Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte

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Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
02/19
                               Abo: abo@liga.or.at
                                      Preis: EUR 8

                        Liga-Magazin
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Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
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                                                                                Text / Barbara Helige

                                         Menschenrechte einsetzt. Am bes-
                                         ten charakterisiert ihn sein Spruch
                                         „Wir kämpfen weiter.“

                                                                                            E
                                         Und genau diese Haltung prädesti-
                                         niert ihn für die Menschenrechtsar-
                                         beit, die immer das „Bohren harter
                                         Bretter“ bedeutet und einen langen

                                                                                            D
                                         Atem voraussetzt.
BARBARA HELIGE
Präsidentin der Österreichischen
                                         Einen solchen hat auch der Preis-
Liga für Menschenrechte, Leiterin        träger des Jahres 2018: Claus-Peter

                                                                                            I
des Bezirksgerichts Döbling,             Reisch, der deutsche Kapitän der
ehemalige Präsidentin der                Lifeline, der Bootsflüchtlinge auf
RichterInnenvereinigung                  offenem Meer rettete und sie in

                                                                                            T
                                         europäische Häfen brachte. Sein
                                         Engagement brachte ihm ein
                                         Strafverfahren auf Malta ein, das
                                         mit einer noch nicht rechtskräftigen

                                                                                            O
                                         Verurteilung endete. Auch er

D
                                         ist ein Beispiel für Beharrlichkeit
        ie zweite Ausgabe des            und Entschlossenheit, wie alle
        Magazins der Liga für Men-       Preisträgerinnen und Preisträger

                                                                                            R
        schenrechte erscheint nicht      der letzten Jahre.
zufällig am 10. Dezember 2019,
dem Tag der Menschenrechte. Es           Für sein Lebenswerk wird heuer
hat aber auch einen guten Grund,

                                                                                            I
                                         der Arzt Dr. Werner Vogt, der
wenn sich viele Veranstaltungen          österreichweit durch seine Aus-
mit grundrechtlichen Themen rund         einandersetzung mit Heinrich Gross
um dieses Datum ranken. Eine der         bekannt wurde, geehrt. Er bewirkte

                                                                                            A
erfreulichsten und wertvollsten geht     eine Rehabilitation von Opfern
dieser Tage in den Endspurt: Schon       wie Friedrich Zawrel, einem Über-
zum zwölften Mal findet das Film-        lebenden der NS-Euthanasie und
festival „this human world“ in Wien      Kinder-Euthanasie Am Spiegelgrund

                                                                                            L
statt, das sich mit einem vielfältigen   in Wien.
Programm (siehe S. 20) in künstleri-
scher Weise mit den Menschenrech-        Aus all dem wird deutlich, wie breit
ten auseinandersetzt. Mittlerweile       das Spektrum jener Persönlichkeiten
gibt es seit vielen Jahren eine bes-     ist, die in ihrer Arbeit den Grund-
tens funktionierende Kooperation         satz, wonach alle Menschen
mit der Österreichischen Liga für        gleich an Rechten und Würde sind,
Menschenrechte, die jedes Jahr in        exemplarisch umsetzen. Die
einer gemeinsamen Preisverleihung        Österreichische Liga für Menschen-
ihren Höhepunkt findet.                  rechte versucht – neben weiteren
                                         Aktivitäten – mit diesem Preis
Heuer geht der Menschenrechts-           ebenso wie mit dem jährlichen
preis der Österreichischen Liga          Menschenrechtsbefund, der in die-
für Menschenrechte an Alexander          ser Ausgabe der LIGA abgedruckt
Pollak, der sich vor allem als           ist, ihren Beitrag zu einer höheren
Sprecher von SOS-Mitmensch               Wertschätzung der Menschenrechts-
seit Jahren unermüdlich für die          arbeit zu leisten.

                                                               Österreichische Liga für Menschenrechte
Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
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     3   Barbara Helige: Editorial
     5   Brigitte Bierlein: Menschenrecht und Menschenpflicht
     6   Neues aus der Liga
     7   Marion Wisinger: Zu dieser Ausgabe
     8   Christopher Treiblmayr: Neue Quellen zu den Beziehungen der Österreichischen
                                    Liga für Menschenrechte mit Frankreich
    10   Jana Raith: Wie sprechen Sie eigentlich über Menschenrechte?
    11   Terezija Stoisits: Kinderflüchtlinge: Wie viel ist uns ein Flüchtlingskind wert?
    12   Florian Horn: Über die Bedeutung sozialer Grundrechte in Österreich

    13   MENSCHENRECHTE IN ÖSTERREICH
    14   Annemarie Pervan: Menschenrechtspreisträger Alexander Pollak im Porträt
    16   Bettina Slamanig: Menschenrechtspreisträger Werner Vogt im Porträt
    18   Katharina Gröger: Klimaschutz und Menschenrechte – Interview mit Katharina
                            Rogenhofer
    20   Lara Bellon, Michael Schmied: Was können Filme bewirken?

    21   MENSCHENRECHTSBEFUND 2019
    22   Die Autorinnen des Menschenrechtsbefunds 2019
    23   Barbara Helige: Editorial
    24   Barbara Helige: Wird es ein stiller Tod der Justiz?
    26   Cornelia Koller: Überlegungen zum staaatsanwaltschaftlichen Weisungsrecht
    28   Nicolin Irk /Annemarie Pervan: Menschenrechte als saures Wahlzuckerl?
    30   Milena Gauß: Aspekte geschlechtsspezifischer Verfolgung im Asylrecht
    32   Sebastian Öhner: W ie Kinder ihr Recht auf den Schutz der Umwelt selbst in die
                           Hand nehmen – und welche Unterstützung sie dabei benötigen
    34   Erwin Riess: UN-Konvention: Österreich verfehlt die Vorgaben deutlich
    36   Karin Zauner-Lohmeyer: Das Recht auf Wohnen und die Wirklichkeit
    38   Carla Amina Baghajati: Musliminnen am Wort: eine Deklaration
                                  muslimischer Frauen
    40   Andreas Brunner: LGBTIQ: Kampf um gesellschaftliche Anerkennung
    42   Klaus Unterberger: It’s the society, stupid!

    45   INTERNATIONALES
    46   Heinrich Neisser: Machtpolitik und Menschenrechte – die syrische Tragödie
    48   Valerie Gruber: Die Liga unterwegs in Australien
    50   Angelika Watzl: Nachrichten aus Europa: die europäischen Ligen
    52   Louis-Benjamin Vaugoin: Endstation Balkanroute: Interview mit der
                                   Ärztin Karin Tschare-Fehr

    55   NEUES AUS DER MENSCHENRECHTSSZENE
    56   Louis-Benjamin Vaugoin: Zentrum polis – Interview mit Patricia Hladschik
    59   Veranstaltungstipps
    60   Buchtipps
    62   Impressum
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                                                                                             Fotos / BKA_Andy Wenzel
                                                                                                   Text / Brigitte Bierlein
KOMMENTAR

                                                        BRIGITTE BIERLEIN
                                                        Bundeskanzlerin der Republik Österreich,
                                                        ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes

Menschenrecht und Menschenpflicht

M
          enschenrechte gehen uns        steht kein Anlass zum Zurücklehnen.       Digitalisierung vieler Lebensbe-
          alle an. Das 20. Jahrhun-      Vielmehr gilt es, ständig das Funktio-    reiche die Weiterentwicklung und
          dert brachte vor allem nach    nieren des Rechtsstaats und seiner        Akzentuierung bestehender Grund-
1945 eine Weiterentwicklung und          Institutionen kritisch zu beobachten,     rechte, was gerade im sensiblen
Kodifikation unumstößlicher Men-         allfällige Defizite zu benennen und       Bereich des Datenschutzes und der
schenrechte, wobei die allgemeine        zu korrigieren sowie aktuelle Ent-        Persönlichkeitsrechte hoch aktuell
Erklärung der Menschenrechte, die        wicklungen – seien sie politischer,       ist. Darüber hinaus gilt es, dem
Europäische Menschenrechtskonven-        technischer oder sonstiger Natur –        Schutz politischer Rechte wie der
tion samt ihren 16 Zusatzprotokollen     zu berücksichtigen.                       politischen Meinungs- und Willens-
sowie die EU-Grundrechtecharta zur                                                 bildung entsprechende Aufmerk-
Veranschaulichung der Entwicklung        Der Schweizer Publizist Dr. Ernst         samkeit zu widmen.
herangezogen werden können. Viele        Reinhardt hat richtig erkannt: „Die
dieser Vertragswerke sehen nicht         Menschenrechte sind deklariert. Die       Vor diesen herausfordernden
bloß eine politische Verbindlichkeit     Menschenpflichten stehen zwischen         Entwicklungen leistet die Österrei-
der darin postulierten Freiheiten vor,   den Zeilen.“ Besonders in bewegten        chische Liga für Menschenrechte
sondern auch die Durchsetzbarkeit        Zeiten bedarf es einer funktionie-        – seit 1926, als älteste zivilgesell-
der darin garantierten Rechte vor        renden und engagierten Zivilgesell-       schaftliche Organisation, die sich mit
staatlichen Institutionen.               schaft, die sich für Demokratie und       Menschenrechten befasst – einen
                                         Rechtsstaat im öffentlichen Diskurs       nicht hoch genug zu schätzenden
Zum Schutz der Grund- und Frei-          sichtbar einbringt.                       Beitrag zur Grundrechtsdiskussion in
heitsrechte gegenüber dem Staat                                                    Österreich.
und seinen Organen, aber auch inter      Die Zivilgesellschaft hat die wichtige
privates ist ein funktionierender        Aufgabe, Probleme und Missstände          Ich wünsche der Österreichischen
Rechtsstaat unerlässlich. Als pas-       aufzuzeigen und eine breite öf-           Liga für Menschenrechte eine
sionierter Juristin und ehemaliger       fentliche Debatte zu ermöglichen.         lebendige Zukunft und weiterhin
Präsidentin des österreichischen         Gerade im Zusammenhang mit                viel Erfolg. Mein herzlicher Dank
Verfassungsgerichtshofes mit             globalen Entwicklungen und der            gilt allen Mitgliedern und Beteilig-
langjähriger beruflicher Erfahrung       Implementierung neuer Rechte ist          ten, insbesondere der Präsidentin
in der Strafjustiz – einer immanent      ein „Input von außen“ für den Staat       Dr. Barbara Helige, für ihren un-
grundrechtsintensiven Materie – ist      unerlässlich, um aktuelles Gesche-        ermüdlichen Einsatz im Dienste
mir dieser Bereich ein besonderes        hen und Kreativität in die staatlichen    unseres Rechtsstaats.
Anliegen.                                Strukturen einfließen zu lassen.

