MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz

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MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
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      Italiane  SpA SpA / Spedizione
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                                                Postale         D.L. 353/2003
                                                        / D.L./ 353/2003 (conv.(conv.  in L. 27/02/2004
                                                                                 in L. 27/02/2004  n. 46) n.
                                                                                                          art.46) art. 1, comma
                                                                                                               1, comma    2, CNS 2, CNS Bolzano
                                                                                                                                  Bolzano           Tassa Pagata
                                                                                                                                          / Tassa /Pagata         / Taxe Percue
                                                                                                                                                           / Taxe Percue

                                                                                                                                                                                                                                              Nummer
                                                                                                                                                                                                                                              Nummer 3-4/2009
                                                                                                                                                                                                                                                     2/2021 - 38.
                                                                                                                                                                                                                                                               - 25.
                                                                                                                                                                                                                                                                  Jahrgang
                                                                                                                                                                                                                                                                     Jahrgang

                                                                                                                                                                                       Mitteilungen zum Natur- und Umweltschutz in Südtirol

      mal
 ernährt uns alle
149.262
KLIMASCHUTZ
DANKE
                                                                                                                                                                                      und Umweltschutz
                                                                                                                                                                                  Dachverband für Natur-
                                                                                                                                                                                    Herausgegeben vom
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Ohne Zweifel stellen

    TITEL           Nur wenige Themen haben derartig andauernden und nach-
                    haltigen Einfluss auf unseren Planeten wie die Ernährung. Die
                                                                                                                        Klimaerwärmung und Ver­
                                                                                                                        lust der Biodiversität die
    4               Klimakrise und die Biodiversitätskrise, das Tierwohl und unse-
                    re eigene Gesundheit sind gleich vier globale Prioritäten,
                                                                                                                        größten Herausforderun­
                                                                                                                        gen für unsere Zukunft dar.
                    über die wir beim Einkauf und am Esstisch entscheiden. Er-                                               Laut IPCC liegt der di­
                    nährung ist aber auch Demokratie, denn wir können die Welt                                          rekte Ausstoß von Treib­
                    ringsum jeden Tag ein wenig besser machen, indem wir be-                                            hausgasemissionen der
                    stimmte Lebensmittel auswählen und andere eben nicht.
                                                                                                                        Landwirtschaft bei 9 bis 14 Prozent, in Südtirol so­
                                                                                                                        gar bei 18 Prozent (EURAC Klimabericht). Die
                     3     Zufahrt zur Antersasc-Alm                                                                    Landwirtschaft trägt daher Verantwortung für die
                     7     Fleisch und Ernährung
                                                                                                                        Klimaerwärmung, aber auch für den Verlust der
                     8     Ernährungsstile im Vergleich
                                                                                                                        Biodiversität. Wir Konsumenten können dazu bei­
                     9     Ernährung und gesellschaftliche Verantwortung
                                                                                                                        tragen, unsere Ernährung nachhaltiger zu gestal­
                    10     Für alle möglich: nachhaltige Ernährung
                    11     Das Wort unseren Mitgliedsgruppen | Buchtipp
                                                                                                                        ten, indem wir verstärkt auf regionale, biologische
                    12     Gentechnik „Made in Südtirol“? | Fotowettbewerb BAUMGART                                     und saisonale Produkte setzen.
                    14     Umweltausgleichsmaßnahmen als fixer Baustein                                                      Eine biologische Ernährung reduziert den Ein­
                    16     50 Jahre Lia Natura y Usanzes                                                                satz von umweltschädlichen Pestiziden. Zudem si­
                    17     Glasturm am Rosengarten                                                                      chert eine vielfältige Nahrungsmittelproduktion
                    18     Bedrohte Orchideen am Puflatsch                                                              vor Ort die lokale Wertschöpfung, macht unab­
                    19     Und wieder Flugplatz Bozen!                                                                  hängig von globalen Lieferketten und senkt auch
                    20     Biodiversität in Gefahr                                                                      klimaschädliche Emissionen. Der Verzehr von sai­
                    21     Terlans Jahrgangsbaum 2019                                                                   sonalem Obst und Gemüse verringert zudem die
                    22     Vom Transitverkehr überrollt: unser Osten                                                    Klimabelastung, die beim Lagern und Kühlen der
                    23     Recycling, Upcycling und mehr                                                                Lebensmittel entsteht.
                    24     Neues zur Umweltgruppe Kaltern: Aktionen                                                          Weniger Fleischkonsum fördert artgerechtere
                    26     E-Lastenbike unterwegs | 15. Mendelradtag                                                    Tierhaltung und unsere Gesundheit und ist gut
                    27     Windelbonus in Gemeinden | Termine
                                                                                                                        fürs Klima. Weniger Nutztiere bedeuten weniger
                    28     Dachverbands Kooperationspartner bieten Vorteile
                                                                                                                        Futtermittelanbau und weniger Flächenverbrauch.
                                                                                                                        Eine Rückkehr zum früher praktizierten Fleisch­
             Wir danken der Autonomen Provinz Bozen, Abteilung 28.
                                                                                                                        konsum einmal pro Woche, beispielsweise als klas­
    Natur, Landschaft und Raumentwicklung für die freundliche Unterstützung!                                            sischer Sonntagsbraten, wäre also kein Rückschritt,
                            www.provinz.bz.it/natur-raum                                                                sondern ein Fortschritt in eine klimagerechte Zu­
       AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL                     PROVINCIA AUTONOMADI BOLZANO - ALTO ADIGE
                                                                                                                        kunft.
        Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung      Ripartizione Natura, paesaggio e sviluppo del territorio        Unsere lokale Landwirtschaft muss sich um­
                                                                                                                        stellen! Folgende Fragen stehen an: Ist es zukunfts­
    Titelfoto: freepik.com                                                                                              fähig, jährlich beinahe eine Million Tonnen Äpfel
                                                                                                                        zu produzieren, in Kühlzellen zu lagern, um sie bei
                                                          von Bruno Rubner                                              Bedarf zu exportieren? Im Gegenzug aber aus an­
                                                                                                                        deren Regionen und Ländern Lebensmittel zu im­
                                                                                                                        portieren? Wäre es nicht sinnvoller, vielfältige Nah­
                                                                                                                        rungsmittel lokal anzubauen und damit Klima und
                                                                                                                        Biodiversität zu schützen?
                                                                                                                             Alle sind gefordert! Die Politik, welche die Rah­
                                                                                                                        menbedingungen dafür setzen muss, die Landwir­
                                                                                                                        te, indem sie auf eine ökologisch-regionale Pro­
                                                                                                                        duktion umstellen, und natürlich wir Konsumen­
                                                                                                                        ten durch unsere alltägliche Einkaufsentscheidung.
                                                                                                                        Nur gemeinsam können wir die bevorstehende He­
                                                                                                                        rausforderung, unseren Nachfahren eine lebens­
                                                                                                                        werte Erde zu überlassen, meistern.

                                                                                                                                                   Klauspeter Dissinger
    Zugespitzte Erwartungen

2                                                                                                                               naturschutzblatt 2/2021
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Dammbruch bei Antersasc
Straßenerschließung bis in den letzten Winkel
Nun hat in zweiter und definitiver Instanz der Staatsrat in Rom in einem bemer-
kenswerten Urteil entschieden, dass die Alm in Antersasc mittels Straße erschlos-
sen werden darf. Bemerkenswert deshalb, da die richterliche Abwägung von Ur- und
Kulturlandschaft über die Urteilsbegründungen der ersten Instanz eines negativen
Natura-2000-Verträglichkeitsgutachens sowie über offensichtlichen Fehlern und
Versäumnissen im ursprünglichen Genehmigungsverfahren gestellt wurde.

