Smart Investor Kapitalmarktausblick
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Das Magazin für den kritischen Anleger 1 2020 | 6,40 EUR Smart Investor www.smartinvestor.de Kapitalmarktausblick 2020 inkl. Beilage „Schöne neue Welt“ Small-Cap-Konferenzen: Florida: Markettiming: Alte Bekannte und Sonne, Wasser Börsenerfolge dank Regeln neue Entdeckungen und Wachstum und Sicherheitsnetz
Editorial Tweet and Deal Ja, ist denn heut’ schon Weihnachten? Noch kurz vor Heiligabend hielt US- Präsident Trump ein Geschenk für uns parat. Mit einer kurzen Nachricht kün- digte der Tweeter-in-Chief die erste Pha- se eines „Deals“ mit der chinesischen Christoph Karl, Regierung an. Natürlich ist dieser „riesig“ stellvertretender Chefredakteur und soll massive Veränderungen der Han- delsbeziehungen zur Folge haben. Noch wissen wir jedoch nicht sehr viel mehr, In unserem Kapitalmarktausblick für 2020 als dass demnächst jede Menge US-Ag- beschäftigen wir uns ab S. 6 mit dieser rarprodukte gen China geschippert wer- Frage sowie mit den Minuszinsen, den den. Irgendwie wird man das Gefühl Edelmetallen und den Aussichten der Ak- nicht los, man hätte exakt diesen „Deal“ tien nach der fulminanten Rally 2019. auch schon im Mai haben können. Aber auch viele andere Themen warten Stattdessen sind wir über Monate an Do- in dieser Jahresendausgabe auf Sie. Ab nald Trumps Lippen – oder besser: Tweets S. 18 z.B. finden Sie eine Gegenüberstel- – gehangen, um jede noch so kleine Äu- lung verschiedener „Börsenampeln“ bzw. ßerung des Präsidenten und deren Aus- Timingmodelle. Wir berichten von den wirkung schnellstens interpretieren zu jüngsten Small-Cap-Konferenzen in können. Hatte man bis zum Frühjahr Frankfurt und München (S. 14), präsen- noch irgendwie das Gefühl, dass dem tieren Ihnen die heißesten Aktien aus ganzen Schauspiel irgendeine – zumindest dem Bereich ÖPNV und Telematik (S. im Nachhinein – einleuchtende Strategie 48), werfen ein Schlaglicht auf die Tou- zugrunde lag, verf lüchtigte sich diese rismusbranche, welche durchaus einige Hoffnung in den Folgemonaten. Im Au- Value-Titel bereithält (S. 50), und gehen gust gab es mitunter am Nachmittag auf die aktuelle Übernahmewelle in der Tweets, die denen vom Vormittag wider- Minenbranche ein (S. 45). sprachen. Skurril war auch die präsidia- le Order – per Tweet, versteht sich – an Weiterhin beleuchten wir in der Rubrik alle US-Unternehmen, sich nach einer „Lebensart & Kapital“ den US-Bundesstaat Alternative zu ihren Produktionsstätten Florida und stellen eine interessante Anla- in China umzusehen. gemöglichkeit vor (S. 22 und 26), berichten von den seltsamen Vorgängen im Vorfeld Doch warum folgt gerade jetzt ein erster einer Klimakonferenz (S. 28) und versuchen Deal, der nüchtern betrachtet nicht be- uns ab S. 30 an einer Einordnung der neu- sonders viel an der Ausgangslage ändert? esten Entwicklungen in Sachen Bargeld- Zu einem großen Teil dürfte dies mit der verbot und der Ideen der neuen EZB-Prä- Hartnäckigkeit der Chinesen und der sidentin Christine Lagarde. Tatsache zu tun haben, dass Trump im nächsten Jahr eine Wahl gewinnen möch- Ich wünsche Ihnen viele neue Erkenntnis- te. Die zuletzt eher schwachen Zahlen zur se beim Lesen dieser Ausgabe und im Na- US-Konjunktur dürften den Druck nicht men der gesamten Smart-Investor-Redak- gerade verringert haben. Die Eine-Million- tion einen erholsamen Jahresausklang sowie Dollar-Frage lautet: Geht Trumps Taktik einen guten Start in das Jahr 2020. auf? Lässt sich die US-Konjunktur per Tweet wiederbeleben, wie sich der Zoll- streit per Tweet hat beenden lassen? Christoph Karl 1/2020 Smart Investor 3
Inhalt Bild: ©panthermedia.net/Levranii Bild: ©Deutsche Börse AG S. 22, 26 S. 14 Märkte Florida Small-Cap-Konferenzen Gastautor Richard Banks erklärt ab S. 22, Traditionell ist im Herbst Hochsaison für 6 Titelstory / Kapitalmarktausblick warum der südlichste Bundesstaat der USA Small-Cap-Konferenzen. Wir waren für Sie 2019: Risk on, Risk off, Risk on … so hoch in der Gunst auswanderungswilliger auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt 9 IPO-Boom schon vorbei? Zeitgenossen steht. Sonne, Meer, aber auch und der Münchner Kapitalmarkt Konferenz 10 Value-Perspektiven 2020 steuerliche Vorzüge wie eine fehlende Ein- und haben uns viele alte Bekannte wie 13 Prognosen & Sentiment kommensteuer stehen auf der Plusseite. Im aucheinige neue Investmentideen ange- 14 Investorenkonferenzen: Gegenzug fällt allerdings die Grundsteuer sehen. Insgesamt darf man die Stimmung Gemischtes Bild höher aus als hierzulande. Aus welchen als durchwachsen bezeichnen – ein Grund Hintergrund Gründen das Gesamtpaket trotzdem loh- mehr, genau hinzuschauen und hinzuhören. nenswert sein kann, betrachten wir ab S. 26. Mehr dazu ab S. 14. 18 Phänomene des Marktes: Marketti- ming; Gastbeitrag von Dr. Werner Koch und Werner Krieger 22 Lebensart & Kapital – International: Florida; Gastbeitrag von Richard Banks Titelstory: Kapitalmarktausblick 2020 S. 6 26 Grundstücke in Florida: Hebel pur Auch im kommenden Jahr werden sich die Kapitalmärkte im Spannungsfeld zwischen 28 P olitik & Gesellschaft: 13. Klimakon- Handelskrieg, globalen Konjunkturerwartungen und Zinsentwicklung bewegen. Zwar ferenz des EIKE in München wurde der laufende Handelsstreit, der uns das gesamte Jahr 2019 in Atem gehalten 30 Österreichische Schule: hatte, noch kurz vor Weihnachten entschärft. Bis zu einem großen Wurf im Welthandel Die Regisseurin werden die europäischen und US-amerikanischen Volkswirtschaften aber wohl weiter unter den Strafzöllen leiden. Sorge bereiten zudem die Minuszinsen, die sich immer mehr Fonds zu verfestigen scheinen. Wohin also steuern Konjunktur, Zinsen, Edelmetalle und die 32 Inside: Exchange-Traded Funds Aktienmärkte? Lesen Sie dazu ab S. 6 unsere eigenen Gedanken sowie die Einschätzung (ETFs) zahlreicher Experten. 35 Analyse: SUNARES 36 Interview: „Wir wollten Risikomana- Bild: © Rudolf schuppler ger werden“; Gespräch mit Martin Weinrauter, Grohmann & Weinrau- ter VermögensManagement GmbH 37 News, Facts & Figures: Im Plus Research – Märkte 38 Das große Bild: Crack-up-Boom voraus?! 40 Löcher in der Matrix 42 Charttechnik: Wenn zwei sich streiten 42 Quantitative Analyse 43 Intermarketanalyse 43 sentix Sentiment 44 Relative Stärke: Im Urteil der Märkte 4 Smart Investor 1/2020