Österreich kann zu Recht auf einen       In der jüngeren Vergangenheit
sehr gut funktionierenden Rechts-        gab es immer wieder Tendenzen,
staat und den dadurch gewährleis-        Freiräume zu verengen und den
teten hohen Schutz der Menschen-         Grundrechten im Rahmen von
rechte stolz sein. Auch wenn wir         Gesetzesvorhaben restriktiver zu
uns auf einem hohen Niveau der           begegnen. Gleichzeitig bedingen
Rechtsstaatlichkeit bewegen, be-         neue Herausforderungen wie die
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               Neues aus der Liga                                                  Werkzeug eingesetzt werden können.
                                                                                   Beendet wurde der erste Teil der
                                                                                   Veranstaltung mit dem Beitrag von
               „EINE BÜHNE FÜR KINDERRECHTE“.
                                                                                   Renate Winter, Stellvertretende Vor-
                                                                                   sitzende des UN-Ausschusses über
                                                                                   die Rechte des Kindes. Sie setzte sich
                                                                                   in einem Vortrag mit gegenwärtigen
                                                                                   Problemen der Umsetzung der KRK
                                                                                   auseinander und stellte mögliche
                                                                                   Lösungsstrategien vor.

                                          E
                                                  ine Bühne für Kinderrechte:      Im zweiten Teil folgte eine Podiums-
WIR STELLEN VOR
                                                  unter diesem Titel fand am       diskussion mit Publikumsbeteiligung.
                                                  19. November 2019 ein            Thema waren unterschiedliche Zu-
                                          von der Österreichischen Liga für        kunftsperspektiven der Kinderrechte
                                          Menschenrechte in Kooperation mit        und es wurde deutlich, in wie vielen
                                          dem Bundeskanzleramt organisiertes       Bereichen diese von größter Bedeu-
                                          Symposium zum 30-jährigen Jubilä-        tung sind und welche Auswirkungen
                                          um der UN-Kinderrechtskonvention         eine konsequente Umsetzung der
                                          (KRK) statt. Eingeladen waren Ver-       KRK mit sich bringen würde. Somit
                                          treterInnen aus Wissenschaft, Politik,   kann als Ergebnis der Veranstaltung
                                          Justiz, Verwaltung, internationalen      festgehalten werden, dass die
                                          Organisationen und der Zivilgesell-      weitere Umsetzung der Kinderrechte
                                          schaft. Der Tag bot ein vielfältiges     permanent einzufordern ist und dass
                                          Programm: Daniela Gruber-Pruner,         diese ein bedeutendes Rechtsinstru-
          NEU BEI DER LIGA                die Leiterin des pädagogischen Bü-       ment darstellen. Die Österreichische
                                          ros der Österreichischen Kinderfreun-    Liga für Menschenrechte wird
                                          de, gab zunächst einen Einblick in       sich auch in Zukunft dieses The-
        Louis-Benjamin Vaugoin            die pädagogische und gesellschafts-      menschwerpunkts annehmen.
                                          politische Arbeit zu Kinderrechten.
       Seit September haben wir           Darauf folgte ein Impulsreferat der      Sebastian Öhner, Vorstandsmitglied
       Verstärkung im Liga-Büro.
                                          Präsidentin der Österreichischen Liga    der Österreichischen Liga für
 Louis-Benjamin Vaugoin unterstützt
                                          für Menschenrechte und Leiterin des      Menschenrechte und Organisator
 die Arbeit des Vorstands sowie der
                                          Bezirksgerichts Döbling, Barbara         der Veranstaltung, schreibt auch im
  Administration und der Redaktion
                                          Helige. Sie erläuterte anhand            diesjährigen Menschenrechtsbefund
    des Liga-Magazins. In letzterer
                                          einzelner Fälle, wie Kinderrechte in     einen Beitrag zum Thema Kinder-
Funktion hat er auch die vorliegende
                                          der Gerichtspraxis als legistisches      rechte (siehe Seite 32f.).
     Ausgabe unserer Mitglieder-
        publikation mitgestaltet.
  Louis-Benjamin („Benny“) Vaugoin
 ist Absolvent des Studiums der Ge-           Ein Blick in die Zukunft der Kinderrechte: Podiumsdiskussion,
 schichtswissenschaft an der Univer-          moderiert von Organisator Sebastian Öhner (ganz rechts)
 sität Wien, wo er sich insbesondere
 mit der Entstehung der Menschen-
rechte und des europäischen Rechts-
  systems beschäftigt hat. Nach der
Mitarbeit im familieneigenen Betrieb
 und einem Studienaufenthalt an der
   University of Bristol (International
  Relations) ist er thematisch wieder
    bei seiner Abschlussarbeit, den
  Menschenrechten, angekommen.
        Wir freuen uns über die
            Zusammenarbeit!

Österreichische Liga für Menschenrechte
Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
7
                                                                                    Foto / Günther Pichlkostner
                                                                                          Text / Marion Wisinger

