Musikprotokoll - Produkte - ORF
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musikprotokoll – Produkte das rauschen Form – Luxus, Kalkül Bilder – Verbot und Verlangen europäische meridiane Übertragung – Hrsg.: Christian Scheib, und Abstinenz in Kunst und Musik neue musik territorien Transfer – Metapher Sabine Sanio Fragen, Thesen und Beiträge Hrsg.: Christian Scheib, Reportagen aus Ländern Kulturtechniken, Ihre Wolke-Verlag, Hofheim 1995 zu Erscheinungsweisen Sabine Sanio im Umbruch (dt./engl.) Visionen und Obsessionen ISBN 3923997663 aktueller Musik Pfau-Verlag, Saabrücken 2000 Hrsg.: Susanna Niedermayr, Hrsg.: Christian Scheib, € 11,90 Hrsg.: Christian Scheib, ISBN 3897271303 Christian Scheib Sabine Sanio Sabine Sanio € 11,90 Pfau-Verlag, Saabrücken 2003 Kerber Verlag, Bielefeld 2004 Pfau-Verlag, Saabrücken 1999 ISBN 3897272482 ISBN 3936646880 ISBN 3897270854 2 Bände, 2 CDs, € 35,– € 22,95 € 11,90 für Ö1-Clubmitglieder € 30,– musikprotokoll musikprotokoll 30 Jahre Musikprotokoll Dieb 13 restructing im steirischen herbst 97 im steirischen herbst 98 Moderne aus Österreich 1968–1997 musikprotokoll 99 Edition Zeitton Edition Zeitton ORF MP 30, 6 CDs in einer Box ORF CD 260 charizma 13 MP97 ORF 15 MP98 ORF 16 € 52,– € 14,– € 14,– € 14,– für Ö1-Clubmitglieder € 46,80 für Ö1-Clubmitglieder € 12,60 für Ö1-Clubmitglieder € 12,60 für Ö1-Clubmitglieder € 12,60 reMI – DVD Alien City – DVD 40x Gegenwart – 40x musikprotokoll 2000 musikprotokoll 2001 musikprotokoll – DVD Michaer Pinter: alien productions: Das ORF-Festival für Komposition, Konzeption Martin Breindl, Neue Musik im Renate Oblak: Norbert Math, steirischen herbst Video, Konzeption Andrea Sodomka Ein Film von Kooperation: Kooperation: Günter Schilhan ORF-musikprotokoll/ ORF-musikprotokoll/ und Christian Scheib. tonto Zangi Music/ ORF DVD MP903 ORF DVD MP00705 OK Centrum für € 20,–; für Ö1-Club- € 20,–; für Ö1-Club- Gegenwartskunst OÖ mitglieder € 18,– mitglieder € 18,– ORF DVD MP01 706 € 20,–; für Ö1-Club- mitglieder € 18,–
musikprotokoll im steirischen herbst 2009 Als Labor und Katalysator der zeitgenössischen musikalischen Kunst Österreichs fungiert das musikprotokoll im steirischen herbst seit über 40 Jahren: Experimentierfeld der akustischen Künste und zugleich Katapult in die Internationalität der neuen Musik. Neben dem Klavierprojekt der Seven Last Words und dem internationalen Performance-Spezialprojekt Touch this Sound! stehen 2009 auch großformatige Konzerte mit dem RSO Wien und Uraufführungen von Olga Neuwirth und Bernhard Gander auf dem Programm – beispielsweise ein Konzert, in dem auch zwei junge Solistenstars auftreten werden: Antoine Tamestit, Bratsche, und Marisol Montalvo, Sopran. Repräsentative Ensemble- und Kammermusik bringen das Klangforum Wien und das ensemble recherche unter anderem mit Uraufführungen von Rebecca Saunders und Johannes Maria Staud. Solisten-Recitals von Uli Fussenegger, Franz Hautzinger und anderen erforschen subtile Klangregionen und vervollständigen das heurige musikprotokoll-Puzzle aus großer Form, intermedialen Experimenten und präziser Kammermusik. Touch this Sound! #1 und Komponisten mit langjähriger Verbindung zu Die Musik des Heart Chamber Orchestra kommt im Wortsinn Österreich, wie dem wieder hier lebenden Johannes Maria von Herzen. Eingespannt in eine Feedback-Schleife folgen Staud, der nicht zum ersten Mal beim musikprotokoll zwölf Musikerinnen und Musiker in dem von Terminalbeach präsenten Britin Rebecca Saunders, dem Spanier Mauricio konzipierten und technisch realisierten Projekt einer Sotelo, der lange in Wien gelebt hat, und dem Kolumbianer Partitur, die sich in Echtzeit aus ihren eigenen Herzschlägen Germán Toro-Pérez, der dort noch immer aktiv ist. generiert. Danach nehmen GX Jupitter-Larsen und The Haters uns mit Ion-Gun unter Ionengewehr-Beschuss, bevor Amphigory – Unsinn und Ansinnen die Lucky Dragons in ihrer Performance Make a Baby zur Erstmals in seiner Geschichte hat das RSO Wien einen kollektiven Klang(er)zeugung einladen. Wie im vergangenen „Ersten Gastdirigenten“ engagiert – und selbstverständlich Jahr steht der erste Abend des musikprotokolls ganz im ist es einer der wichtigsten Experten für das Repertoire Zeichen des Festivalnetzwerkes ECAS/ICAS der European der Gegenwart: Symbolträchtig beginnt Peter Eötvös sein und International Cities of Advanced Sound. Engagement beim ORF Radio-Symphonieorchester im musikprotokoll, jenem Festival, mit dem ORF und Ö1 Touch this Sound! #2 alljährlich ihre Kompetenz für neue Musik in Österreich In der Konzertinstallation Breathing Music von Justė Janulytė unter Beweis stellen. Auftragswerke von Olga Neuwirth und Dovydas Klimavic̆ius beginnt Musik zu atmen: Wie vier und Bernhard Gander stehen im internationalen Umfeld Föten in vier Uteri sitzen und spielen die Musiker des von ebenfalls neuen Arbeiten der Britin Rebecca Saunders Chordos String Quartet in großen Plastikblasen, aus denen und des Deutschen Matthias Pintscher. langsam Luft abwechselnd hinein- und dann wieder hinaus gepumpt wird, und erinnern daran, dass nicht nur wir, Um die herausragende künstlerische Energie dieses sondern auch Klang erst in und durch Luft existieren kann. besonderen Klangkörpers weiß auch die jüngere Komponistengeneration – Bernhard Gander benennt dies in Abime – Abgrund und Aufbruch seinem neuen Stück für das RSO gleich im Titel Lovely Der Inbegriff eines klassischen musikprotokoll-Abends des Monster. In diesem Konzert sind gemeinsam mit dem Aufbruchs in die Moderne, interpretiert von den Meistern Orchester renommierte Solisten zu hören. Der Jungstar der des Fachs, dem ensemble recherche und dem Klangforum Bratsche Antoine Tamestit spielt Olga Neuwirths neues Wien: Miteinander konfrontiert werden Werke aus aller Welt Werk und die junge amerikanische Sopranistin Marisol 1
