Ratskultur Grüne in den Räten - KOMMUNALPOLITIK 1/2012 - GAR NRW

 
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Ratskultur Grüne in den Räten - KOMMUNALPOLITIK 1/2012 - GAR NRW
Grüne/Alternative in den Räten NRW e.V. · Jahrgang 16 · Heft 1 · Januar–März · ISSN 1616-4806
                                                                                                                  KOMMUNALPOLITIK
                                                                                                                  1/2012

             Grüne in den Räten

Ratskultur
Ratskultur Grüne in den Räten - KOMMUNALPOLITIK 1/2012 - GAR NRW
Liebe Leserinnen und Leser,                                                                                             inhalt

Bergfest nennt sich ein Zeitpunkt der Mitte eines Zeitabschnitts, in unserem Fall die Hälfte einer       GAR aktuell
Ratsperiode. Im Unterschied zu dem eher sachlichen Wort „Halbzeit“ hat „Bergfest“ eine wertende          Die GAR-Delegiertenversammlung .......................................... 3
Komponente, denn es gilt einen schwierigen Pass zu erklimmen.
In dieser Ausgabe geht es einmal darum, die kulturelle Praxis grüner Ratsarbeit unter die Lupe zu        Forum
nehmen. Denn in den luftigen Höhen in der Mitte einer Ratsperiode steht der Wind günstig, um über        Grüne in den Räten. Ratskultur vor Ort.................................... 5
Haben und Sein bereits geleiteter Arbeit nachzudenken.                                                   Die neue Realität bürgerschaftlicher Politik.............................. 6
                                                                                                         Transparenz und Offenheit ................................................... 10
Und gerade wenn der verbleibenden Abschnitt trotz gleicher Länge mit weniger Anstrengung zu
                                                                                                         Regierung oder Opposition? .................................................. 12
bewältigen ist, ist die Halbzeit auch ein guter Anlass, um bereits ans nächste Spiel zu denken, um
neue Mitstreiter für die zukünftige Ratsperiode zu gewinnen.                                             Ratskultur vor Ort................................................................. 14
                                                                                                         Vielfalt sucht Rat................................................................... 20
Wenn Bier und Butterbrot besonders deftig und lecker sind, lohnt sich der berühmten Spruch von           Neue Talente für die nächste Saison....................................... 22
John Lennon:
                                                                                                         Überzeugen und Verschwiegenheit ........................................ 24
„Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“
                                                                                                         thema
Wir von der GAR sind jedenfalls am Ball und möchten in der zweiten Hälfte gerade auch die noch           Her mit den U3-Plätzen! ....................................................... 26
unentschlossenen, zukünftigen Ratsmitglieder für unsere Weiterbildungsangebote gewinnen. Denn            Die Grüne Wirtschaft boomt .................................................. 28
im Austausch mit bereits Aktiven gibt es nicht nur fachliches Know-how, auch die Pässe wie Fallstricke
Ratsarbeit können hier einmal praxisnah durchgespielt werden. Der Einsatz lohnt sich!                    service/info
                                                                                                         Direktwahl des Ruhrparlaments?........................................... 29
Also liebe Fraktionen, neue noch unentschlossene Talente ohne Mandat sind bei uns ebenso willkom-
                                                                                                         Wahl kommunaler HauptverwaltungsbeamtInnen.................. 29
men wie die bereits aktiven Ratsmitglieder! Die Neuen kennen aber unsere Angebote noch nicht und
brauchen einen kleinen Schub von den Aktiven.                                                            rezension
Wir wünschen euch jedenfalls einen guten Enzian zur Halbzeit!                                            Mut statt Wut........................................................................ 30
                                                                                                         Recht der Ratsfraktionen ...................................................... 30
Und anregende Lektüre bei dieser Ausgabe.
                                                                                        Dunja Briese     GARnet
                                                                                         - Redaktion -   Politik und Psychologie des Klimaschutzes ............................. 31

        impressum
  Forum Kommunalpolitik erscheint viermal im Jahr und wird an die Mitglieder der GAR NRW kostenlos       Layout:                    Birgit Beckmann-Engelmann,
  abgegeben. Der Abonnentenpreis für Nicht-Mitglieder beträgt 18,40 € inklusive Versandkosten. Der                                  Roland Lang
  Einzelpreis beträgt 5 €. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung
  der GAR NRW wieder. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in gekürzter Form abzudrucken.             Titelfoto:                 Roland Lang
  Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe            Fotos:                     Roland Lang S. 5, 7, 15, 17, 23, 25
  gestattet.

  Herausgeber:              GAR NRW, Grüne/Alternative in den Räten NRW                                  Anzeigen:                  Dunja Briese
                            Jahnstr. 52 · 40215 Düsseldorf
                            Fon: 0211–38476–0                                                            Druck:                     TIAMATdruck GmbH, Düsseldorf
                            E-mail: info@gar-nrw.de                                                      ISSN:                      1616-4806
                            Web: www.gar-nrw.de

  Redaktion, V.i.S.d.P:    Dunja Briese, Fon: 0211–38476–16, briese@gar-nrw.de                           Thema der nächsten Ausgabe: Bauen und Planen
  Redaktionelle Mitarbeit: Gönül Eglence, Volker Wilke                                                   Redaktionsschluss 1.05.2012

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GAR aktuell

Bürgerschaftliche Politik in der kommunalen Demokratie
Die GAR-Delegiertenversammlung
Rund zwanzig Delegierte waren am 04. Februar 2012 der Einladung der GAR zur alljährlichen Delegiertenversammlung
ins Düsseldorfer Rathaus gefolgt. Günter Karen Jungen und Anette Lostermann DeNil begrüßten die Gäste und stellten
die Referenten vor: Prof. Dr. Hans J. Lietzmann, von der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung der Bergischen Universität
Wuppertal, die parlamentarische Geschäftsführerin und kommunalpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Britta
Haßelmann und den kommunalpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion Mehrdad Mostofizadeh.

Bürgerschaftliche Politik                                    Schon jetzt ist absehbar, dass die Nachfrage nach
                                                             Kita-Plätzen größer sein wird, als zum Zeitpunkt
in der kommunalen Demokratie                                 der ursprünglichen Planungen angenommen.
Prof. Hans J. Lietzmann wirft zunächst ein Schlag-              Die Bundesfamilienministerin tut nichts, um
licht auf die Schwerpunkte seiner beruflichen                dem tatsächlichen Bedarf Rechnung zu tragen
Tätigkeit. Erste Erfahrungen mit dem Thema                   und lässt die Kommunen bei der Umsetzung und
Bürgerbeteiligung machte er in Düsseldorf bei                Finanzierung des Kita-Ausbaus im Regen stehen.
der Initiative mehr Demokratie – seinerzeit zum              Statt mit Ländern und Kommunen auf der Grundla-
Thema Volksabstimmung in NRW. Er berichtet                   ge einer soliden Bedarfserhebung eine vernünftige
über das Arbeitsprofil der Forschungsstelle Bür-             und faire Finanzierungsvereinbarung zu treffen,
gerbeteiligung, die Kommunen zu allen Aspekten               will sie sich durch die Einführung eines unsinni-
des bürgerschaftlichen Engagements berät.                    gen Betreuungsgeldes von dieser Verantwortung
    Bürgerschaftliches Engagement entsteht flächen-          freikaufen. Selbstverständlich sind auch die Länder
deckend zu allen kommunalpolitischen Themen. In              und die Kommunen in der Pflicht, ihren Beitrag zu
allen Städten gibt es mittlerweile kleine und große          leisten. Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund
Projekte und Initiativen. Problematisch an der po-           und Ländern muss ein Ende haben. Nur wenn alle
litischen Vertretung im Stadtrat ist die vorwiegend          Beteiligten ihre Zusagen einhalten, kann der Kita-
mittelschichtsorientierte Repräsentation. Für eine           Ausbau bis zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs
angemessenere politische Vertretung wird ein neues           gelingen.“
institutionelles Setting benötigt, neue Formen der              Die Bundesregierung hat beim Thema Gemein-
Beteiligung kommen hinzu, während alte Instru-               definanzen versagt. Denn das Kernproblem – die
mente erhalten bleiben, nicht sachrichtige sondern           Strukturunterschiede zwischen armen und reichen
vor allem verfahrensrichtige Entscheidungen sind             Städten und Gemeinden – hat sie in ihrer Gemein-
wegweisend. Seit Anne Lütjes Regierungspräsiden-             definanzkommission nicht bearbeitet.
tin ist, können Beteiligungsverfahren zu pflichtigen            Die ungelöste Krise der Gemeindefinanzen                 Auf der GAR-DV.
Aufgaben der Kommune werden.                                 spitzt sich weiter zu. Ungebremst steigende                 Von rechts nach links:
    Hans J. Lietzmann berichtet ausführlich in dem           Kassenkredite sorgen inzwischen dafür, dass sich            Prof. Dr. Hans J. Lietzmann,
Leitartikel dieser Ausgabe auf den Seiten 6 bis 8.           einige Banken aus der Finanzierung finanzschwa-             Gunter Karen-Jungen,
Empfehlenswert ist weiterhin sein Artikel „Bürger-           cher Kommunen zurückziehen. Gerade die struk-               Britta Haßelmann,
schaftliche Politik in der kommunalen Demokratie“            turschwachen Kommunen sind von kontinuierlich               Annette Lostermann-De Niel
in Forum Kommunalpolitik 1.2011 im Schwer-
punktheft „Beteiligungskultur vor Ort“.

