PANDEMIE - schwerpunktausgabe 2020 finanzen, wirtschaft & politik - FRC - Finance & Risk ...
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11-12/2020 schwerpunktausgabe 2020
finanzen, wirtschaft & politik
Der Weg von der
Hirnlosigkeit weniger
zur Arbeitslosigkeit vieler
ist ein kurzer!
Harald Mahrer
PANDEMIE
AUSWIRKUNGEN AUF GEMEINDEFINANZEN,
GESUNDHEITSWESEN, DIGITALISIERUNG UND AUSBILDUNG
MEHR
GERECHTIGKEIT:
KRISENKOSTEN
FAIR TEILEN!
Mehr Sparen können wir uns nicht leisten.
Uns alle hat die Coronakrise schwer ge-
troffen. Aber es ist auch klar geworden,
wie systemrelevant die Arbeit unserer
KollegInnen bei den Gemeindebediens-
teten, in Kunst, Medien, Sport und freien
Berufen ist. Die Folgen der Krise dürfen
nicht zu Lasten der kritischen Infrastruk-
tur gehen, denn mehr Sparen können wir
uns nicht leisten. Weil‘s für uns alle ums
Ganze geht. Das gesamte Forderungs-
paket: www.younion.at
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EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser! deswegen so bemerkenswert, weil unser Winter nämlich wenigstens so viel Schnee
aller Bundeskanzler damals sein „Es gibt hergibt, dass in den Stunden und Tagen
… und ehrenwerte Männer sind sie alle? schön langsam Licht am Ende des Tun- der ersten Flocken alle Jahre wieder in der
Was hatten der König der Dramatiker Wil- nels“ verkündet hat – bezeichnenderweise Bundeshauptstadt ein völlig unerwarte-
liam Shakespeare und die österreichische gegen Ende der Sommerferien, die unsere tes gröberes Matsch- und Verkehrschaos
Autorin Paula Preradović als Verfasserin Regierung ganz augenscheinlich beson- entsteht. Ebenso vollkommen unerwartet
des Textes „unserer“ Bundeshymne wohl ders intensiv genossen hat. und vor allem unvorhersehbar war offen-
gemeinsam? Richtig, zu ihrer Zeit waren bar während der verdienten zumindest
Frauen in der hohen Literatur noch nicht Wir wollen Ihr Gedächtnis noch etwas zwei Monate Regierungsferien, dass Co-
sehr präsent und deshalb vergaß der Mann mehr bemühen und den Wonnemonat in vid-19 in der kälteren Jahreszeit besser
aus Stratford-upon-Avon bei „So are they Erinnerung rufen, der allerdings an jenem blüht und gedeiht, dass ein (kleiner) Anteil
all, all honourable men“ in „The Tragedy of 6. Mai noch gar nicht so richtig begonnen der Österreicher von Vernunft und Diszi-
Iulius Caesar“ ebenso auf die Damen (wo- hatte, als unser aller Bundeskanzler das plin grundsätzlich nicht allzu viel und mit
bei eine alternative Übersetzung mit „Denn gern gehörte, wahlweise auch gern gelesene fortgeschrittener (Präventions-)Dauer
Brutus ist ein ehrenwerter Mann – das sind Bild von der „Insel der Seligen“ zeichnete: desto weniger hielt?
sie alle, alle ehrenwert“ dem Problem halb- „Weil wir schnell und entschlossen reagiert
wegs elegant auszuweichen scheint) wie haben und die Infektionskurve damit ra- Was wurde aus der hochgelobten Corona-
die verehelichte Paula Molden mit ihrer scher als in den meisten Ländern Europas Ampel mit sehr genauen und detaillierten
Zeile „Heimat bist du großer Söhne“. gesunken ist, haben wir auch im internati- Aufstellungen zu den einzelnen Bezirken?
onalen Vergleich weniger wirtschaftlichen Wie erging es der wohl noch höher gelob-
Die Lyrikerin hat ihren Text wohl sehr Schaden genommen. Aber wir können nun ten Corona-App und wie viel Geld wurde
ernst genommen und vor allem gemeint, früher als andere wieder hochfahren und allein mit diesen beiden offensichtlich
während Shakespeare „seinen“ Marc An- rascher aus der Krise kommen.“ nutzlosen Ideen verbrannt?
ton bei dessen Rede an das Volk von Rom Oh ja, es gibt wohl noch einige andere Wieso braucht es in Zeiten der Not dreijäh-
in seinen „ehrenwerten“ Aussagen über Länder, in denen die allgemeine Situati- rige Ausbildungszeiträume, um medizini-
Brutus meisterhaft die scharfe Klinge der on möglicherweise NOCH schlimmer ist, sche Geräte störungsfrei nach bestem Wis-
Ironie führen lässt. „Ich will, was Brutus und ja, wir sind ziemlich früh wieder sehr sen und Gewissen bedienen zu können?
sprach, nicht widerlegen“, schwindelt hochgefahren und inzwischen umso tie- Wieso kann es in Zeiten der Not Lehrer-
Marc Anton rhetorisch großartig, um fer gefallen. Woran könnte das liegen und mangel geben, wenn – nur als Beispiel
das römische Volk peu à peu mit dem wieso haben die dafür verantwortlichen – jeder gutwillige Maturant zumindest
Virus des Zweifels an Cäsars Mörder zu ehrenwerten Männer (und Frauen) nicht Pflichtschüler betreuen und wohl auch
infizieren. (Um schließlich die öffentliche zumindest für ausreichend Schaumstoff belehren kann? Muss man völlig sinnent-
Meinung sieg- und erfolgreich völlig „um- für unser aller tiefen Fall gesorgt, um den- leert und ohne jede Differenzierung alle
zudrehen“.) selben wenigstens halbwegs abzufedern. zumindest tw. schlauen Präventionskon-
zepte negieren? Muss man alle Schulen
Apropos öffentliche Meinung, apropos Shakespeare konnte es noch nicht ken- schließen, wenn doch sowieso viele Eltern
Virus. Erinnern Sie sich noch an den 28. nen, Paula Preradović war verkehrstech- ihre Kinder zur Betreuung abgeben?
August dieses Jahres? Das ist noch gar nisch gesehen auch noch um Jahrzehnte Fragen über Fragen … und alle, alle sind sie
nicht so lange her, dennoch wird Ihnen zu früh „dran“, jenes Problem nämlich, ehrenwert …
der Tag als solcher wohl kaum noch wirk- dass Wiens Autofahrer alle Jahre wieder
lich präsent sein. Er war ja auch (fast) „nur“ „entdecken“, wenn der klimagewandelte Ihre Herausgeber
public 11-12/20
4 INHALT
Inhalt
3 | Editorial
5| Impressum
Debatte 26 | INTERVIEW 2020 war in vielerlei 39 | PERSONALRÜCKSTELLUNGEN
Hinsicht außergewöhnlich – weshalb Personalrückstellungen – der Mazars-
6 |
ORTSGESPRÄCH Plötzlich beneidet – General Manager von Sanofi Öster- Expertentipp erklärt die Anwendung
wie die kleine burgenländische Gemein- reich Wolfgang Kaps dem Jahr 2020 marktkonformer Zinssätze.
de Tschanigraben die Krise meistert. auch positive Seiten abgewinnen kann
erklärt er im public Interview.
8 | COVERSTORY Sofortige Finanz- Technologie & Bildung
spritze notwendig! – Die Gemeinden 28 | UMWELTZEICHEN Wieviel Chemie
müssen in der Krise unter schwierigen steckt in dir?– Experten des Umwelt- SPEZIAL IT
Bedingungen die Daseinsvorsorge bundesamts beleuchten in Kooperati- 40 | HOMEOFFICE Der Homeoffice-
sicherstellen und verlangen vom Bund on mit public aktuelle Umweltthemen. Report – Arbeiten von zu Hause ist
dringend finanzielle Unterstützung. das Gebot der Stunde. Damit das gut
klappt, braucht es die richtige Ausrüs-
12 | PUBLIC RUNDRUF Die im Regen
stehen – dass die Bundesregierung die
Finanzen tung, Vereinbarungen und Disziplin.
essenzielle Rolle der Gemeinden in der 30 | RECHTSTIPP Investitionsprämie – 42 | NETZAUSBAU Der Kabelschacht der
Krise nicht anerkennt und entspre- die Corona Krise stellt die Wirtschaft Zukunft ist aus Kunststoff –Vorteile
chend honoriert, ist frustrierend. vor noch nie dagewesene Herausfor- von Kunststoff in Zeiten erhöhten
derungen und schafft doch gleichzei- Breitbandbedarfs.
