörtert werden. In der Kleinstadt Crediton, im Südwesten Englands, ist Winfried Bonifatius 672 oder 675 geboren. – Die historisch fundierten Angaben zum Geburtsjahr des heiligen Bonifatius sind bisher auf den Hinweisschildern in Crediton nicht aktualisiert worden. - Heute erfahren die Besucher am Ortseingang, dass der heilige Bonifatius der bedeutendste Sohn der Stadt ist.1 Winfrid sollte – wie sein Vater - ein Landedelmann werden. Doch der junge Mann wollte Mönch werden. Der durch diesen Wunsch verblüffte Vater sah seine Pläne durchkreuzt und versuchte, teils durch Drohungen, teils durch Versprechungen, den Sohn von seinem Vorhaben abzubringen. Der begabte Winfrid konnte schließlich doch die Klosterschulen in Exeter und Nursling besuchen. Hier erwarb sich Winfrid eine solide geistige und geistliche Bildung. Es sah alles nach einer wissenschaftlichen Karriere aus. Winfrid schrieb verschiedene 1 Viele Stätten, an denen Heilige verehrt wurden, sind in der Zeit der englischen Reformation und der Kirchen- spaltung durch König Heinrich VIII. (1491 bis 1547) zerstört worden. Über Jahrhunderte gab es in England fast keine Katholiken mehr. Erst zur Zeit der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts brachten Einwanderer aus Irland den katholischen Glauben mit auf die britische Insel. Da die Zeit der Kirchen- verfolgung vorbei war, konnten sie Pfarreien gründen – zunächst in Industriestädten wie Liverpool oder Man- chester. Die katholischen Gotteshäuser in England entstanden fast alle in den vergangenen 150 Jahren. Die älteren Gotteshäuser sind alle im Besitz der anglikanischen Kirche – so auch die in Crediton. unterwegs 12 nr. 96 juli 2015
Jahrestagung Lehrbücher. Diese lassen Winfrids Gelehrsamkeit ahnen. Zum Priester geweiht, überzeugte er nicht nur als wortgewaltiger Prediger, sondern auch als geschickter Diplomat auf dem kirchenpolitischen Parkett. Seine Fähigkeiten, sein Wis- sen ließen Winfrid zu einem geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt heranreifen. Es wundert nicht, dass er nach einer gescheiterten Missionsreise nach Friesland (717) zum Abt des Klosters Nursling gewählt wurde. In Nursling hält die anglikanische Pfarrei die Erinnerung an den bekanntesten Mönch der ehemaligen Benediktinerabtei wach. Das Kloster in Nursling wurde Ende des 9. Jahrhun- derts von den Dänen zerstört und nicht wieder aufgebaut. Lediglich die Kirche, die den Namen Bonifatius trägt, erinnert an die monastische Tradition in dem Ort vor den Toren der Hafenstadt Southampton. Mit 40 Jahren erfährt Winfrids Leben eine abrupte Wendung. Winfrid verlässt seine angelsächsische Heimat, um in dauerhafter „Pilgerschaft“ (peregrinatio Christi), in asketi- scher Heimatlosigkeit, fern von Mitbrüdern, Freunden und Verwandten auf dem Kontinent das Evangelium zu verkünden. Die Gründe für diesen überraschenden Entschluss liegen im Dunkeln.2 Der Historiker Lutz. E. von Padberg vermutet allerdings: „Bedrängt von den Zeitläuften, angewiesen auf die bisweilen ungeliebte Zusammenarbeit mit weltlichen Herrschern, zornig über unfähige Kirchenleute und vor allem bemüht, es Rom recht zu machen, das war die Geisteslage des großen Bonifatius. Vor allem sorgte er sich um die ewige Seligkeit, und zwar um die eigene wie auch diejenige der ihm anvertrau- ten Menschen. Darin folgte er dem Missionsauftrag Christi und predigte das Evangelium, um im letzten Gericht Gottes bestehen zu können. …“. Hier, so schlussfolgert von Pad- berg, „liegt der eigentliche Beweggrund für seine Lebenswende … Die Nachfolge Christi als Ziel ließ ihn aus dem geschützten Raum des Klosters hinaustreten in die raue Welt, in der er ihm vier Jahrzehnte dienen sollte.