Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
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3 Text / Barbara Helige Menschenrechte einsetzt. Am bes- ten charakterisiert ihn sein Spruch „Wir kämpfen weiter.“ E Und genau diese Haltung prädesti- niert ihn für die Menschenrechtsar- beit, die immer das „Bohren harter Bretter“ bedeutet und einen langen D Atem voraussetzt. BARBARA HELIGE Präsidentin der Österreichischen Einen solchen hat auch der Preis- Liga für Menschenrechte, Leiterin träger des Jahres 2018: Claus-Peter I des Bezirksgerichts Döbling, Reisch, der deutsche Kapitän der ehemalige Präsidentin der Lifeline, der Bootsflüchtlinge auf RichterInnenvereinigung offenem Meer rettete und sie in T europäische Häfen brachte. Sein Engagement brachte ihm ein Strafverfahren auf Malta ein, das mit einer noch nicht rechtskräftigen O Verurteilung endete. Auch er D ist ein Beispiel für Beharrlichkeit ie zweite Ausgabe des und Entschlossenheit, wie alle Magazins der Liga für Men- Preisträgerinnen und Preisträger R schenrechte erscheint nicht der letzten Jahre. zufällig am 10. Dezember 2019, dem Tag der Menschenrechte. Es Für sein Lebenswerk wird heuer hat aber auch einen guten Grund, I der Arzt Dr. Werner Vogt, der wenn sich viele Veranstaltungen österreichweit durch seine Aus- mit grundrechtlichen Themen rund einandersetzung mit Heinrich Gross um dieses Datum ranken. Eine der bekannt wurde, geehrt. Er bewirkte A erfreulichsten und wertvollsten geht eine Rehabilitation von Opfern dieser Tage in den Endspurt: Schon wie Friedrich Zawrel, einem Über- zum zwölften Mal findet das Film- lebenden der NS-Euthanasie und festival „this human world“ in Wien Kinder-Euthanasie Am Spiegelgrund L statt, das sich mit einem vielfältigen in Wien. Programm (siehe S. 20) in künstleri- scher Weise mit den Menschenrech- Aus all dem wird deutlich, wie breit ten auseinandersetzt. Mittlerweile das Spektrum jener Persönlichkeiten gibt es seit vielen Jahren eine bes- ist, die in ihrer Arbeit den Grund- tens funktionierende Kooperation satz, wonach alle Menschen mit der Österreichischen Liga für gleich an Rechten und Würde sind, Menschenrechte, die jedes Jahr in exemplarisch umsetzen. Die einer gemeinsamen Preisverleihung Österreichische Liga für Menschen- ihren Höhepunkt findet. rechte versucht – neben weiteren Aktivitäten – mit diesem Preis Heuer geht der Menschenrechts- ebenso wie mit dem jährlichen preis der Österreichischen Liga Menschenrechtsbefund, der in die- für Menschenrechte an Alexander ser Ausgabe der LIGA abgedruckt Pollak, der sich vor allem als ist, ihren Beitrag zu einer höheren Sprecher von SOS-Mitmensch Wertschätzung der Menschenrechts- seit Jahren unermüdlich für die arbeit zu leisten. Österreichische Liga für Menschenrechte
4 3 Barbara Helige: Editorial 5 Brigitte Bierlein: Menschenrecht und Menschenpflicht 6 Neues aus der Liga 7 Marion Wisinger: Zu dieser Ausgabe 8 Christopher Treiblmayr: Neue Quellen zu den Beziehungen der Österreichischen Liga für Menschenrechte mit Frankreich 10 Jana Raith: Wie sprechen Sie eigentlich über Menschenrechte? 11 Terezija Stoisits: Kinderflüchtlinge: Wie viel ist uns ein Flüchtlingskind wert? 12 Florian Horn: Über die Bedeutung sozialer Grundrechte in Österreich 13 MENSCHENRECHTE IN ÖSTERREICH 14 Annemarie Pervan: Menschenrechtspreisträger Alexander Pollak im Porträt 16 Bettina Slamanig: Menschenrechtspreisträger Werner Vogt im Porträt 18 Katharina Gröger: Klimaschutz und Menschenrechte – Interview mit Katharina Rogenhofer 20 Lara Bellon, Michael Schmied: Was können Filme bewirken? 21 MENSCHENRECHTSBEFUND 2019 22 Die Autorinnen des Menschenrechtsbefunds 2019 23 Barbara Helige: Editorial 24 Barbara Helige: Wird es ein stiller Tod der Justiz? 26 Cornelia Koller: Überlegungen zum staaatsanwaltschaftlichen Weisungsrecht 28 Nicolin Irk /Annemarie Pervan: Menschenrechte als saures Wahlzuckerl? 30 Milena Gauß: Aspekte geschlechtsspezifischer Verfolgung im Asylrecht 32 Sebastian Öhner: W ie Kinder ihr Recht auf den Schutz der Umwelt selbst in die Hand nehmen – und welche Unterstützung sie dabei benötigen 34 Erwin Riess: UN-Konvention: Österreich verfehlt die Vorgaben deutlich 36 Karin Zauner-Lohmeyer: Das Recht auf Wohnen und die Wirklichkeit 38 Carla Amina Baghajati: Musliminnen am Wort: eine Deklaration muslimischer Frauen 40 Andreas Brunner: LGBTIQ: Kampf um gesellschaftliche Anerkennung 42 Klaus Unterberger: It’s the society, stupid! 45 INTERNATIONALES 46 Heinrich Neisser: Machtpolitik und Menschenrechte – die syrische Tragödie 48 Valerie Gruber: Die Liga unterwegs in Australien 50 Angelika Watzl: Nachrichten aus Europa: die europäischen Ligen 52 Louis-Benjamin Vaugoin: Endstation Balkanroute: Interview mit der Ärztin Karin Tschare-Fehr 55 NEUES AUS DER MENSCHENRECHTSSZENE 56 Louis-Benjamin Vaugoin: Zentrum polis – Interview mit Patricia Hladschik 59 Veranstaltungstipps 60 Buchtipps 62 Impressum
5 Fotos / BKA_Andy Wenzel Text / Brigitte Bierlein KOMMENTAR BRIGITTE BIERLEIN Bundeskanzlerin der Republik Österreich, ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Menschenrecht und Menschenpflicht M enschenrechte gehen uns steht kein Anlass zum Zurücklehnen. Digitalisierung vieler Lebensbe- alle an. Das 20. Jahrhun- Vielmehr gilt es, ständig das Funktio- reiche die Weiterentwicklung und dert brachte vor allem nach nieren des Rechtsstaats und seiner Akzentuierung bestehender Grund- 1945 eine Weiterentwicklung und Institutionen kritisch zu beobachten, rechte, was gerade im sensiblen Kodifikation unumstößlicher Men- allfällige Defizite zu benennen und Bereich des Datenschutzes und der schenrechte, wobei die allgemeine zu korrigieren sowie aktuelle Ent- Persönlichkeitsrechte hoch aktuell Erklärung der Menschenrechte, die wicklungen – seien sie politischer, ist. Darüber hinaus gilt es, dem Europäische Menschenrechtskonven- technischer oder sonstiger Natur – Schutz politischer Rechte wie der tion samt ihren 16 Zusatzprotokollen zu berücksichtigen. politischen Meinungs- und Willens- sowie die EU-Grundrechtecharta zur bildung entsprechende Aufmerk- Veranschaulichung der Entwicklung Der Schweizer Publizist Dr. Ernst samkeit zu widmen. herangezogen werden können. Viele Reinhardt hat richtig erkannt: „Die dieser Vertragswerke sehen nicht Menschenrechte sind deklariert. Die Vor diesen herausfordernden bloß eine politische Verbindlichkeit Menschenpflichten stehen zwischen Entwicklungen leistet die Österrei- der darin postulierten Freiheiten vor, den Zeilen.