Bild: ©panthermedia.net/ PixMarket S. 18 45 Edelmetalle: Wer gewinnt, wer Markettiming verliert? Besonders an den Börsen ist Timing eine 45 Petition „Save Canadian Mining“ wichtige Komponente des (wirtschaftli- 46 B anken drucken nicht nur Geld, son- chen) Erfolgs. Dennoch erleiden viele An- dern auch Gold leger bei dem Versuch Schiffbruch, ihre 47 Auf Stippvisite: OceanaGold Wertpapierengagements aktiv zu steuern. Einen völlig anderen Weg gehen daher Research – Aktien Dr. Werner Koch und Werner Krieger und 48 Branche im Blickpunkt: Die Ampeln stellen ab S. 18 verschiedene mechanische stehen auf Grün Handelssysteme vor, bei denen auch an 50 Value-Aktien: Urlaub fürs Depot eine Absicherung gegen allgemeine Schwä- uy or Goodbye: ProSiebenSat.1 52 B chephasen gedacht wurde. Media und Expedia Group 54 Musterdepot: Bescheidene Bescherung 56 Anleihen: Den Naturgewalten ausgeliefert 57 Hattrick bei den ZertifikateAwards Potpourri 58 Interview: „Spezialwerte hatten einen schweren Stand“; Gespräch mit Dr. Georg Issels, Scherzer & Co. AG 60 Leserbriefe: Über Strafzinsen, Silber- münzen und Tesla 62 Buchbesprechungen: „Wie der Teufel die Welt beherrscht (Band 1–3)“ und „Die ältesten Familienunternehmen S. 58 Deutschlands“ Interviews 63 Buchbesprechungen: „Der größte Dass Small Caps – insbesondere Spezialwerte Crash aller Zeiten“ und „PLATOW – im Jahr 2019 einen schweren Stand hat- Prognose ten, musste auch der Nebenwertespezialist 2020: Minuszinsen – Was tun!“ Scherzer & Co. feststellen. Mit Vorstand 64 Buchbesprechungen: „Parallelwelten“ Dr. Georg Issels sprechen wir ab S. 58 über und „Fremdbestimmt“ Abfindungs- und Value-Titel, die größten 66 Zu guter Letzt: Gott ist eine Frau; Positionen aus seinem Portfolio und einige Gastbeitrag von Percy Hoven neue Ideen, die er sich auf dem Eigenkapi- talforum geholt hat. 65 U nternehmensindex / Impressum und Vorschau bis Smart Investor 4/2020 1/2020 Smart Investor 5
Märkte Bild: © bitter-fotolia.com Titelstory / Kapitalmarktausblick 2020 Risk on, Risk off, Risk on … Die Kapitalmärkte dürften sich auch 2020 im Spannungsfeld zwischen Handelskrieg, der globalen Konjunktur und der Zinsentwicklung bewegen Wer in die Zukunft blicken will, sollte Die Hoffnungen und Ängste der Markt- de: Außer einer gewissen Entspannungs- sich zunächst einmal mit der Gegenwart teilnehmer hängen seitdem an einzelnen rhetorik war lange Zeit kaum ernst zu beschäftigen – und die war an den Börsen Tweets des Präsidenten. Das Faszinieren- nehmender Verhandlungsfortschritt zu 2019 vor allem durch vier Themen ge- prägt: den Handelskrieg zwischen den Abb. 1: Rendite zehnjähriger US-Treasurys seit Anfang 2016 USA und China, die wachsenden und zeitweise wieder in Vergessenheit gerate- nen Konjunktursorgen, die stark gesun- kenen Zinsen in den USA und das gras- sierende Phänomen der Minuszinsen in Europa. Statt angesichts dieser Gemen- gelage den Kopf in den Sand zu stecken, konnten die Börsianer den überbordenden Pessimismus des letzten Quartals 2018 jedoch schnell hinter sich lassen. Die ro- buste Konjunktur und die Beschwichti- gungen der Federal Reserve, diese nicht mit weiteren Zinserhöhungen zu belasten, sorgten für eine deutlich aufgehellte Stim- mung. Spätestens ab Mai wurde jedoch klar, dass Donald Trump gewillt ist, den Mitte 2018 befürchteten die Börsen eine ernst zu nehmende Zinswende, 2019 die verhee- Zoll- und Handelsstreit mit China eska- rende Signalwirkung ultraniedriger Zinsen auf die Konjunktur. Gegen Jahresende hat sich lieren zu lassen. dieses Szenario etwas entspannt. Quelle: 1997–2019 Tai-Pan 6 Smart Investor 1/2020
beobachten. Die US-Aktienmärkte hat dies allerdings nicht davon abgehalten, neue Höchststände zu erklimmen. Erst Mit- te Dezember gab es mit der ersten Phase eines Deals so etwas wie einen Durchbruch. Angesichts der anhaltenden Verhand- lungen und der vermutlich entscheidenden zweiten Phase einer Vereinbarung ist diese Kuh jedoch noch nicht vom Eis. Was dürfen Anleger vor dem Hintergrund dieser Gemengelage im kommenden Jahr erwarten? Wir haben versucht, die wichtigsten Themenkomplexe einzuordnen und abzuwägen. Zwar ähneln Kapitalmarktausblicke stets ein bisschen dem berühmten Blick in eine Glaskugel. Dennoch kann es sich lohnen, verschiedene Meinungen auf dem Schirm zu haben, damit sich zumindest die Wahrscheinlichkeiten gewichten lassen. Am Zins hängt alles So abgedroschen dies klingen mag: Am Ende dürfte die Ent- wicklung der Märkte vor allem an den Zinsen und dem tatsäch- lichen Ergebnis des Handelskriegs liegen. Daher lohnt es sich, zunächst die Leitzinsen in den USA zu betrachten. Zuletzt hat Fed-Chairman Powell dort die Kehrtwende bei den Leitzinsen eingeleitet und diese um immerhin 75 Basispunkte gesenkt. Sehr viel deutlicher sind jedoch die langfristigen Zinsen am – zumindest in den USA aktuell kaum durch Eingriffe manipu- lierten – Anleihemarkt zurückgekommen. Aktuell bringen es zehnjährige Treasurys auf eine Rendite von knapp 1,8%; im Oktober 2018 lag diese noch bei 3,23%. Das Paradoxe daran: Hatten die Börsianer 2018 noch Angst vor einer ernsthaften Zinswende, beklagten viele im Sommer 2019 die kontinuierlich fallenden Zinsen und deren negative Signalwirkung für die Konjunktur. Donald Trump scheint ähnlich ambivalent über dieses Thema zu denken: Mal hält er die US-Konjunktur für stark genug, jeder Ge- fahr zu trotzen, mal fordert er kontinuierlich bei Fed-Chef Powell weitere Zinssenkungen ein, um gleiche Rahmenbedingungen wie in Europa zu erhalten. Dort haben mittlerweile die Minuszinsen die Oberhand gewonnen. Die EZB berechnet Banken auf deren Einla- gen mittlerweile Strafzinsen von -0,5%; Anleihen im Volumen von 17 Bio. USD weisen negative Effektivrenditen auf. Was ist an der Zinsfront zu erwarten? Einerseits möchten wir hier auf die Permafrost- Theorie zu verweisen. Demzufolge würden Trends wie Demografie, Potenzialwachstum und nicht zuletzt der Wille der Zentralbanken nachhaltig steigende Zinsen vollkommen ausschließen. Andererseits ist an der Börse nichts gefährlicher als die Annahme „This time it’s different“. Sollte es also bei den Zinsen so etwas wie eine „Mean Reversion“ geben, sprich: eine Rückkehr zum Mittelwert? Zinswende möglich? Die entscheidende Frage dazu ist jedoch, welches volkswirt- schaftliche Szenario nötig wäre, um nennenswerte Zinsanstie- ge überhaupt erst zu ermöglichen. Solange in Amerika – und noch viel mehr – in Europa die Konjunktur schwächelt, dürfte dies auszuschließen sein. Diese wiederum wurde auf beiden Seiten des Atlantiks in den letzten Monaten erheblich durch den laufenden Handelskrieg beeinträchtigt. Sollte es 2020 zu einer erneuten Eskalation kommen, dürfte auch die u 1/2020 Smart Investor 7
