Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?

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Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
Bonner Universitäts-Magazin                   Herbst 2022

Perspektiven wechseln,
Horizonte weiten
Vielfalt und Internationalisierung
Wirtschaftsfaktor Universität
                                             Reportage:
Studienzweifel – was tun?             In den Untergrund
                                     des Hauptgebäudes
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
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Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
Editorial

                                                                                                                     Foto: Volker Lannert
Liebe Lesende,
    Was nützen eigentlich Universitäten? Selten waren Antworten auf diese Frage so konkret
wie in den beiden Studien, über die wir in dieser Ausgabe berichten. Die vorliegenden Zahlen
zeigen auf, dass Hochschulen nicht nur ideell zu Wohlstand und Fortschritt beitragen, sondern
auch ganz handfest und in Euro bezifferbar. Darüber hinaus spielen sie dank ihrer Forschung
eine Rolle dabei, die Welt jeden Tag ein kleines Stückchen besser zu machen.

    Auf der Suche nach neuen Perspektiven und spannenden Themen sind unsere Autor:innen
für Sie auch buchstäblich in die Tiefe gegangen und haben mit dem Uni-Archivar die verborge-
nen Räume im Untergrund des Residenzschlosses besucht.

   Perspektiven wechseln, Horizonte weiten: Das bringt das Thema Vielfalt mit sich. Viele
haupt- und ehrenamtliche Akteur:innen an verschiedenen Stellen arbeiten bei uns intensiv
daran, Diversität sichtbar zu machen und unterschiedliche Lebensentwürfe besser ins
universitäre Leben zu integrieren. Denn klar ist: Wir profitieren alle davon. Warum das so ist,
das erfahren Sie in unserem Interview mit der Prorektorin und der Leiterin der Stabsstelle für
Chancengerechtigkeit und Diversität sowie in den Statements unserer Kolleg:innen, die
tagtäglich mit diesen Aspekten zu tun haben.

    Auch die Internationalisierungsbestrebungen der Universität tragen dazu bei. So haben
sich Mitarbeitende der Verwaltung mit Kolleg:innen von anderen europäischen Universitäten
zu einem Perspektivwechsel getroffen: um Erfahrungen aus dem Uni-Kontext auszutauschen
sowie ihre Sprachkompetenz und ihre interkulturellen Fähigkeiten zu verbessern.

   Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre und einen guten Start ins Wintersemester!

                                                                  Ihre forsch-Redaktion

                                                                                    forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN       1
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
Inhaltforsch2/2022                                                                              12 Ort exzellenter Priesterausbildung
                                                                                                                                                 Der Kölner Erzbischof stößt mit seinen
                                                                                                                                                 Plänen für seine eigene „Kölner
                                                                                                                                                 Hochschule für Katholische Theologie“
                                                                                                                                                 auf Widerstand. Seit über 200 Jahren
                                                                                                                                                 gibt es nämlich einen exzellenten Ort
                                                                                                                                                 für die Priesterausbildung in Bonn.

                                                                                                                                              13 Internationalisierung:
                                                                                                                                                 Sprache lernen im Ausland
                                                                                                                                                 Ob im Ausland oder in Bonn: Uni-
                                                                                                                                                 Mitarbeitende stärken ihre sprachliche
                                                                                                                                                 und interkulturelle Kompetenz.

                                                                                                                   13 16

                                                                                                                                                                                          Foto: Peter T. Rühr
Foto: Gregor Hübl

                                                        15                                                         17 20
 Foto: Stiftung Rheinische Kulturlandschaft

                                                                                                                    Foto: Meike Böschemeyer

                                                                                                                                                                                          Foto: Volker Lannert
                                                              4   „Wir alle profitieren davon“
                                                                  Diversität und Chancengerechtigkeit
                                                                                                                   22                         14 Kompakt
                                                                  bereichern den Universitätsalltag.
                                                                  Interview mit Prof. Dr. Irmgard Förster                                     15 Gemulchte Blühstreifen sind
                                                                  und Anna Hollstegge.                                                           keine Falle für Wildbienen
                                                                                                                                                 Ein bunter, summender Blühstreifen
                                                              7   Diversität an der Uni Bonn                                                     am Ackerrand – wer freut sich nicht
                                                                  Viele Uni-Angehörige engagieren sich für                                       über diese Augenweide und die
                                                                  einen offenen Umgang mit Vielfalt und                                          Vielfalt an Insekten? Doch immer
                                                                  Individualität – wir stellen einige vor.                                       wieder gibt es Kritik an dieser
                                                                                                                                                 Naturschutzmaßnahme.
                                                              10 Wirtschaftskraft der Universität
                                                                                                                      Foto: Gregor Hübl

                                                                  Dass die Universität ein wichtiger Akteur in                                16 Forschung mit Biss
                                                                  der Bonner Innenstadt ist, weiß man schon                                      Wissenschaftler stellen ein
                                                                  länger. Dass sie auch eine große wirtschaftli-                                 Messystem vor, das die Bisskraft
                                                                  che Bedeutung hat, zeigt eine neue Studie.                                     von Insekten misst.

        2                                     forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
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                                                                                                                           26 Von der Adenauerallee aus in den
                                                                                                                              Äther
                                                                                                                              bonnFM gibt Studierenden eine Stimme.

                                                                                                                           27 Kompakt

                                                                                                                           28 In den Untergrund
                                                                                                                              Ein großes Kellergewölbe erstreckt sich
                                                                                                                              unter dem Hauptgebäude. Gemeinsam mit
                                                                                                                              Uni-Archivar Dr. Thomas Becker entdecken

                                                                                                       Foto: Gregor Hübl
                                                                                                                              wir Tunnel, Archiv, Reste von Wehrtürmen
                                                                                                                              und alte Pferdeställe. Ein Ausflug in die
                                                                                                                              Geschichte des kurfürstlichen Schlosses.

                                                                                                                           34 „Das Wertvollste, was man hat, ist

                                                                                           28                                 Zeit“
                                                                                                                              Vanessa Briese und Sonja Lewandowski
                                                                                                                              füllten den Raum zwischen Promotion,
                                                                                                                              Arbeit und den Herausforderungen der
                                                                                                                              Pandemie unter anderem mit einem
                                                                                                                              feministischen Literaturfestival.

                                                                                                                           36 Fußball-Freundschaft fürs Leben
                                                                                                                              Seit 50 Jahren treffen sich die „Uni-Klassi-
                                                                                                       Foto: Gregor Hübl      ker“ zum Spiel an der Uni – und bereisen
                                                                                                                              kickend die Welt.

                                                                                                                           38 Neues aus den Museen

                            39                                                                                             39 Wenn das Studium Bauchschmerzen
                                                                                                                              macht
                                                                20 Sandhaufen, Babypausen und                                 Zentrale Studienberatung unterstützt
                                                                   Licht im Spiegellabyrinth                                  Studienzweifelnde mit individueller
                                                                   Forschung hautnah beim Open Air                            Beratung.
                                                                   Excellence Slam mit Hunderten
                                                                   Gästen.                                                 41 Barrierefreiheit: Infos zu
                                                                                                                              Botanischen Gärten
                                                                21 EXZELLENZ Kompakt                                          Ein neuer Gartenführer informiert
                                                                                                                              in Leichter Sprache.
                                      Foto: Bernadette Yehdou

                                                                22 Bücherschatz aus längst
                                                                   vergangenen Zeiten                                      42 Grüne Lernwerkstatt eröffnet
                                                                   Eine Übereignung von 16.000                                Kinder spielerisch für die Pflanzenwelt
                                                                   Bänden ergänzt den romanistischen                          begeistern: Dank des Engagements der
                                                                   Schwerpunkt an der Universität                             Bonner Universitätsstiftung konnte die
                                                                   Bonn.                                                      Grüne Lernwerkstatt der Botanischen
                                                                                                                              Gärten nun ihre Tore öffnen.
                                                                23 10 Jahre herausragende
                                                                   Lehrkräfte für Schüler:innen                            43 Bonner Klänge werden zu Musik
17 Koloniales Erbe in der                                          und Studierende                                            für die Uni
   Wissensproduktion                       Das Bonner Zentrum für Lehrer-                                                     Sound-Design-Studierende mixen
   Der Anthropologe Paul Basu ist neuer    bildung feierte Jubiläum.                                                          Hintergrundmusik für uni-eigene Videos.
   Hertz-Professor für Global Heritage
   an der Universität Bonn.             23 Kunst und Wissenschaft im                                                       44 Ausgezeichneter Nachwuchs
                                                                   Austausch
18 Eine Austauschplattform                                         Im Exzellenzcluster                                     45 Vorgestellt
   für Forschende                                                  ImmunoSensation2 reflektieren
   Bei einem außergewöhnlichen                                     Künstler:innen die Forschung.                           47 Meldungen
   Netzwerktreffen lernten sich
   Mitglieder der TRAs „Matter“ und                             24 Arche Noah am Annaberg                                  52 Zu guter Letzt: Einsatz für eine fairere
   „Leben und Gesundheit“ kennen.                                  Wolfgang Böhme hat die Arten-                              Universität
                                                                   vielfalt seines Naturgartens                               Staffelübergabe bei der Fairtrade-University
19 Exzellenz KOMPAKT                                               dokumentiert.                                              Bonn: Luise Tegeler und Judith Meder
                                                                                                                              setzten sich zwei Jahre für eine Fairtrade-
                                                                                                                              Universität ein.

