Zeitschrift der - GEW Hessen

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Zeitschrift der - GEW Hessen
Zeitschrift der        Hessen
                            für Erziehung, Bildung, Forschung

                        71. Jahr Heft 7/8 Juli /August 2018
                                                     zum Inhaltsverzeichnis

   SCHWERPUNKTTHEMA:
Multiprofessionelle Teams

                                                                             li
                                                                     500 Mil
                                                                              s
                                                                     für Kita
                                           Gegen
                                                   ung                Schulen
                   Wir backe
                             n             Überlast mangel
                                                    rer               Hochsch
                   mit Ihnen                und Leh
                               rinnen
                   neue Lehre
                   und Lehrer
Zeitschrift der - GEW Hessen
HLZ 7–8/2018        2

                                                                                                                            Zeitschrift der GEW Hessen
                                                                                                                            für Erziehung, Bildung, Forschung
                                                                                                                            ISSN 0935-0489

                                                                                                           I    M       P      R     E      S     S      U      M
                                                                                                           Herausgeber:
                                                                                                           Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                                           Landesverband Hessen
                                                                                                           Zimmerweg 12
                                                                                                           60325 Frankfurt/Main
                                                                                                           Telefon (0 69) 971 2930
                                                                                                           Fax (0 69) 97 12 93 93
                                                                                                           E-Mail: info@gew-hessen.de
                                                                                                           Homepage: www.gew-hessen.de
                                                                                                           Verantwortlicher Redakteur:
                                                                                                           Harald Freiling
                                                                                                           Klingenberger Str. 13
                                                                                                           60599 Frankfurt am Main
                                                                                                           Telefon (0 69) 636269
                                                                                                           Fax (069) 6313775
                                                                                                           E-Mail: freiling.hlz@t-online.de
                                                                                                           Mitarbeit:
                                                                                                           Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch-
                                                                                                           schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung),
                                                                                                           Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung),
                                                                                                           Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke
                                                                                                           (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka-
                                                                                                           rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik
                                                                                                           und Gewerkschaften)
                                                                                                           Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert †
                                                                                                           Titelthema: Andrea Gergen, Christina Nickel, Refe-
                                                                                                           rat Aus- und Fortbildung im GEW-Landesvorstand
                                                                                                           Illustrationen: Thomas Plaßmann (S. 33), Ruth Ul-
                                                                                                           lenboom (S. 4)
                                                                                                           Fotos, soweit nicht angegeben:
                                                                                                           Bernhard Trillig (Titel), GEW (S. 6, 7, 31)

                                                                                                           Verlag:
                                                                                                           Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                                                           Niederstedter Weg 5
                                                                                                           61348 Bad Homburg
                                                                                                           Anzeigenverwaltung:
                                                                                                           Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                                                           Peter Vollrath-Kühne

                 70 JAHRE
                                                                                                           Postfach 19 44
                                                                                                           61289 Bad Homburg
                                                                                                           Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21

                                                               : WIR GRATULIEREN
                                                                                                           E-Mail: mlverlag@wsth.de
                                                                                                           Erfüllungsort und Gerichtsstand:
                                                                                                           Bad Homburg
                 Vor 70 Jahren erschien die erste Ausgabe der HLZ mit einem Vorwort der amerika-           Bezugspreis:
                 nischen Militärregierung, zunächst als Zeitschrift für „alle Lehrerverbände“. Ab 1949     Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein-
                 wurde die HLZ als Zeitschrift der GEW Hessen fortgeführt, in der sich Beschäftig-         schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten
                 te aller Bildungseinrichtungen und Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen unter         sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag
                                                                                                           enthalten.
                 dem Dach des DGB zusammengeschlossen hatten.
                                                                                                           Zuschriften:
                                                                                                           Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder
Aus dem Inhalt

                 Rubriken                                     Einzelbeiträge:                              wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver-
                                                                                                           öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen
                  4 Spot(t)light                               6   Bessere Bedingungen für Bildung!        vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen
                  5 Meldungen                                 20   Überlastungsanzeigen im Landtag         nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion
                                                                                                           übereinstimmen.
                 32 Recht: Eingruppierung                     22   Lehrkräfte am Limit
                                                              24   Kontrovers: Kopftuch in der Schule
                 Schwerpunkt:  Multiprofessionelle  Teams                                                  Redaktionsschluss:
                                                              26   Sprachsensibler Fachunterricht
                  8   Wie kann Teamarbeit gelingen?           28   Werbung in der Schule                   Jeweils am 5. des Vormonats
                 10   Fortbildungskonzepte                    30   Aus der Personalratsarbeit
                 11   Berichte aus der Praxis                 31   Die Fach- und Personengruppen:          Nachdruck:
                 13   Akzeptanz und Wertschätzung                  Sozialpädagogische Fachkräfte
                                                                                                           Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-
                                                                                                           gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei-
                 14   Teamteaching im Referendariat           34   1818: Wie aktuell ist Karl Marx?        genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
                 16   Die Grundschule Berg Fidel              35   1918: Der Aufstand der Matrosen         Genehmigung der Redaktion und des Verlages.
                 18   Im Gespräch: Barbara Wenders            36   Repression in der Türkei                Druck:
                                                                                                           Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH
                 40 Aus dem lea-Fortbildungsprogramm          37   Nachruf: Hellfried Graf ist gestorben   Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
Zeitschrift der - GEW Hessen
3     HLZ 7–8/2018   zum Inhaltsverzeichnis                                                               KOMMENTAR

                 Menschen zurückgewinnen
    „Die AfD ist eine rassistische Partei.“ – „Die AfD           Aber stimmt es überhaupt, dass nicht alle Wäh-
    steht für Sozialabbau.“ So heißen die beiden Schlüs-      lerinnen und Wähler der AfD ihre Entscheidung aus
    selsätze des Aufrufs „Keine AfD im Landtag“, über         ideologischen Gründen treffen? Sind da überhaupt
    den die HLZ berichtet hat (Heft 6/2018). Kein Zwei-       welche, die zurückzugewinnen wären? Ja, dafür gibt
    fel: Das ist eine sehr verdienstvolle Initiative, und     es Hinweise. Um nur einen zu nennen: Auf die Fra-
    es ist zum Glück nicht die einzige, die den rassisti-     ge, warum sie sich für eine bestimmte Partei ent-
    schen und neoliberalen Charakter der AfD offenlegt.       schieden haben, antworteten nach der Bundestags-
       Allerdings: So wichtig diese Aufklärungsarbeit         wahl die meisten Befragten: „aus Überzeugung“. Das
    ist, so wirkungslos würde sie wohl bleiben, wenn          geht von 54 Prozent bei der Linken bis zu 78 Prozent
    sich die Gegnerinnen und Gegner der neuen Rech-           bei der Union. Nur bei der AfD nannte eine Mehr-
    ten darauf beschränken würden. Wer der AfD das            heit (61 Prozent) „Enttäuschung über andere Partei-
    Wasser abgraben will, muss nach den Quellen su-           en“ als Hauptgrund für ihre Entscheidung.
    chen, aus denen ihr Zulauf kommt. Wer ihr den Bo-            Noch einmal: Wer rassistische Ideologie verbrei-
    den entziehen will, muss zu verstehen versuchen,          tet, ist mit allen demokratischen Mitteln zu bekämp-
    warum so viele Menschen sie wählen – auch in den          fen, im Zweifel müssen Freundschaften gekündigt
    Gewerkschaften.                                           und Begegnungen boykottiert werden. Aber, wenn der
       Wohlgemerkt: „Verstehen“ heißt nicht „Verständ-        Verweis auf ein persönliches Erlebnis gestattet ist:
    nis haben“. Erst recht bedeutet es nicht, rassistischen   Was mache ich mit einem Schüler, der mir erzählt,
    Ideologien plötzlich mit Milde zu begegnen. Wer sie       dass straffällige Ausländer von der Justiz besser be-
    pflegt, muss bekämpft werden, sonst nichts. Das gilt      handelt würden als Deutsche? Ich habe das beim Be-
    vor allem für die Funktionärinnen und Funktionäre         such im Powi-Leistungskurs eines hessischen Gym-
    dieser Partei, und zwar unabhängig davon, welchem         nasiums erlebt. Hätte ich den jungen Mann, sicher
    „Flügel“ sie angehören: Auch die angeblich „Gemä-         bald wahlberechtigt, mit den Worten „Kleiner Ras-
    ßigten“ sind Rassisten, denn rassistisch ist die ge-      sist“ rechts liegen lassen sollen, weil aus ihm das
    samte völkische Programmatik der Partei in der Tat.       Echo der AfD-Propaganda sprach?
       Dennoch hat der Kampf gegen die AfD auch eine             Es zeugt nicht von Verständnis für rechte Posi-
    zweite Ebene: den Umgang mit dem Teil ihrer Wäh-          tionen, wenn man zu verstehen versucht, wie sozi-
    lerschaft, der wahrscheinlich über kein geschlosse-       ale Brüche, Abstiegsangst und Unsicherheit im Le-
    nes rechtes Weltbild verfügt. Anders gesagt: Wer die      bensumfeld manche Wählerinnen und Wähler in die
    Wählerinnen und Wähler pauschal gleichsetzt mit           Arme der Rechten treiben. Gerade Gewerkschafte-
    der Partei, die es zu bekämpfen gilt, begibt sich der     rinnen und Gewerkschafter sollten noch mehr Wert
    Chance, wenigstens einen Teil von ihnen für die De-       darauf legen, diese Menschen für den Kampf um die
    mokratie zurückzugewinnen.                                einzige Alternative zur Schein-Geborgenheit in der
       Ja, diese Form der Differenzierung ist höchst um-      völkischen Gemeinschaft zu gewinnen: soziale Si-
    stritten. Das Problem des Rassismus werde durch den       cherheit und echte Daseinsvorsorge in einem Klima
    verständnisvollen Hinweis auf die „besorgten Bür-         gesellschaftlicher Liberalität.
    ger“ kleingeredet, heißt es oft. Aber wird nicht um-
    gekehrt ein Schuh draus? Besteht nicht die Gefahr,
    Protestwählerinnen und Protestwähler in ihrer Ent-
    scheidung für die AfD noch zu bestärken, wenn man
    sie mit den Ideologen des modernen Rassismus pau-
    schal gleichsetzt? Gehört zur Demokratie nicht auch                                        Stephan Hebel
    der Versuch, wenigstens die aus Protest Schwanken-
    den zu überzeugen? Spricht es etwa für demokrati-                                          Stephan Hebel ist Journalist und
                                                                                               schreibt regelmäßige Kommentare
    sches Selbstbewusstsein, zu glauben, dass die eige-                                        und Kolumnen in der Frankfurter
    nen Argumente dafür nicht genügen?                                                         Rundschau.
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SPOT(T)LIGHT                                                                                  zum Inhaltsverzeichnis      HLZ 7–8/2018       4

