EILDIENST 7- 8 /2019 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin Schwerpunkt: Migration und Eingliederung in den ...

 
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EILDIENST
                                                                      7-8  / 2019

Aus dem Inhalt:
●   NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin
●   Schwerpunkt: Migration und Eingliederung in den Arbeitsmarkt
●   Die Energiewende und der Ausstieg aus der Kohleverstromung
EILDIENST 7- 8 /2019 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin Schwerpunkt: Migration und Eingliederung in den ...
EILDIENST 7-8/2019                                                                                              Auf ein Wort

                                         Luftverkehrskonzept des Landes NRW –
                                         Chancengleichheit wahren
                                         Das Land Nordrhein-Westfalen wird von einer vielschichtigen Landschaft größerer
                                         und mittelgroßer Flughäfen geprägt. Flughäfen, insbesondere auch im kreisange-
                                         hörigen Raum, bilden wichtige Faktoren der Verkehrs- und Infrastrukturentwick-
                                         lung. In der Regel handelt es sich bei ihnen auch um bedeutende Standortfaktoren.
                                         Sie erfüllen wichtige Funktionen für die oft mittelständisch strukturierten Unter­
                                         nehmen und die Bevölkerung sowie den regionalen Arbeitsmarkt.
                                        Deshalb ist aus Sicht der Kreise grundsätzlich zu begrüßen, dass sich das Verkehrs-
                                        ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Aufstellung eines Luftver-
                                        kehrskonzeptes beschäftigt. Auch wenn ein solches Luftverkehrskonzept keine
                                        unmittelbare rechtliche Wirkung hat, so können damit doch wichtige politische
                                        Weichenstellungen verbunden sein. Deshalb ist es auch wichtig, dass im Rahmen
                                        eines künftigen Luftverkehrskonzeptes eine prinzipielle Chancengleichheit zwischen
                                        den Verkehrsflughäfen in NRW gewahrt wird. Nordrhein-Westfalen besteht nicht
                                        nur aus den Großstädten an der Rheinschiene oder im Ruhrgebiet, sondern aus
vielen, oftmals prosperierenden weiteren Landesteilen. Zwei von drei Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe in NRW
befinden sich mittlerweile im kreisangehörigen Raum. Der kreisangehörige Raum ist der wichtigste Standort im Bereich
produzierendes Gewerbe und Industrie in NRW. Im Durchschnitt liegt der Exportanteil der industriellen Betriebe im kreis­
angehörigen Raum in NRW bei rund 42 %. Dabei handelt es sich vielfach um Unternehmen mit einer drei- oder gar vier-
stelligen Beschäftigtenzahl. Genau deshalb ist es auch ein wichtiger Standortfaktor, dass Geschäftsreisende zeitsparend
und effizient an ihre Ziele kommen.
Selbstverständlich dürfen in diesem Kontext auch die Umweltpolitik und die Fragen des Klimaschutzes nicht zu kurz kom-
men. Doch auch hier bietet ein Konzept mit regionalen Reisemöglichkeiten, zumindest auf den wichtigsten Verbindungen
zu den großen Knotenpunkten und Drehkreuzen und den gängigsten Urlaubsdestinationen, Vorteile. An- und Abreise-
verkehre können durch eine sinnvolle, regionalisierte Verortung wichtiger Luftverkehrsverbindungen minimiert werden. Es
erscheint – gerade auch ökologisch – nicht sinnvoll, wenn Geschäftsreisende erst einmal aus Ostwestfalen 200 Kilometer
nach Düsseldorf fahren müssen, um von dort Ziele zu erreichen, die auch vom Flughafen Paderborn/Lippstadt oder dem
Flughafen Münster/Osnabrück erreichbar wären.
Natürlich gehört zum Faktor Umwelt- und Klimaschutz auch mehr. Viele Flüge ließen sich ohne jeden Zweifel durch effizi-
entere und schnellere Zugverbindungen innerhalb Deutschlands und in das benachbarte Ausland minimieren. Auch inländi-
sche Tourismusdestinationen müssen gestärkt werden. Es gibt aber auch zahlreiche Verkehre, die sich auch in Zukunft nicht
ändern lassen: Deutschland ist und bleibt ein Exportland, das auf den Verkehr von und für Geschäftsreisende angewiesen
ist. Zudem wird es auch in Zukunft Urlaubsflüge gerade in weiter entfernte Regionen oder zu ansonsten mit anderweitigen
Verkehrsträgern nicht angebundenen Orten geben, um die jeweiligen Ziele in vertretbarer Zeit zu erreichen. So ist Schiffs-
verkehr zu bestimmten Inselgruppen oder entlegenen Küstenabschnitten viel zu langsam, um hier akzeptable Erreichbar­
keiten zu gewährleisten.
Darüber hinaus darf nicht unbeleuchtet bleiben, dass sich Luftverkehrsverbindungen bei der zunehmenden Internationa-
lisierung des Lebensumfeldes vieler Menschen einschließlich Familien- und Freundeskreisen oftmals auch zukünftig nicht
ersetzen lassen dürften: Deshalb wird es auch und mit besonderem Akzent darum gehen müssen, die Umwelt- und Klima­
bilanz des Fliegens deutlich zu verbessern. Dies erfordert effizientere Antriebstechniken genauso wie die mögliche Ver-
wendung nachhaltig gewonnener Kraftstoffe (synthetische Kraftstoffe, Kerosin aus Power-to-fuel etc). Insofern bestehen
gute Aussichten dafür, dass Nordrhein-Westfalen mit seiner äußerst vielgestaltigen Struktur von Hochschuleinrichtungen,
mittelständischen Unternehmen und Firmen der chemischen Industrie hier ein Vorreiter für Forschungs- und Entwicklungs-
standorte werden könnte. Gerade vor diesem Hintergrund dürften insbesondere die kleineren und mittleren regionalen
Flughäfen hier ihrerseits einen eigenen spezifischen Standortvorteil mit sich bringen. Es erscheint in jedem Fall wertvoll und
nützlich, auch Überlegungen und Modelle zur Entwicklung des ökologisch-nachhaltigen Fliegens an den Regionalflughäfen
in Gang zu setzen.