“ Besonders in bewegten chische Liga für Menschenrechte sondern auch die Durchsetzbarkeit Zeiten bedarf es einer funktionie- – seit 1926, als älteste zivilgesell- der darin garantierten Rechte vor renden und engagierten Zivilgesell- schaftliche Organisation, die sich mit staatlichen Institutionen. schaft, die sich für Demokratie und Menschenrechten befasst – einen Rechtsstaat im öffentlichen Diskurs nicht hoch genug zu schätzenden Zum Schutz der Grund- und Frei- sichtbar einbringt. Beitrag zur Grundrechtsdiskussion in heitsrechte gegenüber dem Staat Österreich. und seinen Organen, aber auch inter Die Zivilgesellschaft hat die wichtige privates ist ein funktionierender Aufgabe, Probleme und Missstände Ich wünsche der Österreichischen Rechtsstaat unerlässlich. Als pas- aufzuzeigen und eine breite öf- Liga für Menschenrechte eine sionierter Juristin und ehemaliger fentliche Debatte zu ermöglichen. lebendige Zukunft und weiterhin Präsidentin des österreichischen Gerade im Zusammenhang mit viel Erfolg. Mein herzlicher Dank Verfassungsgerichtshofes mit globalen Entwicklungen und der gilt allen Mitgliedern und Beteilig- langjähriger beruflicher Erfahrung Implementierung neuer Rechte ist ten, insbesondere der Präsidentin in der Strafjustiz – einer immanent ein „Input von außen“ für den Staat Dr. Barbara Helige, für ihren un- grundrechtsintensiven Materie – ist unerlässlich, um aktuelles Gesche- ermüdlichen Einsatz im Dienste mir dieser Bereich ein besonderes hen und Kreativität in die staatlichen unseres Rechtsstaats. Anliegen. Strukturen einfließen zu lassen. Österreich kann zu Recht auf einen In der jüngeren Vergangenheit sehr gut funktionierenden Rechts- gab es immer wieder Tendenzen, staat und den dadurch gewährleis- Freiräume zu verengen und den teten hohen Schutz der Menschen- Grundrechten im Rahmen von rechte stolz sein. Auch wenn wir Gesetzesvorhaben restriktiver zu uns auf einem hohen Niveau der begegnen. Gleichzeitig bedingen Rechtsstaatlichkeit bewegen, be- neue Herausforderungen wie die
6 Neues aus der Liga Werkzeug eingesetzt werden können. Beendet wurde der erste Teil der Veranstaltung mit dem Beitrag von „EINE BÜHNE FÜR KINDERRECHTE“. Renate Winter, Stellvertretende Vor- sitzende des UN-Ausschusses über die Rechte des Kindes. Sie setzte sich in einem Vortrag mit gegenwärtigen Problemen der Umsetzung der KRK auseinander und stellte mögliche Lösungsstrategien vor. E ine Bühne für Kinderrechte: Im zweiten Teil folgte eine Podiums- WIR STELLEN VOR unter diesem Titel fand am diskussion mit Publikumsbeteiligung. 19. November 2019 ein Thema waren unterschiedliche Zu- von der Österreichischen Liga für kunftsperspektiven der Kinderrechte Menschenrechte in Kooperation mit und es wurde deutlich, in wie vielen dem Bundeskanzleramt organisiertes Bereichen diese von größter Bedeu- Symposium zum 30-jährigen Jubilä- tung sind und welche Auswirkungen um der UN-Kinderrechtskonvention eine konsequente Umsetzung der (KRK) statt. Eingeladen waren Ver- KRK mit sich bringen würde. Somit treterInnen aus Wissenschaft, Politik, kann als Ergebnis der Veranstaltung Justiz, Verwaltung, internationalen festgehalten werden, dass die Organisationen und der Zivilgesell- weitere Umsetzung der Kinderrechte schaft. Der Tag bot ein vielfältiges permanent einzufordern ist und dass Programm: Daniela Gruber-Pruner, diese ein bedeutendes Rechtsinstru- NEU BEI DER LIGA die Leiterin des pädagogischen Bü- ment darstellen. Die Österreichische ros der Österreichischen Kinderfreun- Liga für Menschenrechte wird de, gab zunächst einen Einblick in sich auch in Zukunft dieses The- Louis-Benjamin Vaugoin die pädagogische und gesellschafts- menschwerpunkts annehmen. politische Arbeit zu Kinderrechten. Seit September haben wir Darauf folgte ein Impulsreferat der Sebastian Öhner, Vorstandsmitglied Verstärkung im Liga-Büro. Präsidentin der Österreichischen Liga der Österreichischen Liga für Louis-Benjamin Vaugoin unterstützt für Menschenrechte und Leiterin des Menschenrechte und Organisator die Arbeit des Vorstands sowie der Bezirksgerichts Döbling, Barbara der Veranstaltung, schreibt auch im Administration und der Redaktion Helige. Sie erläuterte anhand diesjährigen Menschenrechtsbefund des Liga-Magazins. In letzterer einzelner Fälle, wie Kinderrechte in einen Beitrag zum Thema Kinder- Funktion hat er auch die vorliegende der Gerichtspraxis als legistisches rechte (siehe Seite 32f.). Ausgabe unserer Mitglieder- publikation mitgestaltet. Louis-Benjamin („Benny“) Vaugoin ist Absolvent des Studiums der Ge- Ein Blick in die Zukunft der Kinderrechte: Podiumsdiskussion, schichtswissenschaft an der Univer- moderiert von Organisator Sebastian Öhner (ganz rechts) sität Wien, wo er sich insbesondere mit der Entstehung der Menschen- rechte und des europäischen Rechts- systems beschäftigt hat. Nach der Mitarbeit im familieneigenen Betrieb und einem Studienaufenthalt an der University of Bristol (International Relations) ist er thematisch wieder bei seiner Abschlussarbeit, den Menschenrechten, angekommen. Wir freuen uns über die Zusammenarbeit! Österreichische Liga für Menschenrechte
7 Foto / Günther Pichlkostner Text / Marion Wisinger Liebe Leserinnen und Leser, Alle im Liga-Magazin schreibenden AutorInnen, ExpertInnen und auch ein Befund ist ein nach einer Unter- das gesamte redaktionelle Team suchung festgestelltes Ergebnis und haben ihre Beiträge wieder einmal beschreibt Gegebenheiten, aber „gespendet“, daher unser Anliegen: auch Veränderungen. Er ist die Basis Unterstützen auch Sie uns bitte, für Empfehlungen und Verbesse- mehr Menschen für unsere Arbeit rungsvorschläge. Der von der Öster- zu interessieren, und verschenken reichischen Liga für Menschenrechte Sie zu Weihnachten eine einjährige seit vielen Jahren verfasste Men- Probe-Mitgliedschaft bei der schenrechtsbefund versteht sich als Österreichischen Liga für Menschen- MARION WISINGER kritische Expertise darüber, wie sich rechte, dann gibt es auch für Ihre CHEFREDAKTEURIN die Umsetzung der Menschenrechte FreundInnen unser Magazin zweimal in Österreich entwickelt und welche jährlich frei Haus geliefert. Gefahren drohen, wenn Politik bestimmte Gruppen von Menschen Denn eines steht fest: Die europa- diskriminiert, diffamiert und aus- weit vor sich gehende Demontage ZUR PERSON grenzt. Davon betroffen waren in von Grundrechten und menschen- den letzten Jahren unter anderem rechtlichen Standards betrifft uns Menschen ohne Arbeit, aber auch alle, und angesichts des Klimanot- Marion Wisinger, 2009 bis Obdachlose und Bettler. Die Hetze stands – und den damit verbunde- 2012 Generalsekretärin gegen flüchtende Menschen hat zu nen gravierenden Konsequenzen – der Österreichischen Liga unzähligen Abschiebungen wider sind auch Menschenrechte in Gefahr. für Menschenrechte, nun jegliche Menschlichkeit geführt, und Das Recht auf Leben, Gesundheit, Vorstandsmitglied. Aktuell die skandalösen Angriffe gegen Nahrung, Sicherheit und Asyl ist arbeitet sie als Historikerin die Medien, den Verfassungsschutz der Brennpunkt einer unabdingbar an Studien zu gravierenden und auch die Justiz haben uns tiefe notwendigen gesellschaftlichen und Menschenrechtsverletzungen Einblicke gewährt, wie rasch demo- wirtschaftlichen Kehrtwende – eine in staatlichen und kirchlichen kratische Instanzen in ihrer Kontroll- halbe Minute vor zwölf. Kinderheimen und ist als und Schutzfunktion behindert Trainerin in der politischen werden könnten. Übrigens: Wir laden Sie ein, uns Le- Erwachsenenbildung tätig. serbriefe zu schicken, oder schreiben zeitweise.at Diese Entwicklung machte durchaus Sie uns Ihre Meinung zu menschen- Angst, dazu kam eine Radikalisie- rechtlichen Themen. Wir würden uns rung der Sprache, etwa die jüngst freuen, einige Ihrer Kommentare in gegen JournalistInnen artikulierten