                                                                                                                                                       forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN   3
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
„Wir alle profitieren davon“
                                      Diversität und Chancengerechtigkeit bereichern
                                      den Universitätsalltag
                                      Vielfalt, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit oder Inklusion – das sind Schlagwörter, die häufig im Kontext
                                      von „Diversität“ fallen. Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Diversität“? Und welche Bedeutung hat er im
                                      Universitätskontext? Ein Gespräch mit Prof. Dr. Irmgard Förster, Prorektorin für Chancengerechtigkeit und
                                      Diversität, und Anna Hollstegge, Leiterin der Stabsstelle Chancengerechtigkeit und Diversität.

                                      Was macht für Sie eine vielfältige            Wie sind Sie zu diesen Themen             Mutter wurde. Mit einem kleinen Kind ist
                                      Hochschule aus?                               gekommen?                                 es schwierig, die zeitliche Flexibilität und
                                          Hollstegge: Wir verstehen unter ei-           Förster: Ich habe mich nach dem       Mobilität aufzubringen, die es braucht,
                                      ner „vielfältigen Hochschule“ das Ziel,       Studium der Humanbiologie für eine wis-   um als Wissenschaftlerin erfolgreich zu
                                      mehr Chancengerechtigkeit und ein Be-         senschaftliche Karriere entschieden und   sein. Aus diesen persönlichen Erfahrun-
                                      wusstsein für Vielfalt herzustellen. Es ist   dabei die Unterrepräsentanz von Frau-     gen heraus entstand das Anliegen, zur
                                      eine Querschnittsaufgabe, die in alle Be-     en in der Wissenschaft, insbesondere in   Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen
                                      reiche des universitären Lebens und Ar-       Leitungspositionen, erlebt. Die damit     und der Schaffung eines familienfreund-
                                      beitens hineinstrahlt. Alle Angehörigen       einhergehenden geschlechtsspezifischen    licheren Umfeldes beizutragen.
                                      und Mitglieder der Universität müssen         Herausforderungen waren sehr deutlich.        Hollstegge: Natürlich müssen wir
                                      sich ihrer jeweiligen Verantwortung im        Besonders spürbar wurde das, als ich      alle Dimensionen im Blick haben, eine
                                      gemeinsamen Umgang miteinander be-
                                      wusst werden.
                                          Uns ist daran gelegen, in Interakti-
                                      on mit möglichst vielen Vertreter:innen
                                      verschiedener Statusgruppen zu treten
                                      und diese miteinander zu vernetzen. Das
                                      fördert das Zusammenwirken und die
                                      Ausbildung gemeinsamer Stärken und
                                      baut Hürden, die diesem Ziel im Wege
                                      stehen, konsequent ab.
                                          Wir möchten damit die Grundstei-
                                      ne für möglichst diskriminierungsfreie,
                                      familiengerechte,      gleichstellungsori-
                                      entierte und inklusive Studien- und Ar-
                                      beitsbedingungen legen. Und zwar für
                                      alle – unabhängig von ethnischer Her-
                                      kunft, Geschlecht, Behinderung, Reli-
                                      gion oder Weltanschauung, Alter oder
                                      sexueller Identität.

                                      Gibt es ein Thema, das Ihnen persön-
                                      lich besonders am Herzen liegt?
                                           Förster: Wir konzentrieren uns be-
                                      wusst nicht nur auf eine der genannten
                                      Diversitätsdimensionen, da wir nieman-
                                      den außen vorlassen wollen.
                                           Allerdings versuchen wir natürlich
                                      trotzdem auch Schwerpunkte zu setzen.
                                      Ein besonderes Anliegen ist mir der As-
                                      pekt der Familiengerechtigkeit, um das
                                      sich insbesondere das Familienbüro an
                                      der Universität kümmert.
                                           Gendergerechtigkeit ist ebenfalls ein
                                      Thema, für das ich mich sehr einsetze.
                                      Hier liegt der Fokus ganz klar bei der
    4Prof. Dr. Irmgard Förster        Steigerung des Frauenanteils unter den
        (links) ist Prorektorin für
                                      Professuren. Daneben gibt es aber na-
      Chancengerechtigkeit und
                                      türlich noch viele andere Aspekte, die
     Diversität, Anna Hollstegge
                                      wir im engen Austausch mit dem Gleich-
    (rechts) leitet die Stabsstelle
                                      stellungsbüro behandeln.
      Chancengerechtigkeit und
                        Diversität.

4      forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
intersektionale Perspektive einnehmen.       und als „Ältere“ in der Gemeinschaft der                           sich auch unsere Universität beteiligt,
Als Kind aus einer Nicht-Akademi-            Studierenden akzeptiert zu werden.                                 fördert Maßnahmen, die Studierende
ker:innen-Familie kann ich allerdings                                                                           mit Behinderung und/oder chronischer
nicht leugnen, dass mir Bildungsgerech-      Wo ist die Uni Bonn bereits gut                                    Erkrankung dabei unterstützen, ihr Stu-
tigkeit besonders am Herzen liegt. Rund      aufgestellt?                                                       dium ohne Nachteile zu absolvieren und
30 Prozent unserer Studierenden sind              Förster: Um nur einige Beispiele aus                          erfolgreich abzuschließen. Koordiniert
„Erststudierende“, also die ersten, die      den letzten Jahren zu nennen: Durch die                            wird es von meinem Kollegen, Prorektor
in ihrer Familie studieren. Mir ist es ein   Mittel der Exzellenzstrategie konnte das                           Sandmann, und seinem Team.
Anliegen, zielgruppenspezifische Ange-       Programm zur Stärkung des Equal Op-                                    Auch in den Fakultäten, in den
bote für sie zu schaffen, um die Chancen     portunity-Prozesses (STEP) implemen-                               Transdisziplinären Forschungsbereichen
für einen erfolgreichen Studienverlauf       tiert werden, durch das Frauen auf ihrem                           und Clustern passiert viel: Es gibt Ar-
zu erhöhen.                                  Karriereweg an der Uni durchgehend                                 beitsgruppen, die sich mit Diversität im
                                             Unterstützung finden. Wir konnten damit                            Allgemeinen befassen, aber zum Beispiel
Gab es ein „Aha-Erlebnis“, das Ihnen         den Anteil an Professorinnen an der Uni-                           auch Projekte, die sich mit einzelnen As-
gezeigt hat, wie wichtig Diversität ist?     versität in den letzten fünf Jahren von 19                         pekten oder Dimensionen von Diversität,
     Hollstegge: Vor einigen Jahren          auf derzeit mehr als 25 Prozent erhöhen.                           wie zum Beispiel der Verwendung von
koordinierte ich ein Programm für                 Auch fördern wir das Programm                                 Sprache, auseinandersetzen. Eine neue
Nicht-Akademiker:innen. Eine Teilneh-        „MitSprache“, ein Service-Learning-An-                             Forschungsstelle an der Philosophischen
merin, die auf dem zweiten Bildungsweg       gebot, bei dem Studierende Neuzugewan-                             Fakultät nimmt ebenfalls Diversität in
den Hochschulzugang erworben hatte,          derte beim Deutschlernen unterstützen.                             den Blick.
schilderte mir eindrücklich, wie schwie-          Das Förderprogramm „Inklusive
rig es war, sich an der Uni zu orientieren   Hochschule“ des Landes NRW, an dem                                 Wo sehen Sie Aufholbedarf?
                                                                                                                    Hollstegge: Luft nach oben gibt es
                                                                                                                sicherlich in den Bereichen Antidiskri-
                                                                                                                minierung und Rassismuskritik. Hier
                                                                                                                werden wir in Kürze durch eine neue
                                                                                                                Richtlinie und personelle Verstärkung in
                                                                                                                der Stabsstelle einen Schritt nach vorne
                                                                                                                machen können. Was wir bereits erreicht
                                                                                                                haben, ist die Einrichtung eines externen
                                                                                                                Angebots für eine rassismuskritische
                                                                                                                Beratung. Diese Anregung kam aus den
                                                                                                                Reihen der Studierendenschaft, aus dem
                                                                                                                autonomen BIPoC-Referat um genau zu
                                                                                                                sein. Für Studierende und Forschende
                                                                                                                mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte
                                                                                                                sind wir gerade dabei, das Pathways-to-
                                                                                                                Research-Programm weiter auszubauen.