    Die Alpin- und Umweltverbände ha­         mit der schroffen Naturlandschaft der Do­
ben sich nie gegen eine Reaktivierung der     lomiten. Die landschaftliche Schönheit
Alm und der rein landwirtschaftlichen         des Gebiets und die dort vorherrschende
Nutzung des Gebietes gestellt. Für die        Ruhe machen Antersasc zu einem wahren
Wiedererrichtung der Gebäude und              Juwel – einem Ort, wie man ihn in Südti­
Strukturen ist aber nicht zwingend der Bau    rol immer seltener findet. Mehrere Fach­
einer Zufahrtsstraße notwendig, wie die       gutachten sprechen sich gegen eine Er­

                                                                                                                                           Foto: Walter Dorfmann
Sanierungen und Neubauten von Schutz­         schließung mittels Forststraße aus. Auch
hütten mittels Hubschrauber oder provi­       der vom Projektwerber beauftragte Gut­
sorischer Materialseilbahn in schwie­         achter kommt zum Schluss, dass aufgrund
rigstem hochalpinen Gelände auch in un­       der besonderen landschaftlichen Situa­tion
serem Land zeigen.                            das öffentliche Interesse am Erhalt des Ge­    Präzedenzfall für Straßenbau
    Für die landwirtschaftliche Nutzung       bietes in seiner Unberührtheit höher zu        bis in den letzten Winkel
der Alm kann und darf man in einem drei­      bewerten sei als das Privatinteresse an ei­       Dieses Urteil ist zugleich ein Damm­
fach geschützten Gebiet jedem zumuten,        ner kompletten Erschließung dieser Alm.        bruch für die Straßenerschließung bis in
die verbleibenden 850 Meter vom derzei­                                                      die letzten Winkel des Landes mit vor­
tigen Ende des Forstweges an der Wald­        Almwirtschaft fördern,                         hersehbaren Folgen. Wenn sogar in einem
grenze bis zur Alm auch zu Fuß zurück­        nicht Zufahrtsstraßen                          dreifach geschützten Bereich und
zulegen. Wie dem auch sei, Fakt ist und           Die Almwirtschaft ist ein integraler Be­   UNESCO-Welterbe-Gebiet trotz nega­
bleibt, dass die Strukturen der Alm nicht     standteil der Südtiroler Landwirtschaft.       tiver Gutachten gebaut werden darf, dann
verfallen sind, weil 2014 die Zufahrtsstra­   Nachhaltig und traditionell bewirtschaf­       gibt es künftig keine Schranken mehr. Und
ße bis zur Alm nicht gebaut werden durf­      tet prägt dies die Südtiroler Kulturland­      dies wird auch noch vom Land Südtirol
te, sondern weil die landwirtschaftliche      schaft und sollte deshalb durch die öffent­    und von der EU finanziell gefördert oder
Nutzung der Alm in den Jahrzehnten da­        liche Hand gefördert werden.                   sogar zur Gänze bezahlt.
vor vernachlässigt wurde. Dies erscheint          Die Erschließung durch Fahrstraßen            Wir fordern nun die Landesregierung
auch nicht weiter verwunderlich, fehlt –      ist für die traditionelle Almwirtschaft al­    auf, ein Konzept und neue Richtlinien für
zumindest laut Gutachtern – auf der Alm       lerdings nicht zwingend notwendig. Im          Almerschließungen zu erstellen und zu­
ein ganz entscheidendes Element für ei­       Gegenteil, allzu oft steht die Erschließung    dem als Mindestforderung die Finanzie­
ne sinnvolle almwirtschaftliche Tätigkeit:    in Zusammenhang mit einer Umnutzung            rung für solche umstrittene, mitunter land­
Wasser in ausreichender Menge. Und            der Almen: Die Bestoßung mit Vieh wird         schaftszerstörerische Straßen zu streichen.
dieser Umstand ändert sich auch mit ei­       reduziert und alternative, auch touristische   Das würde manche Gelüste wenigstens
ner Zufahrtsstraße nicht.                     Nutzungen rücken in den Vordergrund.           etwas einbremsen. Dafür soll die politisch
                                              Auch das Schreckgespenst der Verpach­          gewollte Gleichbehandlung von erschlos­
Dreifacher Schutzstatus                       tung und Vermietung der Almhütten an           senen Almen und nicht erschlossenen end­
und Wert unerschlossener                      Touristen und zahlungskräftige Kunden          lich geändert werden, indem man letzte­
Landschaften                                  wird so immer mehr gefördert. Ein Blick        ren für die Benachteiligung und Erschwer­
   Antersasc ist als Teil des Naturparks      auf die einschlägigen Online-Buchungs­         nis wesentlich höhere Beiträge als Aus­
Puez-Geisler, des europäischen Schutz­        portale reicht, um zu sehen, dass bereits      gleichzahlung gewährt.
gebietsnetzes Natura 2000 und des             jetzt viele Südtiroler Almhütten an Tou­
UNESCO Weltnaturerbes Dolomiten ein           risten vermietet werden. Eine weitere Ent­                   Alpenverein Südtirol
dreifach geschütztes Gebiet. Man findet       wicklung in diese Richtung bedroht die               Heimatpflegeverband Südtirol
hier eine über Jahrhunderte extensiv be­      traditionelle Almbewirtschaftung auf lan­                 Dachverband für Natur-
wirtschaftete Kulturlandschaft, verzahnt      ge Sicht stark.                                                 und Umweltschutz

naturschutzblatt 2/2021                                                                                                                                            3
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Foto: www.foodiesfeed.com
    Global verträgliche Ernährung
    Die planetarische Ernährung (auch planetengesunde Ernährung, engl. Planetary            davon aus, dass es ohne einen gesunden Pla­
    Health Diet), ist ein „Rezept“ für eine zukunftsfähige globale Ernährung. Es geht       neten auch für die Menschheit auf Dauer
    dabei um nicht weniger als einen umfassenden Wandel des Ernährungssystems – da-         keine Gesundheit geben kann. Ob und wie
    mit Menschen und der Planet Erde gesund bleiben.                                        in Zukunft ausreichend gesunde Nahrung
                                                                                            für alle Menschen auf der Erde erzeugt wer­
       Willkommen im Anthropozän, dem            Hunger, während eine noch größere An­      den kann, ohne die natürlichen Ressourcen
    vom Menschen gemachten Zeitalter. Vor        zahl an Menschen übergewichtig ist. Der    auszubeuten und ohne Umwelt, Klima und
    allem seit dem Ende des zweiten Welt­        ganzheitliche Ansatz der planetarischen    Natur zu schädigen, ist folglich eine der
    krieges hat der Einfluss des Menschen auf    Gesundheit (engl. Planetary Health) geht   zentralen Fragen der Zukunft.Eine Ant­
    die biologischen, geologischen und atmo­
    sphärischen Prozesse auf der Erde drama­
    tisch zugenommen – Stichwort Klima­
    wandel. Das Konzept der planetaren Be­
    lastungsgrenzen definiert die ökologischen
    Grenzen der Erde für insgesamt neun Be­
    reiche. Innerhalb der Belastungsgrenzen
    wird der Handlungsspielraum für die
    Menschheit als sicher angenommen. Wer­
    den aber die ökologischen Grenzen bzw.
    bestimmte Kipppunkte überschritten, sind
    abrupte und unumkehrbare Verände­
    rungen des Erdsystems wahrscheinlich.
    Heute überschreitet die Menschheit be­
    reits vier der neun Belastungsgrenzen,
    nämlich in Bezug auf den Klimawandel,
    das Artensterben, die Landnutzung und
    die Stickstoff- und Phosphorkreisläufe.
    Einen erheblichen Anteil daran hat die
    globale Nahrungsmittelproduktion.

    Gesunde Nahrung für
    zehn Milliarden Menschen
                                                                                                                                           Grafik: commons.wikimedia.org

       2050 werden beinahe zehn Milliarden
    Menschen die Erde bevölkern – derzeit sind
    es rund 7,8 Milliarden. Über 800 Millio­
    nen Menschen leiden an chronischem

4                                                                                           naturschutzblatt 2/2021
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
wort darauf hat die EAT-Lancet-Kom­            früchten, Nüssen, hochwertigen Pflanzen­              chen und einem geringeren Anteil an
mission, bestehend aus 37 Wissenschaft­        ölen und Vollkorngetreide deutlich höher.             tierischen Proteinen, mit Kohlenhydra­
lern und Wissenschaftlerinnen unter­                                                                 ten aus Vollkornprodukten und mit
schiedlicher Disziplinen und aus 16 Län­       Ein Speiseplan für mehr                               überwiegend pflanzlichen, also ungesät­
dern. Sie hat eine Ernährungsweise defi­       Gesundheit und Umweltschutz                           tigten Fetten. Sie ist reich an Vitami­
niert, die die menschliche Gesundheit för­         Der Speiseplan, der von der EAT-Lan­              nen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und
dert und zugleich die Gesundheit des Pla­      cet-Kommission ausgearbeitet wurde, gibt              gesundheitsfördernden sekundären
neten erhält. Die sogenannte planetarische     für die einzelnen Lebensmittelgruppen                 Pflanzenstoffen.
Ernährung oder Planetary Health Diet ist       die jeweils empfohlene Menge in Gramm               – Gemüse und Obst sind die wichtigsten
eine überwiegend pflanzenbasierte Kost         pro Tag an. Dabei handelt es sich um täg­             Lebensmittel auf dem Teller. Ideal sind
mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten,      liche Durchschnittswerte. Für Lebensmit­              300 Gramm Gemüse und 200 Gramm
Hülsenfrüchten und Nüssen. Kleine bis          tel wie rotes Fleisch (von Rind, Schwein              Obst täglich. Dabei ist, je nach Jahres­
moderate Mengen an Milchprodukten,             oder Lamm) ergibt sich daraus eine klei­              zeit, Abwechslung angesagt.
Fisch, Meeresfrüchten und Fleisch kön­         ne Portion von 100 Gramm pro Woche                  – Getreideprodukte wie Brot, Mehl, Teig­
nen das „Grünzeug“ ergänzen. Da die            oder beispielsweise ein Steak von 200                 waren, Getreideflocken u.v.m. kommen
Empfehlungen bewusst flexibel gehalten         Gramm alle zwei Wochen. Für Geflügel­                 idealerweise als Vollkornprodukte auf
sind, können sie überall auf der Welt an die   fleisch und Fisch ergeben sich entweder               den Tisch.
jeweilige lokale Esskultur und an indivi­      zwei kleine Portionen (jeweils 100 Gramm)           – Hülsenfrüchte bekommen als hochwer­
duelle Vorlieben angepasst werden. Wenn        oder eine größere Portion (200 Gramm)                 tige Protein- und Ballaststofflieferan­
mehr pflanzliche und weniger tierische
Produkte auf den Teller kommen, bringt
das immense Vorteile für die Umwelt und                                                                                Vollkorngetreide-
                                                                                                                       produkte
für die menschliche Gesundheit mit sich.
                                                   Obst und Gemüse
Es wird dann weniger Fläche für die Er­
zeugung von Lebens- bzw. Futtermitteln
                                                                                                                                 Stärkehaltiges
benötigt, weiters werden weniger klima­                                                                                          Gemüse
schädliche Treibhausgase emittiert. Und:
Rechenmodellen zufolge könnten durch                                                                                                  Milch-
                                                                                                                                      produkte
einen Ernährungswandel hin zur planeta­
rischen Ernährung weltweit jedes Jahr rund
elf Millionen Todesfälle bei Erwachsenen
                                                                                                                                    Tierische
verhindert werden.                                                                                                                  Proteinquellen

