Salzburger Menschenrechtsbericht 2021 - SALZBURG24

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Salzburger Menschenrechtsbericht 2021 - SALZBURG24
Salzburger Menschenrechtsbericht 2021
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Salzburger Menschenrechtsbericht 2021

             DIE PLATTFORM
             FÜR MENSCHENRECHTE

             ... ist ein Zusammenschluss von sozialen      DER PLATTFORM GEHÖREN AN:
             und kulturellen Einrichtungen, von kirch-
             lichen und politischen Organisationen so-     Afro-Asiatisches Institut Salzburg, Aka-
             wie Privatpersonen aus Stadt und Land         sya Verein für Bildung und Kultur, Aktion
             Salzburg. In der Plattform arbeiten Men-      Leben Salzburg, Amnesty International
             schen aus unterschiedlichen Nationen,         Salzburg, AUGE – Alternative und Grüne
             Kulturen, Ethnien und Religionen für die      GewerkschafterInnen/UG Bürgerliste/
             Verwirklichung von Menschenrechten            Die GRÜNEN Caritas Salzburg Diakonie
             zusammen. Die Plattform setzt sich für        Flüchtlingsdienst und Integrationshaus,
             die unbedingte und unteilbare Geltung         Die GRÜNEN Salzburg, DIE LINKE Salz-
             der Menschenrechte in Salzburg ein. Sie       burg, Evangelische Christuskirche, Evan-
             arbeitet für die Gleichberechtigung und       gelisch-Methodistische Kirche Salzburg,
             das offene Miteinander verschiedener          Evangelisches Pfarrzentrum Salzburg-
             Kulturen und Lebensformen. Die Platt-         Süd Friedensbüro Salzburg Helix For-
             form wendet sich gegen Rassismus und          schung und Entwicklung, Helping Hands
             jede Form von Diskriminierung aufgrund        Salzburg, Hiketides, HOSI Salzburg Insti-
             von Alter, Behinderung, Geschlecht, Her-      tut zum Studium von Buddhismus und Di-
             kunft, religiösem Bekenntnis oder sexuel-     alog der Religionen Jugendzentrum IGLU
             ler Orientierung. Sie will zu einem offenen   Katholische Aktion – Bereich Jugend,
             und konstruktiven Klima in Salzburg bei-      Katholische Aktion - Bereich „Kirche &
             tragen. Die Plattform ist parteipolitisch     Arbeitswelt“/ABZ, Katholische Frauen-
             ungebunden, aber für Parteien offen.          bewegung Salzburg, Katholische Hoch-
                                                           schulgemeinde, KommEnt Muslimische
                                                           Jugend Österreich Omas gegen rechts,
                                                           Ökumenischer Arbeitskreis Salzburg, Ös-
                                                           terreichische Hochschüler*innenschaft
                                                           Salzburg,    Österreichisch-Somalischer
                                                           Freundschaftsverein Radiofabrik – Freier
                                                           Rundfunk Salzburg Soli.café, Somos
                                                           Salzburg, SOS – Clearing House Verein
                                                           Einstieg, Verein knackpunkt – Selbstbe-
                                                           stimmt leben, Verein Synbiose, Verein
                                                           VIELE Frauen

                                                           MONITORING

                                                           Die Plattform für Menschenrechte (www.
                                                           menschenrechte-salzburg.at) dokumen-
                                                           tiert laufend die Situation der Menschen-
             Büro:                                         rechte im Bundesland Salzburg. Dazu
             Plattform für Menschenrechte,                 arbeiten wir auf drei Ebenen: Wir erstel-
             Kirchenstraße 34, 5020 Salzburg.              len Überblicksberichte sowie Einzelfall-
                                                           dokumentationen und wir bieten Hilfe für
             Kontakt:                                      Betroffene.     Informationspartner:innen
             office@menschenrechte-salzburg.at,            stellen Falldokumentationen und Hin-
             Tel.: +43 (0)676/8746-6666,                   tergrundinfos zur Verfügung. Zu ihnen
             Mag. Georg Wimmer,                            gehören neben Plattform-Mitgliedsorga-
             Mo-Do von 8.30–12.30 Uhr.                     nisationen zahlreiche Einzelpersonen,
                                                           Rechtsanwält:innen sowie Salzburger Be-
                                                           ratungseinrichtungen und Vereine.

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Salzburger Menschenrechtsbericht 2021 - SALZBURG24
Salzburger Menschenrechtsbericht 2021

INHALT
4    EINLEITUNG

5    MONITORING
5    Georg Wimmer: Dokumentieren und Strukturieren
7    Barbara Sieberth: Monitoring der Antidiskriminierungsstelle
     in der Stadt Salzburg

10   FLUCHT UND ASYL
11   • Lena Kainer: Asylberechtigt und straffällig geworden – was nun?
12   • Meline Mazinjan: Erfahrungen mit der BBU
15   • Renate Roittner und Josef P. Mautner:
        Keine Aufenthaltsbewilligung für Neugeborene
17   • Ursula Liebing und Josef P. Mautner: Erleichterter Zugang
        zur Staatsbürgerschaft – eine demokratiepolitische Notwenigkeit

22   ARMUTSMIGRATION
23   • Alina Kugler und Herbert Müller: Vom Stehenbleiben und
        Weitergehen

26   SOZIALE RECHTE
27   • Carmen Bayer: Auswirkungen des SUG
29   • Petra Gschwendtner und Peter Linhuber: Der Krise zum Trotz –
        ambitionierte Ziele in der Wohnungslosenhilfe
32   • Heinz Schoibl: Wohnungslosigkeit von Frauen mit
        psychischen Erkrankungen
35   • Barbara Sieberth und Christine Nagl: Sexarbeit – unter Druck
        und kriminalisiert
37   • Christa Stocker: Lehrlinge in der Krise
38   • Andrea Holz-Dahrenstaedt: Kinderrechte in der Krise
41   • Ursula Liebing und Josef P. Mautner: Das Projekt „Menschen-
        rechtsschulen und –kindergärten“ in Zeiten von Corona

43   RELIGIONSFREIHEIT
44   • Josef P. Mautner: Politischer Islam – ein Begriff und seine
         politischen Auswirkungen
46   • Die Muslimische Jugend Österreich: Forderung der Löschung
         der „Islam-Landkarte“

47   ZUR SITUATION VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN
48   • Monika Schmerold: Anleitung zur Selbstbestimmung
50   • Karin Astegger im Interview mit Georg Wimmer: Wir müssen
        uns endlich auf den Weg machen!
54   • Beatrice Stadel: Ausgrenzung durch Covid19-Schutzmaßnahmen

56   ANTIDISKRIMINIERUNG UND GLEICHBEHANDLUNG
57   • Norbert Krammer: Ausgegrenzt – nicht alle dürfen ins
        städtische Seniorenwohnhaus
59   • Yi-heng Chen: Eine Asiatin in Saltzburg...in Zeiten von Corona
61   • Christine Bayer-Borrero: Raus aus der Schublade. Hinein in eine
        lebenswerte, einfühlsame und vielseitige Welt!
65   • Anonym: Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz

67   THEMENÜBERSICHT DER BERICHTE 2003-2020

71   IMPRESSUM

                                                                                                       3
einleitung

         EINLEITUNG
         Am 28. Juli 2021 feierte die Genfer Flüchtlingskon-      Im Bereich der Religionsfreiheit berichten wir über
         vention ihr 70-jähriges Bestehen, wobei von feiern       die Auswirkungen der sogenannten Islam-Landkar-
         im Jahr 2021 kaum Rede sein konnte. An vielen            te, die aller Beschwerden kirchlicher und weltlicher
         ist diese Nachricht im Jahr nach dem ersten Co-          Gemeinden, Organisationen und Einrichtungen zum
         rona-Lockdown beinahe komplett vorbeigegangen.           Trotz weiterhin online ist.
         Wir wurden beschäftigt mit Nachrichten über das
         Infektionsgeschehen, den Arbeitsmarktstatistiken         Im Bereich der Menschen mit Behinderungen for-
         samt (inter-)nationale und regionale politische Ent-     dern wir einen Rechtsanspruch auf Persönliche As-
         scheidungen, die unser Leben stark beeinflussen.         sistenz, die Umsetzung der UN-Konvention über die
         Dahinter verschwinden einzelne Menschen nur all          Rechte von Menschen mit Behinderungen vor allem
         zu leicht.                                               in Betreuung und Unterbringung. Zudem werfen wir
                                                                  einen Blick darauf, wie es Menschen mit Behinde-
         Der Menschenrechtsbericht zeigt, wie jedes Jahr,         rungen während der Lockdown und den Phasen
         auf, wie dünn der Boden für viele Menschen in Salz-      dazwischen ergangen ist. Barrierefreie Kommunika-
         burg ist – in Krisenzeiten wie auch in normalen Zei-     tion muss für eine Stabilisierung der sozialen Kon-
         ten. Er ist in sechs Kapitel eingeteilt, die über ver-   takte, auch während eines Lockdowns ermöglicht
         schiedene Lebenswelten der verletzlichen Gruppen         werden.
         in Salzburg berichten und mit denen Mitgliedsorga-
         nisationen in der Plattform für Menschenrechte in        Der Bereich von Antidiskriminierung und Gleichbe-
         ihrer Arbeit zu tun haben.                               handlung gibt wieder Einblick in die Antidiskrimi-
                                                                  nierungsarbeit in der Stadt Salzburg, ein Bereich,
         Im Bereich Flucht, Asyl und Aufenthalt reichen die       der immer wieder um Finanzierung kämpfen muss.
         Artikel von den ersten Erfahrungen der Bundesagen-       Wir beobachten eine Selektion der Pensionist:in-
         tur für Beratungs- und Unterstützungsleistungen          nen durch die neue Richtlinie der Stadt Salzburg
         von Asylwerbenden und subsidiär Schutzberech-            zur Aufnahme in ein Seniorenwohnheim. In Betreu-
         tigten über die Anerkennung von Asylbescheiden           ungseinrichtungen für Menschen mit Pflegebedarf
         hin zu Problemen mit der Staatsbürgerschaft, z.B.        mangelt es an Plätzen, Wartelisten sind häufig, nun
         Familien, die keine Familienbeihilfe beantragen kön-     müssen Menschen mit bestimmten Krankheitsbil-
         nen, weil sie auf den Nachweis der ausländischen         dern und/oder Multimorbidität noch mehr um einen
         Staatsbürgerschaft des in Österreich geborenen           Platz bangen. Ganz persönliche Einblicke über Ras-
         Kindes warten.                                           sismus und Diskriminierung anhand von Aussehen
                                                                  und Alter erhalten wir von drei starken Frauen, die
         Im Bereich der Armutsmigration beschäftigen uns          sich im diesjährigen Menschenrechtsbericht zu
         Strafverfügungen und fehlende Plätze in Notschlaf-       Wort melden.
         stellen.
                                                                  2021 haben wir weitere Aktionen für „Salzburg hat
         Im Bereich der Sozialen Rechte beschäftigt uns die       Platz“ organisiert und waren mit vielen Menschen
         Umstellung der Bedarfsorientierten Mindestsiche-         im Gespräch. Inzwischen haben schon fünf Salzbur-
         rung auf das Salzburger Unterstützungsgesetz. Da-        ger Gemeinden beschlossen, freiwillig geflüchtete
         mit gehen einige Verschlechterungen einher – und         Menschen aufnehmen zu wollen – wenn der Bund
         das in einer Zeit, in der -nicht nur in Not geratene-    es ihnen denn erlauben würde. Die Menschen-
         Menschen erst langsam wieder damit beginnen,             rechtsstadt Salzburg hat einen ähnlich lautenden
         sich von den privaten wirtschaftlichen Verlusten         Beschluss noch nicht fassen können. Auch daran
         durch das letzte Corona-Jahr zu erholen. Außerdem        zeigt sich, wie hart Menschenrechtsarbeit in der
         ist Obdachlosigkeit und Sexarbeit in Salzburg ein        Stadt sein kann. Das 70-jährige Bestehen der Gen-
         Themenbereich sowie die Rechte von Kindern und           fer Flüchtlingskonvention gibt uns Zuversicht, auch
         Jugendlichen, und zum Beispiel auch Lehrlingen           wenn wir - wie im Menschenrechtsbericht von 2021
         während der Schutzmaßnahmen. Die Rechte von              nachlesbar ist- auf allen Ebenen für die Umsetzung
         Kindern und Jugendlichen waren neben anderen             kämpfen müssen.
         Menschenrechten oft Anlass für Gespräche in den
         Menschenrechtsschulen und -kindergärten, die von                                          Christine Dürnfeld
         der Plattform für Menschenrechte begleitet werden.
         Im Rahmen der Maßnahmen konnten Veranstaltun-                     Christine Dürnfeld ist gemeinsam
         gen angeboten und durchgeführt werden.                            mit Barbara Sieberth Sprecherin
                                                                           der Plattform für Menschenrechte

4
monitoring

MONITORING
DOKUMENTIEREN UND STRUKTURIEREN
Mit dem Menschenrechte-Monitoring zeigt die Plattform auf, wo und wie in Salzburg
Grundrechte verletzt werden.

Der Mann am Telefon ist hörbar verzweifelt. Seine         Minderheiten, Menschen mit einem unsicherem
Frau (81) hat Angstzustände und Depressionen und          Aufenthaltsstatus oder Menschen, die aufgrund
lebt seit vielen Jahren in der psychiatrischen Son-       ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert werden.
derkrankenanstalt in St. Veit. Um in ihrer Nähe zu        Manchmal wird ein bestimmtes Merkmal den Be-
sein, ist der Mann in die Nachbargemeinde Goldegg         troffenen nur von anderen zugeschrieben, etwa
gezogen. Seine Frau möchte aber, dass sie ganz zu-        eine bestimmte Religion. Die Plattform dokumen-
sammen Wohnen und thematisiert das immer wie-             tiert einerseits von sich aus, wenn sie grundrechts-
der bei seinen Besuchen. Was für einen gewissen           widrige Zustände beobachtet. Außerdem tragen
Leidensdruck spricht.                                     immer wieder Betroffene oder Organisationen der
                                                          Zivilgesellschaft Fälle an die Plattform heran. Nach
Ein gemeinsames Wohnen wäre einerseits mit einer          der Dokumentation stellt sich die Frage, was mit
barrierefreien Wohnung plus einer 24-Stunden-Pfle-        diesen Informationen weiter geschehen soll. Wel-
ge möglich. Dafür reichen die Mittel des Paares aber      che Maßnahmen können den betroffenen Personen
bei Weitem nicht. Eine andere Möglichkeit wäre die        unmittelbar helfen? Handelt es sich um einen Ein-
Aufnahme des Ehemannes als Angehöriger in der             zelfall oder stecken strukturelle Ursachen hinter
Unterkunft der Frau. Das geht aber laut dem Salzbur-      einer Problemlage? Ist eine Intervention bei Poli-
ger Krankenanstalten-Gesetz nicht. Was der Mann           tik, Behörden oder Einrichtungen sinnvoll? Ist eine
nicht versteht. Wenn bei Kindern ein gemeinsamer          Sensibilisierung der Öffentlichkeit angebracht und
Krankenhaus-Aufenthalt mit Eltern möglich sei, wa-        die Suche nach breiterer Unterstützung etwa durch
rum nicht auch bei älteren Ehepaaren? Es müsste           Medienarbeit?
zumindest für Härtefälle Ausnahmen geben, so der
Mann. „Damit wir nicht getrennt auf den Tod warten        Im Fall des älteren Ehepaares hat sich die Plattform
müssen“, würde er es in Kauf nehmen, in eine Unter-       – mit Einverständnis des Mannes – zunächst mit
kunft mit psychisch kranken Personen zu ziehen.           der Patienten-Anwaltschaft und dem Vertretungs-
                                                          Netz in Verbindung gesetzt. Nicht selten sind ande-
Manche Fallgeschichten, die die Plattform im Zuge         re Organisationen näher mit einem Thema vertraut.
des Menschenrechte-Monitoring dokumentiert, ha-           Erscheint eine breitere Vernetzung sinnvoll, würde
ben erst auf den zweiten Blick mit Menschenrechten        die Plattform weitere Organisationen an einen Tisch
zu tun. Denn dass ein gemeinsames Wohnen im Al-           holen. Zahlenmäßig überwiegen im Monitoring seit
ter ein Recht ist, findet sich so in keiner Konvention,   Jahren Fälle aus dem Bereich „Flucht und Asyl“.
die Österreich unterzeichnet hat. Sehr wohl aber gibt     Das zeigte sich einmal mehr, als Vertreter:innen
es den Passus, wonach alle Menschen ein „Recht            von 20 Mitgliedsorganisationen der Plattform sich
auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens“ haben       im Juni 2021 auf einem Plenum zum Thema Moni-
(Artikel 8, Europäische Menschenrechtskonvention).        toring austauschen. Vor allem über das Bundesamt
Somit ist die Situation des Ehepaares auch ein Fall       für Fremdenwesen und Asyl (BFA) werden mehre-
für die Plattform.                                        re bedenkliche Vorfällen berichtet. So bekommen
                                                          Asylsuchende von Beamt:innen offenbar immer
Betroffen sind oft besonders                              wieder den „Rat“, ihre Begleitperson nicht mit in
verletzliche Gruppen                                      den Raum zum Interview zu nehmen. Obwohl diese
                                                          Möglichkeit laut Gesetz ausdrücklich vorgesehen
Monitoring meint zunächst das Überwachen und              ist, heißt es plötzlich, es könne ein Nachteil sein,
systematische Erfassen von Vorgängen. Es geht             wenn eine weitere Person mit dabei sei, wenn die
um Situationen, die besonders verletzliche Men-           Fluchtgeschichte erzählt und protokolliert wird. Was
schen als Unrecht erleben. Dazu zählen neben äl-          sollen die Betroffenen in ihrer unsicheren Situation
teren Personen ebenso Kinder, Frauen, Menschen            tun, in einem fremden Land, mit dessen Rechts-
mit Behinderungen, Menschen mit verschiedenen             praxis sie nicht vertraut sind? Sollen Sie ihrer Be-
sexuellen Identitäten, Angehörige von religiösen          gleitperson vertrauen und auf deren Anwesenheit