                                                                                                                Haben Sie ein weiteres Beispiel, wie Sie
                                                                                                                Diversität an der Uni etabliert haben?
                                                                                                                    Förster: Zu unseren Aufgaben gehört
                                                                                                                es auch, strukturelle Impulse zu geben.
                                                                                                                Hierzu zählt zum Beispiel die Erstellung
                                                                                                                neuer Richtlinien zum Thema Diversität
                                                                                                                und Diskriminierungsschutz. Dazu müs-
                                                                                                                sen wir eng mit den anderen Akteur:innen
                                                                                                                zusammenarbeiten. Die Verwaltungs-
                                                                                                                strukturen haben einen direkten Einfluss
                                                                                                                auf die Rahmenbedingungen an der Uni.
                                                                                                                    Ein konkretes Beispiel: Es ist trans-
                                                                                                                identen Studierenden und Mitarbeitenden
                                                                                                                der Uni Bonn nun möglich, schon vor
                                                                                                                dem Gerichtsverfahren zur Namensän-
                                                                                                                derung ihren Namen und Geschlechtsein-
                                                                                                                trag zu ändern. Dies verhindert, dass sich
                                                                                                                betroffene Personen outen müssen, wenn
                                                                                                                sie nicht mit dem falschen Namen ange-
                                                                                      Foto: Meike Böschemeyer

                                                                                                                sprochen werden wollen.

                                                                                                                Wie divers ist die Uni?
                                                                                                                    Hollstegge: So divers und bunt wie
                                                                                                                die Gesellschaft. Die Hochschulange-
                                                                                                                hörigen zeichnen sich durch sehr indi-

                                                                                                                                             forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN   5
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
gie. Durch verschiedene Perspektiven,        divers. Die Maßnahmen, die wir um-
                                                                                           mehr Erfahrungswerte und Neudenken.          setzen, helfen möglicherweise zunächst
                                                                                           Dafür setzen sich auch die Deutsche          nur einer bestimmten Gruppe von Men-
                                                                                           Forschungsgemeinschaft (DFG), der            schen. Am Ende profitieren wir dann
                                                                                           Wissenschaftsrat und weitere Förder-         aber alle davon: als lernende Organisa-
                                                                                           geldgeber:innen ein.                         tion und als Gesellschaft, indem wir so
                                                                                               Hollstegge: Das Bewusstmachen            zu besseren Lösungen kommen.
                                                                                           und Anerkennen von Vielfalt und der
                                                                                           damit verbundene Abbau von Hürden            Gibt es Beispiele für Projekte, die Sie
                                                                                           wirken sich auf die Universität als Or-      schon umgesetzt haben?
                                                                                           ganisation positiv aus, etwa durch eine           Förster: Etwas auf das wir sehr
                                                                                           erhöhte Identifikation, die Stärkung des     stolz sind, ist die Durchführung des Pi-
                                                                                           WIR-Gefühls, bessere Studienverläufe         lotprojektes „Kostenlose Menstruati-
                                                                                           und dementsprechend geringere Studien-       onsprodukte für Studierende“, welches
                                                                                           abbruchszahlen oder weniger Fluktuati-       wir gemeinsam mit dem AStA zum Som-
                                                                                           on bei Mitarbeitenden.                       mersemester 2022 gestartet haben. Hier
                                                                                                                                        gab es fast ausschließlich positive Rück-
                                                                                           Wie wollen Sie Chancengerechtigkeit          meldungen. Inzwischen hat das Rektorat
                        viduelle Hintergründe, unterschiedliche                            und Vielfalt unter den Akteur:innen          erfreulicherweise die Verstetigung des
                        Werthaltungen, Lernweisen oder auch                                voranbringen?                                Projektes verabschiedet.
                        Studienmotivationen aus, die sich sehr                                 Förster: Es geht um die Weiterent-            Ein besonderes Highlight waren
                        deutlich auf den Lern- und Studienerfolg                           wicklung einer Kultur der Wertschät-         ganz sicher auch unsere Aktivitäten
                        auswirken und vielfach durch Sozialisati-                          zung und Anerkennung. Ich denke,             rund um den bundesweiten Diversity
                        on in der Hochschule beeinflusst und ver-                          dass es uns nicht ohne transparente          Day Ende Mai.
                        ändert werden können. Die aktuelle Stu-                            Kommunikation und engagierte Multi-
                        dierendenbefragung des ZEM gibt auch                               plikator:innen gelingen kann. Deshalb        Welche konkreten Maßnahmen plant
                        davon einen guten Eindruck: Knapp neun                             legen wir auch so viel Wert auf das          die Uni mittel- und langfristig?
                        Prozent der Teilnehmer:innen gaben an,                             Schaffen von Vertrauen in Netzwerken.             Förster: Wieviel Zeit haben Sie
                        eine chronische Erkrankung oder Be-                                Wir möchten, dass Studierende, Lehren-       noch? (lacht)
                        hinderung zu haben, mehr als fünf Pro-                             de, Wissenschaftler:innen untereinander           Wir stehen vor dem Re-Audit „Viel-
                        zent pflegen Angehörige und rund drei                              Kontakte knüpfen, um so gemeinsam            falt gestalten“ des Deutschen Stifterver-
                        Prozent betreuen Kinder im familiären                              neue Ideen zu entwickeln, die die Uni        bandes, vor der Evaluierung der Exzel-
                        Kontext. Über elf Prozent unserer Pro-                             als Ganzes voranbringen können. Wir          lenzstrategie, überprüfen den Stand der,
                        fessorenschaft hat einen internationalen                           möchten daher ein Umfeld schaffen, in        auch digitalen, Barrierefreiheit, planen
                        Background, bei den Studierenden sind                              das das Wissen und die Erfahrungen           eine Workshopreihe und Begleiten den
                        es fünfzehn Prozent.                                               von vielen einfließen. Dadurch kann          Planungsprozess für einen Kitabau auf
                                                                                           sich die Universität als Organisation in     dem Campus Poppelsdorf.
                        Wieso profitieren wir von dieser                                   ihren Strukturen chancengerechter ent-            Unser Ziel ist es, möglichst viele For-
                        Vielfalt?                                                          wickeln. Daher spielen etwa die Aspekte      schende, Lehrende und Studierende in
                            Förster: Werden die Forschungs-                                der Vielfalt und Chancengerechtigkeit        unser uniweites Netzwerk einzubinden,
                        teams diverser besetzt, werden auch                                auch in der Exzellenzstrategie der Uni       uns gegenseitig zu stärken und mit- und
                        die Ergebnisse ihrer Forschung inno-                               eine wichtige Rolle.                         voneinander zu lernen.
                        vativer. Somit hat die Förderung der                                                                                 Es gibt ein berühmtes Zitat von Verna
                        Diversität einen wichtigen Einfluss                                Wie kann es gelingen, ein größeres           Myers, einer führenden Expertin für Viel-
                        auf das Gelingen der Exzellenzstrate-                              Bewusstsein für Diversität zu schaffen?      falt und Integration, das besagt: „Vielfalt
                                                                                                Hollstegge: Viele Mitarbeitende und     bedeutet, zur Party eingeladen zu wer-
                                                                                           Lehrende haben Diversität bereits im         den. Inklusion ist, wenn man zum Tanzen
                                                                                           Blick, aber noch nicht unbedingt das nöti-   aufgefordert wird.“
                                                                                           ge Wissen zu allen Dimensionen. Sensibi-          Wir wollen zum Tanzen auffordern!
                                                                                           lisierung und Aufklärung durch beispiels-    Das ist unser Ziel.
                                                                                           weise persönliche Gespräche, Workshops
                                                                                           oder andere Veranstaltungsformate kön-       Weitere Informationen
                                                                                           nen Wissenslücken schließen, und so zu
                                                                                           mehr Verständnis bestimmten Themen           chancengerechtigkeit.uni-bonn.de
                                                                                           und Personengruppen gegenüber führen.