“ Sein Weg führte ihn in das etwa 2000 km entfernte Rom (718-719). Von Papst Gregor II. wird er beauftragt, den germanischen Völkern das Evangelium zu verkünden und erhält vom Papst den Namen „Bonifatius“. Seine Arbeit stand allerdings unter keinem glücklichen Stern: • Die Machthaber, auf die Bonifatius angewiesen war, machten ihm die Arbeit nicht leicht. Sie hatten vornehmlich ihren eigenen Nutzen im Blick. • Bonifatius war damals ein einfacher Priester und hatte es daher schwer, mit den adligen Machthabern Kontakt zu bekommen. • Die Menschen im Missionsgebiet ließen sich nur schwer von ihren heidnischen Gebräuchen und Vorstellungen abbringen. • Die fränkische Kirche war in einem desolaten Zustand. Bei seiner zweiten Romreise (722/723) wurde Bonifatius von Gregor II. zum Missionsbi- schof3 ernannt und mit Empfehlungsschreiben an die weltliche und geistliche Elite des 2 Vielleicht gab es Konflikte im Kloster, vielleicht fühlte sich Winfrid von der täglichen Tretmühle seiner Pflichten als Abt und Lehrer eingeengt; vielleicht hatte er aber auch das Gefühl, das bisher Erreichte könne nicht alles in seinem Leben sein. In einem von der Forschung kaum beachteten Brief hat Bonifatius Rechen- schaft über seinen Lebensentwurf abgelegt. Sein Lebensziel sei, „den Frieden auf Erden den Menschen guten Willens“ zu bringen und das „Wort des Lebens (zu) verkünden“ (B 78,249). Deshalb wolle er kein „stummer Hund sein, … sondern ein besorgter Hirt, der über die Herde Christi wacht“ (B 78,251). 3 Die Bischofsweihe erfolgte am 30. November 722. Für einen fränkischen Bischof völlig neu, legte Bonifatius den – lediglich für italienische Bischöfe üblichen – Obödienz-Eid ab, „womit er den Papst als seinen höchstzu- ständigen Obermetropoliten anerkannte. Zugleich verpflichtete er sich, unkanonisch lebende Bischöfe zu meiden und gegebenenfalls über sie nach Rom zu berichten …“ Angenendt a.a.O., 271 unterwegs 13 nr. 96 juli 2015
Aus unserer Gesellschaft Reiches ausgestattet. Das machte sich bezahlt und Bonifatius konnte seine Arbeit in Hes- sen vorantreiben. In diese Zeit fällt auch die Fällung der Donareiche (723). Freilich, „reinrassige Heiden“ gab es in seinem Missionsgebiet nicht. Gut, „die Sachsen waren ein solches Volk, …aber dieses Problem sollte erst Karl der Große in Angriff neh- men. Von Anfang an verschob sich deshalb die Aufgabe des Bonifatius, denn er bekam es mit Stämmen des fränkischen Reichs zu tun, die zwar nominell christlich waren, ohne dass der neue Glaube jedoch wirklich im Volk verankert gewesen wäre.“ Unermüdlich reiste Bonifatius quer durchs Land und stellte fest, dass er die anfallenden Arbeiten nicht alleine leisten konnte. Zeit seines Lebens ist Bonifatius darauf aus, Mitar- beiter zu gewinnen: ob aus seiner Verwandtschaft, seine Nichte gewinnend, die hl. Lioba4 als universitäre Äbtissin von Tauberbischofsheim, ob aus der Bekanntschaft den hl. Wig- bert5 als Abt des zum Sachsenland angrenzenden Klosters Fritzlar und Spezialisten für Ju- gendfragen beauftragen, ob Lullus6, der ihn gewissermaßen als engster Berater begleitete und sich vor allem um die Betreuung der Priester kümmern sollte, ob Sturmius7, der mit der Klostergründung an der Fulda beauftragt wurde und zugleich das monastische Leben streng nach der Regel des heiligen Benedikt ausrichten sollte. Er ist stets auf der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihn in seinem Bemühen um die Reform und Neugründung von Kirche vor Ort unterstützen. 