Die westliche Ernährungsweise
schadet der Gesundheit                                                                                                            Pflanzliche

                                                                                                                                                      Grafik: EAT-Lancet-Kommission 2019
   Die heute weit verbreitete westliche Er­                                                                                       Proteinquellen

nährungsweise ist durch einen hohen Ver­
zehr an tierischen Lebensmitteln, insbe­                                                                              Pflanzenöle mit
                                                       Zugesetzter Zucker                                             ungesättigten Fettsäuren
sondere Fleisch, sowie von Auszugsmehl,
zuckerreichen Lebensmitteln, stark verar­
beiteten und Fertig-Produkten gekenn­
                                               Planetarische Ernährung grafisch dargestellt: Gemüse und Obst machen volumenmäßig die Hälfte
zeichnet. Sie liefert viel Zucker, viel Fett   der täglichen Ernährung aus. Die andere Hälfte besteht aus Vollkornprodukten, pflanzlichen Protein-
in Form von gesättigten Fettsäuren und         quellen (Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Samen), Pflanzenölen und optional aus bescheidenen Men-
                                               gen an tierischen Proteinquellen (Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier), welche gemäß ihrem Anteil an
viel Salz, aber wenig lebensnotwendige
                                               der Energiezufuhr dargestellt werden.
Nährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe), we­
nig Ballaststoffe und wenig sekundäre          pro Woche. Für die meisten Lebensmit­                 ten (wieder) einen wichtigen Stellen­
Pflanzenstoffe. Damit ist sie weltweit ei­     tel wird eine Spannbreite angegeben, die              wert in der Ernährung. Am besten wer­
ne der Hauptursachen für Übergewicht           es ermöglicht, die empfohlenen Mengen                 den sie täglich oder zumindest mehr­
und Fettleibigkeit sowie für Zivilisations­    innerhalb dieser Werte zu variieren. Der              mals pro Woche gegessen. Aus Bohnen,
krankheiten wie Diabetes, Krebs und            optimale Speiseplan ergibt eine durch­                Linsen und Erbsen lassen sich Suppen,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Ver­           schnittliche Energieaufnahme von 2.500                Eintöpfe, lauwarme Salate, Mus bzw.
gleich zur westlichen Kost ist bei der pla­    Kilokalorien pro Tag.                                 Aufstriche und sogar Süßspeisen zube­
netarischen Ernährung der Verzehr von                                                                reiten.
Fleisch und Wurstwaren, vor allem von          Die Empfehlungen                                    – Nüsse und Samen spielen ebenfalls ei­
rotem Fleisch, tierischen Fetten, Zucker       in Worte gefasst                                      ne größere Rolle als bisher. Empfohlen
und Milchprodukten stark reduziert und         – Die planetarische Ernährung versorgt                werden rund 50 Gramm davon täglich,
der Verzehr von Gemüse, Obst, Hülsen­            den Körper mit mehrheitlich pflanzli­               beispielsweise im Müsli, im Salat oder

naturschutzblatt 2/2021                                                                                                                                                                    5
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
durch den Anbau standortangepasster
                                                                                                                                                              Pflanzen und die Verbesserung der Bo­
                                                                                                                                                              denqualität), die Verringerung des Flä­
                                                                                                                                                              chen- und Wasserverbrauchs (durch stren­
                                                                                                                                                              ge Reglementierung der Nutzung von
                                                                                                                                                              Land und Meer, durch Rekultivierung von
                                                                                                                                                              degradierten Flächen, durch effizientere
                                                                                                                                                              Bewässerungssysteme), den Erhalt bzw.
                                                                                                                                                              die Steigerung der biologischen Vielfalt
                                                                                                                                                              (durch den Schutz der natürlichen Öko­
                                                                                                                                                              systeme und intakten natürlichen Lebens­
                                                                                                                                                              räumen sowie durch vielfältige Produkti­
                                                                                                                                                              onssysteme) und die weltweite Halbierung
                                                                                                                                                              der Lebensmittelverschwendung und Le­
    Foto: www.foodiesfeed.com

                                                                                                                                                              bensmittelverluste auf allen Ebenen der
                                                                                                                                                              Lebensmittelversorgungskette vor.
                                                                                                                                                                 Durch die Verbindung all dieser Maß­
                                                                                                                                                              nahmen kann – rein rechnerisch – jeder
                                                                                                                                                              und jede Einzelne von zehn Milliarden
                                  zum Knabbern als Zwischenmahlzeit.          seren Tellern hinaus werden weitere große                                       Menschen mit der planetarischen Ernäh­
                                – Tierische Proteinquellen werden im          Veränderungen in der Nahrungsmitteler­                                          rung durchschnittlich täglich 2.500 Kilo­
                                  Vergleich zur westlichen Ernährungs­        zeugung und im Umgang mit Nahrungs­                                             kalorien und alle benötigten Nährstoffe in
                                  weise in viel geringeren Mengen geges­      mitteln erforderlich sein, um die natür­                                        ausreichender Menge aufnehmen und die
                                  sen. Im Rahmen der planetarischen Er­       lichen Lebensgrundlagen zu erhalten.                                            dafür benötigten Nahrungsmittel können
                                  nährung ist eine „flexitarische“ Kost mit      Zusätzlich zur planetarischen Ernäh­                                         erzeugt werden, ohne den Planeten zu zer­
                                  gelegentlichem Verzehr von Fleisch und      rung, die für alle Menschen auf der Erde                                        stören.
                                  Fisch ebenso möglich wie eine vegeta­       ökonomisch zugänglich sein sollte, schlägt
                                  rische oder rein pflanzliche (vegane)       die EAT-Lancet-Kommission daher Stra­                                                                    Silke Raffeiner
                                  Kost. Der Speiseplan enthält täglich bis    tegien für die Ökologisierung der Land­                                                    Verbraucherzentrale Südtirol
                                  zu 250 Gramm Vollmilch (ungefähr ein        wirtschaft (u.a. die Reduktion der Schad­
                                  Glas voll) oder eine äquivalente Menge      stoffbelastungen durch Stickstoff und
                                  (also aus 250 Gramm Vollmilch herge­        Phosphor), die nachhaltige Steigerung der                                           www.verbraucherzentrale.it
                                  stellt) an Milchprodukten, pro Woche        landwirtschaftlichen Produktivität (u.a.
                                  eines bis zwei Eier, eine Fischmahlzeit
                                  (bis zu 200 Gramm), eine Portion Ge­
                                  flügelfleisch (bis zu 200 Gramm) und            Der Speiseplan der planetarischen Ernährung
                                  nicht mehr als 100 Gramm pro Woche
                                                                                  Kohlenhydratquellen
                                  oder 200 Gramm alle zwei Wochen an              Vollkorngetreide............................������������������������������������������������������������������������������������232 Gramm täglich
                                  rotem Fleisch bzw. Wurstwaren.                  Stärkehaltiges Gemüse (Kartoffeln, Maniok) ���������������������� 50 Gramm täglich (0 bis 100 Gramm)
                                – Hochwertige pflanzliche Öle sind ein            Gemüse�������������������������������������������������������������������������������������300 Gramm täglich (200 bis 600 Gramm)
                                  fixer Bestandteil der täglichen Ernäh­          Obst��������������������������������������������������������������������������������������������200 Gramm täglich (100 bis 300 Gramm)