                                                                              Dr. Martin Klein
                                                                              Hauptgeschäftsführer
                                                                              des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

                                                                                                                          393
EILDIENST 7- 8 /2019 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin Schwerpunkt: Migration und Eingliederung in den ...
Inhalt                                                                                                        EILDIENST 7-8/2019

  Kavalleriestraße 8
                                                    AUF EIN WORT                                                          393
  40213 Düsseldorf
                                                    ______________________________________________________________
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                                                    AUS DEM LANDKREISTAG
  IMPRESSUM                                         NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin                    397
                                                      • Dr. Günter Krings: „Integration muss auf dem
  EILDIENST – Monatszeitschrift
  des Landkreistages                                     Arbeitsmarkt stattfinden“
  Nordrhein-Westfalen                                 • Dr. Rolf Bösinger: „Sorge um EU-Sanktionen bei
                                                         Umsatzsteuerpflicht für kommunale Aufgaben“
  Herausgeber:
  Hauptgeschäftsführer                                • Ralph Brinkhaus: „Altschuldenproblematik ist nicht
  Dr. Martin Klein                                       Aufgabe des Bundes, sondern der Länder“
                                                      • Bernhard Daldrup: „Bund muss Kommunen beim
  Redaktion:
  Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn                    Abbau von Altschulden entgegenkommen“
  Beigeordneter Martin Schenkelberg
  Referentin Christine Cebin
                                                    ______________________________________________________________
  Hauptreferent Dr. Markus Faber
  Referentin Dorothée Heimann                       NRW-Landräte debattieren mit NRW-Minister
  Referent Thomas Krämer
  Pressereferentin Rosa Moya
                                                    Dr. Joachim Stamp über Bleiberecht                                    404
  Referent Dr. André Weßling                        ______________________________________________________________
  Hauptreferent Dr. Kai Zentara

  Quelle Titelbild:
  Bundesregierung/Eckel
                                                    THEMA AKTUELL
  Redaktionsassistenz:
  Gaby Drommershausen
  Astrid Hälker
                                                    Die Energiewende und der Ausstieg aus der Kohleverstromung            405
  Heike Schützmann                                  ______________________________________________________________
  Herstellung:
  ALBERSDRUCK GMBH & CO KG
  Leichlinger Straße 11
  40591 Düsseldorf
  www.albersdruck.de                                SCHWERPUNKT:
                                                    Migration und Eingliederung in den Arbeitsmarkt
  ISSN 1860-3319
                                                    Die Teilhabe am Arbeitsmarkt ist ein zentraler Schlüssel
                                                    zur Integration                                                       411
                                                    ______________________________________________________________

                                                    Integration in der Praxis:
                                                    Lernprozesse, Hürden und Erfolge im Kreis Kleve                       413
                                                    ______________________________________________________________

                                                    Erfolgreiche Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt –
                                                    im Kreis Düren eine Gemeinschaftsaufgabe                              415
                    Kreise in Nordrhein-Westfalen
                                                    ______________________________________________________________

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EILDIENST 7-8/2019                                                   Inhalt

Das Projekt „Ankommen im Kreis Viersen –
Wege in Arbeit und Ausbildung“                               418
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Geflüchtete Schritt für Schritt in Beschäftigung bringen     419
______________________________________________________________

