NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland

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NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
3 1 .   J a h r g a n g   •   A u s g a b e   4   /   2 0 2 1    •   W i n t e r

NATUR & UMWELT
i m       P a n n o n i s c h e n                                R a u m

                                                                SCHUTZGEBIETE
BIOLANDBAU
                                                           Burgenlands
Damit die Erde
                                                          Naturjuwelen
fruchtbar bleibt
                                                        im Rampenlicht

WALDWIRTSCHAFT                                                       MOBILITÄT
Rückblick auf                                          Die multimodale
100 bewegte Jahre                                         Verkehrswelt
                                                            der Zukunft

    100 Jahre Burgenland
            Umweltfaktor Kulturlandschaft
NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
In dieser Ausgabe:
                                           Editorial                               Naturpark Landseer Berge
                                      03   Hermann Frühstück                  35   Schöne Projekte und Aktionen
                                           VBNO-Jahrestagung                       Diözese Eisenstadt
                                      04   und Vollversammlung
                                                                              36   Das neue Haus der Diözese
      Maschinelle Verschulung im
 08   Landesforstgarten Marz          05   Biolandbau im Burgenland           37
                                                                                   Forschung Burgenland
                                                                                   Projekt „SHARE 4.0“
                                           Damit die Erde fruchtbar bleibt
                                           Bäuerliche Waldwirtschaft               Verein Initiative Welterbe
                                      08                                      38   Managementplan
                                           Die vergangenen 100 Jahre
                                           Natur- & Landschaftsschutz              Biologische Station Illmitz
                                      10                                      40   Bewegte Geschichte, Teil 33
                                           Integrale Wege und Ziele
                                           100 Jahre fachl. Naturschutz            WLV Nördliches Burgenland
                                      12   Johann Köllner, Teil 44
                                                                              42   2022: Hohe Investitionen
                                           Esterhazy                               Hianzenverein
                                      15   Holz voller Leben
                                                                              43   Hianzische Bliamal
                                           Im intern. Rampenlicht                  Bgld. Müllverband
                                      16   Andreas Ranner, Teil 22
                                                                              44   Schwieriges Jahr bewältigt
                                                                                   RHV Reinhaltungsverband
                                                                              45   25-Jahr-Jubiläum
      Buntes Burgenland: Freude mit
 24   der eigenen Schulzeitung        19
                                           Buntes Burgenland
                                           Naturjuwele schützen!
                                                                              46
                                                                                   Mobilitätszentrale Burgenland
                                                                                   Nehmen wir uns die Freiheit ...
                                           Aktivitäten des Landes Bgld.            Burgenland Tourismus
                                      20   Im Interview: Martina Jauck
                                                                              47   Burgenland Gutscheine kaufen!
                                           Neue Heizung, bessere Luft
                                      22   ... im Sinne des Klimaschutzes
                                           Buntes Burgenland                       „Gemachte Pandemie“
                                      24   Feuchtwiesen entdecken!
                                                                              48   powered by LUA
                                           Aktionstage Nachhaltigkeit              Vom Verbrauchter zum Hüter?
                                      25   1. und 2. Platz ins Burgenland     50   powered by LUA
                                                                                   Bgld. Umweltpreis 2022
                                                                              52   Die Ausschreibung
                                           Verein BERTA
                                      26   Biotopnetzwerk schaffen
                                           BIO AUSTRIA Burgenland
 30   Welterbe-Naturpark: Rückblick
      auf ein Jahr im Naturpark
                                      27   40-Jahr-Feier
                                           Innovationslabor act4.energy                      n TITELFOTO:
                                      28   Projekt „LocalRES“                         Biologisch gezogenen
                                           Regionalmanagement Bgld.                 Feldfrüchten, wie diesen
                                      29   Natur kennt keine Grenzen          Kürbissen im Südburgenland,
                                                                               gehört die Zukunft. Der Dank
                                           Welterbe-Naturpark                 für dieses schöne Foto gehört
                                      30   Ein Jahr im Naturpark                  BIO AUSTRIA Burgenland.
                                           Naturpark Rosalia-Kogelberg
                                      31   Vielfältige Naturparkaktivitäten
                                           Dreiländer-Naturpark Raab
                                      32   Das große Pflanzen im Süden
                                           Naturpark in der Weinidylle
                                      33   Streuobstwiesen, Weingärten ...
      Verein Initiative Welterbe:          Naturpark Geschriebenstein
 38   Vorbereitung Managementplan     34   Von der Roas bis zu PaNaNet+

N+U 2
NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
editorial
KULTUR – LAND – SCHAF(F)T
Diese drei Wörter oder Wortteile kann man unter-
schiedlich kombinieren und zusammenfügen, Wort-
spiele betreiben, letztlich haben aber alle Ergebnisse
mit Mensch, Natur, Eingriff, Veränderung, Einfluss              Mag. Hermann Frühstück
und Ähnlichem zu tun.
Das Leben auf dem Planeten, auf dem wir leben, hat          Kleinen, im Regionalen, z. B. durch massiven Boden-
sich im Laufe von vielen Millionen Jahren, von den          verbrauch, intensivste Landnutzung, Nutzung fossiler
einfachsten Formen und Zellaggregaten ausgehend,            Brennstoffe. All das hat uns Probleme gebracht, wie
im Einklang und in Abhängigkeit von den – einfach           die Klimakrise, hohe Artenverluste, beeinträchtigte
ausgedrückt – vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und        und verschandelte Landschaften. Klimakatastrophen
Erde zur Gesamtheit der Biomasse entwickelt, jener          nehmen ständig zu – weltweit, aber auch lokal.
Lebewelt, die in ihrer Gesamtheit aus einer unend-          Freilich gibt es, wenn auch teilweise sehr zaghaft,
lichen Fülle von Arten besteht, wovon der Mensch            Maßnahmen, um der drohenden Katastrophe entge-
eine (1!) ist.                                              genzuwirken, nämlich Energiekonzepte, Klimastrate-
In Abhängigkeit und unter dem Einfluss der verschie-        gien, biologische Land- und Forstwirtschaft, Arten-
densten chemischen und physikalischen Gegeben-              schutzprogramme, Ausweisung von Schutzgebieten
heiten auf unserem Planeten haben sich im Laufe der         und Ähnliches.
Zeit aus dem sich entwickelnden, riesigen Potential         Letztendlich fügt sich der Mensch aber selbst den
von unterschiedlichsten Lebensformen und in Ab-             größten Schaden zu. Horst Stern, der bekannte
stimmung und Abhängigkeit voneinander Lebensge-             Fernseh-Naturjournalist, hat einmal gesagt, er macht
meinschaften entwickelt, im Großen und weltweit, in         sich um die Natur, die Pflanzen und Tiere, also die
Abhängigkeit von den Klimazonen und Höhenstufen,            Lebewelt, keine Sorgen. Die Natur und die Lebe-
wie auch im Kleinen in der unmittelbaren Umwelt.            wesen werden in irgendeiner Form weiter existieren
Diese Vielfalt, Biodiversität an Ökosystemen, Le-           und überleben. Er macht sich nur Sorgen um den
bensräumen und Arten, im Großen wie im Kleinen,             Menschen, ob der die selbst verursachten Probleme
hat sich insofern ergeben, dass die „Bauelemente“,          überleben wird.
die Einheiten all dieser Systeme in einer ständigen         Die Spezies Mensch, ausgestattet mit einem Geist,
Abhängigkeit und unter einem permanenten Ein-               der ihn ob seiner Fähigkeiten über alle anderen Arten
fluss zueinander stehen. So haben sich absolut bes-         stellt, hätte die Möglichkeiten dazu. Er könnte aus der
tens abgestimme und vollkommen funktionierende              Natur, der Landschaft eine Kultur-Landschaft schaf-
Lebensgemeinschaften, im Großen wie im Kleinen,             fen, in der alle Mitlebewesen eine Berechtigung und
entwickelt, die sich sozusagen in einem stabilen            einen Platz haben, und wo ein ausgewogenes und
Gleichgewicht befinden, im sogenannten ökologi-             gesundes Gleichgewicht herrscht.
schen Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht kann un-          Aber derzeit herrschen bei uns Menschen und in
ter Umständen durch größere, z. B. Vulkanausbruch,          unserer Gesellschaft Gier, Profit, Egoismus, Rück-
Sturmflut etc., oder kleinere Einflüsse, z. B. Felssturz,   sichtslosigkeit, Respektlosigkeit, Brutalität, Hass, Un-
Lawinenabgang, lokale Überschwemmungen, über                einsichtigkeit und Unvernunft vor, sodass ich wenig
längere oder kürzere Zeiträume gestört werden, stellt       Hoffnung habe, dass die Menschheit im Großen wie
sich aber relativ bald wieder vollkommen her, völlig        im Kleinen, direkt bei uns, in unserer nächsten und
selbständig. In diesem Systemen herrscht also nach          näheren Umwelt, unseren engsten Lebensbereichen
außen hin eine vollkommene Abgestimmtheit der ein-          das höchst notwendige Umdenken und konkrete
zelnen Elemente, ein gesundes Nebeneinander und             Handeln stattfinden lässt. Man braucht zur Zeit bei-
wohlabgestimmte Abhängigkeiten. In solchen Syste-           spielsweise nur unsere Straßengräben ansehen, wie-
men gibt es keine Nützlinge und Schädlinge, sondern         viel Abfall hier zu finden ist.
nur Abhängigkeiten voneinander. Zu Nützlingen und           Nichts desto Trotz und vor allem im Hinblick auf das
Schädlingen macht sie nur der Mensch.                       bevorstehende Weihnachtsfest darf die Hoffnung und
Von diesem Standpunkt aus betrachtet und rein auf           der Glaube an das Gute im Menschen nicht aufge-
die natürlichen Verhältnisse bezogen, gibt es eigent-       geben werden, dass die Menschheit, jeder einzelne
lich auf unserem Planeten, unserer Erde, nur eine ein-      Mensch, also die Spezies Mensch doch noch recht-
zige Spezies, eine einzige Art, die als Schädling zu        zeitig zu der Erkenntnis gelangt, dass schnelles und
bezeichnen ist – und das ist der Mensch.                    konkretes Handeln in allen Bereichen des Lebens für
Durch den Einfluss des Menschen ist die gesamte             den Erhalt und die Förderung der Biodiversität in all
Biodiversität, die Vielfalt aller Ökosysteme, Lebens-       ihren Formen höchst notwendig ist.
räume und Arten schwerstens beeinträchtigt, das             Beginnen wir jetzt, jeder Einzelne und jede Einzelne,
Gleichgewicht in diesen Systemen schwer gefähr-             in seinem/ihren Bereich zu handeln. Dann werden un-
det. Natürliche Systeme sind teilweise schwer be-           sere Kinder, Enkel, Großenkel ... auch noch den 200.
schädigt, drohen aus dem Gleichgewicht zu gera-             Geburtstag des Burgenlands feiern können, meint Ihr
ten und zu kippen. Weltweit im Großen, wie z. B. die
Verschmutzung der Meere, das verantwortungslose,                                        Hermann FRÜHSTÜCK
großflächige Abholzen der Regenwälder, aber auch im                  Landesleiter Naturschutzorgane Burgenland