4 Um 710 geboren, kam Lioba bereits als Kind in das Kloster Wimborne. Aufgrund ihrer geistigen und er- zieherischen Fähigkeiten wurde sie schon in jungen Jahren mit dem Amt der Lehrerin im Kloster betraut. Mit Bonifatius verwandt, haben die beiden auch tiefe freundschaftliche Beziehungen gepflegt. Wie alle Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter des Bonifatius, erhielt auch Lioba ein besonderes Aufgabenfeld: die Unter- weisung der Frauen und Mädchen. Lioba starb am 23. September 780. 5 Wigbert (geb. um 680) stammte aus vornehmem angelsächsischem Geschlecht und erhielt in der Kloster- schule Glastonbury seine Ausbildung. Hoch gebildet, folgte er trotz seines relativ hohen Alters von über 50 Jahren dem Wunsch des Bonifatius, in Hessen und Thüringen die Heranbildung des Nachwuchses für die Mission zu übernehmen. Wigbert wurde erster Abt von Fritzlar, danach von Ohrdruf und richtete hier die erste Missionsschule in Thüringen ein. Er verstarb 732 oder 738 und wurde, zunächst in Fritzlar beerdigt, am 13. August 780 von Lul in der Kirche des Klosters Hersfeld beigesetzt. 6 Der Angelsachse Lul (Lullus), um 710 in Wessex geboren und im Kloster Malmsbury erzogen, lernte auf einer Pilgerfahrt 738 Bonifatius kennen, wurde dessen Schüler, fungierte als Sekretär und Diplomat. 752 wurde Lul Chorbischof und 754 Bonifatius‘ Nachfolger als Bischof von Mainz und 780/782 zum Erzbischof ernannt. Lul gründete die Mönchszelle Bleidenstadt und vor 775 das Kloster Hersfeld. Er gab die Vita des Bonifatius in Auftrag und veranlasste vermutlich auch die Sammlung der Briefe seines Lehrers. Er war Lei- ter der angelsächsischen Mission auf dem Kontinent und einer der wichtigsten Berater Karls des Gro-ßen. Am 16. Oktober 786 starb er, wohl in Hersfeld. Seine Verehrung setzte spätestens 852 mit der Reliquien- translation ein. 7 Sturmi, im ersten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts geboren, stammte aus einer bayerischen Adelsfamilie (nach lokaler Überlieferung aus Aiglsdorf bei Moosburg in Oberbayern). Er schloss sich 734/35 Bonifatius an und wurde in der von Bonifatius gegründeten Niederlasssung Fritzlar unter Wigbert ausgebildet. Sturmi, seit 736 als Einsiedler in Hersfeld, wurde von Bonifatius mit dem Aufbau des Klosters Fulda beauftragt. Als Gründungsdatum gilt der 12. März 744. Sturmi leitete den Aufbau des Fuldaer Klosters, das von Bonifatius als Musterkloster gegründet worden war und in dem er die Regel Benedikts einführte. Das Kloster sollte sich zum bedeutendsten Ostfrankens entwickeln. Zum Studium der Benediktiner-Ordensregel schickte Bo- nifatius 747 Sturmi mit zwei Gefährten nach Italien in das Kloster Monte Cassino und nach Rom. Nach der Ermordung des Bonifatius 754 setzte Sturmi gegen den vehementen Widerstand des Mainzer Bischofs Lul die Überführung der Gebeine nach Fulda durch, wie es Bonifatius gewünscht hatte. Als Grablege des Boni- fatius wuchs Fuldas Bedeutung: Im Todesjahr Sturmis zählte der Konvent rd. 400 Mönche. Schenkungen führten zu großem Reichtum des Klosters. Ab 772 beteiligte sich das Kloster Fulda mit Sturmi an der Spitze auch an der Sachsenmission unter Karl dem Großen. Sturmi gelangte so zum Ehrentitel „Apostel der Sach- sen“. Er verstarb 779 in Fulda und wurde 1139 auf dem ersten Laterankonzil heilig gesprochen. unterwegs 14 nr. 96 juli 2015
