Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land

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Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
martinsfeuer
                            advent 2020

                 Katholische
                         Katholische
                 Katholische   Pfarrei
                               Pfarrei Pfarrei
           Katholische
             St. Martin
             St. Martin  Pfarrei
                         Idsteiner
                     St. Idsteiner Land Land
                          Martin Idsteiner
                                   Land
       St. Martin Idsteiner Land

                   In dieser Ausgabe:

                      Klima.Gerecht.Leben S. 10

    Sonntags zuhause und doch bei und mit Gott S. 17

               Eine neue Kita und noch mehr S. 21

schritte wagen
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
Editorial

                                                                      Liebe Leserinnen
                                                          S   ind Sie schon mal über eine solche
                                                              Hängebrücke gegangen? Das Titelbild
                                                          macht es deutlich: Keine festen Mauern, die
                                                          Halt geben, keine stabilen Geländer, die vor
                                                          dem Absturz sichern. Ich habe das Ziel auf
                                                          der anderen Seite bereits vor Augen. Doch
                                                          um dorthin zu gelangen, muss ich eine wa-
                                                          ckelige, unsichere Brücke überqueren. Eine
                                                          Abkürzung, die Mut von mir verlangt, denn
                                                          ich habe freie Sicht nach unten, die Gitter
                                                          geben den Blick in die Tiefe auf felsiges Ge-
                                                          stein oder einen reißenden Fluss frei. Viele
                                                          Menschen kehren vor einer solchen Brücke
                                                          um und brechen den Weg ab. Aber es gibt
                                                          auch die anderen, die unverzagt das Ziel im
                                                          Blick halten und Neues wagen:
                                                           einige unserer AutorInnen haben neue
                                                             Wege beschritten: so in der Tauf- oder

                                                                                                          Titelfoto: Johannes Meiwes | Foto links: Jan Niklas Schmidt | Lied: © Strubeverlag, München, Text: Eugen Eckert, aus dem Album „Einfach so“, Band Habakuk
                                                             Kommunionkatechese, in der Jugend-
                                                             arbeit oder bei online-Angeboten der
                                                             Pfarrgemeinde.
                                                           Lesen Sie die ganz persönlichen Erfah-
                                                             rungen von Menschen, die alle auf ihre
                                                             Weise Schritte in eine unsichere Zukunft
                                                             gewagt haben, von Tobit über Josef bis
                                                             in die heutige Zeit.
                                                           Hören Sie von den Erlebnissen dreier af-
                                                             ghanischer Schwestern und ihren Zu-
                                                             kunftsträumen.
                    Weite Räume meinen Füßen,              Dorothea Breuer lässt uns am Projekt
                    Horizonte tun sich auf,                  „Betroffene hören, Missbrauch verhin-
                    zwischen Wagemut und Ängsten             dern“ teilhaben und beschreibt die mu-
                                                             tige Aufarbeitung.
                    nimmt das Leben seinen Lauf:
                                                           Lesen Sie die Analyse und den Kommen-
                    Schritt ins Offne, Ort zum Atmen,        tar über die Gemeinde-Instruktion.
                                                           Drei neue Mitglieder unserer Gemeinde,
                    hinter uns die Sklaverei;
                                                             die bereits „die Hängebrücke überwun-
                    mit dem Risiko des Irrtums
                                                             den“ haben und uns mit Freude unter-
                    machst du, Gott, uns Menschen frei.      stützen, heißen wir herzlich willkommen:
                                                             Janine Witter, Pastoralreferentin, Carmen
                    Da sind Quellen, sind Ressourcen,
                                                             Hensel-Moscherosch für die Presse -und
                    da ist Platz für Phantasie;              Öffentlichkeitsarbeit und Sibyll Nell, die
                    zwischen Chancen und Gefahren            Verwaltungsleiterin. Sie stellen sich und
                    Perspektiven wie noch nie.               ihre Aufgabenschwerpunkte vor.
                                                          Wie immer vertiefen wertvolle Buchtipps
                    Doch bleib Kompass,                   die Themen und es gibt Ausblicke auf inte-
                    bleibe Richtschnur,                   ressante Veranstaltungen. Viel Freude beim
                    dass wir nicht verlorengehn;          Lesen!
                    zu der Weite unsrer Räume             Für das Redaktionsteam
                    lass uns auch die Grenzen sehn.       Ulla Staudt

                    Eugen Eckert
2 | martinsfeuer advent 2020                                                             Schritte wagen
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
Vorwort

und Leser,
                                 K   leine Schritte … da gab es für mich die-
                                     ses Jahr ganz Besondere: Angefangen
                                 mit den ersten kleinen Schritten, die meine
                                                                                 noch einmal neu der schwierigen Situa­tion
                                                                                 eine neue Chance zu geben: Wie oft haben
                                                                                 wir uns die letzten Jahre besonders im Ad-
                                 Tochter im Mai dieses Jahres wagte. Seit-       vent gewünscht zu entschleunigen. Die-
                                 dem sind viele gefolgt; oftmals wackelige,      ses Jahr haben wir sicherlich viel weniger
                                 unsichere aber auch manch bestimmter            Auswahl, den Advent zu füllen – weil viele
                                 Schritt mit einem klaren Ziel: Schritte, um     Veranstaltungen nicht stattfinden können.
                                 sich in meine Arme fallen zu lassen, aber       Darin steckt auch die Chance, Dinge neu zu
                                 auch Schritte weg von mir hin auf ihren ei-     beleben, die wir die letzten Jahre vermisst
                                 genen Weg.                                      haben. An Weihnachten feiern wir, dass
                                    Kleine Schritte – ja, Kinder dürfen an-      Gott ganz klein als ein Kind auf die Welt ge-     Ulla Staudt
                                 fänglich kleine Schritte gehen. Aber wir in     kommen ist. Ein Kind, das auch erst einmal
                                 unserem Alltag? – Kleine Schritte machen,       ganz kleine, wacklige Schritte gemacht hat.
                                 das kommt uns Erwachsenen oft furcht-           Besonders der Advent ist doch die Zeit der
                                 bar langsam vor. Wir wollen keine kleinen       kleinen Schritte. Damit Weihnachten kom-
                                 Schritte gehen, sondern mit großen, wei-        men kann, damit Jesus unter uns Mensch
                                 ten Schritten unterwegs sein und am bes-        werden kann, müssen wir erstmal bei uns
                                 ten direkt einen ganzen Berg besteigen.         selbst ankommen. Jeden Tag ein kleiner
                                 Ungeduldig sein, das kennen wir doch            Schritt – ein Schritt auf mich selbst zu.
                                 oft. Wir wollen Montag schon, dass Frei-            Wie mir das gelingen kann? Diese Fra-
                                 tag ist, wir warten darauf, dass der dunkle     ge kann nur jeder selbst beantworten: Viel-
                                 graue November vorbei ist und am besten         leicht mir Zeit zu nehmen, um etwas zu
                                                                                                                                   Janine Witter,
                                 direkt schon Frühling ist. Besonders bei        basteln, vielleicht auch einfach Zeit für Stil-   Pastoralreferentin
                                 Angelegenheiten, die uns unangenehm             le, für Briefe an liebe Menschen, Zeit zum
                                 sind. Sicherlich kann man das Jahr 2020,        Innehalten, Zeit für einen Plausch mit dem
                                 das in die Geschichtsbücher als das „Coro-      Nachbarn, Zeit für das Gebet alleine oder
                                 na-Jahr“ eingehen wird, dazurechnen. Es         mit anderen zusammen, Zeit für ein Telefo-
                                 soll doch möglichst schnell vorbei sein. Si-    nat, Zeit für besondere Momente mit den
                                 cherlich hoffen wir alle berechtigt darauf,     Kindern …
                                 dass die Krankheit besiegt und die Pande-           Ich persönlich möchte in diesem Jahr
                                 mie eingedämmt wird. Aber manchmal              auch wieder bewusst unsere abendliche
                                 vergessen wir darüber, im Hier und Jetzt        Adventsstunde einführen. Eine Kerze am
                                 zu leben. Da nehme ich mich selbst gar          Adventskranz anzünden, an liebe Men-
                                 nicht aus. 2020 war sicher nicht das Jahr       schen denken, die wir gerade nicht tref-
                                 mit den größten persönlichen Freihei-           fen können, gemeinsam eine Geschich-
                                 ten. Aber es war auch ein Jahr, Dinge an-       te hören und ein kleines Gebet sprechen.
                                 ders zu tun: Ausgebremst zu werden heißt        Und dann, wenn doch die Hektik mal aus-
                                 auch, anders Zeit zu haben. Vielleicht ist      bricht, nicht gleich alles über den Haufen
                                 es eine Chance für Mitmenschlichkeit, ei-       werfen … Vielleicht ist es an einem Abend
                                 ne Chance, Zeit füreinander zu haben und        mal nur die Kerze, nur die Geschichte oder
                                 sicherlich eine Zeit, die herausfordert und     vielleicht auch nur ein leises „Danke, lieber
                                 uns immer wieder auf uns selbst zurück-         Gott“ … Es zählen die kleinen Schritte …
                                 wirft. Aber egal, wie schmerzhaft und he-
                                 rausfordernd das Jahr 2020 ist, auch hier       In diesem Sinne wünsche ich Ihnen,
                                 finden wir viele kleine Fußabdrücke von         auch im Namen des ganzen Pastoralteams,
 Fotos: privat | Janine Witter

                                 uns – wir können das Jahr nicht neu star-       einen besinnlichen Advent und ein frohes,
                                 ten. Jeder Tag ist Zeit, die uns von Gott ge-   erfülltes   Weihnachtsfest.
                                 schenkt ist.
                                    Vielleicht ist der Advent in diesem Jahr     Herzliche Grüße,
                                 eine gute Gelegenheit, am Ende des Jahres       Janine Witter, Pastoralreferentin

                                 www.katholisch-idsteinerland.de                                                           martinsfeuer Advent 2020 | 3
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
analyse

In der Realitätsfalle                                                                                  Stefan Thissen
Eine vatikanische Instruktion fordert die Pfarreien weltweit zu einem neuen missio­
narischen Aufbruch auf. Sie übersieht aber die vielerorts vorhandenen strukturellen
­Probleme bei der Umsetzung. Die Mehrheit der deutschen Bischöfe und Laienvertreter
 sind verärgert – und befürchten Rückschritte.

