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RUNDSCHAU Publikation der Pilotenverbände AEROPERS/SwissALPA • Nr. 4/ 2006 Verlängerung der Nachtflugsperre am Flughafen Zürich gefährdet Arbeitsplätze ■ Pilotenschulung bei der SWISS startet durch ■ Grosses Interview mit dem ehemaligen AEROPERS-Präsidenten Christoph Flügel
A Inhalt Liebe Mitglieder 2–4 Editorial 3 Liebe Mitglieder Höchste Gefahr für die SWISS 5–8 Mit dem GAV 2006 haben wir eine solide Basis für Wachstum und Kommentar 6 Perspektiven gelegt. Nicht alleine uns, sondern vor allem der «Ein interkontinentaler Flughafen schafft SWISS eröffnet dies Chancen für die Zukunft, aber auch für eine hochqualifizierte Arbeitsstellen» 8–9 Wende zu einer positiven Unternehmenskultur. Dafür erwarten Verabschiedung Christoph Flügel 10 – 11 wir, dass unsere Bedürfnisse auf Lebensqualität und ein verträgli- Interview mit Christoph Flügel – ches Sozialleben – speziell bei höherer Arbeitsbelastung – ernst «Es eröffneten sich unerwartete Horizonte» 11 – 15 genommen werden. Die nächsten Monate werden somit über die Gute Aussichten für junge Piloten 16 – 18 Tonalität in der Sozialpartnerschaft entscheiden. Ausbildungsphilosophie wie bei der SLS 19 – 20 Christian Frauenfelder, Präsident wie Nein-Stimmenden – starke Vorbe- Civilized thinking 21 halte bezüglich der Lebensqualität bei Kite-Surfen und Airbus-Fliegen auf Sri Lanka 22 – 23 Es freut mich den Arbeitsbedingungen vorhanden ausserordentlich, sind. In vielen Bereichen rennt ihr damit «Un pilote regarde d’abord le ciel!» 24 – 26 euch auch an die- bei mir offene Türen ein. Wir kommen Eindrücke vom ASAP-Meeting in Orlando 26 – 28 ser Stelle als neu- allerdings nicht darum herum, mehr zu er Präsident der arbeiten. Wir haben der SWISS eine Pro- Stiftung Kinderhilfe des Swissair-Personals 29 AEROPERS be- duktivitätssteigerung von zirka elf Pro- Vielen Dank für Dein Engagement! 30 grüssen zu kön- zent zugesagt. Dies haben wir verspro- Sieben Jahre Spezialisten-Einsatz nen. Mit der An- chen, und dies werden wir auch halten. für die AEROPERS 30 nahme des GAV Im Gegenzug erwarte ich von der SWISS 2006 am 20. Oktober konnte der Wech- aber, dass sie alles Mögliche unternimmt, Geld und Anlagen 31 – 32 sel im Präsidium und im Vorstand – wie um diese Mehrarbeit sozialverträglich Gelesen – Zeitreise – On the air 33 – 36 an der Generalversammlung im Mai be- und fair zu verteilen. Ob dies kurzfristig schlossen – vollzogen werden. Ich über Ausführungsbestimmungen (Ein- Seitenblicke 37 möchte mich nochmals für euer Ver- schränkungen bei der Planung) oder Termine & Mitteilungen – Diverses 38 trauen bedanken, das ihr mir persönlich neue Modelle (belastungsabhängig) bes- und dem Vorstand entgegenbringt. Mit ser umzusetzen ist, werden wir in den Insertionstarife 39 Christoph Flügel (Präsident) und Richard nächsten Monaten evaluieren. Im Ferien- Impressum Huber (Vorstandsmitglied) verlassen zwei bereich soll äquivalent eine verbesserte Herausgeber erfahrene Leute unser Verbandsschiff. Es Zuteilung und Eingabemöglichkeit durch AEROPERS / SwissALPA wird nicht einfach sein, die beiden zu er- ein neues Ferienmodell erreicht werden. Ewiges Wegli 10, 8302 Kloten setzen. Ohne sie stünde die AEROPERS Mittelfristig kommen wir aber nicht um Telefon 044 816 90 70, Fax 044 816 90 75 E-Mail aeropers@aeropers.ch nicht da, wo sie heute ist. Ich bin über- ein neues Planungssystem herum, wie zeugt, dass wir zusammen mit den bei- es andere Gesellschaften – zum Beispiel Redaktion E-Mail rundschau@aeropers.ch den «Rookies» Mario Achermann und die Lufthansa – schon haben. Wir brau- André Ruth, Redaktionsleiter Jürg Ledermann, Redaktor Roland Zaugg, Redaktor Christoph Ulrich, Geschäftsführer AEROPERS «Der Umstand, dass ihr langfristige Lukas Viglietti, Illustrationen Ständige Mitarbeiter: Perspektiven über kurzfristig persönliche Peter Küng («Civilized thinking») Zbigniew Bankowski («On the air») Viktor Sturzenegger («Gelesen») Nachteile gestellt habt, verdient Christoph Jordan («Zeitreise») Dieter Eppler (Ausland) Anerkennung.» Layout Kathrin Kreutzer, Akeret Druck AG Peter Schmid wieder ein schlagkräftiges chen ein modernes Planungssystem, Druck Vorstandsteam zusammen haben. Ge- das die Arbeit gleichmässiger verteilt, Akeret Druck AG, 8600 Dübendorf meinsam mit euch werden wir die kom- Mehrarbeit entlöhnt, aber auch ein stabi- Auflage menden Herausforderungen meistern. leres Sozialleben zulässt. Das Erfüllen 3000 Exemplare von Grundbedürfnissen – wie Freitage – Erscheinungsweise GAV und was jetzt? darf nicht mehr vom Zufall oder der «Ein- Viermal pro Jahr Cover vierfarbig, Innenseiten schwarz / blau Mit der Annahme des GAV habt ihr es gabevirtuosität» abhängen, sondern dem Vorstand ermöglicht, seine langfris- muss transparent und verlässlich mög- Inseratenannahme Akeret Druck AG, Druckerei am Lindenplatz tige Strategie von Arbeitsplatzsicherung lich sein. Was nützen «Hunderte von Wallisellenstrasse 2, 8600 Dübendorf und Wachstum umzusetzen. Der Um- Wunschmöglichkeiten», wenn ich nicht Telefon 044 801 80 10 stand, dass ihr langfristige Perspektiven weiss, ob ich den wichtigsten Wunsch Fax 044 801 80 11 akeret.ag@bluewin.ch über kurzfristig persönliche Nachteile ge- auch bekomme. Qualität vor Quantität ist www.akeret-ag.ch stellt habt, verdient Anerkennung. Mir ist gefragt. Wir werden in den nächsten Wo- Frontseite bewusst, dass bei vielen von euch – Ja- chen eine Umfrage starten, um eure An- © André Ruth Redaktionsschluss «Rundschau» 1/2007: 26. Februar
AEROP ERS liegen abzuklären. Nachdem mit dem sig damit umzugehen. Die SWISS hat es über der Firma. Mit Erstaunen müssen wir GAV das über allem stehende Grundbe- also in der Hand, bei der Umsetzung des feststellen, dass der Vorstand der SWISS dürfnis der Arbeitsplatzsicherheit gelegt GAV 2006 und der nachgelagerten Pro- Pilots nichts aus der unvernünftigen Poli- ist, gilt es nun, das Augenmerk auf die jekte einen Schritt in Richtung einer posi- tik der Vergangenheit gelernt hat. Eine Po- Verbesserung der Lebensqualität zu rich- tiven Unternehmenskultur zu gehen. Wir litik notabene, die zu einer Reduzierung ten. Wir werden die SWISS in den näch- werden in der gleichen Tonalität antwor- des ehemaligen Crossair-Korps auf bei- sten Monaten an ihrem Willen, hier kon- ten, wie die SWISS «in den Wald hinein- nahe einen Fünftel der Piloten im Regio- struktiv mitzuarbeiten, messen. Viel wird ruft». nalsegment geführt hat. Anstatt sich an bei der zukünftigen Sozialpartnerschaft vergleichbaren Bedingungen bei anderen davon abhängen, ob die SWISS uns mit Entwicklung im Regionalsegment europäischen Regionalpiloten (Flugzeug- «Erbsenzählerei», Bequemlichkeit oder Der Ausgang der Verhandlungen im Re- grösse bis 100 Plätze) zu orientieren, be- faulen Ausreden das Leben sauer macht. gionalsegment ist zum jetzigen Zeitpunkt harren die SWISS Pilots zum Beispiel auf Wir haben Ja gesagt zur Produktivitäts- (20. November) noch offen. Leider lassen gleichen Salären, wie wir sie bei der Air- steigerung, aber nicht zu einer Ver- sich für uns kaum Berührungspunkte für busflotte haben. Eine Durchsetzung sol- schlechterung des Soziallebens. Es kann ein vernünftiges Verhältnis zum Verband cher