                                                                                                                      5
monitoring

         bestehen? Oder sollen sich dem fügen, was die                Interventionen bei Behörden, Polizei und Politik oder
         Beamt:innen sagen, die Atmosphäre entspannen                 gegebenenfalls auch mit Öffentlichkeitsarbeit Ver-
         und sich darauf verlassen, dass der Rechtsstaat in           besserungen herbeizuführen. Viel Aufmerksamkeit
         diesem Land funktioniert?                                    erfuhr so der Fall einer Frau, die im Winter unter den
                                                                      Dom-Bögen einen Platz zum Schlafen gesucht hatte.
         Einzelfall oder steckt System dahinter?                      Die Notschlafstellen in der Stadt waren an diesem
                                                                      Abend alle voll. Die Polizei warf der Frau dennoch
         Zu den Verfahren am BFA gibt es auf diesem Plenum            vor, sie habe den Straftatbestand der „Anstands-
         viele weitere Beobachtungen. Die Vertreterin einer           verletzung“ begangen und verhängte eine Strafe
         christlichen Kirche schildert, wie ein Beamter den           in Höhe von € 150. Ein Einspruch gegen den Be-
         Übertritt eines Asylsuchenden vom Islam zum Chris-           scheid hatte keinen Erfolg. Nachdem die Plattform
         tentum kurzerhand als unglaubwürdig abtat, obwohl            den Fall öffentlich gemacht hatte, meldeten sich
         der Mann nun schon mehrere Jahre Mitglied ihrer              mehrere Salzburger:innen, die bereit waren die
         Gemeinde ist. Rechtlich ist die Frage tatsächlich um-        Strafe zu übernehmen. Das Vorgehen der Salzbur-
         stritten, ob eine Konversion, die im Aufnahmeland            ger Polizei markierte aber den Beginn einer neuen
         erfolgt ist, vor einer Abschiebung schützen kann,            Strategie. In der Vergangenheit waren es vor allem
         weil in der Folge im Herkunftsland mit dem christ-           Strafbescheide wegen „aggressiven Bettelns“, mit
         lichen Glauben eine Verfolgung droht. Doch weit              denen Druck auf Notreisende ausgeübt wurde, zum
         mehr umstritten ist, dass die Einschätzung darüber,          Teil haarsträubenden Begründungen. Nun kommt es
         an welchen Gott jemand glaubt, durch einen Amts-             vermehrt zu Anzeigen wegen Anstandsverletzungen.
         person erfolgen soll – und nicht durch die Kirchen           Die Plattform unterstützt Einsprüche dagegen und
         selbst. Dazu soll es demnächst eine Entscheidung             geht ebenso rechtlich gegen eine Bettelverbotszone
         des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrech-             in der Stadt vor, die vom Verfassungsgerichtshof im
         te geben. Ebenfalls ein Thema auf diesem Plenum              Grundsatz bereits als rechtswidrig angesehen wur-
         zum Thema Monitoring sind die langen Asylverfah-             den (siehe auch der Artikel von Kugler und Müller in
         ren. Im Plattform-Büro hat sich erst kürzlich wieder         dieser Ausgabe).
         ein Mann aus Afghanistan gemeldet, der nach vier
         Jahren noch immer auf einen Termin für sein zweites          Im Fall des älteren Ehepaares hat die Plattform
         Interview wartet. Mit den bekannten Konsequenzen             einen Brief an das zuständige Regierungsmitglied
         auf Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten oder Fa-           geschrieben, um auf die die menschenrechtlich Re-
         milienzusammenführung. Bei solchen Fällen stößt              levanz ihres Anliegens hinzuweisen. Im Zuge der Ge-
         ein Monitoring als Druckmittel für Veränderungen             spräche mit Patientenanwaltschaft, mit Fachleuten
         im Sinne der Menschenrechte an seine Grenzen.                und Politiker:innen stellte sich heraus: Der Wunsch
         Solche Fälle sind in Österreich hinreichend bekannt.         nach einer gemeinsame Unterbringung in einer Ein-
         Neben der Dokumentation von Einzelfällen kennt               richtung für psychisch Kranke Menschen stellt in
         die Plattform eine weitere Methode im Rahmen des             Salzburg eine Ausnahme dar. Geht es um die Auf-
         Monitoring – das sind so genannte „Foren“ zu be-             nahme in Pflegeeinrichtungen, so werden ältere Paa-
         stimmten Themen. So gab es 2019 ein Forum zum                re aber öfter getrennt, wenn ihnen unterschiedliche
         Thema Rassismus. Betroffene hatten hier im ge-               Pflegestufen zugeschrieben werden. Auf die Frage,
         schützten Rahmen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen           ob es da nicht massiven Widerstand gebe, erklär-
         zu berichten. Als verbreitetes Problem wurde insbe-          te eine Expertin: „Anfangs wehren sich die Leute
         sondere das Racial Profiling geschildert. Gemeint ist        schon gegen das System, aber am Ende erkennen
         damit die Praxis der Polizei, vorwiegend oder sogar          sie, dass sie keine Chance haben und fügen sich.“
         ausschließlich Menschen mit dunkler Hautfarbe zu             Das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Fa-
         kontrollieren, beispielsweise in den Zügen zwischen          milienlebens wird in Zukunft wohl öfter Thema im
         München und Salzburg. Das nächste Forum ist für              Monitoring der Plattform sein.
         Anfang 2022 angesetzt, Thema ist der Zugang zum
         Arbeitsmarkt für Aslywerbende.                                                                        Georg Wimmer

         Foren bieten einen geschützten Rahmen

         Ein weiteres großes Thema neben Flucht und Asyl                       Georg Wimmer ist Mitarbeiter der
         betrifft im Menschenrechte-Monitoring die Situation                   Plattform für Menschenrechte, freier
         von Notreisenden in Salzburg. Auch hier dokumen-
                                                                               Journalist und Experte für Leichte Sprache.
         tiert die Plattform Einzelfälle, beobachtet Häufun-
         gen von bestimmten Vergehen und versucht mit

         Kontakt: Plattform für Menschenrechte, Kirchenstraße 34, 5020 Salzburg, Tel.: +43 (0)676/8746 6666,
         Mail: office@menschenrechte-salzburg.at, Web: www.menschenrechte-salzburg.at

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monitoring

MONOTORING DER
ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE
IN DER STADT SALZBURG
Die Antidiskriminierungsstelle unterstützt Menschen in der Stadt Salzburg, die diskri-
miniert werden oder eine Diskriminierung beobachtet haben und melden möchten.

