Schule und Unterricht Mit der GEW mehr Zeit gewinnen - GEW Baden-Württemberg
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15. März 2019 | 73. Jahrgang | 4 Euro Ausgabe 03 / 2019 bildung und wissenschaft – Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg Schule und Unterricht Mit der GEW mehr Zeit gewinnen Schulverwaltung Schule – Hochschule Gleichstellungspolitik Qualität kann nicht In Mathe besser auf An einem Strang verordnet werden die Uni vorbereiten ziehen
So spannend kann Schule sein UNSER Klassenausflug a n g e b o t : üh b u c h e r Fr 5 .0 4 . 2 019 bis zum 0 r € ,- € 8,- e nnu und Workshops und an m e l d n b e z a h l en! ler/i Wissenswelten im Preis pro Schü enthalten Ein Schulausflug ins LEGOLAND® Deutschland Resort bietet es jede Menge altersgerechte Attraktionen, LEGO® Bauspaß zur Vorbereitung Ihr des Steines und der Noppen, die Minifigur und Besuchen Sie uns LEGOLAND sind Marken der LEGO Gruppe. rmationen unte r: LEGO, das LEGO Logo, die Konfigurationen und rasante Achterbahnfahrten – 2019 wieder mit spannen- Ausflugs! Mehr Info ©2019 The LEGO Group. Stand: 02/2019 den Neuheiten! Auch das Lernerlebnis kommt mit unseren e/schulen www.LEGOLAND.d edukativen Programmen nicht zu kurz. GOLAND.de E-Mail: schulen@LE • Aktives Lernen und Handeln • Förderung von Kreativität und Teamfähigkeit Bitte Konditionen, Preise und Gültigkeitszeiträume des Schul- gruppenangebots beachten auf: www.LEGOLAND.de/schulen. • Aktive Integration der Kinder in unseren Workshops Pädagogische Programme nur nach Vereinbarung und Verfüg- barkeit. Angebot nicht mit anderen Aktionen oder Rabattvorteilen Ganz einfach online anmelden unter: kombinierbar. Preise können nur bei vorheriger Anmeldung gewährt werden. LEGOLAND® Deutschland Resort behält sich www.LEGOLAND.de/Ausflug2019 Änderungen der Preise und Konditionen ausdrücklich vor. SAISON 2019: 6. APRIL BIS 3. NOVEMBER www.LEGOLAND.de/schulen
Editorial Doro Moritz, Landesvorsitzende GEW Baden-Württemberg Foto: Michael Bolay Tarifabschluss ist ein gutes Signal für Landesbeschäftigte Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserin, lieber Leser, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes März verhandle ich darüber mit einer DGB- im Deutschen Gewerkschaftsbund haben die Delegation mit dem Finanzministerium. Tarifverhandlungen erfolgreich abgeschlossen. Alle Beschäftigten des Landes haben eine Die Beschäftigten bei den Ländern werden Gehaltserhöhung verdient, die ihnen den Alltag, wieder an die Einkommensentwicklung bei das Wohnen und die Freizeit leichter macht. Bund und Kommunen gekoppelt. Die Gehäl- Für die GEW ist klar: Die Landesregierung ter erhöhen sich in drei Schritten um rund muss weitere wirksame Schritte gehen, damit 8 Prozent. Mit diesem Abschluss im Gepäck dem öffentlichen Dienst nicht die Leute weg- ist die baden-württembergische GEW-Dele- laufen. Die vielen Befristungen an den Schulen gation von Potsdam nach Hause gefahren. und Hochschulen, unbezahlte Sommerferien Von diesem Ergebnis profitieren alle Tarifbe- an den Schulen und eine restriktive Auslegung schäftigten der Länder. Alles andere hätten des Tarifvertrages sind kein attraktives Aus- die Gewerkschaften angesichts der guten hängeschild für das Land. Kassenlage auch nicht akzeptiert. Das Land Tarif- und Besoldungsrunden sind die ureigene wird insbesondere im Sozial- und Erziehungs- gewerkschaftliche Aufgabe. Darin steckt dienst als Arbeitgeber wieder attraktiver. Die wesentlich mehr Arbeit als für Warnstreik- gesellschaftlich wichtige Arbeit wird in Zeiten aktionen Flyer zu drucken und Fahnen zu trans- des großen Fachkräftemangels aufgewertet. portieren. Mein herzlicher Dank gilt deshalb Spezifische Verbesserungen wurden in Potsdam allen haupt- und ehrenamtlichen Kolleginnen auch für die Lehrkräfte erreicht. Die Zulage für und Kollegen, vor allem den Mitgliedern der bundesweit rund 50.000 angestellte Lehrkräfte Tarifkommission, für ihren engagierten und wird von 30 auf 105 Euro erhöht. Verhandlun- unermüdlichen Einsatz. Die erfreulich starke gen über Verbesserungen in der Eingruppierung Beteiligung von GEW-Mitgliedern an den konnten verbindlich vereinbart werden, um so Warnstreiks und den Kundgebungen – tarif- die Paralleltabelle zu erreichen. Die GEW will beschäftigte Lehrkräfte, Beschäftigte an den endlich die niedrigere Eingruppierung der tarif- SBBZ mit Internat, die Pädagogischen Assis- beschäftigten Lehrkräfte im Vergleich zu den tentinnen und Assistenten, Beamtinnen und Beamtinnen und Beamten überwinden. Bisher Beamte, Pensionärinnen und Pensionäre – sind tarifbeschäftigte Grund- und Hauptschul- waren der Lohn für die Arbeit und ein sichtba- lehrkräfte eine ganze Entgeltgruppe schlechter res Signal an die Landesregierung. eingruppiert als die entsprechenden Beamtin- nen und Beamte. Das sind bis zu 800 Euro netto Mit freundlichem Gruß monatlich weniger. Mit der jahrelangen Hin- Ihre haltetaktik der Arbeitgeber ist jetzt Schluss. Nun muss der Tarifabschluss zeit- und wirkungs- gleich auf die Beamtinnen und Beamten und auf die Pensionen übertragen werden. Mitte bildung & wissenschaft 03 / 2019 3
12 Tarifergebnis: 8 Prozent mehr Geld 11 10 Jahre nach Amoklauf – Innehalten und vorwärtsschauen 32 GEW-Lehrerbedarfsprognose bestätigt S.14 Titelthema Schule und Unterricht Mit der GEW mehr Zeit gewinnen 4 bildung & wissenschaft 03 / 2019
Inhalt In dieser Ausgabe Titelthema Aus der Arbeit der GEW Arbeitsbedingungen an Schulen 8 VHS-Dozent/innen machen 14 Gemeinsam mit der GEW sich für bezahlten Urlaub stark mehr Zeit erringen 12 Ergebnis Tarifvertrag der Länder: 16 Grund- und Gemeinschaftsschule: Rund 8 Prozent mehr Geld Für Austausch und Abstimmungen 30 Kita-Fachkräfte in den bleibt zu wenig Zeit Personalrat wählen 18 Grundschule: Kleine Kinder – 31 Aufwertung für große Herausforderungen Schulkindergärten gefordert 19 Gemeinschaftsschule: Privilegiert 34 Umbau der Schulverwaltung: sind nur die Schüler/innen Qualität kann nicht verordnet werden 20 Werkrealschule: Kollegialer 48 Berufsschultag der GEW: Zusammenhalt rettet die Schule Gute berufliche Bildung – nur mit uns! 22 Realschule: Alles eine Frage der Zeit? 50 Für Kita-Fachkräfte viel erreicht 24 SBBZ: „Individualität ist unsere Herausforderung“ 26 Gymnasium: Mehr Zeit für Vorberei- Gesellschaft tung, Zuhören und Wertschätzung 28 Berufliche Schulen: 11 10 Jahre nach dem Amoklauf: Zeit ist ein wertvolles Gut Innehalten und vorwärtsschauen 40 Internationaler Frauentag: An einem Strang ziehen Arbeitsplatz Schule / Kindertageseinrichtung Rubriken 6 Einstellungschancen für Gymnasiallehrkräfte 3 Editorial 7 Einsatz von Apps im Unterricht 6 Aktuell 32 GEW-Lehrerbedarfsprognose bestätigt 9 Glosse 44 Übergang Schule-Hochschule: 51 Kurz berichtet In Mathe besser auf die Uni vorbereiten 53 Vor Ort 54 Jubilare 55 Totentafel Aus-, Fort- und Weiterbildung 56 Leserbrief Hochschule 57 Termine 58 Impressum 38 Verbesserungen für Aufbaustudium Sonderpädagogik geschafft 46 Wer an beruflichen Schulen unterrichten darf Heftmitte: Unterrichtspraxis Foto: contrastwerkstatt /fotolia (nachträglich bearbeitet) Recht/Geld 8 Anspruch auf Rückkehr in Vollzeit jetzt möglich 10 Keine A13–Stellen: Lehrkräfte haben geliefert, Landesregierung nicht 42 GEW Rechtschutz sorgt für Gerechtig- keit bei Kindererziehungszeiten Titelbild: contrastwerkstatt / fotolia (nachträglich bearbeitet) 43 Beförderung nach A14: Die Schlange wird immer länger Redaktionsschluss für die nächste b&w Ausgabe: 49 Patientenverfügung neu formuliert 11. März 2019 bildung & wissenschaft 03 / 2019 5