Forderungen würde das Regional- nicht im Interesse einer Firma sein, Zu- der SWISS Pilots finden. Eine zuneh- segment derart verteuern, dass eine stände wie im Regionalsegment zu ha- mende Radikalisierung verschärft das weitere Auslagerung oder Reduzierung ben. Faire Arbeitsverteilung und ein sta- Problem zusehends und verunmöglicht der Regionalflotte die Folge wäre. Der we- biles Sozialleben sind ein Pfeiler unserer ein – eigentlich vernünftiges – gemeinsa- nig durchdachte Streik im Oktober, die in- Motivation. Es wäre kurzsichtig, fahrläs- mes Auftreten aller SWISS-Piloten gegen- ternationale Isolierung, aber auch das Un- EDITORIAL Nachdem die Medien lange Zeit nur kri- 2006 angenommen. Christoph Flügel hat diese emotionale tisch über die SWISS berichtet und sogar de- Zeit als Abschluss seiner langjährigen Karriere bei der AERO- ren Ende vorhergesagt hatten, konnte der PERS erlebt. Er meint im Interview, das die «Rundschau» mit verhängnisvolle Trend unter deutscher Füh- ihm führte, dass er in den ersten Jahren seiner Verbandstätig- rung wieder nach oben korrigiert werden. Im keit nur mit Flottenabbau und Streichung von Arbeitsplätzen Jahr 2005 hat die SWISS kräftig Anlauf ge- zu tun. Um so glücklicher sei er nun, als Präsident einen Ver- holt und nun, zusätzlich beflügelt von der trag unterzeichnet zu haben, der dem Korps eine Zukunft mit starken Konjunktur, zu einem steten Steigflug Wachstum ermögliche. Je nachdem, wie gross und schnell angesetzt. Endlich kann sie den längst benötigten Ausbau der der Ausbau erfolgen wird, muss auch die Schulung von neuen Airbus-Flotte in Angriff nehmen. Bei der Verleihung der World Piloten kräftig gesteigert werden. Tom Bolli, der Leiter Swiss Travel Awards im Herbst dieses Jahres hat sie in verschiedenen Aviation Training, ist überzeugt, dass seine Schule für diese Kategorien den 1. Platz erzielt. Auch der Flughafen Zürich holte Aufgabe gerüstet ist und der SWISS Piloten mit ausgezeich- die Auszeichnung als «Europe’s Leading Airport». In verschie- neter Ausbildung wird übergeben können. Und sollte es bei denen Studien, die in dieser Zeit veröffentlicht wurden, wird der SWISS aus qualifikatorischen Gründen nicht klappen, so dem Wirtschaftsstandort Schweiz eine ausgezeichnete Form seien die Chancen auf einen Pilotensitz weltweit seit Jahren attestiert. Die ökonomische Bedeutung und die Wichtigkeit der nicht mehr so gut gewesen wie jetzt. Lesen Sie dazu mehr im Luftfahrt für dessen Attraktivität werden mit deutlichen Zahlen Bericht «Gute Aussichten für junge Piloten». untermauert. Alles paletti also? Wenn da nun neue Karrieren beginnen und junge Menschen Am 6. November unterstützte der Zürcher Kantonsrat vor- vom ersten Flug in einem SWISS-Cockpit träumen, so sind läufig eine Behördeninitiative, welche die Zahl der An- und Ab- aber auch schon viele glänzende Laufbahnen unverhofft und flüge auf dem Flughafen Zürich auf jährlich 320 000 begrenzen abrupt zu Ende gegangen. Wir schildern in dieser Ausgabe und die Nachtruhe von acht Stunden gesetzlich verankern will. zwei ganz unterschiedliche Lebensverläufe. Da ist einmal Mar- Welche dramatischen Konsequenzen eine derartige Ein- cel Bobay, der nach dem Grounding der Swissair gezwungen schränkung für die SWISS haben könnte, scheint den wenigs- war, sich einen anderen Arbeitgeber zu suchen. Auf Umwegen ten Ratsmitgliedern bewusst zu sein. Anstatt sich der berech- ist er nach Sri Lanka gelangt, wo er sich in einer malerischen tigten Fluglärm-Sorgen der Bevölkerung anzunehmen, hat der Kulisse seinen zwei grössten Hobbys hingeben kann: dem Kantonsrat vor, ebendiese Bevölkerung mit ganz ernsten wirt- Kite-Surfen und dem Airbus-Fliegen. Die zweite Geschichte schaftlichen und existenziellen Sorgen zu konfrontieren. Ro- handelt von Jef Duplain. Ein Hirnschlag beendete seine Kar- land Zaugg zeigt in seinem Bericht «Höchste Gefahr für die riere als Linienpilot von einem Moment auf den anderen. Lu- SWISS», dass die Verkürzung der Betriebszeiten am Flugha- kas Viglietti hat sich dieser sagenumwobenen Gestalt in einem fen Zürich ausgerechnet die nationale Fluggesellschaft am Le- persönlichen Interview genähert. In «Un pilote regarde d’abord bensnerv träfe. Laut Harry Hohmeister, Geschäftsleitungsmit- le ciel!» meint Duplain, angesprochen auf seinen Ruf, denn glied der SWISS, könnte die SWISS ihr interkontinentales auch: «On a raconté plein de trucs sur moi dont certaines bê- Streckennetz unter diesen Voraussetzungen nicht mehr wirt- tises. Par exemple, je n’ai jamais volé avec des chaussettes schaftlich betreiben. Ein radikaler Flottenabbau mit allen weit- rouges. Je les portais uniquement en sortie.» reichenden Folgen wäre unausweichlich. Der Motor des Flug- hafens käme zum Stocken. Es würde unheimlich ruhig um Ich wünsche gute Unterhaltung! Zürich herum. Im positiven Sinn ist es ruhig um die Airbus-Piloten gewor- Jürg Ledermann den. Nach einem hitzigen Abstimmungskampf wurde der GAV Rundschau 4 I 2006 3
INTERN / V E R BA ND vermögen des Vorstands, aus eigener Kraft Verhandlungen zu führen, lassen für die Regionalpiloten nichts Gutes ahnen. Das unprofessionelle Verhalten der SWISS Pilots führt einzig dazu, dass das Berufs- bild aller Piloten in der Schweiz unnötig Schaden leidet und weitere Regionalpilo- ten ihre Arbeitsstelle verlieren könnten. Politik Nachdem unsere Kapazitäten in den letzten Monaten weitgehend für unseren GAV gebunden waren, müssen wir uns wieder intensiv externen Faktoren zu- wenden, welche unsere Existenz nach- haltig beeinflussen: Flughafenpolitik und internationale Zusammenarbeit. Die Luft- fahrtpolitik um den Flughafen Zürich bleibt ein trauriges Kapitel. Institutionen wie BAZL und skyguide schieben einan- der lieber gegenseitig den Schwarzen Peter zu und verstecken sich hinter Para- grafen, anstatt endlich pragmatische Lö- Christian Frauenfelder blickt als AEROPERS-Präsident entschlossen in die Zukunft. sungen für ein effizientes Anflugregime zu Foto: André Ruth finden (beispielsweise 10 NM Abstand bei Start Piste 16 und Landung Piste 14). zur Konzernstruktur bilden. Sonst sind Brandung der schweizerischen Zivilluft- Solche Zustände, die ohne vernünftigen wir als Juniorpartner schnell ausgespielt, fahrt etabliert. So soll es auch in Zukunft Sicherheitsgewinn oder Lärmentlastung und unsere Machtstellung im Hause bleiben. Wir sind der einzige Pilotenver- zur Verhinderung von effizientem Flug- SWISS nützt nicht viel. Wir sind – speziell band in der Schweiz mit einem GAV. Ein verkehr führen, gehören in eine Bana- mit der Vereinigung Cockpit – auf gutem bisschen Ruhe dürfen wir uns nach den nenrepublik und nicht in die hoch ent- Weg, denn es sitzen da zwei Partner am letzten turbulenten Jahren gönnen, aus- wi-ckelte Schweiz. Am heissen Eisen Tisch, die sich gegenseitig respektieren ruhen dürfen wir uns aber nicht. Wir sind «Luftfahrtpolitik» will sich kaum ein Politi- und denen es bewusst ist, dass ein Ge- und bleiben im schwierigen «Airline-Ge- ker die Finger verbrennen. Viel lieber pro- geneinander langfristig nur dem Arbeit- schäft». Wir haben dies am eigenen Leib filieren sie sich als indifferente Gegner geber nützt. Es gilt jetzt, die guten Kon- erfahren, und das Beispiel Austrian