14 | E-HEALTH Gesunder Digitalisie- tig auch Chancen. Die Investitions-
rungs-Schub – elektronische Dienst- prämie soll die Digitalisierung und die 43 | GASTBEITRAG Homeoffice als
leistungen bei Ärzten, Sozialversiche- Ökologisierung voranbringen. Zukunft – Arbeiten von zu Hause
rungen und Apotheken bekommen könnte eine große Chance für den
digitale Beine und E-Projekte befinden 32 | LEHRGANG Mehr Qualität, weniger ländlichen Raum sein, meint Maria
sich vor der Einführung. Risiko – ein systematisches Risiko- Zesch von Magenta Telekom.
und Qualitätsmanagement ist wich-
16 | INTERVIEW Die Wahrheit ist den tiger denn je, ein Lehrgang vom KDZ 44 | PLAUDERNETZ Plauderangebot –
Menschen zumutbar – Dr. Rainer soll Entscheidungsträger öffentlicher eine Initiative für Menschlichkeit und
Grass, Neurologe und Psychiater im Einrichtungen unterstützen. gegen Einsamkeit in dieser Krise.
Interview zum Umgang mit der Pande-
mie, den psychischen Auswirkungen, 33 | GEMEINDEFINANZEN „Eisberg SPEZIAL AUSBILDUNG
den Schutzmaßnahmen und einer voraus!!!“ Für kommunale Haushal- 46 | CORONA-APP Corona-Nachver-
eventuellen Impfpflicht. te – wie es Städten und Gemeinden folgungs-Apps – wie der Informati-
gelingen kann, doch noch das Ruder onsaustausch bei uns und mit den
18 | ANDERSWO Wankende Türme – herumzureißen. Mitgliedstaaten in der EU helfen soll,
die fiskalischen Auswirkungen der die Ausbreitung des Virus zu verringern.
Corona-Krise auf die Gemeinden sind 36 | BANKEN-RUNDRUF Was für ein
auch in Deutschland dramatisch. Jahr – public hat die Experten gefragt, 47 | FORSCHUNG Demographie-
wie es mit Aussichten für 2021 Forschung – die FH Kärnten erhebt
20 | MEDIKAMENTENENGPÄSSE aussieht, und was aktuell zum Thema Grundlagen für regionalpolitische
Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Nachhaltigkeit zu sagen ist. Entscheidungen im Hinblick auf die de-
– Was sind die Ursachen für Medika- mographische Ausgangslage in Kärnten.
mentenengpässe und was wird in der
EU künftig dagegen unternommen.
Wie hat die Corona-Krise das Problem
verschärft bzw. was kommt in Bezug auf
VRV-Sonderausgabe
Alle vier public-Online-VRV-Sonderaus-
die langersehnte Impfung auf uns zu?
gaben können Sie als E-Paper auf unserer
website ansehen.
Gemeindeindex
25 | BRIEF AUS BRÜSSEL Was Corona mit Die vierte Ausgabe ist am 30.9. 2020 Bad Häring | 54 Mittersill | 55
der EU macht – eine Pandemie schreit erschienen – zum Thema: „Der erste Rech- Gablitz | 9 Salzburg | 10, 13
geradezu nach grenzüberschreitenden, nungsabschluss 2020 gemäß VRV 2015“. Halbturn | 9 Schwechat | 9
gesamteuropäischen Lösungen und Klagenfurt | 10, 13 Steyr | 8, 12
» http://www.gemeindemagazin.at/
Solidarität. Was ist schon geschehen Mattighofen | 55 Tschanigraben | 6
magazin_detail.php?ID=1107
und wo geht der Weg in der EU hin? Mauerkirchen | 54
5
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8 | Coverstory
SPEZIAL AUSBILDUNG
48 | FACHHOCHSCHULEN Digital
hereinspaziert! – der Umgang der
Fachhochschulen in und mit der Krise.
51 | GASTBEITRAG Hochschullehre
während Krisenzeiten – Studiengangs-
leiter Mag. Günter Horniak berichtet
wie sich der FH Campus den Verände-
rungen und Herausforderungen stellt.
Alexander Limbach - stock.adobe.com
53 | KRISENVORSORGE Sicherheit für
Gemeinden – Absicherung für Krisen-
zeiten. Vorzeigeprojekte in einigen
Gemeinden zeigen wie es geht.
30 | Rechtstipp
Kompakt
56 | PUBLIC RUNDBLICK
58 | LEKTÜRE UND APP
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Impressum
Medieninhaber und Herausgeber PBMedia GmbH
Geschäftsführung Barbara Habicher, Mag. Peter Rauhofer
Verlags- und Redaktionsanschrift
Lieblgasse 3/Top 9A, A-1220 Wien
Tel. +43(0)1-522 2000, Fax +43(0)1-522-2000-22
Internet www.gemeindemagazin.at
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Chefredakteur Mag. Peter Rauhofer
E-Mail chefredaktion@gemeindemagazin.at
Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe
Prof. Dr. Michael Breitenfeld, Dr. Sabine Cladrowa, Mag.
Michael Dessulemoustier-Bovekercke, Mag. Robert Ertl,
Mag. Günter Horniak, Paul Christian Jezek, Alexandra Kel-
40 | Homeoffice
ler, Mag. Alexander Maimer, Mag. Wolfgang Oberascher,
Mag. Thomas Prorok, Mag. Peter Rauhofer, Mirjam Stöckel,
Dr. Maria Uhl, Mag. Maria Zesch
Redaktion Brüssel Mirjam Stöckel
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Lektorat: Mag. Angelika Mählich
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Abonnement 1-Jahres-Abo: 25,– Euro
Druck Walstead Leykam Druck GmbH & CO KG
Die nächste public Online-Ausgabe
erscheint am 16.12.2020 zum
Thema Finanzwirtschaft.
Die nächste public-Print-Ausgabe Druckauflage
erscheint am 17. Februar 2021. 1. HJ 2020: 25.000
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzei-
tige Verwendung männlicher und weiblicher Wortformen
verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleich-
wohl für beiderlei Geschlecht.
56 | public Rundblick
6 ORTSGESPRÄCH
Plötzlich beneidet
Normalerweise blicken kleine Gemeinden neidvoll auf die großen und das, was die sich alles leisten können. Corona
dreht dieses Vorzeichen um. Nichts ist normal. Und die großen Gemeinden dürfen neidvoll auf Kleinstgemeinden
wie das burgenländische Tschanigraben blicken, wo die Pandemie keine kommunale Schnappatmung auslöst.
VON ALEXANDRA KELLER
K
ennen Sie jemanden, der in Tscha- ÖVP konnte nach der Wahl 2012 zwar 100 Prozent auf Ertragsanteile und
nigraben wohnt? Nein? Vor allem kurzzeitig zwei bescheidene Vertreter Bedarfszuweisungen angewiesene
Österreicher, die keine Südburgen- ins kommunale Gremium entsenden, Kommune finanziell nicht schlecht da.
länder sind und zufällig im Bezirk Güs- doch mit der Wahl 2017 wurde wieder Simitz sagt: „Wir haben einen Polster
sing wohnen, müssen sich nicht wun- die alte Ordnung hergestellt. und können noch eine gewisse Zeit
dern, schämen oder grämen, wenn die überstehen. In der nächsten Zeit ste-
Frage negativ beantwortet wird. Tscha- KEINE GROSSEN AUSWIRKUNGEN. hen keine großen Investitionen an. Die
nigraben ist mit einer Fläche von 1,71 Tschanigraben ist ein beschaulicher Dinge, die uns wichtig waren, haben wir
Quadratkilometern die kleinste Gemein- Ort – fein, klein, viel Wald, viel Ruhe. in den vergangenen Jahren umsetzen
de Burgenlands und die zweitkleinste „Die Häuser stehen einigermaßen weit können.“ Es ist eine bizarre Situation.