                                  rung, tierische Fette dagegen werden            Proteinquellen
                                  sehr sparsam verwendet.                         Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm)���������������������������������������14 Gramm täglich (0 bis 28 Gramm)
                                – Der Speiseplan setzt die Obergrenze für         Geflügelfleisch����������������������������������������������������������������������������������29 Gramm täglich (0 bis 58 Gramm)
                                                                                  Eier��������������������������������������������������������������������������������������������������������13 Gramm täglich (0 bis 25 Gramm)
                                  zugesetzten Zucker mit durchschnitt­
                                                                                  Fisch�������������������������������������������������������������������������������������������������� 28 Gramm täglich (0 bis 100 Gramm)
                                  lich rund 30 Gramm pro Tag fest. Ein            Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen)������������������������������ 75 Gramm täglich (0 bis 100 Gramm)
                                  zu hoher Zuckerkonsum wird mit einer            Nüsse���������������������������������������������������������������������������������������������������50 Gramm täglich (0 bis 75 Gramm)
                                  Reihe von Zivilisationskrankheiten in           Vollmilch����������������������������������������������������������������������������������������250 Gramm täglich (0 bis 500 Gramm)
                                                                                  (oder die Menge eines Milchprodukts, das aus 250 Gramm Milch hergestellt wurde)
                                  Verbindung gebracht.
                                                                                  Fette
                                Ernährungswende                                   Fette mit ungesättigten Fettsäuren��������������������������������������� 40 Gramm täglich (20 bis 80 Gramm)
                                auf ganzer Linie                                  (z.B. Oliven-, Raps-, Sonnenblumen-, Traubenkernöl)
                                                                                  Fette mit gesättigten Fettsäuren�����������������������������������������������12 Gramm täglich (0 bis 12 Gramm)
                                                                                                                                                                                                                                       Quelle: EAT-Lancet-Kommission

                                   Die globale Nahrungsmittelproduk­tion          (z.B. Schmalz, Butter, Palmöl)
                                erzeugt große Mengen an klimaschäd­
                                lichen Treibhausgasen, verursacht Um­             Zugesetzter Zucker
                                                                                  Alle Süßungsmittel�������������������������������������������������������������������������31 Gramm täglich (0 bis 31 Gramm)
                                weltzerstörung und bedroht die biolo­
                                gische Vielfalt. Über den Wandel auf un­

6                                                                                                                                                            naturschutzblatt 2/2021
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Wissenswertes über                                                                                                             Fleischatlas
                                                                                                                                                               FLEISCHATLAS
                                                                                                                                                               Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel          2021

Fleisch und Viehwirtschaft
                                                                                                                                                                                                                 JUGEND,
                                                                                                                                                                                                                KLIMA UND

                                                                                                                               2021 und frühere
                                                                                                                                                                                                                         G
                                                                                                                                                                                                                ERNÄHRUN

                                                                                                                               Ausgaben
                                                                                                                               abrufbar auf:
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Wussten Sie, dass …
                                                                                                                               de/de/fleischatlas

                                           ... für eine Portion Hamburger
  ... die weltweite Viehwirtschaft                                                                        2010 in Deutschland pro
                                           mit Pommes und Salat (mit 100
  trotz ihrer geringen Flächen-                                                                           Person und Jahr vier Mal
                                           Gramm Rindfleisch) 3,6 m² an                                                                                   ... die weltweite Viehwirt-
  Kalorien-Effizienz dennoch für                                                                          mehr Fleisch konsumiert
                                           Fläche verbraucht werden, wäh-                                                                                 schaft trotz ihres enormen
  56 bis 58 Prozent der gesam-                                                                            wurde (88 Kilogramm) als
                                           rend es für eine Portion Spa-                                                                                  Flächen- und Ressourcenbe-
  ten Treibhausgasemissionen                                                                              noch 1850 (21 Kilogramm)
                                           ghetti mit Tomatensoße (mit 150                                                                                darfs aber nur 18 Prozent der
  des Nahrungsmittelsektors                                                                               und doppelt so viel wie
                                           Gramm Pasta) weniger als 0,5 m²                                                                                Kalorienversorgung der
  verantwortlich ist (laut Fleisch­                                                                       1910 (45 Kilogramm) (laut
                                           sind (laut Berechnung des WWF                                                                                  Weltbevölkerung bereitstellt
  atlas 2021)?                                                                                            WWF Deutschland 2014)?
                                           Deutschland 2014)?                                                                                             (laut Fleischatlas 2021)?

                                                                    ... der Fleischverbrauch für je-
                                                                    den Deutschen bzw. jede                                                    ... in Deutschland sogar 60
   … nur rund 40 Prozent der welt-                                  Deutsche im Laufe eines gan-                                               Prozent des dort angebau-
   weiten Ernte der wichtigsten Feld-                               zen Lebens durchschnittlich                                                ten Getreides und 70 Pro-
   pflanzen für die direkte Ernährung                               1.094 Tiere beträgt, nämlich                                               zent der dort angebauten
   des Menschen bestimmt sind? Fast                                 945 Hühner, 46 Puten, 46                                                   Ölsaaten an Tiere verfüt-
   ebenso viel geht an die Tiere. Das                               Schweine, 37 Enten, 12 Gänse,                                              tert werden (laut WWF
   restliche Fünftel wird für die Treib-                            4 Schafe und 4 Rinder (laut                                                Deutschland 2014)?
   stoffproduktion oder andere indus-                               Fleisch­atlas 2013)?
   trielle Nutzungen verbraucht (laut
   Fleischatlas 2021).                           1.094 Tiere auf dem Teller

                                                  Deutscher Durchschnittsverbrauch im Laufe des Lebens

                                                                                               4 Rinder                         4 Schafe                                                              12 Gänse

                                                                        37 Enten

                                                                                                                                                                                                                                          Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Le Monde Diplomatique 2014

                                                                                                  46 Schweine
... die Produktion von Futtermitteln für
die Viehwirtschaft und die direkte Pro-
                                                                                                                  46 Puten
duktion von Nahrungsmitteln für den
Menschen in starker Konkurrenz stehen?
So werden weltweit rund 70 Prozent der
gesamten landwirtschaftlichen Nutzflä-
che – Grasland und Äcker – für die Vieh-
zucht genutzt. Bei den reinen Ackerflä-
chen werden immer noch rund 40 Pro-
zent des weltweiten Ackerlandes für die
Produktion von Futtermitteln genutzt
(laut Fleischatlas 2021).
                                                                                                                                                                                                                              zeo2/Vebu

                                                                                        945 Hühner

                                                 Durchschnittsverbrauch in Deutschland im Laufe eines Lebens (in Tieren pro Person)
                                                 jenem Jahr sogar auf Platz 5 der „Wörter des Jah-           Probe dem Fleische entsagen. Sie bekommen täg-
                                                 res“ gesetzt.                                               liche Motivationshilfen, Rezepte und Informatio-
                                                     Vor allem Jüngere verzichten deshalb öfter auf          nen per Mail. Und es gibt die Halbzeitvegetarier:
                                                 Fleisch und Wurst. Vegetarisch zu leben oder zu-            Zwei Personen bilden ein Tandem und halbieren