Air- des Flughafens, ohne dabei merken zu takte zu intensivieren und auszubauen. lines führt es uns auch wieder vor Augen. wollen, dass der Flughafen Zürich eine Ans Auf und Ab müssen wir uns gewöh- nationale Bedeutung als Wirtschaftsmo- Zukunft nen. Umso wichtiger ist ein starker, stabi- tor hat. Bei der Flughafendiskussion Fast alle Indikatoren stehen bei der lisierender Faktor wie die AEROPERS. scheinen die Parteigrenzen durch geo- SWISS im grünen Bereich. Nach Jahren Ein starker, mächtiger Verband im Hause graphische Interessen aufgelöst zu sein. des Darbens und der Ungewissheit ha- SWISS ist zusammen mit einer guten Wir müssen alles daran setzen, dass die ben wir fünf Jahre nach dem Grounding Vernetzung unsere einzige Garantie, Luftfahrtpolitik nicht nur auf Fluglärm re- wieder die Chance auf Perspektiven und dass wir auch in zukünftigen Auseinan- duziert wird. Bei der Plafonierungsinitia- eine Zukunft im Airline-Business. Wir sind dersetzungen und Schwierigkeiten nicht tive geht die Hauptgefahr klar von der im Steigflug, und darüber dürfen wir uns unter die Räder kommen. «Hart, aber fle- Ausdehnung der Nachtruhe und weniger auch einmal freuen. Wir müssen wieder xibel» muss unser Motto sein. Geschlos- von der Begrenzung der Flugbewegun- lernen, von der Negativmentalität der senheit und Entschlossenheit sind unser gen aus. Eine Annahme dieser Initiative letzten fünf Jahre wegzukommen und es einziges, dafür aber wirkungsvolles Mit- würde den Flughafen Zürich zu einem wagen, positiv zu denken. Kritisch dürfen tel. Nur zusammen sind wir stark. Für un- bedeutungslosen Provinzplatz degradie- wir bleiben, aber nicht als Dogma, son- sere Anliegen und Interessen brauchen ren (siehe den Artikel «Höchste Gefahr für dern dort, wo es angebracht ist. Positive wir alle, Befürworter und Gegner des die SWISS» von Roland Zaugg). Der Gedanken müssen wieder Platz haben. GAV. Unter dem Schirm der AEROPERS Schaden wäre kaum mehr reversibel. Lasst uns die wirklich positiven Dinge haben alle ihren Platz. Schliesslich haben Immer wichtiger für unsere Zukunft auch positiv sehen! Wir haben viel erlebt, wir alle das gleiche Ziel: einen sicheren wird die internationale Zusammenarbeit, aber auch viel erreicht. Das nötige Glück Arbeitsplatz zu bestmöglichen Bedin- speziell mit der Vereinigung Cockpit. Mit des Tüchtigen stand uns meist zur Seite. gungen. Ich freue mich, diesen Verband der Übernahme durch die Lufthansa er- Wir können und dürfen wieder vorwärts über die nächsten Jahre führen zu kön- öffnen sich grosse Chancen, aber auch schauen. Freuen wir uns doch wieder nen, und danke euch für eure Unterstüt- Gefahren. Nach der Eingliederung in den mehr über unseren – immer noch unver- zung. Konzern und durch den globalen Wett- gleichlichen – Beruf. bewerb sind wir in einem Haifischteich. Die SWISS befindet sich im Steigflug, Wir müssen uns weiterhin gut vernetzen hat aber noch nicht die sichere Reiseflug- und mit befreundeten Verbänden wie der höhe erreicht. Das gleiche gilt für uns als Vereinigung Cockpit ein Gegengewicht Verband. Wir haben uns als Fels in der 4 Rundschau 4 I 2006
AEROP ERS tären einen profitablen Flug machen. Dar- Höchste Gefahr aus folgt: Die SWISS – wie übrigens auch die Lufthansa! – kann ihr interkontinenta- für die SWISS les Streckennetz nur mit Hilfe von Umstei- gepassagieren wirtschaftlich betreiben. Früh am Morgen setzt sich die erste Mehrere Initiativen fordern eine Ausdehnung des Nachtflugver- Abflugwelle in Zürich aus Flügen in die bots in Zürich. Das würde die Existenz der SWISS als Netz- verschiedenen europäischen Geschäfts- Carrier und des Flughafens Zürich als Drehscheibe in höchstem zentren zusammen, zum Beispiel nach Hamburg, Berlin, Paris oder London Mass gefährden, wie Harry Hohmeister, der Netzwerk- und Ver- (siehe Grafik 2). Diese Flüge müssen, so triebs-Chef der SWISS, in einem Gespräch darlegt. Hohmeister, spätestens etwa um 9 Uhr am Zielort ankommen. Sonst hätten die Text: Roland Zaugg rich die Passagierverteilung, mengen- Schweizer Geschäftsleute, für die diese mässig geordnet nach Herkunftsort, un- erste Europa-outbound-Welle von zen- Die SWISS ist besorgt über die Ent- gefähr wie in Grafik 1 aussehen könnte. traler Bedeutung ist, danach nicht genü- wicklung am Flughafen Zürich. In der Ein grosser Teil – zwischen 40 und 50 Pro- gend Zeit für ihre Tagesgeschäfte im «Handelszeitung» vom 27. September zent – sind Lokalpassagiere, die in Zürich Ausland. Das bedeutet aber: Die erste liess sich ihr Sprecher Jürg Dinner fol- einsteigen. Der Rest sind Umsteigepas- Abflugwelle am Morgen muss zwingend gendermassen zitieren: «Würden die sagiere aus vielen europäischen oder so- um etwa 7 Uhr beginnen. Rahmenbedingungen weiter verschärft, insbesondere wenn die Nachtruhe länger dauert als sieben Stunden oder eine Pla- «In München besteht eine Lärmkontingent- fonierung eingeführt würde, wäre es für die SWISS nicht mehr möglich, das be- Regelung, die Flüge in der Nacht nicht stehende Netzwerk von Zürich aus zu betreiben.» – Der wirtschaftliche Einsatz grundsätzlich verbietet, sondern eine Kombi- der SWISS-Flotte wäre gefährdet. Diese Behauptungen wiegen schwer, nation aus Lärm und Zahl von Bewegungen wurden aber im Beitrag der «Handelszei- tung» nicht weiter ausgeführt. Wir haben limitiert: Sind die Flugzeuge leiser, dann sind uns deshalb Anfang Oktober an Harry Hohmeister gewandt und ihn gefragt, ob mehr Bewegungen erlaubt.» er sie beweisen könne. Dabei konzen- trierten wir uns auf die Ausdehnung der gar interkontinentalen Ursprungsorten, In Zürich beginnt der Flugbetrieb aktuell Nachtflugsperre, einer Sperre, die mittels wobei oft Genf nach Zürich an zweiter um 6 Uhr. Um diese Zeit treffen die ersten einer Behördeninitiative auf acht und in Stelle kommt. Zählt man auf Grafik 1 die Langstreckenflüge der SWISS ein. Wenn der Volksinitiative «für eine realistische Passagierzahlen von links nach rechts zu- nun die Nachtflugsperre am Morgen um Flughafenpolitik» («Plafonierungsinitia- sammen, kommt man irgendwann (hof- eine Stunde verlängert würde, die erste tive») sogar auf neun Stunden ausge- fentlich) über die Linie hinaus, ab welcher «Interkont-inbound-Welle» neu also erst dehnt werden soll. der Flug rentabel wird. Diese Linie ist in nach sieben Uhr in Zürich landen könnte, den letzten Jahren im Zusammenhang mit dann würden deren Umsteigepassagiere Ohne Umsteigepassagiere der Luftfahrt-Liberalisierung nach rechts den Anschlussflug in der ersten Europa- rentiert es nicht gewandert. Oft sind es sogar erst die «al- outbound-Welle verpassen – sofern die Laut Hohmeister ist es so, dass auf lerletzten» paar Umsteigepassagiere ganz Kurse der Langstreckenwelle überhaupt einem typischen Langstreckenflug ab Zü- rechts auf der Grafik, die aus einem defizi- um eine Stunde verschoben werden könnten und nicht gestrichen werden müssten. Die Startzeit kann nämlich einen grossen Einfluss auf die Attraktivität eines Kurses haben. Ganz sicher würde aber die Auslastung der frühmorgendlichen Abflugwelle massiv einbrechen, sind doch heute ungefähr 40 Prozent davon Umstei- gepassagiere, die mit der ersten An- kunftswelle in Zürich eintreffen. Die Euro- pa-Flugzeuge der SWISS wären dann viel zu gross, und ausserdem müssten die nach 7 Uhr in Zürich eintreffenden Um- steigepassagiere auf eine neue Zwischen- abflugwelle umgelagert werden, die um etwa 8 Uhr beginnen müsste. Man bucht ja nicht den Flug über Zürich, wenn man Grafik 1: Typische Passagierverteilung auf einem Langstreckenflug nach Ursprungsort der dort stundenlang auf den Anschluss war- Passagiere (schematisch). ten muss. Rundschau 4 I 2006 5