Aktuell ZUSATZQUALIFIZIERUNG VON GYMNASIALLEHRKR ÄFTEN Zusätzliche Einstellungschancen für Gymnasiallehrkräfte Für das kommende Schuljahr können übernommen, wenn die beamtenrechtli- als WHR-Lehrkraft eingestellt werden, Gymnasiallehrkräfte eine weitere Lehr- chen Voraussetzungen erfüllt sind (Besol- behalten die Kolleg/innen ihre Lehrbefä- befähigung als „Lehrkraft für Werkreal-/ dungsstufe A13; Probezeit drei Jahre). higung für das Gymnasium und können Haupt- und Realschule“ erwerben. Das Wenn die Kolleg/innen als WHR-Lehr- sich während und nach der Qualifizie- ist neben der bereits zum zweiten Mal kraft an einer Gemeinschaftsschule ein- rung für die Einstellung als Gymnasial- angebotenen Zusatzqualifizierung für das gestellt werden, dürfen sie dort nicht als lehrer/in an einem Gymnasium oder an Lehramt an Grundschulen eine weitere Gymnasiallehrkraft unterrichten. Das einer Gemeinschaftsschule bewerben. Möglichkeit, Gymnasiallehrkräften eine klingt absurd – entspricht aber den for- Die GEW erkennt den Versuch des Kultus- Perspektive zu bieten und die Lehrerver- malen Vorgaben des Kultusministeriums. ministeriums an, mit den beiden Qualifizie- sorgung der Schulen zu verbessern. Im Vergleich zur Zusatzqualifizierung von rungsmaßnahmen dem Lehrkräftemangel Gymnasiale Lehramtsbewerber/innen kön- Gymnasiallehrkräften für das Lehramt an Grundschulen und im Sekundarbe- nen sich bei den Ausschreibungsstellen, Grundschule gibt es keine Einstellungszu- reich 1 entgegenzuwirken. Es ist gut, dass im Nachrückverfahren (1. bis 5. Juli 2019) sage in das gymnasiale Lehramt. Die GEW es für Gymnasiallehrkräfte eine zusätzliche und bei den Stelleninfos der Regierungs- hat außerdem kritisiert, dass es keine Einstellungsperspektive gibt. Im Interesse präsidien (bis 30. September) auf Stellen Anrechnungsstunden für die Zusatzquali- der Schulen und aller Kolleg/innen hofft für Werkreal-, Haupt- und Realschu- fizierung als WHR-Lehrkraft geben wird. die GEW, dass sich die neuen Kolleg/innen len bewerben, die auch für Gymnasial- Die Begründung des Kultusministeriums, an den Schulen gut aufgenommen fühlen lehrkräfte ausgeschrieben sind. Voraus- dass der geplante Einsatz in der Sekundar- und dort zusammen mit allen Kolleg/innen setzung ist ein Gesamtnotendurchschnitt stufe 1 hinsichtlich des Alters der Schüler- gut arbeiten können. von mindestens 3,5. Die Zusatzqualifizie- schaft dem des Gymnasiums näher ist als Ricarda Kaiser rung dauert ein Schuljahr und ermöglicht in der Primarstufe, überzeugt nicht. Und Hauptpersonalrat GHWRGS bei erfolgreichem Abschluss den Einsatz die Bewerber/innen müssen sich entschei- als Lehrkraft an Haupt-, Werkreal-, Real- den: Entweder für das Lehramt an Grund- und Gemeinschaftsschulen. schulen oder an Werkreal-, Haupt- und Die Einstellung für das Jahr der Zusatz- Realschulen. qualifizierung erfolgt im Beschäftigten- Gymnasiallehrkräfte werden für die Weitere Informationen zu verhältnis (Eingruppierung in E13; unbe- Zusatzqualifizierung nur eingestellt, der Zusatzqualifizierung gibt es unter: fristeter Vertrag). Nach der Qualifizierung wenn sich keine ausgebildeten WHR- www.Lehrer-online-bw.de werden die Kolleg/innen dauerhaft in das Lehrkräfte mit den geforderten Fächern Beamtenverhältnis (gehobener Dienst) auf Stellen bewerben. Auch wenn sie KOMMUNAL- UND EUROPAWAHLEN Materialien für Schulen, um Erstwähler/innen zu erreichen Am 26. Mai 2019 stehen zeitgleich Euro- Württemberg Gemeinde- und Ortschafts- Kapitel 1 pa- und Kommunalwahlen an. Bei der räte gewählt. Rund 500.000 Jugendliche 9. Direktwahl zum Europäischen Parla- ab 16 Jahren sind zum ersten Mal bei den ment sind rund 400 Millionen Wahlbe- Kommunalwahlen wahlberechtigt. rechtigte aufgefordert, über 700 Abgeord- Mit einer Erstwählerkampagne der Landes- nete, davon 96 deutsche, zu bestimmen. zentrale für politische Bildung (LpB) sollen Die Friedrich-Ebert-Stiftung bietet dazu möglichst viele Erst- und Jungwähler/ einen 5-stündigen Workshop für Jugend- innen über ihr Wahlrecht und die Grund- liche ab Klasse 10 an. Dabei geht es um lagen der Kommunalpolitik informiert Fragen wie: Wen oder was wählt man da? werden. In Veranstaltungen werden spie- Wieso entscheiden so viele alte Männer lerische Lernangebote, Planspiele, Lernzir- in Brüssel? Wie wäre es, wenn alle jun- kel, Workshops, Großgruppen-Methoden, gen Frauen und Männer geschlossen zu Infostände, Testwahlen sowie Diskussions- Wahl gingen? Kontakt: vinzenz.huzel@ formate mit Kandidierenden von den Par- fes.de. Informationen auch unter: www. teien und eigene Ideen der Kommunen fes.de und www.we-like.com oder Schulen bereitgestellt. Bei den Kommunalwahlen werden in Siehe auch „Unterrichtspraxis“ in der Heft- Erstwählerkampagne unter: 1.101 Städten und Gemeinden in Baden- mitte. b&w www.waehlenab16-bw.de 6 bildung & wissenschaft 03 / 2019
Aktuell INTERNATIONALER FR AUENTAG Europawahl: Geht wählen! Am internationalen Frauentag am 8. Deshalb ist es jetzt wichtig, unsere euro- März riefen die Frauen im DGB alle päischen Grundwerte zu verteidigen. Wahlberechtigten auf, mit ihrer Stimme Wir Frauen im Deutschen Gewerkschafts- am 26. Mai die demokratischen Kräfte bund sind überzeugt: Gleichstellung ist in Europa zu stärken. Die Gleichstel- nicht nur eine Frage der sozialen und lung von Frauen und Männern gehört wirtschaftlichen Verantwortung. Sie ist von Anfang an zu den Grundwerten der vor allem eine Frage der Gerechtigkeit! Europäischen Union. Sie hat maßgeblich Wir brauchen ein soziales und gerechtes dazu beigetragen, dass in den Mitglied- EUROPA! staaten die Benachteiligung von Frauen Wir wollen die Gleichstellung von Frauen abgebaut, ihre Gesundheit geschützt und und Männern durch verbindliche und ihr Recht auf Selbstbestimmung gestärkt wirksame europäische Regelungen • für gute öffentliche Dienstleistungen wird. Europa ist ein Motor der Gleichstel- • um gleichen Lohn für gleiche und und gerechte soziale Sicherungssysteme