Kommunalpolitischer Bericht
aus Bund und Land
Britta Haßelmann informiert umfassend über die
aktuellen Themen und Haushaltbeschlüsse des
Bundestags. Bei der Debatte um die Kita-Plätze
ist die Frage, wie der Rechtsanspruch kommunal
umgesetzt wird, das zentrale Thema. Es fehlen
bundesweit mindestens 280.000 Plätze, um die
festgeschriebenen 35 Prozent Quote zu erreichen.

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GAR aktuell

                                  steigenden Sozialausgaben bedroht. Die Entlastung     Jahresabschluss 2010
                                  der Kommunen von der Grundsicherung im Alter
                                  kann nur ein erster Schritt sein, die strukturelle    Der Jahresabschluss wird von Beate Barabasch
                                  Unterfinanzierung der Kommunen zu beseitigen.         vorgestellt. Der Bericht der RechnungsprüferIn
                                     Positiv ist die verpflichtende Beteiligung der     Beate Barabasch (Ratsfraktion Langenfeld) und
                                  kommunalen Spitzenverbände bei Anhörungsver-          Peter Nienhaus (Ratsfraktion Alpen) erfolgte
                                  fahren. Sie werden bei Gesetzgebungsverfahren         ohne Beanstandungen. Die Versammlung votiert
                                  jetzt automatisch als Sachverständige benannt.        einstimmig für die Entlastung des Vorstandes.
                                     Mehrdad Mostofizadeh stellte die aktuellen
                                  parlamentarischen Initiativen der Landtagsfrak-       Haushaltsberatungen 2012
                                  tion ausführlich vor. Ein Schwerpunkt seiner
                                  Ausführungen sind die aktuellen Initiativen beim      Der Nachtragshaushalt 2011 und der Haushaltplan
                                  Stärkungspaket Stadtfinanzen. Auch die Stärkung       2012 werden von Volker Wilke vorgestellt. In der
                                  der Instrumente für mehr Demokratie durch die         Summe stellt sich der Haushaltsplan deutlich besser
                                  Gesetzesinitiativen der Landtagsfraktion werden       dar. Durch das Landtagswahlergebnis wurde die
                                  vorgestellt. Die Landtagsfraktion gibt dazu in die-   Zuwendung größer. Eine weitere Einnahmequelle
                                  ser Ausgabe zentrale Informationen.                   sind die gestiegenen Mitgliedsbeiträge durch die
                                                                                        Erhöhung der Anzahl der Ratsmandate.
                                  Bestätigung neuer Mitglieder
                                                                                        Stellenplan der GAR 2012
                                  Die GAR hat insgesamt 260 Mitgliedschaften, es
                                  sind 211 Fraktionsmitgliedschaften, 38 Einzel-        Der aktuelle Stellenplan der GAR 2012 wird vor-
                                  mitgliedschaften und 11 Fördermitgliedschaften        gestellt und einstimmig genehmigt.
                                  (Fördermitgliedschaften sind in der Regel Beige-
                                  ordnete und Bundestagsabgeordnete). Im Jahr 2011      Wahl eines weiteren/einer weiteren
                                  gab es zwei neue Fraktionsmitgliedschaften und
                                                                                        RechnungsprüferIn
                                  zwei neue Einzelmitgliedschaft. Beendet wurden
                                  drei Einzelmitgliedschaften und zwei Fraktionsmit-    Der Rechnungsprüfer Peter Nienhaus war zwei
                                  gliedschaften. Die neuen Mitgliedschaften werden      Jahre in Folge tätig. Er stellt sich zur Wiederwahl
                                  einstimmig bestätigt.                                 und wird für weitere zwei Jahre einstimmig ge-
                                                                                        wählt. Die Rechnungsprüferin Beate Barabasch
                                  Genehmigung des Protokolls                            ist weiterhin tätig.

                                  Das Protokoll der GAR DV vom 22. Januar 2011
                                                                                        Verschiedenes/Termine
                                  wird ohne Gegenstimmen genehmigt.
                                                                                        Die Kommunalpolitische Tagung der GAR 2012,
                                  Rechenschaftsbericht des Vorstands                    wird unter dem Arbeitstitel „Inklusive Stadtgesell-
                                                                                        schaft“ derzeit geplant und soll im Herbst 2012
                                  Der Rechenschaftsbericht des Vorstands (2009-         stattfinden.
                                  2010) ist den GAR-Mitgliedern per Mail zuge-
                                  stellt worden und liegt den Delegierten vor Ort
                                  zur Kenntnisnahme vor.

Auf der GAR-DV. Die Delegierten
während der Debatte.

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Grüne in den Räten
Ratskultur
Die kommunalen Räte sind ein Grundpfeiler der repräsentativen Demokratie. Und die ist weder in Stein gemeißelt, noch in Beton gegossen. Wir stellen
uns auf Wandel ein. Die Halbzeit in den Räten wird zum Anlass, die Dynamik politischer Entscheidungen zum Schwerpunkt zu machen.
Wie funktioniert Entscheiden, wie gelingt politische Verantwortung, wie kommt Bewegung und wie „mehr“ Grün in Rat, Hinterzimmer und in die
Öffentlichkeit?

Zu diesen zentralen Fragen haben wir erfahrene Stimmen um ihre Stellungsnahme gebeten.

Prof. Dr. Hans J. Lietzmann plädiert für das Zusammenwachsen von bürgerschaftlichen und repräsentativen Verfahren zur Stärkung der kommunalen
Demokratie. Wolfgang Pieper richtet den Blick nach Telgte. Er thematisiert die Möglichkeiten und Grenzen einer kommunalen Beteiligungskultur aus
der Perspektive eines Bürgermeisters. Wie geht Regierung und wie läuft Opposition? Katharina Schubert-Loy aus Bochum reflektiert ihre Erfahrungen
zur grünen Einflussnahme im Rat. Wie macht ihr das im Rat? Diese Frage hat Dunja Briese VertreterInnen aus sechs Kommunen gestellt. Welche
Erfahrungen machen EinwanderInnen im Rat von deutschen Großstädten? Prof. Dr . Karin Schönwälder, Cihan Sinanoglu und Daniel Volkert erläutern
die zentralen Ergebnisse der Studie „Vielfalt sucht Rat“. Halbzeit in den Räten und Ortverbänden vor Ort! Für Sabine Brauer ist das ein guter Anlass
neue Talente für die Teams der nächsten Saison zu orten. Johanna Onischke balanciert zwischen Überzeugungsbildung und Verschwiegenheitspflicht,
um den Umgang von Ratsmitgliedern mit den öffentlichen Medien rechtssicher zu umreißen.