Jahrestagung Bonifatius ist im modernen Sinne ein „Teamer“, der den Vorteil der Teamarbeit er- kennt und für seine Aufgabe nutzt. Bonifatius verfügte über ein überdurchschnittliches rechtliches, strategisches, organisatori- sches und technisches Wissen. Dieses Wissen und sein diplomatisches Geschick kamen ihm sehr zugute als er eine funda- mentale Neuordnung des fränkischen Kirchenwesens8 vornahm. Bonifatius konnte ab 738 die kirchlichen Verhältnisse in Bayern ordnen und darangehen, die Bistümer Regens- burg (739)9, Passau (739)10, Salzburg (739) und Freising (739) zu reorganisieren. Durch Bonifatius erfolgt die kanonische Errichtung der vier altbayerischen Bistümer Regensburg, Passau, Freising und Salzburg . Die Bistümer Büraburg bei Fritzlar (742), Würzburg (742), Eichstätt (742) und Erfurt (742) gründete er neu. Er selbst war in der Zwischenzeit zum Missionserzbischof ernannt worden und erhielt 746 das Bistum Mainz als Sitz, dies allerdings erst nach seinem vergeb- lichen Versuch, den Kölner Bischofsstuhl zu erlangen und zum Metropolitansitz einer Kir- chenprovinz zu machen. Bonifatius war ein Intellektueller und vorzüglicher Organisator seiner Zeit. Bonifatius schätzt es, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die zwei Generationen jünger sind als er selbst. Sturmius, Willibald, Lullus und andere – nicht zuletzt Lioba - werden die Er- folge weiter verfolgen und ernten, die Bonifatius zielstrebig begonnen hat. Diese Klugheit, sich mit jungen und fähigen Mitarbeitern zu umgeben, ist ein Rezept, Projekte über sich selbst hinaus zu entwickeln, so dass sie zum Selbstläufer werden. Es reicht für ein zu- kunftsgerichtetes Wirken nicht aus, mit Gleichaltrigen oder nur unwesentlich Jüngern zu kooperieren. Es ist erstaunlich zu sehen, wie Bonifatius‘ multifunktionales Talent Aufga- benstellungen erkennt, sie konkret plant und vor Ort durchbuchstabiert und praktiziert und, wenn die jeweiligen Vorhaben am Laufen sind, diese an andere, möglichst jüngere Kräfte übergibt. Er ruht sich nicht auf den so genannten Lorbeeren aus, sondern eilt zur nächsten Baustelle. So wird er zum Pilotfisch, der dem Fischschwarm voraus schwimmt und etwas vorexerziert, was andere dann als Eigenes übernehmen. Den Auftrag zu formulieren und 8 Das fränkische Kirchenwesen befand sich in einem desolaten Zustand. Es gab unter anderem keine geord- nete Priesterausbildung. Auf Grund des so genannten Eigenkirchenrechts befanden sich die Kirchbauten auf dem Grund von Adeligen. Daraus leiten die Grundherren das Recht für die Einstellung von Geistlichen her. 9 Das älteste Zeugnis christlichen Glaubens im Bistum Regensburg ist ein Grabstein, der um das Jahr 400 zum Gedenken an eine gewisse Sarmannina errichtet worden ist. Römische Soldaten und Zivilisten hatten das Christentum über die Alpen nach Norden gebracht. Um die Mitte des 6. Jahrhunderts entwickelte sich ein bayerisches Stammesherzogtum unter der Führung der Agilolfinger, dessen Volk und Herrscher sich be- reits zum Christentum bekannten. Es war ein frühes Anliegen der Agilolfingerherzöge, ihrem Land eine festgefügte Kirchenorganisation zu geben. Die Bischöfe Emmeram und Erhard, vorübergehend auch Bi- schof Rupert, wirkten Mitte des 7. Jahrhunderts in Regensburg. Im Jahr 739 erhob der heilige Bonifatius Regensburg rechtlich zu einem Bistum. Der erste Oberhirte, Abtbischof Gaubald, wurde von ihm geweiht. 