Montalvo verwandelt sich in Herodiade, die im Dialog Touch this Sound! #3 mit ihrem Spiegelbild in die Abgründe ihres Begehrens Für sein Projekt Labyrinthitis hat Jacob Kirkegaard im blickt. Der Komponist Matthias Pintscher entwickelt aus Wortsinn seine Ohren nach innen gerichtet und eine dieser auf einem Mallarmé-Text beruhenden Szene eine interaktive Soundinstallation aus Klängen geschaffen, vibrierende Orchester-Landschaft mit Frauenstimme, die – als Produkte otoakustischer Emissionen – alle im deren vielleicht zentralen Satz er dann aber unbegleitet Ohr, im Gehörgang von Kirkegaard entstanden sind. lässt: „J’attends une chose inconnue“. Kirkegaard hat sie mit einer speziellen technischen Ausrüstung aufgenommen und daraus eine Komposition Seven Last Words geformt, die nun bei den Hörerinnen und Hörern zu Mitternacht, Samstag, im Kreuzgang der Minoriten am weiteren otoakustischen Emissionen führt. Mariahilferplatz: Klavierklänge eines Werks über „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz“ – Musik von Out of Tune – Konzertreihe elektronischer Musik Joseph Haydn im Haydn-Jahr. Musik, die aber auch – Können wir elektronische Musik verstehen? Welche zumindest in der von Marino Formenti gespielten Fassung Konzepte des Zugriffs sind noch gültig, nachdem sich die für Klavier – im Gestus an Morton Feldman erinnert. Wie Musik längst von traditionellen Kontexten, Kriterien, ein fotografisches Negativ dazu verhalten sich Bernhard Hörgewohnheiten gelöst hat? Wie orientieren wir uns, wo Langs Seven Last Words, die sich direkt auf Haydn beziehen: die elektronische Musik noch keine allgemeingültigen Aus dem Sich-Versenken wird ein Sich-Erheben, aus der Konzepte musikalischen Verstehens hat etablieren können, Frömmigkeit wird Aufbegehren, aber es bleibt das gleiche sondern wo theoretische Zugriffe sehr unterschiedlicher Bild von musikalischer Intensität, von letztlich metaphysi Musik- aber auch Kunstdisziplinen gleichberechtigt neben scher Herausforderung. einander stehen? Und dennoch gehen wir von Kriterien des Musikverstehens aus – auch wenn sie noch nicht explizit solo-recital-suite benennbar sein mögen. „Out of Tune“ beschäftigt sich mit Es gibt Instrumente, da wundert es nicht, sie länger allein diesen Fragen nach einem verstehenden Zugriff auf Musik – auf der Bühne zu sehen – das Klavier natürlich, vielleicht und damit ihrer Inhalte – über verschiedene vermeintlich auch die Geige. Aber Solo-Recitals mit Kontrabass oder traditionelle Ausg angspunkte und unterschiedliche Prä auch mit Trompete entsprechen nicht den Erwartungen sentationsformen und Interpretationen. konzertanten Zuhörens. Dieser Abend bringt beides: Uli Fussenegger, Kontrabass-Solist des Klangforum Wien, schöpft fragil und eindrucksvoll alle Klangnuancen und auch technischen Möglichkeiten seines Instruments aus. Programm musikprotokoll 2009: Und der Trompeter und Gesamtkünstler Franz Hautzinger Christian Scheib, Susanna Niedermayr bricht mit seinem Alter Ego-Projekt Gomberg in dessen Programm Out of Tune: nächste, dritte Phase auf. Dazwischen steht eine komplexe Heike Schleper & Bernhard Schreiner Klanglandschaft von Kaffe Matthews, die für ihre elektro nischen Kompositionen teils direkt aus dem Konzertsaal Die Reihe „Touch This Sound!“ ist inspiriert und stammendes Tonmaterial sampelt. ko-kuratiert von CTM (Club Transmediale) und TodaysArt talking landscapes ist Teil der Serie „Dass es so weiter geht, ist die Katastrophe!“ (Walter Benjamin), ein Kooperationsprojekt von ESC im LABOR und steirischer herbst in Kooperation mit dem musikprotokoll. 2
O r c h e s t e r m i n i a t u r e n f ü r d a s RS O W i e n Beinah hundert Miniaturgeschenke – nach dem Motto 40 Sekunden zum 40. Geburtstag – haben Österreichs Komponistinnen und Komponisten dem RSO im Sommer 2009 zukommen lassen. Gespielt werden sie ab Mitte Oktober im Programm Ö1 von Pasticcio bis Zeit-Ton, im OTF TV-Kulturprogramm, im Netz unter rso.orf.at und oe1.orf.at, zu vielen weiteren live Gelegenheiten. Zusätzlich wird noch eine Auswahl daraus an genau 40 eigenen „Einminuten-Sendeplätzen“ in Ö1 zum 40. Geburtstag präsentiert. Sendetag Komponist/innen Sendezeit Sendetag Komponist/innen Sendezeit Mo, 19.10. Peter Ablinger 07.58 Mo, 26.10. Bernhard Gander 07.58 Klaus Ager 14.58 Wolfgang Mitterer 14.58 Rainer Bischof 16.53 Olga Neuwirth 16.28 Francis Burt 21.58 Hermann Nitsch 19.05 Di, 20.10. Friedrich Cerha 07.58 Di, 27.10. Georg Nussbaumer 07.58 Chaya Czernowin 14.43 Thomas Pernes 14.43 Iván Eröd 16.53 Mathias Rüegg 16.53 Karlheinz Essl 21.58 Jorge Sánchez-Chiong 21.58 Mi, 21.10. Beat Furrer 07.58 Mi, 28.10. Elisabeth Schimana 07.58 Clemens Gadenstätter 14.43 Thomas Daniel Schlee 14.43 Erin Gee 16.53 Johanna Doderer 16.53 Nali Gruber 21.58 Kurt Schwertsik 21.58 Do, 22.10. Georg Friedrich Haas 07.58 Do, 29.10. Andrea Sodomka 07.58 (RSO-TAG) Dieter Kaufmann 14.43 Burkhard Stangl 14.43 Katharina Klement 16.53 Johannes Maria Staud 16.53 Franz Koglmann 21.58 Erich Urbanner 21.58 Fr, 23.10. Gerd Kühr 07.58 Fr, 30.10. Herbert Willi 07.58 Thomas Larcher 14.43 Manon-Liu Winter 14.43 Bernhard Lang 16.53 Joanna Wozny 16.53 Klaus Lang 19.58 Mia Zabelka 21.58 4 0 G e s c h e n k e z u 4 0 J a h r e RS O W i e n
musikprotokoll 2009 Überblick 1 Touch this Sound! 6 Fleischgewordene Netzwerkknoten 7 Das musikprotokoll 2009 in Radio Österreich 1 10 Donnerstag, 8. Oktober 2009 11 touch this sound #1 Pure/Erich Berger Heart Chamber Orchestra 12 GX Jupitter-Larsen and The Haters Ion-Gun 14 Lucky Dragons Make a baby 17 Freitag, 9. Oktober 2009 19 touch this sound #2 Justė Janulytė/Dovydas Klimavic̆ius 20 Chordos String Quartet Abime – Abgrund und Aufbruch Mauricio Sotelo Klang-Muro-for-Klangforum 21 Johannes Maria Staud One Movement and Five Miniatures 23 Germán Toro-Pérez Inventario IV (Wespensterben) 25 Jorge E. López Gonzales the Earth Eater 26 Klangforum Wien Christopher Fox Terra incognita 28 Rebecca Saunders murmurs 30 Elena Mendoza Nebelsplitter 32 José Manuel López López African Winds 33 Qin Wenchen The Sun Shadow VIII 34 ensemble recherche 4
Samstag, 10. Oktober 2009 35 touch this sound #2 Justė Janulytė/Dovydas Klimavic̆ius 36 Chordos String Quartet Amphigory – Unsinn und Ansinnen Bernhard Gander Lovely Monster 38 Olga Neuwirth Remnants of Song ... an Amphigory 39 Rebecca Saunders traces 40 Matthias Pintscher Hérodiade – Fragmente 41 RSO Wien Seven Last Words Bernhard Lang Seven Last Words 42 Bernhard Lang Monadologie V – 7 Last Words of Hasan 43 Joseph Haydn Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze 45 Marino Formenti Sonntag, 11. Oktober 2009 47 Christine Clara Oppel talking landscapes 48 solo-recital-suite Uli Fussenegger 49 Kaffe Matthews 50 Franz Hautzinger Gomberg III 52 touch this sound #3 Jacob Kirkegaard Labyrinthitis 53 ORF Kunstradio on-site | on-air | on-line Impressum 54 Tickets 55 Kalendarium 56 Locations 58 Produkte 59 5