lungspolitik und ein Bollwerk gegen den gleichwertige Arbeit durchzusetzen • für faire Chancen auf eine eigene Exis- Antifeminismus der Rechtspopulisten. • für gleiche Chancen auf dem Arbeits- tenzsicherung, für ein selbstbestimmtes Der Aufstieg rechtspopulistischer und markt, auch um Beruf und Familie Leben. nationalistischer Kräfte stellt die EU besser unter einen Hut zu kriegen, unab- Dafür hat Europa bereits unverzichtbare vor existenzielle Herausforderungen: hängig vom gelebten Familienmodell Impulse geliefert, die wir auch weiterhin Wo demokratische Errungenschaften • für mehr Frauen in Führungspositionen brauchen. geschliffen werden, stehen auch sicher und auf allen Führungsebenen in Wirt- Elke Hannack geglaubte Frauenrechte wieder in Frage. schaft und Politik Stellvertretende DGB-Vorsitzende EINSATZ VON APPS IM UNTERRICHT Bequemlichkeit und Verantwortung Mit dem zunehmenden Einsatz digitaler gegen die Kosten abzuwägen, die zumeist nimmt, gibt es nicht viele Apps, die im Anwendungen im Unterricht drängen mit der Währung von Daten und Selbst- Unterricht eingesetzt werden können. vor allem private Anbieter in die Schu- bestimmung der Schüler/innen anfallen. Noch gibt es kaum eine Alternative. len. Das Angebot an Apps für den Unter- Folgende Fragen können dabei gestellt Lehrkräfte brauchen Rechtssicherheit richt ist riesig. Damit sind Probleme bei werden: beim Einsatz digitaler Anwendungen der Auswahl der Apps und bei den ver- • Wie frei sind Schüler/innen bei der im Unterricht. Das Land muss deshalb wendeten Endgeräten verbunden. Wahl der Endgeräte? Sind beispielsweise attraktive Apps zur Verfügung stellen. Digitale Medien sind für Kinder und bestimmte Systeme (z. B. Android/ IOS/ Beim Einsatz digitaler Plattformen sollten Jugendliche zu einem wichtigen Soziali- Windows) für die Anwendungen zwin- offene Standards (z. B. HTML, PDF, Soft- sationsfaktor geworden. Die Kehrseite gend nötig? ware im Quelltext) zum Einsatz kommen. sind Risiken, wie etwa Überwachung • Welche Zugriffsberechtigungen werden Mit der Verwendung von Open Educatio- und Datenraub. Deshalb müssen Schu- verlangt und welche Daten müssen preis- nal Resources (OER) können die durch len einen verantwortungsvollen Umgang gegeben werden? Auch unscheinbare die Schule gestellte Hardware und der hei- damit vermitteln. Um mündige Bürger/ Daten liefern tiefe Einblicke in das Leben mischen PC oder das eigene Smartphone innen in einer digitalisierten Welt zu der Betroffenen. genutzt werden. Schule und Nutzer/innen werden, müssen Kinder und Jugendli- • Wie steht es um die Datenschutzver- können dann einfach entscheiden, welche che lernen, selbstbestimmt mit digitalen sprechen der Anbieter und wie reagieren Daten anfallen, wie sie verwendet und Medien umgehen zu können. diese, wenn etwas schief geht? wann sie wieder gelöscht werden. Es ist allerdings problematisch, wenn Das mag anstrengend klingen – aber Das bedeutet mehr Arbeit als die Verwen- bestimmte Geräte oder Anwendungen Lehrkräfte gehen nicht nur mit ihren dung von Google, Apple und Co. Aber im Unterricht verwendet werden. Daran eigenen Daten um. Sie bestimmen über wenn wir den selbstbestimmten Umgang ändert auch die Tatsache nichts, dass die Verwendung von Daten Dritter, zu mit EDV vermitteln wollen, fangen wir fast alle Schüler/innen ein Smartphone denen sie auch noch in einem Autori- am besten selbst damit an. besitzen. Dadurch wird die Auswahl der tätsverhältnis stehen. Das ist eine große David Warneck Anwendungen meist auf die Angebo- Verantwortung, die Lehrer/innen nicht Leiter AK Digitalisierung im Bildungsbereich te von Google oder Apple reduziert. Es auf die leichte Schulter nehmen dürfen. Markus Demleitner ist wichtig, den pädagogischen Nutzen Wenn man diese Grundsätze ernst Landesfachgruppe Hochschule und Forschung bildung & wissenschaft 03 / 2019 7
Aktuell 100 JAHRE VOLKSHOCHSCHULEN (VHS) VHS-Dozent/innen machen sich für bezahlten Urlaub stark Die VHS beschreibt die Dozent/innen als Aushängeschild der Volkshochschu- len. Die Anerkennung dieser guten und wichtigen Arbeit jedoch beginnt mit einer gerechten Bezahlung. Die Gewäh- rung von Urlaubsansprüchen gehört selbstverständlich dazu und ist nur ein Anfang. Sozialleistungen, die für Ange- stellte selbstverständlich sind, erhalten Dozent/innen nicht. Foto: Maria Jeggle Die GEW und die Dozent/inneninitia- tive der VHS Stuttgart informierten Ende Februar Besucher/innen während der VHS-Dozent/innen diskutieren vor dem Rotebühlbau in Stuttgart über ihre prekären Arbeitsbedingungen. VHS Schnupperwoche zum 100-jährigen Jubiläum über den Unwillen der VHS Stuttgart, das Urlaubsentgelt zu gewähren. 100 Jahre VHS Stuttgart – das kann sich An der VHS Stuttgart haben Deutsch- Die Dozent/innen machten sich für eine sehen lassen. Keinen schönen Anblick lehrkräfte im November 2017 Anträge ordentliche, zeitnahe und diskriminie- bieten allerdings die Arbeitsbedingungen auf bezahlten Erholungsurlaub gestellt. rungsfreie Prüfung des Rechtsanspruchs einer Gruppe von Dozent/innen, deren Dieses Recht steht Freiberufler/innen zu, stark. Dass dies möglich ist, sieht man an Haupt-Auftraggeber die VHS Stuttgart ist. wenn sie als „wirtschaftlich abhängig“ der VHS Heidelberg. Dort wird Urlaubs- Sie erwarten bezahlten Urlaub für arbeit- von einem Haupt-Auftraggeber gelten. entgelt gezahlt. nehmerähnliche Dozent/innen gemäß Die VHS Stuttgart hat die Anträge bis Magdalena Wille Bundesurlaubsgesetz. heute nicht abschließend bearbeitet. GEW-Referentin für Weiterbildung BRÜCKENTEIL ZEIT Anspruch auf Rückkehr in Vollzeit jetzt möglich Die Bundesregierung ist mit dem Ver- auf eine befristete Teilzeitphase, die zeitbeschäftigter können einer Rückkehr sprechen angetreten, dafür zu sorgen, zwischen einem und fünf Jahren dau- in Vollzeit ebenfalls entgegenstehen. dass Familienarbeit nicht zur Teilzeitfalle ern kann. • Eine Übertragung des Rechts auf wird. Ab 2019 haben nun alle Arbeit- • Für Unternehmen, die zwischen 46 und Brückenteilzeit für Beamt/innen folgt. nehmer/innen das Recht, nach Teilzeit 200 Arbeitnehmer/innen haben, soll es Frauen verdienen nicht nur durch- wieder in Vollzeit zu arbeiten, und zwar eine Quote geben: Pro 15 Mitarbeiter/ schnittlich 21 Prozent weniger als ihre ohne dass sie dafür Gründe angeben innen müssen sie nur einem den Anspruch männlichen Kolleg/innen, sie arbeiten müssen. Für Beschäftigte in Schulen und auf Brückenteilzeit gewähren. Weitere auch oft in Teilzeit. Von den knapp neun Kitas ist die Rückkehr bzw. das Aufsto- Anträge können abgelehnt werden. Millionen Beschäftigten mit sozialversi- cken auf Vollzeit derzeit oft kein Prob- • Anträge auf Brückenteilzeit können nur cherungspflichtigen Teilzeitjobs sind fast lem, da dort Personalmangel