                       Z   ur weltweiten Überraschung veröffent-
                           lichte der Vatikan am 20. Juli dieses Jah-
                       res ein Papier, das sich kritisch mit verschie-
                                                                         nen verändert“, schreibt die römische Kon-
                                                                         gregation.
                                                                             Das Gebiet einer Pfarrei sei „nicht mehr
                       denen Anpassungen kirchlicher Strukturen          nur ein geografisch abgegrenzter Bereich,
                       an die regionalen Herausforderungen in            sondern der Zusammenhang, in dem jeder
                       der Weltkirche auseinandersetzt. Die von          sein Leben, das aus Beziehungen, gegensei-
                       der Kongregation für den Klerus (alle ge-         tiger Hilfe und lange gepflegten Traditionen
                       weihten Priester und Diakone, d. Red.) ver-       besteht, lebt“, stellen die Autoren des Papiers
                       fasste Instruktion „Die pastorale Umkehr          fest. Vielmehr stehe auf diesem „existenziel-
                       der Pfarrgemeinde im Dienst an der missi-         len Territorium“ die Herausforderung der Kir-
                       onarischen Sendung der Kirche“ analysiert         che auf dem Spiel. Daher erscheine ein „pas-
                       die vielfältigen Veränderungen in der Welt        torales Handeln überholt, das den Hand-
                       und beleuchtet die Folgen, die sich daraus        lungsraum ausschließlich auf den Bereich in-
                       für die Pfarrei als „Gemeinschaft, die um         nerhalb der territorialen Grenzen der Pfarrei
                       den Tisch des Wortes und der Eucharistie          beschränkt“.
                       zusammengerufen wird“, ergeben.                       Eindringlich warnt die Instruktion vor
                          So müsse sich die – grundsätzlich terri-       Selbstgenügsamkeit der Gläubigen und
                       torial ausgerichtete – Pfarrei heute mit ei-      Priester. Aktivitäten, die das Leben der
                       ner „Zunahme der Mobilität und der di-           Menschen nicht mehr berührten, seien ein
                       gitalen Kultur“ auseinandersetzen, heißt          „steriler Überlebensversuch, der oft mit all-
                       es in dem 34-seitigen Dokument. Das Bild          gemeiner Gleichgültigkeit zur Kenntnis ge-
                       von dauerhaften Lebens- und Arbeitsbe-            nommen wird“. Wenn eine Pfarrei nicht die
                       dingungen entspreche immer weniger                „spirituelle Dynamik“ der Evangelisierung
                       dem Leben der Menschen, das sich „in ei-          lebe, „läuft sie Gefahr, selbstbezogen zu
                       nem globalen und pluralen Dorf“ abspiele.         werden und zu verkalken“, heißt es in dem
                       Stattdessen habe „die digitale Kultur in un-      Papier. Eine solche Pfarrei habe den „Ge-
                       umkehrbarer Weise das Raumverständnis,           schmack des Evangeliums und die missio-
                       die Sprache und das Verhalten der Men-            narische Durchschlagskraft bereits verlo-
                       schen, besonders der jungen Generatio-            ren“.

4 | martinsfeuer advent 2020                                                                              Schritte wagen
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
analyse

                                                      Bei der Erläuterung, wie eine missiona-       ihr Engagement nur misstrauisch beäugt
                                                  risch ausgerichtete Kirche aussehen soll, wird    und von oben herab bewertet wird.“ Er hö-
                                                  die Instruktion allerdings widersprüchlich. So    re, „dass zunehmend keine Motivation mehr
                                                  sei es notwendig, sowohl eine selbstbezo-         herrscht, in einer Kirche mitzumachen, die
                                                  gene Pfarrei-Konzeption als auch eine ‚Kle-       so auftritt.“ Außerdem sorge er sich um die
                                                  rikalisierung der Pastoral‘ zu überwinden“,      Priester seines Bistums, so Kohlgraf. „Schon
                                                  verlangt die Kongrega­tion. Dazu sollten die      jetzt können wir vakante Stellen nicht be-
                                                  Gläubigen aktiv in die Gemeindearbeit ein-        setzen. Viele Priester klagen über Überfor-
                                                  bezogen werden. Wo dies im missionari-            derung im Blick auf Verwaltung und Büro-
                                                  schen Sinne gelinge, gebe es deshalb auch         kratie.“ Gerade dies solle aber der römischen
                                                  keinen „angemessenen Grund“, Pfarreien al-       Instruktion zufolge bei den Pfarrern bleiben.     Stefan Thissen
                                                  lein aufgrund von Priestermangel oder der fi-          Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woel-
                                                  nanziellen Situation zusammenzulegen.            ki lobte dagegen die Instruktion. „Ich bin
                                                      Andererseits könne die Aufgabe der           dankbar, dass uns Papst Franziskus mit
                                                  Pfarreileitung nur von einem Priester ausge-     dieser Handreichung den Weg weist.“ Das
                                                  übt werden, stellt das Dokument fest. Wer die    Dokument enthalte viele Anregungen für
                                                  Priesterweihe nicht empfangen habe, kön-         ­einen missionarischen Aufbruch der Kirche.
                                                  ne „auch nicht im Falle des Priestermangels“      „Zugleich ruft es uns Grundwahrheiten un-
                                                  den Pfarrer-Titel oder entsprechende Funk-        seres Glaubens in Erinnerung, die wir gera-
                                                  tionen erhalten. Insbesondere könne das           de in Deutschland vielleicht manchmal aus
                                                  Amt des Pfarrers „nicht ­einer aus Klerikern      dem Blick verlieren, wenn wir zu sehr mit
                                                  und Laien bestehenden Gruppe übertragen          uns selbst beschäftigt sind.“ Woelki erklär-
                                                  werden“, schreibt die Klerus-Kongregation.        te: „Papst Franziskus rückt hier einiges zu-
                                                  Daher müssten „Bezeichnungen wie ‚Lei-            recht, aber nicht als Maßregelung oder Dis-
                                                  tungsteam‘, ‚Leitungs­equipe‘ oder ähnliche      ziplinierung, sondern als Ermutigung, ganz
                                                  Benennungen, die eine kollegiale Leitung          auf Christus zu setzen, um wieder eine mis-
                                                  der Pfarrei zum Ausdruck bringen könnten“,       sionarische Kirche zu werden.“
                                                  unbedingt vermieden werden.                            Der Präsident des Zentralkomitees der
                                                                                                    deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Stern-
                                                  Kontroverse Reaktionen                           berg, erklärte, die Instruktion verfehle die
                                                  In der katholischen Kirche Deutschlands          Realität der katholischen Kirche in Deutsch-
                                                  sorgte die Instruktion für heftige Kontro-       land. „Wenn da zum Beispiel steht – auch
                                                  versen – auch innerhalb der Bischofskon-         jetzt in diesem Papier wieder –, dass alle
                                                  ferenz. So erklärte der Osnabrücker Bischof      Gremien reine Beratungs- und Hilfsgremi-
                                                  Franz-Josef Bode, er werde von der Praxis        en sind, die den Pfarrer, der da als Hirte ide-
                                                  in seinem Bistum nicht abrücken. Dort sind       alisiert wird, unterstützen und beraten sol-
                                                  fünf Frauen und Männer bereits als Laien in      len, dann geht das insofern an der Realität
                                                  der Gemeindeleitung eingesetzt. Bode hat         vorbei, als wir etwa in Deutschland staats-
                                                  sie in den vergangenen Monaten zu „Pfarr-        kirchenrechtlich geregelt haben, dass die
                                                  beauftragten“ gemacht und sich dabei auf         Kirchenvorstände und Vermögensverwal-
                                                  einen Absatz im Kirchenrecht berufen, das        tungsräte Mitbestimmungsgremien sind.
                                                  diese Praxis für Notsituationen erlaubt. Das     Die sind Entscheidungsgremien, keine Bera-
                                                  Schreiben aus dem Vatikan stellt dies jetzt      tergremien.“ In den ersten fünf Kapiteln kön-
Fotos: Petersdom: Nimrod Oren/Pixabay | Thissen