der nächsten Ausgabe des Liga- Drohungen und Beleidigungen, Magazins zu veröffentlichen. die gehässigen Rundumschläge gegen Menschen muslimischen Wir wünschen eine spannende Glaubens oder der Generalverdacht Lektüre und einen guten Start in das gegen AsylwerberInnen, sich den Jahr 2020! Aufenthaltstitel illegal verschaffen zu wollen. Alles Themen, die von der Mit besten Grüßen, Österreichischen Liga für Menschen- Marion Wisinger, Chefredakteurin rechte in den letzten Jahren in ihrer Arbeit aufgegriffen wurden. Daher haben wir uns entschlossen, den ak- tuellen Menschenrechtsbefund 2019 auch den Leserinnen und Lesern des Liga-Magazins zukommen zu lassen. Unser Grafiker hat „den Befund“ CHISCHE einfach in die Mitte des Heftes ÖSTERREI TE M EN SC HENRECH platziert, in zehn Beiträgen werden LIGA FÜR dsch t, af relevante menschenrechtliche obe-Mitglie Einjährige Pr mal jährlich Perspektiven dieses politisch inkl. zwei Euro agazin: 40 aufregenden Jahres dargestellt. unser Liga-M e und Pensionierte) r Studiere nd (20 Euro fü t e@liga.or.a be st el le n unter: offic Zu entare an: und Komm Leserbriefe ao at n. wisinger@
8 Plakat / La Contemporaine Text / Christopher Treiblmayr Neue Quellen … … ZU DEN BEZIEHUNGEN DER ÖSTERREICHISCHEN LIGA FÜR MENSCHENRECHTE MIT FRANKREICH Plakat zur Jubiläumstagung der LDH in Paris-Nanterre 2018 I n der „Historischen Ecke“ wur- Auflösung der österreichischen Liga Nachkriegsbeziehungen zwischen de bereits mehrfach über die 1938 im Zuge des „Anschlusses“ österreichischer Liga und LDH sowie internationale Vernetzung der Österreichs an das Deutsche Reich FIDH. Es ist nun also möglich, die Österreichischen Liga für Men- gut dokumentiert werden. Eine Phase seit 1945 ebenso umfassend schenrechte berichtet. Beson- wesentliche Basis dafür stellten die aufzuarbeiten wie die Vorkriegsge- ders enge Beziehungen unterhielt die Vorkriegsarchive der LDH und der schichte. Vereinigung seit ihrer Gründungspha- FIDH dar, die im Archiv von La Cont- se in den frühen 1920er-Jahren zur emporaine aufbewahrt werden. Diese Erste Ergebnisse dieser Aufarbeitung französischen Mutterliga, der Ligue an die Universität Paris-Nanterre präsentierten die beiden Forscher bei des droits de l’homme (LDH). 1898 angegliederte Institution beherbergt einer internationalen Tagung, die La im Kontext der antisemitisch aufge- außerdem eine Bibliothek und ein Contemporaine und die LDH anläss- ladenen Dreyfus-Affäre ins Leben ge- Museum. Sammlungsschwerpunkte lich des Gründungsjubiläums am 11. rufen, wurde die LDH ein Modell für stellen die Geschichte des 20. und und 12. Dezember 2018 in Paris-Nan- viele nationale Tochterligen in Europa 21. Jahrhunderts dar, ein besonderer terre veranstalteten. Schmale und und weltweit. Unter Federführung Fokus liegt auf der Entwicklung der Treiblmayr zeigten anhand des neuen der französischen und der deutschen internationalen Beziehungen. Anläss- Quellenmaterials unter anderem, Liga formierte sich 1922 in Paris der lich des 120-jährigen Gründungsju- dass die kriegsbedingt unterbroche- internationale Ligen-Dachverband biläums der französischen Liga 2018 nen Beziehungen zwischen Paris und Féderation internationale des ligues öffnete La Contemporaine erstmals Wien bereits 1945/46 wiederaufge- des droits de l’homme (FIDH). Die auch das ebenfalls dort aufbewahrte nommen werden konnten. In der österreichische Liga war seit ihrer of- Nachkriegsarchiv der LDH. Wolfgang unmittelbaren Nachkriegszeit wurden fiziellen Gründung 1926 Mitglied der Schmale und Christopher Treiblmayr die Grundsteine für eine bis heute FIDH und unterhielt enge Kontakte zählten zu den ersten, denen Einblick intakte Zusammenarbeit gelegt. nach Paris. Diese Vernetzungen konn- in die Bestände gewährt wurde. Das Archiv der österreichischen Liga ten durch die Forschungsarbeit des Zugleich enthält das derzeit am enthält beispielsweise ein Schreiben Historikerteams rund um Wolfgang Zentrum QWIEN aufgearbeitete des Generalsekretärs der LDH, Émile Schmale und Christopher Treiblmayr Nachkriegsarchiv der österreichischen Kahn, vom 21. Februar 1946, in dem bislang vor allem für die Zeit bis zur Liga umfangreiches Material zu den er der österreichischen Liga zur Wie- Österreichische Liga für Menschenrechte
9 Quelle Urkunde / Archiv der Österreichischen Liga für Menschenrechte, AK 1033, Zentrum QWIEN derherstellung gratulierte. In seiner Die Beziehungen zwischen österrei- zum Thema Menschenrechte in der Ansprache bei der konstituierenden chischer Liga, LDH und FIDH sowie Schule bietet. In weiteren Vorträgen Generalversammlung am 24. März die derzeit laufende Aufarbeitung stellten Generalsekretärin Hannah 1946 an der Universität Wien hob des Liga-Archivs am Zentrum M. Lessing den Nationalfonds und der damalige Vorsitzende des Vor- QWIEN waren auch Gegenstand ei- Hannes Sulzenbacher die neue ös- standes, Erwin Kulka, die Ursprünge nes Vortrags, den Treiblmayr im Rah- terreichische Länderausstellung der Menschenrechte in der Franzö- men einer Tagung der Pädagogische im Staatlichen Museum Auschwitz- sischen Revolution und die engen Hochschule Niederösterreich am Birkenau vor. Beziehungen zur französischen 17. Oktober 2019 gehalten hat. Or- Mutterliga besonders hervor. Im ganisiert von deren Leiterin Sabine Eine Dokumentation der Tagung selben Jahr konnte mit Émile Kahns Mader, konnte diese Fachtagung mit Fotos findet sich auf der Ehefrau, Suzanne Collette-Kahn, der Arbeitsgruppe AHS Geschichte Facebook-Seite des Nationalfonds. erstmals auch offiziell ein franzö- und Sozialkunde/Politische Bildung sischer Besuch in Wien begrüßt zum Thema „Demokratieerziehung werden. Ab 1948 lassen sich in den und Menschenrechtsbildung“ über Archiven intensive Bemühungen zur Vermittlung des Nationalfonds der Wiedererrichtung der FIDH nachwei- Republik Österreich für Opfer des sen, an denen die österreichische Nationalsozialismus in den Räumen Liga intensiv mitarbeitete. Es folgten des Parlaments im Palais Epstein zahlreiche gemeinsame Aktionen stattfinden. Ein wesentliches Anlie- zwischen LDH, FIDH und österrei- gen des Vortrags von Treiblmayr war chischer Liga, wobei Collette-Kahn es, die anwesenden Lehrerinnen und als Generalsekretärin der FIDH über Lehrer auf die Möglichkeit der Nut- viele Jahre eine Schlüsselrolle in den zung des Liga-Archivs für die Arbeit bilateralen Beziehungen zukommen mit Primärquellen im Schulunterricht sollte. Der Vortrag von Schmale aufmerksam zu machen. Daran DER AUTOR und Treiblmayr wird derzeit für die anknüpfend, zeigte Sabine Mader, Tagungspublikation überarbeitet. welche Möglichkeiten der Lehrplan Christopher Treiblmayr Historiker, Lektor und Habilitand am Institut für Geschichte der Universität Wien, wissen- schaftlicher Mitarbeiter bei QWIEN – Zentrum für queere Geschichte, wo er die archivmäßige Auf- arbeitung des Archivs der Österreichischen Liga für Menschenrechte leitet. Diese Abschrift eines Briefs der Österreichischen Liga für Men- schenrechte aus dem Jahr 1948, in dem sie die LDH um Unterstützung für eine Aktion während des griechischen Bürgerkriegs bat, ist ein Beispiel für die Zusammen- arbeit der beiden Vereinigungen.