Susanna Niedermayr Touch this Sound! Ein Projekt des ECAS/ICAS-Festivalnetzwerkes der European und International Cities of Advanced Sound Was ist hinter der Bühne, der Kunst, die wir hören und independent audiovisual cultures eben. Im Herbst 2009 sehen? Wer produziert diese Kunst unter welchen Bedin stellt sich ECAS/ICAS mit geballter Energie der breiten gungen und wer hilft dabei mit? Diese und artverwandte Öffentlichkeit vor. Und das Projekt Touch this Sound! vom Fragen standen im Zentrum des diesjährigen Berliner Festi- Den Haager TodaysArt Festival, dem Club Transmediale und vals Club Transmediale, dessen Motto heuer zum 10jährigen dem Grazer musikprotokoll im steirischen herbst, ist dabei Bestehen Structures. Backing up independent audiovisual einer der ersten, unter der Schirmherrschaft von ECAS/ICAS cultures lautete. Es wurde Resümee gezogen, um den Sta- gemeinsam entwickelten Programmschwerpunkte. tus quo diskutieren zu können, und es wurde gleichzeitig auch auf die Wurzeln verwiesen, denn eben Infrastruktur zu Susanna Niedermayr bieten, war bei der Festivalentstehung 1999 das primäre Ziel der Club Transmediale Gründer. Die Clubkultur, die im Zuge der digitalen Revolution mit ihren diversen elektroni- schen Musikspielformen entstanden war, hatte gerade begonnen, sich immer mehr auszudifferenzieren, und eine http://icasnetwork.com/ stetig anwachsende Schar an die neuen Medien begeistert http://icas.us und kreativ nutzenden Künstlerinnen und Künstlern suchte http://portal.todaysart.nl/ nach Plattformen, die es ihnen ermöglichte ihre Arbeiten zu http://www.clubtransmediale.de produzieren und zu präsentieren. Im Schatten eines erstarkenden Neoliberalismus bildete sich mit der Einführung des Heimcomputers und des Inter- nets so eine Kultur, die anstatt den Wettkampf zu forcieren, auf Zusammenarbeit setzte. Stichworte: Open Source, neue Lizenzmodelle, soziale Netzwerke. Und es entstand jene Festivallandschaft, in der auch der Club Transmediale einge- bettet ist. In dieser geht es nicht primär darum, diese neue Kultur möglichst gewinnbringend zu verkaufen, vielmehr versuchen deren ProtagonistInnen, dem hier stattfindenden Paradigmenwechsel in ihrem Tun gerecht zu werden; Arbeitsmethoden und -praktiken zu entwickeln, die dem Wesen der digitalen Medien entsprechen. Sich dabei als Teil einer internationalen Bewegung zu ver- stehen, musste erst erlernt werden. Seit zwei Jahren wird nun am Aufbau des Festivalnetzwerkes ECAS/ICAS der European und International Cities of Advanced Sound gear- beitet, zu dem sich mittlerweile bereits rund 25 Festivals zusammengeschlossen haben. Structures. Backing up 6
Jan Rohlf Fleischgewordene Netzwerkknoten In der elektronischen Musik hat der Körper lange keine In Reaktion auf diese Entwicklung suchen Künstler heute Rolle gespielt, schlicht, weil er zur Klangerzeugung nicht verstärkt nach neuen Wegen, ihre und andere Körper in die mehr gebraucht wurde. Im Digitalzeitalter erobert er nun elektronische Musik zurückzuholen. Dabei geht es – neben die Bühne zurück: als Rohmaterial und Interface, Daten dem Interesse an Selbstbeobachtung und der jahrtausende quelle und Ausgabemedium zugleich. Jan Rohlf über die alten Praxis der Bewusstseinsmanipulation, seit Huxley aktuelle Entwicklung hybrider Mensch-Maschinen-Systeme. Psychedelik genannt – um nicht weniger als die Rehabilita tion einer sinnlich affektiven Aufführungspraxis auch in der Die enge Verbundenheit von Klang und menschlichem elektronischen Kunst. Interessanterweise sind es dabei im Körper erscheint zunächst wie eine banale Tatsache. Wie Prinzip die gleichen Technologien, die Klang und Körper alle physischen Dinge in dieser Welt erzeugt unser Körper zunächst entkoppelten, die heute ihre erneute Annäherung Schallereignisse, indem er in Schwingung versetzt wird ermöglichen: Die universelle Transformierbarkeit elektro oder andere Objekte zum Schwingen bringt. Mit der Stimme nischer Daten erlaubt es Künstlern, die unsichtbaren und verfügen wir, wie alle höheren Lebewesen, darüber hinaus prozesshaften Aggregatzustände des Leibes zu analysieren, über ein äußerst differenziertes Klangorgan. Und schließlich zu manipulieren und schließlich zu neuartigen Instrumenten ist umgekehrt auch alles, was wir wahrnehmen, zunächst in Form hybrider Mensch-Maschinen-Systeme zusammen durch das sensorische System unseres Körpers vermittelt. zuschalten. Geräusche und Klänge schienen daher lange Zeit unauflös- lich an die Anwesenheit von Körpern und die Wechselwir- Geläufige Formen solcher Systeme verwenden Interfaces, kungen der Materie gebunden. Über Jahrtausende war die die die Bewegungen eines Performers mittels Sensoren geistig-imaginäre Tätigkeit des Musikers nicht zu trennen lesen und zur Erzeugung und Modulation von Klängen und von den konkreten Artikulationen seines Körpers oder Bildern nutzen. Auch die Signale von Nerven- und Herz- dessen Interaktion mit den akustischen Klangkörpern der Kreislaufsystem werden als Brainwavemusic, Biomusic Instrumente. oder Regenerative Music für Partitur- oder Klangsynthesen herangezogen. Bereits 1965 nutzte Alvin Lucier in seinem Erst mit der Entdeckung von Elektrizität, Tonaufzeichnung Stück Music for Solo Performer Gehirnwellen, um Klänge zu und Elektroakustik zwischen dem frühen 18. und der Mitte generieren. Elektroden an seinem Kopf empfingen Signale, des 20. Jahrhunderts gelingt die Entkoppelung von Klang die er verstärkte und an Lautsprecher sandte, die wiederum und Klangkörper. Der Klang löst sich von den Körpern die Membranen von Perkussionsinstrumenten im Konzert der Objektwelt und residiert nun nicht mehr allein in dem saal zum Klingen brachten. Gut 40 Jahre später sind die kol- durch Sinnesorgane zugänglichen Teil der physischen lektiven Performances des US-amerikanischen Künstlerduos Welt, sondern auch in der nur durch technische Hilfsmittel Lucky Dragons komplexer: Beim musikprotokoll im steirischen wahrnehmbaren Sphäre elektromagnetischer Felder. In herbst werden sie zur Klangerzeugung Spannungsimpulse den digitalen Informationsströmen des Computers wird der durch das Publikum leiten und mittels „Körperkontakt-Ver- Klang dann endgültig autonom: Als pure Information ist er schaltung“ und Hautwiderstände modulieren. jeglicher Analyse, Synthese und Transformation zugänglich. Klänge können frei programmiert oder aus musikfremden Ähnliche Prinzipien von Biofeedback und Vernetzung nutzt Daten generiert und auf technischen Systemen abgespielt auch das Künstlerduo Terminalbeach (Peter Votava und werden – ohne dass ein Musiker als ausführender Interpret Erich Berger) bei seinem Projekt Heart Chamber Orchestra, oder ein Klangkörper im herkömmlichen Sinn benötigt wird. ebenfalls in diesem Jahr beim musikprotokoll im steirischen 7
