Live ohne Life - TOTAL VIDEO MARKETING - Horizont
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report TOTAL VIDEO MARKETING HORIZONT 13/2020 26. März 2020 Live ohne Life Live-TV galt vor kurzem als letzte Bastion von linearem Fernsehen. Jetzt muss es ohne Publikum vor Ort auskommen und in jeder Hinsicht kreativ werden hen zu, die Show erzielte einen Markt- „Gleichzeitig sind das kreative Herausfor- FOTO: PRO SIEBEN SAT 1 Von Bettina Sonnenschein anteil von 25,3 Prozent. Sondern auch derungen, die das Fernsehen so lebendig E eine Woche darauf und ganz ohne Men- machen. Es ist kein Zufall, dass gerade s war eine bizarre Show: Noch schen auf den Rängen erzielte das Format jetzt in kurzer Zeit viele neue Showideen eine Woche zuvor waren die zehn beste Werte: 4,14 Millionen Zuschauer entstehen. “ K verkleideten Sänger und Promis waren es nun. von The Masked Singer vor Hun- Tatsächlich gehen die Zuschauerzah- reativ muss derzeit auch Be- derten von jubelnden Studiobesuchern len derzeit überall, wo Bewegtbild drin- zahlsender Sky sein: Der ver- ins Rennen um den Sieg der zweiten Staf- steckt, nach oben. Die Netto-Reichweiten marktet sich zwar schon seit fel gegangen. Sieben Tage später traten sie für lineares TV sind in den vergangenen Jahren als Entertainmentanbie- vor drei Jurymitgliedern und einer Hand- vier Wochen um 4 Prozent im Vergleich ter, ein Großteil seiner Abonnenten hat voll weit voneinander entfernt aufgestell- zum Vorjahr angestiegen, auch die Seh- allerdings einen Vertrag, der Live-Sport ten Masken aus der ersten Staffel auf. Der dauer legte um 5,5 Prozent zu. Und es ist verspricht. Eine Verpflichtung, die der Applaus von vielleicht zwanzig Personen davon auszugehen, dass beide Werte noch Sender mangels Veranstaltungen derzeit verhallte mit leisem Klappen im riesigen weiter ansteigen werden. Einerseits ist das schlicht und einfach nicht einhalten kann. Studio. Zur mentalen Unterstützung Bedürfnis nach Information enorm, was Für die Zeit von vorerst vier Wochen spielte Pro Sieben also Klatschen und Ge- die Tagesreichweiten für die Tagesschau, schaltet Sky darum allen Kunden auch die johle aus der Vorwoche ein. aber auch die zahlreichen Sondersendun- Sender Sky Cinema und Sky Entertain- Gerade noch war die Gattung Fernse- gen rund um Covid-19 zeigen. Anderer- ment frei – vielleicht auch, um eventuel- hen dabei, sich mit Live-Shows gegen den seits sind Kinder und Eltern nun zu len Entschädigungsfragen zuvorzukom- Streaming-Trend zu stemmen. Solche einem Großteil zu Hause und müssen men. Auf den Sportsendern laufen der- TV-Events seien ein „Zeichen einer wie- sich irgendwie beschäftigen. weil Inhalte aus der Konserve. derentdeckten Stärke des linearen Fernse- Dass sie dabei auch auf Ablenkung Und wenn die aufgebraucht sind? hens,“ schrieb HORIZONT im Oktober des durch Show-Unterhaltung setzen, ist klar. Dann stehen manchen TV-Sendern neue vergangenen Jahres (Ausgabe 44/2019). Die Kunst für die Produktion besteht nun Probleme ins Haus, schließlich können Die großen Sendergruppen hatten zu die- darin, gerade Live-Shows so spannend zu derzeit auch nur sehr wenige Formate neu sem Zeitpunkt angekündigt, ihr Live-Re- gestalten, dass die Zuschauer vor dem produziert werden. Super RTL, bei dem pertoire weiter auszubauen, und das mit Bildschirm nicht abspringen, obwohl im sich die Sehbeteiligung bei Schulkindern gutem Grund: Die Reichweiten gaben ih- Studio kaum jemand ist. Bei The Masked (6 bis 13 Jahre) innerhalb einer Woche nen recht. Singer ist das vergangene Woche offenbar verdreifacht hat, ist damit im Bereich Kin- Doch plötzlich ist auch für die Pro- ganz gut gelungen. Und angesichts guter derangebote glücklicherweise kaum kon- duktion von Live-Shows und Sport- Quoten für „Deutschland sucht den Su- frontiert. Den Start einer täglichen Tog- Events, dem zweiten wichtigen Format, perstar“ (RTL) und „Schlag den Star“ go-Nachrichtensendung hat der Sender das von seinem Echtzeitcharakter lebt, (Pro Sieben) am zurückliegenden Sams- dennoch verschoben auf Ende Mai. Und alles anders. Die Bundesliga und auch alle tag scheint erkennbar, dass das Publikum Senderchef Claude Schmit ist überzeugt: anderen sportlichen Ligen sind abgesagt, gewillt ist, auf Stimmung aus dem Studio „In Zeiten wie diesen sind Bewegtbild- in kein Studio dürfen große Menschen- zumindest vorübergehend zu verzichten. inhalte zur Unterhaltung und Ablenkung mengen mehr hinein. Umso erstaunli- „Die Produktion von Live-Shows ist na- ganz besonders gefragt. Wir merken an cher: Nicht nur die erste Folge der neuen türlich in diesen Zeiten komplexer“, sagt der steigenden Sehbeteiligung, wie rele- Masked-Singer-Staffel, bei der noch Pu- Pro-Sieben-Sprecher Christoph Körfer. vant lineares Fernsehen noch immer ist.“ blikum anwesend war, startete mit Spit- Schon gar nicht sei es schön für die Insofern schwingt sich TV in dieser Krise zenwerten: 3,32 Millionen Menschen sa- Künstler, keinen Applaus zu bekommen. vielleicht sogar zu neuen Höhen auf.
28 report TOTAL VIDEOMARKETING HORIZONT 13/2020 26. März 2020 Das OWM-Papier und die Folgen: Wie geht es weiter auf dem beschwerlichen Weg hin zu einer einheitlichen Video-Währung? Schluss mit lustig Management-Attention“. Der große keiner mehr hören. Jetzt ist es an der Zeit, einen dann doch der Verdacht, dass hin- ILLUSTRATION: GSTUDIO GROUP / FOTOLIA; CLAUDIA PAULUSSEN / FOTOLIA; MONTAGE: HORIZONT Von Jürgen Scharrer E Traum, in der Frankfurter AGF-Zentrale zu sagen: Macht mit oder ihr seid nicht ter der freundlichen Fassade eine nicht ist er noch lebendig. Das Integrations- dabei. Wir brauchen jetzt Klarheit, um ganz so freundliche Strategie steckt. s stand in HORIZONT. Unter projekt habe „weltweit Vorbildcharakter den Markt konsequent weiterentwickeln Google und Facebook sind groß darin, in der Headline „Youtube lässt und könnte als Blaupause für die Integra- zu können.“ Wer sich jetzt nicht der Initi- jedem Werbemarkt im ganz großen Stil sich von der AGF messen“ tion von Youtube-Daten in anderen Län- ative „Ein Markt – Eine Währung“ an- Daten einzusammeln. Aber sind sie war zu lesen, dass Youtube dern dienen“, so Niederauer-Kopf. schließe, sitze bei wichtigen Entscheidun- auch groß darin, gemäß ihrer stets so fei- beim Thema Konvergente Vi- Man glaubt der AGF-Chefin sofort, gen eben nicht mit am Tisch und müsse erlich verkündeten „Share-Doktrin“ Da- deo-Währung künftig ge- dass das Projekt alles andere als trivial dann mit den Konsequenzen leben. ten zu teilen? Genau das nämlich ist die meinsame Sache mit der AGF mache, der (sondern hochkomplex) ist sowie die Be- Viel mehr Klartext geht nicht. Jetzt fra- zentrale Forderung der AGF und ihrer Arbeitsgemeinschaft Videoforschung. Ei- mühungen ernsthaft und von hohem gen sich natürlich alle: Wie ernst meint es Gesellschafter: Genauso wie die TV-Ver- ne Einigung liege nach „schwierigen Ver- Sachverstand getragen sind. Jedoch, ganz die OWM wirklich? Und was passiert, markter sollen auch die US-Plattformen handlungen endlich auf dem Tisch“, ein unschuldig sind die deutschen JICs an wenn Google und Facebook nicht endlich Daten ins AGF-System einspeisen. Nur neuer Standard werde neben TV schon dem allseits beklagten Dilemma nicht. einlenken? dann kann das was werden mit Trans- bald auch die Nutzung von Youtube aus- Seit geraumer Zeit liegt ein Konzept des parenz und einer einheitlichen Video- weisen. Deutschland sei „das erste Land, in dem sich Google einem Joint Industry Mediaagentur-Verbands OMG auf dem Tisch, hinter dem auch der Kunden-Ver- 3. Die Mediaagenturen: Währung. Tatsächlich fehlt es nicht an Bekenntnissen von Google, genau diesen Committee anschließt“. Was für eine gro- band OWM steht. Titel: House of JICs. Und wenn man es Weg einschlagen zu wollen. Woran