              Aus den Niederungen                                                                   Wer es gleichberechtigter möch-
                                                                                                te, muss RTL II einschalten. Da wer-
                                                                                                den auch Männer zum Objekt gemacht.

      einer „Kulturnation“                                                                      Sechs Exemplare stehen in Telefonzel-
                                                                                                len. Man sieht nur ihre weißen Beine,
                                                                                                alles andere ist verhüllt. Eine Kandida-
                                                                                                tin sucht hier nach dem Traumpartner.
      Heute oute ich mich. Meine Leser haben      mein Mann sehr wütend werden. Fuß-            Auf ein geheimes Zeichen hin bewegen
      Ehrlichkeit verdient! Ich sehe Privat-      ball ist nämlich ein hohes Kulturgut!         sich Jalousien, und die Männer in den
      fernsehen. Und zwar nicht nur Spiel-        Und die Sendungen, die ich bisweilen          Kabinen werden bis zum Bauchnabel
      filme mit 30 Werbeblöcken, sondern          (!) verfolge, sind nichts als Müll. Sagt      enthüllt. Von unten nach oben. Fach-
      richtig geistig-seelischen Müll. Natür-     mein Mann.                                    kundig diskutieren die Kandidatin und
      lich tue ich das aus rein wissenschaft-         Auf eine gewisse Empörung stoße           eine hoch qualifizierte Moderatorin die
      lichem Interesse. Schließlich bin ich       ich auch bei Freunden und Kollegen,           gepiercten und enthaarten Hängeparti-
      als Lehrerin für die Medienkompetenz        wenn ich bestimmte „Fernsehforma-             en. Nach der ersten Enthüllungsrunde
      und die ethische Haltung meiner Schü-       te“ erwähne. So etwas sehen sie nicht!        wird ein Bewerber aussortiert. Er tritt
      ler verantwortlich. Und wenn man den        Nie und nimmer! Allerdings stellen sie        nackisch aus seiner Zelle und verab-
      Teufel austreiben will, muss man genau      sich im Verlauf solcher Gespräche als         schiedet sich großmütig. In jeder Run-
      studieren, in welcher Gestalt er sein Un-   bestens informiert heraus. Kennen Sen-        de werden die Jalousien ein Stück höher
      wesen treibt.                               dungen, von denen ich noch nie gehört         gezogen und geben mehr und mehr Tat-
          Leider kann ich meine Studien nur       habe, können die aktuellen Teilnehmer         toos, Piercings und Muskelfleisch preis.
      dann in Ruhe durchführen, wenn mein         beim Namen nennen und wissen genau,           Ganz zum Schluss sieht man die Köp-
      Mann außer Haus ist. Sonst stellt er        was in der letzten Folge passiert ist.        pe, und die Männer dürfen einen Satz
      sich nämlich sofort spottend neben          Aber das wissen sie natürlich alles nur       sprechen, schließlich zählt ja auch die
      mir auf und kommentiert alles, so dass      aus der Programmvorschau. Der kann            Stimme zum ersten Eindruck. Wenn nur
      man den Originalton gar nicht mehr          man sich nämlich schlecht entziehen.          noch zwei Adams übrig sind, zieht sich
      hört. Mein Mann behauptet, ich sei mit      Oder sie sehen solchen Müll nur, wenn         auch die Kandidatin aus und erwählt
      schuld an der Verbreitung solcher Sen-      sie krank im Bett liegen oder nachts          ihren Traumpartner. Mit dem fährt sie
      dungen. Und ich würde durch mein            nicht schlafen können. Lügner! Ich bin        zum ersten Rendezvous. Dort sehen sie
      Verhalten den Niedergang unserer de-        so ehrlich und gestehe, dass ich don-         sich das erste Mal bekleidet, was für bei-
      kadenten Gesellschaft beschleunigen.        nerstags gegen 22 Uhr auf den Dach-           de ausgesprochen vorteilhaft ist.
      Nicht „Erkenntnisgewinn“ motiviere          boden gehe, zu unserem Hometrainer                Dann gibt es noch diese Sport- und
      mich, sondern ordinäre Schadenfreude        und zu einem uralten Fernsehgerät. Den        Schinderei-Sendung, in der „anders pro-
      und unverhüllter Voyeurismus. Wenn          Großbildfernseher im Parterre blockiert       portionierte Menschen“ 50 bis 100 Kilo
      ich rachsüchtig wäre, würde ich bei je-     mal wieder mein Mann, weil er „Tages-         abnehmen möchten. Die werden leicht
      dem Fußballspiel, das der Gatte gou-        themen“ schauen will. Genau zu die-           bekleidet auf Autowaagen kali­briert und
      tiert, dasselbe tun. Mich danebenstel-      ser Zeit sortiert aber Heidi Klum „ihre       haben nicht nur Doppelkinne, sondern
      len, spotten und querschießen. Aber ich     Mädels“ aus. Arme Kinder, die wirklich        jede Menge verdoppelter Körperteile.
      bin nicht rachsüchtig, außerdem kann        meinen, über schauspielerisches Talent        „Was läuft denn da wieder für ein Mist?“,
                                                  zu verfügen, wenn sie beleidigt oder          fragt mein Mann, der viel zu früh nach
                                                  arrogant in die Kamera schauen. Beim          Hause kommt. „Ich wollte nur die Super-
                                                  Aussortieren der „Topmodels“ wird viel        Nanny sehen, da gibt es wirklich richtig
                                                  geweint und geküsst.                          gute Erziehungstipps. Aber die Sendung
                                                      Viel geweint wird auch in der Sen-        haben sie eingestellt“, erkläre ich voller
                                                  dung „Zwischen Tüll und Tränen“.              Bedauern. Es gibt auch nicht mehr die-
                                                  Täglich begleitet VOX Frauen unter-           ses befriedigende Format, in dem missra-
                                                  schiedlichster Statur in diverse Braut-       tene Gören in die Einöde geschickt wer-
                                                  modenstudios. Da quetschen sich üp-           den, wo sie fern von Smartphones und
                                                  pige Mädels in schulterfreie Kleider. Da      ihrer Clique durch Armut und Arbeit um-
                                                  quillt tätowiertes Fleisch aus knallen-       erzogen werden sollen.
                                                  gen Miedern und niemand sagt: „Kind,              Eigentlich müssten Sie mir dankbar
                                                    eine lose fallende Bluse wäre günsti-       sein! Ich sehe mir quasi stellvertretend
                                                      ger!“ Da heiraten Frauen in weißen        für Sie Fernseh-Müll an, damit Sie in
                                                       Kleidern, Symbol der Unschuld, die       der Zeit etwas Besseres tun können:
                                                        mit ihrem Bräutigam und den ge-         die neuen Romane von Kehlmann oder
                                                          meinsamen Kindern seit Jahren         Zeh lesen, in ARTE einen französischen
                                                          zusammenleben. Tränenumflort          Spielfilm schauen oder eine Fortbil-
                                                           berichten sie, wie der Kindsva-      dung zum Thema „Mobbing“ besuchen.
                                                            ter den Verlobungsring in ein       Dort könnten Sie doch mal nachfragen,
                                                             Mohnbrötchen eingebacken           ob es eventuell einen klitzekleinen Zu-
                                                             hat und damit vor ihnen auf        sammenhang zwischen Mobbing in der
                                                             die Knie gesunken ist. Gleich-     Schule und Müll im Fernsehen gibt…
                                                             berechtigung? Nie gehört.                               Gabriele Frydrych
Zeitschrift der - GEW Hessen
5     HLZ 7–8/2018    zum Inhaltsverzeichnis                                                                              MELDUNGEN