herbst. Den Musikern applizierte elektrokardiografische Der prozessuale Charakter dieser Arbeiten und ihrer Auf- Sensoren (EKG) erzeugen mittels Algorithmen Partituren, führungspraxis ist offenkundig inspiriert von der Perfor- die von den Musikern wiederum ohne Zeitverzögerung mance-Art, Happening, Fluxus, Expanded Cinema und den gespielt werden. Dieses Biofeedback ermöglicht die Beein- Closed-Circuit-Installationen der Videokunst. Ihre Wurzeln flussung unbewusster physiologischer Prozesse. Die Musi- greifen jedoch über die Kunstgeschichte des 20. Jahrhun- ker bespielen die technische Apparatur und die Apparatur derts hinaus in die Geschichte wissenschaftlich-technischer bespielt die Musiker; gemeinsam bilden sie ein Instrument. Innovationen und ihrer vor allem im 18. und 19. Jahrhundert populären theatralen Demonstrationen. Als Rohmaterial Daneben stehen künstlerische Strategien, die auf direkte dient in erster Linie der biologische, nicht der symbolische physiologische Wirkungen von Schall und anderen Fre- Körper. quenzen abzielen. Künstler wie die zwischen Frankreich und Berlin pendelnden Lynn Pook & Julien Clauss oder der Da der Körper jedoch nie von seinen Metaphern und den US-Amerikaner Mark Bain versuchen mit der Verwendung dadurch aufgerufenen Emotionen, Utopien und Dystopien von taktilen Impulsgebern und tiefen Frequenzen nahe bzw. getrennt werden kann, provozieren die Arbeiten vielfältige unterhalb der menschlichen Hörgrenze, Musik körperlich Assoziationen und Ambivalenzen. Ein Anliegen ist es dabei, spürbar zu machen. Infrasound kann Boden, Wände und die Trennung von „Leib“ als dem Ort unmittelbarer phäno- Körper der Konzertbesucher zum Vibrieren bringen; starke menologischer Erfahrung und „Körper“ als dem objektivier- physiologische Empfindungen von Übelkeit und Atemnot bis ten Gegenstand zivilisatorischer Konditionierung zu prob- zu relaxierenden Wirkungen sind möglich. Nicht von unge- lematisieren. Der Instrumentalisierung und Medialisierung fähr kommt es daher im Drone-Doom – einer Spielart des des Körpers wird die Realität des Leibes gegenübergestellt. extremen Heavy Metals – zur Fetischisierung der mysteriö- Dabei kann sich der Leib gerade in seiner Durchdringung sen „Brown Note“, die angeblich den Verdauungsapparat zu gegen die Technik behaupten, wenn deren Wirkung als das spontaner Entleerung anregt. Ausgesetztsein gegenüber leibfremden Stimuli und folglich als Differenz erfahren wird. Andere Beispiele nutzen das Prinzip der Frequenzfolge des Gehirns (Brain Entrainment) zur audiovisuellen Stimulation Andersherum können diese Stimuli durch ihre physiologi- mit dem Ziel der Bewusstseinsänderung. Solche Apparatu- sche Reizantworten aktivierende Wirkung bzw. durch die so ren – wie etwa die in den Sechzigern entworfene Dreama- etablierte Kopplung von Leib und Technik auch internalisiert chine Brion Gysins oder das 2005 entstandene Projekt Feed werden. Eine scharfe Trennung zwischen Leib, Körper und des Österreichers Kurt Hentschlager – instrumentalisieren Maschine scheint dann nicht mehr möglich. Die überwälti- den menschlichen Wahrnehmungsapparat als konstituti- gende Dynamik der Erfahrungen, der die Wahrnehmenden ves Element ihrer Kompositionen. Diese Kompositionen ausgesetzt sind, wird als Einbruch des Formlosen und vollenden sich erst durch das synästhetische Wechselspiel Unbekannten sowohl in die rigide Kontroll-Architektur der der Einzelsinne, die „Fühlung“ aufnehmen und so aktiv technischen Apparatur als auch in die Integrität des Sub- Erfahrungswirklichkeiten hervorbringen. Auch Jacob Kirkeg- jektes erlebt. Dieser Einbruch wird immer erst durch die aards Projekt Labyrinthitis, das beim herbst im MUMUTH- Korrelation von Technik und Physiologie ermöglicht. Dabei Foyer aufgeführt und live vom ORF Kunstradio übertragen übertragen sich Attribute des Organischen auf die Technik, wird, basiert auf dieser Einbeziehung der „taktilen“ Wahr- während im Gegenzug der Körper vielfach technologisch nehmung des Publikums: Zwei in bestimmtem Verhältnis eingeholt wird. Er ist Sender und Empfänger, Interface, zueinander stehende Frequenzen regen Eigenvibrationen im Netzwerkknoten, Datenquelle, Resonanzraum und Ausga- Innenohr der Zuhörer an. So entsteht eine dritte Frequenz, bemedium zugleich. In letzter Konsequenz wird dadurch der sogenannte Tartini-Ton, der lediglich vom entsprechen- unscharf, wann der Körper Objekt und wann Subjekt ist. So den Subjekt selbst wahrgenommen werden kann. entwerfen die Kunstwerke Vorstellungen einer kybernetisch 8
vernetzten, hybriden Körperlichkeit als eine dynamische Pluralität aus kommunizierenden Informationsströmen, technologischen Zonen und organischen Verdichtungen. MAGAZIN FÜR ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE MUSIK, MEDIEN, KULTUR, SELBSTBEHERRSCHUNG Jan Rohlf Jan Rohlf ist Künstler, freier Kurator und Organsisator des CTM – Festival for Adventurous Music and Related Visual Arts/club transmediale sowie Mitbegründer des Berliner Projektraums General Public. Gemeinsam mit Susanna Niedermayr und Olof van Winden (TodaysArt, Den Haag/NL) kuratiert er den diesjährigen musikprotokoll-Schwerpunkt Touch this sound! beim steirischen herbst. Touch this sound! ist ein Projekt des Festivalnetzwerks ECAS/ICAS (European and International Cities of Advanced Sound). Nachdruck: steirischer herbst 2009 Magazin JETZT AM KIOSK RUNTERLADEN 9 WWW.DE-BUG.DE
Das musikprotokoll 2009 in Radio Österreich 1 Mi., 7.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton präsentiert das musikprotokoll Musik zum – beinahe – Zeit-Ton Magazin. Rückblick, Vorschau und aktuelle CDs. anfassen. Mit Ausschnitten aus u.a. dem Heart Chamber Mit einer Vorschau auf das musikprotokoll im steirischen Orchestra von Terminalbeach, der Performance Make a Baby herbst. Gestaltung: Susanna Niedermayr von den Lucky Dragons und der Konzertinstallation Breathing Music von Juste Janulyte, gemeinsam mit Dovydas Fr., 9.10. | 19.30 Uhr | Ö1 Aus dem Konzertsaal (live) Klimavic̆ius. Gestaltung: Susanna Niedermayr Der Inbegriff eines klassischen musikprotokoll-Abends des Aufbruchs in die Moderne, interpretiert von den Meistern des Fr., 16.10. | 19.30 Uhr | Ö1 Aus dem Konzertsaal Fachs dem Klangforum Wien. Gestaltung: Ursula Strubinsky Erstmals in seiner Geschichte hat das RSO Wien einen „Ersten Gastdirigenten“ engagiert – und selbstverständlich ist es einer So., 11.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Kunstradio (live) der wichtigsten Experten für das Repertoire der Gegenwart: on-line : on-air : on-site Peter Eötvös. Der Jungstar der Bratsche Antoine Tamestit spielt Für sein Projekt Labyrinthitis hat Jacob Kirkegaard im Olga Neuwirths neues Werk und die junge amerikanische Wortsinn seine Ohren nach innen gerichtet und eine Sopranistin Marisol Montalvo verwandelt sich in Matthias interaktive Sound-Installation aus Klängen geschaffen. Pintschers Komposition in „Herodiade“, die im Dialog mit Gestaltung: Susanna Niedermayr ihrem Spiegelbild in die Abgründe ihres Begehrens blickt. Gestaltung: Christian Scheib Mo., 12.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton musikprotokoll 09. ensemble recherche Fr., 16.