                                                                                                                 3 N+U
NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
Impressum + Offenlegung                                                                  ReUse-Shops:
                                                                                     Retro, Vintage & Oldie but Goldie
   Verleger, Inhaber, Herausgeber:       und Informations-Drehscheibe
   • Verein der Burgenländischen         aller mit Natur- und Umweltschutz                                Neulich war ich wieder in einem
   Naturschutzorgane – VBNO              befassten burgenländischen Insti-                                dieser ReUse-Shops – gibt’s eh
   Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt        tutionen.Das gemeinsame Ziel ist                                 im ganzen Burgenland. Ich sage
   T 057 600 2812 (Karin Wild)           die Gewährleistung einer verstärk-                               euch, das ist eine wahre Fund-
   • Co-Herausgeber:                     ten Zusammenarbeit und mehr
                                                                                                          grube für Second-Hand-Freaks.
   - Amt der Burgenländischen                                                                             Coole Sachen zum unschlagbaren
                                         Effizienz in der Arbeit für den
   Landesregierung, Abteilung 4,
                                                                                                          Preis – von Kleidung über Technik
                                         Natur- und Umweltschutz.
                                                                                                          bis zu Original LPs. Wo gibt’s
   Hauptref. Natur- und Klimaschutz
                                                                                                               denn das sonst noch?
   - Landesumweltanwaltschaft            • „Natur & Umwelt im Pannoni-
   Burgenland                            schen Raum” erscheint vier Mal                                               Und alle Sachen
                                         pro Jahr und wird in enger Zusam-                                             sind tip-top und
   Redaktionsbeirat:
                                         menarbeit mit den folgenden                                                    in einem super
   Lois Berger,
                                         Vereinen und Institutionen erstellt:                              HITS         Zustand. Ich finde
   Johann Binder,
                                                                                                           80‘s         die ReUse-Shops
   Thomas Böhm,                                                                                                        echt stark und
                                         • Naturschutzbund Burgenland,
   Ernst Breitegger,                                                                                                  die Idee
                                         • Bgld. Naturschutzorgane,
   Angela Deutsch,                                                                                                  very nachhaltig.
                                         • Verein B.E.R.T.A.
   Hermann Fercsak,
                                         • Bio Austria Burgenland,
   Hermann Frühstück,                                                                                           Weitere Infos findest
                                         • Welterbe-Naturpark,
   Christof Giefing,                                                                                           du unter
                                         • NuP Rosalia-Kogelberg,                                             www.reuse-burgenland.at
   Christian Horvath,
                                         • NuP Landseer Berge,
   Thomas Knoll,
                                         • NuP Geschriebenstein-Irottkö,
   Alois Lang,
                                         • NuP In der Weinidylle,
   Andreas Leitgeb,
                                         • NuP Raab-Örsèg-Gori˘cko,
   Ernst Leitner,
   Verena Münzenrieder                   • Bgld. Müllverband,
                                         • NP Neusiedler See – Seewinkel,
                                                                                                            www.bmv.at
   Michael Niederkofler
   Clara Noé-Nordberg                    • WLV Nördliches Burgenland
   Gottfried Reisner,                    • Verein „Initiative Welterbe”
                                         • „Hianzenverein”
                                                                                VBNO lud zur Jahrestagung
   Nikolaus Sauer,
   Thomas Schneemann,                    • Burgenland Tourismus
   Doris Seel,                           • Biolog. Station Neusiedler See
   Ernst Trettler,
   Thomas Zechmeister,
                                         • Diözese Eisenstadt
                                         • Bgld. Forstverein
                                                                                und Vollversammlung
   Markus Zechner                        • Esterházy Betriebe                       Am 30. Oktober 2021 lud der Verein der Burgen-
   Christine Zopf-Renner                 • Innovationslabor act4.energy         ländischen Naturschutzorgane (VBNO) seine Mit-
                                         • Forschung Burgenland                 glieder zur Jahrestagung und Vollversammlung ins
   Redaktion, Produktion:                • Mobilitätszentrale Burgenland
   DIE SCHREIBMEISTER OG                                                        südliche Burgenland nach Güssing ein. Ein wich-
                                         • Reinhaltungsverband Region
   Manfred Murczek                                                              tiger Tagesordnungspunkt der Vollversammlung
                                           Neusiedler See – Westufer
   2491 Neufeld/L., Lisztgasse 2                                                war die Neuwahl des Vorstandes, die alle drei Jah-
   T +43 676 6106297                     • „Natur & Umwelt im Pannoni-
                                                                                re stattzufinden hat. Der Wahlvorschlag wurde von
   murczek@speed.at                      schen Raum” ist ein grenzüber-         den Vereinsmitgliedern einstimmig angenommen.
   www.schreibmeister.info               schreitendes – A, HU, SK, SLO,             Im Anschluss an die Vollversammlung lud der
   Auflage: 7.500 Stück                  HR ... – Informationsmedium und        wiedergewählte Landesleiter, Mag. Hermann Früh-
                                         auch das offizielle Mitglieder-        stück, zum Mittagessen und anschließender Exkur-
   • Es wird ausdrücklich darauf         magazin des Naturschutzbunds           sion mit Führung rund um die Güssinger Fischtei-
   hingewiesen, dass die Inhalte         Burgenland. Mitgliedsgemeinden         che ein. Bei strahlendem Herbstwetter erläuterten
   der Artikel nicht in allen Fällen     des Naturschutzbunds Burgen-           zwei Experten – DI Stefan Weiss und Rudolf Grass-
   die Meinung des Verlegers bzw.        land: Leithaprodersdorf, Stotzing,     mugg – die botanischen als auch ornithologischen
   des Herausgebers wiedergeben.         Müllendorf, Baumgarten, Gols,          „Schmankerl“ der Güssinger Fischteiche.
   Für die Inhalte sind die jeweiligen   Pöttelsdorf, Zemendorf-Stöttera,                                               Foto: Horst Köllerer
   Autoren direkt verantwortlich.        Mattersburg, Forchtenstein,
                                         Eberau, Rohr i. Bgld., Ollersdorf,
   • Bezahlte, redaktionell gestaltete
                                         Burgauberg-Neudauberg, Markt
   Anzeigen oder Beiträge, für die
   ein Druckkostenbeitrag geleistet      Allhau, Wolfau, Grafenscha-
   wurde, sind entsprechend              chen, Oberschützen, Bernstein,
   gekennzeichnet.                       Rechnitz, Mogersdorf, Neusiedl
                                         am See, Tadten, Unterrabnitz-
   • Die Zeitschrift transportiert im    Schwendgraben, Draßmarkt.
   wesentlichen die Inhalte des
   Natur- und Umweltschutzes im
   Pannonischen Raum und dient als
   Sprachrohr sowie Koordinations-