herrscht. Arbeitnehmer/innen stellen, die länger 80 Prozent weiblich. Eine geringere Betei- In der Erwachsenenbildung und im als sechs Monate im Unternehmen ligung der Frauen an der Erwerbsarbeit, Hochschulbereich sieht es anders aus. beschäftigt sind. Bestimmte Gründe für ein hoher Teilzeitanteil, häufige und län- Dort ist für einige sogar Zwangsteilzeit die Reduzierung, etwa die Pflege von gere Erwerbsunterbrechungen, niedriges Arbeitsrealität. Dennoch ist diese Aus- Angehörigen oder die Erziehung von Einkommen, sowie die Beschäftigung weitung der Arbeitnehmer/innenrechte Kindern, müssen nicht angeben werden. in nicht sozialversicherungspflichtigen ein kleiner Fortschritt in der Gleichstel- • Das Rückkehrrecht gilt nicht uneinge- Minijobs haben Armut im Alter zur lungspolitik. schränkt: Will der Arbeitgeber einem Folge. Das Gesetz zur Brückenteilzeit Das sind die Neuregelungen der Brücken- Teilzeitbeschäftigten die Aufstockung wird diese Probleme alleine nicht lösen teilzeit: der Arbeitszeit verweigern, muss er können. Dennoch ist die Gesetzesände- • Das Recht auf Brückenteilzeit gilt für darlegen, dass es keine entsprechende rung ein begrüßenswerter Schritt. Betriebe mit mehr als 45 Arbeitnehmer/ freie Stelle gibt. Dringende betriebliche Cendrese Sadiku innen. Beschäftigte bekommen Anspruch Gründe oder die Interessen anderer Teil- 8 bildung & wissenschaft 03 / 2019
Aktuell KL AUSUR DER L ANDESSPITZE DER GE W-FR AUENPOLITIK GEW lädt ein Stärkung der Frauenrechte Fachtag für Senior/innen Alt werden und jung bleiben 27. Mai 2019, ab 10:00 – 16:30 Uhr JuBez Karlsruhe „Psychologie des Alterns. Foto: Carolin Fey Die neue Alters- und Alternskultur“ Impulsvortrag und Diskussion Von links: Manuela Reichle, Ute Cardinal von Widdern, Elke Gärtner, Daniela Weber, Bärbel Etzel- mit Prof. Dr. Hans-Werner Wahl. Paulsen, Monika Sulzberger, Petra Kilian Anschließend zwei Workshop-Runden mit verschiedenen Expert/innen Anfang Februar 2019 tagte die GEW-Frau- Stärkung der Frauenrechte durch Wahl- enpolitik im Bildungshaus der evangeli- rechtsreformen und die Weiterentwick- schen Landeskirche in Stuttgart. Bei ihrer lung des Landesgleichstellungsrechts zweitägigen Klausur berieten die Kollegin- arbeitet die GEW eng vernetzt mit den Anmeldung unter: www.gew-bw.de/ nen thematische Schwerpunkte der GEW- Abteilungen Frauenpolitik des DGB gesundheitstag Frauenpolitik für die nächsten Jahre. Baden-Württemberg und der GEW auf Bei Themen wie Rechtspopulismus, Digi- Bundesebene. talisierung aus Frauenperspektive sowie Manuela Reichle Glosse Beim nächsten Gongschlag ist es 26:67 Uhr „Papa“, rief mein Sohn in diesem nöhli- Mein Sohn saß am Schreibtisch über paar Legos hin und her. „Warten wir gen Tonfall. Ich reagierte heftiger, als ich einem Mathearbeitsblatt. „Ich blick das einfach, bis Mama kommt, die weiß, mir selber zugetraut hätte. „Ja“, kreischte nicht“, sagte er. „Ach komm“, rang ich wie das geht“, schlug er vor. Welche ich, und stand auf. Und während ich die mir ein paar aufmunternde Worte ab, Schmach! „Nein, nein, nein“, murmelte Treppe zu seinem Zimmer hinaufstieg „du bist doch gut, das kriegen wir hin, ich, „Moment noch, ich hab‘s gleich.“ Ich schimpfte ich noch vor mich hin „Papa zeig mal die Aufgabe.“ rechnete. Das Ergebnis war 26 Uhr und kommt schon, Papa kommt gleich, was Er schob mir das Blatt hin und ich las. 67 Minuten. „Papa, das ist doch Käse“, soll er denn auch sonst machen, wozu ist Dann las ich nochmal. Es hatte etwas sagte der Bub, als er sich von hinten zu denn sonst da…“ mit Uhrzeiten zu tun und man sollte eine mir beugte. Man kann seine eigene Begrenztheit in Zeitspanne ausrechnen. Aber irgend- Später hat meine Frau die Aufgabe vielerlei Hinsicht erfahren. Bei einer Berg- wie konnte ich nicht erfassen, wie ich schnell im Kopf gerechnet und dem tour. Beim Kreuzworträtsel der „Zeit“. Oder das hätte tun sollen. „Wie rechnet man Buben so erklärt, dass er sie selber man hilft seinem Kind bei den Hausauf- sowas?“, fragte ich meinen Sohn. Er hatte machen konnte. „Du weißt schon, dass gaben. Mein Sohn ist Viertklässler. Er muss den Zenit seiner Konzentrations- und eine Stunde 60 Minuten hat, nicht hun- viele Hausaufgaben machen. Hausaufga- Frustrationstoleranz bereits hinter sich dert“, sagte meine Frau, nachdem sie ben sind nicht seine Stärke. Wir machen und sagte patzig: „Was weiß ich, du bist meine Rechnung analysiert hatte. „Logo“, das immer so: Ich sitze im Arbeitszimmer doch hier der Lehrer!“ sagte ich beschäftigt. Aber mir dämmer- und arbeite. Er sitzt in seinem Zimmer am Ich konzentrierte mich und las nochmal. te, wo das Problem gelegen hatte. Schreibtisch und arbeitet auch. Wenn er „Ich versteh das nicht“, sagte ich, wäh- „Beim nächsten Gongschlag ist es 26:67 Hilfe braucht, ruft er. Eigentlich macht er rend der Bub seinen Blick aus dem Fens- Uhr“, sagte sie und schüttelte den Kopf. alle Schulfächer sehr selbstständig. Hin ter schweifen ließ. „Steh mal auf“, sagte Ich blieb an meinem Schreibtisch sitzen und wieder braucht er einen Schub, aber ich, was er tat. Ich setzte mich auf seinen und beschloss zwei Dinge: Keine Mathe- dann läuft es. Nur in Mathe hakt es. Das Stuhl, nahm Blatt und Bleistift und kon- hausaufgaben mehr. Und außerdem: hat nichts mit seiner Lehrerin zu tun, sie ist zentrierte mich. Nichts zu machen. Keine Mathehausaufgaben mehr. toll. Es hat mit Mathe zu tun. Mein Sohn schob auf dem Boden ein Jens Buchholz bildung & wissenschaft 03 / 2019 9
Aktuell KEINE A13–STELLEN A13 FÜR ALLE Lehrkräfte haben Lehrkräfte an Werkrealschulen mitnehmen geliefert, Landesregierung nicht Die Absolventinnen und Absolventen der Gruppe 3 des horizontalen Laufbahnwech- wechsels (Hauptschullehrkräfte an Ge- meinschaftsschulen oder an HS/WRS, die an eine GMS oder RS wechseln wollen) können 2019 nicht nach A13 aufsteigen. Die Kolleg/innen haben die Qualifizie- rung zwar erfolgreich abgeschlossen, die Landesregierung stellt 2019 aber keine A13-Stellen dafür zur Verfügung. Diese Nachricht hat bei der GEW und bei den Foto: Evi Maziol Betroffenen großen Unmut, Enttäuschung und Verärgerung ausgelöst. Das Kultusmi- nisterium (KM) teilte dem Hauptpersonal- Von links: Brigitte Lösch, Dominik Ohly, Doro Moritz, Julian Maus, Andrea Skillicorn, Martin Brenken, rat GHWRGS mit, dass im Landeshaushalt Katharina Miller, Karin Raaf für diese Gruppe keine Stellenhebungen vorgesehen seien. Das KM hat immerhin angekündigt, dass es die Stellenhebungen Wir sind keine Lehrkräfte zweiter Klasse, noch von der Perspektive, nach A13 besol- für den Haushalt 2020/2021 erneut bean- wir wollen ebenfalls nach A13/E13 kom- det zu werden, ausgeschlossen. Den tragen werde. Wenn der Landtag diese Stel- men können. Mit dieser klaren Position vagen Absichtserklärungen der Kultus- len