10 Text / Jana Raith Menschenrechtsverständnis. Das schafft eine Stimmung, in der ein Innenminister die Europäische Menschenrechtskonvention in Frage stellt, ohne dass es in der Bevölke- rung einen nachhallenden Aufschrei gibt. Es schafft die Bühne für einen Landesrat, der die Volksanwaltschaft, Österreichs oberstes Organ zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte, in Frage stellt. Problematisch ist ebenso, die Wie sprechen Sie Einhaltung und Förderung der Menschenrechte als eine freiwillige eigentlich über Mehrleistung zu propagieren. Ganz so, als ob es nicht ohnehin eine verfassungsrechtliche Verpflichtung Menschenrechte? dazu gäbe. Und ganz so, als ob es ein freiwilliger Dienst an der Gesell- schaft wäre, sich an die Menschen- rechte zu halten, und nicht sowieso I dem Grundkonsens der Zweiten n den letzten Jahren und Mona- Republik und unserem Verständnis ten war in Österreich in Bezug von einem humanistischen Weltbild auf den menschenrechtlichen entsprechen würde. Selbstverständ- Diskurs ein Richtungswechsel zu lich muss sich jede einzelne Partei in beobachten. Selten zuvor wurden die DIE AUTORIN Österreich an die Menschenrechte Menschenrechte in Österreich auf so halten. Ganz ohne Zweifel muss das viele Fahnen geheftet wie zuletzt. Die auch jede Institution, jede Organi- Menschenrechte finden sich in Schlag- Jana Raith sation und jede einzelne Bürgerin, zeilen und Regierungsprogrammen, jeder einzelne Bürger tun. Studien der Rechtswissenschaften, in angriffslustigen Reden und auf Anglistik und Amerikanistik sowie Protestplakaten, wobei der Diskurs Dazu, dass dieses Verständnis nicht einjähriger Diplomlehrgang an der meist an der Oberfläche bleibt. Eines mehr nur in der Theorie besteht, Diplomatischen Akademie. Danach scheint sicher: Die Menschenrechte bedarf es auch einer aufmerksamen arbeitete sie bei der Volksanwalt- wurden wieder zu einem Politikum Zivilgesellschaft, die genau auf die schaft, aktuell ist sie im Bereich gemacht – zu ihrer Förderung wurde Einhaltung der Rechte achtet – und Bildung und Gesellschaft in der allerdings nichts beigetragen. auch darauf, wie über Menschen und Industriellenvereinigung tätig. Sie ist ihre Rechte gesprochen wird. Vorstandsmitglied der Österreichi- Das Konzept des universellen Men- schen Liga für Menschenrechte und schenrechtsschutzes garantiert die Menschenrechte werden immer ein in der steirischen Landesstelle der Grundrechte jeder und jedes Einzel- Politikum sein. Vor allem sind sie Österreichischen Liga für nen. Ein Diskurs wie er in den letzten aber durch ein wohldurchdachtes Menschenrechte aktiv. Monaten stattgefunden hat, könnte Rechtssystem und durch Instrumente dem Verständnis über die Menschen- und Mechanismen garantiert, die rechte in Österreich beträchtlichen erdacht wurden, um Rechtsver- Schaden zufügen. Ganz generell letzungen zu vermeiden. Es gilt, zeigt sich in unserer Gesellschaft die verletzung zu sehen. Das führt zu neben all der Polemik auf dieses Tendenz, in jeder subjektiv empfun- einer Überstrapazierung und damit System zu verweisen und mit Fakten denen Beeinträchtigung der eigenen zu einer Aushöhlung des Begriffs der zu kontern, damit nicht vergessen Person und in jedem von unserer Menschenrechte – und im schlimms- wird, dass in Österreich ein klares Sozial- und Rechtsordnung nicht er- ten Fall zu einer negativen Haltung in Verständnis davon herrscht, welchen füllten Wunsch eine Menschenrechts- der Gesellschaft gegenüber dem Stellenwert Menschenrechte haben. Österreichische Liga für Menschenrechte
11 Text / Terezija Stoisits Kinderflüchtlinge: Wie viel ist uns ein Flüchtlingskind wert? E in Großteil – nämlich 90 Pro- Ausgang, der eingeschränkte Zugang hen notwendig sind, auf bestmög- zent der Kinder und Jugendli- zu kostenlosen Kindergartenplätzen liche Entwicklung und Entfaltung chen (bis 18 Jahre), bei den un- und fluchtbedingte Traumata, das al- (Artikel 1 Bundesverfassungsgesetz mündigen Minderjährigen (unter 14 les sind Faktoren für die prekäre Lage über die Rechte von Kindern). Jahre) sogar 99 Prozent –, die im Jahr der Rechte von Kinderflüchtlingen. 2018 in Österreich einen Asylantrag Um Kindern auf der Flucht ihr Recht Jedes Kind! gestellt haben, ist im Familienver- auf körperliche Unversehrtheit und band nach Österreich geflüchtet. Es Sicherheit sowie Entwicklung und waren 3.060 Buben und 2.945 Mäd- Förderung, also die zentralen Punkte chen, die begleitet von ihren Familien der Kinderrechtskonvention, zu ge- gekommen sind. Im Juni 2019 war- ben, braucht es: teten 8.045 Kinderflüchtlinge auf die Entscheidung ihres Asylverfahrens. > das Bewusstsein, dass uns jedes UNICEF und Asylkoordination haben Kind gleich viel wert ist, unab- in einer gemeinsam erstellten Studie hängig davon, woher es kommt, „klare Defizite in der Umsetzung warum es gekommen ist und wie der UN-Kinderrechtskonvention“ in lange es bleiben wird, Bezug auf diese Gruppe festgestellt. Besonders die materielle Situation > die Einrichtung von familienorien- der Kinderflüchtlinge ist eine prekäre. tierten Schutzsystemen, Kinderflüchtlinge sind nicht von Kinderarmut gefährdet, sondern sie > die Schaffung einer institutionali- DIE AUTORIN sind samt und sonders arm. Ganz sierten Unterstützungsstruktur im zu schweigen von Faktoren wie Kindergarten und in den Schulen, emotionale und psychische Stabilität, Terezija Stoisits Sicherheit und Möglichkeiten, an > die Etablierung von aufsuchender, den Angeboten, die unser Land qualitativ hochstehender und prä- Ehemalige Volksanwältin Kindern bietet, zu partizipieren. Kin- ventiv ausgerichteter Sozialarbeit und langjährige Natio- derflüchtlinge leben in Österreich in nalratsabgeordnete der jedem Fall unter weit weniger als der und last but not least: Grünen. Unermüdliche Mindestsicherung. Aktivistin für Menschen- und > den Abbau der Hürden bei der Minderheitenrechte, unter Das faktische Arbeitsverbot für Bildungs- und Freizeitbeteiligung anderem Vizepräsidentin ihre Eltern während des Asylver- und Stärkung der Partizipations- der Österreichischen Liga fahrens, die in der Regel beengten möglichkeiten auf allen Ebenen für für Menschenrechte und Wohnverhältnisse, die materiellen Kinder und ihre Eltern. Vorstandsvorsitzende des Einschränkungen, die psychische Wiener Wiesenthal Instituts Belastung der Eltern durch überlange Jedes Kind hat Anspruch auf Schutz für Holocaust-Studien. Asylverfahren und den ungewissen und Fürsorge, die für sein Wohlerge- Österreichische Liga für Menschenrechte