N+U 4
NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
Damit die Erde fruchtbar bleibt
Entwicklungsgeschichte des Biolandbaues im Burgenland
                                                                                                      Ernst Trettler
    Was trieb die Pioniere des bio-       wegs um eigenständige, wache             später als in den übrigen österrei-
logischen Landbaus in den 1970er-         Betriebsführer, manchmal vollauf         chischen Bundesländern, hatten
Jahren zu dem Entschluss, aus dem         experimentierfreudig,       manchmal     sich auch im Burgenland eine klei-
gängigen, modern-fortschrittlichen        eher umsichtig. Interessant ist es,      ne, überzeugte Schar von Weinbau-
Wirtschaftssystem         auszusteigen    wie sie es schafften, auf einmal als     ern und einige wenige gemischte
und auf Handarbeit, Kreislaufwirt-        Biobauer zu wirken, der aus der an-      Bio-betriebe mit Getreide- und Ge-
schaft und Verzicht auf chemische         gestammten        landwirtschaftlichen   müseanbau sowie Viehzucht zu-
Hilfen umzustellen?                       Methode ausbricht und in die entge-      sammengeschlossen und sich für
    Wann und warum hatte der Ge-          gengesetzte Richtung marschiert.         naturgemäße Landwirtschaft ent-
danke an eine biologische, ökolo-             Erstaunen mag es erregen, dass       schieden.
gische, naturgemäße Lebensweise           diese frühen Biobauern nicht – wie           Ein Mann der ersten Stunden
diesen Landwirt und jene Bäuerin          heute unabdingbar vorgeschrieben         war Ing. Ernst Zöchling. Sein halbes
erfasst und begeistert, dass sie ihn      – mit einem festgelegten Stichtag        Leben ist mit dem Werden des ös-
unter allen Umständen realisieren         komplett auf biologische Landwirt-       terreichischen Biolandbaus verfloch-
wollten?                                  schaft umgestellt haben, sondern         ten – so sieht es Ing. Ernst Zöchling
    Ein Zugang war jedenfalls das         in Etappen oder in einem längeren        selbst. Tatsächlich hat sich der in der
beginnende Bewusstsein für gesun-         Erprobungszeitraum. Erst ließ man        Burgenländischen Landwirtschafts-
de Ernährung und ihr Einfluss auf         den Kunstdünger weg und erst in          kammer als Berater und Lehrer An-
die Gesundung und Kräftigung des          einem späteren Schritt verzichtete       gestellte seit Mitte der 1970er-Jahre
Körpers. Diese Logik übertrugen die       man beim Pflanzenschutz auf che-         mit ökologischen Themen auseinan-
Bio-Pioniere auf ihre neue wirtschaft-    mische Mittel. Auch das Kriterium        dergesetzt. Einige Jahre danach hat
liche Praxis, die davon ausging, dass     der offiziellen Anerkennung durch ei-    er das Zustandekommen des bur-
eine optimale Nährstoffzufuhr in          nen Verband oder eine staatliche In-     genländischen        Landesverbands
einen lebendigen Boden auch die           stitution fiel damals weg – es gab sie   organisch-biologisch wirtschaften-
Widerstandskraft der Pflanzen posi-       nicht. Vielmehr war es eine persön-      der Bauern vorangetrieben und ihn
tiv beeinflusst und so für den Mensch     liche bzw. kollegiale Zuschreibung:      in der Folge aktiv begleitet.
gesunde Lebensmittel wachsen.             Man fühlte sich als Biobauer, man
    Die biologische Landwirtschaft        verhielt sich entsprechend und man
war so weit gediehen, dass man ihr        bezeichnete sich als solcher.
von offizieller Seite ökonomisch eine         Auf dem steinigen Weg zu einer
Nische zugestand. Die Bioproduk-          großen, agrarpolitisch wirksamen
te waren unübersehbar gegenläu-           Einheit, als die sich die Biolandwirt-
fig zum Zeitgeist, oft schrumpelig        schaft heute darstellt, waren riesige
und für Normalverbraucher sünd-           Aufgaben zu bewältigen. Auch im
teuer, dies alles im Öko-Ambiente:        Burgenland war es so, dass lauter
Weidenkörbe, einfach gezimmerte           einzeln Berufene zu einer der beiden
Holzregale, meist selbst gemacht,         damals greifbaren biologischen Me-
individuell gestaltet, recycled und die   thoden (biologisch-dynamisch oder
Waren im Mehrweg-Pfand-System.            organisch-biologisch) fanden oder
Die wissenschaftliche Fragestellung       hingeführt wurden. Erst über den
ging dahin, ob es sich hier um eine       eigenen Zugang und die Bereitschaft
Subkultur handelt und wenn ja, ob         oder die Notwendigkeit, biologisch
diese das Potential hätte, zu einer       zu wirtschaften, lernten sie ande-
Leitkultur aufzusteigen oder ob es        re Gleichgesinnte kennen, bildeten
eine Modeerscheinung sei und als          nach und nach Gruppen und erst
solche auch bald wieder verschwin-        später Verbände, so wie 1981 den
den würde. Innerhalb von vierzig          Vorläuferverein von BIO AUSTRIA
Jahren sind all diese Zuschreibun-        Burgenland. Das Experiment der
gen – Nische, Mode, „Gammel-              Vielfalt in der Einheit ist – wohl mit
Look“ – obsolet. Biolandbau und           großen menschlichen Anstrengun-
Bioprodukte sind normal geworden,         gen, denn diese Pioniere zeichnet
ja sind etablierte Größen.                auch ein gewisses „Einzelkämpfer-
    Bei den burgenländischen Bio-         tum“ aus – gelungen.                     n Bio-Sojabohnen: Der Anbau
pionieren handelte es sich durch-             Ende der 1970er-Jahre, etwas         boomt – auch im Burgenland