Österreichs. Dass sie einen ungarischen entfernt voneinander, jeder hat irgend- Normalerweise blicken die kleinen Ge-
Ortsnamen hat – Sándorhegy – macht wo einen Garten, wo man sich bewegen meinden neidvoll auf die großen – mit
die Nähe zur Nachbarnation deutlich kann“, beschreibt Bürgermeister Simitz ihren satten Möglichkeiten. Corona hat
und es ist auch die Staatsgrenze, an der zwei wichtige Faktoren, die dazu beitra- diese Vorzeichen umgedreht. Nichts ist
sich die Gemeindegrenze ein großes gen, seine Gemeinde zu einem Sehn- normal. Und die Großen dürfen plötz-
Stück weit orientiert. Am 1. Jänner 2020 suchtsort zu machen. Jetzt, wo die Pan- lich neidvoll auf die Kleinen blicken.
wurden in Tschanigraben 65 Einwohner demie die Menschen in engste Räume
gezählt und dieser minimalistische Zu- zwingt und in nicht minder engen urba- AUFGABEN SCHON ERLEDIGT. Der
stand ist es, der spätestens im April 2020 nen Räumen aufgrund der Ansteckungs- Blick in eine der kleinsten Kommu-
begann, zu einem maximalen Vorteil zu szenarien der Hysterie nahebringt. „Bei nen zeigt aber noch mehr. Denn zu
werden. Flugs verteilte die Gemeinde da uns sind keine großen Maßnahmen not- den Dingen, die den Tschanigrabern
etwa MNS-Masken an alle Bewohner. wendig. Das Bewusstsein der Bevölke- wichtig waren und die schon erledigt
Gratis. „Die Zahl unserer Hauptwohn- rung ist auf jeden Fall gegeben, die Pan- wurden, zählt etwa der Kauf und die
sitzler ist überschaubar und die Kosten demie wird ernst genommen, doch hat Erschließung von Baugründen, die
dafür waren es auch“, sagt Ernst Simitz sie bei uns nicht so große Auswirkungen dem entlegenen und lange Jahre unter
und stellt fest: „In Großstädten wäre das wie in Städten“, weiß Simitz. der Abwanderung ächzenden Ort neue
unmöglich, da kann man so etwas nicht Häuser und neue Einwohner brachten.
durchführen.“ Stimmt. Auch die Auswirkungen auf das Bud- „Da sind Jungfamilien zugezogen, die
get sind noch überschaubar. Was die ihre Kinder in den Kindergarten und
Simitz ist Bürgermeister von Tschani- kommenden Jahre bringen, kann in die Schule schicken. So hatten wir uns
graben, Simitz hieß auch sein Vorgän- Tschanigraben zwar genauso wenig das vorgestellt. Die Rechnung ist aufge-
ger und die Gemeinde stach über Jahre vorhergesagt werden wie in Wien, Linz gangen“, erzählt der Bürgermeister, der
damit hervor, dass Vertreter der SPÖ alle oder Innsbruck, doch im Vergleich zu sehr gerne eine Trendwende bestätigt
neun Gemeinderatsstühle besetzten. Die den großen Gemeinden steht die zu – von der Land- zur Stadtflucht: „Vor 10
bis 15 Jahren hat es wenige Interessen-
ten für Bauernhäuser gegeben, die zum
Verkauf standen. Aktuell steht bis auf
ein Objekt kein Haus zum Verkauf.“ Die
Chance, in Zukunft jemanden kennen-
zulernen, der in Tschanigraben wohnt,
bleibt also aufrecht. Schön.
MNS-Masken wurden in
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Tschanigraben kostenlos verteilt.
11-12/20 public
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8
Sofortige Finanz-
spritzen notwendig!
Direkt proportional zu den Löchern in den kommunalen Haushalten ist in den Corona-Monaten die Kluft zwischen
dem Bund und den Gemeinden gewachsen. 2020 und 2021 fehlen bis zu 2,5 Milliarden Euro zur Finanzierung der
Daseinsvorsorge. Der gesunde, runde Alltag der Bürger ist in Gefahr.
VON ALEXANDRA KELLER
N
och schneller als das Virus
grassiert der Frust. „Wir wer-
den finanziell im Regen stehen
gelassen. Man ist als Kommune diesem
unwürdigen Schauspiel ohnmächtig
ausgeliefert“, sagt Gerald Hackl. Hackl
ist Bürgermeister von Steyr, der nach
Linz und Wels drittgrößten Stadt
Oberösterreichs.
oz - stock.adobe.com
COVERSTORY 9
Die Worte Ohnmacht und unwürdig meinde umfallen. Und all die Gewerke,
klingen für sich genommen fast harm- die am Neubau beteiligt wären, durch
los. Und doch ballt sich in ihnen ein die Finger schauen. Und weniger um-
Zu- beziehungsweise Missstand, der setzen. Und weniger Kommunalsteuer
wie ein roter Faden alle Kommunen zahlen. Und weniger sonstige Abga-
Österreichs verbindet und Bürger- ben. Und, und, und.
meisterinnen wie Bürgermeister fes-
selt. Derart bewegungsunfähig sind die Leere Gemeindekassen sind wie eine
Höchstleistungen, die der neuerliche Büchse der Pandora für das gesamte
Lockdown ihnen abverlangt, kaum zu österreichische Lebens- und Wirt-
schaffen. schaftssystem. Trotzdem werden die
Kommunen – wie Bürgermeister Hackl
Noch nie, so scheint es, war die Kluft weiß – im Regen stehen gelassen. Von
zwischen dem Bund und jenen Ge- der Bundesregierung, deren diesbe-
bietskörperschaften, in denen der All- zügliche finanzielle Rettungsmaßnah-
tag der Bürgern stattfindet, in denen men denen auf der Titanic gleichen.
die Kinder betreut, die Alten gepflegt,
die Schüler gelehrt, der Müll entsorgt, RÜCKLAGEN WERDEN AUFGELÖST.
den Notlagen begegnet, die Straßen Den Untergang vor Augen gingen
gekehrt und die Vereine geehrt wer- beispielsweise die burgenländischen
den, so groß wie jetzt. Die gnadenlos Gemeinden jüngst her und lösten
leerer werdenden kommunalen Kas- die Rücklagen des Burgenländischen
sen lassen die Verantwortlichen „vor Müllverbandes auf. Diese Auflösung
Ort“ verzweifeln. war lange Zeit Grund für kleine politi-
sche Hickhacks, doch plötzlich wurde
Entsprechend sind die Maßnahmen, es dringlich. Weil für die Gemeinden
die sie ergreifen müssen. In der Stadt des Burgenlandes bislang kein er-
Schwechat, wo schon rund 15,5 Milli- wähnenswertes Hilfspaket geschnürt
onen Euro fehlen, wurden die Rück- wurde, bezeichnete der Halbturner
lagen angezapft, um über die Runden Bürgermeister und ÖVP-Klubobmann
zu kommen. Was, wenn sie alle aufge- im Landtag, Markus Ulram, die Auf-
braucht sind? Dann werden wohl Ent- lösung der Rücklagen gegenüber dem
scheidungen wie jene in der niederös- KURIER als einen „Akt der Selbsthil-
terreichischen Marktgemeinde Gablitz fe“. Fünf Millionen Euro sind es, um
gefällt, wo der geplante Neubau einer die es da geht. 171 Gemeinden sollen
Veranstaltungshalle gecancelt wurde davon profitieren. Kümmerliche Sum-
und die Gemeinde sich aus Kosten- men, um Löcher zu stopfen.
gründen dazu entschied, doch lieber
die alte Mehrzweckhalle zu sanieren. Am anderen, dem Westende des Lan-
des, hat das Land Anfang November
Die Entscheidung mag vernünftig 2020 ein Finanzpaket in Höhe von
klingen, doch bedeutet sie eben auch, zehn Millionen Euro beschlossen, um
dass die Bürger um einen neuen An- dort den 96 strauchelnden Gemeinden
ziehungs- und Mittelpunkt in ihrer Ge- »
public 11-12/20
10 COVERSTORY
riger, die vielen Rädchen, die das All- des KDZ (Zentrum für Verwaltungs-
tagsleben in den Gemeinden möglich forschung) im Jahr 2018 4,8 Milliar-
machen, weiter rundlaufen zu lassen. den Euro zur Verfügung gestanden.