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Stärkung der Räte und Rathäuser

                                     Die neue Realität bürgerschaftlicher Politik
   Prof. Dr. Hans J. Lietzmann       Es gehört zu den erstaunlichen Ereignissen ge-            Schließlich sind auch die Instrumentarien, die
Bergische Universität Wuppertal,     genwärtiger Politik, in welchem Ausmaß sich            Foren und die Formate, der Bürgerbeteiligung
Lehrstuhl für Politikwissenschaft,   der Ruf nach Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen        vielfältig. Ob nun mit „Planungszellen“ oder
          Jean Monnet Professor      ausgebreitet hat. Dabei hatten die Ereignisse um       „Bürgerforen“, „citizen juries“ oder oneline-
            for European Politics,   „Stuttgart21“ Signalcharakter. Doch waren sie          Plattformen und Barcamps; die Bürgerinnen und
                   Forschungstelle   nur besonders dramatisch in ihrer Zuspitzung           Bürger verfügen über ein differenziertes Angebot
  Bürgerbeteiligung, Institute for   und vielleicht in Stuttgart und dem „Ländle“ am        von Verfahren – und sie nutzen es in ihrer ganzen
    European Citizenship Politics    wenigsten erwartet worden. Es ranken sich aber         Breite. Das ist ein vielfältiger und ausgiebiger
                          [EuCiP]    ähnliche Dramatiken um den Messebau in Berlin,         Lernprozess. Er führt mitunter zu schmerzhaften
                                     um die Olympiabewerbung in Bayern und um den           Misserfolgen (z.Zt. vor allem bei den online-Ver-
                                     Flughafen in Frankfurt; ebenso um die Schulpolitik     fahren) und zu teilweise triumphalen Erlebnissen
                                     in Hamburg, die Windräder in Norddeutschland, die      in der Kommunikation und Beratschlagung der
                                     Pumpspeicherwerke im Schwarzwald und um die            bürgerschaftlichen Politik.
                                     Rekommunalisierung der Stadtwerke und der Ener-
                                     gieversorgung in vielen, vielen deutschen Städten.     Für Bürgerbeteiligung!
                                     Nicht zuletzt eben auch um den Kraftwerksbau und
                                     die CO-Pipeline in NRW.                                Oft wird das bürgerschaftliche Verfahren in Geg-
                                        Deshalb lässt sich auch schon lange nicht mehr      nerschaft zu den repräsentativen Verfahren der
                                     nur von einer regionalen Entwicklung sprechen.         kommunalen Politik gebracht. Manchen gilt es
                                     Und das liegt daran, dass neben den spektakulä-        als direkter Ausfluss von „Politikverdrossenheit“
                                     ren und überregional bekannten bürgerschaftlichen      und „Politiker-Bashings“. Aber eher ist das Ge-
                                     Verfahren ein dichtes Netz von Bürgerbeteiligun-       genteil richtig!
                                     gen in den Quartieren, in den Städten und in den Re-      Repräsentative Politik befindet sich (seit ihrem
                                     gionen das Land überzogen hat. Bürgerschaftliche       Beginn im 18. Jahrhundert) in einem steten Wan-
                                     Beteiligung ist zu einer flächendeckenden Realität     del. Von der Einführung der Parlamente für die
                                     auf allen Ebenen der Politik geworden. Niemand         wohlhabenden und steuerzahlenden Bürger zum
                                     kann genau sagen, wann es begann. Und mancher          allgemeinen Wahlrecht (erst für Männer/ dann auch
                                     bleibt verblüfft von dem, was sich da tut!             für Frauen), bis zur Einführung der gewählten Re-
                                                                                            gierung im 20. Jahrhundert. Mit der Orientierung
                                                                                            an den Parteien als neuen, starken Akteuren sowie
                                     Vielfalt der Themen                                    der späteren Einbeziehung der Verbände in die
                                     Bemerkenswert an diesem Ruf nach bürgerschaftli-       parlamentarische Beratung. Immer galt dies als
                                     cher Beteiligung ist zudem, dass er quasi alle denk-   „Untergang“ der vorherigen Repräsentation – und
                                     baren Bereiche erfasst: von den „großen“ Themen        immer wurde es als „Fundamentalkritik“ an den
                                     der Verkehrs-, Infrastruktur- und Energieplanung       bestehenden Verhältnissen gewertet.
                                     bis hin zu den „kleinen“, aber für die Bürgerschaft       Tatsächlich war es jedes Mal (nur!) eine Er-
                                     wichtigen Themen wie Quartiersentwicklung,             weiterung des Beurteilungsspielraums, des ge-
                                     kommunalem Wohnungsbau, Einkaufszentren                sellschaftlichen Horizontes und der politischen
                                     und Bürgerhaushalten.                                  Kompetenzen. Mit jedem dieser Schritte wurde
                                         Auch geht es – entgegen mancher Polemik            die Reichhaltigkeit der Perspektiven entscheidend
                                     – keineswegs nur um Planungsverhinderung. So           erweitert – und mit jedem dieser Schritte wurde
                                     wird in großem Maße für Projekte der Rekom-            das bestehende repräsentative System gestärkt. Es
                                     munalisierung, für Erneuerung des ÖPNV und             gewann an Perspektiven, an Klugheit in seinen
                                     für Fortschreibung und Überarbeitung von Pro-          Entscheidungen, an Durchsetzungskraft für seine
                                     grammen zur Energiepolitik geworben. Dass es           Planungen. Das lag daran, dass die grundlegenden
                                     auch gegen kommunale Planung Einwände gibt,            Erkenntnisse für die Entscheidungen auf einer im-
                                     ist nur natürlich.                                     mer breiteren Basis gewonnen wurden. Auch daran,

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dass die bürgerliche Bereitschaft, Vorhaben zu un-              Auch dass ein großer Teil der Räte selbst ihren
terstützen und damit effektiv zu machen, elementar          politischen Einfluss als minimal begreifen, gehört
mit der Möglichkeit verbunden ist, das Ergebnis             zur bedrängenden Realität der gegenwärtigen parla-
auch zu gestalten                                           mentarischen Praxis. Die bürgerschaftliche Verstär-
                                                            kung, die sie erfahren können, wird ihren Spielraum
                                                            wieder erweitern können. Der Schulterschluss
Stärkung der Räte und Rathäuser!
                                                            zwischen Räten und bürgerschaftlichen Verfahren
Auch in der bürgerschaftlichen Politik liegt in             dient der bestehenden kommunalen Demokratie.
allererster Linie eine Stärkung der Räte und auch           Er dient der Wiederbelebung. Er schafft endlich
der kommunalen Akteure. Nicht nur, dass dem                 wieder neue Konstellationen und Gestaltungskräfte
Legitimationsverlust der repräsentativen Gremien            zwischen den Räten und den Hauptamtlichen, zwi-
eine wirkungsvolle Praxis entgegengesetzt werden            schen Räten und Verwaltungen.
kann: Die Bürger werden verantwortlich in die poli-             Nicht zuletzt ist bürgerschaftliche Politik mit ih-
tischen Entscheidungen einbezogen. In der bürger-           ren Verfahren und Entscheidungen eine der letzten
schaftlichen Politik sind sie selbst es, die sich in viel   Bastionen, mit deren Hilfe sich die Räte und auch
höherem, viel spürbarerem und viel sichtbarerem             die Rathäuser gegen den Einfluss mächtiger Privater
Ausmaß sachkundig machen. Sie übernehmen dann               und Investoren zu wehren vermögen. Deren Macht
tatsächlich die (Mit)Verantwortung für die oftmals          ist unaufhaltsam, solange die Verhandlungen nur
sehr riskanten Entscheidungen. Dies ist zwar nur            in den Büros und Hinterzimmern geführt werden.
ein Aspekt demokratischer Entscheidungskultur:              Den oft erpresserischen Argumenten kann letztlich
Aber doch gehört das „Das-haben-wir-selbst-so-              nur mittels bürgerschaftlicher Beteiligungen und
gewollt“ zu den ganz tragenden Prinzipien einer             zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeit wirkungsvoll
demokratischen Lebenskultur und Identität. Es               und dauerhaft widerstanden werden – nur wenn
ist das wesentliche Gegengift gegen resignative             die Bürgerschaft selbst, demokratisch verbindlich,
Politikverweigerung. Es ist das wirkungsvollste             die Kriterien der Bauvorhaben und der privaten
(und derzeit einzige) Gegenmittel gegen die po-             Investitionen vorgibt, haben diese die Chance, als
litikverdrossene Larmoyanz eines „Die-da-ma-                „verhandlungsfest“ zu gelten.
chen-sowieso-was-sie-wollen“. Und es ist ein ganz
wesentliches Element der Legitimation und der               Neues Level der Demokratie
wirklich tragfähigen Auseinandersetzung mit den
anstehenden Problemen der Kommune. Nur wenn                 Die bürgerschaftlichen Verfahren sind der wesentli-
das Angebot einer wirkungsvollen Entscheidungs-             che Erweiterungsschritt in eine neue Dimension der
beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erlebbar             kommunalen Demokratie und der Repräsentation
und glaubhaft ist, werden diese die Entscheidungen          in den Städten. Kommunale Demokratie muss sich
als eigene verstanden und mitverantwortet.                  beständig verändern, wenn sie sich treu bleiben

                                                                                                                      Der Dialog zwischen Rat und
                                                                                                                      Bürgerschaft ist das Wesentliche
                                                                                                                      Gegengift gegen resignative
                                                                                                                      Politikverweigerung,
                                                                                                                      wenn die Bürger mit in die
                                                                                                                      Verantwortung der
                                                                                                                      Entscheidungen einbezogen
                                                                                                                      werden.