                                                                                                                       5 N+U
NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
im Bioverband unermüdlich in Ver-
                                                                                    handlung mit dem Ministerium, dass
                                                                                    „aus alternativem Weinbau“ auf dem
                                                                                    Etikett stehen durfte. Aufgrund sei-
                                                                                    nes Wissens fungierte Steindl auch
                                                                                    als einer der drei ersten Bio-Kontrol-
                                                                                    lore im Bio-Verband.
                                                                                        Diskussionen und Meinungsver-
                                                                                    schiedenheiten über Biolandbau gab
                                                                                    es in den eigenen Reihen in der Land-
                                                                                    wirtschaftskammer bzw. gegenüber
                                                                                    Politikern des öfteren. Wenn etwa
                                                                                    der Kammeramtsdirektor vor den
                                                                                    35 Personen der Vollversammlung
                                                                                    die Meinung vertrat, Biolandbau sei
                                                                                    rückständig, Mist und den Kompost
                                                                                    habe man längst überwunden, das
                                                                                    wäre keine moderne Landwirtschaft,
                                                                                    so konterte Zöchling klipp und klar:
                                                                                    ,,Nein. Wir, die Biobauern sind die
                                                                                    Modernen; und Kunstdünger und
                                                                                    Spritzmittel sind rückständig!“
                                                                                        Wohl wissend, dass es in den
                                                                                    Lagerhausberichten nur darum geht,
   n Pioniere des biologischen Landbaus im Burgenland: Eugen Wimmer,                bei welchem Kunstdünger und wel-
   Johann Steindl, Rudolf Beilschmid (v. l. n. r.)                                  chem Spritzmittel der Verkauf um
                                                                                    wie viel Prozent gestiegen ist. ,,Aber
                                                                                    wenn das so weiter geht, vergif-
       Durch die Anthroposophische         Teilnehmer in Purbach abgehalten.        ten wir uns ja“, lautete Zöchlings
   Gesellschaft in Wien bekam er die       Neben vielen anderen wertvollen          Schlussfolgerung. 1981 verfasste er
   Anregung, einen Einführungskurs in      Anregungen war die Vorstellung der       in dieser Hinsicht einen Rundbrief
   die biodynamische Wirtschaftsweise      Spatenprobe durch Prof. Preuschen        an die Vorstände von Gesundheits-
   in Darmstadt zu belegen, wo er Per-     ein bleibender Eindruck. Ein An-         vereinen. Er verfolgte die Idee, dass
   sönlichkeiten, wie die für ihre For-    fang war gemacht, nun musste die         Vertreter dieser Vereine – namentlich
   schungen über Mondeinflüsse auf         Gruppe noch zusammengeschweißt           wird der Kneippbund angeführt – in
   das Pflanzenwachstum bekannte           werden. Engste Mitverfechter waren       Form eines „übervereinsmäßigen
   Maria Thun, kennenlernte. Auch Vor-     der erste Obmann, Eugen Wimmer,          Ausschusses“ diese Kontrollfunktion
   träge am Goetheanum in Dornach          Johann Steindl aus Purbach und           übernehmen könnten. Nicht zuletzt
   besuchte er. Später kamen Bücher        Rudolf Beilschmied, die er schon als     deshalb, weil sie das Vertrauen ihrer
   über biologischen Landbau dazu,         Berater in der Kammer kennenge-          Mitglieder, d. h. der Konsumenten
   etwa von Dr. Hans Peter Rusch über      lernt hatte.                             genießen. Es ging um die Kontrolle
   die Bodenfruchtbarkeit. Es konn-                                                 der Erzeuger bezüglich der Einhal-
   te nicht ausbleiben, einen Kurs bei     w 1981 – Erster Obmann:                  tung ihrer selbst auferlegten Produk-
   Dr. Müller in Großhöchstetten zu        Eugen Wimmer                             tionsrichtlinien.
   absolvieren. Und nicht zuletzt führ-        Im Jahr darauf hatten die An-            Eugen Wimmer oblag es ab
   te der Weg zu den Kongressen            strengungen Zöchlings gefruchtet.        1981 in seiner Funktion als ers-
   „Grünes Forum Alpbach“, die Ing.        Am 15. Jänner 1981 wurde die Ab-         ter Obmann des neu gegründeten
   Willi ab 1978 abhielt. Dort kam von     sichtserklärung zur Bildung eines        Biovereins in der eigenen Diktion,
   seinem Tiroler Kammerkollegen Willi     Biovereins im Burgenland beim            ,,dafür zu sorgen, dass die Partie
   sehr direkt die Aufforderung, doch      Bundesministerium für Land- und          beieinanderbleibt und sich weiter-
   einen Bioverband zu gründen – die       Forstwirtschaft eingebracht. Bereits     bildet.“ Wo es am laufenden Band
   Burgenländer wären das letzte Bun-      einen Monat danach fand die 1. Voll-     Schwierigkeiten gegeben hatte, war
   desland, in dem es noch keinen Lan-     versammlung vom „Landesverband           bei den Behörden. Es war den Bio-
   desverband gab.                         Burgenland       organischbiologisch     bauern unmöglich, sich Zutritt zum
       Besondere Unterstützung bekam       wirtschaftender Bauern Österreichs       Kammerpräsidenten oder zum Kam-
   er durch Miriam Wiegele, die sich       zur Förderung des biologischen           meramtsdirektor zu verschaffen. Die
   frisch nach dem Studium der Medi-       Landbaus“ statt. 15 Biobauern wa-        Herren in der Landwirtschaftskam-
   zin und Botanik für den Biogedanken     ren die ersten Mitglieder. Steindl er-   mer hatten damals nichts übrig für
   in ihrer Umgebung engagierte.           hielt die erste Mitgliedsnummer, ge-     Biolandbau, kannten sich nicht aus,
       So wurde im Februar 1980 ein        gengezeichnet vom ersten Obmann,         interessierten sich aber auch nicht
   viertägiger Einführungskurs in die      Eugen Wimmer. Steindl war in weite-      dafür.
   biologische Landwirtschaft für ca. 40   rer Folge als Obmann-Stellvertreter          All das war absolut unverständ-

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lich für die Biobauern, deren Über-      ten der Praktiker und der Kämme-          immer mehr Bauern für Bioland-
zeugung es war, dass durch den           rer – nächtens, nach beider normaler      bau interessierten und Beratung
biologischen Werdegang alles bes-        Arbeitszeit – über die kritische Fra-     gesucht hatten. Zur Projektfinan-
ser, einfacher und die Lebensqualität    ge der Echtheit eines Bioprodukts,        zierung musste aber erst Landesrat
gehoben wird.                            die oft auch den höheren Preis vor        Paul Rittsteuer gewonnen werden,
    Ing. Ernst Zöchling hat seinen       dem Käufer rechtfertigen musste.          was Schlögl nahtlos gelang. So er-
Kollegen in der Burgenländischen         Wie können Konsumenten „bio“ er-          gab sich eine vollkommen neue
Landwirtschaftskammer, Ing. Stefan       kennen? Wie kann ihnen eine Ga-           Konstellation in der Bioberatung, die
Ibeschitz, schon öfter in eine Diskus-   rantie gegeben werden? Nach wel-          sich nun schwerpunktmäßig zu BIO
sion über Biolandbau verwickelt. Da      chen Kriterien könnte eine Kontrolle      AUSTRIA Burgenland verlagerte.
Ibeschitz als Berater für das ganze      erfolgen? Sie entschieden sich für            Im Laufe der Zeit änderte sich nicht
Burgenland zuständig war, kannte er      ein Protokollbuch, d. h. der Winzer       nur die Struktur der Verbände, auch
viele Bauern persönlich – unter an-      macht kontinuierliche Aufzeichnun-        die Betriebe passten sich den aktu-
derem auch die acht oder zehn, viel-     gen aller Bearbeitungsmaßnahmen           ellen Erfordernissen an. Die ersten
leicht elf Biobauern, die es damals im   im Weingarten, auch im Keller. Sie        Biobauern waren Direktvermarkter
Land gab. In den Publikationen der       entschieden sich für die Offenlegung      mit einem breiten Produkt-sortiment.
Burgenländischen Landwirtschafts-        der Betriebsdaten, samt Belegen           Das änderte sich erst, als Anfang
kammer platzierte Stefan Ibeschitz       über die Zulassung der verwendeten        der 1990er-Jahre erstmals Förde-
aktuelle Themen zum Biolandbau           Mittel – die heute oft zitierte und ge-   rungen an die Biobauern ausgezahlt
bzw. bot seine Dienste als offizieller   forderte Transparenz.                     wurden. Dadurch stiegen auch viele
Berater für Biolandbau an. Das war                                                 nicht direkt vermarktende Betrie-
ein klarer Vorstoß in fremdes Terrain    w Entwicklungssprung Anfang               be, vorwiegend Grünlandbetriebe,
und schmeckte manchem konven-            der 1990er-Jahre                          auf die biologische Wirtschafts-
tionellen Bauern gar nicht. Bei den          Einen Entwicklungssprung gab          weise um. Eine zweite Welle wurde
Gruppentreffen oder in einzelnen         es Anfang der 1990er-Jahre, als           durch die große Nachfrage nach
Gesprächen sammelte und verglich         DI Franz Schlögl mit einem ehrgeizi-      Bio-Getreide ausgelöst, die viele
Ibeschitz die Maßnahmen, die die         gen Projekt in der Burgenländischen       Ackerbaubetriebe zum Umstieg auf
einzelnen Biobauern gesetzt hatten,      Landwirtschaftskammer vorsprach.          die Bio-Landwirtschaft bewegte.
er zeichnete die erzielten Erfolge       Er hatte soeben einen Beraterkurs         Maßgeblich am Ansteigen der Nach-
oder Rückschläge auf und wurde           für Biolandbau absolviert, kannte         frage beteiligt war der Einstieg des
zur Informationsdrehscheibe, die         das brachliegende Biopotenzial des        Lebensmitteleinzelhandels in den
von der Burgenländischen Landwirt-       Burgenlands und legte ein Konzept         Bio-Markt.
schaftskammer aus agierte.               zur Umstellung von 100 Betrieben              Heute hat sich die Bio-Land-
    Noch einen zweiten starken Bio-      innerhalb von drei Jahren vor. Für        wirtschaft als Alternativmodell zur
winzer hatte Ibeschitz für innovative    ihn bestand somit auch Aussicht,          Intensivlandwirtschaft etabliert. Viele
Ideen an der Hand: Rudi Beilschmidt      in seiner Arbeit entlastet zu werden,     sehen in ihr inzwischen sogar das
aus Rust. In langen Sitzungen berie-     da sich auch in den letzten Jahren        einzige landwirtschaftliche Modell
                                                                                   der Zukunft.
                                                                                                                               Literatur:
                                                                                                             Bio-Pioniere in Österreich
                                                                                                      Vierundvierzig Leben im Dienste
                                                                                                           des biologischen Landbaus
                                                                                           Autorin: Aurelia Jurtschitsch, Verlag Böhlau

                                                                                                             Fotos
                                                                                            BIO AUSTRIA Burgenland

                                                                                                                Autor
                                                                                                  DI Ernst TRETTLER
                                                                                        Ausbildung auf der Universität
                                                                                      für Bodenkultur (BOKU) in Wien
                                                                                                  zum Diplomingenieur
                                                                                             für Agrarwissenschaften.
                                                                                        Seit 2005
                                                                                           bei BIO
                                                                                        AUSTRIA
                                                                                      Burgenland
                                                                                       im Bereich
                                                                                        Regional-
                                                                                       marketing,
                                                                                     seit 2012 als
n Bio-Weidegänse aus dem Burgenland – die Nachfrage übersteigt das                 Geschäftsführer
Angebot deutlich.                                                                            tätig.