„Bereiche wie die Ver- und Entsorgung
„Wir haben in der Stadt seit Beginn werden ausschließlich durch die Nut-
der Pandemie an allen denkbaren zer (Gebühren) sowie von Zuschüssen
Schrauben gedreht, um die unmit- anderer öffentlicher Träger finanziert
DIE STÄDTE UND telbaren Folgen für die Betroffenen – was auch in der aktuellen Krise
nach Möglichkeit abzufedern“, er- grundsätzlich gesichert ist“, heißt es
GEMEINDEN SIND DIE zählt der Salzburger Bürgermeister im aktuellen, am 12. November 2020
ERSTE ANLAUFSTELLE Harald Preuner. Seine Aufzählung veröffentlichten KDZ-Papier „Finan-
der „Schrauben“ zeigt recht gut, wie zierung der Daseinsvorsorge in der
FÜR ALLE FRAGEN UND nahe die Kommunen dran sind – an COVID-Krise“.
ANLIEGEN, DIE DAS allem: „Über die Öffnungszeiten in
den Kinderbetreuungseinrichtungen, Um die Kommunen am Leben zu
SOGENANNTE ALLTAGS- Mietzinsreduktionen für stadteige- halten, die Bildungseinrichtungen,
LEBEN BETREFFEN! ne Geschäftslokale, Stundungen und Kultureinrichtungen, Straßen- und
Aussetzungen der Gebühren sowie Verkehrsinfrastruktur, Freizeit, Sport
Maria-Luise Mathiaschitz unbürokratische Erweiterungen von oder alles rund ums Wohnen zu fi-
Bürgermeisterin Klagenfurt Schanigärten, Unterstützungen für nanzieren, sind sie auf allgemeine
Unternehmen, die im Lockdown auf Steuermittel angewiesen. Für diese
Lieferservice umgestellt haben, zu- Bereiche der Daseinsvorsorge muss-
sätzliche Busfahrten zu den Stoßzei- ten die Gemeinden im Jahr 2018 drei
ten in der Früh etc.“ Milliarden Euro ausgeben, was rund 59
Prozent der laufenden Ausgaben ent-
Das Krisenmanagement „vor Ort“ wird spricht. „Dazu kamen noch rund zwei
von anderen Vorzeichen angetrieben Milliarden Euro Investitionen, die zu
als jenes der beiden anderen Gebiets- fast einer Milliarde Euro aus Investi-
körperschaften. „Man kann ohne tionszuschüssen (Bund, Länder und
Übertreibung sagen, die Städte und Bedarfszuweisungsmitteln) finanziert
Gemeinden sind die erste Anlaufstelle wurden. Offen blieb eine Milliarde
für alle Fragen und Anliegen, die das Euro, die ebenfalls aus Steuererträgen
sogenannte Alltagsleben betreffen“, (Ertragsanteile, Gemeindesteuern) und
stellt die Klagenfurter Bürgermeisterin Darlehensaufnahmen finanziert wur-
Maria-Luise Mathiaschitz fest. Dass den“, so die KDZ-Experten.
sich das Alltagsleben im Krisenmo-
dus befindet, muss nicht weiter betont AN DER REALITÄT ORIENTIEREN. Im
unter die Arme zu greifen. Die Vorarl- werden. Dass es ein Kraftakt wurde, Jahr 2018 hat das funktioniert. 2019
berger Gemeinden rechnen mit einem dem zu begegnen aber schon und auch. Die Corona-Gemengenlage des
Minus in dreistelliger Millionenhöhe, angesichts der stiefmütterlichen Be- Jahres 2020 aber, in dem die Ein-
allein die schwindenden Einnahmen handlung der Kommunen von Seiten nahmenrückgänge der Gemeinden
aus den Vertragsanteilen schlagen der Regierung sagt Mathiaschitz: „Um – Wien inklusive – bis zu zwei Milli-
heuer mit minus 45 Millionen zu Bu- diese Dienstleistung auch weiterhin arden Euro betragen, weil vor allen
che, für nächstes Jahr wird ein Minus flächendeckend sicherzustellen, ist es relevanten „Mitteln“ (Ertragsantei-
in Höhe von 60 Millionen erwartet. absolut notwendig, auf Bundesebene len, Kommunalsteuern oder Frem-
Und die zehn Millionen sind, was ein Hilfspaket für Städte und Gemein- denverkehrsabgaben), aber auch vor
sie sind. Ein Tropfen auf den heißen den zu schnüren.“ Leistungserlösen aus den Bereichen
Stein. Kinderbetreuung, Musikschulen und
Auf dieses Paket warten die Gemein- Freizeiteinrichtungen ein dickes Mi-
GEMEINDEN SIND ANLAUFSTELLE. den allerdings ähnlich gespannt, wie nus steht, ist anders.
Egal ob im Osten, im Westen, im Sü- die ganze Welt auf einen Corona-
den oder im Norden – der finanzielle Impfstoff. Keiner weiß, wann, und je- Und die Berechnungen der KDZ-Ex-
Corona-Stachel trifft die Kommunen der hofft, dass. Zur Finanzierung der perten sind ernüchternd: „In den Jah-
ins Mark und ohne ein entsprechen- Daseinsvorsorge sind den österreichi- ren 2020 und 2021 fehlen insgesamt 2
des Hilfspaket wird es immer schwie- schen Gemeinden laut Berechnungen bis 2,5 Milliarden Euro zur Finanzie-
11-12/20 public11
Lubo Ivanko - stock.adobe.com
rung der Daseinsvorsorge. Das kom- zu stellen. Das würde die Liquidität Gemeinden müssen unterstützt werden,
munale Investitionspaket des Bundes der Gemeinden sichern und es soll- um die Daseinsvorsorge sicherzustellen.
(KIP) kann dies mit einer Milliarde te auch allen Gemeinden ermöglicht
Euro Investitionszuschuss verteilt auf sein, die Gemeinde-Investitionsmil-
zwei Jahre nicht ausgleichen. Damit liarde in Anspruch zu nehmen. Dies
fehlen den zentralen Bereichen der sichert wiederum Arbeitsplätze und nicht mehr investieren können. Weil
kommunalen Daseinsvorsorge bis zu trägt dazu bei, die Krise rascher zu ihre Kassen leer sind. Spätestens da
1,2 Milliarden Euro.“ überwinden.“ beißt sich das Modell in den Schwanz.
Und verlangt wie alle anderen Ebenen
Die Berechnung gibt der Bundesre- Laut Thomas Weninger, Generalse- auch nach Adaptierungen und Nach-
gierung eine klare Richtung vor. Auch kretär des Österreichischen Städ- schärfungen, die sich an den Reali-
Renate Anderl, Präsidentin der Ar- tebundes, sind derzeit 300 bis 400 täten in den Kommunen orientieren.
beiterkammer, die sich gerade in der Gemeinden von der Investitions- Wo der Frust wächst. Angesichts des
Corona-Krise für eine Stärkung der milliarde ausgeschlossen, weil sie unwürdigen Schauspiels.