                                                  infrage. Er befürchte jedoch, dass „diese        ne man „sehr viel Vernünftiges“ lesen, sagte
                                                  Not bei uns an so manchen Stellen perma-         Sternberg. „Aber wenn es dann um die Äm-
                                                  nent existieren wird“, so der Bischof.           ter und um die Laien geht, dann denke ich:
                                                      Der Mainzer Bischof Peter ­Kohlgraf          Was ist das für ein merkwürdiges Bild?“
                                                  schrieb in einer Stellungnahme, er könne
                                                  diesen „Eingriff“ in sein bischöfliches Amt
                                                  „nicht so einfach hinnehmen“. Nach dem             Die vatikanische Gemeinde-Instruktion steht bereit unter
                                                  römischen Schreiben sorge er sich „um die          https://dbk.de/de/nc/presse/aktuelles/meldung/
                                                  vielen (noch) Engagierten“. Kohlgraf sagte:        vatikanische-instruktion-die-pastorale-umkehr-der-
                                                  „Bald werden sie genug davon haben, wenn           pfarrgemeinde/detail/

                                                  www.katholisch-idsteinerland.de                                                            martinsfeuer Advent 2020 | 5
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
Kommentar

   Kirche muss
   erkennbar bleiben
   Sabine Bernstein

Mit einer Instruktion liefert Rom Leitplanken für die vielerorts zweifelsfrei notwendigen
Strukturreformen – und stellt dabei den eigentlichen Auftrag der Kirche in den Mittel­
punkt. In Deutschland hat das Schreiben zum großen Teil für Empörung gesorgt. Dabei
sind zwischen vielen Selbstverständlichkeiten einige wichtige Impulse zu finden, die den
Kern der katholischen Kirche bewahren helfen.

                      D     ie Veröffentlichung der Vatikan-In­struk­
                            tion sorgte diesen Sommer für ordent-
                       lich mediale Aufmerksamkeit. Kein Wun-
                                                                        ben vorbei – und dann enttäuschte mich
                                                                        die Lektüre fast ein wenig: Das Schreiben
                                                                        enthält in weiten Teilen Selbstverständ-
                       der, hatte das vom Heiligen Vater abge-          lichkeiten. Was genau hat die Kritiker al-
                       segnete Schreiben der Kongregation für           so zu so scharfen Worten veranlasst? Es
                       den Klerus doch gerade hierzulande für           wird sehr detailliert und sachlich ausge-
                       empörte Reaktionen aus einigen kirch-            führt, welche Ziele eine katholische Ge-
                       lichen Kreisen gesorgt: „Ein ungeheuer-          meinde unserer heutigen Zeit gemeinsam
                       licher Versuch Roms!“ (Wir sind Kirche),         verfolgen soll und welche Rolle Priestern,
                       „abenteuerlich realitätsfern“ (ZdK-Präsi-        Diakonen, kirchlichem Personal und allen
                       dent Sternberg), „Rom hat den Bogen des          Gläubigen sowie organisatorischen Ein-
                       Erträglichen überspannt“ (ein Kirchen-           heiten wie Verwaltungsrat oder Pastoral-
                       rechtler in der Zeit). Und es waren nicht        rat/Gemeinderat zukommt. Dabei nimmt
                       nur die üblicherweise zitierten Laiengre-        die Kleruskongregation gerade die Län-
                       mien, die das Vorgehen skandalisierten –         der der Weltkirche in den Blick, in denen
                       auch etliche deutsche Bischöfe kritisierten      der Priestermangel die gewohnte persön-
                       die Instruktion deutlich als eine Art Einmi-     liche Betreuung der Gemeinde erschwert
                       schung Roms ohne Kenntnis der Realitä-           und in denen Lösungen aus dieser Krise
                       ten vor Ort.                                     gesucht werden. Hier will das Dokument
                           Nach so viel Empörung kam ich aus rei-       Leitplanken bieten für die aktuellen Struk-
                       nem Interesse schon nicht an dem Schrei-         turreformen.

6 | martinsfeuer advent 2020                                                                          Schritte wagen
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
Kommentar

                                                        Wo katholisch drauf steht, sollte auch          die weitreichenden Fusions-Pläne im Bis-
                                                        katholisch drin sein                            tum Trier gegeben hat – hier sollten über
                                                        Mein Eindruck dabei: Auch zum „Schutz“          850 Pfarreien zu 35 Großpfarreien zusam-
                                                        der Gläubigen vor allzu rigorosen Umwäl-        mengefasst werden. Die Instruktion be-
                                                        zungen, die ja auch gerade hier in Deutsch-     kräftigt die Einwände gegen solche Pläne
                                                        land in einigen Diözesen für Diskussionen       noch einmal, approbiert durch Papst Fran-
                                                        sorgen. An mehreren Stellen wird betont,        ziskus. Für die meisten Gläubigen dürf-
                                                        dass diese Umstrukturierungen nicht an          te die Instruktion schon daher kein Auf-
                                                        den Menschen der Pfarrgemeinden und             regungs-Potenzial bieten, im Gegenteil.
                                                        Diözesen vorbei passieren darf. Dabei wird      Vielleicht muss man tiefer in die Reform-
                                                        hervorgehoben, wie wichtig der Austausch        prozesse rund um kirchliche Strukturen          Sabine Bernstein
                                                        und die Zusammenarbeit zwischen Pfar-           und Hierarchien involviert sein, um sich
                                                        rern und Laien ist – so wird zum Beispiel       durch die Instruktion mit Aussagen kon-
                                                        auch der Pfarrgemeinderat ganz klar als das     frontiert zu sehen, die den gerade gefass-
                                                        beratende Gremium für den Priester bestä-       ten und für gut befundenen Plänen deutli-
                                                        tigt. Aber es wird auch deutlich gemacht:       che Grenzen setzt. Das macht die Planung
                                                        „Quelle und Höhepunkt des ganzen christ-        notwendiger Maßnahmen nicht leichter,
                                                        lichen Lebens ist die heilige Eucharistie“ –    richtig. Die Frage bleibt aber: Wird die Kir-
                                                        und diese kann nach katholischer Auffas-        che in Deutschland den Impuls aus Rom
                                                        sung nun mal nur von einem Priester ge-         als Chance begreifen? Ich würde mir ei-
                                                        spendet werden. Damit muss die Leitung          ne inhaltliche Auseinandersetzung wün-
                                                        einer Gemeinde letztverantwortlich beim         schen, wie sie schon aus christlicher Sicht
                                                        Pfarrer bleiben. Ist das wirklich verwunder-    angebracht wäre. Die Art und Weise, wie
                                                        lich? Wo katholisch drauf steht, sollte auch    offensichtlich ohne Reflexion auf die
                                                        katholisch drin sein – auch das steckt ganz     durchaus berechtigten Hinweise reagiert
                                                        deutlich in den Aufzählungen von Selbst-        wurde, hat mich als Laie enttäuscht. Sich
                                                        verständlichkeiten.                             hier in Deutschland wieder mehr als Teil
                                                                                                        der römisch-katholischen Weltkirche be-
                                                        Was ist missionarische Kirche? Glauben          greifen, das wäre ein wichtiger Schritt und
                                                        verkünden und Sakramente spenden                könnte den Horizont ja vielleicht mal wie-
                                                        Mir scheint das der entscheidende Punkt zu      der erweitern. 
                                                        sein, der das eigentliche Anliegen aus Rom
                                                        noch einmal verdeutlicht: Nämlich, dass Kir-
                                                        che zuallererst einen missionarischen Auf-
                                                        trag erfüllen muss – das Wort Gottes ver-          Lesetipp
                                                        künden und Sakramente spenden. Das darf            Schott, H.: Raus aus dem toten Winkel
                                                        – so ist aus der Instruktion sehr deutlich zu      – Ein unkonventioneller Blick auf die
                                                        lesen – bei all der Auseinandersetzung mit         Kirche von morgen,
                                                        neuen Strukturen nicht vergessen werden.           Kösel, 2020, 208 S., 18 Euro,
                                                        Insofern stellt die Instruktion aus katholi-       ISBN 978-3-466372652
                                                        scher Sicht nicht nur Selbstverständlichkei-       Mit augenzwinkerndem Blick schaut
Fotos: Petersdom: Jérôme Clarysse/Pixabay | Bernstein

                                                        ten klar, sondern liefert auch den ein oder        H. Schott auf bestehende Strukturen
                                                        anderen Impuls, um die zweifelsohne not-           und geht neue Wege: Gottesdiens-
                                                        wendigen Maßnahmen in einem Rahmen                 te in Wohnzimmern, die verlost wer-
                                                        zu halten, der den eigentlichen Auftrag der        den oder Gottesdienste im Bus sind nur ein kleiner Aus-
                                                        Kirche sicherstellt.                               schnitt seiner ungewöhnlichen Ideen. Dabei findet er meistens
                                                            Die Instruktion wendet sich nicht expli-       Offenheit und große Neugier am Glauben, sodass er sich einen
                                                        zit an die katholische Kirche in Deutsch-          optimistischen Blick für die Zukunft der Kirche behält. Seine
                                                        land – aber soweit ich es sehe, waren hier         Auftritte als Kabarettist ermöglichen dem evangelischen Pfar-
                                                        die Reaktionen am heftigsten. Vielleicht           rer Hannes Schott aus Bayreuth manche ungewöhnliche Sicht
                                                        mag es daran gelegen haben, dass es kurz           auf die Kirche und das „göttliche Erdenpersonal“.
                                                        zuvor ein klares Stopp-Signal aus Rom für