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton Werke von Musikschaffenden aus Spanien und England musikprotokoll 09. Solisten-Recitals. präsentiert das ensemble recherche bei seinem Konzert Im Rahmen der Solisten-Recitals schöpfte Uli Fussenegger, am 9. Oktober in der Grazer Helmut-List-Halle: so u. a. Kontrabass-Solist des Klangforum Wien fragil und eindrucks eine neue Komposition der Britin Rebecca Saunders. voll die technischen Möglichkeiten und Klangnuancen seines Gestaltung: Lothar Knessl Instruments aus. Und der Trompeter und Gesamtkünstler Franz Hautzinger brach mit seinem Alter Ego-Projekt Gomberg in Di., 13.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton dessen nächste, dritte Phase auf. musikprotokoll 09. Seven last words Gestaltung: Elke Tschaikner Wie ein fotografisches Negativ zu Joseph Haydns Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz verhalten sich Bernhard Fr., 30.10. | 19.30 Uhr | Ö1 Aus dem Konzertsaal Langs Seven Last Words. Diese Musik bezieht sich nämlich Mitschnitt der Klavierfassung von Josef Haydns Die sieben direkt auf Haydn: Aus dem Sich-Versenken wird ein Sich- letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze, gespielt von Erheben, aus der Frömmigkeit wird Aufbegehren, aber es Marino Formenti. Gestalter: Christian Scheib bleibt das gleiche Bild von musikalischer Intensität, von letztlich metaphysischer Herausforderung. Do., 5.11. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton Gestaltung: Ursula Strubinsky In ihrem Solisten Recital beim heurigen musikprotokoll kleidet Kaffe Matthews das Mumuth mit einem feinen Klanggespinst Do., 15.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton aus, bestehend aus zum Teil direkt vor Ort in Echtzeit musikprotokoll 09. Touch this Sound! eingefangenen Klängen. Im Rahmen des Programmschwerpunktes „Touch this Sound!“, Gestaltung: Susanna Niedermayr 10
touch this sound #1 touch this sound #1 Pure/Erich Berger GX Jupitter-Larsen and The Haters Lucky Dragons
Donnerstag, 8.10. | 19.30 Uhr | Dom im Berg Terminalbeach Heart Chamber Orchestra Heart Chamber Orchestra MusikerInnen, Sensoren und Computer Heart Chamber Orchestra ist eine audiovisuelle Die Herzfunktionen der Musiker und Musikerinnen werden Performance, die von einem zwölfköpfigen klassischen von am Körper getragenen EKG-Sensoren erfasst und von Orchester und dem Künstlerduo Terminalbeach präsentiert einem Computer in Echtzeit analysiert und ausgewertet. wird. Die Musiker und Musikerinnen des Orchesters steuern Aus den so gewonnenen Daten wird mittels verschiedener dabei mit ihren Herzschlägen ein Kompositions- und Visuali Algorithmen eine Partitur komponiert. Diese ist sierungssystem und generieren so in Echtzeit die Partitur gewissermaßen ein lebendiges Geschöpf, abhängig vom für die akustischen und elektronischen Instrumente. Zustand der Herzen der ausführenden Orchestermitglieder, Demzufolge wird auch nicht vom Blatt gelesen und gespielt, beeinflussen und verändern doch deren Herzschläge die sondern von Computerbildschirmen. Die Konstellation des Komposition und vice versa. Mit anderen Worten: Orchester Heart Chamber Orchestra bildet somit eine Struktur, bei der und elektronische Komposition sind in einer klassischen die Musik im wahrsten Sinn des Wortes „von Herzen Feedback-Schleife miteinander verbunden. kommt“. Die Musik, die zur Gänze während der Performance Heart Chamber Orchestra Background entsteht, ist Ausdruck dieses Prozesses und spiegelt einen In der westlichen Kultur gilt das Herz als das Zentrum des Organismus wieder, der sich aus dem (zirkulären) Gefühls, was in der Sprache mit Redewendungen wie „sein Wechselspiel von Orchestermitgliedern und Maschine Herz an jemanden verlieren“ oder „das Herz zerreißen“ zum herausbildet. Ausdruck kommt. Im Herzschlag spiegelt sich auch der körperliche Zustand des Menschen. Heftiges Pochen Transformation, Sonifikation und Visualisierung verweist auf körperliche Anspannung, beginnt das Herz wie Heart Chamber Orchestra orientiert sich zwar an der wild zu klopfen, kann dies ein Zeichen für Angst, Stress oder Terminologie der traditionellen Musik, vollzieht aber eine Erregung sein. Ein langsamer Puls wiederum ist bei tiefer inhaltliche und strukturelle Transformation: Das Konzept Entspannung oder während des Schlafes zu beobachten. des traditionellen Kammerorchesters als kleines Solisten Durch Meditation oder Biofeedback-Training können diese orchester ohne Dirigenten wird von Terminalbeach über körperlichen Zustände manipuliert werden. Und schließlich diesen Kern hinaus um die Rolle des Komponisten erweitert. ist das Herz ein lebenswichtiges Organ, der Grundstock Das gleichzeitige Komponieren und Interpretieren macht menschlichen Lebens – und für manche gar der Sitz der den zuvor bloß interpretierenden Musiker zum Hermeneuten, metaphysischen Seele. zum Handelnden. 12
Da es keine niedergeschriebene Partitur gibt, sondern sich diese im Spiel aus den Herzschlägen generiert, kann es auch keine Probe im ursprünglichen Sinn des Wortes geben. Für das Heart Chamber Orchestra bedeutet „Probe“ daher, die „ungewohnte Herausforderung einer im Moment geschriebenen Komposition zu meistern“. Neben dem musikalischen Output – also der Transformation der Pulse der Musiker und Musikerinnen in Partitur-Fragmente, die von Terminalbeach auf ihren mitten im Zuschauerraum platzierten Computern genau im Moment ihrer Schöpfung behutsam zur Komposition arrangiert werden – bildet auch Pure Erich Berger die visuelle Darstellung dieses Geschehens einen integrie renden Bestandteil der Performance. Die aus den Heart Chamber Orchestra-Daten generierten und auf zwei Bild Terminalbeach wände projizierten Computergrafiken schaffen eine andere Pure aka Peter Votava (A/D), Konzept, Realisation sinnliche und narrative Ebene. Akustische und visuelle Erich Berger (A/FIN), Konzept, Realisation Interaktion lassen Heart Chamber Orchestra zu einem synästhetischen Erlebnis für das Publikum werden: Die Herzschläge der Orchestermitglieder und ihre Beziehung Heart Chamber Orchestra zueinander werden sowohl hör- als auch sichtbar. mit Studierenden der Kunstuniversität Graz Yukino Asano, Violine Die Kunst der Implikation Iryna Pihovych, Viola Heart Chamber Orchestra ist keine Komposition im herköm Tibor Szabo, Violoncello mlichen Sinne, sondern von Musik, Kunst und Wissenschaft Katja Finsel, Violoncello inspiriert – ein interdisziplinärer Ansatz, der zugleich die Vitaliy Lutsyk, Kontrabass Grenzen der zeitgenössischen Praxis innerhalb dieser Alexander Muhr, Klarinette Disziplinen hinterfragt. Der schöpferische Akt schafft hier Reinhard A. Deutsch, Fagott/Kontrafagott nicht einen Gegenstand, sondern definiert einen Raum der Georg Laller, Tuba Möglichkeiten, eine Struktur, in der sich Prozesse frei Markus Wonisch, Posaune entfalten können. Da es keine klare Unterscheidung zwischen Adam Gal, Horn dem Autor und dem Interpreten gibt, entsteht ein Lese-/ Istvan Barath, Trompete Schreib-Kontinuum, das nicht von einem Autor allein besetzt Igor Ivanov, Bassklarinette werden kann. Heart Chamber Orchestra wurde mit der Trondheim Übersetzung: Friederike Kulcsar Sinfonietta im Oktober 2006 in Trondheim (Norwegen) im Rahmen des Festivals für Kunst und neue Technologie www.heartchamberorchestra.org Trondheim Matchmaking uraufgeführt. 13