                                  Liebe Leserinnen und Leser,              Alle im Liga-Magazin schreibenden
                                                                           AutorInnen, ExpertInnen und auch
                                  ein Befund ist ein nach einer Unter-     das gesamte redaktionelle Team
                                  suchung festgestelltes Ergebnis und      haben ihre Beiträge wieder einmal
                                  beschreibt Gegebenheiten, aber           „gespendet“, daher unser Anliegen:
                                  auch Veränderungen. Er ist die Basis     Unterstützen auch Sie uns bitte,
                                  für Empfehlungen und Verbesse-           mehr Menschen für unsere Arbeit
                                  rungsvorschläge. Der von der Öster-      zu interessieren, und verschenken
                                  reichischen Liga für Menschenrechte      Sie zu Weihnachten eine einjährige
                                  seit vielen Jahren verfasste Men-        Probe-Mitgliedschaft bei der
                                  schenrechtsbefund versteht sich als      Österreichischen Liga für Menschen-
   MARION WISINGER                kritische Expertise darüber, wie sich    rechte, dann gibt es auch für Ihre
   CHEFREDAKTEURIN                die Umsetzung der Menschenrechte         FreundInnen unser Magazin zweimal
                                  in Österreich entwickelt und welche      jährlich frei Haus geliefert.
                                  Gefahren drohen, wenn Politik
                                  bestimmte Gruppen von Menschen           Denn eines steht fest: Die europa-
                                  diskriminiert, diffamiert und aus-       weit vor sich gehende Demontage
       ZUR PERSON                 grenzt. Davon betroffen waren in         von Grundrechten und menschen-
                                  den letzten Jahren unter anderem         rechtlichen Standards betrifft uns
                                  Menschen ohne Arbeit, aber auch          alle, und angesichts des Klimanot-
  Marion Wisinger, 2009 bis       Obdachlose und Bettler. Die Hetze        stands – und den damit verbunde-
    2012 Generalsekretärin        gegen flüchtende Menschen hat zu         nen gravierenden Konsequenzen –
  der Österreichischen Liga       unzähligen Abschiebungen wider           sind auch Menschenrechte in Gefahr.
   für Menschenrechte, nun        jegliche Menschlichkeit geführt, und     Das Recht auf Leben, Gesundheit,
  Vorstandsmitglied. Aktuell      die skandalösen Angriffe gegen           Nahrung, Sicherheit und Asyl ist
  arbeitet sie als Historikerin   die Medien, den Verfassungsschutz        der Brennpunkt einer unabdingbar
 an Studien zu gravierenden       und auch die Justiz haben uns tiefe      notwendigen gesellschaftlichen und
Menschenrechtsverletzungen        Einblicke gewährt, wie rasch demo-       wirtschaftlichen Kehrtwende – eine
in staatlichen und kirchlichen    kratische Instanzen in ihrer Kontroll-   halbe Minute vor zwölf.
   Kinderheimen und ist als       und Schutzfunktion behindert
  Trainerin in der politischen    werden könnten.                          Übrigens: Wir laden Sie ein, uns Le-
 Erwachsenenbildung tätig.                                                 serbriefe zu schicken, oder schreiben
          zeitweise.at            Diese Entwicklung machte durchaus        Sie uns Ihre Meinung zu menschen-
                                  Angst, dazu kam eine Radikalisie-        rechtlichen Themen. Wir würden uns
                                  rung der Sprache, etwa die jüngst        freuen, einige Ihrer Kommentare in
                                  gegen JournalistInnen artikulierten      der nächsten Ausgabe des Liga-
                                  Drohungen und Beleidigungen,             Magazins zu veröffentlichen.
                                  die gehässigen Rundumschläge
                                  gegen Menschen muslimischen              Wir wünschen eine spannende
                                  Glaubens oder der Generalverdacht        Lektüre und einen guten Start in das
                                  gegen AsylwerberInnen, sich den          Jahr 2020!
                                  Aufenthaltstitel illegal verschaffen
                                  zu wollen. Alles Themen, die von der     Mit besten Grüßen,
                                  Österreichischen Liga für Menschen-      Marion Wisinger, Chefredakteurin
                                  rechte in den letzten Jahren in ihrer
                                  Arbeit aufgegriffen wurden. Daher
                                  haben wir uns entschlossen, den ak-
                                  tuellen Menschenrechtsbefund 2019
                                  auch den Leserinnen und Lesern des
                                  Liga-Magazins zukommen zu lassen.
                                  Unser Grafiker hat „den Befund“
                                                                                                            CHISCHE
                                  einfach in die Mitte des Heftes                             ÖSTERREI                      TE
                                                                                                      M  EN SC HENRECH
                                  platziert, in zehn Beiträgen werden                   LIGA FÜR
                                                                                                                       dsch t,
                                                                                                                           af
                                  relevante menschenrechtliche                                           obe-Mitglie
                                                                                         Einjährige Pr mal jährlich
                                  Perspektiven dieses politisch                                inkl. zwei                Euro
                                                                                                            agazin: 40
                                  aufregenden Jahres dargestellt.                           unser Liga-M e und Pensionierte)
                                                                                                r Studiere   nd
                                                                                    (20 Euro fü                                   t
                                                                                                                      e@liga.or.a
                                                                                           be st el le n unter: offic
                                                                                        Zu
                                                                                                                       entare an:
                                                                                                          und Komm
                                                                                          Leserbriefe            ao at
                                                                                                                    n.
                                                                                                     wisinger@
Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
8
  Plakat / La Contemporaine
  Text / Christopher Treiblmayr

  Neue
  Quellen …
… ZU DEN BEZIEHUNGEN
   DER ÖSTERREICHISCHEN LIGA
   FÜR MENSCHENRECHTE MIT
   FRANKREICH

              Plakat zur Jubiläumstagung der
                  LDH in Paris-Nanterre 2018

  I
          n der „Historischen Ecke“ wur-    Auflösung der österreichischen Liga     Nachkriegsbeziehungen zwischen
          de bereits mehrfach über die      1938 im Zuge des „Anschlusses“          österreichischer Liga und LDH sowie
          internationale Vernetzung der     Österreichs an das Deutsche Reich       FIDH. Es ist nun also möglich, die
          Österreichischen Liga für Men-    gut dokumentiert werden. Eine           Phase seit 1945 ebenso umfassend
          schenrechte berichtet. Beson-     wesentliche Basis dafür stellten die    aufzuarbeiten wie die Vorkriegsge-
  ders enge Beziehungen unterhielt die      Vorkriegsarchive der LDH und der        schichte.
  Vereinigung seit ihrer Gründungspha-      FIDH dar, die im Archiv von La Cont-
  se in den frühen 1920er-Jahren zur        emporaine aufbewahrt werden. Diese      Erste Ergebnisse dieser Aufarbeitung
  französischen Mutterliga, der Ligue       an die Universität Paris-Nanterre       präsentierten die beiden Forscher bei
  des droits de l’homme (LDH). 1898         angegliederte Institution beherbergt    einer internationalen Tagung, die La
  im Kontext der antisemitisch aufge-       außerdem eine Bibliothek und ein        Contemporaine und die LDH anläss-
  ladenen Dreyfus-Affäre ins Leben ge-      Museum. Sammlungsschwerpunkte           lich des Gründungsjubiläums am 11.
  rufen, wurde die LDH ein Modell für       stellen die Geschichte des 20. und      und 12. Dezember 2018 in Paris-Nan-
  viele nationale Tochterligen in Europa    21. Jahrhunderts dar, ein besonderer    terre veranstalteten. Schmale und
  und weltweit. Unter Federführung          Fokus liegt auf der Entwicklung der     Treiblmayr zeigten anhand des neuen
  der französischen und der deutschen       internationalen Beziehungen. Anläss-    Quellenmaterials unter anderem,
  Liga formierte sich 1922 in Paris der     lich des 120-jährigen Gründungsju-      dass die kriegsbedingt unterbroche-
  internationale Ligen-Dachverband          biläums der französischen Liga 2018     nen Beziehungen zwischen Paris und
  Féderation internationale des ligues      öffnete La Contemporaine erstmals       Wien bereits 1945/46 wiederaufge-
  des droits de l’homme (FIDH). Die         auch das ebenfalls dort aufbewahrte     nommen werden konnten. In der
  österreichische Liga war seit ihrer of-   Nachkriegsarchiv der LDH. Wolfgang      unmittelbaren Nachkriegszeit wurden
  fiziellen Gründung 1926 Mitglied der      Schmale und Christopher Treiblmayr      die Grundsteine für eine bis heute
  FIDH und unterhielt enge Kontakte         zählten zu den ersten, denen Einblick   intakte Zusammenarbeit gelegt.
  nach Paris. Diese Vernetzungen konn-      in die Bestände gewährt wurde.          Das Archiv der österreichischen Liga
  ten durch die Forschungsarbeit des        Zugleich enthält das derzeit am         enthält beispielsweise ein Schreiben
  Historikerteams rund um Wolfgang          Zentrum QWIEN aufgearbeitete            des Generalsekretärs der LDH, Émile
  Schmale und Christopher Treiblmayr        Nachkriegsarchiv der österreichischen   Kahn, vom 21. Februar 1946, in dem
  bislang vor allem für die Zeit bis zur    Liga umfangreiches Material zu den      er der österreichischen Liga zur Wie-

  Österreichische Liga für Menschenrechte
Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
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                                                                Quelle Urkunde / Archiv der Österreichischen Liga für
                                                                         Menschenrechte, AK 1033, Zentrum QWIEN

derherstellung gratulierte. In seiner    Die Beziehungen zwischen österrei-      zum Thema Menschenrechte in der
Ansprache bei der konstituierenden       chischer Liga, LDH und FIDH sowie       Schule bietet. In weiteren Vorträgen
Generalversammlung am 24. März           die derzeit laufende Aufarbeitung       stellten Generalsekretärin Hannah
1946 an der Universität Wien hob         des Liga-Archivs am Zentrum             M. Lessing den Nationalfonds und
der damalige Vorsitzende des Vor-        QWIEN waren auch Gegenstand ei-         Hannes Sulzenbacher die neue ös-
standes, Erwin Kulka, die Ursprünge      nes Vortrags, den Treiblmayr im Rah-    terreichische Länderausstellung
der Menschenrechte in der Franzö-        men einer Tagung der Pädagogische       im Staatlichen Museum Auschwitz-
sischen Revolution und die engen         Hochschule Niederösterreich am          Birkenau vor.
Beziehungen zur französischen            17. Oktober 2019 gehalten hat. Or-
Mutterliga besonders hervor. Im          ganisiert von deren Leiterin Sabine     Eine Dokumentation der Tagung
selben Jahr konnte mit Émile Kahns       Mader, konnte diese Fachtagung          mit Fotos findet sich auf der
Ehefrau, Suzanne Collette-Kahn,          der Arbeitsgruppe AHS Geschichte        Facebook-Seite des Nationalfonds.
erstmals auch offiziell ein franzö-      und Sozialkunde/Politische Bildung
sischer Besuch in Wien begrüßt           zum Thema „Demokratieerziehung
werden. Ab 1948 lassen sich in den       und Menschenrechtsbildung“ über
Archiven intensive Bemühungen zur        Vermittlung des Nationalfonds der
Wiedererrichtung der FIDH nachwei-       Republik Österreich für Opfer des
sen, an denen die österreichische        Nationalsozialismus in den Räumen
Liga intensiv mitarbeitete. Es folgten   des Parlaments im Palais Epstein
zahlreiche gemeinsame Aktionen           stattfinden. Ein wesentliches Anlie-
zwischen LDH, FIDH und österrei-         gen des Vortrags von Treiblmayr war
chischer Liga, wobei Collette-Kahn       es, die anwesenden Lehrerinnen und
als Generalsekretärin der FIDH über      Lehrer auf die Möglichkeit der Nut-
viele Jahre eine Schlüsselrolle in den   zung des Liga-Archivs für die Arbeit
bilateralen Beziehungen zukommen         mit Primärquellen im Schulunterricht
sollte. Der Vortrag von Schmale          aufmerksam zu machen. Daran                         DER AUTOR
und Treiblmayr wird derzeit für die      anknüpfend, zeigte Sabine Mader,
Tagungspublikation überarbeitet.         welche Möglichkeiten der Lehrplan
                                                                                         Christopher Treiblmayr