                                                        www.katholisch-idsteinerland.de                                                         martinsfeuer Advent 2020 | 7
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
statements

Welche Schritte haben Sie gewagt oder möchten Sie   
Eva-Maria Blumenroth und Franz Keil,            der Wunsch Kindern Erlebnisse mit ihren
Jung-Unternehmer*in, Idstein: Der               Mitmenschen und vor allem mit Gott zu er-
Schritt, uns mit unserem Unverpackt-            möglichen, die ihnen ihr Herz erwärmt. Und
Laden in Idstein selbstständig zu ma-           vielleicht gelingt das in diesen besonderen
chen, hat uns tatsächlich viel Mut ge-          Zeiten viel besser als sonst. 
kostet. Aber der brennende Wunsch,
für Idstein eine Alternative zum Plastik-       Franziska Kochendörfer, Gastwirtin, Id­
und Verpackungswahnsinn zu schaffen,            stein: Mein erster große Schritt war, in die
war für uns ein unglaublicher Antrieb. Denn       gastronomische Ausbildung in einem
nur wenn es hier eine Alternative gibt, kön-        mehr als 300 km entfernten Ort umzu-
nen sich die Idsteiner in ihrem Kaufverhalten        ziehen und sich dort mit 16 Jahren zu
nachhaltiger entscheiden. Trotz Corona gab           behaupten. Gut war, dass ich schnell
es da für uns keinen Weg zurück. Im Gegen-           feststellte, wenn man offen auf andere
teil, Corona müssen wir Menschen mit un-             zugehen und mithelfen kann, kommt
serem achtlosen Verhalten gegenüber der             man schnell am neuen Ort an und findet
Natur auf unsere Kappe nehmen, so dass           Freunde. Zehn Jahre später habe ich das Be-
das Thema für uns umso drängender ist. Wir      rufsfeld gewechselt und bin als Familienhel-
freuen uns jeden Tag, wie viele wundervolle     ferin in ein Kinderdorf im Südschwarzwald
Menschen den Schritt zu bewussterem Kon-        gezogen. Die Arbeit mit Kindern, die nicht
sum mit uns gemeinsam gehen.                   in der eigenen Familie aufwachsen können
                                                hat mich sehr geprägt. Corona ist eine Her-
Ehepaar Hildmann, ­Täuflingseltern, Id­         ausforderung sich einer Lebenssituation an-
stein: Für uns als Eltern war es sehr           zupassen, aber kein wirklich neuer Schritt. 
wichtig, auch unserer jüngsten, im
März geborenen Tochter das Ge-                  Miriam Lehmann, Pfarrerin, Steinfisch­
schenk und den Segen der Taufe zu               bach: Hineingeworfen – gewagt – viel ge-
ermöglichen und das Wunder des Le-              wonnen: Bei uns und mir waren und sind
bens zu feiern. Ende Mai war dies leider        das mit Corona unsere Online-Gottes-
nicht möglich, doch mit der Hilfe und dem       dienste. Ohne Corona wären wir das hier
tollen Engagement des Pfarrbüros konnten        noch lange nicht angegangen. Weil es Mut
wir eine wunderschöne Taufe im sonnigen           braucht, jedenfalls für mich als Pfarre-
September feiern. Mit dem gebotenen Ab-             rin, nicht nur Vor-Ort zu predigen, son-
stand wurde festlich gesungen, individuel-           dern mich „konserviert“ mit Wort und
le Fürbitten vorgetragen und insgesamt ei-           Gesang, unperfekt, wie es normal ist,
ne liebevolle Tauffeier mit Pfarrer Brast ge-        darzustellen. Doch ich bin sehr froh,
staltet. Wir sind dankbar für diesen beson-          dass Mitte März mein Sohn sagte: „Du
deren Tag und dass Gott unsere Kinder bei          kannst singen und reden. Ich beschaf-
all ihren Schritten im Leben begleitet.        fe die Bilder, mache den Schnitt und eröff-
                                                ne für euch einen Youtube-Kanal. Das wird
Anette Koch, KiTa-Leiterin, Esch: Ich ar-       gut!“ (EvangKG Steinfischbach-Reichen-
beite als Erzieherin in einer Kita und eh-      bach-Reinborn) Nun ist Herbstpause, aber
renamtlich im Kinderdienst der evan-            im Advent geht es weiter! 
gelischen Kirche. In Zeiten, in denen
es viele einschränkende Verhaltens-             Joachim Reimann, Bürgermeister, Nie­
regeln gibt, die sich dazu jederzeit än-        dernhausen: Nie zuvor musste ich so viele
dern können, braucht es viel Kreativität        Schritte ins Ungewisse wagen wie in 2020.
und Flexibilität neue Wege zu suchen und        Immer wieder waren und sind während
zu gehen, um Kindern die Möglichkeit zu         der Corona-Zeit auch durch unser Team
                                                                                                Fotos: privat

geben Feiern wie St. Martin oder das Krip-      im Rathaus Entscheidungen zu treffen
penspiel zu erleben. Mich motiviert dabei       oder Maßnahmen zu veranlassen, die gro-

8 | martinsfeuer advent 2020                                                   Schritte wagen
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
statements

  wagen?                                                                            Die Kurzumfrage in Corona-Zeiten

                 ßen Einfluss auf viele Menschen in unse-                            fest mit unserem Kooperationspartner, der
                 rer Gemeinde haben – in den Kitas, im                               Grundschule auf der Au, in anderer, kon-
                 Rathaus, für das Gewerbe, im öffentli-                              taktarmer Form und auch über Video aus-
                 chen Raum. Das Gewicht der Verant-                                  zutauschen. Es muss und soll weitergehen
                 wortung und der Sorgen, die daraus                                  für die Senioren- bis Hochbetagten-Gene-
                 resultieren, lässt sich nicht einfach ab-                           ration: so normal wie möglich! Da bleibt
                 schütteln. Wichtig sind dann Menschen,                              nur Eines: weiter gehen, mit allen Instan-
                 die einem nahe stehen, die mitdenken und                            zen in Kontakt bleiben, ganz kleine Schritte
                 mitfühlen. Solche Menschen zu haben, er-                            gemeinsam machen und flexibel bleiben,
                 füllt mich mit tiefer Dankbarkeit.                                 nachjustieren, aber immer weiter gehen!

                 Jutta Schmidt, Vinzenz von Paul-Haus,                                  Dr. Thomas Umscheid, Arzt, Bermbach:
                 ­Idstein: Keine leichte Frage während dieser                             Noch vor einem Jahr konnte ich mir nicht
                  ungewissen Corona-Zeit. Jetzt stehen der                                 vorstellen, eine ­Videosprechstunde zu
                  Herbst und die steigenden Covid 19-Infek-                                halten. Aber wenn man sich einen
                  tionen schon mit einem Bein in der Tür, ob-                              Schubs („dank“ Corona) gibt, wird nicht
                  wohl ich noch gar keinen reinlassen darf!                               für möglich Gehaltenes zu einer Lösung.
                  Jedenfalls keine Ehrenamtlichen! Und all                              Manche Patienten schaffen den Kontakt
                  diese treuen Geister vermisse ich sehr, wa-                        alleine, oft helfen Partner, Kinder und En-
                  ren sie und sind sie doch eine verlässliche                        kel. Ich freue mich zu sehen, wie bereitwillig
                  Hilfe und große Unterstützung, wenn                                auch die „Alten“ das Medium nutzen. Nicht
                  sie denn kommen dürften. Gewagt ha-                                immer muss der unmittelbare medizinische
                  be ich über dieses gute halbe Jahr hin,                            Nutzen im Vordergrund stehen, sondern die
                  einige Unterhaltungsveranstaltungen                                Gewissheit, dass man mit seinem gesund-
                  auf der Wiese vor dem Haus aufzufüh-                               heitlichen Problem nicht alleine ist, die Be-
                  ren. Auch Gottesdienste wurden gehal-                              treuung gewahrt bleibt und man Kontakt
                  ten. Wir haben es gewagt, das Erntedank-                           hat. – Auch von meiner Seite.