es bis- ße Geschichte! Tatsächlich ist das Nebeneinander von her aber sehr wohl fehlt, sind die dazu Das Problem ist nur: Der erwähnte Ar- AGF, Agof und Agma längst nicht mehr doch lieber sein lässt? passenden Taten. tikel ist alt, nach heutigen Maßstäben, wo zeitgemäß und verursacht Ineffizienzen. Wenn es um das Ziel einer konvergenten Vielleicht macht Google einfach sein ja angeblich alles in sagenhafter Ge- Vor allem Überschneidungen zwischen Video-Währung geht, passt zwischen die eigenes Ding, was angesichts der globalen schwindigkeit voranschreitet, sogar sehr AGF und Agof sorgen für reichlich Ver- beiden Verbände OWM und OMG kein Aufstellung und der strategischen Aus- alt. Erschienen ist der Text im April 2015. druss. Dass man es bisher dennoch nicht Blatt Papier. Wenn man mit führenden richtung ja auch nachvollziehbar wäre. Die Debatte Passiert ist seitdem zwar nicht nichts, aber viel zu wenig. Der große Durch- geschafft hat, das Projekt „House of JICs“ beherzt in Angriff zu nehmen und die Vertretern von Mediaagenturen spricht, sieht das schon ganz anders aus. Für Auf- Längst ist Google dabei, eine eigene Wäh- rung im Markt zu implementieren. Vor zwei Wochen veröffentlichte bruch, nämlich die feierliche Verkün- Kräfte in neuen Strukturen zu bündeln, sehen sorgte vor ein paar Wochen Jürgen Gleichzeitig der OWM und den JICs zu der Kunden-Verband OWM ein dung einer konvergenten Video-Wäh- ist ein ziemliches Armutszeugnis. Blomenkamp, der scheidende Chef von versichern, an branchenübergreifenden Positionspapier, das für einige rung, ist nach wie vor, wenn überhaupt, Group M Germany. Der sprach aus, was – Lösungen mitarbeiten zu wollen, kann Aufregung sorgte. Die drei Autoren Andrea Tauber-Koch (Commerzbank), Kirsten Latour nur ganz weit hinten am Horizont vage zu erkennen. 2. Kundenverband so ist zu vermuten – sehr viele Agentur- manager denken: „Ich glaube einfach stimmen – oder aber bloße Taktik sein, die bisher ja auch perfekt aufgeht. (Klosterfrau) und Christof Baron Für die Werbungtreibenden ist das ein OWM: langsam echt nicht, dass es Sinn macht, pauschale For- (Ex-Sanofi) fordern darin von allen Marktpartnern gemein- echtes Problem. Die wollen eine einheitli- che System- und Messlandschaft, um die genervt derungen an Google und Facebook zu formulieren.“ Zu meinen, man könne 5. Die TV-Vermarkter: schaftliche Anstrengungen, sich auf verbindliche Standards im Verteilung ihrer Media-Budgets optimal Bei der Präsentation des großen Positi- den Werbemarkt in irgendwelche Stan- Zu Unrecht planen zu können. Für Google stellt sich onspapiers legte OWM-Vize Andrea Tau- dards pressen, „halte ich wirklich für eine Video-Markt zu einigen. Ziel sei die Situation dagegen sehr viel entspann- ber-Koch sehr großen Wert auf die Bot- naive Vorstellung“, so Blomenkamp. am Pranger? ein neues Marktmodell („Ein Markt – Eine Währung) sowie ter dar. Auch ohne Einigung mit der AGF schaft: Das hier ist keine Streitschrift, son- Noch deutlicher äußert sich Zoja Pas- Die OWM ist zunehmend genervt von „eine neue Qualität der Zu- entwickeln sich die Umsätze bei Youtube dern die Einladung zum Dialog – und kaljevic. Der ehemalige CEO von Dentsu Google und Facebook – und die TV-Ver- sammenarbeit“. Die OWM nimmt prächtig und wären ohne Coronakrise in zwar an alle. Eine „intensive, partner- Aegis Network (DAN) ist inzwischen als markter, so macht es den Anschein, zu- sowohl die TV-Vermarkter als diesem Jahr voraussichtlich auf über 550 schaftliche Zusammenarbeit aller Markt- Berater in Sachen M&A unterwegs und nehmend von der OWM. Tatsächlich auch die US-Plattformen Google Millionen Euro in Deutschland ange- partner“ sei „alternativlos“. sagt diese Woche in einem Interview mit richten sich die meisten Forderungen im und Facebook in die Pflicht. schwollen. Im Windschatten von Youtube Tatsächlich aber enthält das Papier HORIZONT (Seite 