Im Zeitraum von Oktober 2020 bis September 2021          50 arbeitslos wurde, aufgrund langer körperlicher Ar-
sind insgesamt 142 Anfragen an die Antidiskriminie-      beit viele gesundheitliche Einschränkungen hat und
rungsstelle herangetragen worden. Im Vergleich zum       zusätzlich ihren Mann pflegen muss und sich des-
Vorjahr ist das eine Verdoppelung. Der Schwerpunkt       wegen außer Stande sah, Zuweisungen vom AMS
der mit 20 Stunden pro Woche stark befristeten Stel-     für Reinigungskraftangebote in Vollzeit anzunehmen.
le lag auf der Beratungstätigkeit. Vernetzungsarbeit     Oder der Fall einer Frau, die bis Ende des Berichts-
konnte im Wesentlichen nur fallbezogen stattfinden,      zeitraums keine eCard ausgestellt bekam – trotz
für angefragte Bildungstätigkeit mussten externe         staatlicher Zusage der Abdeckung der Leistungen,
Sonderlösungen gefunden werden.                          was zu einer enormen Verschlechterung ihrer Ge-
                                                         sundheitsversorgung führte. Wiederkehrend sind die
Am häufigsten berichteten Klient:innen von ei-           Schilderungen von Klient:innen, bei Terminen beim
ner Diskriminierung aufgrund ihrer ethnischen            Amt aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit nicht
Zugehörigkeit (63), gefolgt von Geschlecht               respektvoll behandelt worden zu sein.
(28), Behinderung (23), Religion und Weltan-
schauung (8), Alter (6) und Sexuelle Orientie-           Bezug zum Magistrat Salzburg haben Beschwerden
rung (2). In einigen Fällen spielen mehrere Merkma-      rund um den Zugang zu Kinderbetreuungsplätzen,
le eine Rolle (Intersektionalität). In diesem Jahr gab   insbesondere für Kinder mit Behinderungen und/
es eine Häufung an Meldungen von Klient:innen, die       oder Migrationshintergrund, vor allem bei 3-jähri-
mit Covid19-Schutzmaßnahmen im Zusammenhang              gen. Auch der mangelnde Umgang mit Diversität an
standen und nicht den oben genannten Diskriminie-        Anlaufstellen der Existenzsicherung ist ein Thema,
rungsmerkmalen zugeordnet werden konnten. In die-        das die AD-Stelle ständig begleitet – sei es bei der
sen Fällen fand meist eine rechtliche Abklärung ihrer    Überwindung von Sprachbarrieren oder dem er-
Anliegen statt und die gemeinsame Entwicklung            schwerten Zugang bei sehr komplexen Materien,
einer Strategie im Umgang mit der entsprechenden         wie z.B. dem aktuellen Sozialunterstützungsgesetz.
Maßnahme.                                                Die AD-Stelle sucht bei diesen Beschwerden immer
                                                         wieder in direkten Gesprächen mit den entspre-
In 30 Fällen gab es bei dem                              chenden Stellen Lösungen. Es gibt beispielsweise
Meldungen Berührungspunkte mit                           mit der Leitung Sozialamt der Stadt Salzburg eine
Ämtern, Behörden sowie der Polizei                       gute Kooperationsbasis dafür.

Bei den Beschwerden, die die Polizei betrafen, ging      Stärker als in den Vorjahren vertreten war
es sehr oft um den abwertenden Umgang durch Be-          das Thema Diskriminierung in der Arbeitswelt
amt:innen, um Situationen, die nach Einschätzung         mit 34 Meldungen. Das ist auch auf die aktive
der Klient:innen von der Polizei eskaliert wurden und    Vernetzung mit Einrichtungen der Arbeitsvermitt-
dann Ordnungsstrafen zur Folge hatten. Es war trotz      lung zurückzuführen, deren Klient:innen Diskrimi-
mehrmaliger offizieller Anfrage nicht möglich, eine      nierungserfahrungen machen. Wiederkehrend ist
Kontaktperson bei der Salzburger Polizei genannt         das Thema Kopftuch am Arbeitplatz, aber auch der
zu bekommen, um diese Themen auf lokaler Ebene           (Nicht-) Zugang von Menschen mit Behinderung zum
besprechen zu können. Bei diesen Meldungen in-           Arbeitsmarkt. Beim Zugang zu Gütern und Dienst-
kludiert sind auch Konflikte mit dem Arbeitsmarkt-       leistungen gab es 23 Meldungen über Diskriminie-
service (AMS) und der Österreichischen Gesund-           rungserfahrungen. Hier beinhaltet sind die Konflikte
heitskasse (ÖGK) - die fallweise einen Bezug zum         rund um die Maskenpflicht. Klient:innen mit Attes-
Diskriminierungsmerkmal „Sozialer Status“ aufwei-        ten zur Maskenbefreiung hatten vor allem in den
sen. Da ist beispielhaft der Fall einer Frau, die Ende   Zeiten der Lockdowns Probleme mit dem Einkaufen

                                                                                                                      7
monitoring

         verschiedener Güter oder auch dem Zugang zu Ge-        näher geklärt. Eine rechtliche Beratung gibt Über-
         sundheitsleistungen. Auch in diesen Zahlen finden      blick über die rechtlichen Möglichkeiten nach Gleich-
         sich Beschwerden über abwertendes Verhalten im         behandlungsrecht, aber auch nach einschlägigen
         Kund:innen-Service. Der Ausschluss vom Zugang zu       Verwaltungsgesetzen und dem Strafrecht. Bespro-
         einem Supermarkt aufgrund einer ethnischen Zuge-       chen werden auch außergerichtliche Schritte, wie
         hörigkeit wurde bearbeitet, genauso wie es erneut      zum Beispiel Vermittlungsgespräche oder Öffentlich-
         Gespräche mit der Stadt Salzburg zum weiterhin be-     keitsarbeit. In manchen Fällen erscheint uns eine
         stehenden Burkini-Verbot in den Freibädern gab.        andere Beratungsstelle zielführender und zuständig,
                                                                diese vermitteln wir dann weiter, z.B. bei Themen
         Dem Bildungsbereich sind                               des Aufenthaltsrechts oder der Existenzsicherung
         16 Beschwerden zuordenbar                              bei Einkommen und Wohnen.