12 Foto / SOH-Photography Text / Florian Horn Über die Bedeutung sozialer Grundrechte in Österreich D ie Anerkennung der univer- sellen Menschenrechte ist in Österreich weithin gefestigt. Schwieriger, aber umso wichtiger wäre die Diskussion über den Teilbe- reich der sozialen Grundrechte. Diese sollen allen Menschen nicht nur das blanke Leben selbst, sondern die um- fassende Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Der „Nachteil“ dieser Rechte ist dabei, dass sie in der Um- setzung starkes, aktives staatliches Bundesverfassungsgesetz über die Handeln erfordern. Insofern ist der Rechte von Kindern von 2011 wer- Aufwand gegenüber der Umsetzung den aber wiederum ausschließlich der reinen Schutzrechte deutlich klassische Schutzrechte kodifiziert. höher. Ebenso wichtige Rechte, wie das Recht auf Zugang zu Information, Der Gedanke dieser sozialen Medien, soziale Sicherheit oder Grundrechte ist bei weitem nicht angemessene Lebensbedingungen DER AUTOR neu. Schon in der Allgemeinen und Unterhalt, bleiben dort unbe- Erklärung der Menschenrechte von rücksichtigt. 1948 befasste sich ein guter Teil der Florian Horn Bestimmungen mit Rechten, die man Die Gefahr einer einfachgesetz- als derartige soziale Grundrechte Studium der Rechts- und lichen Umsetzung von zentralen verstehen könnte. Es sind dies Wirtschaftswissenschaften Rechten ist dabei die Abhängigkeit beispielsweise ein Recht auf soziale in Wien und Southampton, von politischen Strömungen, die Sicherheit, ein Recht auf Arbeit UK. Praktikum am Inter- einfachgesetzlich Erreichtes ebenso und gleichen Lohn, ein Recht auf nationalen Gerichtshof in einfach wieder beseitigen können. Erholung und Freizeit, ein Recht auf Den Haag. Rechtsanwalt, Dies ist unbefriedigend und wird Wohlfahrt, ein Recht auf Bildung. Lehrbeauftragter an der dadurch potenziert, dass mangels Universität Wien und der öffentlichen Bewusstseins über die Die Anerkennung sozialer Grund- Sigmund Freud PrivatUni- Wichtigkeit sozialer Grundrechte rechte ist in Österreich ambivalent. versität. Stellvertretender auch der öffentliche Aufschrei bei So wurde beispielsweise die Euro- Vorsitzender des Clubs einer Einschränkung des Erreichten päische Sozialcharta von 1961 erst der sozialdemokratischen oder dem Ausbleiben notwendiger im Jahr 2011 mit großer Verspätung RechtsanwältInnen, Verbesserungen fehlt. – und mit großen Vorbehalten, Disziplinarrat und Rechts- insbesondere beim Recht auf Schutz anwaltsprüfer der Rechts- Wünschenswert wäre es daher, vor Armut und sozialer Ausgrenzung anwaltskammer Wien, wenn das Bewusstsein dafür stiege, (Art 30) sowie beim Recht auf Woh- Mitglied der österreichi- dass alle Menschen auch ein Recht nen (Art 31) – ratifiziert. schen Juristenkommissi- auf die Sicherstellung ihrer sozialen on. Vorstandsmitglied der Grundrechte haben und diese Auch die UN-Kinderrechtskonven- Österreichischen Liga für Grundrechte nicht zum Spielball tion von 1989 hat Österreich zwar Menschenrechte in der Verhandlungsmasse des ratifiziert, in der nationalen verfas- tagespolitischen Diskurses werden sungsrechtlichen Umsetzung im dürfen. Österreichische Liga für Menschenrechte
MENSCHENRECHTE IN OSTERREICH
14 Fotos / SOS Mitmensch, Jeff Mangione (Porträt) Text / Annemarie Pervan Couragierter Einsatz für Menschenrechte UNSER DIESJÄHRIGER MENSCHENRECHTSPREISTRÄGER ALEXANDER POLLAK IM PORTRÄT. D er Einsatz für Men- Pollak studierte Handelswissenschaf- Pollak das Bild der Wehrmacht in schenrechte ist ein ten an der Wirtschaftsuniversität österreichischen Zeitungen und permanenter Kampf, Wien und danach Angewandte Dokumentarfilmen. 2003 publizierte den NGOs, internatio- Sprachwissenschaften an der Uni- er dazu im Böhlau Verlag das nale Organisationen und versität Wien, worin er 2003 den Buch „Die Wehrmachtslegende Staaten führen und dabei gegen die Doktortitel erhielt. Während des in Österreich“. Seit diesem Jahr Verletzung der Menschenrechte und Doktoratsstudiums arbeitete Pollak ist Pollak Mitglied des politischen für eine bessere Zukunft eintreten. am Wittgenstein-Forschungsschwer- Radiojournals „Radio Stimme“, das Dabei stehen oft einzelne Men- punkt „Diskurs, Politik, Identität“, auf freien Radios in ganz Österreich schen besonders im Vordergrund, der von Ruth Wodak geleitet wurde, gesendet wird. Er wurde für seine sie zeichnen sich durch großes mit. In einem Projekt erforschte herausragende Arbeit zweimal mit persönliches Engagement und dem „Radiopreis der Erwachsenen- auch durch besonderen Mut aus. bildung“ ausgezeichnet. Ab 2005 Einer davon ist Alexander Pollak, wurde Pollak in der Agentur der der Sprecher der österreichischen Europäischen Union für Grundrechte Menschenrechtsorganisation SOS (FRA) als Projektleiter für Anti- Mitmensch. Er wird 2019 aufgrund Diskriminierungsprojekte tätig. seines außerordentlichen Engage- ments für Menschenrechte mit dem Menschenrechtspreis der Österrei- Alexander Pollaks chischen Liga für Menschenrechte Einfluss auf SOS Mitmensch ausgezeichnet. 2011 begann der Menschenrechts- preisträger des Jahres 2019 seine Arbeit als Sprecher der österreichi- Gemeinsam Widerstand leisten DIE AUTORIN schen Menschenrechtsorganisation Schon während seiner Jugend er- SOS Mitmensch. Besonders seit er kannte Pollak, wie wichtig der Ein- sich hier engagiert, hat die Orga- satz für Zusammenhalt und Toleranz Annemarie Pervan nisation im Bereich der Menschen- in unserer Gesellschaft ist. Dort, wo rechte viel geleistet. andere Unterschiede suchen, sieht Studium der Politik- und Pollak Gemeinsamkeiten. In einem Rechtswissenschaften an Die positive Entwicklung bemerkte Interview mit dem „Standard“ im der Universität Wien, seit laut „Standard“ auch Grünen- Jänner 2018 schildert er, wie er zu November 2018 Praktikantin Politiker und Gründungsmitglied des Zeiten des Anti-Ausländer-Volksbe- bei der Österreichischen Vereines Niki Kunrath: „SOS Mit- gehrens der FPÖ am Lichtermeer Liga für Menschenrechte, mensch hat sich in seiner Methodik gegen das Vorhaben teilnahm Aufarbeitung des Liga- verschoben.“ Denn dort, wo früher und mit zehntausenden anderen Archivs im Rahmen des vorübergehend vor allem Prominente Menschen vom Ring Richtung Forschungsprojekts zur und eine breite Personenpalette prä- Heldenplatz marschierte. Damals Archivierung der Bestände. sent waren, geht es jetzt nur noch um habe ihn die Tatsache, dass er nicht Redaktionelle Mitarbeiterin den Inhalt. Alexander Pollak scheut der Einzige war, der Widerstand der Liga. dabei die Auseinandersetzung nicht. leistete, inspiriert. „Er konfrontiert Politiker direkt mit Österreichische Liga für Menschenrechte