AE den aktuell rund 80 SWISS-Kurse pro Flughafen Uneingeschränkte Generelle Woche am Morgen zwischen 6 und 7 Betriebszeiten Nachtflugsperre Uhr. Etwa zwei Drittel davon sind Inter- Amsterdam 06.00 – 23.00 Nein * kontinentalkurse, zum Beispiel aus Jo- Brüssel 24 Stunden Nein * hannesburg, Bangkok/Singapur oder Frankfurt 05.00 – 23.00 Nein *, Lärmquoten Mumbai. Dazu kommen weitere Kurse von anderen Fluggesellschaften. Kopenhagen 06.00 – 23.00 Nein * London Heathrow 07.00 – 23.00 Nein *, Lärmquoten Lärmquoten in München Madrid 07.00 – 23.00 Nein * oder Frankfurt Mailand 06.30 – 23.30 Nein * Schon heute weist der Flughafen Zü- rich laut Hohmeister eine restriktive, sie- München 06.00 – 22.00 Nein *, Lärmquoten benstündige Planungssperre auf: Zwi- Paris Charles de Gaulle 06.00 – 23.15 Nein * schen 23 und 6 Uhr dürfen in Zürich Wien 05.00 – 21.30 Nein * keine Linienflüge geplant, das heisst in Zürich mit Initiative 07.00 – 22.00 22.00 – 07.00 den offiziellen Flugplan aufgenommen werden. Sollte nun das allgemeine *mögliche Restriktionen für bestimmte Lärmklassen und Anzahl der Bewegungen Nachtflugverbot in Zürich auf acht oder Zürich stünde mit einer generellen Nachtflugsperre auf verlorenem Posten. sogar neun Stunden ausgedehnt wer- den, wie das mit der Behörden- bezie- Eine bisher mit grösseren, wettbe- ebenfalls im Widerspruch zu den Absich- hungsweise mit der Plafonierungsinitia- werbsfähigen Europa-Fliegern einfach ten der Initiativen stünde. Die Zusatzwelle tive angestrebt wird, würde Zürich im geführte Welle müsste also neu doppelt am Morgen würde natürlich hinfällig, internationalen Vergleich definitiv ausser und mit kleineren, pro Sitzplatz wesent- wenn die Interkon-inbound-Welle gar Rang und Traktanden fallen, wie die Ta- lich teureren Flugzeugen geführt werden. keine Umsteigepassagiere hätte. Dann belle zeigt (Quelle: Unique/ADV). Eine solche Frequenzverdoppelung bei wären jedoch, wie oben dargelegt Auf anderen europäischen Flughafen- gleicher Nachfrage wäre für die SWISS wurde, die meisten Flüge dieser Welle Drehscheiben würde die Bevölkerung in wirtschaftlich nicht tragbar und im Hin- unrentabel. Man kann es also drehen der Nacht ebenfalls geschont, jedoch blick auf die ebenfalls drohenden Bewe- und wenden, wie man will: Auf dem Flug- nicht mit einem allgemeinen Nachtflugver- gungsbeschränkungen in Zürich ein hafen Zürich muss man spätestens um 6 bot, fährt Hohmeister fort. So besteht kompletter Unsinn – die positive Entwick- Uhr morgens landen können, sonst erle- zum Beispiel in München seit 2001 eine lung hin zu mehr Passagieren pro Flug- digt sich das Thema SWISS als Netz- Lärmkontingent-Regelung, die Flüge in bewegung, die in Zürich seit einiger Zeit Carrier beziehungsweise Zürich als Dreh- der Nacht nicht grundsätzlich verbietet, feststellbar ist, würde so torpediert. Zu- scheibe sozusagen schon in den frühen sondern eine Kombination aus Lärm und dem gäbe es wesentlich mehr Lärm, was Morgenstunden. Laut Hohmeister lan- Zahl von Bewegungen limitiert: Sind die K O M M E N TA R Sein oder Nichtsein Harry Hohmeisters Ausführungen bewei- GmbH, die 2005 im Auftrag des Bundesamts für Zivilluftfahrt sen, dass es bei der Plafonierungs- und der erstellt worden ist, wird die Nachfrage nach Luftverkehr in der Behördeninitiative nicht «nur» um eine bescheidene Ein- oder Schweiz weiter wachsen. Intraplan rechnet damit, dass die Beschränkung der Bewegungszahl auf dem Flughafen Zürich Zahl der Flugreisen, die auf einem Schweizer Flughafen ent- geht. Es geht vielmehr um die grundlegende Frage, ob man der weder anfangen oder enden, von 2004 bis 2020 jährlich um SWISS die Luftzufuhr wieder abdrehen will, nachdem sie erst 3,1 Prozent zunehmen wird. Das entspricht einer Zunahme jüngst dank grosser und zum Teil mehrfacher Opfer von Mitar- bis 2020 von über 60 Prozent. Noch interessanter ist jedoch beitern und Zulieferern endlich die schwarzen Zahlen erreicht die Tatsache, dass die Zahl der Geschäftsreisen laut Intra- hat. Und es geht ebenso darum, ob man dem Flughafen Zürich, plan in diesem Zeitraum «nur» um 2,1 Prozent jährlich anstei- der eine interkontinentale Drehscheibe sein soll, ein Korsett an- gen wird. Überdurchschnittlich wachsen wird dagegen die legen will, das einen solchen Betrieb unmöglich macht. Zahl der «sonstigen Privatreisen» (Kurzreisen, Verwandten- Die Folgen einer Umsetzung der Initiativen wären auf jeden und Bekanntenbesuche, Verkehr zwischen Wohnsitzen und Fall dramatisch, auch wenn man das genaue Ausmass der wirt- so weiter), nämlich um 4,7 Prozent pro Jahr. Bis 2020 ent- schaftlichen Auswirkungen kaum mit mathematischer Präzision spricht das mehr als einer Verdoppelung gegenüber den voraussagen kann. Vielleicht lohnt es sich deshalb, kurz innezu- Zahlen von 2004. Harry Hohmeister bestätigt diesen Trend: halten und einfach einmal nachzuschauen, wie viele Passagiere «Wir wachsen im Freizeitverkehr stärker als im Geschäftsrei- den Flughafen Zürich nicht zum Umsteigen, sondern entweder severkehr.» als Ausgangs- oder Endpunkt ihrer Flugreise benützen: Von Ja- Es sind also nicht nur «die anderen», die den Flughafen im- nuar bis Ende September 2006 waren es laut Statistik von Uni- mer mehr beanspruchen, wie das in den Diskussionen allzu que knapp zehn Millionen Lokalpassagiere. Und geht der Trend oft behauptet wird. Wir alle sind es! Das sollten wir ebenfalls so weiter, wird diese Zahl bis Ende Jahr ungefähr auf 13 Millio- bedenken, wenn es zu einer Abstimmung über eine der Flug- nen anwachsen. Eine stolze Zahl! hafeninitiativen kommen sollte. Laut «Nachfrageprognose über die Entwicklung des Luft- verkehrs in der Schweiz bis 2030» von Intraplan Consult Roland Zaugg 6 Rundschau 4 I 2006
AEROP ERS dam würden sechs solcher Wellen ge- flogen, und in Paris sei man gar auf dem Weg zu einem Acht-Wellen-System, so Hohmeister. Da die Schweiz eine gute Lage in Zen- traleuropa hat, fördert die Wellenstruktur auch den effizienten Einsatz der SWISS- Flugzeuge. Diese schwärmen am Mor- gen mit der ersten Europa-Abflugwelle in alle Himmelsrichtungen aus, kehren mehrheitlich im Laufe des späten Vormit- tags in der nächsten Ankunftswelle wie- der zurück, schwärmen dann erneut aus – und so weiter bis am späten Abend. Laut Hohmeister bringen es die im Grafik 2: Schematische, vereinfachte Darstellung der Wellenstruktur des SWISS-Flugplans in Europa-Verkehr eingesetzten Flugzeuge Zürich. der SWISS in diesem Vier-Wellen-Sy- stem auf durchschnittlich etwa zehn Flugzeuge leiser, dann sind mehr Bewe- wäre. Einige müssten vermutlich ersatzlos Flugstunden pro Tag. Müsste nun der gungen erlaubt. In einer sogenannten gestrichen werden. Konkret geht es um Flugbetrieb bereits um 22 Uhr oder sogar Kernzeit sind nur Postflüge, Landungen rund 60 SWISS-Flüge pro Woche, wovon schon um 