10 Schon Jahrhunderte vor der eigentlichen Gründung des Bistums beginnt die Geschichte des Christentums im Land an der Donau. Bereits um 300 bekannten sich römische Bewohner zum Glauben. Dafür stehen der heilige Florian, der Wanderbischof Valentin und der heilige Severin, der als Staatsmann und religiöser Füh- rer der durch Germanen bedrängten Bevölkerung zu Hilfe kommt. Bonifatius gründete 739 das Bistum Pas- sau. - Weit hinab nach Ungarn entwickelte die Passauer Kirche ihr Leben und durfte sich einst mit 42.000 km² als das flächenmäßig größte Bistum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation fühlen. Im Lauf der Zeit entstanden dann aber die Bistümer Wien und Wiener Neustadt, Linz und St. Pölten. Das Bistum Passau verlor sechs Siebtel seines früheren Gebietes. Die Säkularisation 1803 beendete die weltliche Herr- schaft der Passauer Bischöfe. - Mit Bischof Karl Josef v. Riccabona begann der seelsorgerliche Wiederauf- bau. Durch eine schwere und bewegte Zeit, von 1936 - 1968, führte Bischof Simon Konrad Landersdorfer, ein Benediktiner, das Bistum. unterwegs 15 nr. 96 juli 2015
Aus unserer Gesellschaft weiterzugeben ist seine Managementstrategie. Bonifatius prägt den „Zwei-Generationen-Vertrag“ und ist zugleich Pilot und Auftraggeber. Bonifatius geht nicht nur eine Aufgabe an, sondern viele und zwar gleichzeitig. Die Neuor- ganisation an so vielen Orten und in dem Umfang wäre nicht denkbar, wenn er auf der Stelle gestanden hätte. Sein Ideenreichtum muss überproportional gewesen sein; dabei muss er flexibel, und ohne viel Zeit zu verlieren, gedacht haben. Der Dauerproduzent war wohl auch entscheidungsfreudig; lieber ein paar Entscheidungen mehr, wenn auch ein paar falsche, als zu wenige! Die überdurchschnittliche Zahl an Neugründungen und Reparaturen von Bistümern im gesamten germanischen Raum ist ein beredtes Zeugnis dafür. Mittel zum Zweck ist unter anderen die Abhaltung Synoden. Bonifatius ist der Mehrfrontenspezialist. Dass wir heute so gut über Bonifatius informiert sind, verdanken wir seiner umfangrei- chen Briefkommunikation und Dokumentation seiner Vorhaben. Dabei ist historisch durchaus zu hinterfragen, wie es zu interpretieren ist, was er nicht geschrieben hat. Denn es gab wohl Themen, die er ausgeblendet hat, so seine erste Lebenshälfte – über die wir fast nichts wissen. Dies ist umso interessanter zu beurteilen, dass neben seinen schriftlichen Kontaktaufnahmen, seine Reisetätigkeit ihn als den rastlosen und ruhelosen Missionar er- scheinen lässt, der sich von dem Weitergang und der Durchführung seiner Pläne unmittel- bar überzeugen will und sie weiter inspiriert. Dabei hat er es mit einer zunehmenden Zahl an involvierten Personen und Gruppen zu tun. Durch seinen regen Briefverkehr hat er über ein geradezu europäisches Netzwerk von Kontakten verfügt. Sie reichten von England über das Frankenreich bis nach Rom und Monte Cassino. Bonifatius ist ein Phänomen für einen modern zu verstehenden Multiplikator. Nicht nur