          Landeselternbeirat Hessen                   GEW fordert: Disziplinar-                  Sommerferien in der
          wählt neuen Vorstand                        verfahren einstellen!                      Landesgeschäftsstelle
    Der Taunussteiner Korhan Ekinci, Vater      Alle Informationen und Bewertungen         Die Landesgeschäftsstelle der GEW Hes-
    von zwei schulpflichtigen Kindern, wur-     zum Urteil des Bundesverfassungsge-        sen (Zimmerweg 12, 60325 Frankfurt)
    de zum neuen Vorsitzenden des Landes-       richts zum Streikrecht für verbeamtete     ist in der Mitte der hessischen Sommer-
    elternbeirats (LEB) gewählt. Seit einigen   Lehrkräfte findet man in der Juli-Aus-     ferien vom 9. Juli bis 20. Juli 2018 ge-
    Jahren ist er bereits in seiner Heimat-     gabe der e&w, der diese HLZ beigelegt      schlossen. In dieser Zeit können auch
    stadt und im Rheingau-Taunus-Kreis für      ist. Die Staatlichen Schulämter teilten    keine E-Mails bearbeitet werden.
    die Durchsetzung von Elterninteressen       inzwischen mit, dass die Disziplinar-           Auch die Landesrechtsstelle ist in
    aktiv. Stellvertretende Vorsitzende sind    verfahren gegen mehrere tausend Lehr-      dieser Zeit nicht besetzt. In fristgebun-
    Zerrin Kiris aus Niedernhausen (eben-       kräfte, die dem Streikaufruf der GEW       denen oder dringenden Fällen wenden
    falls Rheingau Taunus-Kreis) und Ste-       am 16. Juni 2015 gefolgt waren, erneut     Sie sich in dieser Zeit als Mitglied bit-
    phan Wassmuth aus Lohfelden (Kas-           „zunächst bis zum 31.12.2018“ ausge-       te direkt an die Büros der DGB Rechts-
    sel). Stephan Wassmuth ist seit einigen     setzt bleiben. Dann läuft die Frist für    schutz GmbH. Die Adressen der ein-
    Jahren bereits im Bundeselternrat aktiv     eine Beschwerde gegen das Urteil beim      zelnen Büros finden sich unter www.
    und war zuletzt dessen Vorsitzender. Die    Europäischen Gerichtshof für Men-          gew-hessen.de > Recht > DGB Rechts-
    GEW Hessen gratulierte den neuen Vor-       schenrechte ab. Die GEW forderte, „die     schutz GmbH. Ab Montag, dem 23. Juli
    sitzenden und dankte dem bisherigen         Verfahren einzustellen und die Unter-      2018, ist die Landesgeschäftsstelle wie-
    Vorstand, insbesondere dem Vorsitzen-       lagen aus den Personalakten zu ent-        der erreichbar.
    den Rainer Pilz, für die hervorragende      fernen“. Eine Wiederaufnahme sei für
    Zusammenarbeit im Interesse der hessi-      alle Beteiligten unzumutbar. Außerdem            Praktika – nur zur Steige-
    schen Eltern, Schülerinnen und Schüler      sehe das Disziplinargesetz eine Verjäh-
    und Lehrkräfte.                             rung vor, wenn „seit der Vollendung ei-          rung der Employability?
                                                nes Dienstvergehens mehr als zwei Jah-     In der HLZ 6/2018 begründeten Wieb-
          Fachtagung „InteA – ein               re vergangen sind“ (§ 18 Abs.1 HDG).       ke Dierkes und Iris Männle, die Prak-
          Erfolgsmodell?“ am 27.9.                                                         tikumsbeauftragten am Institut für
                                                      Frankfurter Gesamtschulen:           Erziehungswissenschaften der Phi­lipps-
    Anschlüsse – Abschlüsse – Ausschlüsse:                                                 Universität Marburg, ihre Sorge, dass
                                                      Mittwoch, 29. 8. um 19 Uhr
    Donnerstag, 27. 9.2018, 9.30-16 Uhr,                                                   studienbegleitende Praktika vor allem
    Evangelische Akademie Frankfurt             Die Frankfurter Gesamtschulen la-          der „Beschäftigungsbefähigung“ die-
    Römerberg 9                                 den am 29. August um 19 Uhr zu ei-         nen sollen. Durch redaktionelle Kür-
    Mit „Anschlüssen, Abschlüssen und           ner Diskussionsveranstaltung mit den       zungen des Artikels sind einzelne As-
    Ausschlüssen“ befasst sich eine Fach-       bildungspolitischen Sprecherinnen und      pekte weggefallen, die den Autorinnen
    tagung zu den InteA-Kurse an be-            Sprechern der Landtagsfraktionen in        sehr wichtig sind.
    ruflichen Schulen (Integration durch        die Paul-Hindemith-Schule ein. Es geht         Den vollständigen Beitrag „Prakti-
    Anschluss und Abschluss) am Don-            um die Frage, was Schulen angesichts       ka nur zur Steigerung der Employabi-
    nerstag, dem 27. September in Frank-        einer zunehmenden gesellschaftlichen       lity nutzen?!?“ und alle weiterführen-
    furt. Veranstalter sind die GEW, der        Polarisierung leisten sollen und wie sie   den Dokumente findet man jetzt auf der
    Landesausländerbeirat, die Liga der         dabei unterstützt werden können.           Homepage der GEW unter dem Kurz-
    Freien Wohlfahrtspflege und die LAG         • Infos: www.lea-bildung.de                link https://bit.ly/2JU0pDe.
    Jugendsozialarbeit. Sie wollen eine
    Zwischenbilanz der 2016 eingeführten
    InteA-Kurse zum Erwerb der deutschen           Gesamtschultag der GEW: Dienstag, 4. September, 10-17.30 Uhr
    Sprache ziehen.
        Am Vormittag sind Vorträge von          Die Landesfachgruppe Gesamtschulen         3.)  Wie gelingt Inklusion? Erfahrun-
    Dr. Sven Sauter von der Pädagogi-           lädt am Dienstag, dem 4. September         gen und Perspektiven nach neun Jah-
    schen Hochschule Ludwigsburg (Bil-          2018, zum Gesamtschultag der GEW           ren Inklusion
    dungswege junger Geflüchteter als Hin-      Hessen ein. In Vorträgen und Arbeits-      4.)  Der Raum als dritter Pädagoge:
    dernisläufe) und Prof. Dr. Anke Wegner      gruppen geht es um die „Perspektiven       Bauten für die Schule von morgen
    von der Universität Trier (Perspektiven     für die hessischen Gesamtschulen zwi-
                                                                                           5.)  Schule ohne Not(en): Fördern und
    der beruflichen Bildung und Integra-        schen Inklusion und Zweigliedrigkeit“.
                                                                                           motivieren statt strafen und diszi­
    tion) vorgesehen. Nach der Mittags-         Kurz vor der Landtagswahl geht es auch
                                                                                           plinieren
    pause gibt es Inputs aus der Praxis aus     darum, mit den Vertreterinnen und Ver-
    Sicht der Lehrkräfte, der Jugendmig-        tretern der Landtagsfraktionen ins Ge-     Die Veranstaltung findet im DGB-Haus
    rationsdienste und der Jugendberufs-        spräch zu kommen und die Forderun-         Frankfurt, Wilhelm-Leuschner-Straße
    hilfe. Den Abschluss bildet eine Podi-      gen der GEW zu artikulieren. Außerdem      67-77 (Nähe Hauptbahnhof), statt. Die
    umsdiskussion mit den Vertreterinnen        sind folgende Arbeitsgruppen geplant:      Akkreditierung als Fortbildungsveran-
    und Vertretern der Fraktionen im Hes-                                                  staltung ist beantragt. Der Teilnahme-
                                                1.)  Ganztagsschule: Viel mehr als „den    beitrag beträgt 15 Euro bzw. 10 Euro
    sischen Landtag.                            ganzen Tag Schule“
    • Infos: www.gew-hessen.de; Anmel-                                                     für GEW-Mitglieder.
    dung: geschaeftsfuehrung@gew-hessen.        2.)  Option Zweigliedrigkeit: Die Chan-    • Weitere Infos: www.gew-hessen.de;
    de, Fax: 069-971293-93                      cen des „Bremer Modells“                   Anmeldung: info@gew-hessen.de
Zeitschrift der - GEW Hessen
VORSCHULISCHE BILDUNG                                                                         zum Inhaltsverzeichnis      HLZ 7–8/2018      6