naturschutzblatt 2/2021
                                                 mindest den Fleischanteil zu reduzieren sei „hipp
                                                 und trendy“, sagt der Vegetarierbund, dessen
                                                                                                             ihren Fleisch- und Wurstkonsum. Motto: „Zwei
                                                                                                             halbe Vegetarier ergeben einen ganzen!“ Zudem                                                                                                                                                                                             7
                                                 Mitgliederzahlen sich seit 2008 verdreifacht ha-            kann man sich einen Veggie-Buddie ordern: eine
                                                 ben. Auch große Unternehmen wie Siemens, Ikea,              Hilfsperson, die Tipps gibt, motiviert und tröstet.
                                                                                                                                                                           das Wort
                                                 Puma oder die bayerische Versicherungskammer                    Viele Verbraucher wollen der Massentier-
                                                 führen vegetarische Tage in der Kantine ein, ver-           haltung entkommen und kaufen Biofleisch.                   „Gammelfleisch“
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Welche Ernährungsstile
                                            sind klimafreundlich?
                                            Die Erzeugung von Lebensmitteln, deren Lagerung,  Transport, Verarbeitung, Ver-
                                                                                            StartClim-Endbericht DIETCCLU
                                                                                                                                                           439 kg CO2 pro Person pro Jahr ent­
                                                                                                                                                          19
                                            teilung, Zubereitung und sogar deren Entsorgung verursachen Treibhausgasemis-                                  sprechen einer Reduktion von 70 Pro­
                                            sionen und tragen somit zum Klimawandel bei.                                                                   zent der Treibhausgasemissionen im
                                                                                                                                                           Vergleich zum Ist-Zustand. Das Ein­
                                            EineAuf  globalervegetarische
                                                  ovo-lacto     Ebene wirdErnährung
                                                                               der Anteilspart
                                                                                           des mit 767DieCOaktuelle    durchschnittliche
                                                                                                             2-eq in Summe,     grosso modoErnäh­
                                                                                                                                               fast die    sparpotenzial einer fleischreduzierten
                                            Hälfte an THG (47,7%)
                                            Ernährungssektors          im Vergleich
                                                                   an den   gesamtenzuTreib­
                                                                                          der OMNI   IST Ernährung
                                                                                                  rungsweise           ein. Das größte
                                                                                                                  in Österreich         THG-Einspar-
                                                                                                                                   verursacht   jähr­      oder fleischfreien oder rein pflanzlichen
                                            potential kann durch einen Umstieg auf eine vegane Ernährung mit lediglich 439 CO2-eq erzielt
                                            hausgasemissionen       mit  19   bis 29  Prozent     lich  Emissionen      von  1.467 kg CO2
                                            werden, was einer Einsparung von mehr als zwei Drittel der THG (70,1%) entspricht. Das große    pro  Per­      Kost geht also ganz klar auf den verrin­
                                            (Vereinte   Nationen     2019)   bzw.   mit 21  bis   son.
                                            Einsparpotential der vegetarischen Ernährungsweisen geht vor allem auf den reduzierten oder nicht              gerten bzw. nicht vorhandenen Anteil
                                            vorhandenen
                                            37 Prozent Anteil
                                                           (IPCC  an2019)
                                                                     tierischen   Produkten
                                                                              beziffert.  Derzurück.
                                                                                                  – Durch die Umstellung auf eine Ernäh­                   an tierischen Lebensmitteln in der Kost
                                            größte Teil davon
                                            Anmerkung:            stammt
                                                           Die Energie       ausZubereitung
                                                                        für die   der Erzeu­der Speisen
                                                                                                      rungistnach
                                                                                                                nichtden Empfehlungen
                                                                                                                      in der  THG-Berechnungder inklu-
                                                                                                                                                 Ös­       zurück.
                                            diert
                                            gungsowie   THG-Emissionen
                                                    tierischer   Produkte.   durch  verarbeitete
                                                                                Neben    dem Produkte      wie auch vonGesellschaft
                                                                                                      terreichischen      Außer-Haus verzehrte
                                                                                                                                        für Ernäh­ Pro- – Innerhalb jeder Ernährungsweise wird
                                            dukten sind nicht berücksichtigt, d.h. die Berechnungen basieren auf den Verzehr, der nur bis zum
                                            Ener­gieverbrauch bzw. der Energieerzeu­                  rung ÖGE mit 66 Prozent weniger                      durch den vollständigen Umstieg auf
                                            Supermarktregal verarbeiteten Lebensmitteln, entsprechend dem Energiebedarf einer Person pro
                                            gung   und  der   Mobilität
                                            Jahr (s. Kap. Methode).       ist damit    der Er­        Fleisch    können    immerhin     28  Prozent        Bio-Produkte zudem eine weitere Ver­
                                            nährungsbereich ein zentrales Handlungs­                  dieser Treibhausgasemissionen einge­                 ringerung der Treibhausgasemissionen
                                            feld für die erforderliche Reduktion der                  spart werden.                                        erreicht.
                                                     B-3.2 Die Treibhausgasbilanz der modellierten Ernährungsweisen in der konventio-
                                            Treibhausgasemissionen.                               – Noch klimafreundlicher ist – wenig
                                                            nellen und biologischen Variante
                                                                                                      überraschend – eine ovo-lakto-vegeta­ Ernährungsweise
                                            Ernährungsarten                                           rische Ernährung ohne Fleisch und oh­ und Flächenverbrauch
                                            Bei den Berechnungen der unterschiedlichen Ernährungsweisen in den biologischen Varianten,
                                            und    deren      Auswirkungen
                                            d.h. mit einem 100%igen Anteil an biologischen Produkten, ne Fisch.kannMitmanEmissionen
                                                                                                                              erkennen, von
                                                                                                                                         dass 767
                                                                                                                                               hierkg
                                                                                                                                                    das     In Bezug auf den Flächenverbrauch er­
                                                Das Forschungsinstitut
                                            Einsparpotential   noch erhöht werden für kann.
                                                                                       Biolo­         CO2 pro
                                                                                            Am deutlichsten       Person
                                                                                                               fällt       pro Jahr spart dieseinge­
                                                                                                                     das THG-Einsparpotential       der geben sich 1.832 m² pro Person pro Jahr
                                            omnivoren   Variante, gefolgt
                                            gischen Landbau                 von der OMNI
                                                                   FiBL Österreich           ÖGE Variante
                                                                                           hat        genüberauf der
                                                                                                                  (siehe Abb. B-8). Ernährungs­
                                                                                                                       derzeitigen                      für die derzeitige Ernährungsweise, 1.266
                                            2020
                                            Der    im Rahmen
                                                 Grund             des Klimaforschungs­
                                                        für die großen   Unterschiede hinsichtlich desweise   rund 48 Prozent bei
                                                                                                          Bio-Einsparpotentials     derden
                                                                                                                                        Treibhaus­
                                                                                                                                           omnivoren m² pro Person pro Jahr für die Ernährung
                                            Varianten
                                            programms  gegenüber
                                                           StartClimden berechnet,
                                                                         vegetarischenwieVarianten
                                                                                           un­      liegt zum einen anein.
                                                                                                      gasemissionen        den prinzipiell geringeren nach den Empfehlungen der ÖGE, 1.069
                                            THG-Emissionen der vegetarischen Varianten. Zum anderen geht das größere Einsparpotential
                                            terschiedliche Ernährungsweisen sich auf – Das größte Klimaschutzpotenzial weist m² pro Person pro Jahr für die ovo-lakto-
                                            darauf zurück, dass biologische tierische Produkte wie beispielsweise Milch im Gegensatz zu kon-
                                            die Treibhausgasemissionen
                                            ventionellen  tierischen Produktenund eineden  Bo­ um eine
                                                                                       im Schnitt     10-20%vegane    Ernährung
                                                                                                                bessere  THG-Bilanz komplett
                                                                                                                                      aufweisen   (Lin- vegetarische und 629 m² pro Person pro
                                                                                                                                                ohne
                                            denverbrauch
                                            denthal, 2010). auswirken.                                tierische Produkte auf: Emissionen von Jahr für die vegane Ernährung. Damit be­
                                                                                                                                                        nötigen die ovo-lakto-vegetarische Kost
                                                                                                                                                        um 42 Prozent und die vegane Ernährung
                                                                                                                                                        um 66 Prozent weniger landwirtschaft­
                                                                                                                                                        liche Nutzfläche als die derzeitige öster­
                                                                                                                                                        reichische Ernährungsweise.

                                                                                                                                                          Fazit
                                                                                                                                                             Ein klimafreundlicheres Ernährungs­
                                                                                                                                                          verhalten kann die ernährungsbezogenen
                                                                                                                                                          Treibhausgasemissionen und den globa­
                                                                                                                                                          len Landverbrauch entscheidend senken
    Grafik: Schlatzer und Lindenthal 2020

                                                                                                                                                          und damit wesentlich zur Verbesserung
                                                                                                                                                          der globalen Ernährungssicherheit beitra­
                                                                                                                                                          gen.

                                                                                                                                                                                 Silke Raffeiner
                                            Anm.: OMNI = omnivor resp. durchschnittliche Ernährung in Österreich, OMNI ÖGE = gemäß Empfehlungen der
                                            Legende:                                                                                                               Verbraucherzentrale Südtirol
                                            ÖGE, OLVEG = ovo-lacto-vegetarisch nach ovo-lacto-vegetarischer Gießener Ernährungspyramide, VEGAN = ge-
                                            VEGAN = vegane (rein pflanzliche) Ernährung
                                            mäß veganer Gießener Ernährungspyramide, jeweiligen BIO-VARIANTEN = hellgrün
                                            OLVEG = ovo-lakto-vegetarische Ernährung (ohne Fleisch und Fisch, mit Eiern und Milchprodukten)
                                            OMNIB-
                                            Abb.   ÖGE
                                                     8: =Treibhausgasbilanz
                                                          Ernährung (Mischkost)dernach den Empfehlungen
                                                                                   durchschnittlichen    derder
                                                                                                      sowie   Österreichischen Gesellschaft ovo-lacto-
                                                                                                                 modellierten omnivoren,     für Ernäh-
                                            rung ÖGE mit 20
                                            vegetarischen     kg Fleisch
                                                            sowie        pro Ernährungsweise
                                                                   veganen   Person pro Jahr in der konventionellen sowie in der biologischen Va-
                                            OMNI =(Eigene
                                            riante  gegenwärtige    durchschnittliche Ernährung (Mischkost) in Österreich mit 65 kg Fleisch pro Person
                                                             Darstellung)
                                                                                                                                                               Die vollständige Studie abrufbar auf:
                                            pro Jahr                                                                                                           https://www.fibl.org/de/infothek/
                                            BIO = Ernährung mit Produkten aus biologischer Landwirtschaft (Anteil 100 Prozent)                                 meldung/fibl-studie-startclim.html
                                            KONV = Ernährung mit Produkten aus konventioneller Landwirtschaft
                                            Die Zahlenwerte geben die Treibhausgasemissionen in kg CO2-Äquivalenten pro Person pro Jahr an.