         Thematisiert wurde der Zugang zu Kinderbildung- und    Jede Anfrage basierte auf einer Wahrnehmung von
         Betreuungseinrichtungen für Kinder mit Behinderun-     Ungerechtigkeit oder Benachteiligung. Wir beraten
         gen, ähnlich wie die Inklusion in den weiter folgen-   all diese Fälle, auch wenn sie unter keine Bestim-
         den Schulen. Auch enthalten sind Beschwerden von       mung der Gleichbehandlungsgesetze fallen. Die
         Schüler:innen über rassistisch wahrgenommenen,         emotionale Betroffenheit und Kränkung war in den
         abwertenden Umgang von Lehrenden im Unterricht.        meisten Fällen jedoch sehr hoch. Teilweise konnte
         Auch der Umgang mit Covid19-Schutzmaßnahmen            die Lösung eines Konfliktes bereits im Clearing des
         an Schulen rund um Maskenpflicht und Testungen         Sachverhaltes oder in der Aufklärung von Missver-
         wurde mehrmals gemeldet. Stärkere Berührungs-          ständnissen herbeigeführt werden. Auch kam es
         punkte mit dem Thema Gesundheit gab es bei 14          durch die Konfrontation mit der Stelle, von der die
         Meldungen, weitere 12 Meldungen bezogen sich auf       Diskriminierung ausging, in einigen Fällen zu einer
         Diskriminierungserfahrungen im öffentlichen Raum.      Klärung bis hin zu einer Entschuldigung. Auf Wunsch
                                                                der Betroffenen setzte die AD-Stelle sozialarbeiteri-
         Diskriminierungen im Bereich des Wohnens               sche und/oder rechtliche Interventionen.
         wurden 12 Mal gemeldet. Dabei ging es um ras-
         sistische Belästigungen durch Nachbarn oder der        Pro Fall sind meist zwischen 5 und 10 Interventio-
         erschwerte Zugang zum Wohnungsmarkt, die unmit-        nen notwendig. Als Intervention zählten wir telefoni-
         telbar mit einer Fluchtgeschichte oder einem Migra-    sche oder persönliche Beratung, Telefonate für bzw.
         tionshintergrund in Zusammenhang stehen.               mit Klient:innen, rechtliche Recherchen und das Ver-
                                                                fassen von Interventionsschreiben. In vielen Fällen
         Hoch ist die Anzahl der begleitenden Rechts-           gelang es, deeskalierend auf die Situation einzuwir-
         fragen, nämlich in 45 Fällen, die mit den Diskri-      ken und gemeinsam mit den Betroffenen an Stra-
         minierungsanliegen gemeinsam eingebracht wurden        tegien und Lösungen zu arbeiten. Reine Meldungen
         und viele Rechtsgebiete von Arbeitsrecht bis Staats-   wurden dokumentiert, bei komplexen Problemlagen
         bürgerschaftsrecht, von Verwaltungsstrafrecht bis      waren andere und mehr Interventionen notwendig.
         Sozialversicherungsrecht, etc. betrafen. 78 Frauen     In 16 Fällen gab es entweder eine direkte Zusam-
         und 58 Männer und zwei diverse Personen suchten        menarbeit mit einer weiteren Stelle oder eine Weiter-
         die Beratung auf. 84 Personen waren österreichi-       leitung zu einer inhaltlich zutreffenderen Beratungs-
         sche Staatsbürger:innen oder EU-Bürger:innen, 51       einrichtung.
         Menschen waren Drittstaatsangehörige, bei sieben
         Klient:innen blieb der Status unbekannt.
                                                                Bildungsarbeit und Vernetzungsarbeit
                                                                gefragt, aber nicht gefördert!
         Wie wir arbeiten – Clearing & Beratung
         bis hin zur Intervention                               Dieser Arbeitsbereich der AD-Stelle wurde 2019
                                                                gänzlich gestrichen. Unsere Erfahrung in Bereich
         Bei einem Termin – telefonisch und/oder persönlich     Gleichstellung und Vielfalt aber zeigt: Bildungs- und
         unter Einhaltung der Covid-19-Schutzmaßnahmen          Vernetzungsarbeit sind eng mit der Beratung verbun-
         – schildern Klient:innen ihre Diskriminierungserfah-   den, sie ist nicht isoliert zu gestalten. Die AD-Stelle
         rung. Bei einem Clearing werden die Sachverhalte       wurde auch als Expertin für Workshops für Schü-

8
monitoring

Antidiskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg
Kostenlose und vertrauliche Beratung und Unterstützung für Menschen, die diskriminiert werden.

ler:innen, wie auch für Multiplikator:innen in ande-           Zukunft der AD-Stelle ungewiss
ren Beratungseinrichtungen angefragt. Durch diese
Bildungsarbeit verbreitert sich das Wissen über und            Auch wenn wir versucht haben, uns in unserer Arbeit
der professionelle Umgang mit Antidiskriminierungs-            davon nicht beeinflussen zu lassen, hat uns die un-
arbeit. Dieses Bildungsangebot konnten wir im Rah-             gewisse Zukunft der Antidiskriminierungsstelle in der
men der AD-Stelle nicht anbieten.                              Stadt Salzburg beschäftigt. Es war länger nicht klar,
                                                               ob es wieder eine politische Mehrheit für die Förde-
Wo stellt die AD-Stelle Lücken im System fest?                 rung der AD-Stelle in der Stadt Salzburg geben wird.
                                                               Zur Weiterentwicklung der Antidiskriminierungsarbeit
Der Umgang mit Diversität bei öffentlichen Stel-               in Salzburg haben wir proaktiv Politik und Verwaltung
len, im Bildungsbereich oder auch beim Zugang zu               in Stadt und Land Salzburg zu einem Perspektiven-
Dienstleistungen hat immer noch Entwicklungsbe-                Nachmittag eingeladen. Ziel war es, den Bedarf zu
darf. Wir begrüßen Verbesserungen wie den Einsatz              formulieren, die eine AD-Stelle erfüllen soll und eine
von Video-Dolmetsch oder verstärkter Sozialarbeit.             Weiterentwicklung zu ermöglichen. Verschiedene
Dennoch erleben Klient:innen immer wieder Mitar-               Aktionsfelder wurden genannt und diskutiert und
beiter:innen in Beratungsfunktionen mit rassisti-              es wurde festgestellt: Neben dem konkreten und
schen, auch frauenfeindlichen Haltungen, die sie die           niederschwelligen Beratungsangebot braucht es un-
Klient:innen spüren lassen.                                    bedingt (wieder) Vernetzungs- und Bildungsarbeit,
                                                               sowohl in der Stadt wie im Land Salzburg.
Sprachbarrieren können dazu führen, dass Klient:in-
nen Angebote nicht wahrnehmen können. Bei einem                Das Team der AD-Stelle war das ganze Jahr über be-
Teil der Anfragen gibt es begleitende Rechtsfragen             müht, mit verschiedenen Ressorts des Landes Salz-
abzuklären aus anderen Rechtsgebieten, wie z.B.                burgs gemeinsam Antidiskriminierungsprojekte zu
dem Arbeits- und Sozialrecht wie auch aus dem                  erarbeiten. Zu Redaktionsschluss war der Ausgang
Aufenthaltsrecht. Eine niederschwellige Rechtsbe-              noch ungewiss.
ratung zur Einschätzung von Beschwerdemöglichkei-
ten, aber auch anderen rechtlichen Abläufen würde
den Zugang zum Rechtsstaat auch für die Menschen                                                     Barbara Sieberth
ermöglichen, für die rechtlicher Beistand und/oder
ein Kostenrisiko zu hoch sind. Wir arbeiten – wo
möglich – mit der Unabhängigen Rechtsberatung der                         Barbara Sieberth ist Juristin und Beraterin
Diakonie und in Arbeits- und Konsumentenschutz-An-                        der Anti-Diskriminierungsstelle in der Stad
gelegenheiten mit der Arbeiterkammer zusammen.                                                                        t
                                                                          Salzburg und ehrenamtliche Sprecherin der
Allerdings benötigen auch diese eine ausreichende
Finanzierung und der Zugang zur Arbeiterkammer                            Plattform für Menschenrechte Salzburg.
steht nicht allen Menschen offen.
Covid19-Schutzmaßnahmen haben auch in diesem
Halbjahr die Lebenssituation vieler sehr beeinflusst
und gerade Menschen, die ohnehin in prekären Um-
ständen leben ungleich härter getroffen oder stärker
gefordert. Die AD-Stelle war mit Anfragen rund um
die Test- und Maskenpflicht von Schüler:innen in der
Volksschule konfrontiert, wie auch mit Themen der
Ungleichbehandlung rund um die Maskenpflicht.

Kontakt: Anti-Diskriminierungsstelle, Kirchenstraße 34, 5020 Salzburg,
Tel.: +43 (0)676/8746 6979, Mail: office@antidiskriminierung-salzburg.at, Web: www.antidiskriminierung-salzburg.at

                                                                                                                                  9
flucht und asyl

          FLUCHT UND ASYL
          ARTIKEL 3, AEMR: RECHT AUF LEBEN UND FREIHEIT
          Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und
          Sicherheit der Person.

          ARTIKEL 8, AEMR: ANSPRUCH AUF RECHTSSCHUTZ
          Jeder hat Anspruch auf einen wirksamen Rechts-
          behelf bei den zuständigen innerstaatlichen Gerich-
          ten gegen Handlungen, durch die seine ihm nach
          der Verfassung oder nach dem Gesetz zustehenden
          Grundrechte verletzt werden.

          ARTIKEL 14, AEMR: RECHT AUF ASYL
          1. Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor
             Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

          2. Dieses Recht kann nicht in Anspruch genommen
             werden im Falle einer Strafverfolgung, die tatsäch-
             lich auf Grund von Verbrechen nichtpolitischer Art
             oder auf Grund von Handlungen erfolgt, die gegen
             die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen
             verstoßen.

10
flucht und asyl

ASYLBERECHTIGT UND STRAFFÄLLIG

Wenn ein Mensch mit Asylstatus straffällig geworden ist, setzt sich das Verfahren
zur Aberkennung des Asylstatus in Gang. Wie es abläuft und welche Möglichkeiten
der Intervention es gibt, fasst Lena Kainer zusammen.