                                                                                           Wie nehmen Sie die Mitarbeitenden
                                                                                           mit auf diesem Weg?
                                                                                                                                        Dimensionen von Diversität
                                                                Fotos: Meike Böschemeyer

                                                                                               Hollstegge: Oft fühlen sich Men-          Alter, soziale Herkunft, sexuelle
                                                                                           schen durch Änderungsvorschläge an-           Orientierung, Religion und Weltan-
                                                                                           fangs vor den Kopf gestoßen. Es kann          schauung, körperliche und geistige
                                                                                           auch das Gefühl aufkommen, „andere“           Fähigkeiten, Geschlecht und
                                                                                           würden übervorteilt. Dann ist es gera-        geschlechtliche Identität, ethnische
                                                                                           de wichtig zu vermitteln: Wir alle sind       Herkunft und Nationalität

6   forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
Vielfalt leben!
Wie verschiedene Menschen sich
an der Universität für Diversität engagieren

     Vielfalt bedeutet nicht nur, Men-
schen verschiedener Nationalitäten im
Team zu haben. Es geht um Kolleg:innen
verschiedenen Alters, um geschlechtli-
che Identität, um Menschen mit körper-
lichen Einschränkungen, um diejenigen,
die in alternativen Familienmodellen le-
ben - und noch viel mehr. Für einen offe-
nen Umgang mit Vielfalt und Individua-
lität engagieren sich viele Kolleg:innen
und Studierende an der Universität
Bonn. Sie bringen sich mit ihren The-
men ein und damit die Universität auf
ihrem diversitätsorientierten Weg voran.
Eine Auswahl an zentralen Ansprech-
partner:innen stellen wir hier erstmalig
vor. Sie sind Anlaufstelle für diejenigen,     „Die Schaffung eines vielfältigeren Arbeitsplatzes, an dem jede:r Einzelne
die Unterstützung, Beratung oder ein-        zählt, macht Teams intelligenter und erfolgreicher, weil Kreativität zunimmt,
fach nur ein offenes Ohr brauchen. Sie       wenn verschiedene Perspektiven zusammenkommen. Wir sind eine Gruppe von
kümmern sich um verschiedene Anfra-          Frauen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichem wissenschaftlichen
gen im Kontext „Vielfalt und Inklusion“.     Hintergrund und verschiedenen Karrierestufen, die im Ausschuss für Frauen in
Wir fragen sie: Warum und wo setzen          der Wissenschaft (WiS) am LIMES-Institut arbeiten. Unser Ziel ist, die Aus-
Sie sich für Vielfalt ein?                   sichten für Frauen in der Wissenschaft zu verbessern. Dazu planen und
                                             organisieren wir wissenschaftliche Vorträge, Seminare und Podcasts und
                                               informieren über Karrieremöglichkeiten.“

   Queer-Referat im AStA

        „Vielfalt ist an unserer Universität wichtig, da Bildung allen
      zugänglich gemacht werden sollte. Dies geschieht aber nur, wenn
      man die Augen nicht vor strukturellen Unterdrückungsmechanismen
      verschließt. Wir tragen dazu bei, indem wir Beratungen anbieten,
                                                                                                                                   Fotos: Gregor Hübl

      offene Briefe an das Rektorat verfassen und eine Beschwerdestelle
      sind, wenn Dozent:innen unsensible oder diskriminierende Sprache
      benutzen. Darüber hinaus bieten wir queeren Studierenden soziale
      Orte, wo sie einfach mal offen queer sein dürfen und sich austau-
      schen können. Und wir kümmern uns um die Vereinfachung der
        Namensänderung für trans* Studierende.“

                                                                                                            forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN              7
Perspektiven wechseln, Horizonte weiten - Vielfalt und Internationalisierung Wirtschaftsfaktor Universität Studienzweifel - was tun?
Projektleiter Inklusion im und durch den Hochschulsport

            „Vielfalt ist eine Bereicherung, weil die
           Stärken jeder einzelnen Person in diversen
           Bereichen gefördert und mit einbezogen
           werden können. Unser Projekt zielt darauf
           ab, Menschen mit und ohne Beeinträchti-
           gung zusammenzubringen und jeder Person
           einen Zugang sowohl zum Sport als auch zur
             Universität zu ermöglichen.“

                                                                                      „Vielfalt ist immer eine Bereicherung, weil es eine
                                                                                     wertvolle Fähigkeit ist, verschiedene Perspektiven einnehmen
                                                                                     zu können. Diese Perspektiven kann man am besten im
                                                                                     Austausch mit anderen entdecken, deren Lebens- und
                                                                                     Erfahrungswelt sich von der eigenen unterscheidet. Ich
                                                                                     unterstütze Geflüchtete auf ihrem Weg an unserer Uni und bin
                                                                                     überzeugt, dass es eine große Chance ist, weil wir dank dieser
                                                                                     Menschen noch vielfältiger und natürlich auch internationaler
                                                                                     werden. Sie auf das Studium vorzubereiten, hilft der Zielgruppe,
                                                                                      sich besser an der Universität zu orientieren.“

                            engagiert sich im Justitia-Programm

          „Wenn ich an Vielfalt denke, kommt mir das Zitat ‚You can‘t be what you can‘t
        see‘ in den Kopf. Als ich mein Studium begann, gab es an meiner Fakultät keine
        Juraprofessorinnen. Das hat sich zwar zwischenzeitlich geändert, doch nach wie
        vor ist der Frauenanteil unter den Professor:innen deutscher Jurafakultäten
        geringer als der Frauenanteil unter den Jurastudierenden. Für mich war Jurapro-
                                                                                                                                                        Fotos: Gregor Hübl

        fessor ein ‚Männerberuf‘ – bis ich eine Vorlesung bei meiner späteren Doktormut-
        ter besuchte. Unser Justitia-Programm wird von Professorinnen und Habilitan-
        dinnen des juristischen Fachbereichs getragen. Wir wollen bereits im Studium
        damit beginnen, Frauen dazu zu ermutigen, den Weg in die Wissenschaft für sich
        in Betracht zu ziehen. Wir unterstützen, indem wir Erfahrungen schildern, helfen,
           Netzwerke aufzubauen und praktische Tipps an Teilnehmerinnen geben.“

8   forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
Vertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten

                                                                       „Vielfalt und Chancengerechtigkeit an unserer
                                                                      Universität kann meines Erachtens nur dann gelingen,
                                                                      wenn Barrieren in den Köpfen, den Gebäuden und den
                                                                      digitalen Werkzeugen aktiv vermieden, abgeschafft oder
                                                                      überwunden werden. Hierfür setze ich mich im Interesse
                                                                      der an der Uni Bonn aktuell und zukünftig beschäftigten
                                                                      schwerbehinderten Kolleg:innen ein und stehe jederzeit
                                                                        für individuelle Beratung zur Verfügung.“

                      Prorektorin für Nachhaltigkeit

          „Was eine vielfältige Uni ausmacht? Unterschiedliche
        Perspektiven, Expertisen und Erfahrungen. Darin steckt
        ein riesiges Potenzial, denn mit dieser Vielfalt können wir
        den Umgestaltungsprozess zu einer nachhaltigen Uni
        besonders gut realisieren. Um die Beteiligung aller an
        diesem Transformationsprozess zu ermöglichen, kann
        jede:r seine individuellen Verbesserungsvorschläge über
        unseren Ideenbriefkasten einreichen. Außerdem
        organisieren wir regelmäßig unterschiedliche
          Mitmachaktionen.“

                                                                                         Leiterin des Familienbüros

        „Vielfalt bedeutet Chance, wenn sie mit einer Haltung
      einhergeht, die auch die Dimensionen Alter, Geschlecht,
      Religion, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung sowie
      körperliche und seelische Verfassung umfasst. Familie in
                                                                                                                                Fotos: Gregor Hübl

      ihrer Diversität wahrzunehmen und gleiche Chancen für
      alle Familienformen zu schaffen, ist nicht nur eine
      gesellschaftliche Aufgabe, sondern auch Ziel des Familien-
      büros. Mit der online-Plakataktion auf der Webseite des
        Familienbüros leisten wir einen ersten Beitrag dazu.“

                                                                                           forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN                            9
Universitäten
                        sind Wirtschaftsmotoren
                        Zwei aktuelle Studien zeigen
                        den ökonomischen Nutzen der
                        Universität Bonn auf