                                                                                                                                    7 N+U
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Rückblick: 100 Jahre bäuerliche
   Waldwirtschaft im Burgenland
                                                                                                        Hubert Iby
       Anlässlich des 100. Geburts-        Bewirtschaftern wider. Sie geben        Stallungen, Zäune etc. Viele Hand-
   tags unseres Heimatlandes soll der      auch Zeugnis von den Änderungen         werksberufe waren, lange vor dem
   Versuch unternommen werden, im          im Umgang mit dieser natürlichen        Siegeszug der Kunststoffe, auf den
   Schnelldurchlauf die Entwicklung        Ressource. Die folgenden Gedanken       Rohstoff Holz angewiesen. Neben
   der Waldbewirtschaftung Revue           beziehen sich in erster Linie auf den   den Zimmerleuten und Tischlern gab
   passieren zu lassen. Für unsere Kin-    kleinstrukturierten bäuerlichen Wald,   es beispielsweise Wagner, Drechsler,
   der und Jugendlichen sind die Le-       der im Burgenland einen Anteil von      Fass- und Besenbinder.
   benswelt und die Lebensumstände         mehr als 57 % an der Waldfläche             Holz war ein knappes Gut, die
   ihrer Ur-Urgroßeltern, die die Geburt   einnimmt. Die größeren Betriebe mit     Holznutzung erfolgte in einer heute
   des Burgenlandes miterlebt haben,       eigenen, professionellen Zielsetzun-    unvorstellbaren Intensität. Im Bau-
   nur schwer vorstellbar. In Baum-        gen wären gesondert zu betrachten.      ernwald wurde im Zuge der Nut-
   generationen gerechnet sind 100                                                 zungen die gesamte Holzbiomasse
   Jahre aber eher überschaubar. Vie-      w Die ersten drei Jahrzehnte            aus dem Wald geschafft, selbst die
   le Waldbestände und Altbäume, in           Die burgenländische Bevölke-         Feinäste wurden zu sogenannten
   deren Schatten wir uns gerne auf-       rung war zur Zeit der Gründung          „Bürdeln“ gebunden und als Unter-
   halten, wurden noch zu Zeiten der       der ersten Republik überwiegend         zündmaterial nach Hause gebracht.
   Habsburgermonarchie begründet.          agrarisch geprägt und die Subsis-       Der Holztransport erfolgte mühsam
   Das weist uns auch auf die große        tenzwirtschaft noch weit verbreitet.    auf unbefestigten Wegen mittels
   Verantwortung hin, die den derzeit      Holz war damals ein im wörtlichen       Ochsen- oder Pferdezug. Die Ver-
   aktiven Forstleuten und Waldbauern      Sinne wichtiges „Lebensmittel“. Die-    jüngung der Schlagflächen geschah
   zukommt, wenn sie in Zeiten des         ses kam in vielen Fällen aus dem        mittels Saat, soweit sie nicht der
   Klimawandels mit vielen Unwäg-          eigenen Wald oder auf Grund eines       Natur überlassen wurde. Ein allge-
   barkeiten die Wälder der Zukunft        Holzbezugsrechts aus den Gemein-        meiner Markt für Forstpflanzen war
   begründen sollen.                       schafts- oder Urbarialwäldern. Es       noch nicht etabliert.
       Kommen wir zurück zur Stun-         ermöglichte die tägliche Zuberei-           Zur regulären Waldnutzung ge-
   de Null des Burgenlandes. Vom           tung warmer Speisen am Küchen-          hörte auch die Streugewinnung. In
   Staatsmann Helmut Kohl stammt           herd und brachte in der kalten Zeit     älteren Waldbeständen wurde dabei
   der Spruch: „Wer die Vergangen-         Wärme in die oft kargen und wenig       die oberste Bodenschicht aus Na-
   heit nicht kennt, kann die Gegen-       gemütlichen Stuben. Entsprechend        deln und Laub mittels Rechen ab-
   wart nicht verstehen und die Zu-        der Verwendung trennte man das          gezogen und als Einstreumaterial für
   kunft nicht gestalten“. So spiegeln     Sommerholz (Weichholz) vom Win-         das Vieh in die Ställe gebracht. Diese
   die heutigen Waldbilder vielfach die    terholz (Hartholz). Das leichte und     Streunutzung war bis in die 1950er-
   Wünsche und Zielsetzungen vergan-       verschnittfähige Nadelholz war be-      Jahre vor allem in Ortsnähe weit
   gener Generationen von bäuerlichen      gehrt als Bauholz für Dachstuhl,        verbreitet und führte infolge wieder-

   n li.: Umbruch von Hutweiden als Aufforstungsvorbereitung (1955); re.: Beginn des Forstwegebaus (1950er-Jahre)

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kehrenden Nährstoffentzugs zur De-       wissen heute, dass diese hohen           nissen erstmals großflächige Bor-
gradierung vieler Waldstandorte, die     Ertragserwartungen in vielen Fällen      kenkäferschäden in den sekundären
bis heute nachweisbar ist. Diese lan-    nicht eingetroffen sind. Die aktuellen   Fichtenwäldern des Burgenlands
ge geübte Praxis begünstigte auch        Forstschutzprobleme mit Schäd-           auf. Käfernester und absterben-
die rasche Ausbreitung der Kiefer im     lingsmassenvermehrungen sind zum         de Bestände sind seither zu einem
burgenländischen Wald, da diese als      Teil auf diese Zeit der wirtschaft-      gewohnten sommerlichen Erschei-
Mineralbodenkeimer auf den freige-       lichen Euphorie bei Missachtung der      nungsbild in nadelholzreichen Wald-
legten Böden beste Anwuchsbedin-         natürlichen Gegebenheiten zurück-        gebieten geworden. Angesichts die-
gungen vorfand.                          zuführen.                                ser Erfahrungen und verstärkt durch
                                             In den Laubwaldgebieten des          die spürbaren Klimaveränderungen
w 1950 bis 1980                          nördlichen und mittleren Landesteils     werden seit der Jahrtausendwen-
    Nach dem Krieg und verstärkt         überdauerte mit den Niederwäldern        de auch im Kleinwald überwiegend
nach dem Ende der Besatzungszeit         eine zu dieser Zeit in der Forstwis-     naturnahe Laub- und Mischwälder
erfuhr das Burgenland einen ersten       senschaft als altmodisch und über-       begründet. Auch dies führt zu neu-
großen Wirtschaftsaufschwung. Die        holt angesehene Bewirtschaftungs-        en Herausforderungen, da die wald-
Landwirtschaft erlebte eine Mecha-       form. Ihr Ziel war einst und ist bis     baulichen Ansprüche zur Produktion
nisierungswelle, Traktoren ersetzten     heute die Produktion von Brenn- und      wertvollen Laubholzes im Vergleich
die Zugtiere und in den Wäldern          Energieholz.                             zur einfachen, plantagenähnlichen
heulten schon bald die Motorsägen.                                                Bewirtschaftung von Fichten- und
Wälder wurden nach und nach durch        w Die Entwicklung seit 1980              Kiefernreinbeständen      wesentlich
geschotterte Forstwege erschlossen           Die Koniferenwelle dauerte bis in    höher sind. Die Holznutzung verlor
und somit ganzjährig erreichbar.         die 1980er-Jahre an. Mit steigendem      für hofferne Waldbesitzer an Bedeu-
    Im Zuge von Flurbereinigungen        Naturverständnis und unter dem           tung. Die Auswertung der Daten der
wurde Land urbar gemacht, das bis-       Einfluss der Beratung durch ökolo-       Waldinventuren zeigt einen Trend zu
her als unproduktiv galt. Viele dieser   gisch geschulte Forstleute kam es        natürlichen Waldverhältnissen bei
Grenzertragsböden sowie die nicht        langsam zu einer Umorientierung          steigendem Holzvorrat.
mehr benötigten Hutweiden wurden         und Beendigung dieser naturfernen            Die große Aufgabe der nächsten
aufgeforstet, oftmals mit Fichten        Aufforstungspraxis. Einen wichtigen      100 Jahre ist aus heutiger Sicht die
oder Kiefern in Reinkultur, die einen    Lenkungseffekt hatten die Förder-        Schaffung beziehungsweise die Er-
raschen und hohen Ertrag erwarten        programme von Bund und Land,             haltung klimafitter Waldbestände an-
ließen. Die forstliche Beratung so-      die eine Beimischung von Laub-           gesichts der zunehmend unsicheren
wie die Produktion der florierenden      mischholzarten einforderten. Der         Entwicklungen.
Forstbaumschulen        unterstützten    Waldzustand rückte zunehmend ins                                       Fotos
diese Entwicklungen, da in dieser        öffentliche Interesse. Auffallende            Burgenländischer Forstverein
Zeit von Seiten der Industrie selbst     Kronenverlichtungen in den Nadel-
für minderwertige Nadelholzsorti-        wäldern führten zur Sorge vor einem                                    Autor
mente hohe Preise geboten wurden.        großflächigen, durch Luftschadstof-
Es kam zu einem Revival der soge-        fe verursachten Waldsterben. Die             DI Hubert IBY
nannten     „Bodenreinertragslehre“,     Besetzung der Hainburger Au durch                  Leiter des
die bereits im 19. Jahrhundert ent-      besorgte Umweltaktivisten hatte die        Referats Landes-
standen war und die höchstmög-           Neuausrichtung der Umweltpolitik             forstinspektion
liche Verzinsung des Bodenkapitals       zur Folge.                                       im Amt der
zum Ziel hatte. Der Wald wurde pri-          Ab Mitte der 1990er-Jahre traten      Burgenländischen
mär als Holzfabrik betrachtet. Wir       in der Folge von Schneebruchereig-         Landesregierung