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will. Damit sie ihre Ziele der Bürgergerechtigkeit,      „Planungszellen“) zeigen die hohe Kompetenz
    der guten Planung und der sozialen Versorgung der        und Lernfähigkeit dieser Verfahren; ebenso die
    Städte erreichen kann, muss sie beständig neue           ungeahnt hohe Verantwortlichkeit dieser Beteilig-
    Wege gehen. Das tut sie seit mehr als 200 Jahren!        ten gegenüber den Gemeinwohlaspekten.
       Die jetzige Erneuerung liegt auch daran, dass
    sich die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger          Entscheidungsbeteiligung
    verändern; mit deren Bildungsstand erwächst deren        Ein Kernerfordernis ist auch die tatsächliche
    Bereitschaft zur Beteiligung. Auch daran, dass sich      und verbindliche Beteiligung der Bürger an den
    die Prioritäten und die wesentlichen Erfordernisse       Entscheidungen. Ein bloße Information oder Be-
    verschieben; mit dem Wandel der kommunalen               fragung der Bürgerschaft reicht nicht aus (die gab
    Aufgaben entstehen völlig neue Probleme. Und             es schon 1808 in Preußen). Denn wichtig ist die
    es liegt auch daran, dass viele Entscheidungs-           reale und spürbare Einbeziehung der Bürgerinnen
    sachverhalte in einem ganz neuen Licht dastehen;         und Bürger in die Verantwortung. Ansonsten bliebe
    durch die europäische Vernetzung und die immer           alles beliebig. Auch das Urteil der Bürgerinnen und
    stärkere finanzielle Abhängigkeit der Städte und         Bürger. Es kann dann durchaus auch Mischformen
    Gemeinden von außerkommunalen Entwick-                   geben; z.B. aus einem Entscheidungsvorschlag
    lungen entstehen ungekannte Konstellationen.             einer „citizen jury“/“Planungszelle“ mit einem
    Nicht zuletzt sind die technologischen und öko-          anschließenden Bürgerentscheid, - der Phantasie
    logischen Risiken in einer Weise entgrenzt und           sind kaum Grenzen gesetzt.
    tatsächlich unüberschaubar geworden, dass die
    Entscheidungen herkömmlicher „Experten“ voll-            Verfahrensstruktur
    ständig fragwürdig geworden sind.                        Für die Beteiligten ist es erfahrungsgemäß von äu-
       In allen diesen Fällen ist es die bürgerschaftliche   ßerster Wichtigkeit, in einem strikt strukturierten
    Beteiligung, die neue Chancen bietet: Indem sie          Verfahren zu arbeiten. Wie in einem „Rechtsstaat“
    eine neue Vielfalt an Perspektiven in die Debatte        ist „Struktur“ ein wichtiger sozialer Schutz gegen
    einbezieht. Indem sie auch den Gefühlen und Ge-          kommunikative Übermacht. Soziale Kommunika-
    halten der aufgeklärten Bürgerschaft eine Stimme         tionsunterschiede können durch kluge Strukturie-
    gibt. Und indem sie der Bürgerschaft eine Mitwir-        rung ausgeglichen werden. Sie stellen in solchen
    kung an den Risiken moderner Politik einräumt.           Verfahren (Planungszellen, deliberative polls) „Au-
                                                             genhöhe“ zwischen den zufällig ausgewählten, sehr
                                                             unterschiedlichen Bürgern her.
    Keine neue Beliebigkeit!
    Wie immer, wenn man Neues schaffen möchte,               Expertenbeteiligung
    kann man aber auch Vieles falsch machen! Es ist          Wie in jedem Entscheidungsverfahren darf auf
    nicht gleichgültig welche Formen der Bürgerbe-           Expertenwissen nicht verzichtet werden. Bür-
    teiligung angewandt und welche Instrumentarien           gerbeteiligung ist kein Stammtisch! Da auch
    genutzt werden. Wir verfügen über reichhaltige           Expertenwissen kontrovers ist, sind auch hier die
    Erfahrungen der konventionellen Politik, die wir         widersprüchlichen Expertisen wichtig. Entschei-
    nicht verleugnen sollten! Und wir wissen, dass sich      dungsmacht bekommen die Experten hingegen
    für unterschiedliche Anlässe und unterschiedliche        nicht. Entscheiden tun die BürgerInnen selbst.
    Themen auch unterschiedliche Formen der „best            Allerdings korrigieren und fundieren sie ihre
    practice“ herausgebildet haben. Nicht jede Form          Meinung in diesem Prozess in hohem Maß! Sie
    der Bürgerbeteiligung hat sich bewährt.                  sind überhaupt nicht beratungsresistent.

    Soziale Breite/ Zufallsauswahl                           Resümee
    Das Wichtigste ist die breite Einbindung der Bür-
    ger, die an der Entscheidung beteiligt werden. Eine      Bürgerbeteiligung ist kein Wunschprojekt. Sie ist
    Bürgerbeteiligung, an der nur die in jeder Kommu-        fester Bestandteil der Realität kommunaler Demo-
    ne bekannten „üblichen Verdächtigen“ oder gar die        kratie im 21. Jahrhundert! Nun geht es darum, sie
    unmittelbar und konkret Interessierten beteiligt sind    zu verstehen und zu gestalten. Tatsächlich stärkt
    (positiv: Investoren/ Nutzer oder negativ: Not in my     bürgerschaftliche Politik die Kommunen. Und sie
    backyard: NIMBY’s), ist völlig sinnlos! Wichtig          stärkt auch die traditionellen Akteure kommunaler
    ist die Zufallsauswahl von Bürgerinnen und Bür-          Politik! In dem Bündnis der alten mit der neuen
    gern, die über das Einwohnermeldeamt problemlos          Realität kommunaler Politik liegt deren Kraft und
    möglich ist. Sie holt den bürgerklugen Alltagsver-       Chance. Es gibt reichlich Erfahrungen, wie diese
    stand in die Entscheidungsprozesse herein. Und           Kooperation konkret gestaltet werden kann. Man
    die Erfahrungen mit diesen Verfahren (z.B. in            muss sie nutzen!

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Prinzipien eines Bürgermeisters