                         Welche Wirkung haben Universitäten auf die Wirtschaft? Antworten liefern zwei        VID-Jahr 2019. „Die Universität Bonn
                         neue Erhebungen. In der einen geht es um den Effekt, den die Universitäten           sichert über ihre 7.500 Beschäftigten
                         Nordrhein-Westfalens insgesamt haben, in der anderen wurde der „ökonomische          hinaus insgesamt rund 10.700 Arbeits-
                         Fußabdruck“ der Exzellenzuniversität Bonn in Stadt und Region ermittelt.             plätze in ihrem Liefer- und Leistungs-
                                                                                                              netzwerk. Damit befindet sie sich auf
                             Jeder Euro, der jährlich vom Land     beziffert eindrucksvoll und für alle       Augenhöhe mit den im DAX gelisteten
                         an NRW-Unis fließt, generiert vier        nachvollziehbar die großen ökono-          globalen Leitbetrieben Deutsche Tele-
                         neue. Das ist die zentrale Erkenntnis     mischen Effekte der Universitäten und      kom und Deutsche Post am Standort
                         der Studie, die die Landesrektorenkon-    Hochschulen für NRW. Wir erwirt-           Bonn“, so der Volkswirt. Weil der An-
                         ferenz (LRK NRW) Ende August der          schaften aus jedem Euro, den das Land      teil der Beschäftigten mit Hochschul-
                         Ministerin für Kultur und Wissen-         NRW uns zur Verfügung stellt, vier         abschluss besonders hoch sei, erziele
                         schaft, Ina Brandes, übergeben hat.       Euro. Das ist enorm und wohl eine der      die Universität Bonn auch überdurch-
                         Erstellt wurde sie vom Geographi-         besten Investitionen überhaupt.“           schnittliche Einkommen – ein wesent-
                         schen Institut der Universität Heidel-                                               licher Kaufkraftfaktor!
                         berg. Im Detail: Rund 3,2 Milliarden      Großer „Fußabdruck“ in Stadt
                         Euro gab das Land im Betrachtungs-        und Region                                 Universität sichert Kaufkraft
                         jahr 2019 für seine Universitäten aus.                                               und Wohlstand
                         Der Studie nach erzeugen diese insge-          Das Economica-Institut vermisst
                         samt knapp 13 Milliarden Euro – im-       in einer weiteren Studie am Beispiel           Von der wirtschaftlichen Potenz
                         merhin 1,5 Prozent der Bruttowert-        der Universität Bonn mit ihren 33.000      der Universität profitiert nicht zuletzt
                         schöpfung in Nordrhein-Westfalen.         Studierenden und 7.500 Beschäftigten       die öffentliche Hand, der jährlich
                         Direkt und indirekt sichern die Unis      den „ökonomischen Fußabdruck“, den         knapp 300 Millionen Euro an Steuern
                         über 175.000 Arbeitsplätze im Land.       eine Universität in der Region hinter-     aus dem laufenden Betrieb der Hoch-
                         Auf die dort Beschäftigten entfallen      lässt. Und dieser kann sich sehen las-     schule zufließen. „Um diese Steuerlei-
                         Löhne und Gehälter in Höhe von 12,3       sen: Jede 25. Arbeitsstelle in der Stadt   stung zu kompensieren, müsste die
                         Milliarden Euro, die die Mitarbeitenden   ist mit der Universität verbunden, ein     Bevölkerung Bonns pro Kopf rechne-
                         in den jeweiligen Regionen ausgeben       Vierzigstel der gesamten Bruttowert-       risch rund 900 Euro zusätzlich an
                         und damit weitere Effekte erzeugen.       schöpfung Bonns entstehe durch sie.        Steuern und Abgaben pro Jahr auf-
                                                                   Studienleiter Prof. Dr. Christian Hel-     bringen“, sagt der Volkswirt. Was in
                             Der Rektor der Universität Bonn,      menstein führt weiter aus: Die Univer-     Sachen des wirtschaftlichen Nutzens
                         Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch, ist      sität Bonn stehe für eine totale Brutto-   für die Stadt gilt, trifft darüber hinaus
                         Mitglied der Sprechergruppe der LRK       wertschöpfung in Höhe von rund 700         für die Region zu, denn mehr als die
                         NRW. Er sagt: „Die vorgelegte Studie      Millionen Euro im letzten Prä-CO-          Hälfte der direkten Beschäftigungs-

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wicklungspotenziale in Bonner Rand-
                                                                                                        bezirken nicht mit einem vergleich-
                                                                                                        baren Aufbau von Dienstleistungsan-
                                                                                                        geboten zu rechnen. Einer voraus-
                                                                                                        sehbaren Rückentwicklung der Innen-
                                                                                                        stadt steht somit ein wahrscheinlich
                                                                                                        rudimentäres Entwicklungspotenzial
                                                                                                        außerhalb gegenüber.“

                                                                                                        Auch starker wissenschaftlicher
                                                                                                        Einfluss

                                                                                                            Im zweiten Teil der Economi-
                                                                                                        ca-Studie standen die wissenschaft-
                                                                                                        lichen Leistungen der Universität im
                                                                                                        Vordergrund. Durch die Analyse der
                                                                                                        wissenschaftlichen Publikationstätig-
                                                                                                        keit im Zeitraum von 2016 bis 2022
                                                                                                        fanden die Untersuchenden heraus,
                                                                                                        dass die Universität Bonn an jeder 40.
                                                                                                        wissenschaftlichen Publikation in
                                                                                                        Deutschland, jeder 177. in der EU-27
                                                                                                        bzw. jeder 655. weltweit beteiligt ist.
                                                                                                        Das weltweite Forschungsnetzwerk
                                                                                 Foto: Volker Lannert   der Universität Bonn umfasst über
                                                                                                        20.000 Kooperationspartner. Die Stu-
                                                                                                        die zeigt auch auf, dass die Universität
                                                                                                        in den letzten Jahren eine steigende
                                                                                                        Zahl von Patenten, vor allem in den
                                                                                                        Bereichen Pharmazie und Biotechno-
                                                                                                        logie, hervorgebracht hat und damit
verhältnisse in Bonn entfällt auf pen-   legung des Lehrbetriebs der geistes-                           direkt zum Transfer wissenschaft-
delnde Beschäftigte. Helmenstein:        wissenschaftlichen Fakultäten in die                           licher Erkenntnisse in die Praxis bei-
„Rund 2.100 Beschäftigte aus dem         Bonner Peripherie hätte, wie sie allem                         trägt. Die Studie bescheinigt der Uni-
Bonn umschließenden Rhein-Sieg-          Widerstand seitens der Universität                             versität zudem ein überdurchschnitt-
Kreis arbeiten an der Universität und    zum Trotz von einigen Akteur:innen in                          liches Forschungsengagement für die
machen ein Fünftel ihrer Wertschöp-      der Stadt gefordert wird. Christian                            globalen Nachhaltigkeitsziele und bei
fung aus. So sichert die Universität     Helmenstein erklärt dazu: „Die Uni-                            zukunftsgerichteten       Technologien
Bonn jenseits ihrer Kernaufgaben         versität ist nicht nur für die Stadt Bonn                      etwa in den Bereichen Biologie, Bio-
Kaufkraft und Wohlstand weit über        insgesamt, sondern vor allem auch für                          technologie und Gesundheit.
die Stadtgrenzen hinaus in einem be-     ihr Stadtzentrum wirtschaftlich rele-
trächtlichen Ausmaß.“                    vant: Würden diese 10.000 Studieren-
                                         den nicht mehr in der Innenstadt, son-                             „Neben        unserer
    Nicht nur der laufende Betrieb,      dern in weiter entfernten Stadtteilen                          starken      Wissenschaft
sondern auch die Investitionsausgaben    studieren, gingen im Zentrum nach                              zum Fortschritt der Ge-
der Universität Bonn im Zeitraum von     unseren Modellrechnungen 170 Ar-                               sellschaft, sichern wir als                             Foto: Gregor Hübl
2015 bis 2020 – immerhin 150,2 Milli-    beitsplätze und knapp 15 Millionen                             Exzellenzuniversität in
onen Euro (inflationsbereinigt) – sor-   Euro Bruttowertschöpfung pro Jahr                              der gesamten Region
gen für eine stabile wirtschaftliche     verloren.“                                                     Bonn und darüber hi-
Entwicklung der Region, „und das                                                                        naus Tausende stabile
auch und gerade in konjunkturell he-         Stark betroffen wären Kunst und                            Arbeitsplätze und tragen
rausfordernden Zeiten“, sagt Christian   Kultur, Unterhaltung und Erholung,                             maßgeblich zu Wohlstand, Wertschöp-
Helmenstein. So sicherten unter ande-    der Einzelhandel sowie die Gastrono-                           fung und Kaufkraft bei. Klar ist: Wer
rem die Ausgaben für Anmietungen,        mie. Und der Altersdurchschnitt der                            uns unterstützt, sichert einen wesent-
Neubauten und Sanierungen, aber          innerstädtischen     Wohnbevölkerung                           lichen Teil unserer gesellschaftlichen
auch die Beschaffung von Gütern 1.855    würde steigen. Hoffnungen, die Wirt-                           Zukunft“, resümiert Rektor Prof.
Arbeitsplätze bei externen Unterneh-     schaftsleistung würde insgesamt nur                            Hoch.
men.                                     verlagert, aber nicht sinken, erteilt der
                                         Ökonom eine Absage: „Während in der                            Weitere Informationen:
Ökonomische Auswirkungen einer           Innenstadt gewachsene Strukturen er-                           https://www.uni-bonn.de/de/neues/158-2022
Standortverlagerung in die Peripherie    heblich beeinträchtigt würden, ist auf-                        und
                                         grund des temporären Charakters der                            https://www.lrk.nrw/pressemeldungen/
   Das Economica-Team untersuchte        universitären Aktivitäten sowie der                            pressemeldungen-detail/universitaeten-sind-
auch, welche Auswirkungen eine Ver-      eingeschränkten raumplanerischen Ent-                          wirtschaftsmotoren-in-nord-rhein-westfalen