21 Uhr eingestellt werden, aus Sicherheitsgründen und speziell etwa die Hälfte tatsächlich Interkontinen- würde in Zürich am Abend ein sogenann- bewilligte Flüge möglich. Gegen die talkurse sind, zum Beispiel nach Hong- ter Knoten wegfallen. Es ist nämlich auch Münchner Lärmquotenregelung sind Kla- kong, São Paulo oder Tel Aviv. nicht möglich, die vier Wellen zeitlich um gen erhoben worden. Sie wurden aber eine oder sogar zwei Stunden zu stau- abgelehnt mit der Begründung, der Be- Vier Wellen sind zwingend nötig chen; Europa kann ja nicht einfach ver- darf an Nachtflügen sei «in nicht zu bean- Noch gravierender wäre im Falle eines kleinert werden. Mit dem Wegfall des standender Weise ermittelt» worden. Laut solch frühen Betriebsschlusses in Zürich letzten Knotens würde aber die Zahl der br-online.de waren im Jahr 2005 in Mün- aber die Tatsache, dass dadurch die fili- Umsteigewellen von vier auf drei redu- chen rund 30 Prozent der Nachtflüge auf grane Wellenstruktur des SWISS-Flug- ziert und als Folge davon auch die durch- Verspätungen zurückzuführen – ein deut- licher Hinweis auf die Problematik einer starren, generellen Nachtflugsperre. «Auf dem Flughafen Zürich muss man Da der Flugbetrieb in Zürich spätestens um 6 Uhr früh beginnen muss, müsste er spätestens um sechs Uhr morgens landen im Fall der Annahme einer der beiden Initiativen abends um 22 Uhr (Behörden- können.» initiative) oder sogar schon um 21 Uhr plans zerstört würde. Diese Wellenstruk schnittliche tägliche Betriebszeit der (Plafonierungsinitiative) wieder eingestellt tur ist eine Folge der Tatsache, dass die SWISS-Europa-Flieger um etwa 25 Pro- werden. Das hätte laut Hohmeister gra- SWISS nur dann für Umsteigepassa- zent vermindert, so Hohmeister: Statt vierende Konsequenzen. Erstens müss- giere attraktiv ist, wenn die Umsteigezei- zehn Stunden am Tag könnten die ten dann abends die Interkont-outbound- ten in Zürich nicht allzu lang sind. Die Europa-Flieger der SWISS nur noch etwa Welle und bei Annahme der Plafonie- Flugzeuge müssen deshalb alle mehr siebeneinhalb Stunden täglich eingesetzt rungsinitiative sogar ankommende Euro- oder weniger zur gleichen Zeit ankom- werden. Das würde die Produktion derart pakurse gestrichen werden (siehe Grafik men und etwas später wieder innerhalb verteuern, dass der wirtschaftliche Ein- 2) – Kurse notabene, auf die die Schwei- einer beschränkten Zeitspanne starten satz der Europa-Flieger nicht mehr mög- zer Geschäftsleute für ihre Heimreise (siehe Grafik 2). Die SWISS betreibt in lich wäre. nach den Auslandmeetings am dringend- Zürich vier Hauptwellen. In Frankfurt Die generelle Nachtflugsperre in Zürich sten angewiesen sind. Können die Flüge (siehe Grafik 3), München oder Amster- beschränkt laut Hohmeister auch das der letzten Europa-inbound-Welle zwar noch durchgeführt werden, danach aber keine Abflüge mehr, weil der Flughafen um 22 Uhr schliesst, ergibt sich zweitens ein ähnliches Problem wie schon am Mor- gen: Es fehlen dann auf der abendlichen Ankunftswelle in Zürich die Umsteigepas- sagiere für die entfallende letzte Interkont- outbound-Welle (siehe Grafik 2). Die Eu- ropa-inbound-Wellet davor wäre deshalb nur noch schlecht ausgelastet. Auch am Abend könnten nicht alle Kurse, die aktu- ell zwischen 22 und 23 Uhr in Zürich star- ten, beliebig vorgezogen werden, ohne dass ihre Wirtschaftlichkeit gefährdet Grafik 3: Knoten und Wellen in der Lufthansa-Drehscheibe Frankfurt. Rundschau 4 I 2006 7
AE Frachtgeschäft, das weltweit hauptsäch- lich nachts stattfindet. Es entfällt deshalb bereits heute ein mögliches Standbein «Ein interkontinentaler für den Flughafen, das die Infrastruktur- kosten mittragen und so die Flugpreise Flughafen schafft für die Passagiere verbilligen könnte. Hohmeister ist überzeugt, dass eine Ver- schärfung des Nachtflugregimes das hochqualifizierte Frachtgeschäft weiter einschränken und die Passagierflüge ab Zürich verteuern würde. Er vergleicht das mit einer Zei- Arbeitsstellen» tung, die die Abonnementspreise für die Leser erhöhen muss, wenn das Inserate- Fragen: Roland Zaugg es doch, unbedingt die möglichen Aus- volumen zurückgeht. wirkungen auf die nächste oder sogar Fazit: Würde die generelle Nachtflug- «Rundschau»: Haben Sie kein Ver- übernächste Generation zu berücksichti- sperre in Zürich nach einer Annahme der ständnis für die Fluglärmsorgen der Be- gen. In Deutschland scheint aber das Be- Behörden- oder der Plafonierungsinitia- völkerung? wusstsein weiterentwickelt zu sein, dass tive weiter ausgedehnt, dann könnten Harry Hohmeister: Doch, selbstver- ein interkontinentaler Flughafen eine sowohl die SWISS als auch der Flugha- ständlich hab ich Verständnis dafür. Was Vielzahl hochqualifizierter Arbeitsstellen fen Zürich in der heutigen Form nicht ich allerdings nicht ganz begreife, ist die schafft. Das mag damit zu tun haben, mehr betrieben werden. Die SWISS wäre Tatsache, dass Eisenbahn- oder Auto- dass Arbeitsstellen in Deutschland ange- kein Netz-Carrier, der Flughafen Zürich lärm weniger schlimm sein sollen als sichts der hohen Arbeitslosenrate generell keine Drehscheibe mehr. Welche gravie- Fluglärm, auch wenn sie objektiv lauter wichtiger sind als hierzulande. Aber wie renden Konsequenzen dies für die Re- sind. Es geht doch in allen drei Fällen um dem auch sei: Den Deutschen ist auf je- gion Zürich hätte, zeigen mehrere Stu- Mobilität, etwas Zentrales für eine mo- den Fall klar, dass eine interkontinentale dien über die wirtschaftliche Bedeutung derne Gesellschaft. Flugdrehscheibe nachts nicht mit einer des Hubs Zürich. Kein Wunder, dass sich generellen Sperre belegt werden kann, auch der deutsche Verkehrsminister «RS»: Sie sind Deutscher. Würde die sondern dass es eine andere Form des Wolfgang Tiefensee vehement für den Zürcher Fluglärmdebatte in Ihrer Heimat Lärmschutzes für die Bevölkerung Ausbau der Flugverkehrsdrehscheibe anders aussehen? braucht, zum Beispiel Schallschutzmass- einsetzt – sofern es sich dabei nicht um H.H.: Schwierig zu sagen, denn erst nahmen und Lärmquoten wie in Mün- Zürich, sondern um Frankfurt handelt. einmal wehren sich ja auch die Deutschen chen. Überhaupt München: Wenn ich mir Dort sind nämlich laut Tiefensee eine gegen den Fluglärm. Diese Verlangsa- in Erinnerung rufe, womit dort 1992 be- weitere Landebahn und ein zusätzlicher mung des ganzen Genehmigungsprozes- gonnen wurde, was dort 1990 noch Terminal «ein Gebot der Stunde». ses hat übrigens auch eine gute Seite, gilt stand, dann ist das nichts anderes als 8 Rundschau 4 I 2006