Märkte Frank Fischer, CEO der Shareholder Value Dr. Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Alexis Gray, Volkswirtin bei Vanguard Management AG Lampe Bank Asset Management Konjunktur weiter stagnieren. In diesem Auch Frank Fischer von der Frankfurter warten Sie mehr Risiko und weniger Fall hätten weder EZB noch Fed großen Shareholder Value AG sieht Trump unter Ertrag.“ Die aktuell „inverse Zinsstruk- Spielraum bei den kurzfristigen Zinsen. Zugzwang: „Es zeigt sich, dass der anhal- turkurve“, welche vielfach als Rezessions- Die jüngsten Zinsentscheidungen Mitte tende Handelskrieg zwischen den USA und Frühindikator gesehen wird, sieht die Dezember und die Ausblicke der Zent- China die Unternehmenslenker daran hin- Volkswirtin allerdings entspannt: Man ralbanker für 2020 bestätigen dies. dert, nachhaltig zu investieren. Aber auch solle die Inversion der Kurve aufgrund Gleichzeitig dürfte die Angst der Anleger dieser Effekt nutzt sich ab. Denn jedem der Notenbankmanipulationen nicht vor konjunkturellen Risiken dafür sorgen, Marktteilnehmer ist klar: US-Präsident überbewerten. Als reale Risiken sieht sie dass die Kurse mittel- und langfristig Donald Trump will am 3.11.2020 wieder- wie Fischer und Krüger jedoch den Han- laufender Anleihen nicht spürbar fallen gewählt werden. Doch ohne eine florieren- delskrieg und die Zollschranken – sowie und deren Renditen damit kaum zu de Wirtschaft wird ihm das kaum gelingen. die schrumpfenden Investitionen vieler steigen vermögen. Auch die Zinsen könn- Auch wenn Trump scheinbar selten logisch Unternehmen aufgrund der politischen ten damit zu einem nicht unerheblichen denkt und handelt, so ist ihm klar, dass er Unsicherheit. Ihr Basisszenario (Wahr- Umfang am Ausgang der Verhandlungen einen Deal mit Peking präsentieren muss.“ scheinlichkeit: 65%) geht deshalb, trotz der USA mit China hängen. Ob solch ein Deal lediglich eine mittelfris- eines möglichen „Mini-Deals“, von einer tige Beruhigungspille darstellt oder dauer- weiteren graduellen Eskalation des von Kommt es vor der US-Präsidentschafts- haft zur Entspannung beiträgt, ist eine den USA gegen China angezettelten Han- wahl zu einem vollständigen Abschluss offene Frage. Für Alexander Krüger, Chef- delskriegs aus. Beim Handelsstreit USA der Verhandlungen mit China, wie zuletzt volkswirt des Bankhauses Lampe, ist klar: vs. Europa (v.a. Autos betreffend) könn- erwartet, sieht die Lage natürlich etwas „Der Handelskonflikt zwischen den Schwer- te es zu positiv verlaufenden Verhandlun- anders aus – in diesem Falle weichen ei- gewichten USA und China dürfte sich al- gen kommen, bevor weitere Zölle verhängt nige der Unsicherheiten von den Märkten lenfalls temporär entspannen. Der Weg zu werden. Das pessimistische Szenario eines und die Investitionsbereitschaft der Un- einer vollständigen Streitbeilegung ist un- scharf eskalierenden Handelskriegs der ternehmen dürfte nach oben gehen. Nach- seres Erachtens aufgrund des hegemonialen USA mit dem Rest der Welt hat bei Van- holeffekte könnten einen veritablen Boom US-Interesses weit. Für die Industrieländer guard immerhin eine Wahrscheinlichkeit auslösen. Eventuell ist genau dies der Plan erwarten wir daher mehrheitlich etwas von 25%. Gray erwartet für 2020 zwei des US-Präsidenten. Solange die US- niedrigere Wachstumsraten als für 2019, weitere Zinssenkungen in den Vereinigten Konjunktur ihm den Spielraum lässt, hat mit 1,8% auch für die USA.“ Staaten. Sie sagt allerdings auch: „They er die Möglichkeit, der chinesischen are running out of options.“ Zu Deutsch: Seite in den Verhandlungen Zugeständ- Alexis Gray, Volkswirtin bei Vanguard Die Notenbanken erschöpfen allmählich nisse abzuringen. Sollte er merken, dass Asset Management, sieht 2020 für Euro- ihre Möglichkeiten. die US-Wirtschaft in die Knie geht, hat pa steigende Rezessionsgefahren und geht er als einziger am Pokertisch den wich- hinsichtlich der USA von einer Wachs- Trump-Hedge Edelmetalle tigsten Joker in diesem „Spiel“ in der tumsabschwächung aus. Vanguards Ein- Ein nahezu perfekter „Trump-Tweet- Hand: Ein Tweet könnte den Handels- schätzung fällt damit deutlich pessimis- Hedge“ waren in diesem Jahr die Edel- krieg beenden und der Wirtschaft wie tischer aus a ls der von Bloomberg metalle. Wann immer Trump in die Tas- auch den Märkten die benötigte Sicherheit veröffentlichte Analystenkonsens. Gray ten griff, um eine neue Eskalationsstufe zurückgeben. fasst in kurzen Worten zusammen: „Er- im Handelskrieg einzuläuten, konnten u 8 Smart Investor 1/2020
Smart Investor 1/2020 IPO-Boom schon vorbei? In Sachen Börsengänge war das Jahr 2019 das, obwohl die meisten der Unternehmen als der Hälfte des Vorjahres (205 Mrd. sicherlich spektakulär, am Ende aber auch noch Verluste schreiben. Spätestens mit USD). Die entscheidende Frage lautet enttäuschend. Mit Saudi-Aramco wurde dem Debakel um WeWork (wir berichte- daher, ob sich aus der IPO-Flaute eine der größte Börsengang aller Zeiten (IPO- ten mehrfach darüber) wurde klar: An- Botschaft für den Gesamtmarkt herleiten Volumen: 25,6 Mrd. USD) des größten leger akzeptieren keine Storyaktien, die lässt. In der Vergangenheit waren es stets Unternehmens aller Zeiten (zwischenzeit- außer großen Visionen noch kaum etwas die Höhepunkte einer Hausse, die auch lich knapp 2 Bio. USD Börsenwert) ab- vorzuweisen haben. den Höhepunkt des IPO-Booms markier- gewickelt. Allerdings wurden nur rund ten. Dieses Szenario scheint in den letzten 1,5% der Aktien bei Anlegern platziert Die bekannten Namen dürfen nicht da- Monaten unrealistischer geworden zu sein – der Kurs hat daher nur eine bedingte rüber hinwegtäuschen, dass insgesamt – denn während IPOs floppten, konnten Aussagekraft. In den USA war das Jahr weniger Gänge auf das Börsenparkett die Indizes neue Höchststände markieren. vor allem durch die IPOs von sogenann- stattfanden. Nach Daten der Beratungs- Die Flaute dürfte daher eher als positives ten Unicorns („Einhörner“) geprägt, da- gesellschaft Blättchen & Partner wurden Signal zu deuten sein: Anleger sehen wie- runter Namen wie Uber, Lyft, Slack oder in den ersten neun Monaten des Jahres der genauer hin. Bewertungen und Ge- Beyond Meat. So richtig überzeugen 2019 weltweit lediglich 768 Neuemissio- schäftsmodell spielen eine wichtigere konnte bislang kaum einer der gehypten nen abgewickelt (im Vorjahr dagegen Rolle als gehypte Modethemen. Titel, was vor allem an den sportlichen 1.369). Dabei lag das Emissionsvolumen Christoph Karl Bewertungen gelegen haben dürfte – und mit 114 Mrd. USD nur bei etwas mehr Anzeige