                                                                                                                                    forsch2/2022 UNIVERSITÄT BONN                   11
Foto: Volker Lannert
                         Ort exzellenter Priesterausbildung
                        Universitätsgremien sprechen sich für Theologie in Bonn aus
                         In einer gemeinsamen Erklärung haben das Rektorat, der Senat und der                     Fakultäten abgegeben. Darin heißt es:
                         Hochschulrat der Universität Bonn die Bedeutung der beiden Theologischen                 „Alle direkten oder indirekten Ver-
                         Fakultäten für die Exzellenzstrategie betont und sich gegen Bestrebungen des             suche, das Konkordat auszuhöhlen,
                         Erzbistums Köln gewandt, die Priesterausbildung schleichend von der Bonner               lehnen wir ab und sprechen uns gegen
                         Universität zu einer Hochschule des Erzbistums zu verlagern. Das widerspräche            eine schleichende Verlagerung der
                         dem Konkordat zwischen dem Land NRW – als Rechtsnachfolger Preußens –                    Priesterausbildung an Institutionen wie
                         und dem Heiligen Stuhl.                                                                  die Kölner Hochschule für Katholische
                                                                                                                  Theologie aus. Es bedarf keines weite-
                              „Die Umstände haben sich mittler-       nen fest, dass eine solche Vereinbarung     ren Studienstandortes für die Prie-
                         weile so entwickelt, dass wir die Öffent-    vom Erzbistum Köln offenbar einseitig       sterausbildung im Erzbistum Köln.“
                         lichkeit informieren mussten, da eine        unterlaufen werden soll – allen gegentei-
                         Verlegung der Priesterausbildung an          ligen Beteuerungen zum Trotz.“ Eine              Zudem bekräftigten die Gremien,
                         die Kölner Hochschule aus unserer            solide Ausbildung müsse aber satisfakti-    dass das Studium für Theologinnen und
                         Sicht fragwürdig, überflüssig und kon-       onsfähige Antworten auf die großen          Theologen für verschiedene pastorale
                         kordatswidrig ist“, sagt Rektor Prof. Dr.    ethischen Fragen der Zeit entwickeln        Dienste und Religionslehrer:innen zum
                         Dr. h.c. Michael Hoch. „Die Ausbil-          können. „Was sollte diese kleine, rein      Selbstverständnis der Universität Bonn
                         dung von Geistlichen und Religionsleh-       kirchliche Einrichtung mit ihren derzeit    zähle und diese Studienangebote expli-
                         rer:innen an staatlichen Institutionen ist   gerade einmal fünf Professuren leisten,     zit bejaht würden und gewollt seien.
                         aus unserer Sicht ein hohes gesell-          wozu staatliche Universitäten mit voller
                         schaftliches, wissenschaftliches und re-     Personalausstattung nicht im Stande wä-          Hintergrund für die Befürchtungen
                         ligionspolitisches Gut, das unter keinen     ren? Das erschließt sich uns als Landes-    ist der im Jahr 2020 vollzogene Träger-
                         Umständen aufgegeben werden darf.“           rektorenkonferenz bislang nicht, sodass     wechsel der Philosophisch-Theolo-
                         Dafür stehe die Universität ein.             die Frage bleibt: Warum der Aufwand?“       gischen Hochschule der Steyler Missio-
                                                                                                                  nare in Sankt Augustin zum Erzbistum
                             Auch der Vorsitzende der Landes-         Kein weiterer Studienstandort für           Köln. Die Hochschule, die mittlerweile
                         rektorenkonferenz (LRK), Lambert T.          die Priesterausbildung                      Kölner Hochschule für Katholische
                         Koch, sprach in einem Interview mit                                                      Theologie (KHKT) heißt und deren
                         dem Kölner Stadt-Anzeiger von einer              Zuvor hatten bereits das Rektorat,      Großkanzler Erzbischof Rainer Maria
                         Gefahr für den Wissenschaftsstandort         der Hochschulrat und der Senat der          Kardinal Woelki ist, wurde im An-
                         NRW, sollte das Konkordat nicht einge-       Universität Bonn eine gemeinsame Er-        schluss von Sankt Augustin nach Köln
                         halten werden. „Wir stellen mit Erstau-      klärung zu den beiden Theologischen         verlegt.                   NILS SÖNKSEN

12   forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
Internationalisierungsgrad
                 der Mitarbeitenden stärken
                  Forschende, Studierende, Lehrende und Beschäftigte international vernetzen und fit für die Herausforderungen im
                  Uni-Alltag zu machen: Das hat sich die Uni Bonn mit der Internationalisierungsstrategie auf die Fahnen geschrieben.
                       Dazu gehören etwa Englischkurse            genen Kompetenzen zu stärken. „Die               Das ist auch ihr Resümee zur Inter-
                  für Verwaltungsmitarbeitende in Irland          Internationalisierung der Verwaltung         national Staff Week, die erstmals an der
                  und Schottland sowie Hospitationen bei          kann nur gelingen, wenn alle Universi-       Uni Bonn stattfand. 15 internationale
                  internationalen Partner-Universitäten           tätsangehörigen beteiligt sind, allen vor-   Gäste von Partnerhochschulen und
                  oder anderen Gasteinrichtungen. Mitar-          an Verwaltungsmitarbeitende, die Inter-      fünf Mitarbeitende der Uni Bonn teil-
                  beitende frischen ihre Englischkennt-           nationalisierungsmaßnahmen umsetzen          ten ihre Erfahrungen und Sichtweisen
                  nisse auf und erleben einen intensiven          und mit internationalen Studierenden         zum Thema „Arbeiten in einem di-
                  interkulturellen, fachlichen Austausch,         und Forschenden sprechen“, ist Bärbel        versen Umfeld“. Ein wertvoller Erfah-
                  bei dem man eben auch erfährt, wie an-          Konermann-Krüger überzeugt.                  rungsgewinn, weil alle Inspirationen
                  dere Hochschulen die Dinge angehen -                 Sie leitet die Staff Mobility-Ange-     für ihre eigene Arbeit mitnehmen und
                  der berühmte Blick über den eigenen             bote zur interkulturellen Qualifizierung     ihr Netzwerk erweitern konnten. Das
                  Tellerrand.                                     von Verwaltungsmitarbeitenden und            Kontakthalten ist fest eingeplant, damit
                       Viele Angebote für Hochschulmitar-         wird nicht müde für die verschiedenen        man sich ab und zu mit Außenstehen-
                  beitende finden im Rahmen des Förder-           Austauschformate zu werben: „Viele zö-       den austauscht, die einen anderen Blick
                  programms Erasmus-Personalmobilität             gern, weil während der Abwesenheit zu-       auf die Dinge haben - so gewinnt man
                  statt – zum Teil in Kooperation mit der         hause alles geregelt werden muss, weil       neue Perspektiven für die eigene Arbeit.
                  Personalentwicklung. Dabei steht das            der Schreibtisch zu voll ist und das Eng-
                  Erasmus-Motto        „Enriching     lives,      lisch vielleicht nicht top mit Sternchen      Staff Mobility
                  opening minds“ genau für die Motivati-          ist“, erklärt sie. Die Bedenken seien mei-    Die Internationaliserungsangebote umfassen verschie-
                  on, die die Uni ihren Beschäftigten ans         stens unbegründet und internationale          dene Formate für Auslandsaufenthalte – je nach
                  Herz legt: Seid offen für Neues, erweitert      Kontakte zu knüpfen, mache einfach            individueller Lebens- und Arbeitssituation. Für Mitarbei-
                  euren Horizont und nutzt das starke             Spaß. „Jeder nimmt persönlich so viel         tende, die nicht reisen können oder mögen, gibt es die
                  Netzwerk der Partner-Unis, um eure ei-          mit.“                                         Workshop-Reihe „Virtual Staff Exchange“ oder die
                                                                                                                Möglichkeit zur Teilnahme an der nächsten Staff Week.
Das sagen Teilnehmende

                                                                                                                Das war unsere Staff Week 2022:
                                                                                                                youtube.com/watch?v=suMGeb1kLVM