AEROP ERS staunenswert. Man scheint erkannt zu ha- laufend, insbesondere die sogenannten H.H.: Im Moment wachsen wir im Um- ben, dass ein Luftverkehrsdrehkreuz eine MIDT-Zahlen, die uns darüber Auskunft steigerverkehr doppelt so schnell wie im wichtige Sache ist. geben, wie viele Passagiere jeden Tag Lokalverkehr und sind so erfolgreich wie aus Zürich nach Peking fliegen – sei das nie. Die Umsteigerquote allein ist aller- «RS»: Machen es die Deutschen also nun über Frankfurt, Paris, München oder dings kein Erfolgsparameter, genauso besser? irgendeinen beliebigen anderen Umstei- wenig, wie der Sitzladefaktor oder der H.H.: Ich würde mich hüten, so etwas geort. Denn direkt geht das ja nicht. Im Yield für sich allein eine Bedeutung hat. zu behaupten. Der Blick über die Grenze, Moment kommt man auf total etwa 30 bis Alle Parameter zusammen müssen stim- nach Deutschland, verheisst ja keines- 35 Passagiere pro Tag. So gross kann men und auf die Markt- und Kosten- wegs nur Gutes. also auch die volkswirtschaftliche Bedeu- struktur ausgerichtet werden. Den idea- tung der Strecke Zürich–Peking gar nicht len Umsteigeverkehrsanteil an sich gibt «RS»: Im «Bericht über die Luftfahrtpo- sein. Natürlich gibt es daneben die umge- es also nicht. litik der Schweiz 2004» des Bundesrates gibt es eine interessante Stelle, die ich kurz zitieren möchte: «Die SWISS fliegt «Grundsätzlich ist es so, dass wir dorthin (…) diverse Interkontinentaldestinationen an, die sowohl nach volks- als auch nach fliegen, wo wir Geld verdienen können, und betriebswirtschaftlichen Kriterien sinnvoll sind und somit einen wesentlichen Bei- das können wir in erster Linie dort, wo es trag zur interkontinentalen Anbindung der Schweiz leisten. Allerdings hat sie ausreichend Lokalverkehr hat.» aus betriebswirtschaftlichen Gründen volkswirtschaftlich sinnvolle Destinatio- kehrte Richtung, das sogenannte Inco- nen streichen müssen (z.B. Peking, New ming-Geschäft. Aus eigener Tour-Opera- «RS»: Kürzlich ist die Clickair, ein spa- Delhi, Rio de Janeiro, San Francisco), be- tor-Erfahrung weiss ich allerdings, dass nischer Billigflieger, zum ersten Mal nach treibt aber gleichzeitig verschiedene ren- der Tourismus aus China ein Billigstge- Zürich geflogen. Macht Ihnen das keine table Strecken nach Afrika, obwohl diese schäft ist, wenn die Verkehrsströme aus- Angst? volkswirtschaftlich von untergeordneter reichend gross sein sollen. Von dem sollte H.H.: Angst sicher nicht, ich würde un- Bedeutung sind.» Was sagen Sie dazu, man hier vorläufig noch nicht allzu viel er- sere Reaktion eher als «professionelle können volks- und betriebswirtschaftli- warten. Wichtiger als Peking ist nach wie Beunruhigung» bezeichnen. Wir reagie- che Kriterien derart klar voneinander ge- vor Afrika, und wichtiger wäre im Moment ren mit gezielten Massnahmen und müs- trennt werden? auch San Francisco, während Rio de sen jetzt erst einmal abwarten, wie sich H.H.: Grundsätzlich ist es so, dass wir Janeiro wie Peking ebenfalls überschätzt das weiterentwickelt. dorthin fliegen, wo wir Geld verdienen wird. können, und das können wir in erster Li- «RS»: Und was sagen Sie zur Air Berlin? nie dort, wo es ausreichend Lokalverkehr «RS»: Man hört immer wieder, der H.H.: Davor habe ich grossen Respekt. hat. Es braucht auch Umsteigeverkehr, Swissair sei auch der hohe Umsteigeran- Air Berlin ist ein harter Gegner, gegen den aber die Grundlage ist der Lokalverkehr. teil von gut 50 Prozent nicht gut bekom- wir aber mittlerweile erste Erfolge ver- Nach diesem Prinzip hat die SWISS ihr men. In Frankfurt hat die Lufthansa einen zeichnen konnten. Die zweite Airline, vor Netz aufgebaut, und deshalb können Umsteigeranteil von 63 Prozent, ohne der ich grossen Respekt habe, ist Emi- volks- und betriebswirtschaftliche Krite- dass dies als Nachteil erachtet wird. Wie rates. Die können sich eine grosse Flotte, rien bei uns gar nicht allzu weit auseinan- hoch ist der «ideale» Umsteigeranteil tat- Infrastruktur und ein gutes Management derliegen. Zu Peking möchte ich Folgen- sächlich? Kann man darüber überhaupt einfach kaufen. Ich bin allerdings über- des sagen: Wir verfolgen die Entwicklung eine allgemeingültige Aussage machen? zeugt, dass wir heute in Zürich ebenfalls eine gute Anbieterposition haben, die Harry Hohmeister (42) stammt aus von den anderen ernst genommen wird. Delmenhorst bei Bremen. Nach dem Abi- Zürich ist unser Hub, der Hub der tur und einer mehrjährigen Ausbildung bei SWISS, und wir werden unsere Wett- der deutschen Armee war er zwischen bewerbsfähigkeit mit dem geplanten 1988 und 2000 bei der Lufthansa tätig, Wachstum weiterentwickeln. Trotzdem wo er unter anderem in der Flugplanent- müssen wir fit bleiben und unsere Stück- wicklung arbeitete und zuletzt den Rang kosten im Griff haben. Die sind das A und eines Vice President im Bereich Netz- das O für eine Airline unserer Grösse. werkplanung bekleidete. 2000 wechselte Hohmeister zum Touristikkonzern Tho- mas Cook AG mit seiner Ferienfluggesell- schaft Condor. Dort war er als Executive Vice President in verschiedenen Berei- chen tätig, unter anderem im Management des Fluggeschäfts. Thomas Cook wird zu je 50 Prozent von der Deutschen Lufthansa AG und der KarstadtQuelle AG gehalten. Anfang 2005 wurde Hohmeister als neuer Netzwerk-Chef in die Geschäftsleitung der SWISS berufen, und seit Januar 2006 leitet er zusätzlich auch deren Vertrieb. Harry Hohmeister ist verheiratet und Vater eines 14-jährigen Sohnes. Rundschau 4 I 2006 9
AE beitsvertrag kam. 2003 übernahm er Verabschiedung dann die Führung unseres Verbandes als Präsident und lotste die AEROPERS er- Christoph «Stöff» Flügel wurde nach einer erfolgreichen, wenn folgreich durch mehrere Restrukturierun- auch sehr anspruchsvollen Zeit als Vizepräsident (2001 bis 2003) gen, die Ablösung des Crossair-Manage- ments und die Übernahme der SWISS und der darauf folgenden Präsidentschaft (2003 bis 2006) würde- durch die Lufthansa. voll verabschiedet. Stöff Flügel hat es geschafft, den Ver- band in den schwierigsten Zeiten seiner Text: Christian Frauenfelder Konfliktmanagement» in den Vorstand Geschichte als pragmatischer Leader zu ein. Sein Tatendrang wurde jedoch mas- präsidieren. Welcher Präsident kann von Es würde den Rahmen dieser «Rund- siv gebremst, als mit dem sogenannten sich sagen, einen Verband durch meh- schau» sprengen, wenn ich alle Verdiens- «Stabilizer-Vertrag» der GAV 1999 nur rere existenzbedrohende Krisen und eine te von Stöff Flügel hier aufzählen wollte. drei Monate später um fünf Jahre verlän- Übernahme durch eine andere Firma ge- Es gibt wahrscheinlich in der Geschichte gert wurde. Stöff sah bereits eine gäh- führt sowie nebenbei noch tatkräftig mit- der AEROPERS keinen Präsidenten, der nende Leere ohne Verhandlungen auf geholfen zu haben, ein unfähiges Ma- an mehr GAV- und sonstigen Vertrags- sich zukommen, in der er seine erworbe- nagement loszuwerden? Dabei hat der verhandlungen beteiligt war. Stöff hatte einfach das «Glück», in der turbulentes- ten und intensivsten Zeit der Verbands- geschichte in oder an dessen Spitze zu «Stöff Flügel war der richtige Präsident zur stehen. Er «durfte» ein Grounding, den Aufbau der SWISS inklusive der unver- richtigen Zeit für die AEROPERS.» züglich einsetzenden Restrukturierungen sowie die Übernahme durch die Luft- hansa über sich ergehen lassen. Wenn nen Verhandlungskenntnisse verküm- Verband keinen Schaden erlitten, son- einer in unserem Verband eine Würdi- mern sah. Ein «leichter Trugschluss», wie dern sogar an Ansehen und Macht dazu- gung verdient hat, auch wenn dies nur sich ziemlich bald herausstellen sollte, gewonnen und seine volle Funktionsfä- über ein paar persönliche Schlaglichter denn an einem sollte Stöff Flügel in den higkeit erhalten. Um diese Leistung im geschieht, dann er, Stöff Flügel, unser nächsten Jahren nicht Mangel leiden: an richtigen Licht erscheinen zu