Märkte Abb. 2: Gewinn je Aktie sowie Umsatz- und Margenwachstum der Unternehmen des S&P 500 Die Ertragsdynamik der großen US-Unternehmen hat zuletzt spürbar nachgelassen. Ohne eine Entschärfung des Handelskriegs mit China dürfte es 2020 kaum positive Impulse geben. Quelle: J.P. Morgan Asset Management Gold und Silber haussieren. Die Edelme- „Kurstreiber für die Goldanlage“ in Smart spürbar anziehen. Zwar werden sich An- talle reduzierten gerade in den heißen Investor 11/2019 auf S. 10 erläutert hat: leger auch 2020 im Spannungsfeld zwi- Handelskriegsphasen im Mai und im Eskaliert der Handelskrieg erneut – po- schen Handelskrieg und Notenbankpo- August die Volatilität in den Depots der sitiv für Gold. Bleiben die Zinsen auf litik bewegen. Für die Aktienmärkte Goldbugs. Auch unabhängig von der Ab- Rekordtief oder sinken sie weiter – klarer dürfte jedoch auch dann die reale Ertrags- sicherung dieser Risiken besitzen die Vorteil für Gold. Springt die Inflation lage der Unternehmen entscheidend sein, Edelmetalle allerdings Charme, gibt es spürbar an – gut für Goldbugs. Selbst und die war 2019 entgegen den Erwar- doch kaum ein realistisches Zukunfts- eine Zinswende nach oben dürfte erneut tungen noch relativ robust. szenario, das nicht für Gold sprechen zu steigenden Goldnotierungen führen würde, wie der Fondsmanager Andreas – schließlich ist diese lediglich dann vor- Zwar hat sowohl in den USA als auch in Böger einleuchtend in seinem Gastbeitrag stellbar, wenn auch die Konsumpreise Europa die Gewinndynamik nachge- u Value-Perspektiven 2020 Den Fondsmanager Stefan Rehder von pulismus könnten in Summe nichts Gu- macht attraktiv. Als Beispiel dafür nann- der Value Intelligence Advisors GmbH tes für die Märkte bedeuten. Doch wie te Rehder den Chiphersteller Micron (IK); interessiert das große Ganze. Neben in- sollen sich Anleger darauf einstellen? ebenfalls interessant sind Technologie- teressanten Einzeltiteln für seine Fonds Idealerweise dadurch, dass sie sich nicht aktien, deren „Runway“ (zu Deutsch: hat er – untypisch für einen Value-An- auf ein einziges volkswirtschaftliches Lauf) von der Masse der Marktteilnehmer leger – auch die volkswirtschaftlichen Szenario einstellen, sondern verschiede- unterschätzt wird. Dies gelte z.B. für die Entwicklungen im Auge. So ist „Macro ne Möglichkeiten antizipieren. Aktie von Facebook (IK) oder Google- matters“ eines seiner Mottos. Auf seinem Mutter Alphabet (IK). Angesichts der jährlichen Graham-and-Dodd-Frühstück Als unkorreliertes Asset sieht Rehder niedrigen Zinsen seien die Bewertungen begab er sich dieses Jahr auf die Suche Goldminen an. Schließlich habe Gold in vieler Wachstumsunternehmen jedoch nach „unkorrelierten Assets in einer hoch der Vergangenheit eine negative Korre- gegenüber der Bewertung günstiger korrelierten Welt“. Die aktuelle Zeit weist lation zum S&P 500 gehabt. Völlig über- Value-Titel unattraktiv geworden. Für aus seiner Sicht Parallelen mit dem Ende zeugt von der Permafrost-Theorie ewig Rehder gilt es daher, auch im Aktienbe- der 1920er-Jahre auf, als mächtige No- niedriger Zinsen ist der Fondsmanager reich die „Duration“ im Auge zu behalten tenbanker die Geschicke der Weltwirt- indes nicht. Anleger sollten auch das und aktuell eher auf kurze Laufzeiten schaft steuerten. Die massive Verschuldung, Szenario einer unerwarteten Zinswende – sprich: in der Gegenwart liegende Ge- die sinkende Bonität der Unternehmen, auf dem Schirm haben. Im Aktienbereich winne – zu setzen... die Liquiditätsflut, die globale Wachs- sind unter anderem Titel aus konsolidier- Christoph Karl tumsschwäche und der Aufstieg des Po- ten Branchen mit hoher Preissetzungs- 10 Smart Investor 1/2020
Märkte lassen, von Rezession ist in den Unter- Abb. 3: Konsumentenvertrauen in den USA, Europa und China nehmensergebnissen zumindest auf brei- ter Front jedoch noch nichts zu sehen. Insbesondere in Europa ist allerdings eine extreme Schwäche bei den Zyklikern und Industrieunternehmen zu beobachten, während sich der Service- und Bausektor nach wie vor wacker hält. Die Unsicher- heit bei den Zöllen belastet das produzie- rende Gewerbe. Kein Wunder also, dass gerade Exportweltmeister Deutschland im dritten Quartal 2019 nur knapp an der Rezession vorbeigeschlittert ist. Auch in den USA hat der Handelskrieg bei einigen Unternehmen Spuren hinterlassen. Die Katastrophe, die viele Marktteilneh- mer erwartet hatten, ist bislang jedoch ausgeblieben – zu stark scheint die Ver- handlungsposition vieler US-Unterneh- men zu sein, wie sich z.B. beim IT-Gi- ga nten Apple erkennen lä sst. Der iPhone-Produzent stellt nach wie vor hauptsächlich in China her, konnte seine Margen aber offensichtlich sichern, indem Die relative Robustheit der Weltwirtschaft liegt bislang in der Stabilität des Konsumen- er seinen Zulieferern einen Teil der Zöl- tenvertrauens begründet. Sollte die Stimmung auch bei den Verbrauchern kippen, wird es le aufhalste. Positiv dürfte Anleger auch gefährlich für die Konjunktur. stimmen, dass sich US-Präsident Trump Quelle: Huber, Reuss & Kollegen erklärtermaßen an der Performance des Aktienmarkts messen lassen will – und im nächsten Jahr eine Wahl zu gewinnen industrielle Sektor je nach betrachteter ge das der Fa ll bleibt, dürf ten die hat. Dies sieht auch Frank Fischer so: Region deutliche Bremsspuren aufweist Aktienbörsen weiter Auftrieb haben. „Trump hat gesagt, dass er sich an der – insbesondere in Europa –, sind die Kon- Entwicklung an der Wall Street messen sumenten weiter in Kauflaune, insbeson- Gemischtes Bild lassen will. Deshalb stehen auch die Chan- dere in China und den USA, und solan- Das Jahr 2020 dürfte für die Aktien da- cen für eine Fortführung her an folgenden Faktoren der Aktienmarktrally sehr hängen: Wie stark wird die Abb. 4: Gold gut. Wir erwarten zwar Konjunktur durch den Han- e i ne Pa u s e d e s A u f- delskrieg belastet und wann schwungs im ersten Quar- können sich Trump und der tal 2020, aber danach chinesische Präsident Xi auf sollte es weiter bergauf einen finalen Deal einigen? gehen. Und dann kann Sorgen die Niedrig- und der DA X durchaus auf Minuszinsen möglicherwei- 16.000 Punkte klettern.“ se zu einer massiven Flucht Entscheidend für die Fort- in andere Anlageformen, setzung der Hausse wird insbesondere Aktien? Kön- laut den Strategen der nen die Unternehmen 2020 Vermögensver wa ltung an die solide Ertragssituati- Huber, Reuss & Kollegen on des laufenden Jahres an- vor allem sein, inwieweit knüpfen? Wie lange können das Konsumentenvertrau- sich die konsum- und ser- en in den USA, Europa viceorientierten Unterneh- und China weiter steigen men den spürbaren Einbrü- oder zumindest auf ho- Der seit Anfang 2016 bestehende Bullenmarkt beim Gold (in USD) dürfte chen in der Industrie und hem Niveau verharren sich nach Ansicht von Smart Investor in 2020 weiter fortsetzen, wenn nicht Exportwirtschaft widerset- wird. Denn während der gar beschleunigen. zen, insbesondere in Europa? 12 Smart Investor 1/2020