organisatorische Reformen hat Bonifatius durchgeführt, sondern auch pastorale und liturgische. Nicht umsonst sind seine eigentlichen Reliquien, die drei Codices, die er bei der letzten Friesenmission mit sich nimmt und die bis auf den heutigen Tag erhalten sind: der Victor-Codex, der Cadmug-Codex und der Ragydrudis-Codex. Das kleine Taschenevangeliar wurde in irischer Minuskel geschrieben. Die vier Evangelien werden durch gleichartige, sehr wahrscheinlich mit einer Schablone gezeichneten Evange- listenbilder (ohne Attribute) eingeleitet. Der Evangelist hat in der linken Hand die Schreib- tafel, in der rechten den Griffel. Am Ende des Buches befindet sich ein Vermerk, dass das Buch von König Arnuld dem Abt Huoggi (891 – 91) zurückerstattet worden sei – wahr- scheinlich anlässlich ein Wallfahrt des Königs im Herbst 897. Die Handschrift wurde 546 oder 547 im Auftrag des Bischofs Victor von Capua (541 – 554) geschrieben, der die Einleitung und die Kanontafeln verfasste. Wahrscheinlich ge- langte die Handschrift in Rom oder über England in den Besitz des heiligen Bonifatius. Der Text ist in einer gleichmäßigen italienischen Unziale geschrieben. In seinem ersten Teil enthält es die Evangelienharmonie des Tatian in lateinischer Übersetzung, danach wei- tere neutestamentliche Schriften in lateinischer Übersetzung. Die zahlreichen Glossen, An- merkungen, am Rande des Textes stammen von Schreibern des 8. Jahrhunderts. Eine Handschrift dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit von Bonifatius stammen. Ein mehrfach beschädigter Codex, der nach seiner Auftraggeberin Ragyntrudis benannt ist, weist möglicherweise schon bei der Entstehung auf eine Verbindung zu Bonifatius. Der Tradition zufolge soll Bonifatius dieses Buch vor sein Haupt gehalten haben, um den mör- derischen Schwertschlag abzuwehren. Bonifatius war ein Priester und Bischof, dem die Liturgie und die Seelsorge ein Her- zensanliegen war und er war ein Bücherfreund. Der Blick in die drei Bücher des Bonifatius gibt zu erkennen, welche Texte er in handli- chem Format und gut lesbar griffbereit haben wollte, und sie offenbaren damit, welche In- unterwegs 16 nr. 96 juli 2015
Jahrestagung Diese Darstellung des heiligen Bonifatius wurde geschaffen von der Paderborner Künstlerin Agnes Mann (1907-1994), die mehr als 50 Jahre in der Rhön gelebt hat. Sie zeigt den Missionar Bonifatius als den Mönch, der mit Kreuz und Bibel auf stürmischer See unterwegs ist. unterwegs 17 nr. 96 juli 2015
haltes sein Leben bestimmten: • zuerst und vor allem das Evangelium Jesu Christi, dann dessen richtiges Ver- ständnis in der Tradition der Kirche, dessen Aufnahme in der Taufe und schließlich dessen Umsetzung in einer vom Evangelium bestimmten Lebenspraxis; • zum anderen wollte eine am Primat des Bischofs von Rom orientierte einheitliche kirchliche Verfassung. Der Blick in die drei Bücher weist aber zugleich über ihn hinaus. • Entstanden durch das Zusammenwirken von Mönchen aus Irland, England, Ita- lien, Frankreich und Deutschland offenbaren die Bücher die fruchtbare Einheit einer reli- giösen Überzeugung. Sie zeigen diese Überzeugung in einer umfassenden Sprach- und Schriftkultur, an der alle Beteiligten gleichermaßen Anteil haben. • Nicht zuletzt durch ihre kostbare Ausstattung bezeugen sie die Anknüpfung an eine bestehende geschichtliche Tradition und den Wunsch, diese Tradition im wahrsten Sinn des Wortes fortzuschreiben. Er verfügt über die seit seiner Kindheit gelegten und tief greifenden benediktinischen Wur- zeln des „Operi deo nil praeponitur!