lassen, Steuermann der letzten Jahre. Vertragsverhandlungen, Abbauszena- muss man sich nur an folgende Aspekte Begonnen hat die AEROPERS-Lauf- rien, Restrukturierungen und unfähigen erinnern: Swissair und Crossair sind Ge- bahn von Stöff ganz harmlos. Er trat im Managern. Diese «grobe» Fehleinschät- schichte, SWISS Pilots steht kurz vor der August 2000 als Spezialist in den Ver- zung der Arbeitsbelastung sollte aber Auflösung, die SWISS ist ein Teil der Luft- band ein. Seine Hauptaufgabe bestand glücklicherweise die letzte in seiner Ver- hansa, aber die AEROPERS steht immer darin, den damaligen Vorstand in Ver- bandslaufbahn gewesen sein. Von 2001 noch wie ein Fels in der Brandung. Dies handlungsführung und -taktik zu schulen bis 2003 gelang es Stöff als Verhand- ist auch ein Verdienst von Stöff. Er hat es und nebenbei ein Streik-Manual zu er- lungsleiter, dass die AEROPERS nach immer wieder geschafft, als überzeugen- stellen. Ein Jahr später, im Mai 2001, dem Grounding der Swissair und der tur- der Leader den Verband durch die wollte er die vermittelte Theorie selber bulenten Gründung der SWISS wieder Stürme zu manövrieren, den Leuchtturm praxisnah austesten und trat als Vizeprä- als Vertragspartner anerkannt wurde und nie aus den Augen zu verlieren und sident im Ressort «Verhandlungen und zu einem eigenständigen Gesamtar- schliesslich – auch mit dem Glück des Tüchtigen – das Schiff AEROPERS an ei- nen Ort zu bringen, wo es wieder Wachs- tum, Perspektiven und Hoffnung auf eine solide Zukunft gibt. Was sind denn die Eigenschaften von Stöff, die zu dieser erfolgreichen Präsi- dentschaft geführt haben? Stöff ist eine Führerpersönlichkeit. Nicht umsonst nannte ihn das alte SWISS-Management «General». Was er anpackt, macht er en- gagiert und mit Herzblut. Er ist ein selte- nes Exemplar von einem Berner mit Tem- perament. Er ist eine Kämpfernatur mit dem Sinn für die Grenzen. Mit seiner aus- gesprochenen Kommunikationsfähigkeit weiss er zu begeistern, aber in schwieri- gen Momenten auch zu moderieren. Seine Flexibilität steht seiner Virtuosität im Klavierspiel – sorry, Flügelspiel! – in nichts nach. Und wer weiss, wahrschein- lich hat ihm auch der Umstand geholfen, Zum Abschied Blumen für Stöff Flügel. Foto: André Ruth dass er drei Töchter um sich hat. Wer bei 10 Rundschau 4 I 2006
AEROP ERS so viel Frauenpower nicht untergeht, der tigsten Präsidenten in der Geschichte uns sahen. Der Schutz der Arbeitsplätze muss für das Amt eines Präsidenten prä- der AEROPERS von Bord, denn er hat ist im Konzern heute enorm wichtig, destiniert sein. erreicht, dass es uns überhaupt noch denn es gibt sehr viele und einfache Für mich war Stöff Flügel der richtige gibt. Er hat den seidenen Faden, an dem Möglichkeiten, wie wir ausgespielt wer- Präsident zur richtigen Zeit für die AERO- die AEROPERS hing, wieder durch ein den könnten – trotz des guten Umfelds. PERS. Bei ihm konnte man sich in Sa- massives Stahlseil ersetzen können. Die Art und Weise, wie wir das Korps in- chen Verbandsführung immer wieder Dank seines Engagements und durch formierten und führten, war für das er- «ein Stück abschneiden». Es war immer harten Kampf haben wir fünf Jahre nach folgreiche Powerplay während der Ver- ein Vergnügen, an seiner Seite für unsere dem Grounding wieder Perspektiven und handlungen notwendig. Es hatte aber Interessen zu kämpfen. Sein Führungsstil die Chance auf eine Zukunft im interna- auch den Nachteil, dass dem Einzelnen war geprägt von einer tollen Teamarbeit, tionalen Airline-Geschäft. Dies ist einen während der Kommentarfrist fast die Zeit die immer nur auf die Sache der AERO- grossen Applaus wert. fehlte, um den Vorstand «gedanklich ein- PERS ausgerichtet war und ohne per- holen zu können». Deswegen war auch sönliche Profilierungsneurosen auskam. Stöff, vielen Dank für alles. Geniesse die Abstimmungsphase extrem kontro- Mit Stöff Flügel geht wohl einer der wich- Deine wohlverdiente Freizeit. vers und hat hohe Wellen geworfen. «RS»: Habt ihr unterschätzt, wie schwer es ist, den von Zahlen gesteuerten Pilo- «Es eröffneten sich ten den Gewinn von nichtmateriellen Werten gegenüber dem Verlust von Ma- unerwartete Horizonte» teriellem zu erklären? C.F.: Es ist sicher ein Problem, dass man den Gewinn von Sicherheit beim Ar- Nach sechseinhalb Jahren der Mitarbeit in der AEROPERS, davon beitsplatzschutz nicht quantifizieren kann. dreieinhalb als deren Präsident, trat Christoph Flügel am Tag der Wie gross der Wert dieses Schutzes ist, Annahme des GAV 2006 wie verabredet zurück. Er äussert sich in habe ich aber eindrücklich gemerkt, als ich mit ansehen musste, wie im Konzern diesem Interview rückblickend zu verschiedenen Themen – von Entscheidungsträgern und Investo- natürlich auch zum neuen GAV. ren, die weit weg sind und die wir nie zu Gesicht bekommen – anders als zu Fragen: Jürg Ledermann und Roland Zaugg meint: «Es gibt nichts Schlimmeres als Swissair-Zeiten –, über Organisationsein- Fotos: André Ruth das Gefühl, alles laufe normal, während heiten und ganze Firmen innert kurzer Zeit hinter dem Rücken der Aufstand tobt.» strategisch entschieden wurde. Wir sind «RUNDSCHAU»: Wir wollen gleich mit Hat dich dieses Gefühl wieder beschli- da wirklich nur ein Spielball. Mit dem jetzi- dem Thema beginnen, das die Mitglieder chen? gen Vertrag kann mit uns aber nicht mehr in letzter Zeit am meisten beschäftigt hat: C.F.: Absolut nicht. Beim Präsentieren so einfach jongliert werden. mit der Abstimmung zum GAV 2006. Bei der Verhandlungsresultate merkten wir früheren GAV-Abstimmungen lag der An- natürlich schon, dass sie vor allem in den «RS»: Habt ihr durch eure harte Hal- teil der Ja-Stimmenden meistens deut- Bereichen, wo wir etwas abgeben muss- tung beim Unterwanderungsschutz nicht lich über 80 Prozent. Nun waren es noch ten, nicht den Erwartungen des Korps an anderen Orten umso mehr nachge- gut 60 Prozent, was in einer eidgenössi- entsprachen. Das hat aber nichts damit ben müssen? schen Abstimmung als deutliches Resul- zu tun, dass wir am Korps vorbeiverhan- C.F.: Das stimmt. Ein ökonomisch den- tat gewertet würde. Wie wertest du das delt hätten. Wir hatten das Korps aus kender Investor akzeptiert eine solche Abstimmungsresultat? taktischen Gründen für die Ziele der Klausel logischerweise nur dann, wenn Christoph Flügel: Der GAV 1999 wurde AEROPERS eingesetzt. Wir mussten es er mit dem entsprechenden Firmenteil mit dem praktisch gleichen Ja-Stimmen- Anteil angenommen. Es bestand nur ein kleiner Unterscheid von 0,2 Prozent, «Den Bereich FDR wird der jetzige woran sich viele nicht mehr erinnern. Der GAV 2002 wurde in der Tat deutlicher an- Vorstand mit speziell scharfer Aufmerk- genommen. Man hat vielleicht das Ge- fühl, es seien früher mehr Ja-Stimmen samkeit verfolgen.» gewesen, aber das stimmt nicht. Es zeigt aber, dass harte Grenzen erreicht wur- scharfmachen, um die Änderungskündi- auch weiterhin konkurrenzfähig bleibt. den. Wir sind nun an der Bottom-line, gungen abwehren zu können und um die Darum waren wir bereit, an anderen Or- speziell bei den Flight-duty-regulations Umgehungsversuche durch Auslagerun- ten auch etwas zu bringen. Am Anfang (FDR). Diesen Bereich wird der jetzige gen zu verhindern. Das war der eine war hier übrigens nur Widerstand zu spü- Vorstand denn auch mit speziell scharfer Aspekt. Der andere war, dass wir das ren. Wir waren also bereit, einen Teil der Aufmerksamkeit verfolgen. Korps nicht genügend über die schlech- Wiederherstellung unserer Konkurrenz- ten Karten im Bereich Altersstruktur auf- fähigkeit mitzutragen. «RS»: Im Forum wurde euch mehrmals klären konnten. Wir haben kommuniziert, Unser GAV steht darum auch unter vorgeworfen, ihr hättet an den Wün- dass uns der Unterwanderungsschutz dem grossen Titel «Konkurrenzfähigkeit» schen der Basis vorbeiverhandelt. Dazu wichtig sei, wollten die SWISS aber nicht und damit für Wachstum und Karriere. Es hast du in einem früheren Interview ge- merken lassen, in welcher Position wir geht aber auch darum, im Konzern auf Rundschau 4 I 2006 11