                 Gedanken einer Berufsmusikerin
                 E   rst dachte ich: für mich als Berufsmusi-
                     kerin hat sich doch gar nichts verändert,
                 außer der Tatsache, dass Konzerte nicht
                                                                                     ne Verbindung zu Gott. Interessanterweise
                                                                                     fehlt mir die weltliche Musik trotz ihrer tol-
                                                                                     len Sinfonien und wunderbaren Kammer-
                 stattfinden können. Doch als die Läden wie-                         musik nicht so wie eine Bachkantate oder
                 der geöffnet hatten und das Leben in Schu-                          eine Mendelssohnmotette. Ich habe inzwi-
                 le, Sport und Freizeit wieder begann, spür-                         schen angefangen, im Chor zu singen und
                 te ich nach einer Zeit der Lähmung wieder                           mich mit Kollegen und Freunden zum Mu-
                 Kräfte erwachen: ich hatte das Bedürfnis zu                         sizieren ohne Konzertanlass zu treffen. Das
                 singen und mich mit Kollegen zum Musi-                              stärkt und nährt. Allerdings bleiben die ma-
                 zieren zu verabreden (das kommt unter Be-                           teriellen Sorgen, solange fast alle Konzerte
                                                                 Judith Mac Carty,
                 rufsmusikern ohne Anlass aus Mangel an          Karlsruhe           abgesagt werden oder mit so wenigen Zu-
                 Lust auf noch mehr Musik und Zeit quasi nie                         hörern stattfinden müssen. Eine Wohltat
                 vor). Darüber hinaus wurde mir immer kla-                           war da die Großzügigkeit, mit der wir nach
                 rer, dass ich nicht nur freischaffende Musi-                        der Absage der Idsteiner Matthäuspassion
                 kerin geworden bin, weil mich ein „Orches-                          im März entschädigt wurden. Das ist aller-
                 terdienst“ (wie es im Theaterjargon heißt)                          dings längst vorbei, denn zwischenzeitlich
                 abschreckt, sondern auch, weil geistliche                           ist es normal, dass Konzerte abgesagt oder
                 Musik machen für mich Gottesdienst feiern                           gar nicht erst geplant werden. Dafür habe
 Fotos: privat

                 bedeutet. Kirchenmusik ist meine geisti-                            ich Zeit, meinem neuen Hobby nachzuge-
                 ge Nahrung und mein Gottesdienst – mei-                             hen: musizieren! 

                 www.katholisch-idsteinerland.de                                                     martinsfeuer Advent 2020 | 9
Martinsfeuer - Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
thema

     Klima.Gerecht.Leben                                                               Winfried Montz, Pax Christi Idstein
     Mondays for future in Idstein

                                                                               Kaffeeröstereien oder Supermarktketten
                                                                               nicht komplett auf diesen Standard um?
                                                                               Im Weltladen als Fachgeschäft des fairen
                                                                               Handels finden Sie ausschließlich Waren
                                                                               mit 100 Prozent Fairtrade-Standards. Die
                                                                               aus Frankreich zu uns gekommene, noch
                                                                               junge Initiative „du-bist-hier-der-chef“ ver-
                                                                               knüpft als Verbrauchermarke die Preis­frage
                                                                               mit Kriterien der regionalen und biologi-
                                                                               schen Erzeugung sowie der Achtung des
                                                                               Tierwohls. Milch ist als erstes Produkt auf
                                                                               dem Markt, Eier und Apfelsaft folgen. In-
                                                                               teressant, dass die Kriterien demokratisch,
                           1                                                   ­unter Beteiligung von 10 000 Konsumen-
                                                                                tinnen und Konsumenten erarbeitet und
                           2
                                  S   onntagsreden reichen nicht. Welche
                                      praktischen Schritte wagen wir im Kli-
                                  mawandel, damit ein gutes Leben für al-
                                                                                bestimmt wurden. Nomen est omen. Und
                                                                                diese Milch kann man in Idstein kaufen.

                                  le möglich wird und bleibt? Mit Montags-      Beim Geld wird es ernst.
                                  gesprächen in der Klimakrise hat die Pax-     Transparenz und Kundenmacht spielen
                                  Christi-Gruppe einmal im Monat einen          beim Thema Geld ebenfalls eine zentrale
                                  Gesprächsrahmen eröffnet, in dem im           Rolle: Wo und für wen lassen Sie Ihr Geld
                                  ­Idsteiner Land Ideen, neue Denkansätze       arbeiten, wenn Sie es am Bankschalter für
                                  und nachhaltige Lebensweisen Raum ge-         bescheidene Zinsen dem Geldinstitut an-
                                  winnen. Im Kulturbahnhof treffen sich mit     vertrauen? Vertrauen Sie Ihrem Partner,
                                  Hygienekonzept zwischen 20 und 30 Per-        dass damit keine klimaschädigende Koh-
     1  Dialoge mit vielen Im­
        pulsen: zu den offenen    sonen sehr unterschiedlicher Herkunft, um     le-, Öl- oder Gasindustrie finanziert wird?
        Montagsgesprächen         diesem Anliegen Vorschub zu verleihen.        Wir plädieren für Klimaschutz und mögli-
        Klima.Gerecht.Leben                                                     cherweise finanzieren wir gleichzeitig ent-
        treffen sich Personen
                                  Klimagerecht leben …                          gegengesetzte Wirtschaftsprozesse. Versi-
        aus Politik, Kirche,
        Handel, Landwirt­         … hat Anknüpfungspunkte vor Ort. Das          cherungen wie die Allianz oder die Mün-
        schaft, Vereinen und      zeigt die Themensammlung des Auftakt-        chener Rück haben längst begonnen, diese
        interessierte Bürge­      abends im August: gesunde Ernährung, re-     Industriezweige nicht mehr zu versichern.
        rinnen und Bürger
        monatlich im Kultur­
                                  gional und biologisch erzeugt, nachhaltige   Sie richten ihre Geschäfte anders aus, nicht
        bahnhof.                  Energiewirtschaft, klimafreundliche Mo-      nur aus ethischen Gründen. Befragen Sie
     2  Winfried Montz            bilität, ethische Finanzanlagen und Trans-   Ihre Bank, ob sie ausschließt, mit ihrem
                                  parenz globaler Herstellungsketten so-       Geld fossile Energieprojekte zu finanzieren.
                                  wie ­faire Preise von Produkten. Abend für        Die Montagsgespräche eröffnen mit
                                  Abend steht ein Beispiel im Mittelpunkt,     ­einem neuen Blick auf die Zusammenhän-
                                  wie Einzelne, aber auch Einrichtungen,       ge einen Dialog, der zeigt: Klimagerech-
                                  Wirtschaft und Politik klimarelevant einen   tigkeit beginnt im Alltag und vor Ort. Op-
                                                                                                                                 Fotos: Pax Christi, Idstein | Winfried Montz

                                  Beitrag zum gerechteren Miteinander leis-    fer des Klimawandels sehen, Ursachen er-
                                  ten können.                                  kennen und Anknüpfungspunkte der Ver­
Weblinks zu                           So rückt Transparenz bei der Herkunft     änderung aufgreifen verbinden sich in
Klima.Gerecht.Leben:              der Nahrungsprodukte in den Blick, aber       einem spannenden Austausch. Es entste-
www.weltladen-idstein.de          auch eine transparente Preisgestaltung.       hen Schritte „im Dienst an der Geschwister-
www.dubisthierderchef.de          Das Gütesiegel Fairtrade beinhaltet einen     lichkeit in der Welt“, wie es Papst Franziskus
www.urgewald.org                  Mindestpreis zum Beispiel für Kaffeebau-      im Oktober in seinem Schreiben ­Fratelli
                                  ern im globalen Süden. Warum aber stellen    Tutti nennt. Gehen Sie mit? 

     10 | martinsfeuer advent 2020                                                                              Schritte wagen
Thema

                                                      Fuß fassen und beschleunigen                                                   Hannah Montz, Jugendsprecherin

                                                      W     enn ich mir überlege, wann die Arbeit
                                                            des Jugendausschusses Fahrt aufge-
                                                      nommen hat, dann war das zu Beginn der
                                                      Corona-Pandemie. Die scheinbare Hürde,
                                                      sich nur noch online zu treffen und ein On-
                                                      line-Angebot zu liefern, haben wir mit Erfolg
                                                      gemeistert. Doch war es nur eine Hürde, ein
                                                      Hindernis, das wir überwinden mussten?
                                                          Nein, meiner Meinung nach nicht. Es
                                                      hat uns gleichzeitig auch Chancen gege-
                                                      ben und uns auf dem ein oder anderen                                                            1
                                                      Weg vorangebracht. Digitale Sitzungen,
                                                      Zoom-Spieleabende, ja, warum dann nicht         wir machen einfach 2020 einen Action-Tag.       2
                                                      auch noch Präsenz in den Sozialen Netz-         Warum nicht Filmabende machen? Gut, bei
                                                      werken zeigen, wenn wir schon in der Welt       den Filmabenden sind wir nicht ganz so
                                                      des World Wide Web unterwegs waren?             analog, aber egal.
                                                          Gesagt, getan. Unser Facebook- und ins-        Das vergangene Jahr schreit eigentlich
                                                      besondere unser Instagram-Account ste-          nicht wirklich danach, als Erfolg gewertet
                                                      hen, ein Logo haben wir und weiter geht’s.      zu werden. Hindernisse und Sackgassen,
                                                      Für uns sind das Internet und die Sozialen      umplanen und verschieben. Ich will nicht
                                                      Netzwerke keineswegs Neuland. Wir nut-          sagen, dass es einfach war und ja, manch-
                                                      zen sie wahrscheinlich mehrfach täglich         mal war es frustrierend, den Filmabend
                                                      und nehmen sie als selbstverständlich an.       oder den Action-Tag schon wieder ver-
                                                      Doch der Jugendausschuss ist keine Privat-      schieben zu müssen, aber wir haben uns        1  Gruppenbild des Ju­
                                                      person, die Fotos postet. Wir mussten uns                                                        gendausschusses.
                                                                                                      davon nicht unterkriegen lassen. 2020 hat
                                                                                                                                                    2  Ein Beet vom Action­
                                                      überlegen, wie sich der Jugendausschuss         uns nicht gezwungen abzubremsen. Nein,           tag.
                                                      präsentieren will, was wir weitergeben wol-     wir haben das Gaspedal durchgedrückt
                                                      len und was von den Jugendlichen, unserer       und beschleunigt. Nicht umsonst, muss
                                                      Hauptzielgruppe, angenommen wird.               man sagen. Es hat uns Spaß gemacht, neue
                                                          Der Jugendausschuss ist einen neuen         Angebote zu planen und den Teilnehmen-
Fotos: Jugendausschuss St. Martin Idsteiner Land