Donnerstag, 8.10. | 21.00 Uhr | Dom im Berg GX Jupitter-Larsen and The Haters Ion-Gun Susanna Niedermayr im Gespräch mit GX Jupitter-Larsen GX Jupitter-Larsen: Diese Platte hatte, so wie jede andere Platte auch, Rillen, nur verbarg sich in diesen dann nicht wie Susanna Niedermayr: Sie bezeichnen sich gerne als „Jack of erwartet Musik. Es gab auf dieser Platte erst einmal gar all Trades” und „Master of None“, als ein Hansdampf in nichts zu hören. Stattdessen legte ich jedem Exemplar eine allen Gassen, warum? Bedienungsanleitung bei. Darauf stand, dass die Platte vom jeweiligen Besitzer erst fertig gestellt werden müsse. Dieser GX Jupitter-Larsen: Weil mich alle Medien gleichermaßen sollte einige Kratzer in die Platte machen, welche er sich interessieren, das Buch, der Film, das Video, die Installa- dann auch sogleich mit Hilfe seines Plattenspielers anhören tion, das Objekt, Kunstlandschaften, das Radio, der Compu- konnte. Obwohl es sich hierbei um ein komponiertes Werk ter, das Internet, jedes Medium hat seine ganz speziellen handelt, ist es keine Komposition. Die Grenze zwischen Qualitäten. Und am interessantesten finde ich, eine Idee von Künstler und Publikum löst sich auf, es ist nicht mehr klar, einem Medium in ein anderes zu übersetzen. Das Radio, das wer nun wer ist. Ist der Zuhörer bzw. die Zuhörerin nun Mit- Buch, der Film, die verschiedenen Medien funktionieren glied der Band? Letztendlich sind aber all diese Fragen irre- dann wie ein Filter, der auf die durch ihn gehende Informa- levant, denn man weiß sofort, nachdem man die Bedie- tion Einfluss ausübt, und genau dieser Aspekt, eben wie nungsanleitung gelesen hat, was zu tun ist mit diesem sich Information durch den Prozess des Filterns verändert, Objekt. Man weiß all die Dynamiken, die hier stattfinden, interessiert mich. vielleicht nicht in die richtigen Worte zu fassen, aber man versteht unmittelbar. Die ZuhörerInnen tragen zum Schaf- Susanna Niedermayr: Als einen wichtigen frühen Einfluss fensprozess der Platte bei und dabei wird die Platte zur nennen Sie die Punk-Bewegung, was speziell hat Sie hier Performance. inspiriert? Susanna Niedermayr: Später haben Sie dann ja ganz auf GX Jupitter-Larsen: An Punk haben mich viele Aspekte inter- Vinyl verzichtet… essiert, etwa der DIY-Ansatz, die Idee, dass man seine eige- nen Platten herausbringen und seine eigenen Konzerte ver- GX Jupitter-Larsen: Für diese dritte Platte brauchte man anstalten sollte. Ganz besonders interessiert hat mich aber immer noch Elektrizität und einen Plattenspieler, und ich die Dynamik, die sich bei einem Punk-Konzert zwischen der dachte mir im Anschluss an dieses Projekt, ich sollte nun Band auf der Bühne und dem Publikum entwickelte. Das eine Platte machen, die gar nichts mehr mit Musik zu tun Publikum war Teil der Show. Mitunter fand im Publikum hatte. Im Wesentlichen war die Platte ja ein Requisit, das sogar mehr Show statt, als auf der Bühne, zumindest in den zum Ausführen der Performance diente. Ich veröffentlichte frühen Tagen von Punk. Diese Dynamik wollte ich in meiner dann also eine Platte, die gar keine Rillen mehr hatte und in Arbeit auch herstellen. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich einem Sack voller Erde steckte. In der Bedienungsanleitung das auch auf einer reflexiven Ebene verstanden habe, aber stand, dass man mit der Erde an der Platte reiben sollte. Da während meiner Punkzeit habe ich jedenfalls begonnen her- viele dachten, dass sie die mit der Erde eingeriebene Platte auszufinden, was ich eigentlich tun wollte. schließlich wiederum mit dem Plattenspieler abspielen soll- ten, um den dabei entstehenden Klang hören zu können, Susanna Niedermayr: Als eines Ihrer erfolgreichsten Projekte entschloss ich mich, noch einen Schritt weiter zu gehen. nennen Sie in diesem Zusammenhang auch heute noch ihre Ich nahm einen Haufen silbern glänzender Plastikstücke 1983 erschienene dritte Platte. Was war hier die Idee? und besorgte für jedes Plastikstück eine Schachtel in einer 14
ähnlichen Farbe, polsterte diese aus und legte das Plastik- stück hinein. Daraufhin fertigte ich wieder eine Bedienungs- anleitung an, auf der diesmal stand, dass der jeweilige Besitzer bzw. die jeweilige Besitzerin, das Plastikstück neh- men und mit Wasser übergießen sollte. Da kam dann aber wirklich niemand mehr auf die Idee, das nasse Plastik auf den Plattenspieler zu legen. Susanna Niedermayr: Das zentrale Thema ihrer Arbeit ist die Entropie. Was fasziniert Sie an der Entropie? GX Jupitter-Larsen: Die Entropie bestimmt den Lauf der Dinge. Die Entropie ist jene Kraft, die während sie Leben schenkt, dieses auch gleichzeitig wieder nimmt. Darin steckt eine gewisse Ironie, die ich in jungen Jahren sehr lus- tig fand und die mich in meiner künstlerischen Arbeit, sowohl auf als auch jenseits der Bühne sehr inspirierte. Als ich dann als Künstler schon ein bisschen reifer war, fand ich heraus, dass es viele verschiedene Definitionen von Entro- pie gibt. In einer heißt es, dass Entropie ein Werkzeug ist, mit dem man das Ausmaß von Verfall messen kann. Diese Idee finde ich sehr interessant, und ich habe mir auch bereits eine Vielzahl von Messwerkzeugen geschaffen. Man kann beobachten, wie ein Blatt am Wegesrand langsam ver- rottet, letztendlich holt sich die Natur so jene Nährstoffe zurück, die es braucht, um das Ökosystem in Gang zu hal- ten. Bäume fallen um und verschwinden, zersetzen sich und verfaulen. Das ist der Kreislauf der Natur. Die Entropie steckt hinter allem und nur wer auf der durch das Leben wogenden Entropie zu surfen lernt, wer es schafft die Balance zu halten und nicht herunterzufallen, der kann sich weiter entwickeln. Susanna Niedermayr: Sie haben sich auch eine Vielzahl an Regelsystemen und ein neues Begriffsuniversum geschaf- fen. Was etwa ist unter einer Polywave zu verstehen? GX Jupitter-Larsen: Wir haben das Gefühl, dass wir in die- sem Radiostudio in dem wir soeben das Interview führen still sitzen, aber das Studio befindet sich auf einem Plane- ten, der um einen Stern rotiert, und auch dieser bewegt sich. Streng physikalisch genommen, sitzen wir also nie still, wir befinden uns immer in Bewegung, und je nach 15