AE einen der vordersten Ränge vorstossen kunft eine Solidarität aufbauen zu kön- gen abgehalten und jeweils total bis zu zu können. nen, wie wir sie im Frühling erlebt haben. 450 Kollegen, also zirka 65 Prozent, di- Die Chancen stehen für uns im Ver- rekt erreicht, und es sind sehr viele Leute gleich zu Frankfurt und München je nach «RS»: Sind Nachbesserungen in den persönlich an mich gelangt. Eines meiner Entwicklung des Flughafens Zürich viel kritisierten Bereichen des GAV mög- Hauptziele als Präsident war die Förde- ebenso gut. Nur so können wir von den lich? rung der Nähe zwischen Vorstand und Entscheidungsträgern in Frankfurt bei In- C.F.: Ich bin der Meinung, dass der Korps. Damit man einander versteht und vestitionen eine Unterstützung erwarten Vorstand absolut die Chance hat, in die- nicht aneinander vorbei redet, darf es und im Markt zu besseren Chancen sen Bereichen, wo wir an die Grenzen keine Distanz geben. Aus meiner Sicht ist kommen. Nach all den Diskussionen mit gestossen sind, Verbesserungen zu er- das heute so, denn es sind immer wieder den Mitgliedern bin ich aber umso mehr reichen. Das haben wir bei früheren Ge- Leute auf mich zugekommen, die früher davon überzeugt, dass wir den richtigen legenheiten schon bewiesen. vielleicht Hemmungen gehabt hätten. Weg gegangen sind. Übrigens steht der gesamte Vorstand «RS»: Die Verhandlungen waren hart «RS»: Wie beurteilst du den Begriff hinter der Logik, dass man zuerst einen und lange. Dabei habt ihr einen intensi- Sozialpartnerschaft heute nach die- Arbeitsplatz auf sicher haben muss, be- ven Kontakt mit dem Management ser knapp zweijährigen Verhandlungs- vor man darangehen kann, an den Ar- gehabt und seid euch sicher nahe ge- schlacht? beitsbedingungen etwas verbessern zu kommen. Das Korps hingegen ist C.F.: Ich bin nach dieser langen, frus- wollen. Dies steht bekannterweise auch unterwegs, eher anonym und nur in der trierenden Verhandlungszeit enttäuscht im Leitbild der AEROPERS und ist für uns Distanz wahrnehmbar. Steht ihr da nicht über die Kompetenz des Managements alle die übergeordnete Strategie. natürlicherweise dem Management nä- im Umgang mit dem Personal. Die Mitar- her? beiter wurden schon ganz vom Anfang «RS»: Wie beurteilst du nun den Zu- C.F.: Damit sprecht ihr das Stockholm- an völlig ausser Acht gelassen. Anstatt stand des Korps. Ist es gespalten? Wie Syndrom an. Es ist klar, dass wir diesem gemeinsam – eben in einer sozialen Part- meint der Vorstand die Nein-Stimmen- Effekt ausgesetzt waren. nerschaft – die Zukunft in Angriff zu neh- den wieder ins Boot holen zu können? Aber auch die Gegenpartei hat das ja men, die Probleme am Runden Tisch zu C.F.: Ich glaube nicht, dass das Korps zu spüren bekommen. Wir haben uns diskutieren und gemeinsam nach Lösun- jetzt echt gespalten ist oder Mitglieder davor geschützt, indem nur ein kleiner gen zu suchen, wurden wir im Januar aus dem Boot gefallen sind. Teil des Vorstands an den Verhandlungen 2005 mit diesem unsäglichen Eckwert- Wir genossen aufgrund unserer Er- direkt teilgenommen hat. Der Rest war papier konfrontiert. Solches Verhalten folge in den letzten vier Jahren ein un- im Backup-Team organisiert. So konnten löst logischerweise immer eine ableh- glaubliches Vertrauen beim Korps. Ich wir die «Geschädigten», wenn man den nende Haltung des Partners aus. Mana- war denn auch sehr erstaunt über das Begriff so salopp gebrauchen will, jedes ger, die sich dann wundern, wieso ihre teilweise grosse Misstrauen, das nach Mal wieder auf die wichtigen Ziele aus- tollen Projekte in der Praxis scheitern, haben einen wichtigen Teil ihrer Aufgabe nicht begriffen: das Führen des Perso- «Weil dem Einzelnen während der nals, den Einbezug von Menschen schon in der Planungsphase und später bei der Kommentarfrist fast die Zeit fehlte, den Umsetzung von Projekten. Gerade in ei- nem Dienstleistungsbetrieb sind doch Vorstand ‹gedanklich einzuholen›, war die Frau und der Mann an der Front das grösste Betriebskapital. Ich bin über- die Abstimmungsphase extrem kontrovers zeugt, dass wir in weniger als einem Drit- tel der Zeit zu einem ähnlichen Abschluss und hat hohe Wellen geworfen.» gekommen wären, hätte sich das Ma- nagement nicht derart daneben benom- der Präsentation des GAV plötzlich auf- richten. Das war ein nötiger und interes- men. Dadurch hätten die positiven Ef- gekommen ist, und es ist mir nahe ge- santerweise auch gut sichtbarer Pro- fekte des Vertrags schon viel früher gangen. Wir hatten ja bewiesen, dass wir zess. Ich persönlich war während des genutzt werden können. Rechnet man nicht Manager der Firma sind, sondern ersten Jahres gar nie direkt in die Ver- aus, welcher Ertrag dadurch nicht reali- immer mit gewerkschaftlichen Mitteln für handlungen involviert, später zeitweise siert werden konnte, kommt man locker die AEROPERS gekämpft haben. Es ist nur als stiller Beobachter. Erst in den letz- auf einen hohen zweistelligen Millionen- mir aber auch klar, dass die grosse Kon- ten drei Tagen vor dem Abschluss, als ich betrag. Aus der Sicht des Aktionärs troverse zu einem grossen Teil mit der wusste, dass der Entscheid unmittelbar muss die Kompetenz des Managements vorhin erwähnten Scharfmacherei des bevorstand, habe ich mich mit aller Ener- in diesem Bereich als sehr schwach be- Korps zu tun hat. Damit haben wir uns gie beteiligt. Zudem hatte das Verhand- urteilt werden. Nach fast sechs Jahren im arg strapaziert. Mit den Nein-Sagern lungsteam selbst keine Entscheidungs- Vorstand der AEROPERS bin ich über- muss man nun sprechen, die nötige Ver- befugnis. Es wurde mit einem Mandat zeugt, dass eine «sogenannte» Sozial- gangenheitsbewältigung machen und losgeschickt und kam mit Optionen zu- partnerschaft nur dann funktioniert, die Stimmungslage thematisieren. Wenn rück, über die dann zusammen in der wenn die Machtbalance gegeben ist. Der nun also der Dialog aufgenommen, das Backup-Organisation entschieden wur- Verband muss also stets in der Lage Gespräch mit den härtesten Kritikern ge- de. Andererseits ist der Kontakt zum sein, mit starkem Powerplay für ausgegli- sucht wird und nicht eine ignorierende Korps meiner Meinung nach nicht abge- chene Hebelkräfte zu sorgen. Allein auf Distanz bleibt, glaube ich, auch in Zu- brochen. Wir haben viele Versammlun- die gute Gesinnung oder nette Aussagen 12 Rundschau 4 I 2006
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