n li.: Maschinelle Verschulung im Landesforstgarten Marz; re.: Aufforstungspartie im Mittelburgenland (1960er-Jahre)

                                                                                                                   9 N+U
NATUR & UMWELT - Regionalmanagement Burgenland
Natur- und Landschaftsschutz –
     integrale Wege und Ziele
                                                        Erwin Frohmann / Christian Katona / Teil 14

     w Landschaft als Lebensgefüge         logische, gestalterische, soziale     klare Trennlinie mehr zwischen
     zwischen Natur und Kultur             und wirtschaftliche Vernetzung        Natur- und Kulturlandschaften
        Landschaft entwickelt sich aus     von natur- und kulturräumlichen       ziehen. Denn zu unmittelbar sind
     den naturräumlichen Grundlagen        Faktoren. Dabei ist Landschaft        beide raumprägenden Faktoren
     einer Region und findet ihren Aus-    aber nicht nur ein physischer         miteinander verwoben – und das
     druck über die Wechselwirkung         Ausdruck eines bestimmten Zu-         auf lokaler, regionaler, länderüber-
     zwischen Kultur und Natur. Die        stands, sondern zugleich auch ein     greifender Ebene bis hin zur glo-
     Bedeutung des Begriffes Land-         sich fortschreibender Prozess, der    balen Vernetzung. Umso bedeut-
     schaft geht auf seine alt- und mit-   sich über die menschlichen Akti-      samer wird es sein, zu verstehen,
     telhochdeutschen      Wortwurzeln     vitäten im Kontext der naturge-       dass sich Landschaft über den
     zurück und meint mit Land (lant)      gebenen Evolution in seiner Na-       Charakter einer Region mit ihrem
     ein bestimmtes Gebiet, in dem         tur- und Kulturräumlichkeit vereint   Klima und Boden, ihrer Topogra-
     sich der Mensch durch sein ge-        und über seine Raumwirkung eine       fie, Morphologie, der begleitenden
     stalterisches Wirken schaft (scaft)   bedeutsame psychische Wech-           Flora und Fauna und den in ihr
     ausdrückt. Dementsprechend ist        selwirkung mit dem Menschen           handelnden Menschen als gren-
     die Landschaft ein Abbild des         entfaltet (Kluge 2002).               zenloser, übergreifender Lebens-
     Beziehungsgefüges         zwischen        Im Zeitalter des Anthroprozäns    raum realisiert. Landschaftsräume
     Mensch und Raum über die öko-         angekommen, lässt sich keine          sind demnach über die körperlich-
                                                                                 ökologischen Kreisläufe physisch
                                                                                 miteinander und über die emotio-
                                                                                 nalen Beziehungen der Menschen
                                                                                 zu ihr ebenso psychisch miteinan-
                                                                                 der verbunden.
                                                                                     Darauf aufbauend lässt sich
                                                                                 ein Verständnis für die Landschaft
                                                                                 über ihre äußere und innere Natur
                                                                                 ableiten, dass auch die Trennlinie
                                                                                 zwischen Objekt und Subjekt auf-
                                                                                 hebt und den Bogen von der Be-
                                                                                 trachtung der Landschaft hin zur
                                                                                 Beziehung mit ihr spannt. So wird
                                                                                 die Umwelt zur Mitwelt in der sich
                                                                                 die Außensicht mit der Innensicht
                                                                                 verbindet.
                                                                                     Das Wirken der äußeren Na-
                                                                                 tur ist offensichtlich und den
                                                                                 Menschen über das naturwis-
                                                                                 senschaftlich     basierte    Land-
                                                                                 schaftsverständnis vertraut. Sie
                                                                                 beschreibt das Verständnis für
                                                                                 die Natur aus Sicht ihrer ökologi-
                                                                                 schen Zusammenhänge über die
                                                                                 Elemente Boden, Wasser, Luft,
                                                                                 Licht und Wärme mit all den zuge-
                                                                                 hörigen Tieren und Pflanzen, die
                                                                                 sich durch mehr oder weniger Di-
                                                                                 versität in Struktur und Artenviel-
                                                                                 falt auszeichnen. Die Menschen
                                                                                 nehmen die Rolle der objektivie-
                                                                                 renden Betrachter*innen ein und
     n Landschaft als Resonanzraum und als Spiegel des menschlichen Handelns     sehen sich über das Zusammen-

N + U 10
spiel der Ökosystemleistungen         Natur. Aus diesem Grund fühlen       dem Prinzip der Soziogenese, ein-
als Betroffene, die sich außerhalb    sich Menschen draußen in der Na-     gebettet in den entsprechenden
des Systems befinden. Wir spre-       tur lebendiger und voller Energie,   Kulturraum. Sinnesbezogen ver-
chen dann von der Umwelt und          und deshalb berichten uns Gärt-      bunden mit den gesellschaftlichen
vergessen dabei viel zu leicht,       ner, dass ihre Arbeit sie beruhigt   Paradigmen sind Landschaften
dass wir Teil einer Mitwelt sind.     und erfrischt, denn der Aufenthalt   demnach Ausdruck unserer Kul-
Basierend auf diesem Verständ-        in der Natur weckt die konstruk-     tur (Strohmeier, 2000). Schließlich
nis greifen rein technisch organi-    tiven Elemente des menschlichen      das für die Naturverbundenheit
sierte Lösungen oftmals zu kurz.      Wesens.“                             relevanteste Prinzip der Phyloge-
Technisch innovative Lösungsan-           Der Philosoph Martin Heid-       nese, das den Menschen als evo-
sätze sind wichtig, brauchen aber     egger meint in diesem Zusam-         lutionär eingebundenen Organis-
für ein immanentes Miteinander        menhang, dass es in der Subjekt-     mus beschreibt. Über die Zeiten
auch einen emphatischen Bezug         Objekt Beziehung keine Trennung      hinweg gewachsen, hat sich die
zur Landschaft, um Lösungen für       zwischen „Drinnen und Draussen“      Erd-Mensch-Beziehung genetisch
die Entwicklung qualitativ-nach-      gibt (Luckner, 2001).                in die Lebenserfahrung des Men-
haltiger Landschaften sicherzu-           Und die Landschaft wird zum      schen verankert und hält auch
stellen. Speziell das Naturhafte      Resonanzraum, in welchem sich        heute noch unsere Verbundenheit
ist demnach nicht bloß nur als        die Geschichte der naturräum-        mit der Natur und unsere Sehn-
Sehnsuchtsort im romantischen         lichen mit der der kulturräum-       sucht nach ihr in uns aufrecht –
Denkmuster verankert, sondern         lichen Entwicklung treffen und       einerseits über die ökologischen
Ausdruck einer realen Lebens-         beide miteinander in Resonanz        Kreisläufe der Nahrungsaufnahme
gemeinschaft, basierend auf der       treten. Über die persönliche         und des Atemaustausches mit der
lebensnotwendigen Verbunden-          Raumwahrnehmung wird der Ort         Pflanzenwelt und anderseits über
heit des Menschen mit dem Eigen-      zum Resonanzraum der gemein-         die seelenverwandte Beziehung
wert der Natur der Erde. Über die     samen Begegnung, in dem die          des Menschen mit der Erde. Diese
Vielfalt der Wechselwirkungen         Landschaft wie ein Spiegel das       Verankerung mit dem Naturräum-
und der gewachsenen Beziehun-         menschliche Handeln reflektiert.     lichen stabilisiert die individuelle
gen, im Verständnis von Mitwelt,          Die Wahrnehmungsforschung        Persönlichkeit sowie das Kollektiv
bleibt der Mensch erdverbunden        definiert in diesem Zusammen-        des Miteinander (Guski/Blöbaum,
und in emphatischer Beziehung         hang drei Entwicklungsmodi, die      2003).
mit der Welt der Mineralien, Pflan-   den Menschen über seine Raum-                                    Autoren
zen und Tiere und kann sich als       erfahrungen individuell, kollek-
Bindeglied einer schöpferischen       tiv und evolutionär bedingt, mit               Ao. Univ. Prof. Dr. Erwin
Gemeinschaft begreifen (Brands-       der Landschaft verbinden (Bou-                             FROHMANN
tetter/ Weber, 2019).                 rassa, 1990). Über die persönli-             Biologe und
    So wird der Mensch über das       che Wechselwirkung erleben wir        Landschaftsarchi-
Wirken der inneren Natur vom          Landschaft nach dem Prinzip der        tekt. Studium der
Betroffenen zum Teilnehmenden,        Ontogenese, wo wir vorwiegend             Biologie an der
und das eben nicht nur auf der        in unserer Kindheit die eigenen         Universität Graz,
physischen, sondern ebenso auf        Landschaftserlebnisse als per-        Weiterbildung zum
der psychischen Ebene.                sönliche Erfahrungsmuster in un-         Ökopädagogen.
    Beispielhaft und praxisnah auf    serem Unterbewusstsein veran-              Vortrags- und
den Garten übertragen meint Sue       kern und in unsere weiterführende       Seminartätigkeit
Stuart-Smith (2021) dazu: „Wenn       Entwicklung mitnehmen. Sozial            im Bereich der Ökopädagogik.
wir mit der äußeren Natur arbei-      betrachtet erleben wir Landschaft         Ab 1993 an der Universität für
ten, arbeiten wir mit der inneren     als kollektives Phänomen nach             Bodenkultur Wien. Aktuell am
                                                                                 Department für Raum, Land-
                                                                              schaft und Infrastruktur, Institut
                                                                                   für Landschaftsarchitektur.