Blickwinkel nähern wir uns an, oder entfernen wir uns. Das Es ist nicht entweder oder, sondern es ist beides. In gewis- Rad, das die Straße hinunter rollt bewegt sich von mir weg, ser Hinsicht muss man immer die Initiative ergreifen. Man im selben Moment kommt es aber auch auf jemanden ande- muss Verantwortung für sich übernehmen und für die ren zu. Welcher Blickwinkel ist also relevant, welcher Dinge, die man tut. Und man muss sich immer bewusst sein, stimmt? Ich würde sagen, beide Blickwinkel stimmen, aller- dass man, wenn man metaphorisch gesprochen stolpert, in dings nur dann, wenn sie den jeweils anderen Blickwinkel große Schwierigkeiten geraten kann. Die jahrelange Ausein- ebenfalls in Betracht ziehen. andersetzung mit der Entropie hat mich gelehrt, das Leben noch mehr zu schätzen und die Schwierigkeit des Lebens zu Susanna Niedermayr: Wenn Sie Musik machen, dann verstehen. machen Sie Noise-Musik, wie hängen Noise-Musik und Entropie zusammen? Susanna Niedermayr: Ihre Arbeit ist sehr ernsthaft und absurd komisch zu gleich… GX Jupitter-Larsen: In jeder Form von Mahlung oder Schlei- fung, immer dann, wenn es um Reibung geht, entsteht GX Jupitter-Larsen: Es ist mir sehr ernst mit dem, was ich zuerst einmal Klang. Mit der Entropie und dem Noise verhält tue, aber gleichzeitig soll meine Arbeit auch humorvoll sein. es sich so wie mit dem Himmel und der Luft, die beiden Hier geht es wieder darum die Balance zu finden. Um noch- gehören einfach zusammen. Tatsächlich glaube ich, dass mals auf Punk zurückzukommen: Die KünstlerInnen der Entropie und Noise ein und dasselbe sind. Um Noise wirk- Dada- und frühen Punkbewegung strotzten vor Lebens- lich erforschen zu können, muss man die Entropie erfor- freude, obwohl sie sich gleichzeitig vor der Welt ekelten. schen und vice versa. Gerade weil man so vor Lebensfreude strotzte, ekelte man sich vor der Welt. Wir leben in einer Welt voller Paranoia, Susanna Niedermayr: Was haben Sie aus der nun bereits Fremdenfeindlichkeit und religiöser Konflikte und da brau- jahrelangen Auseinandersetzung mit der Entropie für sich chen wir Humor genauso, wie Ernsthaftigkeit, wie ein ernst- persönlich mitgenommen? haftes Bewusstsein für die Zwickmühle in der wir uns alle befinden. GX Jupitter-Larsen: Ich habe keine Karriere, ich habe auch kein Geld, aber ich habe geistigen Frieden. Selbst in Zeiten (Auszüge aus einem Interview, das Susanna Niedermayr großer Konflikte schaffe ich es immer, mich selber zu finden. 2006 ein Zeit-Ton über GX Jupitter-Larsen geführt hat.) Ich weiß wo ich stehe und ich weiß auch, wo ich in der Welt stehe. Und ich lebe in Frieden mit der Welt. Ich weiß jetzt GX Jupitter-Larsen (US), Konzept nicht, wie das für Außenstehende klingt, aber in einer Welt, Greg Leyh (US), Ion-Gun Konstruktion in der die Entropie immer präsent ist, muss man eben auch Reni & Jogi Hofmüller (A), Haters immer Balance finden. Man muss sich immer bewusst sein, dass das Glas halb voll ist, aber gleichzeitig auch halb leer. www.jupitter-larsen.com 16
Donnerstag, 8.10. | 22.00 Uhr | Dom im Berg Lucky Dragons Make a baby Das „Gemeinschaftsexperiment“ Lucky Dragons startete Marriage Records erschienen sind. (Der Track Heartbreaker vor acht Jahren in San Francisco als „Band“ von Luke Fisch- aus dem Jahr 2004 schaffte es sogar auf eine Compilation beck (1978) und Sarah Anderson aka Sarah Rara, die sich an von Warp Records.) der Brown University kennengelernt hatten, wo er Musik und sie Vergleichende Literaturwissenschaft studierte. Der Die Konzert-als-Workshop-Happenings der Lucky Dragons ästhetische Ansatz des Duos gründet darauf, das Konzept haben sowohl in der Kunst- als auch in der Musikszene „Band“ neu zu definieren, indem auch Kontexte wie Kunst großes Interesse erweckt. Mit einem einfachen Set-up, das im öffentlichen Raum, das Galeriesystem, Museumspro- Laptop, selbstgebasteltes Equipment und Folk-Instrumenta- gramme, Blogs und unabhängige Verlage integriert und die rium umfasst, animieren sie – oft mit anderen Mitwirkenden üblichen Machtstrukturen musikalischer Präsentation und – das Publikum dazu, sich auf unkonventionelle Formen der Kreation durch Workshop-Performances unterlaufen wer- Partizipation einzulassen. So beschwört Complement Song den. Darüber hinaus werden alle Produktionen unter einer (2006) die Menschen im Publikum, einander zu ergänzen, Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. während Make a Baby zu Körperkontakt ermuntert. Lucky Dragons sind auch an dem von Dublab/Creative Commons Einiges Aufsehen erregte der Vertriebsweg, den die Lucky initiierten und unter CC lizenzierten Kunst- und Musikpro- Dragons für ihr Album Hawks and Sparrows (2003) wählten: jekt Into Infinity beteiligt, das die unendlichen Möglichkei- Es wurde nämlich über „reverse shoplifting“, eine Art von ten kreativer Wiederverwertung thematisiert. umgekehrtem Ladendiebstahl, weltweit in Plattengeschäfte eingeschmuggelt. Das Album selbst enthält ausschließlich Lucky Dragon (Daigo Fukuryū Maru) war der Name eines japa- Field Recordings von Antikriegsdemonstrationen, die 2003 nischen Fischerbootes, dessen Besatzung 1954 unfreiwillig in in den USA stattfanden. Die Verpackung war ebenfalls ziem- das Umfeld der Kernwaffentests auf dem Bikini-Atoll geriet und lich ungewöhnlich: In die CD-Hüllen waren zeitig blühende dem radioaktiven Niederschlag ausgesetzt war. Frühlingsblumen eingepresst. Das Album steht auf der Hawks and Sparrows-Website in einer digitalen Version als Übersetzung: Friederike Kulcsar freier Download zur Verfügung – nicht anders als die bislang 19 Alben, die das Duo jeweils unter einer Creative-Com- mons-Lizenz herausgebracht hat und die zum Teil auf klei- www.hawksandsparrows.org neren Labels wie 555 Recordings, Ultra Eczema oder www.myspace.com/luckydragons 17
Festival für aktuelle Musik Berlin 19. – 28. 3. 2010 MaerzMusik UTOPIE [VERLOREN] NEUE WERKE VON KLAUS HUBER • SALVATORE SCIARRINO • THOMAS KESSLER OLGA NEUWIRTH • BEAT FURRER • MELA MEIERHANS • ISABEL MUNDRY JOHANNES SCHÖLLHORN • LUCIA RONCHETTI • JAMES CLARKE • HEAVEN AND … ORCHESTERKONZERTE • KAMMERMUSIK MUSIKTHEATER • PERFORMANCE • INTERMEDIA SONIC ARTS LOUNGE Das Programm erscheint im Januar 2010 | www.maerzmusik.de
touch this sound #2 Abime – Abgrund und Aufbruch touch this sound #2 Justė Janulytė/Dovydas Klimavic̆ius Chordos String Quartet Abime – Abgrund und Aufbruch Mauricio Sotelo/Johannes Maria Staud/ Germán Toro-Pérez/Jorge E. López Klangforum Wien Christopher Fox/Rebecca Saunders/ Elena Mendoza/José Manuel López López/Qin Wenchen ensemble recherche