                                                                   Erwartungen übertroffen
                                                                   „Die Staff Week hat meine Erwar-
                         Voneinander lernen
                                                                   tungen weit übertroffen. Wir haben
                         „Die Staff Week war wertvoll, weil        intensiv über viel mehr Themen dis-
                         man sich dort über Best Practices aus-    kutiert, als ich gedacht hätte, und dabei
                         tauschen, von eigenen Erfahrungen
                                                                                                                Austausch mit Kolleg:innen
                                                                   verschiedene Denk- und Arbeitswei-
                         berichten und voneinander lernen          sen kennengelernt. Dadurch, dass wir         „Die von der Universität Bonn organi-
                         konnte – auch aus Fehlern der ande-       alle so unterschiedlich waren, war die       sierte Staff Week war für mich ein tol-
                         ren. Dabei wurde deutlich, dass wir       Woche lehrreicher als vergleichbare          les Erlebnis – sowohl in beruflicher als
                         alle vor Herausforderungen stehen         Veranstaltungen, an denen ich teilge-        auch in persönlicher Hinsicht. Es war
                         und man durch Dialog, Diskussion          nommen habe. Seit meiner Rückkehr            super zu erfahren, an welchen The-
                         und Einsatz Dinge verändern kann.         haben wir an meiner Uni Strategien           men Kolleg:innen aus aller Welt arbei-
                         Ich habe festgestellt, dass wir Part-     umgesetzt, durch die wir unsere inter-       ten, und sich darüber zu unterhalten.
                         ner:innen in allen möglichen Be-          nationalen Facetten besser wahrneh-          Ich würde definitiv jedem empfehlen,
                         reichen haben, auf die wir uns verlas-    men und unsere Multikulturalität nut-        an solch einer Woche teilzunehmen –
                         sen können. Ich würde auf jeden Fall      zen können. Ich empfehle definitiv           es war wirklich bereichernd, sich in
                         wieder teilnehmen, um neue Bünd-          jedem, an einer Staff Week teilzuneh-        einem anderen Umfeld zu bewegen,
                         nisse zu schmieden, Brücken zu bau-       men – nirgendwo sonst kann man so            interessanten Input zu erhalten und
                         en und Partnerschaften zu bilden.“        gut Arbeit und Reisen verbinden und          sich mit Kolleg:innen anderer Hoch-
                         Rona Jualla van Oudenhoven,               den eigenen Horizont erweitern.“             schulen darüber auszutauschen.
                         Niederlande                               Clémentine Ducornet, Frankreich              Mark de Vos, Dänemark

                                                                                                                                             forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN   13
Vier ERC Grants mit Förderung in Millionenhöhe

                                                                                                                                                                                                                  Bildmarke: privat; Meike Böschemeyer/Uni Bonn;
                                                                                                                                                                                                                  Benoit Grogan-Avignon, 2022; privat
       5Vier Wissenschaftler           Vier Wissenschaftler erhalten einen                            Valentin Blomer vom Mathematischen                                   Grant erhalten Dr. Julian Schmitt vom
       erhalten einen ERC Grant        begehrten Grant des Europäischen                               Institut empfängt einen sogenannten                                  Institut für Angewandte Physik und
      (von links): Prof. Dr. Georg     Forschungsrats (ERC) und damit jeweils                         Advanced Grant, Prof. Dr. Claude Duhr                                Prof. Dr. Georg Oberdieck vom Mathe-
      Oberdieck, Prof. Dr. Claude      eine Förderung in Millionenhöhe für                            vom Physikalischen Institut einen Con-                               matischen Institut.
           Duhr, Dr. Julian Schmitt,   die kommenden fünf Jahre. Prof. Dr.                            solidator Grant. Jeweils einen Starting
          Prof. Dr. Valentin Blomer.

                                                                                                      HUMBOLDT-FORSCHUNGSPREIS
                                                                                                      Prof. Dr. Uwe-Jens Wiese bekommt ei-
                                                                                                      nen Forschungspreis der Alexander von
                                                                                                      Humboldt-Stiftung. Der Wissenschaftler
                                                                                                      aus Deutschland, der seit rund 20 Jahren
                                                                                                      an der Universität Bern arbeitet, be-
                                                                                                      schäftigt sich neben Teilchenphysik auch
                                                                                                      mit der Physik der kondensierten Mate-
                                                                                                      rie. Prof. Dr. Ulf-G. Meißner vom Helm-
                                                                                                      holtz-Institut für Strahlen- und Kernphy-
                                                                                                      sik der Universität Bonn hat den
                                                                                 Foto: Scott Morley

                                                                                                      Wissenschaftler für den Preis nominiert.

                                                                                                                                                                                                                   Foto: EPFL 2022 / Fred Merz (Lundi13)
                                                                                                      Beide wollen nun neue Methoden ge-
                                                                                                      meinsam weiterentwickeln. Der Preis ist
                                                                                                      mit 60.000 Euro dotiert.

          5Prof. Dr. Uwe-Jens
                   Wiese von der
                 Universität Bern.

              4Auszeichnung:
                Prof. Dr. Martin E.
           Schwab (Mitte) erhielt                                                                                                                                          FIELDS-MEDAILLE
                                                                                                                                              Foto: Johann Saba/UKom UKB

               von Dekan Prof. Dr.                                                                                                                                         Die Mathematikerin Maryna Viazovska
           Bernd Weber (rechts)                                                                                                                                            erhielt die Fields-Medaille, die auf dem
          die Ehrendoktorwürde.                                                                                                                                            Internationalen Mathematikkongress in
           Prof. Dr. Frank Bradke                                                                                                                                          Helsinki übergeben wurde. Die Aus-
KOMPAKT

              (links) hatte ihn mit                                                                                                                                        zeichnung wird seit 1936 alle vier Jahre
                 einigen Kollegen                                                                                                                                          an Mathematikerinnen und Mathemati-
                   vorgeschlagen.                                                                                                                                          ker unter 40 Jahren verliehen. Die
                                                                                                                                                                           37-jährige Viazovska stammt aus der Uk-
      Die Mathematikerin              EHRENDOKTORWÜRDE                                               tigen Beitrag hin zu neuen Therapien des                             raine. Ihre Promotion hat sie 2013 an
               Maryna Viazovska        Der Züricher Neurowissenschaftler Prof. Dr.                    verletzten Rückenmarks und Gehirns leis-                             der Universität Bonn absolviert. Heute
                                       Martin E. Schwab hat eine Ehrenpromoti-                        ten. Dekan Prof. Dr. Bernd Weber verlieh                             ist sie Professorin an der Hochschule
                                       on der Universität Bonn erhalten. Schwabs                      die Auszeichnung während der Promoti-                                EPFL (École polytechnique fédérale de
                                       grundlegende Studien können einen wich-                        onsfeier der Medizinischen Fakultät.                                 Lausanne) in der Schweiz.

 14   forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
Gemulchte Blühstreifen sind
keine Falle für Wildbienen
Ein bunter, summender Blühstreifen am Ackerrand – wer freut sich nicht über diese Augenweide und die Vielfalt an
Insekten? Doch immer wieder gibt es Kritik an dieser Naturschutzmaßnahme.

    Insbesondere dann, wenn die ver-       der Stiftung Rheinische Kulturland-        nell genutzten Flächen keineswegs un-
blühten Pflanzen gemäht werden und         schaft mit weiteren Wissenschaftlern im    günstige Lebensräume oder sogar
danach das zerkleinerte Schnittgut als     Projekt „Summendes Rheinland“ unter-       ökologische Fallen darstellen, sondern
Mulch auf den Flächen verbleibt. Die       sucht. Sechs Jahre hat das Team Daten      die Artenvielfalt der Wildbienen und
Befürchtung ist, dass Insekten durch die   gesammelt und ausgewertet.                 Tagfalter fördern.
blühenden Pflanzen angelockt und an-
schließend durch das Zerhäckseln ge-           In dem Projekt wurden 50 Kilome-           „Blühstreifen sind ein sehr wich-
fährdet werden.                            ter hochwertige Wildpflanzenblühstrei-     tiges Element bei der Förderung der Bi-
                                           fen aus regionalem Saatgut angelegt        odiversität von Insekten in der Agrar-
    Sind Blühstreifen ökologische Fal-     und die Biodiversität der Wildbienen       landschaft“, sagt Schmied. Die Streifen
len? Diese Frage hat der Biologe Dr.       und Tagfalter unterschiedlich alter        könnten sich in der Qualität aber sehr
Heiko Schmied vom Institut für Nutz-       Blühstreifen erfasst. Hierbei zeigte       stark unterscheiden. JOHANNES SEILER
pflanzenwissenschaften und Ressourcen-     sich, dass auch schmale und jährlich ge-
schutz der Universität Bonn und von        mulchte Blühstreifen neben konventio-

                                                                                                                                                  Foto: Stiftung Rheinische Kulturlandschaft

                                                                                                                 forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN   15
Forschung mit Biss
                                                                     Wie stark können Insekten zubeißen?
                                                                     Wissenschaftler stellen ein Messsystem vor
                                                                     Wer über einen kräftigen Kauapparat verfügt, kann härtere Nahrung zerkleinern
                                                                     und besser im Kampf gegen Feinde bestehen. Biologen der Universität Bonn
                                                                     haben ein mobiles Messsystem entwickelt, mit dem sie untersuchen, wie sich
                                                                     die Beißkräfte von kleinen Tieren im Lauf der Evolution an ihre Umwelt
                                                                     angepasst haben.