Smart Investor 1/2020 Abb. 5: Bewertungsniveaus der unterschiedlichen Aktienmärkte getragen werden. So ist die größte Position deren rund 230 So w ürde der Mrd. USD umfassenden Aktienportfolios Dow Jones aktu- mit knapp 70 Mrd. USD (ca. 30%) die ell rund 1.100 Aktie des Techgiganten Apple. Gleichzei- Punkte tiefer ste- tig hat Buffett mehr als 40% seines Port- hen, wären App- folios in günstige US-Banktitel wie Wells le und Microsoft Fargo, Bank of America oder JP Morgan nicht Teil des Chase investiert – eine Branche, die sta- Index. Ein Vier- bile Margen verdient und zu heutigen tel der Perfor- Kursen zu KGVs von etwas mehr als elf mance des lau- notiert, womit sie als Value zu deklarieren fenden Ja hres ist. Mit knapp 130 Mrd. USD Cash hat ginge da mit Buffett zudem noch einiges Pulver trocken verloren. gehalten – auch dies könnte eine Botschaft an die Anlegerwelt sein. Unterdessen gibt Die weltweiten Aktienmärkte sind im historischen Vergleich moderat bewertet (gemessen an den geschätzten KGVs). Kursrisiken verbleiben es zuhauf güns- Fazit dennoch, denn die Konjunktur ist möglicherweise weniger stabil als von t ig be wer te te Nach allen hier ausgeführten Argumenten einigen Marktteilnehmern angenommen. Value-Titel, z.B. geht Smart Investor für 2020 von einem per Quelle: J.P. Morgan Asset Management aus den Sektoren Saldo guten Börsenjahr aus. Insbesondere Telekommuni- dann, wenn die Handelsstreitigkeiten zu- Anleger dürfen zudem eines nicht übersehen: kation, Medien, Industrie oder Finanzen. friedenstellend beigelegt werden – zumindest Wenn von der Bewertung „der Märkte“ die Der Starinvestor Warren Buffett setzt mit vorübergehend bis nach der US-Wahl. Mehr Rede ist, wird häufig übersehen, dass die seiner Holding Berkshire Hathaway setzt dazu in „Das große Bild“ auf S. 38. Leitindizes nur von wenigen Unternehmen aktuell auf beides: Wachstum und Value. Christoph Karl Prognosen & Sentiment Auch die recht enge Prognosenbandbrei- te von nur 1.400 DAX-Punkten (14.600 Alljährlich befragt die Zeitschrift „Euro DAX-Plus von rund 25% überhaupt minus 13.200) lässt sich interpretieren: am Sonntag“ Anfang Dezember verschie- nicht beeindrucken ließen und den vo- Anscheinend wird dem deutschen Blue- dene Researchteams zu ihren Marktein- rangegangenen Trend nicht ansatzwei- Chip-Index kaum eine dramatische Ent- schätzungen für das nächste Jahr. Smart se fortschreiben. Nicht einmal ein Vier- wicklung, sondern allenfalls ein „lang- Investor hat sich die diesmaligen Ergeb- tel der 2019er-Performance (bis 5.12.) weiliges Dahindümpeln“ auf hohem nisse vorgenommen, um daraus einen billigen sie dem DA X für 2020 zu. Niveau zugebilligt. Überblick zu gewinnen, was die Progno- Daraus lässt sich alles Mögliche ablesen, seprofis erwarten – und vor allem, was aber keines- Fazit sie nicht erwarten. f a l l s ü b e r- In der Sentimentanalyse wird unterstellt, schäumender dass die Erwartungen der Börsianer nicht Zum Zeitpunkt der Prognoseabgabe am Optimismus. erfüllt werden – denn der Markt wählt 5.12.2019 notierte der DAX bei 13.144 K a u m ne n- theoriegemäß diejenige Entwicklung, die Punkten. Davon ausgehend schätzen die nenswerte Zu- von der Masse der Anleger nicht einge- 15 befragten Institute einen DAX-End- versicht preist wurde. Dementsprechend dürfte stand 2020 zwischen 13.200 (DZ Bank) herrscht unter das Jahr 2020 nicht durch leichte Kurs- und 14.600 (Julius Bär). Der Durchschnitt den Prognos- zuwächse geprägt sein, wie es den Ana- aller abgegebenen Vorhersagen liegt bei tikern übri- lystenprognosen zu entnehmen wäre. 13.920 Punkten. Dies entspricht einer gens auch für Denkbar wäre einerseits ein Einbruch – prognostizierten Zunahme des DAX die anderen abgefragten Indizes: Für oder andererseits eine deutlich stärkere während der nächsten etwas mehr als den S&P 500 wird ein Plus von 4,5%, Bewegung nach oben. Letzteres erscheint zwölf Monate von 5,9%. Wie lässt sich für den NASDAQ-100 von 8% und für uns vor dem Hintergrund der starken dieses Ergebnis interpretieren? den Nikkei von 4% vorhergesagt. Für Aufwärtstrends und des nicht vorhande- Gold wird im Durchschnitt ein Anstieg nen Optimismus die wahrscheinlichere Zunächst fällt auf, dass sich die Analys- von 6,5% und für Öl ein Rückgang um Entwicklung. ten durch das bislang 2019 aufgelaufene 2,7% prognostiziert. Ralf Flierl 1/2020 Smart Investor 13
Märkte Bild: ©Deutsche Börse AG Investorenkonferenzen Gemischtes Bild Auf dem Eigenkapitalforum (EKF) und der Münchner Kapitalmarkt Konferenz (MKK) präsentierten sich erneut viele namhafte deutsche Small Caps – mit mehr oder weniger positivem Ausblick Der Spätherbst bringt traditionell jede leichte Rezession antizipiert. Vor dem Antizyklisch interessant Menge Investorenkonferenzen für Small- Hintergrund eines aktuell wieder stabile- Dürr ist mit seinen Produkten zwar maß- Cap-Interessierte mit sich. Nicht zu über- ren Branchenumfelds geht der Vorstand geblich von der Automobilindustrie ab- sehen war dabei heuer, dass die Jahresaus- jedoch von einem Ergebnis am oberen hängig (55% des Umsatzes), profitiert blicke zum Teil recht differenziert Ende der neuen Guidance aus. Ab 2020 aktuell jedoch sogar von den Aufträgen ausfallen. Während manche Unternehmen dürfte der Spezialanbieter dann wieder auf neuer Player aus China in der Elektromo- überaus optimistisch in die Zukunft bli- Wachstumskurs sein. Zwei kleinere Ak- bilität. Der Maschinen- und Anlagenbau- cken, zeigen insbesondere Maschinenbau- quisitionen im Packaging-Segment sollen er steht fast schon stellvertretend für die er und Automobilzulieferer deutliche zudem in den kommenden Monaten für deutsche Industrie. Dennoch hat das Un- Bremsspuren. Wir stellen Ihnen einige anorganisches Wachstum sorgen. Spätes- ternehmen zuletzt mehrmals seine Prog- unserer Favoriten vor und geben Ihnen ein tens 2021 plant Petri mit einem deutlichen nose für das laufende Jahr zurücknehmen Update zu einigen Unternehmen, die wir Umsatzanstieg auf 200 Mio. EUR und müssen. Schwierigkeiten hat zuletzt vor schon seit Längerem im Auge haben. einer EBITDA-Marge zwischen 12,5% allem die Tochter HOMAG im Bereich und 15% (in den ersten neun Monaten der Holzverarbeitung bereitet, bei der eine