14): „Bei aller Liebe und jüngsten Positionspapier direkt an die Explizit hervorgehoben wird kennen auch die Video-Umsätze von auch jede Menge Brisantes. Etwa die ve- mit großem Respekt: Glauben Sie ernst- TV-Manager. Überhaupt hat es sich ein- erneut die zentrale Bedeutung von Joint Industry Committees Facebook nur eine Richtung: immer hement vorgetragene Forderung an die haft, dass die Google-Manager in den gebürgert, dass die OWM einen betont wie der AGF. schön nach oben. Die Folgen, dass Goo- TV-Vermarkter, ihre Preis- und Markt- USA sagen: Oh, die OWM macht Druck, scharfen Ton anschlägt, wenn sie sich öf- gle und Facebook nur höchst lückenhaft modelle endlich den veränderten Rah- da müssen wir jetzt aber ganz schnell rea- fentlich an Seven-One Media und die Ad auf die Forderungen des Kundenverban- menbedingungen anzupassen, sowie eine gieren? Ein bisschen mehr Realismus und Alliance wendet. des OWM eingehen: nicht existent. sehr grundlegende Kritik an den herr- Bereitschaft zur Veränderung täte unserer Während Seven-One-Media-Vor- Und jetzt? Um ein halbwegs vollstän- schenden Verhältnissen. Gar viel läge im Branche wirklich gut.“ mann Thomas Wagner alles vermeidet, diges Bild zu erhalten, braucht es einen Argen, vor allem fehle es nach wie vor an Wenn es darum geht, den Druck auf was irgendwie kontrovers klingt, und sich Blick auf die einzelnen Protagonisten: „von allen Marktpartnern akzeptierten die US-Plattformen zu erhöhen, sollte lieber auf unverbindliche Statements be- Standards für die Messung, Planung und man wohl nicht unbedingt auf die nach schränkt, gibt RTL-Mann Matthias Dang 1. AGF: Die Analyse von linearen und non-linearen Bewegtbildangeboten“. Zu beklagen sei wie vor sehr mächtigen Mediaagenturen setzen. auch mal deutlich Widerworte. Vergan- gene Woche ließ er sich in HORIZONT fol- unermüdliche Frau ein „lückenhafter Fleckenteppich“, der es gendermaßen zitieren: „Wir deutschen Niederauer-Kopf unmöglich mache, „Kommunikations- leistungen konsistent zu bewerten“. Mit 4. Die US-Plattformen: Player sind anders als die GAFAs kom- plett transparent in JICs organisiert – und Was man der AGF und ihrer Frontfrau einem Wort: Man sei mit einem Zustand Immer schön lächeln und was bekommen wir als Goodie dafür zu- Kerstin Niederauer-Kopf ganz sicher konfrontiert, der so „nicht mehr toleriert rück? Dass die OWM uns an jeder Ecke, nicht vorwerfen kann, ist mangelnder werden kann“. niemals betrübt an der es nicht funktioniert, angreift.“ Einsatz. Das gilt nicht nur, aber ganz be- In dem Papier findet sich aber auch Was die Sache mit den US-Plattformen so Was bleibt als Fazit? Der Streit OWM sonders in der Causa Google/Youtube. eine Passage, die gar nicht oft genug zitiert schwierig macht, ist deren ostentative versus TV-Vermarkter versus US-Platt- Gleich nach dem Erscheinen des Positi- werden kann. Darin werden Google und Freundlichkeit. Auch die deutschen Ver- formen schwelt nun schon eine ganze ons- und Forderungspapiers „Ein Markt Facebook „politische Manöver und Hin- treter von Google und Facebook haben Weile. Wahrscheinlich ist es an der Zeit, in – Eine Währung“ der OWM meldete sich haltetaktiken“ vorgeworfen. Im Interview stets ein verbindliches Lächeln im Gesicht den Verhandlungen mit Google und Niederauer-Kopf öffentlich zu Wort. Ak- mit HORIZONT legten Tauber-Koch, Kirs- und betonen konziliant, natürlich absolut Facebook jetzt ein höheres Risiko zu ge- tuell verhandle man „äußerst intensiv“ ten Latour und Christof Baron, die drei bereit und willens zu sein, mit den deut- hen. Man kann Niederauer-Kopf nur die mit Google über einen Vertrag, das Pro- Verfasser des Papiers, noch einmal nach. schen JICs konstruktiv und vertrauens- Daumen drücken, doch noch eine echte jekt genieße hohe Priorität und bean- „Wir fordern seit fünf Jahren bei jeder voll zu kooperieren. Vereinbarung mit Google hinzubekom- spruche – eine Zahl, die dann doch er- Gelegenheit von den US-Plattformen, Man soll den US-Plattformen nichts men. Klappt das aber nicht, sollte das staunt aufhorchen lässt – „60 Prozent der sich zu integrieren, das kann ja schon bald unterstellen, aber manchmal beschleicht endlich Konsequenzen haben.