                                                      Weg gegangen. Am Anfang war er neu und          den auch. Klar, aufwendig ist so etwas im-
                                                      ungewohnt, inzwischen spielt sich aber all-     mer, aber es lohnt sich.
                                                      mählich eine gewisse Routine ein. Wir ha-          Wir haben beschleunigt, sind neue We-
                                                      ben Fuß gefasst, lernen den Boden unter         ge gegangen und wurden dafür ausge-
                                                      unseren Füßen besser kennen und gewin-          zeichnet. Ende Oktober wurde uns der
                                                      nen an Sicherheit.                              Sonderpreis des Demografie-Preises des
                                                          Doch wir können nicht nur digital.          Rheingau-Taunus-Kreises verliehen, wor-
                                                      Wir haben auch in der analogen Welt an          über wir uns sehr gefreut haben.
                                                      Schwung gewonnen. Die nächste 72h-Ak-              Instagram: @jugendausschuss_idstein
                                                      tion ist erst in ein paar Jahren? Uns egal,        Facebook: Jugendausschuss Idstein

                                                   Lesetipp für Leser*innen ab 12
                                                   Jahreis, M.: Rebel Minds – 44 Erfinderin-          sche Geister mit einem ausgeprägten Hang
                                                   nen, die unsere Welt verändert haben               zur findigen Problemlösung. Melanie Jahr-
                                                   Beck, 2020, 189 S., 19,95 Euro                     eis, Kuratorin am Deutschen Museum, er-
                                                   ISBN 978-3-406757587                               zählt ihre unwiderstehlichen Geschichten.
                                                   Wer hat die Solarenergie erfunden? Den Pa-         Sie machen Mut, verrückte Träume zu ha-
                                                   ketfallschirm und die Einbauküche? Das kleine      ben, sich hohe Ziele zu stecken und ent-
                                                   Schwarze, die Wegwerfwindel und das Cham-          schlossen dem eigenen Weg zu folgen. Ei-
                                                   pagner- Rüttelpult? Das Fertighaus, die Draht-     ne inspirierende Lektüre zu jeder Tages-
                                                   lostechnologie, die Umweltbewegung und             und Nachtzeit, kongenial illustriert von
                                                   denwww.katholisch-idsteinerland.de
                                                        Matilda-Effekt? Es waren Frauen – rebelli-    Katinka Reinke.                       martinsfeuer Advent 2020 | 11
thema

Neue Angebote für junge Familien                                                   im Gespräch mit Janine Witter
Seit dem 1. Juni ist Janine Witter neu in der Pfarrei. Sie ist Pastoralreferentin und während
ihrer Elternzeit in der Pfarrei mit 5 Stunden tätig.
                                                                      sehr zeitgemäß. Umso wichtiger ist es mir,
                                                                      dass wir dabei Hilfestellung geben, es in die
                                                                      heutige Zeit zu übersetzen und Anregun-
                                                                      gen zu geben, was das ganz persönlich be-
                                                                      deuten kann. Früher war es vielfach üblich,
                                                                      dass Kinder gewisse Gebete stumpf aus-
                                                                      wendig lernen mussten. Meiner Meinung
                                                                      nach ist es aber viel wichtiger, dass Kinder
                                                                      mit dem Glauben eine Geborgenheit und
                                                                      Vertrautheit verbinden. Wie Eltern das ver-
                                                                      mitteln können, ist ein wichtiger Inhalt un-
                                                                      serer gemeinsamen Vorbereitung.

                                                                      Was ist Ihnen bei Ihrem Konzept wichtig?
                                                                      Wir wollen die Eltern da abholen, wo sie
                                                                      sind. Es soll jedem möglich sein, mit seiner
                                                                      eigenen Position, mit der er zu Glaube und
                                                                      Kirche steht, bei uns Anknüpfungspunk-
                       Was bringt Sie hier nach St. Martin?           te zu finden. Wir wollen aber auch ermög-
                       Ich stamme ursprünglich aus dem Wester-        lichen, dass Eltern sich untereinander aus-
                       wald und bin mit Beginn meiner Assistenz-      tauschen und vernetzen können.
                       zeit 2008 ins Rhein-Main-Gebiet gekom-
                       men. Ich lebe mit meinem Mann und un-          Wie wollen Sie das schaffen? Was beinhal­
                       serer einjährigen Tochter in Oberjosbach.      tet das Taufkonzept?
                       Lange Zeit war ich schwerpunktmäßig in         Es gibt zwei Erlebnisnachmittage, die fester
                       der Jugendarbeit tätig, erst in der Pfarrei    Bestandteil der Vorbereitung sind und ge-
                       St.  Birgid in Wiesbaden, dann an der Ju-      rade dieser persönlichen Auseinanderset-
                       gendkirche JONA in Frankfurt. Jetzt, wo ein    zung dienen. Das Gespräch mit dem Pries-
Janine Witter,         neuer Lebensabschnitt mit der Geburt un-       ter oder Diakon, der die Taufe spenden wird,
Pastoralreferentin     serer Tochter begonnen hat, freue ich mich,    ist natürlich weiterhin fester Teil der Vorbe-
                       im Bereich der Taufkatechese hier in der       reitung. Wer möchte, darf dann auch noch
                       Pfarrei tätig sein zu dürfen.                  zusätzlich an der Kreativwerkstatt teilneh-
                                                                      men, bei der es um die gestalterische Vorbe-
                       Was kann man denn unter Taufkatechese          reitung der eigenen Tauffeier geht.
                       verstehen?
                       Es geht hierbei vor allem um eine Unter-       Wie funktioniert das denn ganz praktisch?
                       stützung der Taufeltern. Wie können wir        Bei den Erlebnisnachmittagen sind immer
                       sie in ihren offenen Fragen unterstützen:      die Eltern mit dem Täufling eingeladen. So
                       Da kann es um ganz praktische Fragen ge-       muss nicht einer daheim auf das Kind auf-
                       hen, zum Beispiel, wie der Taufgottesdienst    passen und der andere macht alles allein.
                       persönlich gestaltet werden kann oder um       Wir haben es so gestaltet, dass die Kinder
                       Fragen, wie man im ganz Alltäglichen das       gut dabei sein können, wir sind viel draußen
                       Kind „im Glauben erziehen“ kann.               unterwegs (natürlich nur bei geeignetem
                                                                      Wetter), picknicken und arbeiten mit vielen
                                                                                                                       Fotos: Janine Witter

                       Erziehen im Glauben – das klingt in der        verschiedenen Methoden, sodass die Kin-
                       heutigen Zeit irgendwie nicht so alltäglich.   derbetreuung nicht zum Problem wird. Das
                       Ja, das stimmt, das klingt im ersten Mo-       viele Unterwegssein macht es auch leichter,
                       ment für viele wahrscheinlich nicht mehr       miteinander ins Gespräch zu kommen.

12 | martinsfeuer advent 2020                                                                         Schritte wagen
Thema     Lesetipps                                                     Thema