Kommunen als essenzielle Garan-
ten in puncto Bildungsgerechtigkeit,
wirksame Armutsbekämpfung oder Auswirkungen der Corona-Krise
die Schaffung neuer Arbeits- und In Summe belaufen sich die Einnahmen-Rück- Euro. Die BZ-Mittel werden durch die geringeren
Ausbildungsplätze einsetzt, sagt: „Es gänge im Jahr 2020 auf 1,0 bis 1,3 Mrd. Euro (1,5 Ertragsanteile um rund 95 Mio. Euro sinken, die
ist dringend notwendig, ein nachhal- bis 2,0 Mrd. Euro inkl. Wien als Gemeinde) – das geringere Landesumlage von rund 50 Mio. Euro
tiges Hilfspaket für Gemeinden zu ist ein Drittel der jährlichen Finanzierung der Da- gleicht dies nur teilweise aus.
seinsvorsorge. Die Ertragsanteile werden im Jahr Im Jahr 2021 werden die Ertragsanteile mögli-
schnüren, um jedenfalls die Versor-
2020 um 10 Prozent gegenüber 2019 sinken – das cherweise wieder um 1,5 Prozent steigen, was
gung der Bevölkerung mit Leistungen ist ein Minus von 750 Mio. Euro. Die Kommunal- auch für dieses Jahr gegenüber 2019 um 700 Mio.
aus der Daseinsvorsorge zu sichern. steuer wird um 6 bis 8 Prozent zurückgehen – ein Euro geringere Einnahmen aus Steuermitteln mit
Aus Sicht der Arbeiterkammer wäre Minus von 155 bis 200 Mio. Euro. Schließlich sich bringt. Auch wenn sich die Kommunalsteuer
es daher vordringlich, eine finanzi- wird auch die Fremdverkehrsabgabe um 30 bis und Fremdverkehrsabgabe wieder teilweise
50 Prozent geringer sein – ein Minus von 120 bis erholen wird, wird auch 2021 ein Minus bleiben –
elle Unterstützung für die Gemein-
165 Mio. Euro. Die Gebührenerlöse sind stabil, bei in Summe von 800 bis 900 Mio. Euro gegenüber
den – inklusive Wien – in der Höhe den Leistungserlösen gibt es jedoch in Bereichen 2019. Weiters ist mit einem Anstieg der Kranken-
von etwa zwei Milliarden Euro für die Kinderbetreuung, Musikschulen und Freizeit- anstalten- und Sozialhilfeumlage zu rechnen.
Jahre 2020 und 2021 zur Verfügung einrichtungen Rückgänge von 50 bis 60 Mio. Quelle: KDZ
public 11-12/2012
Die im Regen stehen
Dass die Bundesregierung die essenzielle Rolle der Kommunen bei der Bewältigung der Krise und der Aufrechter-
haltung „des Lebens“ nicht entsprechend anerkennt, geschweige denn „honoriert“, löst Frust aus. Worum es geht,
und worum es gehen müsste, zeigt der aktuelle public-Rundruf.
VON ALEXANDRA KELLER
Brauchen „echtes Geld“ Unwürdiges Schauspiel
„Die kommunale Ebene hat in „Die drängendste Problematik ist
Markus Wache
beigestellt
den vergangenen Monaten die zweifellos die Finanzierung der
Daseinsvorsorge gesichert, die Pflege, wo wir nicht nur unter
sogenannte kritische Infrastruk- der Abschaffung des Pflegere-
tur wie Müllabfuhr, Gas-, Strom gresses leiden, wo uns der finan-
und Wasserver- wie -entsorgung zielle Entfall bei Weitem nicht
sowie soziale Leistungen haben ersetzt wurde. Wir also als Stadt
hervorragend funktioniert. Das die Mehrkosten zu tragen haben.
ist ein beachtlicher Beitrag für Auch die – zweifellos notwen-
den sozialen Zusammenhalt, digen – oberösterreichweiten
der hier geleistet wurde. Die Bevölkerung hat gese- Gehaltserhöhungen im Gesundheits- und Pflegebereich
hen, dass Städte und Gemeinden auch in Krisenzeiten schlagen auf unsere Finanzen voll durch. Das ist alles
funktionieren. nichts Neues. Wir werden trotzdem finanziell im Regen
Gleichzeitig ist nicht nur der Informationsfluss seitens stehen gelassen. Man ist als Kommune diesem unwür-
des Bundes zeitweilig ins Stocken geraten, sondern leider digen Schauspiel ohnmächtig ausgeliefert. Die Hilfe für
auch die finanzielle Absicherung der Kommunen. Na- Vereine – vom Kultur-, Sozial- bis hin zum Sportverein
türlich sollten auch Städte, Gemeinden und kommunale – ist völlig unzureichend.
Unternehmen in die Hilfsprogramme des Bundes mitein- Dadurch kommen nicht nur viele Vereine in finanzielle
bezogen werden. Schieflage. Noch viel alarmierender: Es kommt das
Aktuell ist Städten, Gemeinden und kommunalen Ehrenamt ins Wanken. Wir haben als sichtbares Zeichen
Betrieben der Zugang zur Kurzarbeit sowie zum Fix- der Wertschätzung und gleichzeitig auch als Motiva-
kostenzuschuss verwehrt. Oberstes Ziel ist jetzt aber, tion für die Funktionärinnen und Funktionäre daher
Unternehmen zu unterstützen und Arbeitsplätze zu im Stadtbudget 2021 eine Erhöhung der Subventionen
schaffen und zu erhalten. Der Ausschluss der kommu- sämtlicher Vereine um 10 Prozent veranschlagt. Trotz
nalen Unternehmen ist vor allem dann vollkommen katastrophaler Einnahmensituation. Als Statutarstadt
unverständlich, wenn diese im Wettbewerb am freien bekommen wir laut Landeshauptmann Stelzer aus dem
Markt stehen. Der Finanzminister hat sich dazu noch Topf des Gemeindeinvestitionspaketes 600.000 Euro.
nicht geäußert. Das ist angesichts des Einnahmenrückganges 2020 von
Wir brauchen „echtes Geld“, das nicht durch annähernd allein 6 Millionen Euro bei den Ertragsanteilen und 2
zeitgleiche Steuersenkungen den Gemeinden wieder Millionen Euro bei der Kommunalsteuer nicht mehr
entzogen wird, wie dies beim KIG der Fall ist. Der Öster- als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir sagen aber
reichische Städtebund fordert daher eine zweite Milliarde trotzdem artig danke. Wenn die dramatischen Ein-
zum Ausgleich der Verluste sowie für Investitionen. nahmenrückgänge seitens des Bundes nicht durch ein
Kommunen sollen auch bei der Verteilung der Mittel aus eigenes Hilfspaket für Städte und Gemeinden kompen-
dem Europäischen Aufbauplan (sog. „Recovery Fund“), siert werden, fahren wir alle mit Vollgas gegen die Wand.
aus dem Österreich zwischen 2 und 3 Mrd. Euro erhalten Das Kommunale Investitionsprogramm des Bundes ist
wird, miteinbezogen werden. Zudem gilt es, den Zugang äußerst hilfreich für anstehende Investitionen und ist
der Städte und Gemeinden zur ÖBFA zu ebnen, um sich konjunkturstimulierend. Die Dramatik liegt aber auf der
auch zu Negativzinsen bzw. generell zu günstigen Kondi- Einnahmenseite. Und da rührt die Regierung nicht ein-
tionen zu refinanzieren.“ mal ein Ohrwaschl für die leidgeprüften Kommunen.“
Thomas Weninger Gerald Hackl
Generalsekretär Österreichischer Städtebund Bürgermeister Steyr (OÖ)
11-12/20 publicpublic RUNDRUF 13
Über 20 Millionen minus ihren Urlaub bereits im Lockdown aufgebraucht haben,
ihre Kinder gut versorgt wissen. Die Stadt verzeichnet
„Die Stadt Klagenfurt hat bereits aus den drei genannten Finanzierungsquellen Minder-
Fotostudio Stippich
im Frühjahr bewiesen, dass Kri- einnahmen von rd. 31 Millionen Euro. Dazu kommen
sensituationen bewältigbar sind, coronabedingte Mindereinzahlungen bei den Betrieben
wenn neben der Gesundheitsver- von rd. 5,5 Millionen Euro und Mehrauszahlungen von
sorgung auch die kommunalen rd. 3,4 Millionen Euro. Diese Ausfälle können nicht ein-
Leistungen – Wasserversorgung, fach kompensiert werden. Faktum ist, dass die Stadt 2020
Müllabfuhr und soziale Dienste massiv auf Zahlungsmittelreserven zurückgreifen muss.