beschließt, sollen die Absolvent/innen überreichte eine Delegation aus Lehr- ministerin fehlt jede rechtliche Grund- der Gruppe 3 sobald wie möglich 2020 in kräften der Stuttgarter Werkrealschulen lage. Die von Doro Moritz koordinierte ihrem neuen Amt ernannt werden. Erst im Landtag eine Resolution an Brigitte Arbeitsgruppe aus Lehrkräften der dann erhalten sie die Besoldung nach A13. Lösch (MdL Grüne, Vorsitzende des Bil- Stuttgarter Werkrealschulen wird jeden Der Gehaltsunterschied zwischen A12 dungsausschusses des Landtags) und an Monat mit einer Aktion gegen ihre inak- und A13 (Stufe 6) beträgt monatlich Dominik Ohly (Parlamentarischer Berater zeptable Benachteiligung aufmerksam 465,99 Euro. Für die betroffenen Lehr- der CDU-Landtagsfraktion). machen und protestieren. kräfte ist jeder Monat, den sie warten Lehrkräfte an Werkrealschulen sind immer b&w müssen, ein massiver Gehaltsverlust. Dieser Entscheidung fehlt jegliche Wert- schätzung. Sie untergräbt das Vertrauen GE W IM GESPR ÄCH der Beschäftigten in ihren Dienstherrn. Die fehlenden Stellenhebungen werden Arbeits- und Gesundheitsschutz nach vorne bringen erhebliche negative Auswirkungen auf weitere Bewerbungen in allen Gruppen keiten für den AGS des horizontalen Laufbahnwechsels haben. und die Maßnahmen Die GEW hat Ministerpräsident Kretsch- des KM zur Gesund- mann, Finanzministerin Sitzmann und heitsprävention. Kultusministerin Eisenmann aufgefordert, Foto: Martin Schommer Die GEW-Vertreter/ die erforderlichen Stellenhebungen im innen thematisierten August 2019 möglich zu machen. Das ist Schwachstellen wie die Landesregierung diesen Lehrkräften Lärmschutzprobleme schuldig. und die Frustration vie- Doro Moritz Von links: Ricarda Kaiser (GEW), Georgia Kolb (GEW), Marie-Luise Bethke ler Kolleg/innen über (KM), Jürgen Stahl (GEW), Martin Schommer (GEW), Günther Thum-Stoerk hohe Arbeitsbelastung (GEW), Petra Utsch-Müller (KM), Martin Morgen (GEW) und krankmachende Arbeitsbedingungen. Anfang Februar trafen sich GEW und Mit- Für die GEW ist klar, dass die hohe Arbeits- Hinweis, wie man auf die arbeiter/innen des Kultusministeriums belastung nachhaltig und effektiv nur Bewerungsliste kommt zu einem Gedankenaustausch über den durch eine Reduzierung der Arbeitszeit www.gew-bw.de/ Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS) an möglich ist und hierfür neue Lehrer/innen bewerbungsliste den Schulen. Themen waren unter ande- eingestellt werden müssen. (nur für GEW-Mitglieder) rem die Neustrukturierung der Zuständig- Martin Schommer 10 bildung & wissenschaft 03 / 2019
Gesellschaft 10 JAHRE NACH DEM AMOKL AUF IN WINNENDEN Innehalten und vorwärtsschauen Zum 10. Mal jährt sich in diesem Monat der Beratungslehrer/innen erhöht, die der Arbeiten von Schüler/innen aus dem der Amoklauf in Winnenden und Wend- Schulpsycholog/innen auf 200 verdoppelt, Projekt „SaVe – Stories against Violence“ lingen. Am 11. März 2009 tötete ein auf- Präventionsprogramme eingerichtet. Das bildete den Rahmen am 10. Jahrestag. Es fällig unauffälliger ehemaliger Schüler war richtig und notwendig. Nachhaltig gab Raum für Gespräche, Gedenken, der Albertville-Realschule mit der Waffe verbessert hat das die schulische Realität Hoffnung, Trauer. Das Leben geht weiter. seines Vaters acht Schülerinnen, einen leider nicht. Einige Jahre nach dem Amok- Die Erinnerung motiviert uns, Schulen, Schüler, drei Lehrerinnen und drei wei- lauf musste 2016 sogar verhindert werden, Kitas und alle Bildungseinrichtungen zu tere Menschen außerhalb der Schule dass Stellen für Schulpsycholog/innen besseren Orten zu entwickeln. und in Wendlingen. gestrichen werden. Doro Moritz Ich erinnere mich – wie viele Menschen im Land – an die unfassbaren Nachrich- ten dieses Tages. Menschen wurden durch grausame Gewalt aus dem Leben geris- sen, Mütter, Väter, Geschwister und ihre Familien haben unfassbares Leid erfah- ren. Die Tat, die Trauer, der Verlust wird sie ihr Leben lang nicht loslassen. Viele Beteiligte leiden noch heute unter den psychischen Belastungen des Amoklaufs. Die Schulgemeinschaft war verstört, ihre Seelen verletzt, viele sind bis heute trau- matisiert. Sie müssen gemeinsam einen Weg des Trauerns, des Gedenkens und des Weiterlebens finden. Bei ihnen sind an diesem Jahrestag meine Gedanken. Foto: imago Neben den seelischen Belastungen sind zahlreiche Lehrkräfte auch beruflich betroffen. Das Land Baden-Württemberg Der gebrochene Ring in Winnenden erinnert an die Opfer des Amoklaufs. hat sich ihnen gegenüber nicht immer für- sorglich gezeigt. Sie mussten über Jahre – und müssen teilweise immer noch – ihre Der Amoklauf mahnt uns, allen Schüle- Ansprüche einklagen. Dies gilt vor allem rinnen und Schülern mit Wertschätzung für diejenigen, die zunächst weiter unter- und Achtsamkeit zu begegnen, ihnen richten wollten und bei denen später die Unterstützung und Zuwendung zu bie- posttraumatische Belastung dazu führte, ten. Wie schaffen wir es, Versagenserleb- dass sie nicht mehr arbeiten konnten. nisse und Diskriminierung zu vermeiden und frühzeitig auf Kinder und Jugend- Stiftung gegen Gewalt an Schulen liche aufmerksam zu werden, die in Not Mütter und Väter, die ihr Kind bei dieser sind und sich abgrenzen, die Bereitschaft sinnlosen Tat verloren haben, gründeten zu Gewalt und Extremismus erkennen die „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“, lassen? Dafür brauchen die Lehrkräfte der die GEW Baden-Württemberg als deutlich mehr Zeit und weitere professio- Stiftungsgründer beigetreten ist. Viele nelle Hilfe. Mehr Zeit, um einzelne Schü- Menschen hatten das Bedürfnis, dieser ler/innen unterstützen, herausfordernde Tat etwas entgegenzusetzen, psychische Situationen wahrnehmen und bewältigen und körperliche Gewalt zu verhindern, zu können. Zeit, damit Schule nicht nur der Entwicklung von Kindern und Jugend- Lernanstalt, sondern auch Ort eines guten lichen in der Schule mehr Aufmerksamkeit Miteinanders sein kann. Dafür kann und und Unterstützung zu geben und Schule muss auch die Landesregierung sehr viel sicherer zu machen. Der Landtag hat den mehr tun. Sonderausschuss „Konsequenzen aus dem Die Schulgemeinschaft in Winnenden Amoklauf in Winnenden und Wendlin- hat einen Weg gefunden, mit der gen: Jugendgefährdung und Jugendgewalt“ Erinnerung an den Amoklauf umzu- eingesetzt. Als Ergebnis wurde die Zahl gehen. Eine Ausstellung künstlerischer bildung & wissenschaft 03 / 2019 11