8                                                                                                                                                         naturschutzblatt 2/2021
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Foto: www.freepik.com
„Eine gesamt-
gesellschaftliche
Aufgabe“

Die deutsche Bundesregierung hat vor gut einem Jahr die sog. „Zukunftskommission              dieser Bericht sowohl im deutschen Bun­
Landwirtschaft“ eingesetzt, die ein Zukunftsmodell für die deutsche Landwirtschaft            destagswahlkampf als auch in der zukünf­
aufzeigen sollte. Der nun an die deutsche Politik übergebene Bericht ist – nicht zuletzt      tigen Regierung eine Rolle spielen wird.
auch aufgrund der Zusammensetzung der Kommission – bemerkenswert innovativ
und ehrlich. Nicht zuletzt deshalb ist er der bessere Gegenentwurf zur Broschüre Land-        Und in Südtirol?
WIRtschaft 2030 unseres Landesrates für Landwirtschaft Arnold Schuler.                            Genau diese Ehrlichkeit, Einsicht und
                                                                                              Klarheit des Abschlussberichts der ZKL
   In nur zehn Monaten erarbeitete die         Renaturierung von Mooren oder mehr             fehlen der vor wenigen Wochen in Süd­
Zukunftskommission Landwirtschaft              Blühwiesen gefördert werden. Die Auto­         tirol veröffentlichten Broschüre Land­
(ZKL), in der rund 30 VertreterInnen aus       rinnen des Berichts empfehlen zudem, we­       WIRtschaft 2030. Lieber blendet man
Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbrau­        niger Fleisch und tierische Produkte zu es­    sich selbst, denn während die ZKL die
cherschutz, aus Umweltschutz und Tier­         sen, und schlagen eine Abgabe auf Zucker,      große Verantwortung der Landwirtschaft
schutz sowie Wissenschaft vertreten wa­        Salz oder Fett vor. Für eine Umstellung der    aufgrund eines Anteils von neun Prozent
ren, einen rund 170 Seiten starken Bericht     Konsumgewohnheiten solle man sich an           an den Gesamtemissionen von CO2-
zu den Herausforderungen und Notwen­           den Ernährungsempfehlungen der Deut­           Äquivalenten anerkennt, haben wir in
digkeiten für eine zukunftsfähige Land­        schen Gesellschaft für Ernährung orien­        Südtirol scheinbar „alles im Griff“, auch
wirtschaft.                                    tieren. Das käme einer Halbierung des der­     wenn laut Broschüre des Landesrates in
                                               zeitigen Fleischkonsums gleich.                Südtirol ganze 18 Prozent CO2-Emis­
Für die Sache gemeinsam                            Außerdem bekennt man sich verbind­         sionen auf die Landwirtschaft entfallen.
einstehen                                      lich zum 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klima­      So werden wir im Obstbau bis 2030 nicht
   Bemerkenswert dabei ist, dass trotz der     abkommens und sieht als drängendes             nur klimaneutral, sondern sogar klimapo­
vielen unterschiedlichen und teils diver­      Handlungsfeld den Biodiversitätsverlust,       sitiv und zwar entlang der gesamten Wert­
gierenden Interessen in der Kommission         dessen Trend man schnellstmöglich um­          schöpfungskette – nur beim Wie bleibt
alle 31 Mitglieder das Dokument unter­         kehren müsse, etwa indem die Ziele der         man schwammig.
zeichnet haben und dem Inhalt somit zu­        sog. Farm-to-Fork-Strategie sowie der EU-
stimmen. Dies ist mit Blick auf die klaren     Biodiversitätsstrategie erreicht werden.                                Andreas Riedl
und progressiven Aussagen und Forde­
rungen des Berichtes keinesfalls selbstver­    Wie verbindlich ist das Ganze?
ständlich. So stellen die Kommission und          Die Empfehlungen im Abschlussbericht           Der Abschlussbericht der Zu-
                                                                                                 kunftskommission Landwirt-
somit auch die Vertreter der beteiligten       der ZKL haben keine unmittelbaren Fol­            schaft: https://www.bmel.de/
großen Landwirtschaftsverbände fest, dass      gen für die Politik der deutschen Bundes­         DE/themen/landwirtschaft/
die Landwirtschaft in Deutschland jähr­        regierung – genauso wenig wie der Inhalt          zukunftskommission-
lich Umweltkosten von rund 90 Milliar­         der Broschüre LandWIRtschaft 2030 auf             landwirtschaft.html
den Euro verursacht. Um die Umweltschä­        die Südtiroler Landwirtschaftspolitik. Auf­       Die Broschüre LandWIRtschaft
den zumindest abzufedern, sollen laut Be­      grund der gesellschaftlich breit aufgestell­      2030 findet sich hier: https://www.
                                                                                                 provinz.bz.it/land-forstwirtschaft/
richt rund elf Milliarden Euro jährlich aus­   ten Zusammensetzung der ZKL und des               landwirtschaft/landwirtschaft-2030.
gegeben werden. Damit soll die Umstel­         klaren Berichtes, für den es in der ZKL ei­       asp
lung auf ökologische Landwirtschaft, die       nen Konsens gibt, kann man erwarten, dass

naturschutzblatt 2/2021                                                                                                                   9
MalDANKE KLIMASCHUTZ ernährt uns alle - Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Nachhaltige Ernährung
                             Für alle möglich!
                             Die derzeitige Produktion von Lebensmitteln steht immer wieder auch aus Grün-              ten zu ergänzen und es braucht eine en­
                             den der mangelnden Nachhaltigkeit und der gravierenden Auswirkungen auf Öko-               gere Verzahnung von Ackerbau und Vieh­
                             logie und Artenvielfalt in der Kritik! Befürworter der derzeitigen landwirtschaftli-       zucht, vor allem was die Nutzung des
                             chen Praxis argumentieren dann gerne, dass nur mit der derzeitigen Form der Land-          Stickstoffs anbelangt. Unter diesen Be­
                             wirtschaft der Planet zu ernähren sei. Eine neue Studie von CNRS-Wissenschaft-             dingungen könnte Europa von Lebens­
                             lern und -Wissenschaftlerinnen zeigt, wie in Europa ein ökologisches, nachhaltiges,        mittelimporten und synthetischem Stick­
                             biodiversitätsfreundliches Agrar- und Lebensmittelsystem umgesetzt werden kann,            stoffdünger unabhängig werden, die Um­
                             das eine ausgewogene Koexistenz von Landwirtschaft und Umwelt ermöglicht.                  welt schonen und sogar etwas Getreide
                                                                                                                        exportieren.
                                Kann eine nachhaltige Landwirtschaft      so die Eigenständigkeit Europas zu stär­
                             die Ernährung Europas sichern? Ist die       ken, die prognostizierte Bevölkerung im       Ausgeglichene Produktion
                             Versorgung Europas mit Nahrungsmit­          Jahr 2050 dennoch ausgewogen zu ernäh­           Trotz einer Optimierung der landwirt­
                             teln auch ohne künstlichen Stickstoffdün­    ren, weiterhin Getreide in Länder zu ex­      schaftlichen Produktion würde es in einem
                             ger, Pestizide und Lebensmittelimporte       portieren, die es für den menschlichen Ver­   solchen Szenario aufgrund der – gewollten
                             möglich?                                     zehr benötigen, und vor allem die Wasser­     – weniger intensiven Landnutzung und
                                                                          verschmutzung und die Treibhausgase­          Viehhaltung zu einem Rückgang der Pro­
                             Positive Antworten                           missionen aus der Landwirtschaft erheb­       duktionsmengen kommen. Die Studie
                                Ein französisches Team von CNRS-          lich zu reduzieren.                           zeigt aber, dass dies durch den erhöhten
                             Wissenschaftlern und -Wissenschaftle­                                                      Anteil der Produktion ausgeglichen wür­
                             rinnen um Gilles Billen ist diesen Fragen    Drei klare Wie                                de, der zukünftig für die menschliche Er­
                             nachgegangen und kann beide mit Ja be­          Voraussetzung für eine erfolgreiche        nährung zur Verfügung steht. Eine effizi­
                             antworten. Europa könnte bis zum Jahr        Rea­lisierung dieses Szenarios sind drei      entere Nutzung der Nährstoffe durch stär­
                             2050 seine gesamte Bevölkerung mit um­       Grundpfeiler: Wir müssen einen Ernäh­         kere Verzahnung der Viehzucht und des
                             weltfreundlich erzeugten Lebensmitteln       rungsstil mit weniger tierischen Produkten    Ackerbaues bei gleichzeitiger Reduzie­
                             ernähren. Laut ihrer unlängst veröffentli­   in unserer Gesellschaft etablieren, die       rung der schädlichen Stickstoffverluste in
                             chten Studie ist es möglich, von Lebens­     Fruchtfolgen auf den Anbauflächen sind        der Landwirtschaft wirkt sich positiv auf
                             mittelimporten unabhängig zu werden und      mit stickstofffixierenden Zwischenfrüch­      Wasser-, Luft- und Bodenqualität aus und
                                                                                                                        schützt gleichzeitig das Klima.