                                                                                          Christian KATONA
                                                                           Landschaftsplaner
                                                                             und Eventmana-
                                                                             ger. Studium der
                                                                                 Landschafts-
                                                                                  planung und
                                                                           Landschaftspflege
                                                                            an der Universität
                                                                              für Bodenkultur.
                                                                             Seit 2019 Amtssachverständiger
                                                                           für Landschaftsschutz im Amt der
                                                                                      Bgld. Landesregierung.
n Wirkungsebenen im Kontext der Landschaftswahrnehmung (Bourassa 1990)               Bgld. Naturschutzorgan.

                                                                                                           11 N + U
100 Jahre fachlicher Naturschutz
     im Burgenland                                                                              Botanik – Teil 44

         In der zweiten Hälfte der 1980er-   ligungsvoraussetzungen in Hinblick     Schutzgebietskategorien Voll- und
     Jahre prägten das Zusammentref-         auf eine naturschutzfachliche Über-    Teilnaturschutzgebiet zur Katego-
     fen und Überlagern mehrerer Ent-        prüfung der Naturschutzrelevanz        rie Naturschutzgebiet, und letztlich
     wicklungen auf gesellschaftlicher,      konkretisiert. Weiters wurde der Ar-   die Festlegung zusätzlicher Schutz-
     sozioökonomischer und wirtschaft-       tenschutz unter legistischer Berück-   gebietskategorien, namentlich die
     licher Ebene gleichzeitig die Arbeit    sichtigung der damals mittlerweile     Möglichkeit der Ausweisung von
     des behördlichen und fachlichen         bereits vorliegenden 2. Auflage der    Landschaftsschutzgebieten          mit
     Naturschutzes nachhaltig.               „Rote Liste gefährdeter Pflanzen       wertvoller Erholungsfunktion als
         So bedingten nach ca. 25 Jah-       des Burgenlands“ (Traxler 1987)        „Naturparke“ und die Kategorie
     ren seit Inkrafttreten des NG 1961      auf eine zeitgemäße Basis gestellt,    „Geschützter Landschaftsteil“ für
     auf Grund der erkennbaren, nach-        wobei darin auch viele weitere flo-    kleinflächige Landschaftsgebiete
     haltigen, gesellschaftlichen, sozio-    ristische Forschungsbeiträge v. a.     mit wertvoller naturschutzrelevanter
     ökonomischen und wirtschaftlichen       aus den vorangegangenen Jahr-          Lebensraumausstattung.
     Änderungen und der daraus abge-         zehnten berücksichtigt wurden. In          Mit der Errichtung eines Natio-
     leiteten vielfachen Flächenansprü-      diesem Zusammenhang sind an flo-       nalparks („Neusiedler See – See-
     che an die dominant agrarisch bzw.      ristischen Forschungsbeiträgen und     winkel“) im Jahre 1993 wurde auch
     forstlich genutzte Kulturlandschaft,    Wiedernachweisen neben jenen           diese Schutzgebietskategorie im
     v. a. durch markante Steigerungs-       von G. Traxler selbst auch die vie-    neuen Naturschutzgesetz im Rang
     raten der Verkehrsdichte und der        len weiteren, zum Teil über mehrere    einer       Verfassungsbestimmung
     dafür benötigten Infrastrukturbau-      Jahrzehnte erfolgten floristischen     aufgenommen (§§ 44 und 45 NG
     ten, Aufschwung des Fremdenver-         Forschungsergebnisse v. a. von         1990). Für die Vertiefung dieser ca.
     kehrs, Siedlungsausweitung und          Helmut Melzer, Otto Guglia, Fritz      70 Jahre dauernden Diskussions-
     der deutlichen Fortschritte in der      Kasy, Thomas Barta, Karl Tkalcsics,    und Planungsphase zur Errichtung
     Agrartechnik (z. B. Allradantriebs-     Walter Timpe, Josef Wöhl, Peter        eines Nationalparks, konkret im
     technik, zielgerichtete Innovationen    Heyter, Ernst Wukovatz, Uwe Raa-       Landschaftsraum Neusiedler See,
     und Diversifizierung in der Maschi-     be und unzählig weitere, in der ein-   war nicht zuletzt das am Rande des
     nenbautechnik) letztlich intensiv be-   schlägigen Fachliteratur verstreut     26. Naturschutztages des Österrei-
     triebene Vorarbeiten auf rechtlicher    vorhandene naturschutzrelevante        chischen Naturschutzbundes statt-
     und naturschutzfachlicher Ebene         floristische Hinweise und Beiträge     gefundene Mattersburger Manifest
     für die Erstellung eines zeitgemäßen    zu erwähnen.                           vom Oktober 1978 mit von Bedeu-
     Naturschutzrechts im Burgenland –                                              tung. Seitens der Burgenländischen
     das nach deutschem Vorbild beti-        w Schutzgebietskategorisierung         Landesregierung wurde u. a. zur
     telte Burgenländische Naturschutz-          Die Novellierung dieses Geset-     naturschutzfachlichen Vorbereitung
     und Landschaftspflegegesetz (NG         zes umfasste jedoch auch noch          des Nationalparks letztlich im Sep-
     1990). Auf Basis dieser umfangrei-      weitere notwendige rechtliche          tember 1988 der Arbeitsausschuss
     chen Vorarbeiten wurde u. a. unter      Anpassungen, so z. B. die Imple-       „Rat der Wissenschafter“ einge-
     Miteinbindung der Sachverständi-        mentierung einer immer wichtiger       setzt, in dem neben prominenten
     gen der Biologischen Station eine       werdenden       Naturraumerhebung      Vertretern v. a. der einschlägigen
     zeitgemäße Neuorientierung des          als rasch und allzeit, d. h. auch      in- und ausländischen universitären
     gesetzlichen Rahmens des Natur-         außerhalb der Vegetationsperiode       Forschungsszene, der UNESCO,
     schutzes angepeilt, nicht zuletzt,      verfügbaren Informationsbasis be-      der Akademie der Wissenschaf-
     um auch die vielen verschiedenen        züglich des Arten- und Lebensraum-     ten und NGOs (konkret: Vertreter
     wissenschaftlich begründeten An-        inventars naturschutzrelevanter Flä-   jeweils der Landesgruppen der
     forderungen eines zeitgemäßen Ar-       chen als wertvoller Beitrag der na-    beiden Naturschutzorganisationen
     ten- und Biotopschutzes auf Basis       turschutzfachlichen Beurteilungs-      Naturfreunde und Naturschutzbund
     der wissenschaftlichen Fortschritte     basis in Behördenverfahren, die        sowie des WWF Österreich) sei-
     im Bereich des Arten-, Lebens-          auch außerhalb der Vegetations-        tens der Biologischen Station deren
     raum- und Landschaftsschutzes in        periode ablaufen, weiters die un-      Leiter F. Sauerzopf sowie die drei
     einem entsprechend umfassenden          gemein wichtige Implementierung        naturschutzfachlichen        Sachver-
     Naturschutzgesetz am Anfang der         des      Feuchtlebensraumschutzes      ständigen A. Herzig (Limnologie),
     1990er-Jahre abzubilden. In die-        sowie die auf Grund der Erfahrun-      A. Grüll (Ornithologie, Zoologie) und
     sem wurden zum Beispiel erstmals        gen in der rechtlichen und fach-       J. Köllner (Botanik) vertreten waren.
     landesweit alle bewilligungspflichti-   lichen Anwenderpraxis überfälli-           Ab 1988 verstärkte der aus Güs-
     gen Maßnahmen und deren Bewil-          ge Zusammenführung der beiden          sing stammende Botaniker Eduard