                                                                                         Historiker, Lektor und
                                                                                             Habilitand am
                                                                                      Institut für Geschichte der
                                                                                       Universität Wien, wissen-
                                                                                        schaftlicher Mitarbeiter
                                                                                      bei QWIEN – Zentrum für
                                                                                      queere Geschichte, wo er
                                                                                         die archivmäßige Auf-
                                                                                      arbeitung des Archivs der
                                                                                       Österreichischen Liga für
                                                                                        Menschenrechte leitet.

                                                                                 Diese Abschrift eines Briefs der
                                                                                 Österreichischen Liga für Men-
                                                                                 schenrechte aus dem Jahr 1948, in
                                                                                 dem sie die LDH um Unterstützung
                                                                                 für eine Aktion während des
                                                                                 griechischen Bürgerkriegs bat,
                                                                                 ist ein Beispiel für die Zusammen-
                                                                                 arbeit der beiden Vereinigungen.
Liga-Magazin D 20 19 - Österreichische Liga für Menschenrechte
10

Text / Jana Raith

                                                                                    Menschenrechtsverständnis. Das
                                                                                    schafft eine Stimmung, in der ein
                                                                                    Innenminister die Europäische
                                                                                    Menschenrechtskonvention in Frage
                                                                                    stellt, ohne dass es in der Bevölke-
                                                                                    rung einen nachhallenden Aufschrei
                                                                                    gibt. Es schafft die Bühne für einen
                                                                                    Landesrat, der die Volksanwaltschaft,
                                                                                    Österreichs oberstes Organ zum
                                                                                    Schutz und zur Förderung der
                                                                                    Menschenrechte, in Frage stellt.

                                                                                    Problematisch ist ebenso, die
Wie sprechen Sie                                                                    Einhaltung und Förderung der
                                                                                    Menschenrechte als eine freiwillige

eigentlich über                                                                     Mehrleistung zu propagieren. Ganz
                                                                                    so, als ob es nicht ohnehin eine
                                                                                    verfassungsrechtliche Verpflichtung
Menschenrechte?                                                                     dazu gäbe. Und ganz so, als ob es
                                                                                    ein freiwilliger Dienst an der Gesell-
                                                                                    schaft wäre, sich an die Menschen-
                                                                                    rechte zu halten, und nicht sowieso

I
                                                                                    dem Grundkonsens der Zweiten
     n den letzten Jahren und Mona-                                                 Republik und unserem Verständnis
     ten war in Österreich in Bezug                                                 von einem humanistischen Weltbild
     auf den menschenrechtlichen                                                    entsprechen würde. Selbstverständ-
Diskurs ein Richtungswechsel zu                                                     lich muss sich jede einzelne Partei in
beobachten. Selten zuvor wurden die                  DIE AUTORIN                    Österreich an die Menschenrechte
Menschenrechte in Österreich auf so                                                 halten. Ganz ohne Zweifel muss das
viele Fahnen geheftet wie zuletzt. Die                                              auch jede Institution, jede Organi-
Menschenrechte finden sich in Schlag-                    Jana Raith                 sation und jede einzelne Bürgerin,
zeilen und Regierungsprogrammen,                                                    jeder einzelne Bürger tun.
                                            Studien der Rechtswissenschaften,
in angriffslustigen Reden und auf
                                             Anglistik und Amerikanistik sowie
Protestplakaten, wobei der Diskurs                                                  Dazu, dass dieses Verständnis nicht
                                            einjähriger Diplomlehrgang an der
meist an der Oberfläche bleibt. Eines                                               mehr nur in der Theorie besteht,
                                           Diplomatischen Akademie. Danach
scheint sicher: Die Menschenrechte                                                  bedarf es auch einer aufmerksamen
                                             arbeitete sie bei der Volksanwalt-
wurden wieder zu einem Politikum                                                    Zivilgesellschaft, die genau auf die
                                              schaft, aktuell ist sie im Bereich
gemacht – zu ihrer Förderung wurde                                                  Einhaltung der Rechte achtet – und
                                              Bildung und Gesellschaft in der
allerdings nichts beigetragen.                                                      auch darauf, wie über Menschen und
                                          Industriellenvereinigung tätig. Sie ist
                                                                                    ihre Rechte gesprochen wird.
                                            Vorstandsmitglied der Österreichi-
Das Konzept des universellen Men-
                                           schen Liga für Menschenrechte und
schenrechtsschutzes garantiert die                                                  Menschenrechte werden immer ein
                                            in der steirischen Landesstelle der
Grundrechte jeder und jedes Einzel-                                                 Politikum sein. Vor allem sind sie
                                                  Österreichischen Liga für
nen. Ein Diskurs wie er in den letzten                                              aber durch ein wohldurchdachtes
                                                   Menschenrechte aktiv.
Monaten stattgefunden hat, könnte                                                   Rechtssystem und durch Instrumente
dem Verständnis über die Menschen-                                                  und Mechanismen garantiert, die
rechte in Österreich beträchtlichen                                                 erdacht wurden, um Rechtsver-
Schaden zufügen. Ganz generell                                                      letzungen zu vermeiden. Es gilt,
zeigt sich in unserer Gesellschaft die     verletzung zu sehen. Das führt zu        neben all der Polemik auf dieses
Tendenz, in jeder subjektiv empfun-        einer Überstrapazierung und damit        System zu verweisen und mit Fakten
denen Beeinträchtigung der eigenen         zu einer Aushöhlung des Begriffs der     zu kontern, damit nicht vergessen
Person und in jedem von unserer            Menschenrechte – und im schlimms-        wird, dass in Österreich ein klares
Sozial- und Rechtsordnung nicht er-        ten Fall zu einer negativen Haltung in   Verständnis davon herrscht, welchen
füllten Wunsch eine Menschenrechts-        der Gesellschaft gegenüber dem           Stellenwert Menschenrechte haben.

Österreichische Liga für Menschenrechte
11

                                                                                                   Text / Terezija Stoisits

                                              Kinderflüchtlinge: Wie viel ist
                                              uns ein Flüchtlingskind wert?

E
       in Großteil – nämlich 90 Pro-      Ausgang, der eingeschränkte Zugang       hen notwendig sind, auf bestmög-
       zent der Kinder und Jugendli-      zu kostenlosen Kindergartenplätzen       liche Entwicklung und Entfaltung
       chen (bis 18 Jahre), bei den un-   und fluchtbedingte Traumata, das al-     (Artikel 1 Bundesverfassungsgesetz
mündigen Minderjährigen (unter 14         les sind Faktoren für die prekäre Lage   über die Rechte von Kindern).
Jahre) sogar 99 Prozent –, die im Jahr    der Rechte von Kinderflüchtlingen.
2018 in Österreich einen Asylantrag       Um Kindern auf der Flucht ihr Recht      Jedes Kind!
gestellt haben, ist im Familienver-       auf körperliche Unversehrtheit und
band nach Österreich geflüchtet. Es       Sicherheit sowie Entwicklung und
waren 3.060 Buben und 2.945 Mäd-          Förderung, also die zentralen Punkte
chen, die begleitet von ihren Familien    der Kinderrechtskonvention, zu ge-
gekommen sind. Im Juni 2019 war-          ben, braucht es:
teten 8.045 Kinderflüchtlinge auf die
Entscheidung ihres Asylverfahrens.        > das Bewusstsein, dass uns jedes
UNICEF und Asylkoordination haben            Kind gleich viel wert ist, unab-
in einer gemeinsam erstellten Studie         hängig davon, woher es kommt,
„klare Defizite in der Umsetzung             warum es gekommen ist und wie
der UN-Kinderrechtskonvention“ in            lange es bleiben wird,
Bezug auf diese Gruppe festgestellt.
Besonders die materielle Situation        > die Einrichtung von familienorien-
der Kinderflüchtlinge ist eine prekäre.      tierten Schutzsystemen,
Kinderflüchtlinge sind nicht von
Kinderarmut gefährdet, sondern sie        > die Schaffung einer institutionali-             DIE AUTORIN
sind samt und sonders arm. Ganz              sierten Unterstützungsstruktur im
zu schweigen von Faktoren wie                Kindergarten und in den Schulen,
emotionale und psychische Stabilität,                                                         Terezija Stoisits
Sicherheit und Möglichkeiten, an          > die Etablierung von aufsuchender,
den Angeboten, die unser Land                qualitativ hochstehender und prä-         Ehemalige Volksanwältin
Kindern bietet, zu partizipieren. Kin-       ventiv ausgerichteter Sozialarbeit         und langjährige Natio-
derflüchtlinge leben in Österreich in                                                   nalratsabgeordnete der
jedem Fall unter weit weniger als der     und last but not least:                       Grünen. Unermüdliche
Mindestsicherung.                                                                     Aktivistin für Menschen- und
                                          > den Abbau der Hürden bei der              Minderheitenrechte, unter
Das faktische Arbeitsverbot für              Bildungs- und Freizeitbeteiligung         anderem Vizepräsidentin
ihre Eltern während des Asylver-             und Stärkung der Partizipations-          der Österreichischen Liga
fahrens, die in der Regel beengten           möglichkeiten auf allen Ebenen für        für Menschenrechte und
Wohnverhältnisse, die materiellen            Kinder und ihre Eltern.                   Vorstandsvorsitzende des
Einschränkungen, die psychische                                                       Wiener Wiesenthal Instituts
Belastung der Eltern durch überlange      Jedes Kind hat Anspruch auf Schutz             für Holocaust-Studien.
Asylverfahren und den ungewissen          und Fürsorge, die für sein Wohlerge-