15 Alexander Pollak protestiert: unter ande- rem Anfang 2018 vor Herbert Kickl gegen den Rechtsextremismus (Bild oben links) Zivilcourage für eine bessere Zukunft Weitere Aktionen, für die sich Pollak als Sprecher der Menschenrechtsorga- nisation offen aussprach und an denen er auch selbst teilnahm, waren Initiati- ven gegen die Mindestsicherung neu. Bei einer Aktion wurde das Bundes- kanzleramt kurzfristig zum „Armuts- kanzleramt“ unbenannt. Außerdem machte Pollak durch Informations- offensiven auf die diskriminierenden und armutsfördernden Änderungen der Sozialleistungen aufmerksam. Der Menschenrechtspreisträger der Liga war zudem persönlich in Trais- kirchen, um das Ausreisezentrum in Traiskirchen von „Ausreisezentrum“ zu „Aufnahmestelle für Asylsuchende“ umzubenennen. Dabei zeigte er Courage und Sympathie gegenüber Asylsuchenden, die von der vergan- genen Regierung stark benachteiligt wurden. den Auswirkungen ihres Handelns“, es darum geht, Sozialkürzungen die Der gebürtige Wiener gibt natio- sage Kunrath gegenüber der Zeitung Stirn zu bieten, ist er aus der öster- nalen und ausländischen Medien „der Standard“. reichischen Zivilgesellschaft nicht regelmäßig Interviews. Durch seinen mehr wegzudenken. geschulten und kritischen Blick auf die Wenn bei auftretenden Problemen verschiedensten Bestrebungen der keiner zuhört, setzt SOS Mitmensch Eine Initiative, an der sich Pollak Politik bietet er den Menschenrechten eigene Initiativen und versucht so, regelmäßig intensiv beteiligt, ist zum eine Plattform, die sie sonst nicht Schäden abzuwenden, die die Politik Beispiel die „Pass-egal-Wahl“, die bekommen würden. sonst verursacht hätte. Der Verein ist auch heuer im Vorfeld der National- ein ständiger Beobachter der Lage ratswahlen stattfand. Bei der Aktion Die erste Ausgabe des Liga-Magazins der Menschenrechte und entwickelt bietet SOS Mitmensch Personen, in diesem Jahr brachte ein Interview eigene Vorschläge, die zur Verbesse- die zwar ihren Lebensmittelpunkt mit Pollak zum Thema „Mindestsi- rung der Lebensumstände von Men- in Österreich haben, aber keinen cherung neu“. Auf die Frage, was die schen in Österreich beitragen sollen. österreichischen Pass besitzen, die zukünftigen Pläne für SOS Mitmensch Dabei ist Alexander Pollak selbst Möglichkeit, symbolisch wählen in Bezug auf die Mindestsicherung sei- ohne Einschränkungen aktiv und zu gehen. Pollak kämpft für eine en, antwortete Pollak: „Wir kämpfen protestiert mit Schildern, die er für Öffnung der Demokratie für diese weiter.“ Eine Antwort, die seine De- Menschenrechte unermüdlich in die Bevölkerungsgruppe. Und er fordert termination und Entschlossenheit sehr Höhe hält. Egal, ob bei schwarz-blau- ein Umdenken beim sehr eng ge- gut beschreibt: Denn Pollak gibt nicht en Koalitionsgesprächen im Jahr fassten Wahlrecht sowie bei extrem auf – er findet immer einen Weg, für 2017, bei FPÖ-Veranstaltungen oder ausgrenzenden Einbürgerungs- die Menschen einzustehen, die nicht vor dem Bundeskanzleramt – wenn bestimmungen. gehört werden. Österreichische Liga für Menschenrechte
16 Fotos / Christian Fürther / PID, privat Text / Bettina Slamanig Menschenrechtspreis für einen Unermüdlichen W erner Vogt (81) lich viel erreicht.“ Auch der Ökonom arbeitete jahrelang und Autor Stephan Schulmeister als Unfallchirurg meinte über ihn: „Jeder wusste bald: am Lorenz-Böhler- Wer sich mit Werner Vogt anlegt, Krankenhaus in legt sich mit der kritischen Öffent- DIE AUTORIN Wien und wurde für sein medizin- lichkeit an.“ Werner Vogt gilt als kritisches Engagement bekannt. Im einer der bedeutendsten Kritiker und Dezember wird ihm der Menschen- Aktivisten des Sozial- und Gesund- Bettina Slamanig rechtspreis 2019 der Österreichi- heitsapparats. Als Arzt war er jahre- schen Liga für Menschenrechte für lang am Lorenz-Böhler-Krankenhaus Abschluss des Studiums sein Lebenswerk verliehen. in Wien, aber auch in Hilfsprojekten der Rechtswissenschaften in Nicaragua, Timișoara und im an der Universität Wien im „Er gehört zu den Pionieren der Zi- Kosovo tätig. Im Jahr 2000 wechselte April 2019, Spezialisierung vilgesellschaft Österreichs.“ So lautet er in den Ruhestand. auf menschen- und frauen- die Einleitung eines Artikels über rechtliche Themen, Praxis Werner Vogt aus dem Jahr 2013 in Vogt wuchs in bescheidenen Verhält- im journalistischen Bereich, der Zeitung „Die Zeit“. Nicht weni- nissen in der Gemeinde Zams in Tirol redaktionelle Mitarbeiterin ger lobende Worte findet sein lang- auf. Ursprünglich hätte er Schlosser der Österreichischen Liga jähriger Freund Peter Pilz für ihn: „Er werden sollen, entschied sich dann für Menschenrechte hat mit seiner Beharrlichkeit unglaub- aber, als Volksschullehrer in Bregenz Österreichische Liga für Menschenrechte
Werner Vogt: ganz privat sportlich unterwegs und 2003 bei seiner Bestellung zum Pflegeombuds- 17 mann mit Stadträtin Renate Brauner AUF EINEN BLICK > Hilfeleistungen in Costa Rica, Nicaragua und Rumänien: Mit „Ärzte ohne Grenzen“ war Vogt bereits 1978 in Flüchtlingslagern in Honduras, Costa Rica und Nicara- gua tätig. In Rumänien beteiligte er sich am Aufbau des Spitals „Casa Austria“ in Timișoara, in Österreich war er während der Besetzung der Hainburger Au 1984 Teil des Ärzte- teams, das täglich morgens um vier Uhr zu den BesetzerInnen fuhr, um sie medizinisch zu betreuen. > Gründung der Arbeitsgemein- schaft Kritische Medizin: Werner Vogt gründete die Arbeits- Werner Vogt, Träger des gemeinschaft Kritische Medizin, Menschenrechtspreises 2019 die sich auch mit der organisierten für sein Lebenswerk Ärzteschaft so manchen heftigen Schlagabtausch lieferte. Die „Kritische Medizin“ wurde, nachdem der ORF und die Kronen Zeitung Im April 2002 wurde das Volks- über sie berichtet hatten, bald zum begehren Sozialstaat Österreich, zu arbeiten. Aufgrund seiner unkon- Sprachrohr für eine alternative dessen Mitinitiator Werner Vogt ventionellen Unterrichtsmethoden Herangehensweise bei der medizi- war, abgehalten. Das Volksbegeh- wurde er jedoch bald zwangsversetzt. nischen Behandlung. Aus ihr entwi- ren wurde insgesamt von 717.102 