        Bildung braucht bessere Bedingungen –
      auch in den Kitas
     Unter dem Motto „Bildung braucht              Vorsitzendenteam sorgten dafür, dass          Forderungen an Land und Stadt
     bessere Bedingungen!“ protestierten           anlässlich des Aktionstags auch For-
     am 24. Mai rund 150 Kolleginnen und           derungen zu den Arbeitsbedingungen           Deshalb schließt sich die GEW Offen-
     Kollegen vor dem Offenbacher Rat-             an Offenbacher Kitas aufgestellt und         bach den Forderungen der GEW Hessen
     haus. An der Kundgebung beteiligten           an den zuständigen Bürgermeister Pe-         an eine zukünftige Landesregierung an,
     sich auch Fachkräfte aus Kita und So-         ter Schneider gerichtet wurden. Um           die der GEW-Kreisvorstand in einer Er-
     zialarbeit.                                   der Forderung der UN-Kinderrechts-           klärung für den Kita-Bereich wie folgt
         Es gelang, eine Menschenkette zwi-        konvention gerecht werden zu können,         konkretisiert. Er fordert
     schen Schulamt und Rathaus zu bil-            „die Persönlichkeit, die Begabung und        • eine deutliche Verbesserung des Per-
     den, um deutlich zu machen, dass die          die geistigen und körperlichen Fähig-        sonalschlüssels im Kitas mit einer Ziel-
     Forderungen an beide Behörden gehen.          keiten des Kindes voll zur Entfaltung zu     marke von 1 zu 8 im Bereich der 3- bis
     Was Schulen betrifft, hat die Stadt Of-       bringen“, benötigen die Kinder               6-Jährigen und 1 zu 3 im U3-Bereich.
     fenbach einen jahrzehntelangen Sanie-         • anspruchsvolle Räume, um ihre For-         • eine maximale Gruppengröße von
     rungsstau zu verantworten, der zu vie-        schungen auf ihrem individuellen Lern-       20 Kindern im Ü3-Bereich bzw. 10 Kin-
     len Mängeln geführt hat. Der wird nach        stand und Interesse anstellen zu kön-        dern im U3-Bereich
     und nach – möglichst kostengünstig –          nen,                                         • eine Verbesserung der Arbeits- und
     abgearbeitet. Schulen, die noch warten        • ausreichend Zeit, um diese For-            Ausbildungsbedingungen, um das not-
     müssen, sind arm dran, auch im Hin-           schungen in dem ihnen angemessenen           wendige Personal dafür zu gewinnen
     blick auf die in den 1970er Jahren rück-      Tempo anstellen zu können,                   • Vergütung der gesamten Ausbil-
     sichtslos verbauten Schadstoffe bis hin       • stabile Bindungen zu Erwachsenen,          dungszeit und deutlich bessere Bezah-
     zum tödlichen Asbest.                         die ihnen die nötige Sicherheit in ihren     lung der Fachkräfte
         Im Kitabereich, für den die Stadt         Explorationen bieten und                     • gesetzlich verankerte Regelung zu
     direkt verantwortlich ist, gibt es viel       • gute Beziehungen auf Augenhöhe             „mittelbarer pädagogischer Arbeit“
     zu verbessern. Das gilt nicht nur für         mit Erwachsenen, die sich gemeinsam          • deutlich stärkere Berücksichtigung
     die geradezu schändliche Bezahlung            mit ihnen auf Entdeckungstour bege-          von sozialen oder sprachlichen Prob-
     der Fachkräfte, sondern auch für die          ben und ihnen Kommunikationen an-            lemlagen
     Arbeitsbedingungen der Erzieherin-            bieten, an denen sie wachsen können.         • Freistellung für Leitungsaufgaben,
     nen und Erzieher, die in Vollzeittä-              Dafür müssen aus Sicht der GEW           auch für die Stellvertretungen
     tigkeit kaum noch zu ertragen sind.           Offenbach die folgenden Bedingungen             Von den Verantwortlichen der Stadt
     Schließlich weist pädagogisches Ar-           erfüllt werden:                              Offenbach fordert die GEW
     beiten in der Stadt Offenbach zahlrei-        • sehr gut ausgebildetes und weiterge-       • frühkindliche Bildung als Recht der
     che anspruchsvolle Komponenten auf            bildetes und hoch motiviertes Personal       Kinder an die Erwachsenen zu begrei-
     und ist oftmals sehr anstrengend. So-         – auch für die anspruchsvollen Aufga-        fen und nicht als zu bewältigende Ver-
     zialpädagogische Fachkräfte im GEW-           ben von Kita-Leitungen                       waltungsaufgabe, den pädagogischen
     Kreisvorstand Offenbach-Stadt und im          • ein Personalschlüssel, der die Erle-       Gedanken konsequent bei der Planung
                                                   digung der genannten Aufgaben kon-           von Kitaneubauten zu berücksichtigen
                                                   tinuierlich ermöglicht und Ausfall- und      • sich beim Personalbedarf deutlich
                                                   Vorbereitungszeiten angemessen be-           oberhalb des gesetzlichen Minimums
                                                   rücksichtigt                                 zu bewegen
                                                   • Räumlichkeiten, die Kindern gerecht        • tatsächlich qualifizierte Fachkräfte
                                                   werden: großzügige Außengelände, an-         anzustellen und teilqualifizierte Mitar-
                                                   regende Gruppenräume, Räumlichkei-           beiterinnen nachzuqualifizieren
                                                   ten zur Differenzierung wie Bewegung,        • unbefristete Beschäftigungsverhält-
                                                   Gestaltung, Ruhe etc.                        nisse zu schaffen und
                                                       Diese Bedingungen sind nach Auf-         • die freien Träger dazu zu befähigen,
                                                   fassung der sozialpädagogischen Fach-        dem dann leuchtenden Beispiel des öf-
                                                   kräfte in der GEW in Offenbach „kei-         fentlichen Trägers zu folgen
                                                   neswegs flächendeckend erfüllt“:
                                                   „Wir sehen viele Teams, die sehr kreativ     Der Offenbacher Bürgermeister hat je-
                                                   mit dem Mangel an allen Ecken umge-          denfalls schon mal reagiert: Er wolle, so
     Rund 150 Kolleginnen und Kollegen bil-        hen und ihr Bestes geben, um ihrem pä-       sagte er bei der Übergabe der Forderun-
     deten eine Menschenkette vom Staatlichen      dagogischen Anspruch einigermaßen ge-        gen, „gerne unseren Dialog fortsetzen“
     Schulamt als der Vertretung des Landes        recht zu werden. Mangelverwaltung ist        Wir werden sehen, wohin der führt.
     Hessen zum Sitz der Stadtverwaltung, die      aber kein akzeptabler Rahmen für das,
     für die Schulen als Schulträger und für die   was wir unser wertvollstes Gut nennen –      Till Günther, Robert Horak und Micha-
     Kindertagesstätten zuständig ist.             unsere Kinder.“                              el Köditz, GEW Offenbach
Zeitschrift der - GEW Hessen
7     HLZ 7–8/2018    zum Inhaltsverzeichnis                                                         VOR DER LANDTAGSWAHL