– gut und verlässlich funktio- Für 2021 sorgen die KIG-Millionen des Bundes von rd.
nieren. Abseits der Sicherstel- 19,5 Millionen Euro für eine Entlastung. Für die Folge-
lung der lebensnotwendigen jahre wird es eine weitere Unterstützung des Bundes für
Leistungen wird es immer wichtiger, die persönlichen die Gemeinden und Städte brauchen, um coronabedingte
Auswirkungen der Krise auf die Bürgerinnen und Bürger Mindereinahmen, vor allem aus dem Bereich der Ertrags-
einzudämmen. Die Menschen machen sich Sorgen um anteile, kompensieren zu können.“
ihre Zukunft: Ängste um den eigen Job und die daraus Harald Preuner, Bürgermeister Salzburg
resultierenden finanziellen Folgen sind weitverbreitet
– das hat natürlich Auswirkungen auf den Konsum und
die Wirtschaft. Als Stadt können wir den Bürgerinnen
und Bürgern zwar keine Arbeitsplatzgarantie geben, aber Aktion 20.000
durch gezielte Investitionen, wie etwa das Vorziehen von
bereits geplanten Großprojekten, die regionale Wirt- weiterentwickelt
schaft stärken und dadurch Arbeitsplätze absichern. In „Der Ansatz der Arbeiterkammer
Sebastian_Philipp
Klagenfurt rechnen wir mit Mindereinnahmen bei der ist, dass es nicht darum geht, den
Kommunalsteuer in der Höhe von 4,5 Millionen Euro Gemeinden zu verordnen, was
und einem Rückgang der Ertragsanteile von 13 Millionen sie brauchen, vielmehr wollen
Euro. Rechnet man noch den Entfall bei den Kindergar- wir die Bevölkerung miteinbezie-
tengebühren, der Parkraumbewirtschaftung und andere hen, sodass der Bedarf an lokalen
coronabedingten Ausfälle hinzu, sind dies über 20 Dienstleistungen, auch der
Millionen Euro. In vielen anderen Städten und Gemein- Daseinsvorsorge, mitbestimmt
den in Kärnten ist die Situation ähnlich, daher fordere und gemeinsam definiert wird.
ich vonseiten des Bundes ein Hilfspaket, das zumindest Seien es zusätzliche Kinderbe-
die Mindereinnahmen aus den Ertragsanteilen und der treuung, lokale Fahrtendienste, Betreuung von älteren
Kommunalsteuer ausgleicht.“ MitbürgerInnen und Ähnliches. Mit der Aktion 20.000
Maria-Luise Mathiaschitz wurden derartigen Dienstleistungen bereits finanziert.
Bürgermeisterin Klagenfurt Diese wurde leider von der damaligen Regierung einge-
stellt. Die AK hat dieses Modell nun weiterentwickelt.
Im Zentrum unserer Überlegungen stehen vor allem
Standhaftes soziales Netz Personen, die es besonders schwer haben, wieder am
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen – insbesondere während und
„Die Stadt Salzburg hat es 2020 nach der Corona-Krise: konkret also Langzeitarbeitslose
stadt salzburg
und 2021 trotz eines deutlichen und ältere Personen.
Einbruchs der Bundesertrags- Mit dem Modell „Chance 45“ hat die AK einen Ansatz
anteile und verschiedener entwickelt, mit dem für bis zu 40.000 über 45-jährige
kommunaler Abgaben vermie- langzeitarbeitslose Personen sinnvolle Beschäftigungs-
den, Einschnitte im Bereich der möglichkeiten geschaffen werden könnten. Sinnvolle
Daseinsvorsorge vorzunehmen. Beschäftigungen auch deshalb, weil die lokale Bevöl-
So hält das von der Stadt und kerung bei ihrer Schaffung miteinbezogen werden
den hier engagierten Vereinen sollte – die BürgerInnen bestimmen, welche öffentliche
über die Jahre gesponnene starke Dienstleistung in ihrer Kommune geschaffen oder
soziale Netz mit seinen zahlreichen Hilfeleistungen auch ausgebaut werden soll. Diese Arbeitsplätze sollten die
in der Krise stand. Auch bei der Kinderbetreuung hat die Versorgung der Bevölkerung mit sozialen, ökologischen
Stadt rasch auf die Sorgen der Bevölkerung reagiert und und auch kulturellen öffentlichen Dienstleistungen
mit einem umfangreichen Angebot an Leistungen über verbessern.“
die Sommermonate dafür gesorgt, dass die Eltern, die Renate Anderl, Präsidentin AK
public 11-12/2014
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Corona hat alle E-Health-
Themen beschleunigt.
Gesunder
Digitalisierungs-Schub
Die gezwungenermaßen gelebte Distanz verleiht der Digitalisierung im Gesundheitswesen eine enorme Schubkraft.
Elektronische Dienstleistungen bei Ärzten, Sozialversicherungen und Apotheken bekommen digitale Beine. Dort
zumindest, wo die Infrastruktur passt. VON ALEXANDRA KELLER
W
er mit einem tiefgelegten dieser Autobahn verfügen, macht viele, Ausbaus gehen in der Bundeshauptstadt
Rennwagen auf einer Schot- vor allem im Zuge der Corona-Krise not- jedes Jahr volkswirtschaftliche Effekte in
terstraße fährt, hat mehrere wendig gewordenen Digitalisierungs- Höhe von 23,3 Millionen Euro verloren.
Probleme und vor allem das eine: Es Schritte holprig. Weitere 15,4 Millionen Euro fehlen dem
kann nicht mit der Geschwindigkeit Wiener Regionalprodukt, weil Home-
gefahren werden, für die das Auto Ende August 2020 erst hatte eine Stu- office wegen der mangelhaften Breit-
gedacht ist. Sollten Schlaglöcher den die des FTTH Council Europe ergeben, bandversorgung nicht optimal genutzt
Boliden nicht gleich zum Stehen ver- dass Österreich mit diesen mageren werden kann.
dammen. Ähnlich verhält es sich „im Glasfaserzahlen den allerletzten Platz
Internet“, wenn große Datenvolumina unter 39 Ländern in Europa einnimmt. E-HEALTH-DISKUSSION. Die offen-
nicht bewegt werden können oder die Und auch wenn nicht mit blitzschneller kundig miese digitale Basis hemmt lo-
Up- und Downloadgeschwindigkeiten und an Datenvolumen unbegrenzter Ge- gischerweise auch die Leichtigkeit der
derart mager sind, dass ein fließender schwindigkeit gearbeitet werden kann, E-Health-Schritte, deren Takt seit dem
Austausch unmöglich wird. Wird der sieht es punktuell trübe aus. In Wien Frühjahr 2020 zackig geworden ist. Die
Vergleich weitergesponnen, gleicht die etwa, wo die Wirtschaftskammer Mitte Umbrüche auf Gesundheitsebene erhö-
Glasfasertechnik einer Autobahn und September 2020 festgestellt hatte, dass hen den Druck auf den Breitband- und
die Tatsache, dass lediglich 1,9 Prozent fast 40 Prozent der Unternehmen mit Glasfaserausbau in Österreich, handelt
der österreichischen Haushalte und der Breitbandversorgung nicht zufrie- es sich in vielen Bereichen doch um
Unternehmen über einen Zugang zu den sind. Wegen dieses unzureichenden neue Wege, die auch nach Überwinden
11-12/20 publicE-HEALTH 15
der Corona-Krise weiter beschritten spielsweise, einem Pilotprojekt, das gewickelt und selbst wenn die Abrech-
werden. „68 Prozent der Ärzte betreuen vorgezogen wurde, um Anwendbar- nung der Rezepte mit den Apotheken
heute mehr Patienten telemedizinisch keit, Akzeptanz und Funktionalität schon seit 2005 elektronisch passiert,
als vor der Krise“, berichtete Thomas der ersten technischen Lösungen zu mussten bis zuletzt jeden Monat sechs
Holzgruber, Direktor der Ärztekammer testen. Mit der Grippeimpfung. Der Tonnen Papier von einem Ort zum an-
Wien, Ende September 2020 im Rah- elektronische Impfpass soll den Pa- deren bewegt werden. Tonnen, die mit
men der SV-Lounge, einer Diskussion in pierimpfpass ersetzen und Gesund- dem e-Rezept wegfallen.