Integration von Menschen mit Fluchthintergrund in
den Arbeitsmarkt – Es lohnt sich zu investieren              421
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Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen
und Migranten                                                422
______________________________________________________________

Neuzuwanderer mit Betrieben aktiv zusammenbringen            426
______________________________________________________________

„Gemeinsam klappt`s“ in der StädteRegion Aachen              428
______________________________________________________________

Fachtag „Kompetenz Integration“ –
Ehrenamtliche und Geflüchtete erarbeiten Schritte
in die Beschäftigung                                         430
______________________________________________________________

THEMEN

Der Kreis Steinfurt als Modellregion für Wasserstoffmobilität –
ist das die Zukunft?                                           432
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Frauen in Kommunalverwaltungen in Führung bringen        435
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DAS PORTRÄT

Birgitta Radermacher, Regierungspräsidentin des
Regierungsbezirks Düsseldorf: „Höhere Beteiligung
des Bundes an Soziallasten dringend geboten“                 436
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                                                                       395
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Inhalt                                                     EILDIENST 7-8/2019

          IM FOKUS

          Kommunale Verfolgungsbehörden wollen bei Bekämpfung
          der Schwarzarbeit schlechtem Image entgegenwirken            439
          ______________________________________________________________

          MEDIENSPEKTRUM                                               440
          ______________________________________________________________

          KURZNACHRICHTEN                                              443
          ______________________________________________________________

          HINWEISE AUF VERÖFFENTLICHUNGEN                              450
          ______________________________________________________________

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NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin

   Die Landräte aus Nordrhein-Westfalen haben im Rahmen ihrer jährlichen Konferenz in Berlin kommunale Themen und
   Problemlagen mit hochrangigen Bundespolitikern erörtert. Höhepunkt der zweitägigen Konferenz am 6. und 7. Juni in
   der Bundeshauptstadt war das Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

NRW-Landrätekonferenz am 6./7. Juni 2019 in Berlin.                                                                 Quelle: LKT NRW

D    ie Zukunftsthemen Digitalisierung,
     Mobilität und Energiewende sowie
die Arbeit der Kommission „Gleichwertige
                                            die dringende Frage nach der Grundsteuer­
                                            reform und der Stand der Planung für den
                                            Breitband- und Mobilfunkausbau erörtert.
                                                                                         gen Raum sowie die Gestaltung der Ener-
                                                                                         giewende, insbesondere des Ausstiegs aus
                                                                                         der Kohleverstromung. Weitere Themen
Lebensverhältnisse“ standen im Mittel-      Zudem machten die Landräte auf das auf-      waren u.a. Digitalisierung, kommunale