                                                                                    Österreichische Liga für Menschenrechte
12
Foto / SOH-Photography
Text / Florian Horn

Über die Bedeutung
sozialer Grundrechte
in Österreich

D
        ie Anerkennung der univer-
        sellen Menschenrechte ist in
        Österreich weithin gefestigt.
Schwieriger, aber umso wichtiger
wäre die Diskussion über den Teilbe-
reich der sozialen Grundrechte. Diese
sollen allen Menschen nicht nur das
blanke Leben selbst, sondern die um-
fassende Teilhabe an der Gesellschaft
ermöglichen. Der „Nachteil“ dieser
Rechte ist dabei, dass sie in der Um-
setzung starkes, aktives staatliches                                     Bundesverfassungsgesetz über die
Handeln erfordern. Insofern ist der                                      Rechte von Kindern von 2011 wer-
Aufwand gegenüber der Umsetzung                                          den aber wiederum ausschließlich
der reinen Schutzrechte deutlich                                         klassische Schutzrechte kodifiziert.
höher.                                                                   Ebenso wichtige Rechte, wie das
                                                                         Recht auf Zugang zu Information,
Der Gedanke dieser sozialen                                              Medien, soziale Sicherheit oder
Grundrechte ist bei weitem nicht                                         angemessene Lebensbedingungen
                                                DER AUTOR
neu. Schon in der Allgemeinen                                            und Unterhalt, bleiben dort unbe-
Erklärung der Menschenrechte von                                         rücksichtigt.
1948 befasste sich ein guter Teil der           Florian Horn
Bestimmungen mit Rechten, die man                                        Die Gefahr einer einfachgesetz-
als derartige soziale Grundrechte           Studium der Rechts- und      lichen Umsetzung von zentralen
verstehen könnte. Es sind dies             Wirtschaftswissenschaften     Rechten ist dabei die Abhängigkeit
beispielsweise ein Recht auf soziale      in Wien und Southampton,       von politischen Strömungen, die
Sicherheit, ein Recht auf Arbeit            UK. Praktikum am Inter-      einfachgesetzlich Erreichtes ebenso
und gleichen Lohn, ein Recht auf           nationalen Gerichtshof in     einfach wieder beseitigen können.
Erholung und Freizeit, ein Recht auf       Den Haag. Rechtsanwalt,       Dies ist unbefriedigend und wird
Wohlfahrt, ein Recht auf Bildung.           Lehrbeauftragter an der      dadurch potenziert, dass mangels
                                           Universität Wien und der      öffentlichen Bewusstseins über die
Die Anerkennung sozialer Grund-            Sigmund Freud PrivatUni-      Wichtigkeit sozialer Grundrechte
rechte ist in Österreich ambivalent.       versität. Stellvertretender   auch der öffentliche Aufschrei bei
So wurde beispielsweise die Euro-            Vorsitzender des Clubs      einer Einschränkung des Erreichten
päische Sozialcharta von 1961 erst         der sozialdemokratischen      oder dem Ausbleiben notwendiger
im Jahr 2011 mit großer Verspätung            RechtsanwältInnen,         Verbesserungen fehlt.
– und mit großen Vorbehalten,              Disziplinarrat und Rechts-
insbesondere beim Recht auf Schutz         anwaltsprüfer der Rechts-     Wünschenswert wäre es daher,
vor Armut und sozialer Ausgrenzung           anwaltskammer Wien,         wenn das Bewusstsein dafür stiege,
(Art 30) sowie beim Recht auf Woh-          Mitglied der österreichi-    dass alle Menschen auch ein Recht
nen (Art 31) – ratifiziert.                 schen Juristenkommissi-      auf die Sicherstellung ihrer sozialen
                                          on. Vorstandsmitglied der      Grundrechte haben und diese
Auch die UN-Kinderrechtskonven-            Österreichischen Liga für     Grundrechte nicht zum Spielball
tion von 1989 hat Österreich zwar               Menschenrechte           in der Verhandlungsmasse des
ratifiziert, in der nationalen verfas-                                   tagespolitischen Diskurses werden
sungsrechtlichen Umsetzung im                                            dürfen.

Österreichische Liga für Menschenrechte
MENSCHENRECHTE
IN OSTERREICH
14
Fotos / SOS Mitmensch, Jeff Mangione (Porträt)
Text / Annemarie Pervan

Couragierter Einsatz
für Menschenrechte
UNSER DIESJÄHRIGER MENSCHENRECHTSPREISTRÄGER ALEXANDER POLLAK IM PORTRÄT.

D
             er Einsatz für Men-          Pollak studierte Handelswissenschaf-   Pollak das Bild der Wehrmacht in
             schenrechte ist ein          ten an der Wirtschaftsuniversität      österreichischen Zeitungen und
             permanenter Kampf,           Wien und danach Angewandte             Dokumentarfilmen. 2003 publizierte
             den NGOs, internatio-        Sprachwissenschaften an der Uni-       er dazu im Böhlau Verlag das
             nale Organisationen und      versität Wien, worin er 2003 den       Buch „Die Wehrmachtslegende
Staaten führen und dabei gegen die        Doktortitel erhielt. Während des       in Österreich“. Seit diesem Jahr
Verletzung der Menschenrechte und         Doktoratsstudiums arbeitete Pollak     ist Pollak Mitglied des politischen
für eine bessere Zukunft eintreten.       am Wittgenstein-Forschungsschwer-      Radiojournals „Radio Stimme“, das
Dabei stehen oft einzelne Men-            punkt „Diskurs, Politik, Identität“,   auf freien Radios in ganz Österreich
schen besonders im Vordergrund,           der von Ruth Wodak geleitet wurde,     gesendet wird. Er wurde für seine
sie zeichnen sich durch großes            mit. In einem Projekt erforschte       herausragende Arbeit zweimal mit
persönliches Engagement und                                                      dem „Radiopreis der Erwachsenen-
auch durch besonderen Mut aus.                                                   bildung“ ausgezeichnet. Ab 2005
Einer davon ist Alexander Pollak,                                                wurde Pollak in der Agentur der
der Sprecher der österreichischen                                                Europäischen Union für Grundrechte
Menschenrechtsorganisation SOS                                                   (FRA) als Projektleiter für Anti-
Mitmensch. Er wird 2019 aufgrund                                                 Diskriminierungsprojekte tätig.
seines außerordentlichen Engage-
ments für Menschenrechte mit dem
Menschenrechtspreis der Österrei-                                                Alexander Pollaks
chischen Liga für Menschenrechte                                                 Einfluss auf SOS Mitmensch
ausgezeichnet.                                                                   2011 begann der Menschenrechts-
                                                                                 preisträger des Jahres 2019 seine
                                                                                 Arbeit als Sprecher der österreichi-
Gemeinsam Widerstand leisten                       DIE AUTORIN                   schen Menschenrechtsorganisation
Schon während seiner Jugend er-                                                  SOS Mitmensch. Besonders seit er
kannte Pollak, wie wichtig der Ein-                                              sich hier engagiert, hat die Orga-
satz für Zusammenhalt und Toleranz                Annemarie Pervan               nisation im Bereich der Menschen-
in unserer Gesellschaft ist. Dort, wo                                            rechte viel geleistet.
andere Unterschiede suchen, sieht             Studium der Politik- und
Pollak Gemeinsamkeiten. In einem              Rechtswissenschaften an            Die positive Entwicklung bemerkte
Interview mit dem „Standard“ im               der Universität Wien, seit         laut „Standard“ auch Grünen-
Jänner 2018 schildert er, wie er zu          November 2018 Praktikantin          Politiker und Gründungsmitglied des
Zeiten des Anti-Ausländer-Volksbe-            bei der Österreichischen           Vereines Niki Kunrath: „SOS Mit-
gehrens der FPÖ am Lichtermeer                Liga für Menschenrechte,           mensch hat sich in seiner Methodik
gegen das Vorhaben teilnahm                    Aufarbeitung des Liga-            verschoben.“ Denn dort, wo früher
und mit zehntausenden anderen                  Archivs im Rahmen des             vorübergehend vor allem Prominente
Menschen vom Ring Richtung                     Forschungsprojekts zur            und eine breite Personenpalette prä-
Heldenplatz marschierte. Damals              Archivierung der Bestände.          sent waren, geht es jetzt nur noch um
habe ihn die Tatsache, dass er nicht         Redaktionelle Mitarbeiterin         den Inhalt. Alexander Pollak scheut
der Einzige war, der Widerstand                        der Liga.                 dabei die Auseinandersetzung nicht.
leistete, inspiriert.                                                            „Er konfrontiert Politiker direkt mit