30 report TOTAL VIDEOMARKETING HORIZONT 13/2020 26. März 2020 Marken, Organisationen und Medien experimentieren mit dem Hochformat – weil es junge Zielgruppen anspricht Auf der Höhe der Zeit Vertical Video wurde Von André Gärisch lichen. Otto hat im Sommer zur ABBILDUNGEN: U. A. INSTAGRAM; MONTAGE: HORIZONT Challenge #MachDichZumOTTO jahrelang von Kreativen K aufgerufen. User verkleideten sich, und Marketern urz vor Ende des Zweiten Welt- kriegs befindet sich Michail Pe- nen, ohne ihr Gerät wenden zu müssen. Eine Mediabrix-Analyse besagt, dass we- Vorteile der ver- tikalen Ansicht sind, dass sich Personen tanzten in der Öffentlichkeit und stell- ten sich bewusst in nicht-alltäglichen Si- belächelt. Inzwischen trowitsch Dewjatajew in einer niger als 30 Prozent der User ihre Geräte oder längliche Produkte fokussierter und tuationen bloß. Sie posteten binnen sechs hat sich der Wind Ausnahmesituation. Der sow- jetische Kampfpilot führt eine Gruppe seitwärts drehen, um einen Querformat- Spot ansehen zu können; senkrechte Vi- wirkungsvoller darstellen lassen. Der ver- änderte Frame lässt sich spielerisch in die Tagen 60000 Videos, die 160 Millionen Mal aufgerufen wurden. „Die Accounts zugunsten des Gefangener an, die per Flugzeug aus ei- deos schauen sie sich doppelt so oft kom- Handlung integrieren, indem man etwa von ‚WHO‘ und ‚Tagesschau‘ belegen, 9:16-Formats gedreht nem Konzentrationslager fliehen will. Immer wieder spielen sich abenteuerliche plett an. Pop-Künstler waren die Ersten, die das begriffen haben und 9:16-Musik- überraschende Produkt-Komponenten zunächst hinter den Rändern versteckt. dass Generation Z und Millennials sich auch mit ernsthaften Themen auseinan- Szenen ab, Gefahr lauert überall. Schafft videos herausbrachten. Etwa Selena Go- Beispiele für fantasievolles Storytelling dersetzen wollen – wenn die Marke bereit er es, die Blechmaschine in den Himmel mez („Bad Liar“), Lena Meyer-Landrut liefert Konditor Nick Makrides, der auf ist, sich auf deren Interessen einzustel- aufsteigen zu lassen? Der packende Stoff („Don’t Lie To Me“) oder Billie Eilish seinem Instagram-Feed „The Scran Line“ len“, beteuert TikTok. Zu was das führen des russisch-kasachischen Regisseurs Ti- („You Should See Me in a Crown“). Videos von turmartig anwachsenden Ku- kann, zeigt ein „Tagesschau“-Clip, bei mur Bekmambetov, der bereits den Ego- Brands ließen sich davon inspirieren und chen teilt. Das Pariser Animationsstudio dem die Krawatte von Sprecher Jan Hofer Shooter-Actionfilm „Hardcore“ und die ziehen immer mehr entschlossen nach; Parallel zwingt in „Life in Vertical“ auf von Knallgrün über ein Blümchenmuster Snapchat-Serie „Dead of Night“ schuf, ist folglich widmen sich auch Content-Pro- witzige Art Alltagsobjekte in den be- hin zur Sendungs-Optik wechselt. I nicht der einzige USP von „V2 – Escape duzenten vermehrt dem Thema. So grenzten Rahmen. from Hell“. Denn es handelt sich um den gründete das Pro-Sieben-Sat-1-Influen- „Wir können den Aufschwung von nstagram TV strahlt seit Juni 2018 ersten vertikalen Blockbuster. cer-Netzwerk Studio 71 Ende 2018 die Vertical Video bestätigen. Neben Instag- einstündige Videos aus. Youtube hat Die 10-Millionen-Dollar-Produktion Business-Unit Vert – The Vertical Con- ram forcieren Player wie Snapchat und Vertical Video Ads eingeführt, Twit- wird aktuell gedreht und soll Anfang 2021 tent Division. TikTok die Verbreitung“, sagt Ina Mayer, ter und Linkedin testen die Story- D auf die Smartphones kommen; abrufbar Leiterin Social Media Advertising bei der Funktion. Die DFL hat im Dezember auf der digitalen Plattform des größten ie Berliner Digitalagentur Mediaagentur Pilot. „Mindestens die erstmals ein Bundesliga-Match hochfor- russischen Mobilfunkanbieters MTS. Sie Buddybrand, die bereits für Hälfte der Kampagnen-Leistung von Ins- matig aufgenommen. Neue Online-Platt- verkörpert den vorläufigen Höhepunkt Dell, Bayer und Smart Verti- tagram kommt heute aus den Stories.