Aus der Arbeit der GEW Fotos: GEW BW Warnstreik in Stuttgart Ende Februar ERGEBNIS TARIFVERTR AG DER L ÄNDER (T V-L) Rund 8 Prozent mehr Geld „Wir haben rund acht Prozent mehr erreicht. Das ist ein gutes Ergebnis, mit dem unsere GEW- Delegation am Fasnetsonntag aus Potsdam zurück nach Baden-Württemberg kam“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Die Gehälter steigen in drei Schritten. Darin enthalten ist eine soziale Komponente von 240 Euro über die Vertragslaufzeit von 33 Monaten. Die Gehälter der Beschäftigten steigen portional. Der Vertrag hat eine Laufzeit beamteten Kolleg/innen. Unsere Erzie- nach der Einigung mit den Arbeitge- von 33 Monaten und endet am 30. Sep- herinnen und Erzieher im Landesdienst, bern am 2. März in drei Schritten: Rück- tember 2021. Die Zulage, die rund 50.000 vor allem an den SBBZ mit Internat (frü- wirkend zum 1. Januar 2019 um durch- angestellte Lehrkräfte erhalten, steigt von her Heimsonderschulen) werden künftig schnittlich 3,2 Prozent (Mindestbetrag derzeit 30 Euro um 75 auf 105 Euro. wie ihre Kolleg/innen in den Kommunen 100 Euro), zum 1. Januar 2020 um weitere „Alle Kolleginnen und Kollegen erhalten bezahlt. Das ist ein deutliches Zeichen der 3,2 Prozent (90 Euro Mindestbetrag), und ein starkes Lohnplus. Für unsere 12.000 Anerkennung der gesellschaftlich wich- zum 1. Januar 2021 nochmals um 1,4 Pro- angestellten Lehrkräfte ist es ein wichtiges tigen Arbeit, die Erzieher/innen sowie zent (50 Euro Mindestbetrag). Die Stufe 1 Signal, dass Verbesserungen in der Ein- Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/ in den Entgeltgruppen des Tarifvertrages gruppierung kommen und eine Parallel- innen leisten“, sagte Moritz. des Länder (TV-L) steigt überall mit gut tabelle erreicht werden kann. Dann Die GEW erwartet von der Landesregie- 11 Prozent in diesem Zeitraum überpro- wären sie genauso eingruppiert wie die rung, das Ergebnis auf die Beamtinnen 12 bildung & wissenschaft 03 / 2019
Aus der Arbeit der GEW Bild links: Demozug in Stuttgart. Bild rechts: Kundgebung in Stuttgart (von links) Gabi Frenzer-Wolf (stellvertretende DGB-Vorsitzende), Martin Gross (Verdi-Vorsitzender), Hans-Jürgen Kirstein (Vorsitzender GdP), Doro Moritz (GEW-Vorsitzende) und Beamten sowie Versorgungsemp- gleiche Höhergruppierung leider nicht Kleinteilige Betrachtung fänger/innen zeit- und wirkungsgleich durchsetzen. Allerdings werden Garantie- der Arbeitsschritte abgewendet zu übertragen. Sie muss auch wirksame beträge erhöht, die eine Mindestanhebung Die Arbeitgeber wollten ursprünglich an Schritte gegen die hohe Zahl von der Gehälter bei der Höhergruppierung den Grundfesten des Tarifrechts im öffent- Befristungen unternehmen. An den Schu- sicherstellen. Für die Entgeltgruppen 1 lichen Dienst rütteln. Im Tarifvertrag len in Baden-Württemberg ist jede dritte bis 8 betragen sie 100 Euro und 180 Euro TV-L ist festgeschrieben, dass für die Ein- tarifbeschäftigte Lehrkraft nur befristet für die Entgeltgruppen 9 bis 14. Die gruppierung immer das Ziel bei Arbeits- angestellt, deren Sommerferien werden Kommunal- und Bundesbeschäftigten vorgängen entscheidend ist. Diese Rege- nicht bezahlt. An den Hochschulen liegt sind hier einen Schritt weiter. Dort gibt lung wollten die Arbeitgeber schleifen. die Befristungsquote sogar bei 80 Pro- es die stufengleiche Höhergruppierung Sie forderten, dass die Arbeitsvorgänge zent. „Wenn junge Leute in den Medien bereits, die zu deutlich besseren Gehalts- atomisiert betrachtet werden müssten. lesen, dass das Land jedes Jahr im Juli steigerungen führt. Mit den Länderarbeit- Dies hätte eine kleinteilige Betrachtung tausende Beschäftigte in die Arbeitslo- gebern war diese überfällige Reform auch jedes einzelnen Arbeitsschrittes bedeu- sigkeit schickt, nützen auch acht Prozent in dieser Tarifrunde nicht zu machen. tet und damit die Eingruppierungen ver- mehr Gehalt nicht viel, um sich als attrak- Fortschritte bei der Paralleltabelle für die schlechtert. Trotz eindeutiger Rechtspre- tiver Arbeitgeber zu zeigen“, sagte Moritz. tarifbeschäftigten Lehrer/innen waren chung durch das Bundesarbeitsgericht In Baden-Württemberg sind 10 Prozent der GEW sehr wichtig. 2015 hat der bestanden die Arbeitgeber zunächst auf der rund 120.000 Lehrer/innen Angestellte. Beamtenbund einen Eingruppierungs- einer Änderung dieses Paragrafen. Für Außerdem arbeiten als Tarifbeschäftigte tarifvertrag unterschrieben, nach dem die Gewerkschaften war klar: hier kann es im Landesdienst knapp 800 Pädagogische bestimmte Entgeltgruppen eine Anglei- keine gewerkschaftlichen Zugeständnisse Assistent/innen an Schulen und gut 600 chungszulage von 30 Euro erhalten soll- geben. Nach langem Ringen konnte sich Erzieher/innen unter anderem an SBBZ ten. Der Abstand zur Zielentgeltgruppe das Lager der Realisten bei den Arbeit- mit Internat. beträgt aber mehr als 300 Euro. Deshalb gebern durchsetzen. hatte die GEW diesen Tarifvertrag von Fazit: Die Gewerkschaften gingen zuver- Was noch fehlt 2015 nicht abgeschlossen. Jetzt wollte die sichtlich in die Verhandlungen. Sie wurden Ein Gesamtpaket enthält natürlich auch GEW die Paralleltabelle erreichen. Nach von den Forderungen der Arbeitgeber Punkte, die Bauchschmerzen bereiten. langem Hin und Her wird die Anglei- überrascht. Aber dank der eindrucksvollen So ist es für die Gewerkschaften bei chungszulage immerhin um 75 Euro auf Warnstreiks konnten sie letztendlich mit der Jahressonderzahlung. Hier mussten 105 Euro erhöht. Und die Arbeitgeber dem Ergebnis zufrieden sein. Das bewies die Arbeitnehmervertreter/innen die haben zugesagt, dass es nach dieser Tarif- auch das Abstimmungsergebnis in der Kröte schlucken, dass für die Jahre 2019, runde in Tarifverhandlungen zu einer Tarifkommission. 2020, 2021 und 2022 dieser Betrag auf Verständigung über die Einführung der Klaus Willmann dem Niveau von 2018 eingefroren wird. Paralleltabelle kommen soll. Hier ist auf Allerdings ist anders als bei den Beschäf- die Wortwahl zu achten! Bisher sprach tigten der Kommunen und des Bundes der Text von „Gesprächen“, jetzt akzep- Infos zum Tarifabschluss: das Ende absehbar. Nach 2022 wird die tieren die Arbeitgeber „Verhandlungen“! www.gew.de/troed2019/ Jahressonderzahlung wieder an den Ent- Ohne die GEW würden die betroffenen fragen-und-antworten/ gelterhöhungen teilnehmen. Kolleginnen und Kollegen weiterhin mit Die Gewerkschaften konnten die stufen- 30 Euro abgespeist werden. bildung & wissenschaft 03 / 2019 13
Titelthema