                                 Transparenz und Offenheit
            Wolfgang Pieper      Ein grüner Bürgermeister ist keine Garantie dafür,   untereinander umso wichtiger, dürfen Gesprächsfä-
Bürgermeister der Stadt Telgte   dass die Dinge in einer Kommune grundsätzlich        den nicht abreißen. Bislang ist es gelungen, diese
                                 besser laufen. Mit dem Amtsantritt als Bürger-       Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten zu erhalten
                                 meister von Telgte im Mai 2010 habe ich mich         und zu verbessern. Nur gut informierte Fraktionen
                                 bemüht, Transparenz und Beteiligung zu Prinzipien    können auch gute Entscheidungen finden.
                                 im Umgang zwischen Rat und Verwaltung und mit
                                 der Bürgerschaft zu machen. Damit dies keine lee-
                                                                                      Beteiligungskultur – und ihre Grenzen
                                 ren Ansprüche bleiben, muss ein solcher Umgang
                                 „von oben“ geprägt und kultiviert werden – und das   Interessierte und mündige Bürger/innen sehen
                                 ist nicht immer einfach, erfordert Aufmerksamkeit    häufig allein in einer Beteiligung an Wahlen keine
                                 und Aufwand.                                         hinreichende Möglichkeit mehr, ihre Interessen
                                                                                      wirksam zu vertreten oder sich in Entscheidungs-
                                 Der Rat hat einen Anspruch                           prozesse einzubringen. Um sich aber in die örtliche
                                                                                      Politik einmischen zu können, bedarf es einer mög-
                                 auf umfassende Information
                                                                                      lichst großen Transparenz und Offenheit, müssen
                                 Zwischen einem/einer hauptamtlichen Bürger-          Informationen über bestimmte Prozesse oder Pro-
                                 meister/in und ehrenamtlichen Ratsmitgliedern        jekte frühzeitig kommuniziert werden.
                                 wird es immer einen Informationunterschied              Dazu ist die Nähe zu den Bürgerinnen und Bür-
                                 geben. Dennoch haben die Ratsmitglieder einen        gern der Kommune eine wichtige Voraussetzung,
                                 Anspruch auf möglichst vollständige Informatio-      die natürlich im Dorf oder in der Kleinstadt bes-
                                 nen als Grundlage für die Meinungsbildung und        ser zu gewährleisten ist als in der Großstadt. Die
                                 Entscheidungsfindung.                                Beteiligung und aktive Einbindung der Menschen
                                    Mein Angebot zur Teilnahme an den Sitzungen       folgt aber nicht einfach einem politischen Kalkül,
                                 aller Fraktionen wird rege wahrgenommen, über        „möglichst nah dran“ sein zu wollen oder auf die-
                                 die kurzen Wege des Internets gibt es häufige        sem Wege schlicht die Akzeptanz von Infrastruk-
                                 Hintergrund- oder Zwischeninformationen für          turvorhaben oder Projekten zu fördern.
                                 die Fraktionen und über den Ältestenrat und die         Eine Beteiligungskultur sollte die Menschen mit
                                 Ausschüsse bin ich bemüht, die Politik auf dem       ihren vielfältigen Erfahrungen, Kenntnissen und
                                 Weg zu Entscheidungen mitzunehmen. Informa-          Fähigkeiten und ihren daraus erwachsenen Vorstel-
                                 tionsvorsprung darf nicht zu „Herrschaftswissen“     lungen und Meinungen ernst nehmen. Hier gibt es
                                 werden, auch wenn der Umgang mit sensiblen           – trotz aller Heterogenität – ein riesiges Potenzial,
                                 Informationen oder Sachverhalten aus den un-         das eine Kommune in ihren Entwicklungsschritten
                                 terschiedlichen Perspektiven heraus bisweilen        und in ihrer strategischen Ausrichtung bereichern
                                 durchaus unterschiedlich gehandhabt wird.            kann. Gerade auf kommunaler Ebene ist die Ein-
                                                                                      bindung dieses Bürgerengagements unverzichtbar,
                                                                                      denn es festigt den Zusammenhalt einer modernen
                                 Beteiligungsformen
                                                                                      Bürgerschaft und schafft die Voraussetzungen da-
                                 Anfängliche Vorbehalte, ein grüner Bürgermeis-       für, dass viele an „ihrer Stadt“ mitbauen können.
                                 ter könnte die anderen Ratsfraktionen hinsichtlich      Die konkreten Beteiligungsformen waren und
                                 der erforderlichen Informationen wohlmöglich         sind seit Mai 2010 vielfältig:
                                 „aushungern“, haben sich schnell gelegt. Dabei        So hatte der Rat der Stadt Telgte einen extern
                                 ist die Ebene der Transparenz und Offenheit aus           begleiteten Prozess zur Gestaltung des demo-
                                 meiner Sicht strikt zu trennen von der Ebene der          graphischen Wandels beschlossen. Zunächst in
                                 inhaltlich-politischen Debatte. Gerade dann, wenn         mehreren halbtägigen Workshops für Verwal-
                                 die Konflikte groß und die Auseinandersetzungen           tung und Rat gestartet, weitete sich das Projekt
                                 heftig sind – und davon gab es in den ersten an-          nach einer öffentlichen Auftaktveranstaltung
                                 derthalb Jahren genügend – ist die Kommunikation          mit rund 350 interessierten TeilnehmerInnen

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schnell aus. Ein darauf aufbauendes Arbeits-              Aufzählung zeigt, dass in einer kleinen Stadt die
    wochenende fand mit etwa 80 Vertreterinnen                Kultivierung von Beteiligungsformen nicht endlos
    und Vertretern von Telgter Vereinen und In-               möglich ist. Werden zu viele Prozesse gleichzeitig
    itiativen, Schulen und Institutionen, Gewer-              geführt, ohne dass sie in eine konkrete Umsetzung
    betreibenden und Unternehmen sowie Politik                münden, dann ermüdet sicher auch die Bereitschaft
    und Verwaltung eine phantastische Resonanz.               der Menschen, sich einzubringen. Das Versprechen,
    In einer wunderbar kooperativen Atmosphäre                die Bürgerinnen und Bürger im Vorfeld politischer
    wurden nicht nur Leitziele für die Stadt de-              Entscheidungen zu hören, zu beteiligen und mit
    finiert, sondern vielfältige umsetzungsfähige             ihrem Erfahrungswissen einzubinden, muss in
    Projektideen erarbeitet. Der Prozess und die              einer verbindlichen Umsetzung der Prozesse und
    Ergebnisse können hier nachverfolgt werden:               Projekte eingelöst werden.
        http://www.telgte.de/bildung-soziales-generationen/      Das bedeutet nicht, dass mit diesem partizipa-
        demographie/telgter-demographieagenda.html.           tiven Ansatz am Ende alle mit jeder Entscheidung
                                                              einverstanden sind. Friede, Freude, Eierkuchen gibt
     Die anschließend priorisierten und mit Kosten            es auch auf diesem Wege nicht – und das ist ja auch
     für die Umsetzung unterlegten Projekte wurden            in Ordnung so. Aber Prozesse dieser Art vergrößern
     dann im Oktober 2011 vom Rat beschlossen,                mit Sicherheit das Wissen um und das Engagement
     die Realisierungsphase beginnt in diesem Jahr.           für die eigene Stadt. Und beteiligte Akteure, deren
     Dieser letzte Schritt ist nicht nur sinnvoll und         Wünsche und Ziele am Ende nicht realisiert wer-
     erforderlich, er folgt aus meiner Sicht auch der         den, können zumindest nachvollziehen, wie und
     Logik, dass Bürgerinnen und Bürger beteiligt             warum das Ergebnis ein anderes wurde.
     und eingebunden werden müssen, die Ent-
     scheidung und politische Verantwortung darf
                                                              Verantwortliche Beschlussfassung
     den gewählten Ratsmitgliedern aber nicht von
     den Schultern genommen werden.                           Aus der bisherigen Erfahrung sage ich aber auch
 Parallel zu diesem Verfahren begann ein eben-               ganz klar: Bürgerbeteiligung im geschilderten
     falls partizipativ aufgestellter Prozess zur Ent-        Sinne ist keine direkte Demokratie, in der die
     wicklung eines Integrierten Handlungs- und               sich einmischenden Bürgerinnen und Bürger
     Entwicklungskonzeptes für die Stadt Telgte,              Entscheidungen selbst treffen können. Nicht sel-
     das sich schwerpunktmäßig mit der Funktions-             ten folgen die Entscheidungsprozesse nämlich
     zuordnung großflächiger Einzelhandelsflächen             dem Muster, dass die persönliche Betroffenheit
     zum Zentrum bzw. zur Peripherie befasst. Die             (die Kindertagesstätte, die Skaterfläche oder das
     öffentliche Aufaktveranstaltung war gekoppelt            Feuerwehrgerätehaus vor der eigenen Haustür)
     mit einem Demographieprozess. In einer Len-              sinnvolle und notwendige Ergebnisse erschwert
     kungsgruppe waren neben den Ratsfraktionen               oder gar verhindert. Und deshalb muss am Ende
     örtliche Akteure und die Interessenvertretung            von Beteiligungsprozessen eine verantwortliche
     der Kaufmannschaft und anderer Vereine                   politische Beschlussfassung stehen.
     vertreten, in mehreren öffentlichen Foren
     und Workshops beteiligten sich in der Folge
     wiederum rund 80 Personen, die im Schnitt
     zu 3 bis 5 Terminen kamen und dort aktiv                   +++ Telgte kurz und knapp +++
     mitarbeiteten.
   Und auch hier schloss sich bis Dezember 2011                 Telgte ist eine Stadt mit rund 20.000 Einwoh-
eine Beratung in den politischen Gremien an, die                nern im Kreis Warendorf im Münsterland.
in eine komplexe planungsrechtliche und städtepla-              Die Stadt ist bekannt als Wallfahrtsort (große
nerische Beschlussfassung mündete. Das Ergebnis                 Marienwallfahrt von Osnabrück nach Telgte
fiel dann auch deshalb mit einer sehr breiten Mehr-             – Telgter Wallfahrt) und durch eine Erzählung
heit aus, weil es eine Legitimation aus dem Prozess             von Günter Grass „Das Treffen in Telgte“.
heraus und aus der breiten Beteiligung gab.                     In Forum Kommunalpolitik 2.2010 berichtete
                                                                Wolfgang Pieper im Artikel „Telgte schwelgt
                                                                im Grünen“ über das beste grüne Wahlergeb-
Verbindliche Umsetzung
                                                                nis in NRW. Bei der Bürgermeisterwahl 2010
Weitere Prozesse folgen, beispielsweise für                     setzte sich der Grüne Wolfgang Pieper mit 71,5
bestimmte Vorhaben im Bereich der Bauleitpla-                   Prozent, klar gegen den Herausforderer durch,
nung, in der Schulentwicklungsplanung, bei der                  der von SPD und CDU gemeinsam ins Rennen
konzeptionellen Überarbeitung der Spielplätze                   geschickt wurde.
im Stadtgebiet oder im Fair-Trade-Prozess. Diese

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Grüne Politik aus Bochumer Sicht

                                  Regierung oder Opposition?