“ formen werden sich mobil ausrichten, so eines Siegeszuges, den noch vor zehn Jah- kal-Kampagnen umgesetzt Vertikale Videos fesseln laut Mayer die auch Quibi, ein 10-Minuten-Clip-Strea- ren niemand für möglich gehalten hätte. hat, diversifiziert sich ebenfalls. „Im ver- volle Aufmerksamkeit: „Das schlägt sich mer, der in den USA bereits Werbeplätze Kreative mahnten, 9:16 sei zu eng, das gangenen Jahr ist die Nachfrage nach ver- in sehr guten Performance-Werten nie- für 150 Millionen Dollar an Konzerne wie Publikum gewohnt, von links nach rechts tikalen Produktionen explodiert. Also ha- der, ob Markenbekannheit, View-Raten, T-Mobile oder Pepsi verkaufen konnte. zu schauen. In einem Youtube-Video aus ben wir uns entschieden, eine Tochterfir- Tausend-Kontakt-Preis, Cost-per-Click, Samsung hat angekündigt, den auf Kon- dem Jahr 2012 mit dem Titel „Vertical ma zu gründen“, erläutert Lars Stark, Cost-per-View oder Cost-per-Order.“ Sie nektivität mit Smartphones optimierten Video Syndrome“ machen sich drei Pup- Kreativchef bei Buddybrand und zukünf- empfiehlt, interaktive Tools wie Abstim- Lifestyle-Fernseher „Sero“ in Deutsch- pen über die Urheber von Hochkant- tiger Geschäftsführer des Ablegers V.916. mungen zu verwenden und Videos nativ land auf den Markt zu bringen – mit Clips lustig. Die Persiflage erzielte inner- Das Format biete enorme Potenziale, einzufügen: „Je dichter sich das Video an drehbarem Display. Schlagen die Verhält- halb eines Jahres 3,2 Millionen Views. denn es fordere, Geschichten von oben der gängigen Nutzung des Kanals orien- nisse demnach um? Noch nicht, denn Aufgrund der Sachlage waren Marken nach unten zu erzählen: „Man muss das tiert, desto besser performt es dort.“ noch lautet die Frage nicht: „Welches For- S nicht bestrebt, sich nach oben durchzu- unbedingt berücksichtigen. Es genügt mat sollte ich nutzen?“, sondern: „Wel- strecken. Seitdem allerdings gewannen nicht, aus einem horizontalen Video ei- eit ihrem Start 2018 wächst die chi- ches Format sollte ich für welchen Kanal Smartphones, Social-Networking-Apps, nen Part ‚herauszuschneiden‘; häufig nesische Vertical-Video-App Tik- nutzen?“ Erst wenn vertikale Film-, Seri- Influencer Marketing und Customer funktioniert die Story nicht mehr oder Tok hierzulande dynamisch. Sie en- und Showproduktionen anziehen Centricity immens an Bedeutung. Für die Elemente gehen verloren.“ soll mittlerweile 5,5 Millionen und sich 9:16 auf dem großen Screen Digital Natives avancierte das Handy zum Für horizontale Inszenierungen beste- User zählen. Daher schließen sich ihr im- etabliert, könnte sich das ändern. wichtigsten Entertainment-Device. he dann die Möglichkeit, ähnlich einem mer mehr Unternehmen an, um junge Smartphone-Nutzer wünschen sich, Comic, untereinander angeordnete Split- Zielgruppen zu erreichen: „Ob Otto, Content nahtlos konsumieren zu kön- Screens zu bilden. „Marken schätzen die BMW, Punica, BVB oder FCB – erfolg- Nähe und Authentizität des Formats. Fa- reiche Kampagnen haben gemeinsam, milienmitglieder, Freunde und Influen- dass sie einen originellen Ansatz wählen, cer filmen normalerweise vertikal. Nutzer Inhalte speziell für die TikTok-Commu- haben gelernt, dass man ihnen echte, ver- nity zu entwickeln“, so die Verantwort- trauenswürdige Informationen und Er- lebnisse hochkant übermittelt“, so Stark.