Übergangsjahr mit positiven Vorzeichen 2019 lag sie bei 8,9%). Mit einem 2020er- deutliche Kaufzurückhaltung von chine- Ein Übergangsjahr hat Ringmetall hinter KGV von 14 notiert die Aktie nach dem sischen Kunden zu beobachten war. Dürr sich. Für 2019 rechnet CEO Christoph Rückgang des letzten Jahres wieder auf verfügt jedoch über ein ausgezeichnetes Petri zwar akquisitionsbedingt mit einer einem Niveau, bei dem ein Einstieg über- Management und sollte zu den Gewinnern Umsatzsteigerung auf 115 Mio. bis 125 legenswert ist. zählen, wenn sich 2020 die dunklen Wol- Mio. EUR (2018: 110,6 Mio. EUR); im Ergebnis dürfte das Unternehmen ange- sichts der rückläufigen Orders aus der Ringmetall (WKN: 600190) EUR Dürr (WKN: 556520) EUR Chemieindustrie und eines sehr volatilen Ordereingangs jedoch leicht zurück gehen. Verstärkt hat sich Ringmetall insbesonde- re im sogenannten Inlinersegment. Dabei handelt es sich um Innenauskleidungen für Fässer aus Plastik. Das Unternehmen baut damit einen weiteren Bereich neben dem Kerngeschäft mit Spannringen (zuletzt rund 77% Umsatzanteil) auf. Mit der Ge- winnwarnung im Juli hat Ringmetall eine 14 Smart Investor 1/2020
ken des Handelskriegs langsam lichten. Auf dem aktuellen Be- wertungsniveau (2020er-KGV von 13,7) stellt die Aktie ein in- teressantes antizyklisches Investment dar. Die Zyklik hat zugeschlagen Unter dem Handelskrieg zwischen den USA und China leidet auch DATA MODUL. Der Distributor und Anbieter von kun- denspezifischen Displays hatte einige Auftragsverschiebungen zu verkraften und musste gegen den Preisdruck aufgrund des ver- stärkten Wettbewerbs ankämpfen. Obwohl die ausgelieferten Stückzahlen unverändert geblieben sind, war der Umsatz in den ersten neun Monaten um 17% rückläufig. Auf der MKK konnte CEO Dr. Florian Pesahl den Investoren auch für das vierte Quar- tal kaum Hoffnung machen. Allerdings rechnet er mit einem Erreichen der erst im Oktober deutlich reduzierten Prognose für das Gesamtjahr. Beim Ergebnis dürfte auch die Belastung durch Sondereffekte (insbesondere Personalabbau) zu Buche schlagen. Zwar besetzt das Unternehmen mit seinen Produkten eindeutige Megatrends – die Zyklik des Geschäfts dürfte aber in den letzten Jahren von einigen Anlegern unterschätzt worden sein. Bei Be- trachtung der schlechten Zahlen des Mehrheitsaktionärs Arrow erscheint eine vollständige Übernahme von Data Modul aktuell wieder in weiter Ferne zu liegen. Glühweinprofiteur Einen Trend der Zeit bedient DEAG, einer der größten Konzert- veranstalter und Anbieter von Live-Entertainment in Deutschland. Auf dem Eigenkapitalforum haben wir mit CEO Prof. Peter Schwenkow gesprochen. Besonders dynamisch hat sich in den letzten Jahren der Geschäftsbereich mit Klassik, Jazz und Fami- lienunterhaltung entwickelt. Dazu zählt unter anderem das selbst kreierte Format der „Christmas Gardens“ – weihnachtliche Lichtin- stallationen in aktuell sechs Städten. Der Vorteil dabei: DEAG ist unabhängig von Künstlern und besitzt langfristig laufende Vereinbarungen. Als kleiner Nebeneffekt ist sie zugleich der größte Glühweinausschank Deutschlands – mit eigener Rezeptur und den typischen hohen Margen. Für deutlich höhere Margen sorgt auch die eigene Ticketingplattform, MyTicket, durch die vor allem eigene Veranstaltungen selbst vermarktet werden. Im vierten Vierteljahr erwarten Analysten ein Rekordquartal mit knapp 80 Mio. EUR Umsatz, ein Plus von mehr als 60% zum Vorjahr. Bei Kursrücksetzern ist die Aktie interessant. Im Würgegriff der Behörden Ein Glücksspielanbieter kann eigentlich nur gewinnen, oder? Nicht aber, wenn das Finanzamt plötzlich seine Meinung ändert. Der Online-Sportwettenanbieter bet-at-home.com erwartet nach Diskussionen mit den österreichischen Finanzbehörden eine Nachzahlung von knapp 12 Mio. EUR für die Jahre 2013 bis 2018. Wir haben auf dem EKF mit CEO Franz Ömer über die- ses Thema gesprochen. Zuvor war das Finanzamt mit den beste- henden Verrechnungssätzen zwischen der bet-at-home-Zentrale in Linz und deren Tochter in Malta einverstanden, nun müssen diese korrigiert werden. In Zukunft dürfte die Steuerquote damit von deutlich unter 10% auf mehr als 16% ansteigen. Doch dies ist nicht das einzige Thema, das dem Unternehmen Probleme u 1/2020 Smart Investor 15
Märkte beschert: Durch das IP-Blocking von On- Positiv stimmt die deutliche Optimierung tisieren. Im August hat das Produkt eine lineglücksspiel in der Schweiz verlor bet-at- des Working Capital. Anleger sollten ab- allgemeine Betriebserlaubnis des Kraftfahrt- home.com seit September wichtige Umsät- warten, ob das Management unter Micha- bundesamtes in Deutschland erhalten, die ze. In Deutschland könnte bei einer el Stomberg, seit Ende 2018 CEO, die in ganz Europa gültig ist. Vergabe von Glücksspiellizenzen explizit operativen Risiken in den Griff bekommt. das für die Gesellschaft sehr wichtige Ca- Sollten sich die EBIT-Margen in Richtung Ein erster Vertriebserfolg wurde mit der sinogeschäft ausgeschlossen oder Livewet- des mittelfristigen Ziels von 7% bis 9% MOSOLF Gruppe aus Kirchheim unter ten untersagt werden. Erst wenn dieses bewegen, dürfte der Hebel bei einem Um- Teck erzielt, die den Vertrieb für Deutsch- Thema geklärt ist, dürfte eine seriöse Pro- satz von 1,7 Mrd. EUR und einer Markt- land übernimmt und für seine eigene Fahr- gnose für 2020 möglich sein. Bereits heute kapitalisierung von lediglich 250 Mio. EUR zeugflotte 1.000 Einheiten bestellt hat ist dagegen mit einer Dividendenkürzung (Kurs-Buchwert-Verhältnis: 0,8) enorm (Auslieferung im Jahr 2020). Payne prog- von zuletzt 6,50 auf unter 3,00 EUR zu sein – eine Tatsache, die auch die Münch- nostiziert für 2020 einen Umsatz von 150 rechnen. Der regulatorische Gegenwind ner Immobiliengruppe Doblinger gesehen Mio. EUR, die Bruttomarge soll bei mehr hat bet-at-home.com voll im Griff. Turna- haben muss: Die SD Grund GmbH und als 50% liegen. Angesichts dieser Aussich- round-Potenzial dürfte die Aktie erst haben, deren Eigentümerin, Sabine Doblinger, ten stößt uns die rege Finanzierungstätig- wenn sich diese dunklen Wolken lichten. meldeten am 25.11. das Überschreiten der keit über Private Placements negativ auf. 3%-Schwelle am Kapital der Bauer AG. Allein mit zwei Platzierungen im Novem- Erneute Enttäuschung ber wurden die Altaktionäre um mehr als Nach guten Zahlen im Vorjahr verhagelte Kommt 2020 der Vertriebserfolg? 