Vogt wechselte nach Wien und ckelte sich die „Kritische Psychiatrie“ Personen (Beteiligung von 12,2 begann dort sein Medizinstudium. und es ging daraus der Psycho- Prozent) unterzeichnet und zählt Als Student engagierte er sich bei soziale Dienst Wien (PSD) hervor. damit zu den zehn erfolgreichsten der ÖH, bald machte er sich einen Volksbegehren in Österreich. Namen als Bildungsreformer. Er arbei- > Gerichtsverfahren gegen Gefordert wurde unter anderem tete viel mit Politikern zusammen und Heinrich Gross (ab 1979): eine Klausel in der Verfassung, die gründete die Arbeitsgemeinschaft Im Jahr 1979 bezichtigte Werner besagt, dass Österreich ein Sozial- Kritische Medizin. „Es bleibt ihm Vogt den österreichischen Arzt staat sei. Allgemeines Ziel war es, nichts anderes übrig, als die Rolle des und Psychiater Heinrich Gross der der fortschreitenden Schwächung individualistischen Widerspruchsgeis- Ermordung hunderter Kinder in der des österreichischen Sozialstaates tes anzunehmen, um auf seine Ideen NS-Zeit. Gross strengte daraufhin entgegenzuwirken. ein Verfahren wegen übler Nach- aufmerksam machen zu können. In rede gegen Vogt an und gewann. > P flegeombudsmann (2003–2006): dieser öffentlichen Position wagt ihn Nachdem eines von Gross’ Opfern, Vogt wurde 2003 von Stadträtin später auch niemand mehr leichtfertig Friedrich Zawrel, ausgesagt hatte, Elisabeth Pittermann zum Pflege- zu demontieren“, schreibt „Die wurde Vogt freigesprochen und der ombudsmann bestellt. Die Stelle Zeit“ 2013. Unermüdlich kritisiert er in Stein inhaftierte Zawrel aus der des Pflegeombudsmannes wurde seit Jahrzehnten die österreichische Haft entlassen. Erst im Jahr 1997 nach dem berüchtigten Lainz- Gesundheitspolitik: egal ob Zweiklas- kam es zur Mordanklage gegen Skandal geschaffen. Gemeinsam senmedizin, Stillstand in Bezug auf Gross. Die Verhandlung hätte am mit dem Psychiater Georg Psota Reformen im Gesundheitswesen oder 21. März 2000 stattfinden sollen, besuchte Vogt viele Haushalte, um korrupte Ärzteschaft. Manche Kolle- doch Gross wurde für nicht ver- sich Einblick in die oftmals defizitäre gen sind der Meinung, er habe sich nehmungsfähig erklärt und die Situation Pflegebedürftiger zu ver- mit seinen Äußerungen eine Karriere Verhandlung auf unbestimmte Zeit schaffen, und berichtete darüber. etwa als Primar oder Spitalsdirektor aufgeschoben. Gross starb 2005. verbaut. Eine solche Karriere kam für > Langjährige publizistische Tätig- Vogt jedoch nicht in Frage. Er wollte > Mitinitiator des Volksbegehrens keit zu Missständen im Gesund- in erster Linie Arzt sein – und öffentli- Sozialstaat Österreich (2002): heitssystem ches Gewissen. Österreichische Liga für Menschenrechte
18 Fotos / Cliff Kapatais/Pixelcoma, Jakob Tazreiter Text / Katharina Gröger, Katharina Rogenhofer Klimaschutz und Das ist ohnehin nur das Mindestmaß. Wir müssen alle diese Maßnahmen umsetzen, um es zu schaffen, dass Menschenrechte eine Erwärmung von nur 1,5 Grad erreicht wird. Wie haben Sie die Debatte zu einer ökosozialen Steuerreform „ES IST DIE VERANTWORTUNG DER im Wahlkampf erlebt? GESELLSCHAFT ZU HANDELN!“ Ich hoffe, dass nun, wenn es an die Regierungsverhandlungen geht, doch über konkrete Konzepte gesprochen wird. Es gibt gute K Vorschläge, die auch soziale Aus- gleichsmechanismen vorsehen. Es atharina Rogenhofer, INTERVIEW gibt z.B. Berechnungen, wonach Sprecherin des Klima- geringverdienende Haushalte sogar volksbegehrens, wurde entlastet statt belastet werden. von Katharina Gröger für diese Ausgabe des Liga-Magazins interviewt. Was erwarten Sie sich von den Regierungsverhandlungen? Die Wahlumfragen haben gezeigt, Frau Rogenhofer, wo steht das dass bei allen Wählerinnen und Wäh- Klimavolksbegehren aktuell? lern, außer jenen der FPÖ, das Klima K. Rogenhofer: Wir befinden uns unter den drei für sie wichtigsten noch in der Unterstützungserklä- Themen ist. Das ist ein klarer Auftrag rungsphase, die wahrscheinlich bis Dezember dauern wird. Die Eintra- gungswoche wird für nächstes Jahr festgelegt werden. Aber alle Unter- schriften, die jetzt getätigt werden, zählen bereits als Unterschriften für Katharina Rogenhofer: das Volksbegehren. Wir halten „Nehmt eure politische aktuell bei 55.000 Unterstützungs- Stimme in die Hand!“ erklärungen. Wir wollen jetzt vor allem im Rahmen der Regierungs- bildung Druck aufbauen, sodass die Themen des Klimavolksbegehrens sich auch im Regierungsprogramm niederschlagen. Was sind die zentralen Forde- rungen des Volksbegehrens? Die vier Forderungen, die wir auf- stellen, sind: > Klimaschutz in die Verfassung, > ein Stopp klimaschädlicher Treib- hausgase bis 2040, > Klimaschutz belohnen im Rahmen einer ökologischen und sozialen Steuer- und Abgabenreform, > Verkehr und Energie nachhaltig machen. Österreichische Liga für Menschenrechte
19 Klima- schutz muss sich letztendlich in konkre- ten Maß- nahmen zeigen. an die kommende Regierung – hier und es doch längerfristig zu einer wollen wir mit dem Volksbegehren Veränderung kommt, so etwa bei die Menschen an den Verhandlungs- der Gentechnik oder beim Rauchen. tisch holen. Wir führen im Übrigen auch Gesprä- che mit den Gewerkschaften und der Wirtschaft. Oberste Priorität hat Mit wie vielen Unterschriften nun das Regierungsprogramm. wären Sie zufrieden? Zufrieden bin ich erst, wenn sich mutiger Klimaschutz auch in der Ge- Sind Sie auch europaweit setzgebung und in konkreten Maß- ZUR PERSON vernetzt? nahmen der Politik niederschlägt, Wir sind teilweise mit Dänemark wie viele Unterschriften das auch oder der Schweiz vernetzt. Eine immer bedeutet. Natürlich wollen Katharina Rogenhofer EU-weite Vernetzung wäre jeden- wir die 100.000 Unterschriften errei- falls der nächste große Schritt. Ich chen, die es für eine Behandlung im Initiativen für Umwelt-, persönlich glaube, dass man auch Nationalrat braucht. Darüber hinaus Arten- und Klimaschutz. national sehr viel machen kann, aber wünsche ich mir aber genügend Praktikum bei der Klimarah- natürlich könnte die EU einige Dinge Druck, um die Politik zum Handeln menkonvention der UN. Sie beschleunigen und umsetzen. zu bewegen. Wir wollen zeigen, dass holte mit weiteren Aktivistin- wir auch nach der Wahl den Politike- nen und Aktivisten die „Fri- rinnen und Politikern weiter auf die days For Future“nach Wien. Haben Sie zum Abschluss Finger sehen. Leitung und Sprachrohr des einen Appell an unsere Klimavolksbegehrens. Leserinnen und Leser? Nehmt eure politische Stimme in Wie würden Sie reagieren, die Hand! Es ist die Verantwortung wenn der Nationalrat keine der Gesellschaft zu handeln, auf die Konsequenzen zieht? Straße zu gehen – und das Volksbe- Selbst wenn im Nationalrat nicht gehren zu unterschreiben! gleich konkrete Gesetze beschlossen werden sollten, zeigen frühere Volks- begehren, dass sich Dinge bewegen klimavolksbegehren.at Österreichische Liga für Menschenrechte