Titelthema Bildunterschrift SCHULE UND UNTERRICHT Gemeinsam mit der GEW mehr Zeit erringen Lehrerinnen und Lehrer wollen trotz widriger Rahmenbedingungen in allen Schularten gute Arbeit leisten. Dafür gilt es, danke zu sagen. Die GEW setzt sich dafür ein, dass Lehrkräfte gesund bleiben, Lust zum Arbeiten und Zeit zum Leben haben. Schule hat sich verändert. „Ich wäre froh, wenn ich in Ruhe und Jugendlichen ohne ausreichende Deutschkenntnisse und unterrichten könnte“, sagen Lehrkräfte oft. Der Satz ist typisch mit Fluchterfahrungen und nicht zuletzt für die notwendigen für die Stimmung bei vielen Lehrkräften. Auch wenn jede Veränderungen an den Realschulen. Die unbefriedigende Schule, jede Schulart ihre Besonderheiten hat, die Herausfor- und kurzfristige Kommunikation von Neuerungen durch das derungen ähneln sich. Die Aufgaben außerhalb des Unterrichts Kultusministerium sind ein weiterer Stressfaktor. haben zugenommen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass die Schulleitungen beklagen fehlende Zeit für Qualitäts- und Per- reine Unterrichtszeit vor Jahrzehnten noch einen deutlich höhe- sonalentwicklung, für Gespräche, für Reflexion. Das ist ein ren Anteil an der Gesamtarbeitszeit von Lehrkräften ausmachte. ernstzunehmendes Alarmsignal. Seit Jahren stellt das Kul- Umgang mit Konflikten, Elternarbeit, Konferenzen, Kooperati- tusministerium die Stärkung der Schulleitungen in Aussicht. onen, Dokumentationen, Datenschutz, Digitalisierung, Team- Deren Bedeutung für Schulqualität ist offensichtlich. Dennoch besprechungen, außerunterrichtliche Veranstaltungen, Projekte will Kultusministerin Susanne Eisenmann die Leitungszeit erst und vor allem viel Unvorhergesehenes gehören zum Schulall- ab 2022 erhöhen. tag. Zunehmend steigt die Belastung durch Vertretungsunter- Wissenschaftliche Studien im Auftrag der GEW belegen, wie richt. Erziehung und Beratung kosten viel Kraft. Alle Lehrkräfte groß der Lehrkräftebedarf aufgrund der steigenden Schüler- und Schulleitungen wünschen sich mehr Zeit für die Schüle- zahlen und des Bedarfs für Verbesserungen ist. Dafür müssen rinnen und Schüler und für konzeptionelles Arbeiten. Deshalb umgehend Studienplätze geschaffen werden. Es ist ein erster muss die Unterrichtsverpflichung gesenkt werden. Schritt, dass das Kultusministerium den massiven Stellen- Die Rahmenbedingungen haben sich schleichend, aber deut- bedarf anerkennt. Andere Maßnahmen zur Gewinnung von lich verschlechtert. Auch Schulleitungen können ein Lied Lehrkräften müssen zeitnah folgen. Die bisherigen Ankündi- davon singen. An Schulen bekommen Lehrkräfte mit beson- gungen von Kultusministerin Eisenmann reichen nicht aus. deren Aufgaben wegen der Kürzung des Allgemeinen Entlas- Fehlende Zeit und mangelnde Unterstützung belasten alle, die tungskontingents weniger Zeit. Das belastet und wird als man- an Schulen arbeiten. Das unbefriedigende Gefühl, Schüler/ Foto: Rawpixel / iStock (nachträglich bearbeitet) gelnde Wertschätzung wahrgenommen. Die Kürzungen sollen innen nicht ausreichend gerecht zu werden, nehmen viele zurückgenommen werden – allerdings erst 2023. auch mit nach Hause. Ein entspannter Feierabend, ein ruhiges Neue Aufgaben und Herausforderungen werden nicht mit Wochenende fällt dann schwer. Zeit ausgestattet. Das gilt vor allem für die Organisation des Qualität in der Schule braucht mehr Zeit. Die GEW sorgt Ganztags, für den Umgang mit der Individualität und Viel- dafür – kontinuierlich seit Jahren mit starker Öffentlichkeits- falt der Schülerinnen und Schüler, für die Schulentwicklung und Lobbyarbeit und mit tatkräftigen Personalrätinnen und in inklusiven Bildungsangeboten und das fehlende Zwei- Personalräten. Geben Sie Ihre Stimmen bei den Personalrats- Pädagogen-Prinzip. Es gilt auch für den Aufbau der Gemein- wahlen der GEW. schaftsschulen und ihrer Oberstufen, für die Neukonzeption Doro Moritz der Oberstufe an den Gymnasien, die Arbeit mit Kindern GEW-Landesvorsitzende bildung & wissenschaft 03 / 2019 15
Titelthema GRUND- UND GEMEINSCHAFT SSCHULE Für Austausch und Abstimmungen bleibt zu wenig Zeit Schulen sollen Zusatzaufgaben wie Inklusion und Schulentwicklung übernehmen, doch dafür fehlt ihnen oft Zeit und Personal. Für Abstimmungsgespräche und Austausch beispielsweise vermissen sie Anrechnungsstunden. Das ist auch an der Anne-Frank-Schule in Karlsruhe, einer Grund- und Gemeinschaftsschule, ganz ähnlich. Inmitten von Wohnblocks liegt die Schule im Westen von Teilhabe nicht erfüllen, schlussfolgert Schwarz-Hemmerling. Karlsruhe. Containerbauten, die vor Jahren als Provisorium Nicht nur für den Austausch mit den Sonderpädagog/innen, gedacht waren, wirken wie bunte Farbtupfer auf dem großzü- auch für anderen Gesprächs- und Abstimmungsbedarf wün- gigen Schulgelände. Die einstöckigen Gebäude, in denen die schen sich Schwarz-Hemmerling und Corinna Blume mehr Eingangsklassen der Grundschule untergebracht sind, bieten Zeit. Sie fänden mehr Präsenszeiten für Lehrkräfte hilfreich. kleine, geschützte Einheiten, in denen sich Lehrkräfte wie „Wenn wir ein gemeinsames Zeitfenster hätten, an dem alle Schüler/innen wohlfühlen. Auch mit der Unterrichtsversor- Lehrkräfte an der Schule sind, hätten wir auch mehr Zeit für gung ist die Schule momentan zufrieden. „Wir haben Glück Qualitätssteigerung, abgestimmte Unterrichts- und Erzie- gehabt“, freut sich Johann Schwarz-Hemmerling, denn alle hungsarbeit und für die geforderte Schulentwicklung“, führt Lehrerstellen an der Anne-Frank-Schule sind besetzt. Wenn der Schulleiter aus. Mehr Zeit an der Schule würde auch die von den rund 60 Kolleg/innen der Grund- und Gemein- Sicht auf Schule verändern, ergänzt Blume. Beide wissen, dass schaftsschule keine Lehrkraft unverhofft länger ausfällt, lässt die Realisierung innerhalb der aktuellen Rahmenbedingungen sich der Schulalltag bewältigen. und dem momentanen Arbeitszeitmodell nicht zumutbar ist. Es wäre Zusatzaufwand vor allem für Kolleg/innen, die in Teil- Wünschenswert sind multiprofessionellen Teams zeit arbeiten. Es mangelt auch an Arbeitsplätzen für die Lehr- „Wir müssen vor allem in der Grundschule viel Erziehungs- kräfte. Wie an vielen Schulen steht den Lehrkräften nur ein arbeit stemmen“, erzählt die Konrektorin Corinna Blume. großes Lehrerzimmer und ein kleiner Lehrerarbeitsraum zur Zunehmend würden Kinder die Verhaltensformen nicht mit- Verfügung. Ein Kaffeeautomat mit Milchschäumer ist schon bringen, die fürs schulische Miteinander nötig seien. Das sei Luxus. teilweise sehr anstrengend. „Auch wenn wir einen Bildungs- und Erziehungsauftrag haben, arbeiten wir doch hauptsächlich Ungleiche Bezahlung nicht gerechtfertigt als Lehrkräfte und nicht als Erzieher/innen“, erklärt der Schul- „Die A12-Besoldung für Grundschullehrer/innen ist nicht leiter Schwarz-Hemmerling. Er wünscht sich mehr Unterstüt- gerechtfertigt“, kritisiert der Schulleiter. „Sie verrichten zung durch multiprofessionelle Teams. In Zusammenarbeit schließlich eine wichtige Basisarbeit.“ Dass Lehrkräfte in ver- mit Erzieher/innen, Schulsozialarbeiter/innen und Schulpsy- schiedenen Gehaltsklassen an seiner Schule arbeiten, miss- cholog/innen könnten sich Lehrkräfte mehr um individuali- fällt ihm sehr. Besonders ungerecht empfindet er, dass Haupt- sierte Bildung kümmern. schullehrkräfte, die seit Jahren an der Schule arbeiten, weniger Bei der Frage „Wofür hätten Sie gerne mehr Zeit?