10% verwässert. Vor diesem Hintergrund es dem Spezialtiefbauspezialisten und Ma- Zu den Favoriten einiger Nebenwerteex- stellt sich die Frage, warum das Unterneh- schinenhersteller BAUER in den ersten perten zählt neuerdings die kanadische men nicht zunächst konkrete Vertriebser- neun Monaten 2019 wie so oft in den letz- dynaCERT (IK). Wir haben auf dem EKF folge abwartet und sich das möglicherwei- ten Jahren das Ergebnis. Ursächlich dafür mit CEO Jim Payne gesprochen: Das Un- se benötigte Eigenkapital erst dann besorgt, sind politisch bedingte Projektverschie- ternehmen hat eine Technologie entwickelt, wenn der Kurs die Zukunftsaussichten bungen in Malaysia, Thailand und Viet- die den Verbrauch herkömmlicher Diesel- einigermaßen widerspiegelt. Eine Firma nam, die zu einer Unterauslastung führten. fahrzeuge durch Nachrüstung um mehr als mit einer CO2-einsparenden Technologie Zudem würden die niedrigen Zinsen hö- 10% reduziert und damit gleichzeitig Kos- sollte derzeit eigentlich keine Schwierig- here Pensionsrückstellungen notwendig ten wie auch CO2-Emissionen einspart. keiten haben, an Kapital zu gelangen. machen und bilanzielle Lasten aufgrund Das System benutzt die Einspritzung von von Zinssicherungsgeschäften mit sich Wasserstoff und Sauerstoff, um die Effizienz Fazit bringen. Der Kurs stürzte nach einer Ge- bestehender Motoren zu verbessern und Auf den Kapitalmarktkonferenzen im Herbst winnwarnung im September um satte 25% deren Schadstoffausstoß zu reduzieren. Im hat sich gezeigt, wie zwiegespalten die Small ab. Für das Gesamtjahr erwartet Bauer nun ersten Schritt konzentriert sich Dynacert Caps ihre kurzfristigen Aussichten bewerten. ein EBIT von 70 Mio. EUR und ein Nach- daher auch auf Nutzfahrzeuge – denn wäh- Interessant sind jedoch häufig genau solche steuerergebnis knapp über null. Laut Kep- rend kaum ein privater Fahrzeugbesitzer an Unternehmen, die zuletzt die volle Wucht ler Research hatte der Konzern zwischen eine Nachrüstung seines Fahrzeugs denken der konjunkturellen Flaute zu spüren be- 2009 und 2017 jeweils mindestens einmal würde, nehmen z.B. Spediteure eine nüch- kommen haben – denn erste Signale zeigen, pro Jahr vor niedriger als erwarteten Ge- terne, betriebswirtschaftliche Kalkulation dass sich die wirtschaftliche Lage bessert. winnen gewarnt. Wie kann das Unterneh- vor. Das Hauptprodukt namens HydraGEN Die erste Phase eines Handels-Deals der men nun das Ruder herumreißen? An sich kostet zwischen 6.200 und 8.000 USD und Trump-Administration mit China könnte müsste Bauer einer der Profiteure von welt- soll sich je nach Konstellation in einem nun einen weiteren Turbo bringen. weiten Infrastrukturmaßnahmen sein. Zeitraum von neun bis 18 Monaten amor- Christoph Karl Kennzahlen der vorgestellten Aktien Unternehmen WKN Kurs MCap* Umsatz EpS EpS KGV KGV Div. Div.-Ren. 2018e* 2019e 2020e 2019e 2020e 2019e** 2019 Ringmetall 600190 2,77 81 111 0,13 0,20 21,3 13,9 0,06 2,2% Dürr 556520 30,58 2.116 3.870 1,84 2,21 16,6 13,8 0,86 2,8% DATA MODUL 549890 54,00 190 241 2,16 3,36 25,0 16,1 0,12 0,2% DEAG A0Z23G 4,32 85 200 0,06 0,21 72,0 20,6 0,00 0,0% bet-at-home.com A0DNAY 53,50 375 115 2,56 3,89 20,9 13,8 2,85 5,3% BAUER 516810 14,88 255 1.589 0,10 1,17 148,8 12,7 0,11 0,7% dynaCERT** (IK) A1KBAV 0,34 133 0 -0,05 0,00 neg. - 0,00 0,0% *) in Mrd. EUR, **) voll verwässert, Quellen: MarketSceener, eigene Schätzungen 16 Smart Investor 1/2020
Hintergrund Richtiges Phänomene des Marktes Timing ist Markettiming alles Eine Analyse verschiedener Handelssysteme Gastbeitrag von Dr. Werner Koch und Werner Krieger „Bestmöglich dabei sein, Dr. Werner Koch ist wenn Märkte steigen – und theoretischer Physi- tunlichst fallende Märkte ver- ker und seit 1994 in meiden!“ – was wie eine Binsen- der Finanzbranche. weisheit für den Anlageerfolg klingt, Nach verschiedenen trägt die wissenschaftliche Bezeichnung Stationen im Com- „Markettiming“. Sie ist bereits seit den merzbank-Konzern 1930er-Jahren Gegenstand der Finanz- fungiert er seit 2010 marktforschung. Die Möglichkeiten, an niert nicht! Diese Einstellung wird meist als geschäftsführen- Marktbewegungen zu partizipieren, sind einfach von sogenannten Gurus übernom- der Gesellschafter sehr vielfältig. Neben dem einfachen men. Oft berufen sich Kritiker dabei auf der quantagon fi- „Dabeisein“, wenn der Aktienmarkt steigt, bekannte Investoren, die sich gegen Mar- nancial advisors GmbH in Frankfurt, eines kann man beispielsweise gezielt hebeln, kettiming geäußert haben, wie z.B. Warren auf quantitativ gesteuerte Anlagestrategien also doppelt profitieren. Wenn der Markt Buffett. Bei genauem Hinsehen lässt sich spezialisierten Finanzdienstleisters. ohnehin gerade richtig in Fahrt ist, lässt jedoch feststellen, dass auch dieser seine sich mit Momentumtiteln mehr erreichen Engagements in einigen Titeln einem ge- Dipl.-Kfm. Werner als mit ihren Value-Pendants sowie mit zielten Timing unterwirft. Krieger, CEFA, „kleinen“ Werten mehr verdienen als mit seit 1994 in der den „Blue Chips“, also den großen, meist Einige Gegner berufen sich bei der Argu- F in a n z b r a n c h e trägeren DAX-Titeln. Dies sind nur einige mentation gegen Markettiming auf den tätig, ist geschäfts- Beispiele für die Umsetzung aktiven Mar- Anlageexperten Burton Malkiel. Seiner führender Gesell- kettimings in Anlagestrategien auf verschie- Meinung nach sind die Märkte effizient, schafter der GFA densten Ebenen. und Börsenkurse könnten nicht prognos- Vermögensverwal- tiziert werden, also sei auch kein Timing tung GmbH sowie „Königsdisziplin“ des Markettimings ist die möglich. Auch durch die Auswahl einzel- spezialisiert auf die Frage „Aktien: Ja oder nein?“, und gerade ner Aktien könne man also keinen Mehr- Entwicklung von hier wird der Sinn des Begriffs oft zu eng wert generieren. Value-Investoren sind Handels- und Vermögensverwaltungs- ausgelegt: Man wird auch mit ausgeklügel- aber durchaus der (berechtigten) Ansicht, strategien. ten Markettimingstrategien nicht am Tief- dass die Märkte nicht effizient sind und punkt der Aktienkurse ein- und am Hoch- durch die Auswahl von Value-Titeln eine punkt aussteigen können. Es genügt Überrendite erzielt werden kann. vielmehr, „relativ weit unten“ ein- und „relativ weit oben“ mit Gewinn auszustei- Berechtigt sind hingegen die Kritik und die gen. In längeren Marktphasen ohne Crashs Warnung an Investoren, aus dem Bauch oder in volatilen Seitwärtsphasen ist es hin- heraus den Markt „timen“ zu wollen. Das gegen schwierig, den Markt mit Timing- geht meist schief – so ist es kaum möglich, methoden zu schlagen. ad hoc geeignete Ein- und Ausstiegszeit- punkte zu identifizieren. Vielmehr sollte Vorurteile an den Finanzmärkten daher dem Markettiming ein systematischer, Nicht wenige Investoren und Finanzberater regelbasierter Prozess unterlegt sein, sodass sind der Meinung: Markettiming funktio- der Anleger den seitens der Behavioral-Fi- 18 Smart Investor 1/2019