                                                                                                                           „Dieses Szenario verfolgt nicht das Ziel,
                                                                                                                        die Produktivität zu maximieren“, beto­
                                                                                                                        nen die ForscherInnen. Vielmehr zeige es
                                                                                                                        einen Weg auf, „Europa im Jahr 2050 mit
                                                                                                                        einer gesunden Ernährung zu versorgen,
                                                                                                                        und zwar mit agrarökologischen An­
                                                                                                                        baumethoden, ohne Abhängigkeit von
                                                                                                                        synthetischen Stickstoffdüngern, Pestizi­
                                                                                                                        den und importierten Eiweißfuttermit­
                                                                                                                        teln, und mit deutlich reduzierten Bedro­
                                                                                                                        hungen für Wasserressourcen und Luft­
                                                                                                                        qualität.“

                                                                                                                                                   Andreas Riedl

                                                                                                                           Die Publikation findet sich hier:
                                                                                                                           One Earth, 2021, doi: 10.1016/j.
     Foto: www.freepik.com

                                                                                                                           oneear.2021.05.008 – (www.cell.
                                                                                                                           com/one-earth/fulltext/S2590-
                                                                                                                           3322(21)00289-X)

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Das Wort unseren Mitgliedsgruppen
            Verpackungsfrei ist „in“
 Nachdem wir jahrelang Plastikmüll angehäuft und achtlos weggeworfen ha-
 ben, gibt es heute immer öfter die Möglichkeit, auf Plastikverpackungen zu
 verzichten und damit die Abfallmenge, die in die Umwelt gelangt, drastisch zu
 verringern: In ganz Südtirol sprießen immer mehr verpackungsfreie Läden aus
 dem Boden.                                                                                                                                  Mens(a) sana
                                                                                                                                          in corpore sano
                                                                                                                                 Für Nachhaltigkeit in der
                                                                                                                                Gemeinschaftsverpflegung
                                                                                                                                      Per una ristorazione
                                                                                                                                     collettiva sostenibile

                          „Verpackungs­       Lokale Produkte
                          abfälle sind ei-    verringern die Müllmenge
                           nes der größten       Außerdem verringert der Kauf lo­                                    Tagungsband
                           Umweltproble­      kaler Produkte die Verpackungsmen­                              Mens(a) sana in corpore sano“
                           me, die Südtirol   ge, da die umliegenden Bauern ihre
                          bewältigen muss“,   Ware direkt in den Laden liefern kön­                            online zum Herunterladen auf:
 ne
    sP                 sagt Lukas Trenker,    nen, während solche aus entfernten Re­
 I

       lung                                                                                                     www.oew.org/mensa-sana/
            er
                   Biobauer aus Toblach,      gionen des Transports wegen besser
  der bei seiner Arbeit auf dem Feld und      verpackt werden müssen. Marion Tri­
  im Wald stets achtlos hingeworfene          bus, Inhaberin von „Unverpockt“ in                            Damit die Mensa nachhaltiger wird.
  Nylonsäckchen und Plastikschälchen          Naturns, kauft aus diesem Grund ihre                              Lokal, saisonal, möglichst bio und
  aufsammelt.                                 Produkte bei lokalen Biobauern.                               fair sollten wir uns ernähren, um den
       Mit der zunehmenden Anzahl von            Zudem können die Südtiroler­Innen                          UN-Nachhaltigkeitszielen zu entspre­
  Geschäften, die verpackungsfrei ar­         lokal auf den zahlreichen Bauernmärk­                         chen.
  beiten, ist der Preis für lose Waren ge­    ten oder in den nun immer öfter anzu­                             Doch so sehr wir uns als Einzelne
  sunken. „So können sich mehr Men­           treffenden Hofläden einkaufen gehen,                          bemühen, die größten Stellschrauben
  schen als je zuvor verpackungsfreien        etwa bei Bernhard Feichter in Toblach                         für das Erreichen dieser Ziele finden
  Einkauf leisten“, sagt Anna Zagler,         und Zeffer in Milland sowie beim Hu­                          sich in der Gemeinschaftsverpflegung,
  führendes Mitglied der Facebook-            berhof in Völs.                                               wo täglich Abertausende von Essen
  Gruppe Zero Waste in Südtirol.                                                                            gekocht und entsprechend viele Le­
                                                                                                            bensmittel eingekauft werden: Kran­
  Auch konventionelle                                                                                       kenhäuser, Schulen, Kindergärten, Se­
  Läden denken um                                                                                           niorenheime sind die großen Player,
      Neben den schon seit langem ver­                                                                      die viel bewegen könnten, wenn sie
  packungsfreien Läden wie Horvath in                                                                       wollten, könnten, dürften...
  Bruneck, der Mühle in Pflaurenz oder                                                                          Die beiden Tagungen „Mens(a) sa­
  Novo in Bozen und in Brixen gibt es                                                                       na in corpore sano“ (Freie Universität
                                                                                        Foto: freepik.com

  nun auch viele biologische und kon­                                                                       Bozen 2018 und EURAC research
  ventionelle Lebensmittelgeschäfte, die                                                                    2020) haben versucht, Südtiroler
  eine verpackungsfreie Ecke eingerich­                                                                     ProduzentInnen,VerwalterInnen und
  tet haben. Bio-Bazar in Bruneck, PUR           Rosa vom Innichner Bistrogeschäft                          MensabetreiberInnen in diesem Sin­
  Südtirol in Brixen und Farinarium in        stellte fest, dass vor allem junge Men­                       ne zu vernetzen. Die ersten funktio­
  Meran bieten jetzt Trockenwaren in          schen sich des Müllproblems und der                           nierenden Beispiele in Südtiroler Ge­
  Spendern an, während Obst und Ge­           möglichen Alternativen bewusst sind.                          meinden, aber auch die Hürden und
  müse meist überall ohne Verpackung          Sie ist optimistisch, dass die verpa­                         Fallstricke, an denen der große Durch­
  gekauft werden können.                      ckungsfreien Läden den Konsum der                             bruch noch immer scheitert, sind im
      Rosa, Inhaberin des gleichnamigen       Menschen verändern werden: „Zusam­                            Tagungsband zur zweiten Tagung
  verpackungsfreien Ladens in Innichen,       men schaffen wir ein respektvolles Le­                        festgehalten.
  kam die Idee für ihr Bistro mit inte­       ben für alle.“
  griertem Geschäft, als sie die unge­                                                                          Meine Leseempfehlung ergeht an
  heure Menge an Nylon- und Plastik­                    Umweltring Pustertal EO                             alle, die Lust haben, an der großen
  verpackungen sah, die in ihrem Haus­                                                                      Stellschraube Gemeinschaftsverpfle­
  halt anfielen, in einer Woche zwei Ta­        umweltolang.wordpress.com                                   gung in Richtung Nachhaltigkeit zu
  schen voll.                                                                                               drehen.
                                                                                                                                      Evi Keifl

naturschutzblatt 2/2021                                                                                                                                       11
Fotos: www.freepik.com
     Gentechnik durch die Hintertür
     Verbraucherzentrale und Dachverband protestieren