der Wirtschaftskammer Wien. Experten heitsminister Rudolf Anschober ver-
des Gesundheitswesens waren geladen, lieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass Eine temporäre und ausschließlich mit
um über die Digitalisierung im Gesund- die Technik bis zum Eintreffen der der Pandemie zusammenhängende
heitswesen zu sprechen. E-Health war Covid-19-Impfungen im Jahr 2021 aus- Neuerung war und ist die telefonische
das Schlagwort. 2005 hatte es in Ös- gereift und in der Anwendung breit Krankmeldung. Im Frühjahr 2020
terreich mit der Einführung der elekt- akzeptiert ist, da damit ein besserer war die Möglichkeit, ohne Arztbe-
ronischen Krankenversicherungskarte Einblick in die Durchimpfungsraten such krank geschrieben zu werden,
(e-Card) erste Formen angenommen, möglich und das Krisenmanagement eingeführt worden, um die Infekti-
2012 war es mit der Elektronischen verbessert werde. onsgefahren durch direkte Kontakte
Gesundheitsakte (ELGA) ein Stück einzuschränken. Im August war diese
gewachsen. Nicht nur die technologi- 2021 ist auch ein Schlüsseljahr für die Ausnahmezeit zu Ende gewesen, nur
schen, sondern insbesondere auch die Einführung beziehungsweise das „brei- bei Coronavirus-Symptomen galt sie
strukturpolitischen Chancen wurden te Ausrollen“ der e-Rezepte. Seit 2007 weiter und nachdem die Infektions-
von den Verantwortlichen im Zusam- wurde diese digitale Form der Medika- zahlen wieder durch die Decke gingen,
menhang mit allen E-Health-Themen menten-Verordnung vorbereitet, 2019 wurde im Zusammenspiel mit den
besungen. Corona machte Dampf. erst in „Vollbetrieb“ genommen und mit Sozialpartnern beschlossen, den ent-
Ausbruch der Pandemie breit genutzt. scheidenden Telefonanruf wieder zu
E-PROJEKTE-EINFÜHRUNGEN. Bei Pro Jahr werden in Österreich 110 Milli- ermöglichen. Vorerst bis Ende März
der Einführung des e-Impfpasses bei- onen Medikamenten-Verordnungen ab- 2021.
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liche Gesundheit und die Umwelt unbe-
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Minuten können die behandelten Räume entfernt Viren und Bakterien gründlich.16
Die Wahrheit ist den
Menschen zumutbar
Im aktuellen public-Interview spricht der Wiener Neurologe und Psychiater Dr. Rainer Grass Klartext zum Umgang
mit der Pandemie, ihren psychischen Auswirkungen, den Schutzmaßnahmen und einer eventuellen Impfpflicht. Er
fordert unter anderem, das Ende der Funktionalisierung der Gesundheitskrise für Parteizwecke.
VON ALEXANDRA KELLER
public: Es gibt starke Stimmen in Die unsichere Situation stärkt Ebenso umstritten ist das Tragen
der Medizin, die fordern, dass die polarisierende Standpunkte. von MNS-Masken. Zu Beginn der
Corona-Pandemie entpolitisiert Impfungen – ob gegebenenfalls Pandemie war vielfach – auch von
und in die Hände der Mediziner gegen Covid-19 oder die Grippe – Expertenseite – darauf hingewiesen
gelegt werden soll. Wie stehen Sie werden intensiv diskutiert. Was worden, dass MNS-Masken kaum
zu dieser Forderung? spricht aus Ihrer Sicht für eine Schutz vor Ansteckung bieten –
Dr. Rainer Grass: Eine Pandemie Impfpflicht, was dagegen? Medi- Aussagen, die Maskenverweigerer
erfordert komplexe Management- zinhistorisch spricht alles für eine heute noch zitieren. Wie wichtig ist
strategien auf der Basis der aktuellen Impfpflicht, wenn man eine schwere es, MNS-Masken zu tragen? Betref-
wissenschaftlichen beziehungsweise pandemische übertragbare Infek- fend Schwere einer COVID-Erkran-
medizinischen Standards und deren tionskrankheit mittelfristig aus- kung nimmt man an, dass auch die
Umsetzung durch öffentliche Verwal- rotten will. Beispiele wie Polio und Menge der Erreger bei Übertragung
tung und Politik. Für eine erfolgreiche Pocken – für die es vor Jahrzehnten eine Rolle spielt. Das Tragen einer
Pandemiebekämpfung ist die Schaf- eine Impfpflicht gab – haben dies MNS-Maske kann eine Infektion
fung gesetzlicher Grundlagen, die eindrücklich demonstriert. zwar nicht verhindern, es reduziert
gesundheitsbehördliche Datenver- Erforderlich wäre dazu bei COVID aber wahrscheinlich in Abhängigkeit
waltung und eine Überwachung der eine Impfrate von mindestens 60 der jeweiligen Maskenqualität die
Verordnungen durch die Exekutive bis 70 Prozent der Bevölkerung. Virusmenge („Erregerload“) und
erforderlich. „Entpolitisierung“ im Impfpflicht als „Zwangsanordnung damit das Risiko einer Selbst- und
Sinne von Unterlassung parteipoli- für jeden“ wird so allerdings in der Fremdansteckung beziehungsweise
tisch motivierter Handlungen bezie- heutigen Gesellschaft nicht durch- eines schweren Verlaufes. Daher:
hungsweise Funktionalisierung der führbar sein. Prioritär wird wohl klare Empfehlung pro Maske!
Gesundheitskrise für Parteizwecke ist eine umfassende Aufklärung über
allerdings zu fordern. Das politische den hohen Nutzen einer Impfung Wie wichtig sind/wären in Zusam-
Handeln sollte ausschließlich auf bei äußerst geringem Risiko betref- menhang mit Impfungen, individu-
Expertenempfehlung – also von Epi- fend Impfschäden sinnvoll sein. ellen Corona-Schutzmaßnahmen
demiologen, Medizinern, Soziologen Hartnäckige Impfgegner kann man etc. klare Worte respektive klare
und Statistikern – basieren. allerdings sicher nicht anderweitig Erklärungen von Seiten der Ver-
überzeugen. Impfpflicht ist meiner antwortlichen – auch im Sinne der
Meinung nach zwingend erforder- Feststellung Ingeborg Bachmanns
lich im Bereich der Gesundheitsbe- „Die Wahrheit ist dem Menschen
rufe! Ein Impfnachweis als Voraus- zumutbar“ – oder ist sie’s nicht?
setzung einer ausgeschriebenen Impfung alleine wird nicht genügen.