“ muss der Gehalt bekommen, als junge Kolleg/innen, die seit neuestem Schulleiter nicht lange überlegen. „Vor allem für die Inklusion“, mit A13 eingestellt werden. Auch die Aufstiegsmöglichkeiten, und er vermittelt eine Ahnung, wie aufwändig die Umsetzung die mit dem Horizontalen Laufbahnwechsel (Hola) je nach dieser wichtigen Aufgabe ist. 28 inklusive Kinder besuchen Schulart unterschiedlich aufwändig geregelt sind, bemängelt die Grundschule. Rund 36 Unterrichtsstunden pro Woche der Rektor. „Das ist mangelnde Wertschätzung“, findet er. verbringt jedes Kind in der Grundschule im Ganztag. Den Noch eine 10. Klasse mit Werkrealschüler/innen gibt es an der inklusiven Kindern stehen dafür knapp 8 Stunden sonderpä- Schule, nach deren Abschluss ist diese Schulart ausgelaufen. dagogische Unterstützung zu, die restlichen 28 Stunden über- Die Gemeinschaftsschule startete mit dem Schuljahr 2014/15, nehmen die Grundschullehrkräfte. „Viele Lehrkräfte unter- die ältesten 46 Schüler/innen sind in der 9. Klasse angekom- richten inklusive Kinder aus Überzeugung, bekommen dafür men. Knapp die Hälfte der Neuntklässler/innen wird noch in aber für den zieldifferenten Unterricht mit lernbehinderten diesem Schuljahr die Hauptschulabschlussprüfung ablegen. Kindern keine Entlastung und keine Anrechnung. Auch für Nur wenige Schüler/innen lernen auf dem erweiterten Niveau, den Austausch mit den Sonderpädgog/innen sind keine Zeiten rund die die Hälfte auf mittlerem Niveau. Wenn man bedenkt, vorgesehen.“ So könne Inklusion seinen Grundgedanken der dass 65 Prozent der Schüler/innen mit einer Hauptschul- 16 bildung & wissenschaft 03 / 2019
Fotos: Maria Jeggle Titelthema empfehlung an der Anne-Frank-Schule gestartet sind, haben sich viele Schüler/innen gut entwickelt. Käme eine Oberstufe hinzu, würde sich der Schulleiter einen weiteren Schub für die Schule versprechen. „Wir hätten sofort eine stärkere Durchmi- schung der Schülerschaft“, ist der Schulleiter überzeugt. Auch für den Stadtteil, in dem es kein Gymnasium gibt, wäre eine Oberstufe attraktiv. Aufbauleistung sollte honoriert werden Der Aufbau der neuen Schulart bedeutet allerdings für Schul- leitung und Lehrkräfte viel Aufwand und Kraft. Die zusätzli- chen Stunden, die die ersten drei Jahre als „Anschubfinanzie- rung“ den Gemeinschaftsschulen für die Entwicklungsarbeit zugestanden werde, müsste nach Meinung von Schwarz-Hem- merling weitergeführt werden. Auch für einen zweiten Durch- Rektor Johann Schwarz-Hemmerling und Konrektorin Corinna Blume, lauf, in dem das pädagogische Konzept nachjustiert werden ÖPR-Vorsitzende am SSA Karlsruhe kann, sollte Zeit zur Verfügung gestellt werden. „Das ist eine Aufbauleistung, die andere Schularten nicht bewerkstelligen oben: Provisorische Container, in denen die Grundschule untergebracht ist. müssen, daher halte ich die zeitliche Entlastung für gerechtfer- tigt“, sagt der Rektor. Warum es für das individuelle Coaching der Schüler/innen in der Gemeinschaftsschule keine Anrechnung gibt, bleibt ebenfalls unverständlich. Die regelmäßigen Einzelgespräche zwischen Lehrkraft und Schüler/in erleben viele als großen Maria Jeggle Gewinn, und wie die zahlreichen Teambesprechungen unter b&w-Redakteurin den Lehrkräften ist dieser Zusatzaufwand in der Gemein- schaftsschule für viele schon selbstverständlich geworden. Gerade deshalb dürfen die Forderungen nach einer Entlastung nicht verstummen. bildung & wissenschaft 03 / 2019 17
Titelthema GRUNDSCHULE Kleine Kinder – große Herausforderungen Die Grundschule besuchen alle Kinder. Hier werden die Grundlagen für das ganze Leben gelegt. Trotzdem fehlt der Schulart Wertschätzung, Personal und Ausstattung. Ricarda Kaiser, Vorsitzende der Landesfachgruppe Grundschule und Mitglied im Hauptpersonalrat GHWRGS berichtet vom Schulalltag und was sie mit einem Zauberstab gerne verändern würde. In öffentlichen Reden bekommt die Grund- An den Grundschulen gibt es sehr viele Kin- schule viel Wertschätzung. Merkt man das der mit Fluchterfahrungen und schlech- auch bei den Bedingungen vor Ort? ten Deutschkenntnissen. Sind die Grund- Ricarda Kaiser: Auch in den gesellschaft- schulen dafür angemessen ausgestattet? lichen und politischen Diskussionen Das Konzept der Vorbereitungsklassen fehlen oft die Wertschätzung und vor muss grundlegend überarbeitet werden. allem das Wissen, wie es an den Grund- Viel zu oft werden nicht ausgebildete schulen aussieht. Als „Schule für alle“ ist Lehrkräfte eingesetzt. Solange die Grund- die Grundschule schon immer heterogen. schulen nicht wesentlich bessere Bedingun- Die Elternarbeit und die Beratungs- und gen bekommen, gehen viele dieser Kinder Diagnosekompetenz der Lehrkräfte sind verloren. Es gibt viel zu wenig Fortbildung in dieser Altersstufe besonders wichtig. und Entlastung für die Lehrer/innen. Ohne Differenzierung geht gar nichts. Der Unterricht muss aufwändig vorberei- Wenn du einen Zauberstab hättest: Was Foto: privat tet werden – sonst wird man den Schüler/ würdest du sofort an den Grundschulen innen nicht gerecht. Das braucht viel Zeit. ändern? Aber die Grundschullehrkräfte haben mit Kleinere Klassen, kindgerechte Schulhäu- 28 Stunden ein viel zu hohes Deputat. ser und Pausenhöfe, A13 für alle und viel Und mich ärgert, dass sie keinerlei Aus- Zeit für ergänzende Angebote und Förder- sicht auf eine höhere Besoldung haben. „Es gibt Unterrichts- stunden. Ich wünsche mir mehr Südtirol in Baden-Württemberg. Was ich dort Es gibt viele Stichworte, die die Heraus- stunden, die berühren gesehen habe, hat mich motiviert, mich forderungen an der Grundschule beschrei- und in denen Kinder weiter gewerkschaftlich zu engagieren. Veränderungen sind möglich. ben: Ganztagesschule, Unterricht darf nicht ausfallen, keine Förderstunden – was berührt werden. sind für dich die größten Belastungen? Das prägt fürs Leben.“ Was ist für dich das Schöne der Arbeit an Am schwierigsten ist der volle Alltag. Ricarda Kaiser einer Grundschule? Die Dichte eines Schulvormittages mit Die Offenheit und Begeisterungsfähig- hunderten von kleinen Entscheidun- keit der Kinder. Es gibt Unterrichtsstun- gen kann man sich kaum ausmalen. An Schüler/innen können auch nicht nach den, die berühren und in denen Kinder Ganztagesschulen verschärft sich das Hause geschickt werden. Wenn eine berührt werden. Das prägt fürs Leben. noch. Oft haben die Lehrer/innen nicht Lehrkraft für mehrere Klassen zuständig Das Interview führte Michael Hirn einmal Zeit, auf die Toilette zu gehen ist, wird keine Klasse qualifiziert unter- oder etwas zu trinken. Das können sich richtet und die Lehrkräfte sind überlas- Außenstehende nicht vorstellen. Die tet. Mit Qualität hat das nichts zu tun. 18 bildung & wissenschaft 03 / 2019
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