punkt der Gespräche mit Vertretern der      kommende Problem der Umsatzsteuer-           Altschulden und die Fortführung der Bun-
Bundespolitik. So tauschten sich die NRW-   pflichtigkeit von kommunalen Aufgaben        desbeteiligung an flüchtlings- und integra-
Landräte mit dem Vorsitzenden der CDU/      aufmerksam und warnten vor den enor-         tionsbedingten Kosten.
CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brink-        men negativen Auswirkungen der Neure-
haus, über die Arbeit der Kommission aus    gelung des Umsatzsteuergesetzes auf die
und debattierten intensiv über die kom-     interkommunale Zusammenarbeit.               Integration muss auf dem
munale Altschuldenproblematik, die aus                                                   Arbeitsmarkt stattfinden
NRW-Sicht von zentraler Bedeutung ist.      Auch die Flüchtlingsfinanzierung stand auf
Andrea Nahles (SPD) hatte das geplante      der Agenda: Dabei kritisierten die Landrä-   Seit 2002 ist der innenpolitische Experte
Gespräch mit den Landräten kurzfristig      te die geplanten Kürzungen von Bundes-       der CDU, Prof. Dr. Günter Krings, Mitglied
abgesagt, nachdem sie nach dem EU-          finanzminister Olaf Scholz und forderten     des Deutschen Bundestages. Auf Landes-
Wahldebakel kurzfristig von ihren Ämtern    den Bund erneut auf, die Kommunen bei        ebene ist Krings in seiner Heimat Mön-
als SPD-Parteivorsitzende und -Fraktions-   den Flüchtlings- und Integrationskosten      chengladbach aktiv und seit 2014 Vorsit-
vorsitzende im Bundestag zurückgetreten     über 2019 hinaus wie bisher zu unterstüt-    zender der CDU Niederrhein. Seit 2013
war. Stattdessen konnte der LKT NRW den     zen. Flüchtlings- und Integrationsfragen     ist er Parlamentarischer Staatssekretär
kommunalpolitischen Sprecher der SPD-       standen auch im Mittelpunkt des Austau-      beim Bundesinnenminister. 2017 wurde
Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup,       sches mit dem Parlamentarischen Staatsse-    er zudem zum Vorsitzenden der NRW-
als Gesprächspartner gewinnen. Daldrup      kretär beim Bundesminister des Innern, für   Landesgruppe der CDU/CSU-Bundestags-
diskutierte mit den Konferenzteilnehmern    Bau und Heimat, Prof. Dr. Günter Krings.     fraktion gewählt. Beim Treffen mit den
ebenfalls über kommunale Altschulden,       Dabei sprachen sich die Landräte für eine    NRW-Landräten standen Fragestellungen
aber auch über soziale Daseinsvorsorge      Steigerung der Effektivität von Rückfüh-     zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnis-
und die angespannte Wohnungsmarkt­          rungen sowie eine Förderung freiwilliger     se und zur Migration im Vordergrund.
situation in Deutschland und machte dabei   Ausreisen aus.
die inhaltlichen Unterschiede zum Koali­                                                 Zu Beginn betonte der Parlamentarische
tionspartner deutlich.                      Am zweiten Tag der Landrätekonferenz         Staatssekretär im Bundesministeriums des
                                            trafen die NRW-Landräte Bundeskanzle-        Innern, für Bau und Heimat, Prof. Dr. Gün-
Finanzthemen standen im Fokus des           rin Angela Merkel. Im Mittelpunkt des gut    ter Krings MdB, die Bedeutung der Kreise
Gesprächs mit dem Staatssekretär im Bun-    einstündigen Austausches standen Infra-      als Ebene zwischen Staat und Gemeinden.
desfinanzministerium, Dr. Rolf Bösinger.    strukturfragen zur Sicherung gleichwerti-    Gerade diese Doppelnatur der Kreisebene
Neben der Altschuldenproblematik wurde      ger Lebensverhältnisse im kreisangehöri-     böte aus seiner Sicht erhebliche Chancen