Österreichische Liga für Menschenrechte
15

                                                                      Alexander Pollak protestiert: unter ande-
                                                                      rem Anfang 2018 vor Herbert Kickl gegen
                                                                      den Rechtsextremismus (Bild oben links)

                                                                                  Zivilcourage für
                                                                                  eine bessere Zukunft
                                                                                  Weitere Aktionen, für die sich Pollak
                                                                                  als Sprecher der Menschenrechtsorga-
                                                                                  nisation offen aussprach und an denen
                                                                                  er auch selbst teilnahm, waren Initiati-
                                                                                  ven gegen die Mindestsicherung neu.
                                                                                  Bei einer Aktion wurde das Bundes-
                                                                                  kanzleramt kurzfristig zum „Armuts-
                                                                                  kanzleramt“ unbenannt. Außerdem
                                                                                  machte Pollak durch Informations-
                                                                                  offensiven auf die diskriminierenden
                                                                                  und armutsfördernden Änderungen
                                                                                  der Sozialleistungen aufmerksam.
                                                                                  Der Menschenrechtspreisträger der
                                                                                  Liga war zudem persönlich in Trais-
                                                                                  kirchen, um das Ausreisezentrum in
                                                                                  Traiskirchen von „Ausreisezentrum“ zu
                                                                                  „Aufnahmestelle für Asylsuchende“
                                                                                  umzubenennen. Dabei zeigte er
                                                                                  Courage und Sympathie gegenüber
                                                                                  Asylsuchenden, die von der vergan-
                                                                                  genen Regierung stark benachteiligt
                                                                                  wurden.

den Auswirkungen ihres Handelns“,        es darum geht, Sozialkürzungen die       Der gebürtige Wiener gibt natio-
sage Kunrath gegenüber der Zeitung       Stirn zu bieten, ist er aus der öster-   nalen und ausländischen Medien
„der Standard“.                          reichischen Zivilgesellschaft nicht      regelmäßig Interviews. Durch seinen
                                         mehr wegzudenken.                        geschulten und kritischen Blick auf die
Wenn bei auftretenden Problemen                                                   verschiedensten Bestrebungen der
keiner zuhört, setzt SOS Mitmensch       Eine Initiative, an der sich Pollak      Politik bietet er den Menschenrechten
eigene Initiativen und versucht so,      regelmäßig intensiv beteiligt, ist zum   eine Plattform, die sie sonst nicht
Schäden abzuwenden, die die Politik      Beispiel die „Pass-egal-Wahl“, die       bekommen würden.
sonst verursacht hätte. Der Verein ist   auch heuer im Vorfeld der National-
ein ständiger Beobachter der Lage        ratswahlen stattfand. Bei der Aktion     Die erste Ausgabe des Liga-Magazins
der Menschenrechte und entwickelt        bietet SOS Mitmensch Personen,           in diesem Jahr brachte ein Interview
eigene Vorschläge, die zur Verbesse-     die zwar ihren Lebensmittelpunkt         mit Pollak zum Thema „Mindestsi-
rung der Lebensumstände von Men-         in Österreich haben, aber keinen         cherung neu“. Auf die Frage, was die
schen in Österreich beitragen sollen.    österreichischen Pass besitzen, die      zukünftigen Pläne für SOS Mitmensch
Dabei ist Alexander Pollak selbst        Möglichkeit, symbolisch wählen           in Bezug auf die Mindestsicherung sei-
ohne Einschränkungen aktiv und           zu gehen. Pollak kämpft für eine         en, antwortete Pollak: „Wir kämpfen
protestiert mit Schildern, die er für    Öffnung der Demokratie für diese         weiter.“ Eine Antwort, die seine De-
Menschenrechte unermüdlich in die        Bevölkerungsgruppe. Und er fordert       termination und Entschlossenheit sehr
Höhe hält. Egal, ob bei schwarz-blau-    ein Umdenken beim sehr eng ge-           gut beschreibt: Denn Pollak gibt nicht
en Koalitionsgesprächen im Jahr          fassten Wahlrecht sowie bei extrem       auf – er findet immer einen Weg, für
2017, bei FPÖ-Veranstaltungen oder       ausgrenzenden Einbürgerungs-             die Menschen einzustehen, die nicht
vor dem Bundeskanzleramt – wenn          bestimmungen.                            gehört werden.

                                                                                    Österreichische Liga für Menschenrechte
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Fotos / Christian Fürther / PID, privat
Text / Bettina Slamanig

Menschenrechtspreis für
einen Unermüdlichen

W
                  erner Vogt (81)         lich viel erreicht.“ Auch der Ökonom
                  arbeitete jahrelang     und Autor Stephan Schulmeister
                  als Unfallchirurg       meinte über ihn: „Jeder wusste bald:
                  am Lorenz-Böhler-       Wer sich mit Werner Vogt anlegt,
                  Krankenhaus in          legt sich mit der kritischen Öffent-          DIE AUTORIN
Wien und wurde für sein medizin-          lichkeit an.“ Werner Vogt gilt als
kritisches Engagement bekannt. Im         einer der bedeutendsten Kritiker und
Dezember wird ihm der Menschen-           Aktivisten des Sozial- und Gesund-            Bettina Slamanig
rechtspreis 2019 der Österreichi-         heitsapparats. Als Arzt war er jahre-
schen Liga für Menschenrechte für         lang am Lorenz-Böhler-Krankenhaus          Abschluss des Studiums
sein Lebenswerk verliehen.                in Wien, aber auch in Hilfsprojekten      der Rechtswissenschaften
                                          in Nicaragua, Timișoara und im           an der Universität Wien im
„Er gehört zu den Pionieren der Zi-       Kosovo tätig. Im Jahr 2000 wechselte     April 2019, Spezialisierung
vilgesellschaft Österreichs.“ So lautet   er in den Ruhestand.                    auf menschen- und frauen-
die Einleitung eines Artikels über                                                  rechtliche Themen, Praxis
Werner Vogt aus dem Jahr 2013 in          Vogt wuchs in bescheidenen Verhält-     im journalistischen Bereich,
der Zeitung „Die Zeit“. Nicht weni-       nissen in der Gemeinde Zams in Tirol     redaktionelle Mitarbeiterin
ger lobende Worte findet sein lang-       auf. Ursprünglich hätte er Schlosser      der Österreichischen Liga
jähriger Freund Peter Pilz für ihn: „Er   werden sollen, entschied sich dann           für Menschenrechte
hat mit seiner Beharrlichkeit unglaub-    aber, als Volksschullehrer in Bregenz

Österreichische Liga für Menschenrechte
Werner Vogt: ganz privat sportlich unterwegs und
                                            2003 bei seiner Bestellung zum Pflegeombuds-
                                                                                                                                       17
                                            mann mit Stadträtin Renate Brauner

                                                     AUF EINEN BLICK

                                                    > Hilfeleistungen in Costa Rica,
                                                       Nicaragua und Rumänien:
                                                       Mit „Ärzte ohne Grenzen“ war Vogt
                                                       bereits 1978 in Flüchtlingslagern in
                                                       Honduras, Costa Rica und Nicara-
                                                       gua tätig. In Rumänien beteiligte er
                                                       sich am Aufbau des Spitals „Casa
                                                       Austria“ in Timișoara, in Österreich
                                                       war er während der Besetzung der
                                                       Hainburger Au 1984 Teil des Ärzte-
                                                       teams, das täglich morgens um vier
                                                       Uhr zu den BesetzerInnen fuhr, um
                                                       sie medizinisch zu betreuen.