HORIZONT 13/2020 26. März 2020 report TOTAL VIDEOMARKETING 31 FOTO: PIXABAY Nebenbei statt mittendrin Je nach Plattform und Nutzungsverfassung müssen Werbespots andere Stimmungen bedienen. Eine Studie von Rheingold Salon zeigt die Unterschiede zu konzentrieren – aber ohne ginge es Für Programm-Macher heißt es, Nut- pe genommen, sondern auch Mediathe- Von Bettina Sonnenschein überhaupt nicht! zern in dieser Verfassung so viel wie mög- ken, Streaming-Dienste und Youtube. F Nicht zu unterschätzen ist dabei auch lich Alltägliches zu liefern. Für Werbung- Und auch hinsichtlich der Mediatheken ernsehen, das ist pure Entspan- die Zusatzfunktion von Fernsehen als Ge- treibende ist Imdahls Rat eindeutig: „In konnten die Forscher interessante Fest- nung. Das heißt, sich zurückleh- sellschafter: Läuft das Gerät, sind Stim- dieser Stimmung ist die Offenheit für stellungen machen: So sollte man bei- nen und dem Geschehen höchste men im Raum, die manchem dabei hel- neue Produkte und vor allem für Pro- spielsweise nicht meinen, erklärt Im- Aufmerksamkeit widmen. Und fen, sich nicht einsam zu fühlen. „Psycho- duktinformationen extrem hoch. Das In- dahl, dass es sich bei der Nutzung von das ist absolute Offenheit für jede Form logisch interpretiert, versteht man dann teresse ist da, man unterbricht seine Tä- Mediatheken um einen extrem selbst- von Werbung. So zumindest steht es in auch, warum TV-Bildschirme immer tigkeit und hört genau hin – sofern es sich bestimmten Akt handle: „Der zeitliche wiederkehrenden Werbewirkungsstudi- größer werden“, sagt Imdahl. „Je größer um etwas Neues, Unbekanntes dreht.“ Rahmen, in dem Mediatheken genutzt en der vergangenen Jahrzehnte. Aber ist sie sind, desto eher entsprechen sie der Für die Studie hat Rheingold Salon werden, ist eher klein.“ Es geht den Nut- dem wirklich so? realen Größe eines Menschen.“ aber nicht nur lineares TV unter die Lu- zern meist nicht darum, sich inspirieren TV-Vermarkter Seven-One Media zu lassen, sondern darum, wollte wissen, ob diese allgemein gehalte- schnell die Lücken zu schlie- nen Aussagen wirklich stimmen bezie- Mediennutzungsverfassungen: TV ßen: Serienfolgen nachzu- hungsweise in welcher Stimmung Zu- Aufgaben erledigen müssen Aufgaben wurden erledigt Live dabei sein holen oder den Anschluss schauer sein müssen, damit Werbebot- nicht zu verpassen, stehen schaften ankommen. „Von wegen ent- meist im Vordergrund. Zu spannt“, kommentiert Ines Imdahl, viel mehr seien viele der An- Geschäftsführerin Rheingold Salon. Die gebote allerdings auch gar tiefenpsychologisch arbeitende Agentur nicht in der Lage, so kriti- hat sich der Fragen von SOM angenom- siert die Psychologin insbe- men und war von einem Ergebnis be- sondere in Hinblick auf die sonders überrascht: „TV ist für die Nutzer ■ Häufigste Verfassung, aktive ■ Seltener werdende Verfassung, ■ Emotionale, zentrale Verfassung; öffentlich-rechtlichen Sen- Nebentätigkeit bewusstes Einrichten, Auszeit, Originalzeit wichtig zu einem großen Teil wie eine dauerhafte ■ Funktion: motivierend, unter- der. Mangelnde Funktiona- Kinoähnliches, Konzentration und Nebentätigkeit – das stellt sich in einer stützend, am Leben teilhaben, Entspannung ■ Funktion: mitfiebern, Unmittel- litäten, schwere Auffindbar- Deutlichkeit dar, die wir selbst nie erwar- Lebensbegleitung, Gesellschaft ■ Funktion: Belohnung nach barkeit, dabei sein keit und die verzögerte Be- Tätigkeiten, Ritualisierungen tet hätten“, sagt Imdahl. ■ Werbung: offen für Pro- im Alltag ■ Werbung: offen in Pausen; reitstellung von Inhalten ste- Natürlich gibt es die Lean-back-Situa- duktinfos, wissen wollen, was es ■ Werbung: offen für Marken- Marken als Sponsoren besonders he im Widerspruch mit dem Neues gibt botschaften, Storytelling lebens- und alltagsrelevant tionen, die Nutzungsverfassung, in der Nutzungswunsch. Die so- sich der Einzelne oder auch Familien ge- wieso schon geringe Akzep- Quelle: Seven-One Media, Rheingold Salon HORIZONT 13/2020 meinsam vor dem Gerät versammeln und tanz von Werbeunterbre- sich für erfolgreich erledigte Aufgaben chungen in dieser Verfas- mit einer Art Kinomoment belohnen. sung wird bei den Privaten Dann herrschen Konzentration und Ent- Mediennutzungsverfassungen: Mediatheken, Netflix, Amazon dabei noch verstärkt: „Sie spannung – und eine gewisse Offenheit Verpasstes Nachholen: Mediatheken Alles hinter sich lassen: Netflix Aufgaben wurden erledigt: Amazon wird hier oft extrem schlecht für werbliche Markenbotschaften. Die platziert.