Ein:e Asylberechtigte:r, der/dem Asyl zuerkannt wur-     Trifft der Aberkennungsgrund zu und ist anstelle des
de, kann den Asylstatus durch ein sogenanntes Ab-        Asylberechtigten-Status auch kein anderer Status zu
erkennungsverfahren wieder verlieren.1 Wurde ein:e       erteilen, dann hat das BFA der:m Asylberechtigten
Asylberechtigte:r straffällig und ist das Vorliegen      ihren/seinen Status mit Bescheid abzuerkennen.
eines Aberkennungsgrundes wahrscheinlich, hat            Grundsätzlich können gegen den Bescheid des BFA
das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA)            Rechtsmittel ergriffen werden. Realistisch betrach-
zwingend ein Aberkennungsverfahren einzuleiten.          tet, muss man die Chance auf Erfolg hierbei jedoch
Eine tatsächliche Aberkennung darf aber nur dann         eher gering einschätzen, da sowohl die Rechtslage
erfolgen, wenn sich im Laufe des Aberkennungsver-        als auch die Judikatur sehr eindeutig sind.
fahrens zeigt, dass auch ein Aberkennungsgrund
vorliegt.2                                               Wann es zu einer Duldung kommt

Wann die Straffälligkeit tatsächlich                     Kann ein:e Fremde:r, nachdem der Aberkennungsbe-
zu einer Aberkennung führt                               scheid rechtskräftig entschieden wurde, nicht abge-
                                                         schoben werden, kommt es zu einer Duldung gemäß
Aus welchen Gründen eine Aberkennung möglich ist,        §46a Fremdenpolizeigesetz. Dies ist möglich, wenn
ist geregelt in §7 Asylgesetz (AsylG). Der:m Asylbe-     die Abschiebung aus rechtlichen Gründen, wenn
rechtigten kann der Asylstatus aberkannt werden,         der:m Betroffenen beispielsweise im Herkunftsstaat
wenn sie/er von einem inländischen Gericht wegen         Folter droht, oder aus faktischen Gründen – die Per-
eines besonders schweren Verbrechens rechtskräf-         son hat etwa keine Reisedokumente und der Her-
tig verurteilt worden ist und wegen dieses strafba-      kunftsstaat stellt die Dokumente nicht aus – unmög-
ren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft          lich ist.7 Der Aufenthalt in Österreich ist in diesem
darstellt. Diese Gefahr wird anhand einer Gefahren-      Fall jedoch unrechtmäßig8 und schützt nicht vor einer
prognose festgestellt.3 Hiervon sind Straftaten er-      Abschiebung, sobald die Gründe der Duldung weg-
fasst die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter        gefallen sind.
verletzen. Nach der Rechtsprechung sind dies bspw.
Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel und
dergleichen.4 In die vorzunehmende Interessensab-                                                          Lena Kainer
wägung nach Art 8 EMRK, welches das Privat- und
Familienleben schützt, haben nach der Rechtspre-          Lena Kainer ist Juristin und engagiert sich
chung sowohl Umstände einzufließen, die gegen                                                         beim
                                                          „Projekt: Betritt Asyl“.
einen Verbleib in Österreich sprechen sowie für ei-
nen derartigen. Grundsätzlich überwiegen bei einem
mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufent-
halt der:s Fremden die persönlichen Interessen an
einem Verbleib in Österreich, jedoch können insbe-
sondere strafrechtliche Verurteilungen die Länge der
Aufenthaltsdauer im Inland und eine erfolgte Integ-
ration relativieren, wonach im Endeffekt die öffentli-   1
                                                           Kittenberger, Asylrecht kompakt2 (2017) 132. 2 Kittenberger,
chen Interessen überwiegen.5 Der Europäische Ge-         Asylrecht kompakt2 133; § 7 Abs 2 AsylG. 3 VwGH 22.02.2021,
richtshof für Menschenrechte stellte zu Art 8 EMRK       Ra 2021/18/044; §§ 7 Abs 1 Z 1 iVm 6 Abs 1 Z 4 AsylG. 4
fest, dass kein absoluter Schutz vor einer Auswei-       VwGH 02.03.2021, Ra 2020/18/0486. 5 VwGH 06.10.2020, Ra
                                                         2019/19/0332. 6 EGMR 18.10.2006 (GK), 46410/99, Üner/
sung abgeleitet werden kann, auch dann nicht, wenn       Niederlande. 7 Kittenberger, Asylrecht kompakt2 177 f. 8 Riedler,
die/der langjährig niedergelassene Fremde hier ge-       Rechtsfragen der Duldung gemäß §46a FPG, migraLex 2020, 71
boren wurde oder in jungen Jahren eingereist war.6       (81).

                                                                                                                                 11
flucht und asyl

          ERFAHRUNGEN MIT DER BBU

          Seit 01.01.2021 wickelt die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungs-
          leistungen (BBU) alle Leistungen für asylwerbende Menschen in Österreich in den
          Bereichen Versorgung, Unterbringung und Rechtsberatung im Asylverfahren sowie
          Rückkehrbegleitung in die Herkunftsstaaten ab. Meline Mazinjan berichtet von den
          Erfahrungen mit der BBU.

          Als die Bundesbetreuung und die zugewiesene             Dies führte folglich leider dazu, dass Asylwerber:in-
          Rechtsberatung für volljährige Asylwerber:innen mit     nen kein Vertrauen in eine qualitativ gute Rechtsver-
          Jahresbeginn auf die BBU umgestellt wurde, ließ         tretung hatten und sich parallel zur BBU auch eine
          sich aufgrund der politisch knapp organisierten Ein-    rechtliche Zweitberatung organisierten, wie z.B. bei
          führung nicht abstreiten, dass fast niemand wusste,     der ARGE Rechtsberatung der Diakonie oder über
          was einen erwartet, weder die Asylwerber:innen noch     privat finanzierte Asylrechtsanwalt:innen. So hat
          die Träger von Flüchtlingseinrichtungen. Vermutlich     es ein halbes Jahr gebraucht, bis dieser anfänglich
          ging es der BBU jedoch auch nicht anders, da durch      negative Eindruck von der BBU etwas korrigiert und
          die schnelle und holprige Umstellung schwer ein-        mehr Vertrauen in eine professionelle Arbeit aufge-
          zuschätzen war, mit welchen Auftragsdimensionen         baut werden konnte.
          zu arbeiten sein wird. Die während der Umstellung
          fehlende Vorbereitungszeit machte sich daher in
          den ersten Monaten recht rasch bemerkbar, da man
          beim Kontakt mit der BBU die organisatorischen und
          personellen Schwierigkeiten bemerkte.

          Holpriger Start der Rechtsberatung

          So machte es im Jänner 2021 bereits den Eindruck,
          als seien die Terminkoordinationen bei der BBU-
          Rechtsberatungsstelle sehr chaotisch, da Termine             Jedoch saß man schließlich
          vertauscht oder nicht richtig eingetragen wurden.
          Nach mehrmaligen Überprüfungen und Nachfragen
                                                                          in einer Rechtsberatung,
          wurde einem vor Ort dann der richtige Termin bestä-            in der die/der zuständige
          tigt, jedoch saß man schließlich in einer Rechtsbe-
          ratung, in der die/der zuständige Rechtsberater:in            Rechtsberater:in keinerlei
          keinerlei Informationen über das betreffende Asyl-               Informationen über das
          verfahren hatte bzw. im Beschwerdeverfahren nicht
          einmal den erstinstanzlichen Bescheid zur Vorberei-           betreffende Asylverfahren
          tung auf das Beratungsgespräch vorab erhalten hat-
          te. Folglich stellten sich die Beratungsgespräche so
                                                                        hatte bzw. im Beschwerde-
          dar, dass die Rechtsberatung während dem Termin                   verfahren nicht einmal
          erstmalig anfing, den teilweise über 100-seitigen Be-
          scheid zu „überfliegen“, um überhaupt eine Orientie-              den erstinstanzlichen
          rung zu erhalten, welche Rechtsmittel nun benötigt            Bescheid zur Vorbereitung
          werden und was dem/r Asylwerber:in überhaupt ge-
          sagt werden kann, wobei die Beratungstermine da-             auf das Beratungsgespräch
          durch unnötig in die Länge gezogen wurden sowie                    vorab erhalten hatte.
          die Asylwerber:innen irgendwann schon selbst auf
          die rechtlichen Argumente im Beschwerdeschreiben
          hinweisen mussten.