    Die Arbeitsbedingungen in den hes-           Im Schulbereich fordert die GEW
    sischen Bildungseinrichtungen haben          • 80 Millionen Euro für Arbeitszeit-
    sich in den letzten Jahren stetig ver-       verkürzung und Schuldeputate
    schlechtert. Die Aufgaben und An-            • 70 Millionen Euro für die Gleichstel-
    forderungen nehmen zu, die Arbeits-          lung der Grundschullehrkräfte
    belastung steigt. Die Arbeitszeit der        • und jeweils 50 Millionen Euro für
    Lehrkräfte ist weiterhin zu hoch, der        echte Ganztagsschulen und für die Ver-
    Nachwuchs fehlt in allen Bildungsbe-         wirklichung des Menschenrechts auf
    reichen und in den Gebäuden regnet es        inklusive Bildung
    oft durch die Decke.                             Außerdem fordert die GEW Hessen
        Deshalb fordert die GEW Hessen von       von der nächsten Landesregierung,
    der nächsten Landesregierung ein „So-        den Investitionsbedarf für die Sanie-
    fortprogramm für gute Bildung“ für Ki-       rung von Bildungseinrchtungen umfas-
    tas, Schulen und Hochschulen in Höhe         send zu erheben, gesetzliche Mindest-
    von 500 Millionen Euro pro Jahr.             standards bezüglich der Einrichtung
                                                 und Ausstattung von Schulgebäu-
                                                 den festzulegen, die sich an zeitgemä-
     GEW fordert Sofortprogramm
                                                 ßen pädagogischen und ökologischen
    Zur Finanzierung des Programms ste-          Anforderungen orientieren, und die
    hen die zusätzlichen Mittel aus der          kommunalen Schulträger bei der Er-
    Neuordnung der Bund-Länder-Finanz-           füllung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
    beziehung mit 585 Millionen Euro zur             In der Woche vom 22. bis 26. Mai
    Verfügung. In der mittelfristigen Haus-      2018 fanden an verschiedenen Orten
    haltsplanung des Landes Hessen ist ge-       in Hessen Aktionstage der GEW statt,
    nügend Geld da, um dieses Programm           unter anderem in Rüsselsheim, Fulda,
    zu finanzieren. Unser Programm war           Wiesbaden, Offenbach, Michelstadt,
    auch schon Gegenstand der Debatten           Bensheim, Limburg, Bad Nauheim, Hof-
    im Landtag (HLZ S.20).                       heim und Frankfurt. Mit kreativen Ak-
       Dieses Sofortprogramm umfasst die         tionen machten die GEW-Kreisverbän-
    Bereiche Schule und Hochschulen so-          de in der Öffentlichkeit deutlich, warum
    wie den qualitativen Ausbau der Kin-         man für Bildung bessere Bedingungen
    dertagesstätten.                             braucht.

     Konferenzen der Personalräte und               Demonstrationen in Frankfurt
     GEW-Vertrauensleute vormerken                  und Kassel am 22. September
    Nach den Sommerferien finden zu-             Für Samstag, den 22. September 2018,
    nächst vier regionale Tagungen für           ruft die GEW Hessen gemeinsam mit
    Personalräte und GEW-Vertrauens-             Bündnispartnerinnen und Bündnispart-
    leute statt:                                 nern, Schülerinnen, Schülern, Eltern
    • für den Bezirksverband Mittelhessen        und Studierenden zu einem landeswei-
    am 21. August 2018 in Wetzlar                ten Protesttag mit Demonstrationen in
    • für den Bezirksverband Südhessen           Frankfurt und Kassel auf. Fünf Wochen
    am 22. August 2018 in Darmstadt              vor der Landtagswahl wollen wir noch
    • für den Bezirksverband Nordhes-            einmal unsere gemeinsamen Forderun-
    sen am 23. August 2018 in Kassel und         gen für gute Bildung in Kitas, Schulen
    • für den Bezirksverband Frankfurt           und Hochschulen öffentlichkeitswirk-
    am 29. August 2018 in Frankfurt              sam vortragen. Die GEW ruft alle Kol-      Fotos von oben nach unten: „Sie lassen uns
    Dienstbefreiung für die „Ausübung einer      leginnen und Kollegen zur Teilnahme        im Regen stehen“ (Schulfest der Fried-Lüb-
    (...) ehrenamtlichen (...) gewerkschaftli-   auf, um zu zeigen, wie viele wir sind.     becke-Schule Frankfurt), „Runter mit den
    chen Betätigung“ kann auf der Grundla-       • Weitere Informationen zum Sofort-        Pflichtstunden“ (Hauptwache Frankfurt),
    ge von § 69 Hessisches Beamtengesetz         programm und alle aktuellen Termine        „Bildung braucht bessere Bedingungen“
    erteilt werden, das auch auf Tarifbe-        findet man auf der Homepage der GEW        (Offenbach), „Wir backen Lehrerinnen und
    schäftigte anzuwenden ist.                   Hessen www.gew-hessen.de.                  Lehrer“ (Rüsselsheim)
Zeitschrift der - GEW Hessen
SCHWERPUNKTTHEMA: ARBEIT IN MULTIPROFESSIONELLEN TEAMS                                                                HLZ 7–8/2018      8

                                                                                                          zum Inhaltsverzeichnis

                                                Besser, zusammen, stärker?
                     Gelingensbedingungen multiprofessioneller Zusammenarbeit
     Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen im             gische Zugänge zu klären und gemeinsam zu bearbeiten,
     Schulbereich verläuft nicht immer spannungs- und reibungs-       damit die Kooperation reibungslos und produktiv verlaufen
     frei. Wo liegen Stolpersteine der Zusammenarbeit? Worin          kann. Häufig werden nämlich die eigene Rolle und die ei-
     bestehen Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede? Wie            genen Aufgaben in Abgrenzung zu den anderen Professio-
     können die verschiedenen Professionen einen gemeinsa-            nen formuliert, gemeinsame Aufgaben oder gar gleiche Zie-
     men Kompass entwickeln? Und welche Rahmenbedingun-               le hingegen nicht definiert oder nicht erkannt. Dabei ist ein
     gen brauchen sie dazu?                                           gemeinsames professionelles Verständnis der schulischen Ar-
         Die GEW organisiert Personal von der Kindertagesstätte       beit genauso wichtig wie die wertschätzende Anerkennung
     bis zur Erwachsenenbildung. Im Rahmen unserer Fortbildun-        der Unterschiede.
     gen oder Fachtagungen treffen also verschiedene Professi-
     onen aufeinander, die ein durchaus unterschiedliches Ver-
                                                                                  „Meine Kinder – deine Kinder“
     ständnis von Bildungsprozessen haben. Sie haben vielleicht
     sogar ganz offiziell einen unterschiedlichen Erziehungs- oder    Inklusive Lernprozesse gelingen dann am besten, wenn alle
     Bildungsauftrag. Sie arbeiten für unterschiedliche Arbeitge-     Beteiligten eine gemeinsame Verantwortung für die Klasse
     ber und für unterschiedlich viel Geld. Und manchmal spre-        oder Lerngruppe entwickeln, an einem Strang ziehen und da-
     chen sie nicht mal dieselbe Sprache.                             bei ihre jeweilige Fach- und berufliche Handlungskompetenz
         Wenn wir auf unseren Veranstaltungen die Rollen und das      einbringen. Dies ist jedoch vielerorts nicht der Fall, denn die
     professionelle Selbstverständnis der Kolleginnen und Kolle-      Probleme liegen auf dem Tisch:
     gen spielerisch erarbeiten und reflektieren, treten oft unaus-   • Allgemeinpädagogische und sonderpädagogische Profes-
     gesprochene und mitunter auch falsche Erwartungen der an-        sionen sollen in einem hochselektiven, an getrennten Bil-
     deren Profession gegenüber zutage:                               dungsgängen ausgerichteten System alle Lernenden im mul-
     • Regelschullehrkräfte erwarten von den Sonderpädago-            tiprofessionellen Team individuell fördern.
     ginnen und Sonderpädagogen konkrete Unterstützung in ih-         • In den meisten Bundesländern gibt es keine überzeugen-
     rem Fach oder im Umgang mit Heterogenität, obwohl jene           den Konzepte für eine solche Kooperation, weil die Imple-
     in ganz anderer Hinsicht ausgebildet und spezialisiert sind.     mentierung der Zusammenarbeit im Rahmen einer entspre-
     • Gelegentlich kommen explizit Statusfragen zur Sprache:         chenden „Personalplanung“, Fort- oder sogar Ausbildung
     „Warum bekommt die Sonderpädagogin A13, obwohl sie sich          nicht sorgfältig vorbereitet wurde oder die gemeinsame Klas-
     nur um zwei oder drei Kinder kümmert?“                           senverantwortung gar nicht intendiert ist.
     • Auch zwischen schulischem und sozialpädagogischem              • Beide Professionen reproduzieren die Muster, die die Kol-
     oder nicht-unterrichtendem Personal können „falsche“ und         leginnen und Kollegen im gegliederten Schulsystem und in
     oft sehr tradierte Vorstellungen von der jeweils anderen Pro-    einer entsprechenden Ausbildung „gelernt“ haben und die
     fession die gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe behindern:           sich in der Haltung „Meine Kinder – deine Kinder“ nieder-
     Lehrkräften wird unterstellt, sie hätten „die Kinder nicht im    schlagen können (1).
     Blick“, Erzieherinnen und Erziehern, sie würden „nicht fach-     • Vielfach hat die allgemeinbildende Lehrkraft die „Norma-
     lich und strukturiert arbeiten“.                                 lität“ im Blick und der Sonderpädagoge oder die Sonderpä-
         Die multiprofessionelle Zusammenarbeit steht also zu-        dagogin die „Behinderung“ (2), so dass das Prinzip der Son-
     allererst vor der Herausforderung, interprofessionelle Hal-      derung schlichtweg in die Klasse verlegt wird.
     tungen, Vorurteile, spezifische Gewohnheiten und pädago-             Derlei Abgrenzungen untereinander können die multi-
                                                                      professionelle Zusammenarbeit belasten und gemeinsame
                                                                      Ziele verstellen.
                   Häufig genannte Probleme
     In der Praxis multiprofessioneller Zusammenarbeit werden                       Der Rahmen muss stimmen
     folgende Probleme besonders oft genannt:
     • unklare Zuständigkeiten                                        Zur gelingenden Zusammen- und Teamarbeit in Schulen ge-
     • keine festen Zeiten und Räume                                  hört zuallererst, das erforderliche zusätzliche Personal zu fi-
     • unterschiedliche Arbeitszeiten; Schwierigkeiten bei der        nanzieren und personelle Kontinuität herzustellen, damit sich
         Terminierung von Teamsitzungen                               Schulen auf eingespielte Teams stützen können. Die Bedin-
     • Erleben der Teamarbeit als (zusätzliche) Belastung             gungen an den Schulen sind so zu gestalten, dass die ver-
     • zu wenig personelle Ressourcen; überbeanspruchte oder          schiedenen Professionen auf Augenhöhe zusammenarbei-
         nicht verfügbare Fachkräfte                                  ten und gemeinsam die Schulentwicklung gestalten können.
     • mangelnde Verankerung oder Akzeptanz des nicht                 Strukturell bedeutet dies in erster Linie die Absenkung der
         unterrichtenden Personals bei Kollegium oder Schulleitung    Unterrichtsverpflichtung sowie die Bereitstellung fester Ar-
     • unterschiedliche Bezahlung                                     beitszeitfenster und Räume.
     • fehlende Augenhöhe, fehlende gegenseitige Anerken-
                                                                          Weitere Probleme ergeben sich mitunter aus unterschied-
         nung und Wertschätzung
                                                                      lichen Dienstherren und dem unterschiedlichen Status der
Zeitschrift der - GEW Hessen
9      HLZ 7–8/2018   zum Inhaltsverzeichnis                                                                  SCHWERPUNKTTHEMA