     Es ist wohl kein Zufall, dass sowohl im Nachhaltigkeitsbericht zur Südtiroler Land-            Gegen die eigenen Gesetze?
     wirtschaft als auch im politischen Strategiepapier zur Landwirtschaft 2030 nahezu                  Bisher gab es einen Konsens darüber,
     zeitgleich das Thema Gentechnik lanciert wird. Wir fragen uns, ob wir wirklich die             dass Südtirol gentechnikfrei sein soll: Die
     rote Linie überschreiten und zukünftig in der Landwirtschaft auch auf Gentechnik               Aussaat von gentechnisch veränderten
     setzen wollen.                                                                                 Pflanzen ist in Südtirol per Landesgesetz
                                                                                                    13/2006 verboten. Das Naturschutzgesetz
         Südtirol soll laut Strategiebericht bis     Sorten auch die Gentechnik eingesetzt          6/2010 verbietet zudem das Ausbringen
     2030 zum Land der Artenvielfalt, des sau­       werden – ein kompletter Paradigmen­            von gentechnisch veränderten Organis­
     beren Wassers, der fruchtbaren Böden            wechsel ohne jede öffentliche Debatte und      men in schützenswerten Gebieten und
     und nicht zuletzt der Premiumprodukte           durch die sogenannte Hintertür. Waren          schreibt zum Schutz wild lebender Tier-
     werden. Offenbar aber auch zu einem             und sind wir bislang in der Milchwirt­         und Pflanzenarten angemessene Puffer­
     Land, in dem gentechnisch veränderte            schaft stolz darauf, dass die Südtiroler Kuh   zonen und Vorsorgemaßnahmen fest. Süd­
     Pflanzen gezüchtet werden. Man muss             – gesetzlich geregelt – ausschließlich gen­    tirol ist darüber hinaus offizielles Mitglied
     die beiden oben genannten Dokumente             technikfreies Futter zu fressen bekommt,       im europäischen Netzwerk der gentech­
     schon genau lesen, um auf das Thema,            scheint dies nun plötzlich im Obstbau an­      nikfreien Regionen (European GMO-Free
     das in krassem Gegensatz zum Prinzip            ders zu sein. Gentechnik soll direkt für       Regions Network).
     der Artenvielfalt und zum bisherigen Be­        die Veränderung von Lebensmitteln für
     kenntnis zur Gentechnikfreiheit steht,          den menschlichen Verzehr eingesetzt wer­       Gibt es ein Dafür?
     aufmerksam zu werden. Unter anderem             den. Damit wird gleich in mehrfacher              BefürworterInnen des CRISPR/Cas-
     ist wörtlich zu lesen: (…) Moderne Züch-        Hinsicht eine rote Linie überschritten:        Technik-Verfahren argumentieren damit,
     tungsmethoden (CIS-Genetik, Genom-Edi-          Wo bleibt der Qualitätsanspruch der Süd­       dass diese neue Technik sehr präzise, ver­
     tierung) für die Entwicklung von resistenten    tiroler Landwirtschaft, natürliche, gesun­     gleichsweise einfach, zuverlässig und ko­
     und robusten Sorten (…) sowie ebenso (…)        de, qualitativ hochwertige Lebensmittel        stengünstig sei und dass die erzielten Än­
     Züchtung standortangepasster und resi-          produzieren zu wollen? Wenn man plötz­         derungen theoretisch auch durch spon­
     stenter Sorten mit neue­sten Technologien und   lich selbst auf Gentechnik setzt, wie will     tane Mutationen entstehen könnten. Da­
     Prüfung widerstandsfähiger Saatgutmi-           man sich dann noch gegenüber dem Welt­         mit sind zeitaufwändige Rückkreuzungs­
     schungen am Versuchszentrum Laimburg            markt mit seinen viel zu billigen Pro­         schritte nicht erforderlich, da die damit
     (...).                                          dukten behaupten? Wie kann der Anbau           hergestellten Endprodukte gar nicht trans­
                                                     von gentechnisch veränderten Lebens­           gen seien, also kein artfremdes Erbgut
     Gentechnik „Made in Südtirol“                   mitteln mit dem begehrtesten Lebens­           enthielten. Mit diesen Begründungen wol­
       Offensichtlich soll nun vor allem im          raum, als den wir Südtirol nur zu gerne        len sie – im Gegensatz zur derzeit gültigen
     Obstbau für die Entwicklung von neuen           bezeichnen, im Einklang stehen?                Rechtsprechung des Europäischen Ge­

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Die neuen Gentechnik-Verfahren
       Folgende Technologien sollen nun          im Reagenzglas (in vitro) hergestellt und    Schnitt Reparaturmechanismen, wel­
   in Südtirol zur Anwendung kommen.             dann mittels Vektoren (Transportvehi­        che zu künstlich ausgelösten Mutatio­
   Die Cis-Genetik unterscheidet sich von        kel) oder Genkanone in den Zielorga­         nen führen können. Zu den Verfahren
   der herkömmlichen Trans-Genetik, al­          nismus integriert, wo es dann an einer       der Genom-Editierung zählt unter an­
   so der gentechnischen Übertragung von         zufälligen Stelle in das Erbgut einge­       deren die CRISPR/Cas-Technik. Da­
   Genen artfremder Organismen in die            baut wird. Daher wird die Cis-Genetik        bei wird über eine molekulare „Sonde“
   Zielorganismen, lediglich dadurch, dass       als genauso risikoreich wie die Trans-       (Guide RNA) eine Zielstelle für die ge­
   die übertragenen Gene aus derselben           Genetik eingestuft.                          wünschte Mutation im Genom identi­
   Art bzw. Gattung wie der Zielorganis­                                                      fiziert, an der eine „Schere“ (Cas9-Pro­
   mus stammen. Das gewünschte Gen                   Die Genom-Editierung (engl. Ge­          tein) den DNA-Doppelstrang genau
   wird übertragen, aber es können dabei         nome Editing) bezeichnet verschiede­         dort durchtrennt. An dieser Stelle kann
   auch unerwünschte Erbinformationen            ne molekularbiologische Verfahren zur        nun die zelleigene „Reparatur“ spontan
   in die Kulturpflanze gelangen, die dann       gezielten gentechnischen Veränderung         erfolgen oder gezielt ein DNA-Ab­
   sehr aufwändig durch Rückkreuzung             des Erbgutes von Pflanzen, Tieren und        schnitt entfernt oder ein (miteinge­
   wieder entfernt werden müssen. Keine          Menschen. Bei diesen Verfahren wird          schleuster) neuer DNA-Abschnitt ein­
   Unterschiede gibt es jedoch in Bezug          die DNA des Zielorganismus mit einer         gefügt werden, um die Eigenschaften
   auf die Übertragungstechnologien: Wie         sogenannten Gen-Schere an einer be­          des Zielorganismus zu verändern.
   bei der Trans-Genese wird auch bei der        stimmten Stelle durchtrennt. Die Zel­
   Cis-Genese ein Genkonstrukt zunächst          le aktiviert als Reaktion auf diesen

richtshofes – erreichen, dass solcherart ver­   dustrialisierung der Landwirtschaft als
änderte Organismen in Zukunft nicht             auch die Abhängigkeit der Bauern und
mehr als gentechnisch verändert gekenn­         Bäuerinnen von großen Agrokonzernen.
zeichnet werden müssten.
                                                   Das Thema Gentechnik soll, darf und
Gegenargumente                                  kann nicht an der Südtiroler Bevölkerung
   Dem entgegenzusetzen ist, dass auch in       vorbei über die Hintertür zur Realität er­
Bezug auf die neuen gentechnischen Ver­         klärt werden. Die Technik allein löst nicht
fahren unvorhergesehene und unerwünsch­         unsere hausgemachten Probleme, sie kann
                                                                                                    Projekt Streuobstwiese
te Auswirkungen auf das Genom oder die          aber ein Werkzeug sein, wenn sie zweck­
                                                                                                       Fotowettbewerb
Physiologie von gentechnisch veränderten        gebunden und reguliert eingesetzt wird.           EURAC Research hat als Forschungs-
                                                                                                  projekt Streuobstwiesen gestartet,
Organismen und in der Folge auf die Um­         Oberstes Prinzip muss immer das Vorsor­
                                                                                                  zusammen mit dem Dachverband für
welt und die menschliche Gesundheit nicht       geprinzip sein, also kein Schaden für Men­        Natur- und Umweltschutz, dem Roten
ausgeschlossen werden können.                   schen und Umwelt.                                 Hahn/Südtiroler Bauernbund, Bioland
   Zudem ist Südtirol zu klein, um gen­                                                           Südtirol, dem Verein Sortengarten
technisch veränderte Pflanzen neben gen­              Verbraucherzentrale Südtirol                Südtirol, dem Amt für Natur der Pro-
technikfreien Pflanzen anzubauen, eine                                        und                 vinz und dem Heimatpflegeverband.
Trennung der beiden Versorgungs- und                              Dachverband für
                                                                                                  Die Südtiroler Initiative Baumgart –
Lieferketten ist nicht umsetzbar.                         Natur- und Umweltschutz                 wie die Streuobstwiese hierzulande
   Eine Verbesserung der Qualität und die                                                         auch genannt wird – hatte ihren
Positionierung von Südtiroler Produkten                                                           Anfang am 30. April, dem europa-
als gesunde Lebensmittel sowie Steige­                                                            weiten „Tag der Streuobstwiese“. Die
rung der Artenvielfalt in Südtirol beinhal­        Nachzulesen:                                   Initiatoren wollen mit dem lancierten
ten die einzig logische Konsequenz: Ver­                                                          Fotowettbewerb BAUMGART auf
                                                   auf Seite 59 Nachhaltigkeitsbericht
                                                   der EURAC > https://www.eurac.edu/             den besonderen Wert dieser Lebens-
zicht auf die Gentechnik.                                                                         räume aufmerksam machen. Fotos
                                                   de/reports/landwirtschaftsreport-
    Um dem „obersten Gebot, die bäuer­                                                            können bis zum 20. September 2021
                                                   nachhaltigkeit-suedtirol-2020
lichen Familienbetriebe zu erhalten“, ge­                                                         eingesendet werden.
                                                   unter Begleitmaßnahmen im Stra-
recht zu werden, braucht Südtirol eine             tegiepapier LandWIRtschaft 2030                   Detailinformation/Reglement
bäuer­liche und an den Prinzipien der Öko­         > https://www.provinz.bz.it/land-              https://www.eurac.edu/de/research/
logie orientierte Landwirtschaft. Der Ein­         forstwirtschaft/landwirtschaft/                mountains/alpenv/services/Pages/
satz von gentechnisch veränderten Orga­            landwirtschaft-2030.asp                        Photo-contest.aspx
nismen dagegen verstärkt sowohl die In­

naturschutzblatt 2/2021                                                                                                                   13
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