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Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Prof. Dr. Günter Krings MdB.        Quelle: LKT NRW

und Potentiale für die politische Tätigkeit     dere auch der Digitalisierung der öffent-     stets auch die Bezahlbarkeit der Stromprei-
auf Kreisebene.                                 lichen Verwaltung. Hier gebe es einen         se beachtet werden müsse.
                                                erheblichen Nachholbedarf. Mittlerweile
In einem kurzen Überblick ging Prof. Dr.        sei auf Bundesebene das Online-Zugangs-       Aus dem Kreis der Landräte wurde auch
Krings auf die Kommission zur Gleichwer-        gesetz verabschiedet worden. Nun bestehe      die Bedeutung dezentraler Siedlungs-
tigkeit der Lebensverhältnisse, den Aus-        aber die Herausforderung darin, rund 600      strukturen für den kreisangehörigen Raum
bau des Mobilfunkstandards „5G“ sowie           Leistungen der öffentlichen Verwaltung zu     thematisiert. Als Beispiel wurden sog.
das Online-Zugangsgesetz ein. Alle diese        digitalisieren.                               Schwarmstädte in der ostwestfälischen
Themenkomplexe seien aus seiner Sicht                                                         Achse genannt. Solche Strukturen sollten
wichtig, um Deutschland zukunftsfähig           Auch die Fachkräftegewinnung, insb. im        gestärkt werden.
zu machen. Zudem betonte der Parla-             Zusammenhang mit der Digitalisierung
mentarische Staatssekretär die Notwen-          im Bereich der öffentlichen Verwaltung,       Abschließend machten die Landräte auf
digkeit eines europäischen Denkens zur          sei eine erhebliche Herausforderung. Dies     die drängende Problematik des zukünf-
Lösung bestehender Probleme. Wichtige           beziehe sich u.a. auch auf die Gehalts- und   tigen Umgangs mit § 2b Umsatzsteuer-
Herausforderungen könnten nur im euro-          Entgeltstrukturen für IT-Fachkräften in der   gesetz aufmerksam. Dies würde aus ihrer
päischen Kontext gelöst werden. Ein             öffentlichen Verwaltung. Im Bereich des       Sicht interkommunale Kooperationen, aber
weiteres Problem sah er in der zuneh-           Zuwanderungsrechts sah Krings den Kom-        auch sonstige sinnvolle Zusammenarbeits-
menden Zersplitterung der Parlamente,           promiss zwischen dem Fachkräftezuwan-         formen von Kommunen deutlich erschwe-
gleich auf welcher Ebene. Hier werde es         derungsgesetz einerseits und dem Geord-       ren. Hierauf antwortete der Parlamentari-
in Zukunft immer schwieriger, Mehrhei-          nete-Rückkehr-Gesetz andererseits positiv.    sche Staatssekretär, dass dieses Problem
ten zu finden. Da­rüber hinaus hätten die       Eine Zuwanderung solle in der Regel nur       auf allen Ebenen einschließlich des für
etablierten Parteien zunehmend Probleme,        in einen bestehenden Arbeitsplatz erfol-      kommunale Angelegenheiten zuständigen
auf Online-Diskussionen angemessen zu           gen. Integration müsse auf dem Arbeits-       Bundesministeriums des Innern, für Bau
reagieren.                                      markt stattfinden, nicht schon im Vorfeld.    und Heimat bekannt sei. Gegebenenfalls
                                                Zudem sei gewährleistet, dass ein sog.        müsse man hier darüber nachdenken,
Im Hinblick auf die Kommission „Gleich-         Spurwechsel grundsätzlich die Ausnahme        zukünftige Kooperationsformen eher in
wertige     Lebensverhältnisse“      erklärte   bleibe, aber unter klaren Voraussetzun-       öffentlich-rechtlichen Formen wahrzuneh-
Krings, dass diese eine der wichtigsten         gen möglich sei. Parallel dazu müsse aber     men, wenngleich dies auch nicht alle Pro-
Kommissionen auf Bundesebene in den             auch daran gearbeitet werden, die Zahl der    bleme lösen würde.
letzten Jahren sei. Es gehe hier darum, eine    Rückführungen weiter zu erhöhen.
angemessene Verteilung von Demografie
und Wirtschaftskraft zwischen Stadt und         In der nachfolgenden Diskussion wurde         Sorge um EU-Sanktionen
Land zu erreichen. Grundsätzlich hätte der      nochmals darauf hingewiesen, dass es im       bei Umsatzsteuerpflicht
kreisangehörige Raum eigentlich eine star-      Rahmen des Ausstiegs aus der Kohlever-        für kommunale Aufgaben
ke Geburtenrate, die Probleme seien aber        stromung nicht nur Regionen gebe, die
in der Abwanderung junger Menschen in           vom Ausstieg aus der Braunkohle betrof-       Nach dem letztjährigen Austausch mit
die großen Städte oder die Universitäts-        fen seien, sondern eben auch Standorte        Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)
städte zu sehen.                                der Steinkohleverstromung – wie etwa der      hatten die nordrhein-westfälischen Land-
                                                Kreis Unna. In dem Zusammenhang brach-        räte in diesem Jahr Gelegenheit, mit
Eine weitere Herausforderung ist aus Sicht      te der Parlamentarische Staatssekretär den    Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger aus dem
des Parlamentarischen Staatssekretärs der       weiteren Aspekt ein, dass bei allen Maß-      Bundesministerium der Finanzen zu spre-
Umgang mit der Digitalisierung, insbeson-       nahmen und zukünftigen Entwicklungen          chen. Von besonderem Interesse war es,

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Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Dr. Rolf Bösinger.                                                       Quelle: LKT NRW