N + U 12
Weber (Dissertant beim Braun-           die       Bezirksverwaltungsbehörde      w Pflanzengesellschaften
Blanquet-Schüler G. Wendelber-          betraut, so hatte diese vor der be-      Österreichs
ger, Wien) das Team des fachlichen      hördlichen Entscheidung in einem             Im Bereich der österreichweiten
Naturschutzes an der Biologischen       Verwaltungsverfahren mit Natur-          vegetationskundlichen Erforschung
Station. Er widmete sich bereits in     schutzrelevanz den seitens der           konnte 1993 unter verstärkter Ein-
der intensiven Vorbereitungsphase       Landesregierung für den Bezirk be-       bindung der die Abläufe ebenfalls
des neuen Naturschutzgesetzes           stellten, ehrenamtlichen Konsulen-       wesentlich beschleunigenden elek-
1990 vor allem dem Aufbau einer         ten anzuhören. Bereits mit der Erst-     tronischen Datenverarbeitung in
Naturraumerhebung im Burgenland,        fassung des NG 1990 wurde jedoch         einem Kraftakt vom Autorenteam
mit damals wichtigem Schwerpunkt        auf Grund der Erfahrungen und der        G. Grabherr, L. Mucina, T. Ellmauer
auf Kartierungsarbeiten im Vorfeld      alljährlich zunehmenden Fülle an         und unter Einbindung vieler weite-
der naturschutzfachlichen Vorbe-        verschiedenen naturschutzrecht-          rer Spezialisten zu einzelnen Vege-
reitungsarbeiten für das geplante       lich relevanten Behördenverfahren        tationseinheiten die innerhalb der
Gebietssystem des Nationalparks.        im Rahmen der Anwendungspraxis           letzten fünf Jahrzehnte nach der
Mit seiner Aufnahme in den Lan-         des NG 1961 in der jeweils gelten-       Braun-Blanquet-Methode        öster-
desdienst am 1. Juli 1991 über-         den Fassung sowie in Vollziehung         reichweit erstellte, umfangreiche
nahm E. Weber auf Grund der mit         auch anderer Gesetze (Wasserrecht,       pflanzensoziologische Datenbasis
Inkrafttreten des neuen NG 1990         Flurverfassungs-Landesgesetz,            gesichtet, bewertet und zu einer
hinzugekommenen Aufgaben von            Bergbaurecht, Abfallrecht etc.) mit      dreibändigen Synopsis der „Pflan-
J. Köllner die Agenden des botani-      der Bestellung der drei Zoologen         zengesellschaften Österreichs“ zu-
schen naturschutzfachlichen Sach-       H. Metz, A. Grüll und H. Szinovatz,      sammengeführt werden. Dieses bis
verständigendienstes (Fachdienst        der beiden Botaniker J. Köllner und      heute unverzichtbare, wichtige ve-
Naturschutz, Fachbereich Botanik)       E. Weber, des Limnologen A. Her-         getationskundliche Standardwerk
im Bereich der mittel- und südbur-      zig zu Sachverständigen des Na-          wurde in weiterer Folge auf Rechts-
genländischen Bezirke Oberpullen-       turschutzes und des Bautechnikers        basis des NG 1991 in der jeweiligen
dorf, Oberwart, Güssing und Jen-        F. Menghini zum Sachverständigen         Fassung zusammen mit dem darauf
nersdorf, insbesondere auch jene        des Landschaftsschutzes entspre-         methodisch aufbauenden, bereits
zahlreichen naturschutzrelevanten       chend Rechnung getragen. Mit             im darauffolgenden Jahr 1994 von
Überprüfungen (Vorprüfungen /           § 69 NG 1990 wurde dieser Sach-          A. Koó im Auftrag der Naturschutz-
Screenings zur Umweltverträglich-       verständigendienst auch entspre-         abteilung beim Amt der Burgenlän-
keitsprüfung) im Sinne der Einhal-      chend naturschutzrechtlich veran-        dischen Landesregierung erstellten
tung von Erhaltungs- und Entwick-       kert. Dieser § 69 (Sachverständige)      „Pflegekonzept für die Naturschutz-
lungszielen in den einzelnen Natura     entfällt nach nunmehr dreißig Jah-       gebiete“ zur landesweit einheitli-
2000-Gebieten bzw. den Europa-          ren wieder mit der aktuellen Fas-        chen Beurteilungsgrundlage zu den
schutzgebieten im Rahmen diverser       sung (19. Änderung) des NG 1990          verschiedensten Fragestellungen
Verwaltungsverfahren, die solche        vom 17. September 2020.                  im Rahmen der botanisch fachli-
Schutzgebiete und damit gemein-             Die zunehmende Digitalisierung       chen Sachverständigentätigkeit.
schaftsrechtliche Schutzinteressen      der Arbeitswelt, insbesondere ab             In Gefolge des Beitritts Öster-
gemäß der Flora-Fauna-Habitat-          der zweiten Hälfte der 19890er-          reichs zur Europäischen Union (da-
Richtlinie berühren bzw. betreffen,     Jahre, brachte wesentliche Vorteile      mals: Europäische Gemeinschaft)
bis zu seiner Pensionierung am 31.      und eine Beschleunigung in der Er-       am 1. Jänner 1995 erfolgte mit Ge-
Dezember 2011.                          fassung (v. a. rasch editierbare und     setz vom 28. März 1996 (3. Ände-
    Mit der feierlichen Eröffnung des   inhaltlich aktualisierbare Listen- und   rung des NG 1990 vom 2. Juli 1996)
Nationalparks am 25. April 1994         Kartenerstellung), Verarbeitung und      die Rechtsanpassung des Burgen-
und dem Inkrafttreten und Vollzie-      Ausgabe auch von botanischen             ländischen Naturschutzrechts an
hung der entsprechenden Rechts-         Fachdaten, die mit der mehrmali-         Gemeinschaftsrecht mit dem Punkt
lage nach dem NG 1990 i. d. Fas-        gen Aktualisierung der Roten Liste       16 (Einfügung der §§ 16a bis 16 c
sung der 1. Änderung vom 7. Ok-         gefährdeter Pflanzen Burgenland im       zwecks Umsetzung des gemein-
tober 1993 und dem Nationalpark-        Zeitraum 1981 (G. Traxler) bis 2005      schaftsrechtlichen Artenschutzes
gesetz NP-G 1992 war der Fach-          (E. Weber) neben der bundesweiten        gem. FFH- und Vogelschutz-Richt-
dienst Naturschutz, Fachbereich         Roten Liste gefährdeter Farn- und        linie) sowie mit den Punkten 20
Botanik, im Wesentlichen im Rah-        Blütenpflanzen Österreichs von           und 21 (§ 22 wird zu § 21a sowie
men der naturschutzbehördlichen         Niklfeld H. & L. Schratt-Ehrendorfer     die Einfügung der §§ 22 bis 22e)
Bewilligung von verschiedenen           (1999) und der Exkursionsflora für       zwecks Umsetzung des gemein-
Forschungsvorhaben auf National-        Österreich, Liechtenstein und Süd-       schaftsrechtlichen Gebietsschutzes
parkflächen gem. § 8 NP-G und           tirol von M. A. Fischer, K. Oswald       mit der Ausweisung von „geschütz-
bei Bedarf in die wissenschaftliche     und K. Adler (3. Auflage, 2008) ih-      ten Lebensräumen“ (GLR) und von
Begleitung von botanischen For-         ren Niederschlag fanden, und das         Europaschutzgebieten (ESG), und
schungsvorhaben in beratender Hil-      jeweilige Referenzwerk zur wichti-       deren Eingliederung in das gemein-
festellungsfunktion eingebunden.        gen Beurteilungsgrundlage in der         schaftsrechtliche Naturschutzge-
    War anfänglich laut § 25 (3) NG     floristischen Artenschutzarbeit des      bietssystem „Natura 2000“.
1961 zur Durchführung von Natur-        fachlichen Naturschutzes über viele          Der mit 1. Dezember 1999 in
schutzverfahren im Wesentlichen         Jahre darstellte.                        den Landesdienst aufgenommene

                                                                                                                13 N + U
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