       Katharina Schubert-Loy     Die im Ruhrgebiet quasi in Beton gemeißelte Regierungsverantwortung der SPD – dauerte in Bochum von 1956 (55,5%)
seit 1990 Geschäftsführerin der   bis 1994 (Wahlergebnis 1994: 50,5 %). 1999 wurde durch den Verlust der absoluten Mehrheit (41,3 %) auch hier die
        Grünen Fraktion im Rat
                                  politische „Götterdämmerung“ eingeleitet. Nicht zuletzt durch die guten Wahlergebnisse der Grünen begann ab 1999 ein
             der Stadt Bochum
                                  neuer Aufschlag in rot-grüner Mehrheitskonstellation. Die Bochumer Grünen sind seit 1984 im Rat der Stadt vertreten.
                                  Nach fünfzehn Jahren in der Opposition begann ab 1999 eine bis heute stetig fortgesetzte Gestaltungsphase mit der
                                  SPD. Forum Kommunalpolitik hat Katharina Schubert-Loy daher nach ihrer Erfahrung zur grünen Einflussnahme im Rat,
                                  in Regierung wie Opposition befragt.

                                       Wie habt ihr den Sprung von der Opposition            Verhindern von Entscheidungen. Davon abgesehen,
                                  zum Regierungspartner wahr genommen?                       wird für die Wählerinnen und Wähler, die sich nicht
                                  Katharina Schubert-Loy: 1999 hatten wir die                regelmäßig und intensiv mit der Politik in ihrer
                                  Chance, Kommunalpolitik verantwortlich mitzu-              Stadt auseinandersetzen, die Verantwortung für
                                  gestalten!                                                 bestimmte politische Entscheidungen undurchsich-
                                                                                             tig und kann nicht deutlich bestimmten Parteien
                                        Welche Erfahrungen der politischen                   zugeordnet werden. Es gibt aber noch weitere
                                  Einflussnahme habt ihr in der Opposition                   Nachteile. Manche Entscheidungen sind dem Zu-
                                  gemacht?                                                   fall überlassen, Politik ist weniger berechenbar.
                                  Katharina Schubert-Loy: Auch aus der Op-                   Das hat Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen
                                  position heraus war die grüne Politik immer                Bereiche.
                                  wirkungsvoll. Vielfach waren Grüne die Stimme
                                  von Bürgerinitiativen in den Räten und sorgten mit              Welche Vorteile haben wechselnde Mehrhei-
                                  beharrlichen Kampagnen für mehr Transparenz.               ten für die großen Fraktionen?
                                  Auch wenn die meisten Ratsanträge von Grünen               Katharina Schubert-Loy: Wechselnde Mehrhei-
                                  damals scheiterten, wurden manche später unter             ten machen es der größten Fraktion leichter, auf
                                  dem Logo einer großen Fraktion beschlossen.                Kompromisse zu verzichten und eigene Vorstel-
                                  Auch dadurch konnten – zwar im Schneckentem-               lungen eins zu eins umzusetzen, wenn sich ein
                                  po, aber immerhin – kleine politische Fortschritte         “Mehrheitsbeschaffer” finden lässt.
                                  erzielt werden.
                                                                                                   Wie gelingt es grüne Positionen möglichst
                                       Wo siehst du die Grenzen der Einflussnahme            wirkungsvoll zu vertreten?
                                  in der Opposition?                                         Katharina Schubert-Loy: Es lässt sich nicht
                                  Katharina Schubert-Loy: Für Grüne war es nicht             leugnen, dass es für uns Grüne von Vorteil ist,
                                  schwer, ein scharfes eigenes Profil nach außen zu          nach außen “klare Positionen” möglichst unver-
                                  zeigen. In der Regel waren gute Wahlergebnisse             wässert zu vertreten und nur solche Beschlüsse zu
                                  das Ergebnis. In politischen Kernbereichen wie der         ermöglichen, die unseren eigenen Vorstellungen
                                  kommunalen Finanzwirtschaft, der Ausrichtung               entsprechen.
                                  kommunaler Tochterunternehmen, die oft von                    Um die Politik in einer Kommune mittel- bis
                                  den Bürgerinnen und Bürgern nicht so deutlich              langfristig tatsächlich mitzugestalten und konti-
                                  wahrgenommen werden wie Einzelprojekte, die                nuierlich grüne Zielvorstellungen umzusetzen,
                                  Betroffenheit auslösen, ist ein deutlicher Einfluss        ist es sinnvoll, Koalitionen anzustreben, wenn
                                  aus der Opposition heraus aber kaum möglich.               sie möglich erscheinen. Eine deutliche Überein-
                                                                                             stimmung in Grundwerten ist dafür eine hilfreiche
                                        Waren wechselnde Mehrheiten für euch                 Basis, und diese Übereinstimmung gibt es in der
                                  auch eine Option?                                          Regel am ehesten zwischen Rot und Grün, jedoch
                                  Katharina Schubert-Loy: Wechselnde Mehrhei-                sind auf kommunaler Ebene auch schwarz-grüne
                                  ten zielen eher auf das kurzfristige Befördern oder        Koalitionen keine Seltenheit.

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Wo liegt das Fundament für eine langfristige     Katharina Schubert-Loy: Im Verlauf der Wahl-
Zusammenarbeit in einer Koalition?                     periode ist die Suche nach Kompromissen beina-
Katharina Schubert-Loy: Schon in den Verhand-          he tägliches Geschäft. Die finanzielle Notlage der
lungen über den Koalitionsvertrag, der sowohl die      meisten Kommunen erlaubt in der Regel keine
Regeln der Zusammenarbeit, die Richtlinien der         Kompensationsvereinbarungen. Nicht immer ge-
Politik für die Wahlperiode, kurzfristige Zielset-     lingt es, ohne Identitätsverlust für den einen oder
zungen wie personelle Vereinbarungen festlegt,         anderen gemeinsame Lösungen zu finden. In sol-
wird deutlich, wie groß Gemeinsamkeiten und            chen Fällen zahlt sich aus, wenn Regeln vereinbart
Unterschiede sind und wo sich “Sollbruchstel-          sind, wie mit Konflikten im Ernstfall umzugehen
len” befinden. Ein respektvoller Umgang der            ist. Häufig ist zum Beispiel vereinbart: “Lehnt einer
handelnden Personen miteinander – schon in den         der Partner eine Verwaltungsvorlage ab, wird diese
Koalitionsverhandlungen – ist eine entscheidend        gemeinsam abgelehnt.” Oder: “Anträge werden ge-
wichtige Voraussetzung dafür, dass das Bündnis         meinsam gestellt. Stellt ein Partner unabgesprochen
die Chance hat zu halten.                              einen Antrag, so kann dieser abgelehnt werden.”
                                                       Gerade wenn durch Entscheidungen aus Sicht der
     Wie bleibt die „Marke Grün„ in eine Koali-        Grünen das Wohl der Stadt in Frage gestellt wird
tionsvereinbarung erhalten?                            oder die politische Identität der Grünen grundle-
Katharina Schubert-Loy: Jede Partei hat ihre           gend tangiert wird, müssen sich Partei und Fraktion
“Markenzeichen”, die für das Stammwählerpo-            die Frage stellen, ob das Bündnis mehr Schaden
tenzial wichtig sind und die nicht zur Disposition     oder Nutzen bringt.
gestellt werden können, ohne dieses Stammwähler-
potenzial nachhaltig zu vergraulen. Dies gilt für            Wie gelingt die öffentliche Darstellung als
den großen und den kleinen Partner. Eine stabile       Duo nach Außen?
Koalitionsvereinbarung muss es ermöglichen, dass       Katharina Schubert-Loy: Sich gegenseitig in der
beide Partner nicht ihre Markenzeichen und damit       Öffentlichkeit zu kritisieren ist manchmal nötig,
Teile ihrer Stammwählerschaft verlieren.               aber der Zusammenarbeit nicht unbedingt zuträg-
                                                       lich. Da die Wählerinnen und Wähler ein Recht
       Ein Markenmix kommt in der Regel doch           darauf haben, unterschiedliche Standpunkte zu
nicht ohne Kompromisse aus. Wie seid ihr mit           erfahren, muss der Drahtseilakt gelingen, eigene
Konfliktthemen umgegangen?                             Standpunkte und notwendige Kompromisse dar-
Katharina Schubert-Loy: In einem Koalitions-           zustellen, ohne den Koalitionspartner bloßzustel-
vertrag sollen widersprüchliche Wahlaussagen,          len. Erfolge für sich alleine zu reklamieren, auch
Wünsche und Zielsetzungen nicht nebeneinander          wenn die Darstellung der Wahrheit entspricht, birgt
Platz finden. An dieser Stelle müssen Kompromisse      manchmal Sprengstoff für den Koalitionsfrieden.
gefunden werden, die nicht selten schmerzhaft für      Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen wird durch
den einen oder anderen sind, sonst wird der Kon-       Koalitionen durchaus erschwert.
flikt nur vertagt. Dissense sollten nur in extremen
Ausnahmefällen im Koalitionsvertrag festgeschrie-      Das Interview führte: Dunja Briese
ben werden. Bei uns wurde so ein Dissens 1999
in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben. Er
betraf den Weiterbau der DüBoDo, der allerdings
auf kommunaler Ebene ohnehin nicht mehr ver-
hindert werden konnte.