                                                    > Gründung der Arbeitsgemein-
                                                       schaft Kritische Medizin:
                                                       Werner Vogt gründete die Arbeits-          Werner Vogt, Träger des
                                                       gemeinschaft Kritische Medizin,            Menschenrechtspreises 2019
                                                       die sich auch mit der organisierten        für sein Lebenswerk
                                                       Ärzteschaft so manchen heftigen
                                                       Schlagabtausch lieferte. Die
                                                       „Kritische Medizin“ wurde, nachdem
                                                       der ORF und die Kronen Zeitung             Im April 2002 wurde das Volks-
                                                       über sie berichtet hatten, bald zum        begehren Sozialstaat Österreich,
zu arbeiten. Aufgrund seiner unkon-                    Sprachrohr für eine alternative            dessen Mitinitiator Werner Vogt
ventionellen Unterrichtsmethoden                       Herangehensweise bei der medizi-           war, abgehalten. Das Volksbegeh-
wurde er jedoch bald zwangsversetzt.                   nischen Behandlung. Aus ihr entwi-         ren wurde insgesamt von 717.102
Vogt wechselte nach Wien und                          ckelte sich die „Kritische Psychiatrie“     Personen (Beteiligung von 12,2
begann dort sein Medizinstudium.                      und es ging daraus der Psycho-              Prozent) unterzeichnet und zählt
Als Student engagierte er sich bei                    soziale Dienst Wien (PSD) hervor.           damit zu den zehn erfolgreichsten
der ÖH, bald machte er sich einen                                                                 Volksbegehren in Österreich.
Namen als Bildungsreformer. Er arbei-               > Gerichtsverfahren gegen                    Gefordert wurde unter anderem
tete viel mit Politikern zusammen und                  Heinrich Gross (ab 1979):                  eine Klausel in der Verfassung, die
gründete die Arbeitsgemeinschaft                       Im Jahr 1979 bezichtigte Werner            besagt, dass Österreich ein Sozial-
Kritische Medizin. „Es bleibt ihm                      Vogt den österreichischen Arzt             staat sei. Allgemeines Ziel war es,
nichts anderes übrig, als die Rolle des                und Psychiater Heinrich Gross der          der fortschreitenden Schwächung
individualistischen Widerspruchsgeis-                  Ermordung hunderter Kinder in der          des österreichischen Sozialstaates
tes anzunehmen, um auf seine Ideen                     NS-Zeit. Gross strengte daraufhin          entgegenzuwirken.
                                                       ein Verfahren wegen übler Nach-
aufmerksam machen zu können. In
                                                       rede gegen Vogt an und gewann.           > P flegeombudsmann (2003–2006):
dieser öffentlichen Position wagt ihn
                                                       Nachdem eines von Gross’ Opfern,            Vogt wurde 2003 von Stadträtin
später auch niemand mehr leichtfertig
                                                       Friedrich Zawrel, ausgesagt hatte,          Elisabeth Pittermann zum Pflege-
zu demontieren“, schreibt „Die                         wurde Vogt freigesprochen und der           ombudsmann bestellt. Die Stelle
Zeit“ 2013. Unermüdlich kritisiert er                  in Stein inhaftierte Zawrel aus der         des Pflegeombudsmannes wurde
seit Jahrzehnten die österreichische                   Haft entlassen. Erst im Jahr 1997           nach dem berüchtigten Lainz-
Gesundheitspolitik: egal ob Zweiklas-                  kam es zur Mordanklage gegen                Skandal geschaffen. Gemeinsam
senmedizin, Stillstand in Bezug auf                    Gross. Die Verhandlung hätte am             mit dem Psychiater Georg Psota
Reformen im Gesundheitswesen oder                      21. März 2000 stattfinden sollen,           besuchte Vogt viele Haushalte, um
korrupte Ärzteschaft. Manche Kolle-                    doch Gross wurde für nicht ver-             sich Einblick in die oftmals defizitäre
gen sind der Meinung, er habe sich                     nehmungsfähig erklärt und die               Situation Pflegebedürftiger zu ver-
mit seinen Äußerungen eine Karriere                    Verhandlung auf unbestimmte Zeit            schaffen, und berichtete darüber.
etwa als Primar oder Spitalsdirektor                   aufgeschoben. Gross starb 2005.
verbaut. Eine solche Karriere kam für                                                           > Langjährige publizistische Tätig-
Vogt jedoch nicht in Frage. Er wollte               > Mitinitiator des Volksbegehrens             keit zu Missständen im Gesund-
in erster Linie Arzt sein – und öffentli-              Sozialstaat Österreich (2002):              heitssystem
ches Gewissen.

                                                                                                Österreichische Liga für Menschenrechte
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Fotos / Cliff Kapatais/Pixelcoma, Jakob Tazreiter
Text / Katharina Gröger, Katharina Rogenhofer

Klimaschutz und                                             Das ist ohnehin nur das Mindestmaß.
                                                            Wir müssen alle diese Maßnahmen
                                                            umsetzen, um es zu schaffen, dass

Menschenrechte
                                                            eine Erwärmung von nur 1,5 Grad
                                                            erreicht wird.

                                                            Wie haben Sie die Debatte zu
                                                            einer ökosozialen Steuerreform
 „ES IST DIE VERANTWORTUNG DER                              im Wahlkampf erlebt?
 GESELLSCHAFT ZU HANDELN!“                                  Ich hoffe, dass nun, wenn es an die
                                                            Regierungsverhandlungen geht,
                                                            doch über konkrete Konzepte
                                                            gesprochen wird. Es gibt gute

K
                                                            Vorschläge, die auch soziale Aus-
                                                            gleichsmechanismen vorsehen. Es
            atharina Rogenhofer,                INTERVIEW   gibt z.B. Berechnungen, wonach
            Sprecherin des Klima-                           geringverdienende Haushalte sogar
            volksbegehrens, wurde                           entlastet statt belastet werden.
            von Katharina Gröger
            für diese Ausgabe des
Liga-Magazins interviewt.                                   Was erwarten Sie sich von den
                                                            Regierungsverhandlungen?
                                                            Die Wahlumfragen haben gezeigt,
Frau Rogenhofer, wo steht das                               dass bei allen Wählerinnen und Wäh-
Klimavolksbegehren aktuell?                                 lern, außer jenen der FPÖ, das Klima
K. Rogenhofer: Wir befinden uns                             unter den drei für sie wichtigsten
noch in der Unterstützungserklä-                            Themen ist. Das ist ein klarer Auftrag
rungsphase, die wahrscheinlich bis
Dezember dauern wird. Die Eintra-
gungswoche wird für nächstes Jahr
festgelegt werden. Aber alle Unter-
schriften, die jetzt getätigt werden,
zählen bereits als Unterschriften für                           Katharina Rogenhofer:
das Volksbegehren. Wir halten                                   „Nehmt eure politische
aktuell bei 55.000 Unterstützungs-                              Stimme in die Hand!“
erklärungen. Wir wollen jetzt vor
allem im Rahmen der Regierungs-
bildung Druck aufbauen, sodass die
Themen des Klimavolksbegehrens
sich auch im Regierungsprogramm
niederschlagen.

Was sind die zentralen Forde-
rungen des Volksbegehrens?
Die vier Forderungen, die wir auf-
stellen, sind:
> Klimaschutz in die Verfassung,
> ein Stopp klimaschädlicher Treib-
   hausgase bis 2040,
> Klimaschutz belohnen im Rahmen
   einer ökologischen und sozialen
   Steuer- und Abgabenreform,
> Verkehr und Energie nachhaltig
   machen.

Österreichische Liga für Menschenrechte
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                                                                                                    Klima-
                                                                                                    schutz
                                                                                                    muss sich
                                                                                                    letztendlich
                                                                                                    in konkre-
                                                                                                    ten Maß-
                                                                                                    nahmen
                                                                                                    zeigen.

an die kommende Regierung – hier                                         und es doch längerfristig zu einer
wollen wir mit dem Volksbegehren                                         Veränderung kommt, so etwa bei
die Menschen an den Verhandlungs-                                        der Gentechnik oder beim Rauchen.
tisch holen.                                                             Wir führen im Übrigen auch Gesprä-
                                                                         che mit den Gewerkschaften und
                                                                         der Wirtschaft. Oberste Priorität hat
Mit wie vielen Unterschriften                                            nun das Regierungsprogramm.
wären Sie zufrieden?
Zufrieden bin ich erst, wenn sich
mutiger Klimaschutz auch in der Ge-                                      Sind Sie auch europaweit
setzgebung und in konkreten Maß-               ZUR PERSON                vernetzt?
nahmen der Politik niederschlägt,                                        Wir sind teilweise mit Dänemark
wie viele Unterschriften das auch                                        oder der Schweiz vernetzt. Eine
immer bedeutet. Natürlich wollen            Katharina Rogenhofer         EU-weite Vernetzung wäre jeden-
wir die 100.000 Unterschriften errei-                                    falls der nächste große Schritt. Ich
chen, die es für eine Behandlung im        Initiativen für Umwelt-,      persönlich glaube, dass man auch
Nationalrat braucht. Darüber hinaus       Arten- und Klimaschutz.        national sehr viel machen kann, aber
wünsche ich mir aber genügend           Praktikum bei der Klimarah-      natürlich könnte die EU einige Dinge
Druck, um die Politik zum Handeln       menkonvention der UN. Sie        beschleunigen und umsetzen.
zu bewegen. Wir wollen zeigen, dass     holte mit weiteren Aktivistin-
wir auch nach der Wahl den Politike-    nen und Aktivisten die „Fri-
rinnen und Politikern weiter auf die    days For Future“nach Wien.       Haben Sie zum Abschluss
Finger sehen.                           Leitung und Sprachrohr des       einen Appell an unsere
                                            Klimavolksbegehrens.         Leserinnen und Leser?
                                                                         Nehmt eure politische Stimme in
Wie würden Sie reagieren,                                                die Hand! Es ist die Verantwortung
wenn der Nationalrat keine                                               der Gesellschaft zu handeln, auf die
Konsequenzen zieht?                                                      Straße zu gehen – und das Volksbe-
Selbst wenn im Nationalrat nicht                                         gehren zu unterschreiben!
gleich konkrete Gesetze beschlossen
werden sollten, zeigen frühere Volks-
begehren, dass sich Dinge bewegen                                        klimavolksbegehren.at