Neuregelungen des Umsatzsteuergesetzes         dern konsentierte Ideen zusammentragen         ziten rechnen müssten. Außerdem werde
und dessen Auswirkungen auf die inter-         werde. Bösinger stellte jedoch in Aussicht,    derzeit intensiv über die von Bayern vor-
kommunale Zusammenarbeit zu erörtern.          dass zeitnah weitere Gespräche zwischen        geschlagene Öffnungsklausel diskutiert,
                                               dem Bundesministerium der Finanzen und         wonach die Länder selbst weitgehende
Staatssekretär Dr. Bösinger sprach ein-        den Ländern geführt würden, um das Alt-        Regelungen treffen dürfen. Er erwarte, dass
gangs von fünf Themen, die aus seiner          schuldenproblem konkret anzupacken.            die Verhandlungen im Juni abgeschlossen
Sicht derzeit eine herausragende Rolle für                                                    werden, und ihm sei sehr bewusst, dass
die kommunale Ebene spielten. Das erste        Weiter sprach Staatssekretär Dr. Bösinger      das Thema von großer Bedeutung für die
Thema war die Kommission „Gleichwer­           über den Breitbandausbau. Dazu sei ein         Planungssicherheit der Kommunen sei, da
tige Lebensverhältnisse“. Diese habe sechs     Sondervermögen eingerichtet worden, um         es schließlich um 14 Mrd. Euro gehe, die
Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit      eine Anschubfinanzierung sicherzustellen.      von einem Tag auf den anderen fehlen
folgenden Themen beschäftigten: Kom-           Aus der Versteigerung der 5G-Lizenzen          könnten.
munale Altschuldenproblematik, Gesamt-         habe der Bund bereits insgesamt sechs
deutsches Fördersystem, Raumordnung,           Mrd. Euro erlöst, von denen 4,2 Mrd. Euro      Zur Flüchtlingsfinanzierung machte der
Technische Infrastruktur, Soziale Daseins-     in den Haushalt 2018 zum Breitbandaus-         Staatssekretär deutlich, dass er nicht der
vorsorge und Arbeit sowie Teilhabe. Da der     bau gestellt wurden. Er sehe die Bundesre-     Auffassung sei, dass sich der Bund aus sei-
Vorsitz der Arbeitsgruppe „Kommunale           gierung insgesamt auf einem guten Weg,         ner Verantwortung herausgezogen habe.
Altschulden“ beim Bundesministerium der        vergegenwärtige man sich, dass das Ziel,       Zwischen 2015 bis 2018 seien insgesamt
Finanzen liegt, konzentrierte sich Bösin-      „weiße Flecken“ zu schließen, seit Novem-      25,4 Mrd. Euro an die Länder geflossen.
ger in seinen Ausführungen darauf. In der      ber 2018 besonders intensiv verfolgt           2019 seien es 6,2 Mrd. Euro. Dass die
Arbeitsgruppe sei festgestellt worden, dass    werde. Denn durch Umstellungen in den          Flüchtlingsfinanzierung insgesamt abge-
Hessen, das Saarland, Rheinland-Pfalz und      Förderrahmenbedingungen seien mittler-         senkt wurde, habe damit zu tun, dass die
Nordrhein-Westfalen besonders hohe Kas-        weile alle öffentlichen Einrichtungen för-     Anzahl der Flüchtlinge gesunken sei. Den-
senkredite auf kommunaler Ebene vorwie-        derfähig. Als nächstes Ziel nehme sich die     noch verschließe sich das Bundesministe-
sen. Es sei versucht worden, Gründe für die    Bundesregierung vor, sogenannte „graue         rium der Finanzen nicht gegenüber einer
Verschuldung sowie Lösungsvorschläge zu        Flecken“ zu schließen. Der Entwurf dazu        mehrjährigen Lösung mit den Ländern, um
ermitteln.                                     befinde sich noch in der Abstimmung.           nicht jedes Jahr erneut über den Betrag zu
                                                                                              verhandeln, den der Bund zur Finanzie-
Dabei sei jedoch deutlich geworden, dass       Hohen zeitlichen Druck verspüre die Poli-      rung von Flüchtlingskosten beisteuert. In
der Bund es für problematisch erachte,         tik beim Thema Grundsteuerreform. Ein          die Verhandlungen seien die Länder mit
sich selbst bei der Entlastung der Altschul-   Gesetz müsse bis Ende des Jahres durch         der Forderung gegangen, 4,2 Mrd. Euro zu
den zu engagieren. In erster Linie seien       Bundesrat und Bundestag gegangen sein,         erhalten, während das Bundesministerium
die Länder bei der Lösung dieses Problems      um die Reform noch innerhalb des Zeit-         der Finanzen 1,9 bis 2 Mrd. Euro jährlich
gefragt. In diesem Zusammenhang sehe er        fensters abzuschließen. Derzeit fänden         vorgeschlagen habe. Diese Frage werde
es auch kritisch, die Erstattung der Kosten    viele Sitzungen mit den Landesfinanzmi-        jedoch sehr zeitnah geklärt.
der Unterkunft durch den Bund auf 75 %         nistern statt. Bösinger stellte ausdrücklich
anzuheben, da dies eine Bundesauftrags-        klar, dass das Bundesfinanzministerium         Hinsichtlich des Themas der Umsatzsteuer­
verwaltung der Aufgabe auslösen würde.         einen Konsens mit allen Ländern erzielen       pflichtigkeit von Aufgaben, die eine juristi-
Letztlich habe sich die Arbeitsgruppe          möchte. Das wertabhängige Modell werde         sche Person für eine andere erledigt, wies
nicht auf einen Vorschlag einigen können,      zwar vom Bundesministerium der Finan-          Bösinger darauf hin, dass § 2 b Umsatz-
sodass die Kommission lediglich unver-         zen bevorzugt, finde aber keinen Konsens       steuergesetz (UStG) aufgrund der Mehr-
bindliche, nicht zwischen allen Mitglie-       unter allen Ländern, die teilweise mit Defi-   wertsteuerrichtlinie   der   Europäischen