                                               Stöbe, T.: Mut und Menschlichkeit.
Ist eine Teilnahme nur für Taufeltern mög­     Als Arzt weltweit in Grenzsituationen
lich?                                          Fischer TB, 2019, 192 S., 14,99 Euro,
Nein, es wird (vorausgesetzt, es sind noch     ISBN 978-3-596704392
Plätze frei) immer auch für andere möglich     Was zählt wirklich im Leben? Tankred Stöbe
sein teilzunehmen. Thematisch richtet sich     hat seine Antwort auf diese Frage gefun-
das Angebot aber vor allem an Familien mit     den. Seit Jahren ist er als Arzt in Krisenge-
Babys oder Kleinkindern bis ca. 3 Jahre.       bieten in der ganzen Welt unterwegs. Ein
                                               heimlicher Grenzübertritt in einem Dschungel in
Ist das alles dann nach den zwei Erlebnis­     Myanmar oder Tage und Nächte ohne Schlaf in einer Höhlenklinik
nachmittagen vorbei?                           in Syrien – seine Einsätze verlangen ihm alles ab. Dabei trifft er selbst
Nein, wer an dem Format Gefallen gefun-        in den ausweglosesten Situationen auf selbstlosen Mut und tiefbe-
den hat, darf auch bei weiteren Erlebnis-      rührende Menschlichkeit. Seine Erlebnisse geben ihm Hoffnung: „Wir
nachmittagen teilnehmen. Ich habe noch         verwehren uns vielen Erfahrungen aus einem Sicherheitsbedürfnis
ganz viele Ideen, wie wir das Begleiten bei    heraus. Aber es lohnt sich, die eigenen Grenzen auszuloten, egal in
der „Erziehung im Glauben“ auch darauf         welchem Bereich. Jeder kann über sich hinauswachsen.“ Ein ermuti-
aufbauend noch weiter gestalten können.        gendes Plädoyer für Solidarität, Courage und Menschlichkeit.
Die Vertiefung „Wie kann ich mit meinem
Kind beten?“ oder das Gestalten von Fes-       Müller, G.: Umdenken: Überlebens­fragen
ten im Kirchenjahr, wie Advent, Weihnach-      der Menschheit
ten oder Ostern, sind beispielsweise The-      Murmann Publ., 2020, 200 S., 20 Euro, ISBN 978-
men, die mir im Kopf herumschwirren.           3867746496
    Ich will aber eigentlich erstmal hinhö-    Ein Buch, das mit konkreten Handlungs­emp­feh­
ren, was die Eltern sich wünschen würden.      lungen wachrüttelt. – Brennende Müll­­halden, aus
Es ist nicht wichtig, was ich meine, anderen   denen junge Menschen wertvolle Metalle klau-
vermitteln zu müssen. Für mich ist es wich-    ben, und Krankenhäuser, die den Eindruck ei-
tig, auf das zu hören, was die Bedürfnisse     ner Slumhütte vermitteln: Das ist eine Realität,
der Familien sind.                             die wir in unserem Alltag nicht sehen, anders als
                                               Entwicklungsminister Gerd Müller. Er kennt diese Orte, kennt deren
Gibt es denn schon erste Veranstaltun­         Geschichte und unsere Verantwortung dafür. In „Umdenken. Über-
gen, bevor das Konzept dann bald richtig       lebensfragen der Menschheit“ nimmt uns Gerd Müller mit auf seine
eingeführt wird?                               Reisen fernab des europäischen Wohlstands, erzählt von bewegen-
Ja, wir wollen schon in diesem Jahr zwei       den Begegnungen und erklärt, warum sich unsere Handlungen in
freiwillige Angebote machen: Im November       Europa auf den Rest der Welt auswirken, positiv wie negativ. Er ruft
werden wir uns an einem Nachmittag tref-       zum beherzten Umdenken in einer globalisierten Welt auf, in der ein
fen, um für die adventliche und weihnacht-     neuer Europa-Afrika-Pakt und ein neues globales Verantwortungs-
liche kleinkindgemäße Gestaltung zuhause       gefühl die Welt friedlicher, gerechter und zukunftsfähig für kommen-
zu sorgen und am 6.12. kommt der Nikolaus      de Generationen gestalten könnte; mit einem Buch, das die Augen
für die Kleinsten (bis 3 Jahre) zu Besuch.     öffnet, ohne zu moralisieren, das aber an unsere Verantwortung in
                                               einer zusammengewachsenen Welt erinnert.
Eine Frage noch am Schluss: Worauf freu­
en Sie sich am meisten?                        Durst-Benning, P.: Die Fotografin – Am Anfang des Weges
Das ist recht einfach: Auf tolle Begegnun-     Blanvalet TB, 2020, 448 S., 10 Euro
gen mit anderen Familien, auf verschiede-      ISBN 978-3-734106576
nen Ansichten und einen gewinnbringen-         Mimi Reventlow war schon immer anders als die
den Austausch mit bereichernden Ideen          Frauen ihrer Zeit. Es ist das Jahr 1911, und wäh-
und Vorstellungen.                             rend andere Frauen sich um Familie und Haus-
                                               halt kümmern, hat Mimi ihren großen Traum
Bei Fragen können Sie sich gerne an die        wahr gemacht. Sie bereist als Fotografin das
zuständigen Pastoralreferentinnen Janine       ganze Land und liebt es, den Menschen mit
Witter (j.witter@katholisch-idsteinerland.     ihren Fotografien Schönheit zu schenken,
de) und Tatjana Schneider (t.schneider@        genau wie ihr Onkel Josef, der ihr großes
katholisch-idsteinerland.de) wenden.          Vorbild ist. Als dieser erkrankt, zieht sie in das kleine
                                               Leinenweberdorf Laichingen, um ihn zu pflegen und vorüber-
                                               gehend sein Fotoatelier zu übernehmen. Und als bald ein Mann Mi-
www.katholisch-idsteinerland.de                mis Herz höher schlagen lässt, muss      sie eine Entscheidung
                                                                                   martinasfeuer                   | 13 …
                                                                                                                treffen
                                                                                                    pfingsten 2019
thema

Dem Glauben auf der Spur                                                                                   Alexia Schadow
Gemeinsame Schritte wagen – auf dem Weg zur Erstkommunion

                                                                                        gesamte Familie in den Blick: Paral-
                                                                                        lel zu den Kindertreffen gibt es die
                                                                                        Elternstunden, die die Themen der
                                                                                        Kinder aufgreifen.

                                                                                          Auch Erwachsene brauchen die
                                                                                          Begegnung mit Jesus Christus
                                                                                          immer aufs Neue
                                                                                          In den Elternstunden treffen die
                                                                                          Eltern Gemeindemitglieder, die in
                                                                                          erster Linie keinen Vortrag halten
                                                                                          möchten, sondern von ihrem Glau-
                                                                                          ben, ihren Erfahrungen erzählen
                                                                                          und zum Austausch, zur Spurensu-
                                                                                          che zur Verfügung stehen.

                             „... W        ieso, weshalb, warum?“ – je-
                                           der kennt diese Fragewörter,
                             ob von der Kindersachbuchserie oder vom
                                                                                    Verschiedene Stationen in unseren Kir-
                                                                                chen zu den Themen „Gottesdienstablauf
                                                                                und Kirchenraumerkundung“, „Gebet“ und
                             Vorspann einer berühmten Kindersendung.            „Sakramente“ werden angeboten, die die
                             Kinder fragen, Kinder wollen es genau wis-         Eltern auswählen und im Wechsel besu-
                             sen und erste Ansprechpartner sind in den          chen können.
                             allermeisten Fällen die Eltern. Das ist Ver-           Auf Augenhöhe können Fragen ge-
                             trauensbeweis und Anspruch zugleich.               stellt und diskutiert werden, aber schluss-
                                 „Mama, Papa, wieso soll ich zum Kom-           endlich geht es bei „... wieso, weshalb, war-
                             munionunterricht, weshalb gehen wir jetzt          um?“ nicht um Glaubenswissen, das natür-
Alexia Schadow               in den Gottesdienst und warum ist die 1.           lich eine wichtige Basis ist, sondern um uns
                             Heilige Kommunion eigentlich ein Fest?“            selbst. Um unseren eigenen, unseren „er-
                                 Kinder stellen diese Fragen zu Recht           wachsenen“ Glauben, um unser Band zu Je-
                             und merken schnell, dass ein wichtiger             sus Christus, das allzu oft recht lose ist und
                             Schritt, etwas Neues vor ihnen liegt, selbst       immer wieder neu geknüpft werden will. Es
                             wenn sie Geschichten aus der Bibel kennen          geht um unser Gespür und unsere Offenheit
                             und den Religionsunterricht in der Grund-          für die Begegnung mit IHM – im Alltag und
                             schule besuchen.                                   besonders in der Feier der Heiligen Messe.
                                 Und sie wollen wissen, wie wir – die El-           Hier können wir von den Kindern ler-
                             tern oder die Erwachsenen überhaupt – es           nen und mit ihnen gemeinsam unseren ka-
                             denn mit dem Beten halten (Wieso?), was            tholischen Glauben (neu) entdecken. Wir
                             wir über die Sakramente1 wissen (Warum?)           können voneinander lernen, von unserem
                                                                                                                                 Foto: pexels/pixabay/pfarrbriefservice.de | Alexia Schadow

1  Beispiele für Sakra­     und besonders über die Eucharistie2 (Wes-          Glauben auch zu erzählen.
   mente sind z. B. Taufe,   halb?). Sie wollen ihre Erfahrungen teilen,            Und schließlich geht es um uns als Ge-
   Ehe, Eucharistie. Ein
                             denn längst ist der „Kommunionunterricht“          meinde, wie ich es im Gebet für die Erstkom-
   sichtbares Zeichen
   bzw. Handlung, das        (eigentlich ein antiquierter Begriff ) ein Tref-   munionkinder und ihre Familien formuliert
   die unsichtbare Wirk­     fen, bei dem sicher einiges Neues gelernt          habe: „... Und gib uns allen ein waches Herz
   lichkeit Gottes verge­    wird, aber genauso die Fragen und Anlie-           für Deine Liebe, damit wir die Gemeinschaft
   genwärtigt und an ihr
   teilhaben lässt (Wiki­
                             gen der Kinder Platz haben.                        sind, in der Freude am Glauben spürbar ist.“
   pedia).                       Seit zwei Jahren nehmen wir (ein Team              Wenn wir uns selbst über unseren Glau-
2  Eucharistie, griech.     aus Mitgliedern der Arbeitsgruppe Erwach-          ben freuen können, unsere Spur des Glau-
   für „Danksagung“,         senenbildung und in der Erstkommunion-             bens finden, dann spüren die Kinder und
   Empfang des Sakra­
   mentes auch „Kom­         vorbereitung erfahrenen Gemeindemit-               die Familien das Willkommen, das schließ-
   munion“.                  gliedern) hier auch die Eltern und damit die       lich Jesus Christus selbst ausspricht. 