    Kolleginnen und Kollegen. Zusätzlich zu den Lehrkräften mit
    unterschiedlichen Lehrämtern kommen vermehrt DaZ-Lehr-
    kräfte oder Integrationshelferinnen und -helfer in die Schu-
    len. Die Zahl der Kolleginnen und Kollegen mit befristeten
    Verträgen, Honorarverträgen oder Mini-Jobs ist enorm ge-
    stiegen, insbesondere im Kontext von Ganztagsschulen und
    Inklusion. Außerunterrichtliche Aufgaben der Schulsozi-
    alarbeit, in der Nachmittagsbetreuung, bei Einzelfallhilfen
    oder im Rahmen der Berufsorientierung werden ganz oder
    teilweise von freien Trägern übernommen. Das kann weite-
    re Schwierigkeiten mit sich bringen, weil diese Kolleginnen
    und Kollegen nicht als Teil des Kollegiums wahrgenommen
    werden oder Personalräte keine Vertretungsmöglichkeiten ha-
    ben. Aus gewerkschaftlicher Sicht sind insbesondere prekäre
    Beschäftigungsverhältnisse ohne Tarifbindung abzulehnen.

       Multiprofessionelles Handeln will gelernt sein                  on der beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen über Werte
    In den „Leitlinien der GEW für eine innovative Lehrer_innen-       und Haltungen in der täglichen Zusammenarbeit, über den
    bildung“, die der Gewerkschaftstag im Mai 2017 beschlossen         „inneren Kompass“ des eigenen und gemeinsamen Handelns:
    hat, heißt es unter anderem:                                       • weg von Systemen, die sich passende Kinder „suchen“,
     „Multiprofessionelle Zusammenarbeit muss in allen Phasen der      hin zu Systemen, die sich an Kinder anpassen
    Lehrer_innenbildung strukturell und konzeptionell verankert wer-   • weg von der „Fürsorge“ hin zu echter Teilhabe und einer
    den. Angehende Lehrer_innen sollen in ihrer Ausbildung ein Ver-    kinderrechtsbasierten inklusiven Haltung, wie sie der Berufs-
    ständnis der gemeinsamen Verantwortung im multiprofessionel-       ethos der Bildungsinternationalen formuliert (3)
    len Team sowohl für die einzelnen Lernenden und Lerngruppen           Sowohl die Bildungsverantwortlichen als auch die Kol-
    als auch für die Entwicklung ihrer Schule gewinnen und diese       leginnen und Kollegen sollten die multiprofessionelle Zu-
    möglichst oft praktizieren können.“                                sammenarbeit und deren berufsethische Dimensionen nicht
    In der Ausbildung soll also nicht nur über Formen der Zu-          als Extraaufgabe, sondern als Kernaufgabe von Pädago-
    sammenarbeit gesprochen werden, sondern sie sollte ange-           ginnen und Pädagogen begreifen, für die es in der Ausbil-
    bahnt, ausprobiert und reflektiert werden. Über professi-          dung und in der alltäglichen Arbeit Ressourcen, Raum und
    onsübergreifende Fort- und Weiterbildungsangebote hinaus           Zeit geben muss. Als multiprofessionell zusammengesetzte
    tritt die GEW daher perspektivisch für ein gemeinsames bil-        Bildungsgewerkschaft setzen wir uns für Verständnis, Res-
    dungswissenschaftliches Kerncurriculum für alle Pädagogin-         pekt und ein anerkennendes Bewusstsein für die Unterschie-
    nen und Pädagogen ein. Einstweilen sollten vermehrt Mo-            de und die Gemeinsamkeiten der Kolleginnen und Kollegen
    delle wie das Bremer Projekt „Von Anfang an gemeinsam“             ein. Der gemeinsame Bildungsauftrag ist es, alle Kinder und
    erprobt werden, in dem die verschiedenen Ausbildungsins-           jungen Menschen zur Entfaltung ihrer Potenziale in einem
    titutionen für Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen und So-           inklusiven und demokratischen Bildungswesen zu bringen,
    zialpädagogen gemeinsame Lehrveranstaltungen anbieten.             das sich an Kinder- und Menschenrechten und an Nachhal-
    Aufgrund des engen Zusammenhangs von Kooperation und               tigkeit orientiert.
    Schulentwicklung sollte das Thema Schulentwicklung mit be-                                                   Martina Schmerr
    sonderem Fokus auf die Organisations-, Personal- und Unter-        Martina Schmerr ist Referentin im Vorstandsbereich Schule des
    richtsentwicklung auch in der Ausbildung verankert werden.         Hauptvorstands der GEW; Kontakt: martina.schmerr@gew.de
                                                                       Bei dem Artikel handelt es sich um eine bearbeitete und gekürzte
              Professionspolitik und Berufsethik                       Fassung eines Beitrags in der Zeitschrift PÄDAGOGIK, Heft 11-2017
                                                                       Schwerpunkt „Multiprofesionelle Teams“.
    Damit sich gemeinsame pädagogische Konzepte und eine ge-
    meinsame Berufsethik entwickeln können, werden Methoden            (1) Thomas Franzkowiak: Meine Schüler, deine Schüler, unsere Schü-
    und Instrumente immer bedeutsamer, die eigentlich schon            ler – Welche Kompetenzen erwarten GrundschullehrerInnen von den
    lange in der Schulentwicklung und in der Aus- und Fortbil-         sonderpädagogischen Lehrkräften im Gemeinsamen Unterricht? In:
    dung ihren festen Ort haben sollten: professionelles Feed-         Gemeinsam leben. Zeitschrift für Inklusion, 20. Jg., 1/2012, S. 12-19
    back, kollegiale Fallberatung, kooperative Planung, Hospi-         (2) Hans Wocken: Die Bildung von Sonderpädagogen neu denken!
                                                                       in: Verband der Blinden- und Sehbehindertenpädagogen (Hrsg.):
    tation oder Supervision.                                           Sehgeschädigte Kinder in allgemeinen Schulen – heute ein Regelfall?
        Darüber hinaus tritt die GEW in ihrem Beschluss dafür          Hannover 1998, S. 20-37; www.hans-wocken.de/Werk/werk35.pdf
    ein, dass auch berufsethische Fragen bereits in der Ausbil-        (3) GEW und Bildungsinternationale (2013/2005): Erklärung der
    dung einen Platz haben:                                            Bildungsinternationalen zum Berufsethos der im Bildungs- und
    „Die GEW fordert eine partizipative berufsethische Diskussion      Erziehungsbereich Beschäftigten
    und Reflexion in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Leh-
    rer_innen (…). Hierfür stellt das ‚Berufsethos der im Bildungs-
    und Erziehungsbereich Beschäftigten‘ der Bildungsinternationa-     GEW-Fachtagung am 6. September in Frankfurt
    len eine gute Grundlage dar.“                                      Martina Schmerr ist eine der Referentinnen bei der GEW-
    Besonders die bildungspolitische und pädagogische Heraus-          Fachtagung zur Arbeit in multiprofessionellen Teams am
    forderung der Inklusion erfordert eine gemeinsame Reflexi-         6. September in Frankfurt (HLZ S. 14).
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SCHWERPUNKTTHEMA                                                                            zum Inhaltsverzeichnis       HLZ 7–8/2018      10