Stelle wäre denkbar. Denkbar wäre Bisherige Maßnahmen, wie Masken-
auch ein zwingender Impf/COVID- tragen, Hygiene und Distanzhalten,
INTERVIEW Immunitätsnachweis im internati- werden auch in den kommenden
onalen Flugverkehr. Aktuell kann Jahren notwendig bleiben. Zumal
OA Dr. Rainer Grass
Neurologe und Psychiater man beispielsweise ohne Nachweis – basierend auf Erfahrungen mit
einer Gelbfieberimpfung in viele der Influenzaimpfung – von einer
» www.neurologe-grass.at Länder schlichtweg nicht einreisen. Impfrate deutlich unter 50 Prozent
11-12/20 publicINTERVIEW 17
Bedrohung auftritt, ist, im weiteren
Verlauf findet sich oft die Tendenz,
beigestellt
Der Wiener Neurologe und die Gefährdung nicht mehr als solche
Psychiater OA Dr. Rainer Grass. wahrzunehmen beziehungsweise
sie zu bagatellisieren. Die Corona-
Pandemie hat deutlich sowohl die
positiven als auch die negativen
Aspekte menschlichen Verhaltens
Erleben Sie es so, dass die Pande- demaskiert. Für die Bewältigung der
mie und alles, was dazu gehört, in naher Zukunft erwartbaren durch
bereits vorhandene Ängste oder den globalen Klimawandel bedingten
psychische Instabilitäten ver- Krisenszenarien bewerte ich die Pro-
stärkt? Teilweise trifft dies zu, vor gnose eher als negativ, da ich derzeit
allem Menschen mit psychiatrischen kein „Wir“ in der Weltbevölkerung
Vorerkrankung erleben gar nicht wahrnehmen kann.
selten die Pandemie als destabilisie-
rend. Gründe dafür beziehungsweise Der Mensch ist ein soziales Wesen
für die Verunsicherung sind wohl und die staatlich geforderte soziale
unter anderem in einer teils unein- Distanz fördert Einsamkeit – auch
heitlichen und teils widersprüchli- bei jenen, die dieses Gefühl zuvor
chen Kommunikation von Politik und nicht in einer als negativ wahrge-
Medien zu suchen. nommenen Form kannten. Gibt es
einen Punkt, ab dem Einsamkeit
Welchen psychischen „Effekt“ für die Menschen „gefährlich“ wird
haben die Krise bzw. die viel- und sie Hilfe in Anspruch nehmen
schichtigen Krisensituationen auf sollten? Psychiatrische „Kollate-
die Gesellschaft und das, was sie ralschäden“ wie Depressionen und
zusammenhält? Eine Krise kann das Angststörungen sind tatsächlich ein
Gemeinschaftsgefühl in einer Krise, zunehmendes und damit ernsthaftes
wie wir gesehen haben, zumindest Thema beziehungsweise Problem.
kurzfristig stärken und zusammen- Einsamkeit und konsekutiv depres-
der Bevölkerung auszugehen ist. Und halten, bei Fortbestand der Krise sive Symptomatik betrifft vor allem
ja: Aus meiner Sicht ist die Wahrheit überwiegen dann allerdings wieder – aber nicht ausschließlich – die mit
dem Menschen zumutbar, da sonst sukzessive die Individualinteressen modernen Medien nicht so vertraute
das grundlegende Verständnis für die nach dem Motte „jeder ist sich selbst ältere Generation. Bei anhalten-
Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Nächste“. der psychischer Instabilität sollte
von pandemiebekämpfenden Maß- Die menschliche Psyche reagiert definitiv eine professionelle Hilfe in
nahmen nicht ausreichend gegeben oft initial „geschockt“, wenn die Anspruch genommen werden.
sein kann und damit auch nicht
umgesetzt werden.
Mit welchen Ängsten und Sorgen
von Patienten werden Sie in Ihrer
Praxis konfrontiert – und wie
versuchen Sie, dem zu begegnen? DAS POLITISCHE HANDELN SOLLTE AUS-
Ängste und Sorgen sind unter- SCHLIESSLICH AUF EXPERTENEMPFEHLUNG
schiedlich und beziehen sich natur-
gemäß in der Praxis vorzugsweise – ALSO VON EPIDEMIOLOGEN, MEDIZINERN,
auf die gesundheitlichen Aspekte
der Pandemie. Speziell ist die Frage
SOZIOLOGEN UND STATISTIKERN – BASIEREN!
nach individueller Risikoprofilie- Dr. Rainer Grass
rung oft ein Thema, dem begegne
ich mit Aufklärung und Information
auf Basis der aktuellen wissen-
schaftlichen Erkenntnislage.
public 11-12/2018
Wankende Türme
Logisch. Weil Deutschland größer ist, sind es auch die roten Zah-
len, die in den Kommunen des Nachbarlandes im Zuge der Corona-
Krise kompensiert werden wollen. Ein Hauptaugenmerk liegt auf
der Kompensation der mit 11,8 Milliarden Euro bezifferten Gewer-
besteuer-Ausfälle. Gemeinden sollen nicht gezwungen sein, gegen
die Krise anzusparen und Investitionen zurückzufahren.
VON ALEXANDRA KELLER
Denis Feldmann - stock.adobe.com
W
enn Deutschland Trauer dass der Dom – wie die Kapuzinergruft des Doms weiter bestritten werden soll.
trägt, ist er der Ort, wo sich in Wien – als eine der bedeutendsten Die Kuppel, ein historisches Wahrzei-
die Staatstrauer konzentriert. dynastischen Grabstätten Europas gilt. chen deutscher Ingenieursbaukunst,
Im Berliner Dom, der größten evange- Doch der Friede, in dem hier die vielen wankt.
lischen Kirche Deutschlands, fanden Mitglieder des Hauses Hohenzollern
beispielsweise die Staatstrauerakte für ruhen, wurde zuletzt viel zu groß. Ja, AUSWIRKUNGEN AUF KOMMUNAL-
die ehemaligen Bundespräsidenten Ro- dieser Ruhe wohnt sogar ein Hauch FINANZEN. Selbstredend ist die Ber-
man Herzog (2017), Richard von Weiz- Endzeit inne. liner Domgemeinde keine Gemeinde
säcker (2015) und Johannes Rau (2006) im herkömmlichen Sinn, doch eint
statt. Hier wurde der in Afghanistan Der Unterhalt der riesigen wilhelmi- sie mit den klassischen Kommunen
getöteten Personenschützer gedacht nischen Oberpfarr- und Domkirche die Herausforderung, das Rad trotz
und auch der ökumenische Dankgot- ist teuer. Die Domgemeinde ist dafür der coronabedingten Einnahmenaus-
tesdienst zum 50. Jahrestag der Römi- verantwortlich. Lediglich vier Prozent fälle irgendwie am Laufen zu halten.
schen Verträge zelebriert. Der Rahmen ihrer Finanzen stammen aus Kirchen- „Die fiskalischen Auswirkungen der
für derart große Zeichen könnte ehr- steuern, mehr als 80 Prozent aber Corona-Pandemie auf die Kommunen
würdiger kaum sein. aus Eintrittsgeldern zum Dom. Auch sind dramatisch“, hielt der Deutsche
Führungen, Konzerte und Souvenir- Städte- und Gemeindebund (DStGB)
Lange Zeit war das Besucherinteresse Geschäfte tragen zum Erhalt bei. Doch Anfang November 2020 nicht zum ers-
am teils im Stil der Neorenaissance, wegen der Corona-Pandemie sind all ten Mal fest.
teils des Neobarocks erbauten und die relevanten Einnahmequellen weg-
vom prunkliebenden letzten deutschen gefallen. Dieses Loch in der evangeli- Gerade hatte die Bundesregierung
Kaiser Wilhelm II. in Auftrag gegebe- schen Schatulle hat nicht nur zu verita- auf eine sogenannte Kleine Anfrage
nen architektonischen Prachtstück im blen Spannungen im Leitungsgremium der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Berliner Stadtteil Mitte ungebrochen. und zu Rücktritten des Vorsitzenden geantwortet und der Deutsche Bun-
Schließlich verlockt dazu nicht nur der wie seines Stellvertreters geführt. Ak- destag hatte ebendiese Antwort zum
Bau selbst, sondern auch die Tatsache, tuell weiß niemand, wie der Unterhalt Thema „Auswirkungen der Corona-
11-12/20 publicSie können auch lesen