14 | martinsfeuer advent 2020                                                                                   Schritte wagen
Thema

                          Heiliger Josef                                                                             Patricia Goldstein-Egger
                          Wie Zweifel zu neuen Schritten im Leben führen können

                          I n der Bibel wird wenig über Josef berich-
                            tet. Wir kennen ihn als Verlobten von Ma-
                          ria, der Mutter von Jesus und nach dessen
                          Geburt als den Ziehvater von Jesus. Wie es
                          allerdings dazu gekommen ist, erscheint
                          als eine noch heute sehr lebensnahe Erfah-
                          rungsgeschichte.
                              Im Matthäus-Evangelium wird berich-
                          tet, dass Josef überlegt, Maria zu verlassen
                          und nichts auf das Gerede und die Träume
                          von Engeln und dem Wirken des Heiligen
                          Geistes zu geben. Er will die schwangere
                          Maria, die zu diesem Zeitpunkt seine Ver-
                          lobte ist, verlassen. Er hinterfragt, was er
                          weiß und was ihm in Träumen von Engeln
                          gesagt wird. Er will eigentlich von Maria
                          weglaufen, was wohl eine adäquate Reak-
                          tion auf die schwer verständliche Schwan-
                          gerschaft Marias gewesen wäre. Weglaufen
                          vor dem Unerklärlichen und Ärgerlichen          Modesto Faustini,        riskierte Josef damit, als naiver Mann dazu-
                          – wer von uns kennt das nicht. Das ist viel     Geschichten des heili­   stehen und sich vor seinen Zeitgenossen
                                                                          gen Josef (1886–90),
                          einfacher als sich den Zumutungen des Le-       2.: Josefs Traum.        zu blamieren. Dem Willen Gottes entspre-
                          bens und damit dem Willen Gottes zu stel-                                chend zu handeln, neue Schritte gegen die
                          len. So verhält sich zunächst Josef.                                     bestehenden Zweifel zu wagen, erforderte
                              Doch was wandelt ihn? Josef wird dann                                von Josef ein Vielfaches an Mut gegenüber
                          in der Bibel als ein Mensch beschrieben,                                 dem einfachen Weglaufen.
                          der „gerecht“ ist. Es wird keine Aussage,                                    Josefs Lebens- und Glaubensweg wird
                          kein Gedanke von Josef beschrieben, son-                                 in der Bibel mit einem großen Zweifel be-
                          dern es heißt: „... er tat, was der Engel ihm                            schrieben. Josef repräsentiert mit seinem
                          befohlen hatte“. In seinem Tun zeigt sich,                               Hadern die Zweifel im Glauben und den
                          was mit „gerechter Mensch“ gemeint ist.                                  Weg zu einem schwer errungenen Glau-
                          Er wagt den Schritt, nicht mehr zu hadern                                ben. In dieser Geschichte gehören Glaube
                          und zu lamentieren, sondern er handelt                                   und Zweifel zueinander und stellen keinen
                          und übernimmt Verantwortung – für Maria                                  Widerspruch dar. Vielmehr bedarf es wahr-
                          und das ungeborene Kind. Damit schützt                                   scheinlich viel öfter des Zweifels, um zu ei-
                          er Maria und das ungeborene Kind. Damit                                                  nem tieferen Glauben zu ge-
                          hört er auf Gott und handelt danach.                                                     langen. Bei Josef jedenfalls
                              Dieses Handeln von Josef stellt das ge-                                              bewirkt erst dieser Zweifel
                          naue Gegenteil von einem ängstlichen und                                                 eine tiefe Glaubenserfah-
                          heimlichen Weglaufen dar. Maria verlas-                                                  rung und ermöglicht ihm
                          sen und weggehen wäre der einfache und                                                   damit das „gerechte“ Tun
                          leichte Weg für Josef gewesen. Nach der                                                  und den Mut dazu. So kön-
                          Logik Gottes hat sich Josef dann allerdings                                              nen wir bei Josef eine sehr
Foto: Wikimedia Commons

                          doch für den schweren Weg entschieden                                                    stille und leise Glaubensge-
                          und es gewagt, zu Maria zu stehen und den                                                schichte nachvollziehen, die
                          zukünftigen Weg gemeinsam mit ihr zu ge-                                                 für uns heute noch mitten
                          hen. Sich auf diesen Weg einzulassen, er-                                                aus dem Leben heraus er-
                          forderte wesentlich mehr Mut. Schließlich                                                zählt ist. 

                          www.katholisch-idsteinerland.de                                                        martinsfeuer Advent 2020 | 15
thema

     Nur Mut, Kind!*
     Auch wenn es so aussieht, es ist kein
     Kind, das hier von einem „Engel in
     Arbeitskleidung“ gestützt wird.

 1

 2
                           E  s ist ein junger Mann, Tobias, der auf Bit-
                              ten seines erblindeten Vaters ­Tobit**
                           Schritte ins Ungewisse gewagt und sich auf
                                                                            schickt? ... Wir hätten dieses Geld gar nicht
                                                                            gebraucht, denn es ist nichts, verglichen mit
                                                                            dem Leben unseres Sohnes.“ (Tobit 5, 18–20)
                           eine gefährliche Reise begeben hat. ­                Unterwegs besteht Tobias mit Rafaels/
                                                                            Asarjas Hilfe gefährliche Situationen. Einen
                           Das Buch Tobit                                   Fisch, der ihn in die Tiefe zu ziehen droht,
                           Diese Weisheitserzählung mit märchen-            kann er mit seiner Hilfe fangen. Sie kom-
                           haften Zügen gehört zum Ersten („Alten“)         men bei einem anderen Verwandten Tobits
                           Testament. Sie spielt während einer Zeit         vorbei. Tobias bleibt, er gewinnt Sara, das
                           der Verbannung der Israeliten in der assy-       einzige Kind dieses Verwandten, lieb und
1  Adam Elsheimer,        rischen Hauptstadt Ninive und Umgebung.          heiratet sie. Mit dem Herz und der Leber
   ­Tobias und der Engel       Tobit wird vorgestellt als frommer Mann,     des Fisches vertreibt Tobias den Dämon,
2  Christine Reuß
                           der sich an die Gesetze Israels hält, seine      der Sara eifersüchtig verfolgt und zuvor be-
                           Glaubensgeschwister in der Verbannung            reits sieben ihrer Verlobten getötet hatte.
                           finanziell unterstützt und dennoch ein ei-           Mit dem Notgroschen des Vaters und
                           genes Vermögen sparen konnte. Einen Teil         reich beschenkt ziehen Tobias, Sara, Rafa-
                           davon hat er für schlechte Zeiten bei einem      el und der Hund zurück nach Ninive zu To-
                           Verwandten fern von Ninive deponiert.            bit und Hanna. Die sind überglücklich, ihren
                           Nachdem er wieder den Gesetzen Mose fol-         Sohn nach so langer Zeit wiederzuhaben.
                           gend, einen Israeliten begraben hat, erblin-     Mithilfe der Galle des gefangenen Fisches
                           det er. Er beklagt zwar seine Not, hält aber     bekommt Tobit auch das Augenlicht wieder.
                           am Glauben seines Volkes fest.
                                                                            ... und die Moral von der Geschicht?
* Tobit 8,21               Ein Engel reist inkognito mit                    Das Buch Tobit, das im zweiten Jahrhundert
** Die Namen Tobit         Bevor Tobit sein einziges Kind Tobias auf        vor Christus entstanden ist, ist kein Bericht.
und Tobias sind abge­
                           den langen und riskanten Weg schickt, um         Es spricht von den Erfahrungen des Volkes
leitet von Tobija und
bedeuten „Gut ist Gott     seinen „Notgroschen“ zu holen, gibt er ihm       Israel mit seinem Gott – und kann uns des-
(JHWH)“.                   Ratschläge fürs Leben mit: „Alle deine Tage,     halb vielleicht auch noch etwas sagen:
*** Auch Rafael ist ein    Kind, gedenke des Herrn! ... Wie es dir mög-          Wo ihr auch seid, was ihr auch tut, Gott
„sprechender Name“
und bedeutet „Als Hei­
                           lich ist, aus dem Vollen schöpfend – gib da-     ist bei euch – zu Hause und auf Reisen. Er
                                                                                                                              Fotos: Wikimedia Commons | Christine Reuß

ler erweist sich Gott“.    von Almosen!“ (Tobit 4, 5+8) und viele mehr.     ist bei euch und euren Kindern, auch wenn
                               Als Reisebegleiter bietet sich Asarja an,    ihr sie selbst nicht beschützen könnt. Er hilft
Quellen:                   der eigentlich der Engel Rafael*** ist – auf     euch, Gefahren zu überwinden und daraus
Das Buch Tobit,
auf: bibelwerk.de          dem Gemälde daran zu erkennen, dass er           Kraft zu schöpfen. Er ist da, wenn ihr zu
Tobit, auf:                zwar normale Kleidung, aber ein Paar Flü-        neuen Ufern aufbrecht, wenn euch die Lie-
bibelwissenschaft.de       gel trägt ... Auch der Familienhund hat sich     be begegnet und euch die Mächte der Ei-
SWR4 Sonntagsgedan-
                           mit auf den Weg gemacht! Tobias’ Mutter          fersucht und des Todes bedrohen. Er ist da,
ken, Dr. Maria Mees­
ters, Sendemanuskript      Hanna macht unterdessen Tobit Vorwür-            wenn es vor euren Augen dunkel wird, und
10.7.2011                  fe: „Warum hast du unseren Sohn wegge-           er lässt euch wieder das Licht schauen. 

16 | martinsfeuer advent 2020                                                                                Schritte wagen
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