“ – „Nichts ist dem Lob Gottes vorzuziehen!“ Dafür spricht, einmal sein Grab im Musterkloster Fulda zu bekommen. Das zeigt er schon in sei- nem Leben durch den Besuch dort, wo er sich zur Stille und Besinnung auf den nahen Frauenberg zurückzieht, der zunächst in Erinnerung an ihn den Namen „Bischofsberg“ trägt. Aus der Stille kommt die Kraft! Das ist alles andere als eine verklebte, verpappte Frömmigkeit der ewig Gestrigen. Sein Gebet bedeutet: Mut finden und Energie schöpfen für den Alltag mit seiner kirchlichen Produktivität und deren Zukunft. Das hat auch mit dem Anliegen zu tun, auch alters- und krankheitsgeschwächt nach Friesland zu ziehen, um noch einmal unmittelbar missionarisch tätig zu werden. – Bonifatius ist der kontemplativ (stille) Fromme. Bonifatius – ein Wegbereiter Europas Wenn man vom nachhaltigen Wirken des heiligen Bonifatius im Blick auf europäische Di- mensionen spricht, kommt dafür nur ein kleiner Zeitraum von etwa zehn Jahren in Frage: die Jahre 741 bis 751. – Freilich die für Bonifatius erfolgreichste Epoche konzentrierte sich auf die Jahre 741 bis 747. Betrachtet man Winfrid-Bonifatius, seine Person und sein Werk ganz aus dem 8. Jahrhun- dert, enthüllt sich eine doppelbödige Erscheinung: Bonifatius steht am Ende einer Über- gangsperiode, die sich über vier Jahrhunderte erstreckt. Er leistete einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung einer weltgeschichtlichen Kri- sis, nämlich dem Auseinanderbrechen des römischen Imperiums, die germanische Völker- wanderung und die Trennung der byzantinischen Kirche von der lateinisch-römischen, hin zur neuen, abschließenden Konsolidierung der christlich-europäischen Welt. Dadurch wurde Bonifatius zu einem Mitbegründer des christlich-abendländischen Mittelal- ters, aus dem sich im Lauf der Jahre Europa entwickelte. Wenn aus Romanen- und Germanentum der neue Kulturkreis entstehen sollte, den wir „Abendland“ heißen und dessen eminenter geschichtlicher Realität auch alle moderne ta- gespolitische und publizistische Abnutzung dieses Begriffes keinen Eintrag tun kann, dann mussten sich im Westen die Kräfte des Alten und des Neuen, nämlich die Kräfte der römi- schen Geistestradition und germanischen Staatsmacht, in neuer, abschließender Begegnung zu neuer Einheit zusammenfinden. Geistiger Brennpunkt dieser neuen, abendländischen — vom byzantinischen „Mor- genlande“ geschiedenen — Einheit wurde die römische Kirche. Politischer Kristallisationskern wurde das Frankenreich der Karolinger. unterwegs 18 nr. 96 juli 2015
Der Vermittler, der die Begegnung herbeiführte, wurde der Angelsachse Winfrid-Bonifa- tius, den Theodor Schieffer sogar „als Vorläufer Karls des Großen“ bezeichnet. Nach dem Tod des Hausmeiers Karl Martell am 22. Oktober 741 teilten sich seine beiden Söhne Karlmann und Pippin das väterliche Erbe. In den nächsten Jahren konnte Bonifatius einige bahnbrechende und im europäischen Sinne nachhaltig wirkende Erfolge erreichen, weil den Karolingern an einem guten Einvernehmen mit Rom lag. „Dies hatte weniger reli- giöse als vielmehr politische Gründe. Obwohl an der der Spitze des Frankenreiches noch immer ein Merowinger stand, waren Karlmann und Pippin doch die eigentlichen Machtha- ber. Unweigerlich lief die Entwicklung dahin, das Schattenkönigtum zu beenden und die Karolinger auch nominell zu Königen zu machen.