                                                                     Die Gottesanbeterin zappelt ein wenig in             Das Team um Prof. Dr. Alexander
                                                                       der Hand des Wissenschaftlers. Als             Blanke, der einen Starting Grant des Eu-
                                                                             sich das Insekt dem Sensor nä-           ropäischen Forschungsrats (ERC) einge-
                                                                                   hert, beißt es zur Abwehr          worben hat, entwickelte bestehende Sys-
                                                                                         auf die beiden Metall-       teme zur Messung von Beißkräften
                                                                                             plättchen, die den       weiter. In der Messanordnung hilft ein
                                                                                             Druck auf einen          Binokular – ähnlich einer starken Lupe –
                                                                                             Piezok ristall           zu erkennen, ob die Kiefer des zu unter-
                                                                                             übertragen. Der          suchenden Insekts an der richtigen Stelle
                                                                                             Kristall erzeugt         mit den Metallplättchen in Berührung
                                                                                             k r a f t a bh ä ng ig   kommen.
                                                                                             eine Spannung,
                                                                                             die über einen                „Je nach Größe und Öffnungswinkel
                                                                                             Verstärker auf ei-       der Kiefer verwenden wir unterschiedlich
                                                                                             nen Laptop über-         große Beißplättchen, die sich austauschen
                                                                                             tragen wird. Auf         lassen“, erläutert Rühr die Weiterentwick-
                                                                                             dem Bildschirm           lung. „Damit lässt sich der Sensor über
                                                                                             entstehen        Kur-    eine relativ große Spannweite auf die je-
                                                                                        ven, die teils steil an-      weiligen Erfordernisse der Tiere einstel-
                                                                                  steigen und zuckend ein Pla-        len.“ Das komplette System ist akkube-
                                                                            teau erreichen, bevor sie wieder          trieben und damit mobil einsetzbar. Peter
                                                                      auf den Nullwert absinken.                      Rühr hat es häufig im Kofferraum dabei,
                                                                                                                      wenn er mit dem Auto unterwegs ist:
                                                                          „Wie stark Insekten zubeißen kön-           „Dann führe ich spontan Messungen
                                                                     nen, dazu liegen bisher kaum Daten vor“,         durch, wenn sich die Gelegenheit ergibt.“
                                                                     berichtet Peter Rühr, Doktorand am In-
                                                                     stitut für Evolutionsbiologie und Ökolo-              Meist lassen sich die Tiere nicht lan-
                                                                     gie. Mit ihrem Sensorsystem „forceX“             ge überreden, bis sie zubeißen. Sie fühlen
                                                                     wollen die Wissenschaftler untersuchen,          sich in der fremden Umgebung unwohl
                                                                     inwiefern die Beißkraft von der Ökolo-           und wehren sich mit Abwehrbissen.
                                                                     gie, dem Aussehen der Kiefer, der Mus-           Bleibt dieses instinktive Verhalten aus,
                                                                     kulatur und der Kopfform von Insekten            streichen ihnen die Forschenden mit
                                                                     abhängt und wie die Tiere sich evolutiv          einem zarten Pinsel über den Kopf – spä-
                                                                          an die Herausforderungen ihrer je-          testens dann schließen die Insekten ihre
                                                                                weiligen Umgebung angepasst           Kiefer.
                                                                                      haben. „Nicht für jedes
                                                                                           Insekt ist es vorteil-          Die Forscher haben die Genauigkeit
                                                                                             haft, stark zubei-       des Systems bestimmt: Hierfür be-
                                                                                             ßen zu können, da        schwerten sie das bewegliche Metall-
                           Fotos: Volker Lannert und Peter T. Rühr

                                                                                             hohe Beißkräfte          plättchen mit unterschiedlichen Gewich-
                                                                                             auch mit höheren         ten von einem Gramm bis fast einem
                                                                                             energetischen            Kilogramm. Insgesamt 1.600 Wiederho-
                                                                                             Kosten für das           lungen zeigen, dass die durchschnittliche
                                                                                             Tier     einherge-       Abweichung der Messungen unter ein
                                                                                             hen“, sagt Rühr.         Prozent beträgt. „Das ist sehr exakt“, sagt
                                                                                             Die      Beißkraft       Rühr.
                                                                                             kann etwa davon
                                                                                             abhängen, welche             Mit dazu gehört auch die Soft-
                                                                                             Nahrung ein In-          ware „forceR“, mit der sich die Beiß-
                                                                                            sekt zu sich nimmt        kraftwerte und die Form der Bisskur-
                                                                                      oder ob es die Kiefer zur       ven automatisiert auswerten und ver-
                                                                                Verteidigung braucht.                 gleichen lassen.      JOHANNES SEILER

16   forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN
Koloniales Erbe in der Wissensproduktion
Der Anthropologe Paul Basu ist neuer Hertz-Professor
für Global Heritage

    Der international renommierte An-                            mich nach wie vor eine hohe Bedeutung“,      Machtverhältnisse, indem sie nicht nur

                                                                                                                                                         HERTZ
thropologe, Kurator und Spezialist für                           sagt er. „Gleichzeitig können sie zu einem   die Herkunft von Sammlungen untersu-
kritisches Erbe Paul Basu besetzt seit                           hochgradig künstlichen – und potenziell      chen, sondern auch deren „Affordan-
diesem Sommer eine Hertz-Professur                               gefährlichen – Verständnis der Welt füh-     zen“, also das, was Sammlungen an Po-
im Transdisziplinären Forschungsbe-                              ren. Wir müssen uns auf komplexe Wis-        tenzial für kollaborative Forschung
reich „Present Pasts“. Ausgangspunkt                             sensökologien einlassen, die auch über       anbieten. So soll ein neuer Umgang mit
für seine Forschungsarbeit ist eine kri-                         die an den Universitäten privilegierten      und ein neues Verständnis von Heritage
tische Auseinandersetzung mit dem                                Wissensarten hinausgehen. Das macht          – dem Erbe – entwickelt werden.
Erbe der westlichen Wissensproduktion                            die Universität von morgen aus.“                                       SVENJA RONGE
– insbesondere die Frage, wie sich die-                               Paul Basus regionaler Schwerpunkt
ses Erbe in wissenschaftlichen Archi-                            lag in den vergangenen 20 Jahren in          Hertz-Professuren sind das Herzstück
ven und Sammlungen niederschlägt.                                Westafrika. Um historische Materialien       des fakultätsübergreifenden Konzepts
Dabei bringt er verschiedene Diszipli-                           und Kenntnisse, die in europäischen In-      der Transdisziplinären Forschungsbe-
nen, aber auch die außeruniversitäre                             stitutionen verwahrt werden, wieder          reiche (TRA). Sie sind nach dem Bonner
Öffentlichkeit zusammen.                                         zugänglich zu machen, arbeitete er in-       Physiker Heinrich Hertz (1857–1894)
                                                                 tensiv mit Museumssammlungen und             benannt und werden mit renommierten
    An der Universität Bonn wird                                 Archiven – oftmals unter Einbezug lo-        Forschenden besetzt, die in ihrem je-
Paul Basu ein „Global Heritage Lab“                              kaler Gemeinschaften.                        weiligen Fachgebiet führend sind und
einrichten, in dem er und sein Team                                                                           das Profil der TRA schärfen. Die Profes-
mit dekolonialen Ansätzen in der Kul-                                Die neue Professur ist ein wichtiger     sor:innen erhalten 4,2 Millionen Euro
turerbe-Forschung experimentieren.                               Baustein des Forschungsschwerpunkts          für sieben Jahre und damit einen großen
Das geschieht vor dem Hintergrund,                               Heritage des Transdisziplinären For-         Gestaltungsspielraum, um neue
dass auch die Wissenschaft bis heute                             schungsbereichs „Present Pasts“. Darin       Forschungsfelder zu etablieren, Diszi-
von kolonialen Strukturen geprägt ist                            hinterfragen Wissenschaftlerinnen und        plinen miteinander zu verbinden und
und westliche Erkenntnistheorien um                              Wissenschaftler unter anderem koloniale      wichtige Impulse zu setzen.
verschiedene Wissensformen erwei-
tert werden müssen. „Unser Ziel ist
es, zu erforschen, welche Lehren wir
aus der Vergangenheit ziehen können,
wenn wir uns mit den drängenden
Fragen unserer Zeit auseinanderset-
zen und versuchen, uns eine nachhal-
tigere und gerechtere Zukunft für den
Planeten vorzustellen“, sagt Prof. Dr.
Paul Basu.

     Für das Global Heritage Lab hat
Basu bewusst den Titel „Labor“ gewählt.
„Ich denke, wir sollten bescheidener mit
dem umgehen, was wir zu wissen glau-
ben, und der Begriff ,Labor‘ versucht,
diese Vorläufigkeit zu artikulieren“, be-
tont er. „Wir schaffen einen Raum zum
Experimentieren, zum Ausprobieren,
zum Andersdenken.“ Ziel sei es, auch
Personengruppen außerhalb der Univer-
sität teilhaben zu lassen.

     Paul Basu bringt anthropologische
                                            Foto: Meike Böschemeyer

und geschichtswissenschaftlich orien-
tierte Forschung in den Diskurs mit Dis-
ziplinen, die ihren Blickwinkel auf eine
nachhaltige Zukunft richten. „Die einzel-
nen akademischen Disziplinen haben für

                                                                                                                                          forsch 2/2022 UNIVERSITÄT BONN   17
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