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Union unvermeidbar gewesen sei. Die            räte außerdem, dass die föderalen Struktu-        neuen Schlüssels füt die Verteilung von
EU-Kommission habe gegenüber Bundes-           ren Deutschlands einen Sonderfall darstell-       Geldern werde aber bei den Ländern nur
finanzminister Scholz außerdem Zweifel an      ten und das Europarecht diesen nicht hin-         schwer durchzusetzen sein. Das Bundes-
der Vereinbarkeit von § 2 b mit dem EU-        reichend Rechnung trage. Daher schlugen           ministerium habe die Erfahrung gemacht,
Recht geäußert. Scholz habe daher der EU-      die Landräte dem Staatssekretär vor, eine         dass jedes Land nur den für sich positiven
Kommission mitteilen lassen, dass er die       Art Bereichsausnahme für interkommunale           Schlüssel akzeptiere. Gleichwohl werde
EU-Konformität durch restriktiven Verwal-      Zusammenarbeit zu schaffen. Vielleicht sei        dieses Thema aber weiterhin diskutiert.
tungsvollzug von § 2 b UStG sicherstellen      es dem Bundesfinanzministerium möglich,
würde. Bösinger ließ keinen Zweifel daran,     öffentliches Handeln in der Mehrwersteu-
dass die EU die Besteuerung der öffentli-      ersystem-Richtlinie zu privilegieren. Dies        Altschuldenproblematik
chen Hand genau beobachte.                     sei bei Rettungsdiensten im Vergaberecht          ist nicht Aufgabe des Bundes,
                                               auch möglich gewesen. Bösinger nahm               sondern der Länder
In der darauffolgenden Diskussion mit den      diesen Vorschlag zur Kenntnis, wies aller-
Landräten unterstrichen diese die Proble-      dings darauf hin, dass die EU-Kommission          Seit zehn Jahren ist der nordrhein-west-
matik aus § 2 b UStG. Diese Vorschrift         von Vertretern der Privatwirtschaft stark         fälische CDU-Politiker Ralph Brinkhaus
schaffe eine äußerst unbefriedigende           bedrängt werde. Daher fürchte der Bund            Mitglied des Deutschen Bundestages.
Situation, da unklar sei, welche Sachver-      ein Vertragsverletzungsverfahren, wenn er         Auf Landesebene ist Brinkhaus seit 2016
halte genau von der Norm erfasst seien         die strengen Vorgaben aus Brüssel nicht           stellvertretender Landesvorsitzender der
und die Finanzämter keinerlei Auskünfte        umsetze. Die Idee einer Bereichsausnahme          NRW-CDU und Vorsitzender des CDU-
dazu gäben. Insgesamt sei festzustellen,       oder Privilegierung interkommunalen Han-          Bezirksverbandes       Ostwestfalen-Lippe.
dass es bisher niemandem, der sich mit         delns in der Richtlinie werde er allerdings       Zudem war der gebürtige Wiedenbrücker
dem Steuerrecht beschäftige, gelungen          mit seinen Mitarbeitern diskutieren.              von 2009 bis 2019 Vorsitzender des CDU-
sei, in dieser Frage Klarheit zu entwickeln.                                                     Kreisverbandes Gütersloh. Im September
Nach der derzeitigen Fassung des § 2 b         In der Frage der Flüchtlingsfinanzierung          2018 setzte er sich als Vorsitzender der
UStG sei es nicht ausgeschlossen, dass bei-    wiesen die Landräte außerdem darauf               CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen Vol-
spielsweise der kommunale Winterdienst         hin, dass flüchtlingsbedingte Mehrkosten          ker Kauder durch, der bis dahin 13 Jahre
der Umsatzsteuerpflichtigkeit unterfalle,      nicht bereits dann entfielen, wenn weni-          lang an der Spitze der Bundestagsfraktion
wenn eine kreisangehörige Gemeinde eine        ger Flüchtlinge nach Deutschland kämen.           gestanden hatte. Bei der Landrätekonfe-
Kreisstraße streue, die auf dem Weg des        Denn die Kosten entstünden solange, wie           renz in Berlin tauschte sich der neue Frak-
Streufahrzeugs liege, und im Gegenzug          der Prozess der Integration noch nicht            tionsvorsitzende der CDU/CSU im Bun-
der Kreis eine Straße der Gemeinde streue,     abgeschlossen sei. Nicht selten dauere es         destag mit den NRW-Landräten vor allem
obwohl auch dies leichter sei, als wenn das    sieben Jahre bis ein Flüchtling integriert sei.   über Infrastrukturfragen zur Sicherung
Streufahrzeug der Gemeinde einen Zusatz-       Das sei vermutlich deutlich länger als der        gleichwertiger Lebensverhältnisse aus.
weg fahren müsse. Solches Vorgehen von         Bundesebene bewusst sei. Daher plädier-
der Umsatzsteuerpflichtigkeit zu umfassen,     ten die NRW-Landräte für eine auskömm-            Zu Beginn des Gesprächs ging Brinkhaus