      Welche Aussagen zu personellen Zielvorstel-        +++ Stadtrat Bochum kurz und knapp +++
lungen sollte ein Koalitionsvertrag enthalten?
Katharina Schubert-Loy: Eine Koalitionsver-              Seit 2009 sind im Stadtrat von Bochum: die
einbarung muss auch personell sicher stellen,            SPD (38,9 %), die CDU (27,4 %), Bündnis
dass beide Partner im Verwaltungsvorstand ver-           90/Die Grünen (12,4 %), die FDP (7,7 %),
treten sind. Für Grüne ist es wichtig dabei Personen     Die Linke (6,9 %), die NPD (1,0 %) sowie die
vorzuschlagen, mit denen es deutliche politische         Wählergruppen Unabhängige Wählergemein-
Schnittmengen gibt und die über die notwendige           schaft Wattenscheid (3,5 %) und Soziale Liste
fachliche Qualifikation verfügen, um die Stelle zum      Bochum (2,1 %).
Wohle der Bürgerinnen und Bürger auszufüllen.            Die GRÜNEN sind seit der Kommunalwahl
                                                         2009 mit 10 Ratsmitgliedern vertreten. Der Rat
     Welche Regeln können zur Konfliktlösung             der Stadt hat derzeit 82 Mitglieder.
im täglichen Geschäft beitragen?

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Wie habt ihr das gemacht?

                              Ratskultur vor Ort

                              Die wesentlichen rechtlichen Elemente des politischen Handelns für Stadt- und Gemeinderäte sind in der Gemeinde-
                              ordnung geregelt. Die Ausführung wird durch kommunale Satzungen konkretisiert. Die Satzungshoheit obliegt den
                              Kommunen und deren Ausgestaltung den handelnden Akteuren. Forum Kommunalpolitik interessiert sich hier einmal für
                              die praktizierte Ratskultur vor Ort. Um Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuspüren haben wir VertreterInnen aus
                              Bergisch-Gladbach, Lemgo, Altena, Menden, Arnsberg und Alfter um ihre Stellungnahme gebeten.

                                   Wie ist die Zusammensetzung des Rates?               (Unabhängige Soziale Fraktion), 7 GAL, 6 SPD,
                                                                                        1 Einzelmitglied (Linke) und BM (SPD)
                              Bergisch Gladbach: Es gibt in dem 62 Personen             Arnsberg: 47 Mitglieder, davon 22 CDU, 15 SPD,
                              starken Rat sieben Fraktionen (und mittlerweile           5 FDP, 4 Grüne.
                              ein Einzelmitglied, vormals Linken-Fraktion).             Alfter: Ratsmitglieder: 15 CDU, 8 Grüne, 7 SPD,
                              Die CDU bildet mit 25 Sitzen die stärkste Fraktion        5 FDP, 4 Freie Wähler, 3 Unabhängige Wählerge-
                              vor SPD (16) und Bündnis 90/Die Grünen (8). Es            meinschaft, 1 Linke, 1 Fraktionslos.
                              folgen FDP (6), Freie Wähler (2), Kiditiative (2),
                              Bürger für Bergisch Gladbach/Die Linke (2).                     Wer regiert? Wer geht mit wem?
                              Lemgo: CDU 16 + Bürgermeister, SPD 13, Bürger
                              für Lemgo 7, Grüne 5 (4 + 1 Übertritt der Linkspar-       Bergisch Gladbach: CDU und FDP bilden ein
                              tei), FDP 4, ProNRW 1 (Einzelmitglied).                   Bündnis, das allerdings nur zusammen mit der
                              Altena: CDU, SPD, GRÜNE, FDP, Soziale und                 Stimme des Bürgermeisters eine (hauchdünne)
                              Demokratische Arbeitsgemeinschaft jeweils in              Mehrheit besitzt.
                              Fraktionsstärke, LINKE mit 1 RM                           Lemgo: Wechselnde Mehrheiten, offensichtliche
                              Menden: Aktuell (hier muss man ja täglich mit             Absprache bei Kernthemen zwischen CDU und
                              Änderungen rechnen): 21 CDU, 9 FDP, 8 USF                 SPD.
          Wo geht es lang?
    Der Weg zur politischen
Entscheidung ist dynamisch.

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Altena: CDU mit absoluter Mehrheit.                        Wie ist der organisatorische Ablauf zur
Menden: Die CDU hat 40 Prozent und braucht            Vorbereitung der Ratssitzung?
immer nur eine der anderen 4 Fraktionen für eine
Mehrheit. Da die anderen aber ein zu breites Spek-    Bergisch Gladbach: Vor einer Ratssitzung wird in
trum haben, kommt es nur alle paar Jahre mal vor,     der Fraktionssitzung vorberaten; davor wiederum
dass es eine Mehrheit aller gegen die CDU gibt.       haben in der Regel Fachausschüsse getagt, die
Arnsberg: Schwarz-grünes „Gestaltungsbündnis“         wiederum von Facharbeitskreisen der Fraktion
ohne feste Koalitionsbindung .                        vorbereitet und diskutiert worden sind.
Alfter: Es gibt keine festen Koalitionen, sondern     Lemgo: Fraktionssitzung am Donnerstag vorher,
wechselnde Mehrheiten, Absprachen mit verschie-       ggf. eine Stunde vor der Ratssitzung Treffen der
denen Fraktionen sind möglich.                        Ratsfraktion für informelle Absprachen.
                                                      Altena: Fraktionssitzung eine Woche vorher, Vor-
     Wie ist die Grünen-Geschäftsstelle personell     besprechung eine Stunde vorher.
besetzt?                                              Menden: Es findet eine Woche vor der Ratssitzung
                                                      am Montag eine so genannte Interfraktionelle Be-
Bergisch Gladbach: Es gibt eine Teilzeitstelle für    sprechung (IFB) statt – quasi ein Ältestenrat. Dann
eine Fraktionsgeschäftsführerin.                      liegt die Tagesordnung gerade vor, es werden Ab-
Lemgo: Eine Fraktionsgeschäftsführerin auf            läufe besprochen oder Hintergrundinformationen
Minijob-Basis, Fraktionsbüro in Kooperation mit       von Seiten der Verwaltung gegeben.
Wahlkreisbüro Ute Koczy.                              In der Fraktionssitzung direkt danach am Abend
Altena: Es gibt keine Geschäftsstelle.                und in der nächsten Woche direkt vor der Rats-
Menden: Mit einem Zuschuss vom OV können              sitzung können die Fraktionen dann intern alles
wir uns eine Geschäftsführung auf Honorarbasis        Nötige besprechen.
leisten, die Orga übernimmt, Pressetexte oder         Arnsberg: Kernfraktionssitzungen der Ratsmit-
Anträge in Form bringt, für die Fraktion die Inter-   glieder zur Vorbereitung der Fraktionssitzung, di-
netseite pflegt, die Fraktionskasse führt und einen   rekt vor der Ratssitzung i.d.R. weitere Vorbereitung
wöchentlichen Pressespiegel für die Fraktionsmit-     der Kernfraktion.
glieder erstellt. Dafür haben wir ca. 4 Stunden pro   Alfter: Es gibt nahezu jeden Montag eine öffentli-
Woche, die sich zwei Leute aufteilen, die jeweils     che Fraktionssitzung in einer Alfterer Kneipe.
weit mehr als drei Stunden machen.
Arnsberg: Eine Geschäftsführerin.                          Gibt es ratsbezogene Treffen/Besprechungen
Alfter: Keine Geschäftsstelle.                        mit anderen Parteien?