“ Derselbe Spot, in- dürfen dann gern auch etwas erzähleri- nerhalb von 30 Minuten bis scher sein, um dem Moment gerecht zu zu 15 Mal wiederholt, teils werden. Aber: Für einen Großteil der an dreimal in einem Werbe- der Umfrage Beteiligten ist TV die meiste block – das wirkt höchstens Zeit eben etwas ganz anderes: ein Moti- auf die Nerven, nicht auf die vator, ein Antreiber, eine unterstützende Produkteigenschaft. E Stimme, die dabei hilft, ganz andere Din- ■ Bewusstes Einrichten, ■ Bewusstes Einrichten in Parallel- ■ Bewusstes Einrichten, zügiges Nachholen welt, Eskapismus, kinoähnlich ge zu erledigen. ■ Lücken schließen, mitreden, ine Konkurrenz zu Ritualisierungen ■ Modernes Familienfernsehen Fernsehen als Motivator? „Beim Bü- nachholen, Anschluss halten ■ Rückbezug zum eigenen Leben Streaming-Angebo- geln mag das noch nachvollziehbar sein“, ■ Weltferne, Ausstieg, Selbstbe- ■ Lebendig-Halten von Altbe- ten stellen Mediathe- ■ Werbung: offen für Mar- stimmung und Ich-Bezug kanntem sagt Imdahl. „Aber beim Lernen? Wie soll kenbotschaften, aber Werbung ken indes nicht dar. das mit der Konzentration funktionie- schlecht platziert, störend, zu ■ Werbung: Werbeoffenheit, ■ Werbung: sehr offen für Trailer Sie dienen tatsächlich zum wiederholend kann Weltbezug herstellen und Produktplacement ren?“ Tatsächlich beantworteten viele Abtauchen und erzeugen die Studienteilnehmer diese berechtigte Fra- Lean-back-Situation, die Quelle: Seven-One Media, Rheingold Salon HORIZONT 13/2020 ge so: Klar sei es dann noch schwerer, sich dem TV nachgesagt wird. Die freie Entscheidung, sich aus dem Alltag auszuklinken, hat allerdings Mediennutzungsverfassungen: Youtube Schnelles Lernen Schnelle Emotionen Was man sehen könnte Zuhören Studien-Steckbrief auch Nachteile: „Sie führt angesichts der Masse der Inhalte zu neuem Druck“, sagt Name: Deep Insights – Wie Video gesehen wird Imdahl. „Die Nutzer haben das Gefühl, (2019) sich regelrecht durcharbeiten zu müssen Auftraggeber: Seven-One Media durch Serien, was auch einen Teil des Bin- Marktforschungsinstitut: Rheingold Salon ge Watchings erklärt.“ Zielsetzung: Nutzungsverfassung von Bewegtbild- Ganz anders sieht es dann bei Youtube medien und ihr Einfluss auf Werbewahrnehmung aus: Eine Vielzahl der dort genutzten For- Erhebungsmethode: morphologische Studie mate – Tutorials, Katzenvideos, lustige ■ Tutorials, Lebenshilfe ■ Emotionale Kurzvideos, Memme ■ Trailer, Filme ■ Musik und Konzerte auf mit Online-Diaries, tiefenpsychologischen Einzel- Kurzinhalte – dient als eine Art Abkür- Youtube als Sonderform interviews und Gruppendiskussionen zung: schnell etwas lernen, sich schnell ■ Rationale Short Cuts ■ Emotionale Short Cuts ■ Werbung: Trailer werden selbst als Werbung verstanden Stichprobe: Online-Tagebücher: 129 Erwachsene emotional aufmuntern, sich schnell ■ Werbung: störend; nur ■ Werbung: offen für Marken- (18 bis 59 Jahre), quotiert nach Geschlecht; davon durch Lachen ablenken lassen, bevor es punktgenaue Produktwerbung botschaften, Storytelling 33 Personen in Tiefenbefragungen (15 Einzel- und wieder ernst wird. Werbung, so Imdahl, 18 Gruppeninterviews) sollte hier sehr bedacht platziert werden Feldzeit: Märzbis April2019in Köln undMünchen und vor allem schnellstens auf den Punkt Auf Werbewirkung-forschung.de: Ja kommen. Quelle: Seven-One Media, Rheingold Salon HORIZONT 13/2020
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