                                                                             Voll von der Rolle?
                     Lehrer(fort-)bildung für die professionelle Rollenfindung
    „Ihr müsst einfach klar eure Rolle definieren!“ So lautet der         tem. Das bedeutet hier: So lange die Schülerinnen und Schü-
    simpel klingende Lösungsvorschlag für die multiprofessionel-          ler das Labeling praktizieren und neben der Kategorisierung
    le Zusammenarbeit im „inklusiven Team“. Das klingt einfach            „sonderpädagogischer Förderbedarf“ die positiv diskriminie-
    und ist doch sehr kompliziert, da alle vor Ort wissen: Es reicht      rende Kategorie „Gymnasialempfehlungskinder“ aufmachen,
    nicht, dass ich auf einem Schulentwicklungstag meine Rol-             d.h. ihre „eigene Diagnose“ als Leistungsträger dem System
    lendefinition in drei Schlagworten auf ein Moderationskärt-           zurückspiegeln, werden automatisch damit auch die Lehr-
    chen schreibe und zu den anderen an die Kartonwand hefte.             kräfte des Teams in ihren Zuständigkeiten eingeteilt: „ech-
    Damit ist das Problem der Rollenfindung nicht gelöst, auch            te Lehrkräfte“ für die Guten und „Fördertanten“ für diejeni-
    wenn es alle an diesem Schulentwicklungstag gut und ernst             gen, „die es nicht rallen“.
    meinten, denn es artikuliert sich vielmehr in einer großen                In mehreren Forschungsprojekten versuchen wir, die-
    wechselseitigen Abhängigkeit aller Akteure in der Praxis (1).         ser Problematik der Rollenfindung zu begegnen, indem wir
                                                                          aus Fallbeschreibungen wie der vorangegangenen Diskussi-
                                                                          onsanlässe für die Lehreraus- und ‑ fortbildung entwickeln,
           „Echte Lehrkräfte“ und „Fördertanten“                          die es dann erlauben, Handlungsalternativen zu entwickeln.
    Deutlich wird das an den Aussagen einer Sonderpädagogin
    einer Integrierten Gesamtschule, die dort gemeinsam mit Re-                     Konzepte für die Lehrerausbildung
    gelschullehrkräften in Integrationsklassen mit Kindern mit
    diagnostiziertem sonderpädagogischem Förderbedarf unter-              In dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt Biprofessional (FKZ
    richtet (2). Diese lobt vollkommen unerwartet den ansonsten           01JA1608) im Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoffensi-
    ja eher unbeliebten Vertretungsunterricht, da sie dann „öfter         ve Lehrerbildung von Bund und Ländern haben Bachelor-
    mal auch die ganze Klasse hat“. Das ist ihr wichtig für „ein          studierende unterschiedlicher Lehramtsstudiengänge der
    besseres Standing in der Klasse“. Ihre Rollenfindungsschwie-          Universität Bielefeld die Möglichkeit, in Praktika konkre-
    rigkeiten im Team-Teaching resultieren nämlich nicht nur              te Erfahrungen in der Arbeit mit bildungsbenachteiligten
    aus wenig gleichwertigen Kooperationsformen mit den Re-               Schülerinnen und Schülern und mit Kindern und Jugendli-
    gelschullehrkräften (3), sondern auch aus der daraus unmit-           chen mit Fluchterfahrung zu sammeln. Hier zeigt sich, dass
    telbar resultierenden mangelnden Akzeptanz bei den Schü-              die Lehramtsstudierenden durchaus hinsichtlich der avan-
    lerinnen und Schülern:                                                cierten pädagogischen Techniken auf ein nicht unerhebli-
    Denn wenn man sich „immer nur um die Schwächeren küm-                 ches Methodenrepertoire zurückgreifen können, während
    mert oder immer nur, ja, mit den Förderkindern arbeitet, dann         Fragen der Umsetzung politischer Teilhabe (4) oder der bio-
    kann das sein, dass die Stärkeren irgendwie, dass die das nicht       graphisch belasteten Persönlichkeitsentwicklung (5) sie viel-
    ganz ernst nehmen, dass du da, Frau Gerber ist ja die Förder-         fach überfordern. Um auch solche Fragen später im multi-
    tante hier bei uns (…), die hat uns gar nichts zu sagen, weil wir     professionellen Team ko-konstruktiv bearbeiten zu können,
    machen Abitur.“                                                       werden Formate entwickelt, innerhalb derer Lehramtsstudie-
    Ganz gleich also wie diese Förderpädagogin ihre eigene Rolle          rende zusammen mit Studierenden der Sozialen Arbeit in
    definiert, so wird diese immer auch vom System der Klasse             Tandems Schulen erkunden, um ihre jeweils unterschiedli-
    bzw. der Schule mit definiert. In diesem Falle sind dies die          chen professionellen Sichtweisen miteinander abzugleichen.
    leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler, deren Einstel-             Die Hoffnung ist, dass Studierende, die bereits in der Aus-
    lung die Förderpädagogin lachend so beschreibt:                       bildung sich intensiv auf die „andere Perspektive“ der ko-
    „Frau Gerber ist ja eigentlich nur für die da, die es nicht rallen.   operierenden Profession eingelassen haben, bereits im Stu-
    Und, äh, gut das ist nicht ausgesprochen, aber das ist so mein        dium Kommunikationsformen erproben und vermittelt über
    Empfinden, vielleicht stimmt es auch gar nicht.“                      eine „gemeinsame Sprache“ dann auch Kooperationsfähig-
    Unklar bleibt allerdings, ob ihr unsicheres Lachen eher auf           keiten erwerben können, die das spätere Zusammenarbei-
    ihre eigene Verunsicherung oder auf die Haltung der Schüle-           ten erleichtern (6).
    rinnen und Schüler zurückzuführen ist. Auf jeden Fall fährt
    sie erneut mit lachendem Unterton fort:                                        Konzepte für die Lehrerfortbildung
    „Wenn ich denen mal was sage, dass die überhaupt nicht reagie-
    ren, während wenn ich im gleichen Ton einem Förderschüler,            In Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Lehrerforsche-
    beziehungsweise es sind ja oft auch Kinder mit Migrationshin-         rinnen und -forschern der Bielefelder Versuchsschule Ober-
    tergrund, (…) dass die schon sehr auf mich reagieren und auch,        stufen-Kolleg sollen mehrere Konzepte erarbeitet werden,
    ach also auch nicht alle, ne, es gibt auch mal Disziplinprobleme,     sowohl für Einzelfortbildungsmaßnahmen als auch für schul-
    aber wenn ich zum Ahmet sag, Mensch, hör mal zu, das darfste          interne Lehrerfortbildungen für die gesamte Schule (SchiLF).
    aber nicht, dann reagiert der mehr auf mich als einer von die-        So untersuchen wir im Projekt ProFiS (FKZ 01NV1702A-D)
    sen [leiser] Gymnasialempfehlungskindern.“                            die „Professionalisierung durch Fallarbeit für die inklusi-
    Deutlich wird hier, dass die eigene Rollendefinition immer            ve Schule“. Das Forscherteam des Verbundprojekts der Uni-
    abhängig ist von den Rollendefinitionen der anderen im Sys-           versitäten Bielefeld (Allgemeine Erziehungswissenschaft),
11      HLZ 7–8/2018    zum Inhaltsverzeichnis                                                                     SCHWERPUNKTTHEMA