Bild: ©panthermedia.net/ PixMarket nance-Forschung entlarvten Fallstricken des vor allem durch sogenannte Whipsaws eigenen Bauchgefühls vorzubeugen vermag. (kurzfristige Schwankungen in einem Auf welcher Basis lassen sich nun Entschei- engen Bereich) weitgehend zu vermeiden. dungen eines Markettimings treffen, also So werden Envelopes im Rahmen des Ein- und Ausstiegszeitpunkte beispielswei- langfristigen Trendhandels in einem bei- se an Aktienmärkten ausfindig machen? derseitigen Abstand (z.B. jeweils 3%) Zur Illustration einer Vielzahl grundle- oberhalb bzw. unterhalb um den gleiten- gender Aussagen zu einfachen regelbasier- den Durchschnitt gelegt. Werden diese ten Timingverfahren sollen im Folgenden Envelopes von der aktuellen Kursbewe- exemplarisch vier Strategien kurz darge- gung über- (Kauf ) oder unterschritten stellt werden – die weithin bekannte (Verkauf ), so definiert dies letztendlich 200-Tage-Linie, eine Kombination aus den Investmentein- oder -ausstieg. Der 130- und 200-Tage-Linie, eine komple- Zwischenbereich steht für kleine, volati- xere Börsenampel mit mehreren Indika- le Marktschwankungen – hier wird des- toren und schließlich ein Ansatz auf Basis halb schlicht das letztgültige Signal bei- makroökonomischer (Inter-)Marktdaten. behalten. Der prominenteste Investor auf diesem Gebiet, der gezeigt hat, dass dies Strategie 200-Tage-Linie mittel- bis langfristig sehr gut funktio- Die einfachste und gleichzeitig eine der niert, ist Mebane T. Faber. Über diese ältesten Timingstrategien basiert auf der Methodik wird übrigens bereits seit Jahr- 200-Tage-Linie. Ein einfacher gleitender zehnten hin und wieder in Finanzzeit- Durchschnitt etwa der DAX-Indexwerte schriften geschrieben – Anwendung fin- der letzten 200 Handelstage entscheidet det sie allerdings selten. für oder gegen ein Engagement in deutsche Aktien. Zur Umsetzung kann hier „natür- Das Ergebnis kann sich langfristig sehen licherweise“ ein einfacher DAX-Index-ETF lassen: So ist die Rendite mit 7,16% seit ausgewählt werden – so passen Timingent- 2000 doppelt so hoch wie im DAX mit scheidungstool und Investment nahtlos 3,29% – trotz eines wesentlich geringeren zusammen. Verlustrisikos. Der größte Einbruch führ- te im DAX zu einem Wertverlust (Draw- Erfolgreiche Strategien werden mit soge- down) von rund -73%, während die nannten Filtern ausgestattet. Diese redu- 200-Tage-Linie-Strategie auf einen maxi- zieren die Signaldichte, beruhigen das malen Drawdown von lediglich rund -24% gesamte System und helfen, Fehlsignale kommt (siehe Tab. 1). u Grafik 1: 200-Tage-Linie auf DAX Die Grafik zeigt die Anlagesignale (Flächen), wie sie sich aus der 200-Tage-Linie mit einer Envelope von ±3% ergeben, ferner den resultierenden Performanceverlauf bei Umsetzung mit einem DAX-ETF und den Vergleich zum DAX. Der positive Effekt des Markettimings ist in den großen Crashphasen 2000 bis 2003 und 2007 bis 2009 gut erkennbar.
Hintergrund Tab. 1: Kennzahlen für die verschiedenen Timingstrategien tet und als diversifi- z i e r t e St r a t e g i e (Fonds iQ Global) bzw. als Overlay- Absicherungsstrate- gie (Fonds Systema- tic Dt. Aktien) umgesetzt. Eine komplexe Börsenampel- Strategie Die bisher vorge- stellten Strategien arbeiten ausschließ- Zusätzliche Trendlinien und Hebel ... ximal 100% Aktienquote und kein Hebel lich auf Trendfolgebasis. Wie sieht es mit Wie sieht das Ganze aus, wenn eine zwei- im Spätsommer. Was sich zunächst kom- komplexeren Strategien aus, die zusätzliche te Tagelinie hinzukommt, etwa über 130 pliziert liest, ergibt in seiner Kombination unabhängige Indikatoren verwenden, wie Tage, und dazu ein ergänzender Timingin- ein System, das aus elementaren regelba- etwa das Marktsentiment? dikator, der ein Hebelinvestment steuert, sierten Bausteinen zusammengesetzt und also ein Investment mit einer zweifachen gesteuert wird. Bei rund 5.180 Tagen Als Beispiel dient eine Börsenampel für den Aktiensensitivität (umsetzbar mit gehe- ergeben sich aus den Signalen etwa 2.000 deutschen Aktienmarkt, die bereits seit Ap- belten Aktienindex-ETFs)? Eine höhere Hebeltage, wovon aufgrund der saisonalen ril 2013 monatlich im Smart Investor pub- Sensitivität des Investments auf Marktbe- Restriktionen tatsächlich 1.040 verbleiben liziert wird. In der folgenden Analyse werden wegungen bedeutet auch automatisch mehr (siehe Grafik 2). Auch in diesem Ansatz die Signale der Börsenampel entweder nur Risiko – deshalb könnte hier der Begriff konnten die großen Crashphasen 2000 mit einem DAX-ETF umgesetzt (siehe Spal- „Timing“ weiter gefasst werden, nämlich bis 2003 und 2007 bis 2009 weitgehend te „BöA, DAX“) oder zum Vergleich mit um eine risikoreduzierende saisonale Kom- vermieden werden. einem gleich gewichteten Investment in drei ponente: Durch feste Vorgaben wird die Indizes: DAX, MDAX und TecDAX („BöA, Anlagequote für bestimmte Zeitperioden Die vorgestellte Strategie wird von uns für 3 Indizes“). Die Börsenampel verwendet limitiert – im Sommerhalbjahr nur ma- einzelne Märkte und Regionen ausgewer- mehrere Indikatorengruppen (Trend, Tech- nik und Sentiment), die regelbasiert aggregiert werden. Als Ergebnis erhält man ein Ja oder Nein zu ei- Grafik 2: iQ-Signallogik nem Aktieninvestment; je nach „Übersetzung“ des Signals in An- lagequoten lassen sich offensive oder defensive Risiko-Ertrags-Profile umsetzen. In der Praxis wird diese Strategie seit Dezember 2014 mit der Mo- mentumstrategie www.wikifolio. com/de/de/w/DE000LS9L1S1 auf deutsche Aktien (HDAX + SDAX) umgesetzt – dort wird also nicht nur das Aktienmarktenga- gement an sich gesteuert, sondern auch die gezielte Auswahl einzel- ner Aktien. Somit handelt es sich insgesamt um eine zweistufige Ein Hebelengagement kann auf lange Sicht einen Zusatzertrag generieren (dunkelblaue Linie). Fer- Timingstrategie. Zur Vergleich- ner limitiert die saisonal erlaubte Aktienquote (schwarze Linie als „saisonales Muster“) die zunächst barkeit mit den anderen Vorge- allokierte Aktienquote (grau) – derart reduzierte Quotenanteile sind in Rot dargestellt. So wird der hensweisen wurde hier auf den Hebel beispielsweise 2013 und 2017 in den Sommermonaten herausgenommen, die Allokation wird Vergleich mit der finalen Momen- auf maximal zulässige 100% zurückgeführt, in August und September sogar auf nur 50%. tumstrategie verzichtet. 20 Smart Investor 1/2020
Sie können auch lesen