12
flucht und asyl

Traiskirchen ist voll, Plätze in                         geldleistungen offen hatten, hatten zugleich nur sehr
den Bundesländern bleiben leer                           „krumme Restbeträge“ offen, wie z.B. 0,82 € oder
                                                         9,73€ für einzelne Monate. Trotz allem führten die
Einen ähnlich überforderten Eindruck machte jedoch       UMF nach den Zuweisungen jedoch keine Kleidungs-
auch die Bundeserstaufnahmestelle Traiskirchen,          stücke mit sich, sondern kamen nur mit der Beklei-
von der man mitbekam, dass unbegleitete minder-          dung in den Betreuungseinrichtungen an, die sie am
jährige Flüchtlinge (UMF) dort wohl mehrere Monate       Leib trugen (zumeist zu große/kleine Hausschlap-
lang untergebracht seien, ohne in die Länder mit frei-   fen, ein T-Shirt und eine kurze Hose).
en UMF-Kapazitäten zugewiesen zu werden. Lange
Zeit war unklar, woran diese langen Wartezeiten hin-     Im Gespräch gaben die UMF zugleich an, dass sie
sichtlich der Zuweisungen von UMF lagen, begründet       in Traiskirchen nie Bekleidungsgeldleistungen aus-
wurden diese jedoch mit Corona-Schutzmaßnahmen           bezahlt bekommen hätten und sich nicht erklären
und langen Quarantäne-Zeiten, da minderjährige           könnten, weshalb ihnen von der Grundversorgung
Asylwerber:innen wiederholt mit positiv getesteten       dafür die Leistungen nach der Zuweisung eingestellt
Personen zusammengelegt wurden. Nach einem hal-          werden. Nach mehrwöchigen Recherchen stellte
ben Jahr änderte sich jedoch auch die Zuweisungs-        sich heraus, dass die BBU wohl gebrauchte Klei-
geschwindigkeit von UMF in die Bundesländer, zumal       dung aus der Kleiderkammer beziehe und diese den
die Asylantragszahlen unerwartet schnell stiegen         in den Bundesquartieren untergebrachten Asylwer-
und die Platzkapazitäten des Bundes schnell knapp        ber:innen zur Verfügung stellt. Jedes Kleidungsstück
wurden.                                                  würde dann in ein entsprechendes Preissegment fal-
                                                         len, welches folglich vom jährlichen Bekleidungsgeld
Durch folglich sehr beschleunigte Zuweisungen kam        abgezogen werden und die „krummen“ Restbeträge
es in weiterer Folge jedoch dann dazu, dass UMF          verursachen würde. Wie viel vom jährlichen Beklei-
ohne weiße Aufenthaltsberechtigungskarte und nur         dungsgeld abgezogen wird, hängt von der Menge
mit den grünen Verfahrenskarten in die Landesquar-       und Art der Kleidungsstücke ab, die sich die Asylwer-
tiere umverlegt wurden. Dies hatte wiederum zur Fol-     ber:innen in der Kleiderkammer aussuchen würden.
ge, dass die Einrichtungsträger die weißen Aufent-       Eine Unterschrift oder Dokumentation darüber, was
haltsberechtigungskarten gemeinsam mit den UMF           und wie viel Kleidung die Asylwerber:innen erhalten
sehr aufwendig über das BFA besorgen mussten, um         haben, steht später nirgends zur Verfügung.
die Klient:innen überhaupt in der Betreuungseinrich-
tung anmelden zu können, da die grünen Verfahrens-
karten vom Meldeamt nicht akzeptiert wurden.

Das Bekleidungsgeld für 2021 ist aufgebraucht
                                                                Wünschenswert wäre,
Mit den langen Wartezeiten in Traiskirchen standen
auch die erteilten Geldleistungen der Grundversor-            dass ... mit den einzelnen
gung im Zusammenhang. So kam es bei fast allen
Zuweisungen zu der (meist wochenlang verspäteten)
                                                              Landesregierungen sowie
Meldung, dass die im Jahr 2021 zugewiesenen UMF                auch mit den Trägern in
ihre gesamten Bekleidungsgeldleistungen des Jah-
res 2021 vollständig oder zu einem Großteil bereits            den Austausch getreten
im Bundeserstaufnahmezentrum Traiskirchen aus-                wird, um auch strukturelle
gezahlt bekommen hätten und somit von den Trä-
gern nicht mehr ausgezahlt werden dürfen.                      Verbesserungen zeitnah
                                                              und ressourcenschonend
Die unerfreulichen Folgen waren, dass die UMF für
das ganze restliche Jahr kein Geld mehr erhielten,                in die Wege leiten
um sich Kleidungsstücke kaufen zu können und die
Träger auf den Kosten der bereits ausgezahlten Leis-
                                                                      zu können.
tungen „sitzenblieben“, da diese mit der Grundver-
sorgung nicht mehr abgerechnet werden konnten.
All die UMF, die noch wenige Monate Bekleidungs-

                                                                                                                       13
flucht und asyl

          Das Unfaire dabei: Die Asylwerber:innen werden im           de, ohne dass auf die zur Verfügung stehenden Res-
          Bundesquartier nicht darüber aufgeklärt, dass die           sourcen und Möglichkeiten Rücksicht genommen
          Annahme der gebrauchten Kleiderspenden eine Re-             wurde. Positiv muss man zugleich auch anmerken,
          duktion ihrer späteren Geldleistungen zu bedeutet           dass die BBU sich stets sehr kritikfähig zeigte und
          hat. Folglich haben sie nach der Zuweisung keine            an Feedback interessiert war. Der BBU war von An-
          Kleidung bzw. keine Mittel zur Kleidungsbeschaffung         fang an klar, dass nicht alles optimal laufen wird,
          mehr, sodass die betroffenen Träger der Betreuungs-         weshalb auch schnell Feedback-Möglichkeiten ge-
          einrichtung ihre UMF auf eigene Kosten mit Sommer-          schaffen wurden. Wenn man Missstände transpa-
          und Winterkleidung ausstatten müssen.                       rent deponierte, wurden diese zumindest ernst ge-
                                                                      nommen und direkt weitergeleitet, wenn auch nicht
          Bei allen Trägern, die nicht über entsprechende             gleich eine Änderung möglich war.
          finanzielle Puffer aus z.B. Spendengeldern verfü-
          gen, fällt leider auch diese Möglichkeit weg. Diese         Wünschenswert wäre es, wenn diese Haltung der
          Kosten beschränken sich jedoch nicht nur auf die            BBU fortlaufend aufrechterhalten werden kann, so-
          Ausstattungskosten, sondern bedeuten auch in der            dass weiterhin an einem Kinderschutzkonzept für
          monatlichen Verrechnung mit der Grundversorgung             UMF sowie schnellen, österreichweit einheitlichen
          einen deutlich höheren administrativen Aufwand für          Regelungen bzgl. der Zuweisungen und der Leistun-
          das Personal, da nicht nur je nach aktueller Bele-          gen von Asylwerber:innen gearbeitet werden kann.
          gung bzw. unterschiedlichen Abzügen jeden Monat             Wünschenswert wäre, dass dabei mit den einzelnen
          die Abrechnung anders vorgenommen werden muss,              Landesregierungen sowie auch mit den Trägern in
          sondern da auch die ganzen Cent-Beträge in der Ab-          den Austausch getreten wird, um auch strukturelle
          rechnungsdarstellung (z.B. verpflichtende Splittung         Verbesserungen zeitnah und ressourcenschonend in
          von Brutto/Netto) einen höheren Arbeitsaufwand zur          die Wege leiten zu können.
          Folge haben. Ein System, das von der BBU zwar bzgl.
          der Ware nachhaltig geplant, jedoch nicht zu Ende
          gedacht ist.                                                                                     Meline Mazinjan

          Fazit
                                                                          Meline Mazinjan ist die Pädagogische Leitu
                                                                                                                         ng
          Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die                 vom Clearing-house, Betreutem Wohnen
                                                                                                                    und dem
          BBU seit Anfang des Jahres viel Kritik entgegenge-              Gastfamilien-Projekt sowie Projektleitung
          bracht bekam, die größtenteils auch dem Umstand                                                           von
                                                                          MINERVA, Einrichtungen des SOS Kinderdo
          geschuldet ist, dass die Umstellung auf politischer                                                        rf.
          Ebene so ungeordnet und überstürzt umgesetzt wur-

          Kontakt:
          Clearing-house Salzburg, Schwanthalerstr. 43A, 5026 Salzburg,
          Tel.: +43 (0)662/63676615, Mobil: +43 (0)676/88144671, Mail: meline.mazinjan@sos-kinderdorf.at

14
flucht und asyl

KEINE AUFENTHALTSBEWILLIGUNG
FÜR NEUGEBORENE

Renate Roittner und Josef P. Mautner schildern die finanzielle Notlage, in die
Familien geraten, solange sie auf eine Aufenthaltsbewilligung ihrer neugeborenen
Kinder in Österreich warten. Und sie zeigen einen Lösungsansatz auf.