     Flensburg (Schulpädagogik), Frankfurt am Main (Sonderpä-          matisch unbewusst in die Dominanz einer nicht-inklusiven
     dagogik) und Siegen (Soziale Arbeit) ist selbst multiprofessi-    Leistungsorientierung zurückfallen wird.
     onell zusammengesetzt und entwickelt Fortbildungsmaterial            Denn wie die „Fördertanten“ und „Gymnasialempfeh-
     anhand von Fallstudien zu Schulbegleitungen, die im der-          lungskinder“ zeigen: Seine Rolle definiert man nie allein!
     zeitigen System für viel Irritation sorgen. Dieses soll dann
                                                                                                                             Martin Heinrich
     in einem Fortbildungssetting mit Professionellen in unter-
     schiedlichen Positionen (Schulleitungen, Regelschullehrkräf-      Prof. Dr. Martin Heinrich ist Professor für Schulentwicklung und
     te, Sozialpädagogik, Sonderpädagogik, Schulpsychologie)           Schulforschung und Leiter der Wissenschaftlichen Einrichtung der
     diskutiert werden, um durch die Fallstudien zu Schulbeglei-       Versuchsschule Oberstufen-Kolleg der Universität Bielefeld.
     tungen dazu angeregt zu werden, die eigenen Aufgabenbe-           (1) S. Bender und M. Heinrich (2016): Alte schulische Ordnung in neuer
     reiche innerhalb des Organisationsganzen und der pädago-          Akteurkonstellation? 62. Beiheft ZfPaed, S. 90-104.
     gischen Gesamtkoordination zu definieren (7).                     (2) Dazu ausführlich: M. Heinrich, A.-K. Arndt und R. Werning (2014):
         Im Projekt Re-L_ink (FKZ: 01NV171 OC) zum Thema „Re-          Von „Fördertanten“ und „Gymnasial­empfehlungs­kindern“. Professionelle
     flexion, Leistung/Inklusion – Qualifizierungserfordernisse für    Identitätsbehauptung von Sonderpädagog/inn/en in der inklusiven
     einen reflexiven Umgang mit Leistung in der inklusiven Se-        Schule. In: ZISU (3), 1, S. 48-71.
                                                                       (3) M. Heinrich und R. Werning (2013): „It‘s Team-Time“? Unterrichts-
     kundarstufe“ gehen wir der Frage nach, wie Lehrkräfte die         kooperation von Sonderpädagog/inn/en und Fachlehrkräften angesichts
     beiden „Bildungsaufträge“ von Leistungsorientierung einer-        zeitlich knapper Ressourcen und asymmetrischer Beziehungen. Journal
     seits und individuell angemessener inklusiver Bildung für alle    für Schulentwicklung, 17(4), S. 26-32.
     andererseits in der Praxis konkret bearbeiten. Diese Analysen     (4) M. Heinrich und J.C. Störtländer (2017): PISA als epochaltypisches
     zu den spezifischen Bewältigungsmodi dieses Spannungsfel-         Schlüsselproblem der Erziehungswissenschaft? In K.-H. Braun, F. Stü-
                                                                       big und H. Stübig (Hrsg.): Erziehungswissenschaftliche Reflexion und
     des von gleichzeitiger Inklusions- und Leistungsorientierung      pädagogisch-politisches Engagement. Wiesbaden: VS, S. 93-108.
     sollen dann wiederum in Fallbeschreibungen übersetzt wer-         (5) M. Heinrich und K. te Poel (2018): Integration durch Leistung als
     den, die in Lehrerfortbildungsmaßnahmen und einer darauf          „Inklusionsfalle“. In: M. Walm, T. Häcker, F. Radisch und A. Krüger (Hrsg.):
     aufbauenden SchiLF-Konzeption eingesetzt werden. Hierbei          Empirisch-pädagogische Forschung in inklusiven Zeiten. Bad Heilbrunn:
     möchten wir sowohl auf die individuellen Bewältigungsmo-          Klinkhardt, S. 253-268.
     di in Einzelfortbildungen eingehen, da ein Vorgängerprojekt       (6) B. Hopmann, C. Demmer und O. Böhm-Kasper (2017): Multiprofessio-
                                                                       nelle Kooperationen in inklusiven Ganztagsschulen als Erfahrungs- und
     gezeigt hat, wie unterschiedlich die Perspektiven auf Leis-       Reflexionsfeld angehender Lehrkräfte und sozialpädagogischer Fach-
     tung und Inklusion zwischen Lehrkräften und Professionel-         kräfte. In: N. Thieme und M. Silkenbeumer (Hrsg.): Die herausgeforderte
     len der Sozialen Arbeit sein können (8), und zugleich eine        Profession – Soziale Arbeit in multiprofessionellen Handlungskontexten.
     schulinterne Lehrerfortbildung für die ganze Schule konzi-        Lahnstein: neue praxis, S. 95-106.
     pieren. Denn wir gehen fest davon aus, dass eine Schule, die      (7) C. Demmer, M. Heinrich und A. Lübeck (2017): Rollenklärung als
                                                                       zentrale Professionalisierungsherausforderung im Berufsfeld Schule an-
     angesichts des durch Leistungstests und zentrale Prüfungen
                                                                       gesichts von Inklusion. In: DDS – Die Deutsche Schule. (109), 1, S. 28-42.
     entstehenden Leistungsdrucks nicht für sich eine reflektierte     (8) M. Heinrich, C. Faller und N. Thieme (2014): Neue alte Bildungsun-
     Schulkultur entwickelt hat, wie in dieser Situation die An-       gleichheit durch professionskulturellen Dissonanzausgleich in differen-
     sprüche auf inklusiven Unterricht durchzusetzen sind, auto-       ziellen Lernmilieus? In: DDS – Die Deutsche Schule, (106), 1, S. 30-49

                       Aus der Praxis: Teamarbeit an einer Förderschule
     Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechts-
     konvention gibt es weiterhin die Förderschulen, insbesonde-
     re im Bereich der Förderschwerpunkte Geistige Entwicklung
     (GE) und Körperlich-Motorische Entwicklung (KME). Als Pä-
     dagoginnen und Pädagogen an einer KME-Schule sehen wir
     uns auf dem Weg zur „Restschule“. Umso wichtiger ist den
     Kolleginnen und Kollegen an den Förderschulen, die Arbeit
     im multiprofessionellen Team zu pflegen und zu erhalten.
     An diesen Schulen arbeiten nicht nur Lehrkräfte, sondern
     auch sozialpädagogische Fachkräfte im Schuldienst des Lan-        Ulrike Watzke, Silke Mayer-Schwab und Heide Krodel-Johne
     des Hessen als Erzieherinnen und Erzieher, Heilpädagoginnen
     und Heilpädagogen und als Therapeutinnen und Therapeuten.         Die Erfahrungen der einzelnen Personen können somit auf
     Die Pflege wird von einem anderen Träger übernommen, ar-          kurzem Wege an alle weitergegeben werden, was einen offe-
     beitet aber gleichberechtigt mit im Team. Dasselbe gilt für die   nen Umgang miteinander und das Vertrauen in die Profession
     Therapeutinnen und Therapeuten von „außerhalb“.                   der anderen voraussetzt. Teamfähigkeit bedeutet hier, dass jede
         Die Professionen gestalten den Schulalltag gemeinsam.         und jeder spontan und flexibel auf Situationen reagieren kann,
     Jede Profession übernimmt gemäß ihrer Ausbildung einen            was wiederum bedeutet, dass man andere wertschätzt und sich
     Teil des Tagesgeschehens. So ist jede in der Lage, sich von       bemüht, trotz aller Regeln und Strukturen, die ein Schulall-
     den anderen etwas abzuschauen, Besonderheiten und Tech-           tag vorgibt, mit völlig neuen Situationen zurechtzukommen.
     niken zu lernen: Wie lagere ich ein Kind physiologisch rich-          Der große Vorteil im Team zu arbeiten ist, dass man
     tig? Wie verhalte ich mich bei einem epileptischen Anfall?        schnell in der Lage ist, mit einem kleinen Schülerkreis zu
     Wie funktioniert die Technik der Nahrungssonde? Wie gehe          differenzieren, kleinere Fördereinheiten anzubieten. Da die
     ich mit dem Gerät für die unterstützte Kommunikation um?          Kolleginnen und Kollegen von der sonderpädagogischen Zu-
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