20 Fotos / Vivien Schwarz Eröffnung Text / Lara Bellon & Michael Schmied des Festivals im Gartenbaukino 2018 Was können Filme bewirken? Das International Human Rights Film Ratlosigkeit und Zukunftsangst zu Jenseits von medialer Sensations- Festival „this human world“ wurde einem fruchtbaren Boden für rück- und Skandalberichterstattung führten anlässlich des 60-jährigen Jubiläums wärtsgewandte, menschen- und um- uns die rund 100 Festivalfilme 2019 der Allgemeinen Erklärung der Men- weltfeindliche Ideen geworden sind, wieder auf behutsame Weise die schenrechte gegründet. in der medial und rhetorisch perfekt großen Fragen und Chancen unserer inszenierte Schreihälse zu Führungs- Zeit vor Augen und haben diese wo- Auch mehr als 70 Jahre nach Ver- figuren werden und die Spaltung möglich für die Erkenntnis globaler kündung der Menschenrechtscharta von Gesellschaften mehr und mehr Zusammenhänge geöffnet, in die gelten dieselben Prämissen: den gelingt, sind zivilgesellschaftliche jede_r von uns eingebunden ist und Schutz aller Menschen und ihre Bemühungen um die Zukunft eines für die jede_r von uns Verantwortung Selbstbestimmung in den Vorder- gerechten Miteinanders von größter trägt. grund zu stellen. Jedoch ist mit einer Bedeutung und sollen gegen alle Erklärung alleine nicht genug getan Formen von Angst, Unwissenheit und Die beste Antwort auf die eingangs – es gilt heute wie damals, Men- Intoleranz stehen und aktiv sein. aufgeworfenen Fragen kann nur sein, schenrechte täglich zu verhandeln sich Festivalfilme anzusehen, den und einzufordern. Die Filme des Festivals sind, ange- Filmemacher_innen, Protagonist_in- sichts der großen Schwierigkeiten nen, Aktivist_innen und Betroffenen Filme allein haben noch nie die Welt unserer Zeit, ein kleines Universum an Auge und Ohr zu schenken und an verändert oder gar gerettet. Dieser Themen, die Fragen aufwerfen und den zahlreichen Diskussionen danach Tatsache müssen leider auch wir keine Denkverbote oder Kurzschluss- teilzunehmen. ins Auge sehen. Doch was kann ein antworten erlauben. Stattdessen Film, was können die Filme eines wecken sie Interesse und ermögli- Was so ein Festivalfilm dann außer- Menschenrechtsfilmfestivals bewir- chen Engagement für hoffnungsvolle halb des Kinos mit uns macht, bleibt ken? Reicht das filmische Aufzeigen Perspektiven. jeder_m selbst überlassen. von Missständen aus, Beitrag zu einem Wandel der verursachenden Gesinnungen und Verhältnisse zu sein? Oder ist die Not, von der uns medial täglich aus der ganzen Welt berichtet wird, nicht schon genug Lara Bellon und und am Ende eine maßlose Über- Michael Schmied forderung für jede_n Einzelne_n? leiten das Festival Wozu braucht es da noch ein „this human Festival? Fragen, die im Laufe der world“. bisherigen elf Festivaljahre immer wieder gestellt wurden. In einer Zeit, die mehr denn je durch Denunzierungen politischer Errungenschaften geprägt ist, in der Österreichische Liga für Menschenrechte
Österreichische Liga für Menschenrechte
22 BEFUND DR. BARBARA MAG. CORNELIA ANNEMARIE NICOLIN CARLA AMINA HELIGE KOLLER PERVAN IRK BAGHAJATI DR. KLAUS MMAG. MILENA SEBASTIAN DR. ERWIN MAG. ANDREAS UNTERBERGER GAUSS ÖHNER RIESS BRUNNER DIE AUTORiNNEN DES Carla Amina Baghajati MENSCHENRECHTS- Mitgründerin der Initiative musli- mischer ÖsterreicherInnen, Obfrau BEFUNDS 2019 des Forums muslimische Frauen Österreich, im Vorstand der Platt- form Christen und Muslime. Eine der ING.IN MAG.A DR.IN KARIN Dr. Barbara Helige beiden ersten Frauen in den Gre- ZAUNER-LOHMEYER, Präsidentin der Österreichischen mien der IGGÖ, Projektleiterin der BAKK. PHIL. Liga für Menschenrechte, Leiterin Initiative „Musliminnen am Wort“, des Bezirksgerichts Döbling, ehe- Schulamtsleiterin der Islamischen malige Präsidentin der RichterInnen- Glaubensgemeinschaft, Lehrerin und vereinigung. Fachinspektorin für AHS Wien. Autorin des Buches „Muslimin sein – 25 Fragen, 25 Orientierungen“. Dr. Erwin Riess Mag. Cornelia Koller, Verfasser von Theaterstücken, Staatsanwältin, Präsidentin der Romanen und essayistischer Prosa. Vereinigung Österreichischer Staats- Dr. Klaus Unterberger Rollstuhlfahrer, Aktivist der autono- anwältinnen und Staatsanwälte und Politikwissenschafter, Journalist und men Behindertenbewegung und Leiterin einer staatsanwaltschaft- Leiter des „Public Value Kompetenz- Vorstandsmitglied der Österreichi- lichen Gruppe bei der Staatsan- zentrums“ in der Generaldirektion schen Liga für Menschenrechte. waltschaft Graz mit Schwerpunkt des ORF. Wirtschafts- und Finanzdelikte. Mag. Andreas Brunner MMag. Milena Gauß: Aktivist in der LGBTIQ-Community, Annemarie Pervan Arbeitete als Juristin im Bereich Mitbegründer der Regenbogen- Studium der Politik- und Rechtswis- Asylrecht für die Rechtsberatung parade. Co-Leiter von QWIEN – senschaften an der Universität Wien. der Caritas Wien mit Spezialisierung Zentrum für queere Geschichte. Seit November 2018 Praktikantin auf geschlechtsspezifische Verfol- Zahlreiche Publikationen und Aus- bei der Österreichischen Liga für gung sowie gesetzliche Vertretung stellungen sowie Stadtführungen, Menschenrechte. von unbegleiteten minderjährigen die LGBTIQ-Geschichte in Wien Flüchtlingen. sichtbar machen. Nicolin Irk Studium der Politikwissenschaften Sebastian Öhner Ing.in Mag.a Dr.in Karin an der Universität Wien und Volks- Studium der Rechtswissenschaften Zauner-Lohmeyer, Bakk. phil. wirtschaft an der Wirtschaftsuniver- an der Universität Wien, Vorstands- arbeitet im öffentlichen Dienst in sität. Seit Beginn 2019 arbeitet sie mitglied der Österreichischen Liga Wien. Sie ist die Sprecherin der als Praktikantin der Österreichischen für Menschenrechte, tätig bei den Europäischen Bürgerinitiative Liga für Menschenrechte. Wiener Kinderfreunden. „Housing for All“ (Wohnen für alle). Fotos / Monika Resler (Baghajati), A. Golser (Riess), Peter Hiller (Brunner), Daniel Shaked (Zauner-Lohmeyer)
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