Die aufenthaltsrechtliche Situation der neugebore-         mehr bezahlen. Familie N. war in dieser Zeit auf
nen Kinder von Eltern, die nicht die österreichische       private Unterstützer*innen sowie die Unterstützung
Staatsbürgerschaft besitzen, ist prekär und bringt         von NGOs und Sozialeinrichtungen angewiesen.
häufig existentielle Notlagen für die Familien mit
sich. Längere Wartezeiten auf die Aufenthaltsbewil-        Ohne Aufenthaltsbewilligung
ligung des neugeborenen Kindes führen dazu, dass           keine Familienbeihilfe
die Familien monatelang wichtige Sozialleistungen
wie Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld nicht        Ein weiteres Problem war und ist die Umstellung
erhalten und in soziale Notlagen geraten. Die Leis-        der Auszahlung der Familienbeihilfe auf eine zent-
tungen werden zwar nach der Zuerkennung nach-              rale Auszahlung durch Wien. Dadurch hat sich die
gezahlt, aber die Familien haben in der Regel keine        Bearbeitungszeit der Anträge aufgrund der Pande-
Ressourcen, um diesen Zeitraum zu überbrücken.             miesituation und wegen Personalmangels zusätzlich
                                                           verzögert. Nicht alle können von privaten Spender:in-
Ein Beispiel dafür ist die Situation der Familie N. Bei-   nen oder Sozialeinrichtungen unterstützt werden.
de Eltern sind nicht österreichische Staatsbürger:in-      Fehlt diese Unterstützung, müssen sie teure Kredite
nen: Der Vater ist EU-Bürger, die Mutter ist anerkann-     aufnehmen, oder es droht eine Delogierung und Ob-
ter Flüchtling und lebt mit einem Konventionspass in       dachlosigkeit. Denn die Geschichte von Familie N.
Österreich. Beide sind legal in Österreich aufhältig.      ist kein Einzelfall, und es betrifft auch nicht nur Neu-
Das Kind wurde im Herbst 2020 geboren. Zu diesem           geborene.
Zeitpunkt war die Familie aufgrund der Situation in
der Pandemie ohne regelmäßiges Einkommen. Das              Einer tschetschenischen Familie mit Konventions-
Kind hat – gemäß dem Abstammungsrecht nach                 pass wurde für zwei ältere Kinder die Familienbeihil-
dem Vater – eine EU-Staatsbürgerschaft. Die Frau           fe nicht ausbezahlt, weil noch geprüft wurde, ob sie
hat Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld - aber erst,         weiter in Österreich aufhältig seien. Damit fehlten
nachdem ihr die Familienbeihilfe zuerkannt worden          der Familie ca. 400 Euro monatlich zum Familien-
ist. Familie N. hat den Antrag auf Familienbeihilfe        einkommen. In der Beratungstätigkeit von aktion
ca. 1 Monat nach der Geburt des Kindes gestellt,           leben salzburg mehren sich solche Fälle, in denen
konnte jedoch zunächst keine Familienbeihilfe zu-          aufgrund der langen Wartezeiten auf die Aufenthalts-
erkannt bekommen, weil noch keine Aufenthalts-             bewilligung und die Familienbeihilfe des Kindes exis-
bewilligung für das neugeborene Kind vorhanden             tentielle Notsituationen für Familien mit neugebore-
war. Die Zuerkennung der Aufenthaltsbewilligung            nen Kindern entstehen.
verzögerte sich und erfolgte erst im Mai 2021. D.h.
man musste mehr als ein halbes Jahr auf die Auf-           Eine kroatische Staatsbürgerin, deren Kind Ende De-
enthaltsbewilligung warten, ohne die es keine Fami-        zember 2020 geboren wurde, musste eine monate-
lienbeihilfe gibt; und ohne Familienbeihilfe erhielt       lange Wartezeit auf die Aufenthaltsbewilligung des
die Frau kein Kinderbetreuungsgeld.                        Kindes überbrücken, bis sie Familienbeihilfe und
                                                           Kinderbetreuungsgeld erhielt. Auch für sie war das
Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser            ohne externe Hilfe nicht möglich. Und auch sie ist
langen Wartezeit waren für Familie N. katastrophal:        kein Einzelfall: Kroatische, serbische, bosnische und
Sie hatten keine ausreichenden finanziellen Mittel         rumänische Staatsbürger:innen müssen in der Re-
für den Lebensunterhalt, weder für sich noch für           gel monatelang auf die Aufenthaltsbewilligungen der
das Neugeborene, und sie konnten die Miete nicht           Kinder warten. Außerdem folgt aus dieser Situation

                                                                                                                           15
flucht und asyl

          ein Problem bei der längerfristigen Integration dieser
          Familien: Denn wenn die Eltern – in einer prekären
          finanziellen Situation – die österreichische Staats-               Die wirtschaftlichen
          bürgerschaft anstreben, können sie nicht um Min-
          destsicherung ansuchen. Dann werden Leistungen
                                                                        und sozialen Folgen dieser
          wie Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld zu                langen Wartezeit waren
          einem überlebensnotwendigen Bestandteil des Fa-
          milieneinkommens.                                            für Familie N. katastrophal:
                                                                       Sie hatten keine ausreichen-
          In allen diesen Fällen haben beide Eltern entweder
          einen gültigen Reisepass oder Konventionspass und              den finanziellen Mittel für
          sind – oft schon lange – legal in Österreich aufhältig.      den Lebensunterhalt, weder
          Die tiefere Ursache für die geschilderten Probleme
          ist das in Österreich gültige „ius sanguinis“, d.h.               für sich noch für das
          ein reines Abstammungsrecht im Hinblick auf die
          Staatsbürgerschaft. Das neugeborene Kind erhält
                                                                           Neugeborene, und sie
          die Staatsbürgerschaft der Eltern oder eines Eltern-                konnten die Miete
          teils und nicht die Staatsbürgerschaft des Landes, in
          dem es geboren wird. Dadurch entsteht die bereits                nicht mehr bezahlen.
          benannte Verzögerung bei der Zuerkennung der Auf-
          enthaltsbewilligung. Denn für das Neugeborene wird
          ein Pass aus dem Herkunftsland der Eltern benötigt,
          der häufig mühsam und mit großen Verzögerungen
                                                                    mindest befristet auf ein Jahr – automatisch eine
          zu bekommen ist. Neben den in der Politik vieldisku-
                                                                    Aufenthaltsbewilligung, um die Wartezeit bei der
          tierten integrations- und demokratiepolitischen Pro-
                                                                    Antragstellung und die damit verbundenen sozialen
          blemen bringt ein reines Abstammungsrecht eben
                                                                    Härten für die Familie zu vermeiden.
          auch die hier geschilderten sozialen Problemlagen
          für die Familien mit sich.
                                                                                                       Renate Roittner und
          Befristete Aufenthaltsbewilligung
                                                                                                          Josef P. Mautner
          zur Überbrückung
                                                                     Renate Roittner ist Geschäftsführerin
          Abgesehen von der Debatte um das Staatsbürger-             vom Verein Aktion Leben Salzburg.
          schaftsrecht gibt es einen anderen, pragmatischen
          Lösungsansatz, den wir für jene Fälle fordern, in
          denen die Eltern einen legalen Aufenthalt in Öster-
                                                                     Josef P. Mautner ist Gründungsmitglied
                                                                     der Plattform für Menschenrechte und Mitg
          reich besitzen: Ein in Österreich geborenes Kind mit                                                    lied
                                                                     des Koordinierungsteams, freier Schriftste
          einer österreichischen Geburtsurkunde erhält – zu-                                                    ller
                                                                     und Lektor.

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