                                                                           Österreichische Liga für Menschenrechte
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Fotos / Vivien Schwarz                                                                              Eröffnung
Text / Lara Bellon & Michael Schmied                                                           des Festivals im
                                                                                                Gartenbaukino
                                                                                                          2018

Was können Filme bewirken?

Das International Human Rights Film       Ratlosigkeit und Zukunftsangst zu        Jenseits von medialer Sensations-
Festival „this human world“ wurde         einem fruchtbaren Boden für rück-        und Skandalberichterstattung führten
anlässlich des 60-jährigen Jubiläums      wärtsgewandte, menschen- und um-         uns die rund 100 Festivalfilme 2019
der Allgemeinen Erklärung der Men-        weltfeindliche Ideen geworden sind,      wieder auf behutsame Weise die
schenrechte gegründet.                    in der medial und rhetorisch perfekt     großen Fragen und Chancen unserer
                                          inszenierte Schreihälse zu Führungs-     Zeit vor Augen und haben diese wo-
Auch mehr als 70 Jahre nach Ver-          figuren werden und die Spaltung          möglich für die Erkenntnis globaler
kündung der Menschenrechtscharta          von Gesellschaften mehr und mehr         Zusammenhänge geöffnet, in die
gelten dieselben Prämissen: den           gelingt, sind zivilgesellschaftliche     jede_r von uns eingebunden ist und
Schutz aller Menschen und ihre            Bemühungen um die Zukunft eines          für die jede_r von uns Verantwortung
Selbstbestimmung in den Vorder-           gerechten Miteinanders von größter       trägt.
grund zu stellen. Jedoch ist mit einer    Bedeutung und sollen gegen alle
Erklärung alleine nicht genug getan       Formen von Angst, Unwissenheit und       Die beste Antwort auf die eingangs
– es gilt heute wie damals, Men-          Intoleranz stehen und aktiv sein.        aufgeworfenen Fragen kann nur sein,
schenrechte täglich zu verhandeln                                                  sich Festivalfilme anzusehen, den
und einzufordern.                         Die Filme des Festivals sind, ange-      Filmemacher_innen, Protagonist_in-
                                          sichts der großen Schwierigkeiten        nen, Aktivist_innen und Betroffenen
Filme allein haben noch nie die Welt      unserer Zeit, ein kleines Universum an   Auge und Ohr zu schenken und an
verändert oder gar gerettet. Dieser       Themen, die Fragen aufwerfen und         den zahlreichen Diskussionen danach
Tatsache müssen leider auch wir           keine Denkverbote oder Kurzschluss-      teilzunehmen.
ins Auge sehen. Doch was kann ein         antworten erlauben. Stattdessen
Film, was können die Filme eines          wecken sie Interesse und ermögli-        Was so ein Festivalfilm dann außer-
Menschenrechtsfilmfestivals bewir-        chen Engagement für hoffnungsvolle       halb des Kinos mit uns macht, bleibt
ken? Reicht das filmische Aufzeigen       Perspektiven.                            jeder_m selbst überlassen.
von Missständen aus, Beitrag zu
einem Wandel der verursachenden
Gesinnungen und Verhältnisse zu
sein? Oder ist die Not, von der uns
medial täglich aus der ganzen Welt
berichtet wird, nicht schon genug              Lara Bellon und
und am Ende eine maßlose Über-                 Michael Schmied
forderung für jede_n Einzelne_n?               leiten das Festival
Wozu braucht es da noch ein                    „this human
Festival? Fragen, die im Laufe der             world“.
bisherigen elf Festivaljahre immer
wieder gestellt wurden.

In einer Zeit, die mehr denn je
durch Denunzierungen politischer
Errungenschaften geprägt ist, in der

Österreichische Liga für Menschenrechte
Österreichische Liga
für Menschenrechte
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BEFUND

                      DR. BARBARA           MAG. CORNELIA             ANNEMARIE                  NICOLIN             CARLA AMINA
                         HELIGE                KOLLER                  PERVAN                      IRK                BAGHAJATI

                       DR. KLAUS             MMAG. MILENA               SEBASTIAN              DR. ERWIN             MAG. ANDREAS
                      UNTERBERGER               GAUSS                     ÖHNER                  RIESS                 BRUNNER

DIE AUTORiNNEN DES                           Carla Amina Baghajati
MENSCHENRECHTS-                              Mitgründerin der Initiative musli-
                                             mischer ÖsterreicherInnen, Obfrau
BEFUNDS 2019
                                             des Forums muslimische Frauen
                                             Österreich, im Vorstand der Platt-
                                             form Christen und Muslime. Eine der
                                                                                                               ING.IN MAG.A DR.IN KARIN
Dr. Barbara Helige                           beiden ersten Frauen in den Gre-                                    ZAUNER-LOHMEYER,
Präsidentin der Österreichischen             mien der IGGÖ, Projektleiterin der                                       BAKK. PHIL.
Liga für Menschenrechte, Leiterin            Initiative „Musliminnen am Wort“,
des Bezirksgerichts Döbling, ehe-            Schulamtsleiterin der Islamischen
malige Präsidentin der RichterInnen-         Glaubensgemeinschaft, Lehrerin und
vereinigung.                                 Fachinspektorin für AHS Wien.
                                             Autorin des Buches „Muslimin sein –
                                             25 Fragen, 25 Orientierungen“.                 Dr. Erwin Riess
Mag. Cornelia Koller,                                                                       Verfasser von Theaterstücken,
Staatsanwältin, Präsidentin der                                                             Romanen und essayistischer Prosa.
Vereinigung Österreichischer Staats-         Dr. Klaus Unterberger                          Rollstuhlfahrer, Aktivist der autono-
anwältinnen und Staatsanwälte und            Politikwissenschafter, Journalist und          men Behindertenbewegung und
Leiterin einer staatsanwaltschaft-           Leiter des „Public Value Kompetenz-            Vorstandsmitglied der Österreichi-
lichen Gruppe bei der Staatsan-              zentrums“ in der Generaldirektion              schen Liga für Menschenrechte.
waltschaft Graz mit Schwerpunkt              des ORF.
Wirtschafts- und Finanzdelikte.
                                                                                            Mag. Andreas Brunner
                                             MMag. Milena Gauß:                             Aktivist in der LGBTIQ-Community,
Annemarie Pervan                             Arbeitete als Juristin im Bereich              Mitbegründer der Regenbogen-
Studium der Politik- und Rechtswis-          Asylrecht für die Rechtsberatung               parade. Co-Leiter von QWIEN –
senschaften an der Universität Wien.         der Caritas Wien mit Spezialisierung           Zentrum für queere Geschichte.
Seit November 2018 Praktikantin              auf geschlechtsspezifische Verfol-             Zahlreiche Publikationen und Aus-
bei der Österreichischen Liga für            gung sowie gesetzliche Vertretung              stellungen sowie Stadtführungen,
Menschenrechte.                              von unbegleiteten minderjährigen               die LGBTIQ-Geschichte in Wien
                                             Flüchtlingen.                                  sichtbar machen.

Nicolin Irk
Studium der Politikwissenschaften            Sebastian Öhner                                Ing.in Mag.a Dr.in Karin
an der Universität Wien und Volks-           Studium der Rechtswissenschaften               Zauner-Lohmeyer, Bakk. phil.
wirtschaft an der Wirtschaftsuniver-         an der Universität Wien, Vorstands-            arbeitet im öffentlichen Dienst in
sität. Seit Beginn 2019 arbeitet sie         mitglied der Österreichischen Liga             Wien. Sie ist die Sprecherin der
als Praktikantin der Österreichischen        für Menschenrechte, tätig bei den              Europäischen Bürgerinitiative
Liga für Menschenrechte.                     Wiener Kinderfreunden.                         „Housing for All“ (Wohnen für alle).

     Fotos / Monika Resler (Baghajati), A. Golser (Riess), Peter Hiller (Brunner), Daniel Shaked (Zauner-Lohmeyer)
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