“ Um die fehlende dynastische Legitima- tion durch höhere Weihen auszugleichen, bot sich den Karolingern das Papsttum als Bünd- nispartner an. Es ist nicht belegt, ob die beiden Karolingerbrüder und Bonifatius damals schon so weit vorausdachten. Jedenfalls unterstützten Karlmann und Pippin Erzbischof Bonifatius, sein kirchliches Reformprogramm anzupacken. Aus einer „von den grundbesitzenden Adeligen beherrschten Staatskirche sollte eine romverbundene Landeskirche“ werden. Diese Um- stellung bedeutete „auf lange Sicht nichts anderes … als die Grundlegung des christlichen Europa.“ In dieser welthistorischen Umschichtung nimmt Bonifatius den Rang einer Schlüsselfi- gur ein; er hat die erste Phase des europäischen Abendlandes, das romverbundene Landes- kirchentum des karolingischen Großreiches, eingeleitet. Auf dem „Concilium Germanicum“, wie die erste Synode auf dem Gebiet der späteren deutschen Kirche genannt wurde, hat Bonifatius einen grandiosen Erfolg errungen und damit der späteren Kirche Deutschlands und anderen westeuropäischen Landeskirchen eine einheitliche Struktur gegeben und damit die organisatorischen Voraussetzungen für die ka- tholische Kirche zumindest in Westeuropa geschaffen. Die große kulturhistorische Entwicklung, die Bonifatius mit der Verbindung der fränki- schen Landeskirche und dem Papsttum eingeleitet hatte, trug noch zu seinen Lebzeiten ganz unerwartete Früchte. Am 14. Oktober 753 machte sich der neue Papst Stephan II. auf den Weg nach Norden, um den König Pippin aufzusuchen und ein Bündnis mit ihm abzu- schließen. Zu seiner Abholung schickte ihm Pippin seinen ältesten Sohn Karl auf hundert Meilen entgegen, eben den späteren Karl d. Großen, den als Krönung des im Todesjahr des Bonifatius 754 abgeschlossenen Bündnisses Papst Leo III. dann am Weihnachtstag des Jahres 800 im Petersdom zum Kaiser krönte. – Freilich Bonifatius, der dieses komplexe Bündnis zwischen Papst und Karolinger eingefädelt hatte, war damals längst schon ins po- litische Abseits gestellt worden. Wenn von den Verdiensten des Winfrid-Bonifatius um das christliche Abendland und Europa gesprochen wird, muss ein ganz wichtiger Aspekt noch genannt werden. Die Mis- sion des Bonifatius war auch eine immense Kulturleistung, „weil sie den neu christia- nisierten Völkern den Anschluss an die entwickelten Länder des Kontinents ermöglicht hat“. Für die neu hinzukommenden Länder bedeutete dies „den Zusammenbruch ihrer bis- herigen und die Integration in eine neue Kultur. Der Aufbau von Kirchen und Klöstern trug als Innovationsschub wesentlich zum Gelingen dieses Prozesses bei, und das dadurch ent- standene Kommunikationsnetz förderte die Eingewöhnung.“ Unbestritten ist, dass die bo- nifatianische Mission die Entfaltung der christlichen Kultur in Europa gefördert hat. Diese und viele andere, hier nicht erwähnte, Ereignisse um die Mitte des 8. Jahrhunderts erweisen sich in der historischen Rück- und Überschau als die Überwindung jener weltge- schichtlichen Krisis, die mit der Auflösung der antiken Einheit durch die Völkerwanderung aufgebrochen war, als die Grundlegung einer neuen kirchlich-kulturellen Einheit auf latei- unterwegs 19 nr. 96 juli 2015
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