Freitag, 9.10. | 18.30 Uhr | Helmut-List-Halle Foyer Justė Janulytė/Dovydas Klimavic̆ius Breathing Music Konzertinstallation Dieses dem Chordos String Quartet zu Materialisation der pulsierenden arbeitet, ist das Publikum aufgefordert, seinem zehnten Gründungsjubiläum Musik, sondern haben auch die Funk- langsam und ruhig durch den Raum zu gewidmete Projekt möchte die Meta- tion von riesigen Dämpfern, die auf wandern und die (visuelle und akusti- phorik des Atmens musikalisch auslo- den Klang der Streichinstrumente ein- sche) Perspektive selbst auszuwählen. ten. Die MusikerInnen spielen in wirken und das Timbre verändern. Das durchscheinenden kinetischen Skulp- leise Atmen der Luftskulpturen, das * Dovydas Klimavic̆ius verwendete eine turen – pneumatisch betriebene Plas- kontemplative Wogen von Licht und derartige Luftskulptur erstmals in sei- tikblasen, die allmählich in sich Klang und die periodischen Bewegun- nem Projekt My Dream Bubble (2005), zusammenschrumpfen, sich wieder gen der MusikerInnen laufen entwe- das auf einer utopischen Phantasie des mit Luft füllen, erneut an Volumen der synchron zueinander, um zu einer Künstlers basiert: sich in eine Skulptur verlieren und so ständig ihre Form faszinierenden Einheit zu verschmel- zu hüllen und auf dem Wasser zu gehen. verändern.* Dieses langsame „Einat- zen, oder sind durch ihre asynchrone men“ und „Ausatmen“ folgt einem Rhythmik kontrapunktisch miteinan- Übersetzung: Friederike Kulcsar eigenen Rhythmus und beeinflusst der verflochten. auf diese Weise die Dynamik der (musikalischen) Gesten des Quartetts. Anmerkung für das Publikum: Justė Janulytė (LT), Komposition Die atmenden Skulpturen dienen nicht Da diese Installation mit zahlreichen Dovydas Klimavic̆ius (LT), Luftskulptur nur der Visualisierung und Schallquellen und Klangkörpern Chordos String Quartet (LT) Dovydas Klimavic̆ius 20
Freitag, 9.10. | 19.30 Uhr | Helmut-List-Halle Mauricio Sotelo Klang-Muro-for-Klangforum UA Meine ersten Schritte als Komponist kommen würde. Der melodischen Linie Mauricio Sotelo (E), Komposition waren eng mit den Anfängen des der Soloinstrumente – „voz de dolor, i Klangforum Wien verbunden und canto de gemido“ (F. de Herrera, Canto I) – Klangforum Wien (A) lassen sich natürlich auch nicht von entspricht jene des Horizonts, der Kante Rolf Gupta (N), Dirigent meiner Freundschaft mit dem Kompo- oder Schnittlinie vibrierender Farbfelder, Vera Fischer (CH), Flöte solo nisten Beat Furrer trennen. Diese die eine Wand aus Klang (Muro Sonoro) Uli Fussenegger (A), Kontrabass solo Freundschaft brachte es mit sich, dass bilden. Die Klangflächen wiederum sind ich mich damals in Wien sehr rege an so beschaffen, dass sie an die „Wände Thomas Frey, Flöten den Aktivitäten des Klangforums betei- aus Licht“ in der Bildserie Wall of Light Olivier Vivarès, Klarinetten ligte und die ersten Gastspiele des des großen irischen Malers Sean Scully Horia Dumitrache, Klarinetten Ensembles in Spanien unter meiner Mit- erinnern. Klang-Muro-for-Klangforum ist Gerald Preinfalk, Saxophone hilfe zustande kamen. Die Uraufführun- solch eine Wand aus Licht, ein flirrendes Andreas Eberle, Posaune gen meiner ersten Werke fanden eben- akustisches Wandbild durchtränkt von Annette Bik, Violine falls im Rahmen von Konzerten des Erinnerungen, die nicht nur in unserem Gunde Jäch-Micko, Violine Klangforums statt. Im intensiven Aus- Gedächtnis gespeichert, sondern auch Andrew Jezek, Viola tausch mit einigen seiner Mitglieder Teil unseres Lebens, Ergebnis unserer Benedikt Leitner, Violoncello begann sich also das herauszubilden, gemeinsamen Erfahrung sind. Ein kollek- Andreas Lindenbaum, Violoncello was man nunmehr als „sotelianisches“ tives „Ich“ oder ein „Wir“ und gewiss Géraldine Dutroncy, Klavier Klanguniversum bezeichnen könnte. In auch die Übereinstimmung unseres Björn Wilker, Schlagwerk „unseren“ Konzerten bot sich mir die Lebensweges mit den klingenden Vibrati- Adam Weisman, Schlagwerk Möglichkeit, die von uns bevorzugte onen unseres musikalischen Handelns. Musik aus erster Hand kennenzulernen Spur, Gesicht und Seele unserer Existenz. und gründlich zu studieren. Kurz, diese Zeit ist für mich mit vielen schönen Erin- Mauricio Sotelo nerungen verknüpft. Übersetzung: Friederike Kulcsar Erinnerungen und persönliche Erfahrun- gen, wie ich sie zuvor beschrieben habe, schwingen auch im musikalischen Mate- rial meines neuen Werkes mit. In diesem Doppelkonzert für Flöte, Kontrabass und Ensemble evoziert das Spiel der Soloinst- rumente über weite Strecken das breitge- fächerte und strahlende Spektrum des „cante“ – des Gesanges in den vielen Spielarten des Flamenco, wie „Soleá“, „Siguiriya“ oder „Bulería“ –, nicht anders als es in der Stimme eines Flamencosän- Vera Fischer Mauricio Sotelo gers wie Enrique Morente zum Ausdruck 21
KAIROS Music Production • www.kairos-music.com
Freitag, 9.10. | 19.30 Uhr | Helmut-List-Halle Johannes Maria Staud One Movement and Five Miniatures (2006/2007; rev. 2009) UA für Cembalo, Ensemble und Live-Elektronik Die Herausforderung, das „Alte attacca ineinander über. Trotz der Musik“ – Instrument Cembalo in Vielfalt der musikalischen Situationen Beziehung mit dem “Neue Musik ”– wurde auf satzübergreifende Entwick- Instrument Computer zu setzen, war lungslinien und eine abschnittsüber- der Ausgangspunkt für dieses Werk. greifende dramaturgische Gestaltung Im Laufe der Arbeit wurde klar, dass Wert gelegt. es dabei nicht um gegenseitiges Abgrenzen, sondern um symbioti- Johannes Maria Staud sches Verschmelzen beider Sphären in eine neue, unabhängige Klangwelt ging. Das in drei Gruppen halbkreis- förmig vor dem verstärkten Cembalo gruppierte und von vier Lautspre- Johannes Maria Staud (A), chern eingerahmte zwölfköpfige Komposition Ensemble hat dabei einen wesentli- Florian Müller chen Anteil und kann, je nach musika- Klangforum Wien (A) lischer Situation, Hintergrundfolie, Rolf Gupta (N), Dirigent Impulsgeber oder Dialogpartner sein. Florian Müller (D), Cembalo solo Die spezifischen Qualitäten und Cha- Thomas Frey, Flöten rakteristika des Cembalos („two ske- Markus Deuter, Oboe, Englischhorn letons copulating on a tin roof“) Horia Dumitrache, Klarinetten bestimmen nachhaltig die elektroni- Lorelei Dowling, Fagott, Kontrafagott schen und instrumentalen Interaktio- Christoph Walder, Horn nen, wie wiederum die Möglichkeiten Anders Nyqvist, Trompete der Live-Elektronik und des räumlich Andreas Eberle, Posaune verteilten Ensembles Einfluss auf die Gunde Jäch-Micko, Violine Art haben, wie das Cembalo behan- Andrew Jezek, Viola delt wird. Die Elektronik wird nur Benedikt Leitner, Violoncello durch das live gespielte Cembalo Uli Fussenegger, Kontrabass gespeist und ausgelöst und verzichtet Björn Wilker, Schlagwerk völlig auf voraufgenommenes Material. Experimentalstudio des SWR, Live-Elektronik Die sechs Großabschnitte, deren Michael Acker, Musikinformatik jeweilige Anfänge durch schnittartige und Klangregie Veränderungen der Hörlandschaften Peter Böhm, Klangregie Johannes Maria Staud stets erkennbar bleiben, gehen Florian Bogner, Klangregie 23
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