     Sind MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle        Bergisch Gladbach: Teilweise finden solche Tref-
in den Ausschusssitzungen anwesend?                   fen statt, gelegentlich gibt es sogar interfraktionelle
                                                      Arbeitskreise zu bestimmten Themen, an denen
Bergisch Gladbach: Nein.                              dann (fast) alle Fraktionen teilnehmen.
Lemgo: Nein. Nur bei Fraktionssitzungen.              Lemgo: Themen- und strategiebezogen (Antrag
Menden: Nein, auf Grund der geringen Stunden-         Nahmobilität mit SPD, Antrag Windkraft mit
zahl.                                                 BfL und SPD; Antrag Bildungskonferenz mit BfL
Arnsberg: Ja, immer in Rat und Haupt- und             und FDP; wiederholt erfolgreiche Antragstellung
Finanzausschuss, bei wichtigen Themen auch in         mit anderen Fraktionen gemeinsam). Ab und zu
Fachausschüssen.                                      Fraktionsvorsitzenden Runde beim Bürgermeister.
      Wie lange dauert eine Ratssitzung in der        Interfraktioneller AK zur Haushaltskonsolidierung
Regel?                                                in 2011.
                                                      Altena: Je nach Anlass, ja.
Bergisch Gladbach: Ein Durchschnittswert ist          Menden: Es gibt die Interfraktionelle Bespre-
um die drei Stunden. Natürlich gibt es deutliche      chung. Einige Ausschüsse (Schule, Kultur) haben
Abweichungen nach oben und nach unten.                einen zusätzlichen AK eingeführt, in dem kompli-
Lemgo: Zwei Stunden.                                  ziertere Materie für die Beratungen im Ausschuss
Altena: Zwei Stunden, manchmal auch drei              vorbereitet werden kann. Da die ohne Öffentlich-
Stunden.                                              keit stattfinden und nicht nach Parteigröße besetzt
Menden: Im Normalfall tagen wir von 17 bis ca.        sind, kann man da in kleinerer Runde auch mal
20 Uhr. In Ausnahmefällen kann es aber auch mal       offener reden und rumspinnen. Fest geplante oder
bis 22 Uhr dauern.                                    traditionell stattfindende Besprechungen mit an-
Arnsberg: Zwei bis drei Stunden.                      deren Parteien gibt’s nicht. Wenn, dann selten aus
Alfter: Drei bis vier Stunden.                        einem speziellen Anlass.

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Arnsberg: Ja, mit CDU, oft reicht auch telefoni-       Altena: Bürgerfragestunde zu Beginn und vor Ende
     sche Absprache                                         der Tagesordnung.
     Alfter: Sehr selten.                                   Menden: Neben dem Weg über Anregungen an
                                                            die Fraktionen oder die Verwaltung gibt es zwei
           Wie wird die Diskussion im Rat struktu-          übliche installierte Verfahrenswege: Sehr gerne
     riert? Gib es eine konkrete Reihenfolge bei den        werden in Menden so genannte Bürgeranträge
     Stellungnahmen? Gibt es Redezeitbegrenzun-             gestellt (nennt sich in der Gemeindeordnung wohl
     gen?                                                   Anregungen / Beschwerden). Davon hatten wir
                                                            2011 insgesamt 80 Stück, laut Umfrage der Ver-
     Bergisch Gladbach: Die Strukturierung in den           waltung der absolute Rekord im Vergleich zu allen
     Fraktionssitzungen wird durch die Fraktionsvor-        anderen dazu befragten Städten. Allerdings zählen
     sitzenden vorgenommen. Die Tagesordnungen              dazu auch alle Anträge, die von den Parteien (also
     von Rat und Ausschuss geben meist auch die             nicht Fraktion oder Ratsmitglied) gestellt werden.
     Reihenfolge der Diskussionspunkte vor, wobei           Bleiben aber trotzdem locker über 50.
     wichtige, herausragende Themen auch isoliert           In jeder zweiten Ratssitzung gibt es zu Beginn eine
     vorweg behandelt werden.                               „Fragestunde für Einwohner“. In der Regel gibt es
     Lemgo: Max. drei Stellungnahmen mit zehn Minu-         aber kaum Fragen – nur ein Bürger macht davon
     ten pro Person und TOP (Ausnahme Haushalt). Im         in jeder Sitzung, dann aber mit gleich mehreren
     Allgemeinen ist erst die große Fraktion am Wort.       Fragen, Gebrauch. Da die aber selten zielführend
     Antragsteller haben Erstrederecht.                     und konstruktiv gemeint sind, nimmt ihn keiner
     Menden: Die einzige Befristung ist eine Regelung       im Rat mehr wirklich ernst. Die Fragestunde haben
     in der GO: „Ein Redebeitrag soll zehn Minuten          einige Ausschüsse für sich übernommen.
     nicht überschreiten“. Eine Reihenfolge gibt es         Arnsberg: Es gibt Bürgeranträge von Einzelperso-
     nicht, es geht einfach nach Meldung. Von beidem        nen, die in die Fachausschüsse verwiesen werden.
     wird nur in Sonderfällen eine Ausnahme gemacht,        Der/die Antragsteller werden informiert über die
     bisher hab ich es nur bei den Haushaltsreden erlebt,   Sitzungen.
     dass es eine Reihenfolge gab und auch etwas mehr       Alfter: Über Bürgeranträge, die zunächst im
     Redezeit.                                              Haupt- und Finanzausschuss diskutiert werden. Zu
     Arnsberg: Bisher kaum Notwendigkeit für struk-         Beginn jeder Ratssitzung gibt es eine Bürgerfrage-
     turierende Maßnahmen außer einer Rednerreihen-         stunde, in der die Bürger Fragen an Bürgermeister
     folge, die sich meist einfach an der Fraktionsgröße    und Verwaltung richten können.
     orientiert.
     Altena: Es gibt eine Begrenzung der Redebeiträge
     auf maximal drei Beiträge pro Ratsmitglied. Die
     zeitliche Begrenzung der Beiträge ist zehn Minu-             Wie nutzt ihr das Instrument der Anfrage
     ten. In der Praxis spielt das keine Rolle!             politisch?
     Alfter: Diskutiert wird nach Eingang der Wort-
     meldungen, die Beiträge sind befristet auf drei        Lemgo: Vorbereitung späterer Anträge (Infor-
     Minuten.                                               mationsbeschaffung, Thema platzieren). Pres-
                                                            seaufmerksamkeit auf ein Thema lenken, eigene
         Wie werden bürgerschaftliche Interessen in         Position klar stellen. Bestimmte Informationen
     den Rat eingebracht?                                   öffentlich machen.
                                                            Altena: Um Informationen zu Themen zu bekom-
     Bergisch Gladbach: Es gibt regelmäßig eine Ein-        men, die uns beschäftigen. Gelegentlich geben wir
     wohnerfragestunde bei den Ratssitzungen sowie          Anfragen auch der Presse bekannt.
     einen gesonderten Ausschuss für Anregungen und         Menden: Anfragen gibt es als TOP am Ende jeder
     Beschwerden nach §24 GO NRW.                           Rats-/Ausschusssitzung. Theoretisch wäre es mög-
     Lemgo: Bürgerantrag oder Bürgeranregung.               lich, hier mit einem entsprechenden Vorlauf eine
     Einflussnahme durch Pressure-Groups (Vereine,          schriftliche Anfrage und dann auch eine schriftli-
     informelle Zirkel), Bürgermeister- und Partei-         che Antwort zu bekommen, macht aber eigentlich
     ensprechstunden. Konkrete Bürgerbeteiligungs-          niemand. Üblich ist es, hier nochmal mündliche
     verfahren existieren nicht, Bürgerbeteiligung          Fragen zu stellen zu Aspekten, die nicht schon
     am Haushalt (Grüner Antrag) nachträglich und           in der Tagesordnung behandelt wurden: „Wie ist
     stiefmütterlich organisiert. Ortsausschüsse für In-    eigentlich die Entwicklung zu …?“, „Mir ist in der
     teressen der Ortsteile. Die angebliche „Bürgerpar-     Stadt folgendes aufgefallen: …“, „Wann bekom-
     tei“ Bürger für Lemgo ist auf Partikularinteressen     men wir endlich …“. Das kann man natürlich gut
     fixiert. Leserbriefe in Monopolpresse.                 nutzen, um nachzuhaken oder auch mal schnell

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