widerspreche der Leitidee der interkommu-      liche Weiterführung der Flüchtlingskosten-        auf die allgemeine politische Lage in Euro-
nalen Zusammenarbeit, die von der Politik      finanzierung. Bösinger betonte, dass es           pa ein. Zehn Tage vor dem Treffen mit den
ansonsten stets gefordert würde. Auch die      dem Bundesfinanzministerium sehr wichtig          NRW-Landräten in Berlin hatte die Euro-
Leistungen von IT-Zweckverbänden seien         sei, keine jährlichen Lösungen zu verabre-        pawahl stattgefunden mit ernüchternden
beispielsweise davon betroffen. Damit          den, sondern dauerhafte. Problematisch            Ergebnissen für die Koalitionspartner auf
könne es sinnlos werden, wenn sich meh-        sei aber die Höhe der Summe. Natürlich            Bundesebene. Nach seiner Einschätzung
rere Kommunen zu einem IT-Zweckver-            nehme er zur Kenntnis und akzeptiere,             sei das traditionelle System der politischen
band zusammenschließen, da die Leistun-        dass die Integrationsdauer sehr unter-            Parteien europaweit gefährdet. Beispiel-
gen sich dann ggf. um 19 % verteuerten.        schiedlich sei und Kosten daher nicht von         haft nannte er die Entwicklungen in Frank-
                                               dem einen auf das andere Jahr völlig ent-         reich und Italien, aber auch das Geschehen
Das Bundesministerium der Finanzen solle       fielen. Deshalb sagte Bösinger zu, dass sich      rund um den Brexit in Großbritannien.
sich bewusst machen, dass Leistungen, die      der Bund der Finanzierung von Flüchtlings-
19 % teurer würden, mittelbar auch den         kosten nicht entziehen werde. Allerdings          Es zeichne sich nun auch auf nationaler
Bürger träfen. Daher sei angesichts der        sei der Bund nicht bereit, die Summe zu           Ebene eine Entwicklung ab, die den Land-
2021 endenden Übergangsfrist eine Ver-         zahlen, die Länder und Kommunen derzeit           räten auf Ebene der Kreise schon lange
längerung angezeigt, damit das Bundesfi-       einforderten. Die NRW-Landräte machten            bekannt sei. Das System der politischen
nanzministerium genügend Zeit habe, um         in dem Zusammenhang darauf aufmerk-               Parteien graduiere zunehmend und die
noch offene Rechtsfragen zu klären. Bösin-     sam, dass es bei der finanziellen Zuweisung       Wählerschwankungen seien enorm her-
ger zeigte sich gegenüber einer Übergangs-     von Mitteln nach Umsatzsteuerpunkten zu           ausfordernd. Die Gunst der Wähler müsse
frist aufgeschlossen. Es sei denkbar, eine     Schieflagen innerhalb des Bundesgebietes          immer wieder neu „erkauft“ werden. Dies
solche einzuräumen. Allerdings betonte er      komme, da diese wirtschaftskraftbezogen           sei auch gerade bei der Europawahl sehr
erneut, dass das Bundesfinanzministerium       sei. Diese Verwerfungen könnten aber              deutlich geworden. Die Wähler reagier-
in dieser Frage unter verstärkter Beob-        durch einen anderen Schlüssel oder durch          ten höchst unterschiedlich auf die Arbeit
achtung durch die EU-Kommission stehe.         eine Mischung verschiedener Schlüssel             der Koalition: Unterschiede im Wahlver-
Er werde sich allerdings mit der Thematik      beseitigt werden. Bösinger teilte mit, dass       halten bestünden im Vergleich von Ost
beschäftigen, um möglichst viele Einzelfra-    alternative Schlüssel, auch ein solcher, in       und West, Jung und Alt sowie Stadt und
gen sobald wie möglich abzuarbeiten und        dem Soziallasten verstärkt berücksichtigt         Land. Die Sicherstellung des nationalen
diese mit den Länderfinanzministern zu         würden, in der Kommission „Gleichwerti-           Zusammenhaltes sei eine zunehmend her-
besprechen. Im Rahmen der weiteren Dis-        ge Lebensverhältnisse“ vorgeschlagen und          ausfordernde Aufgabe. Zumal die Bereit-
kussion zu § 2 b UStG betonten die Land-       diskutiert wurden. Die Umsetzung eines            schaft, Kompromisse einzugehen, immer

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Vorsitzender der CDU-/CSU-Fraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus MdB.                                                   Quelle: LKT NRW

mehr abnehme. Individualisierung führe       ländlichen Raums verstärkt auf der Agenda      insbesondere negative Auswirkungen auf
aber letztendlich nicht dazu, dass man im    stehe. Beispielsweise sei es Bayern gelun-     die interkommunale Zusammenarbeit.
Land vorankomme. Dies müsse man nun          gen, in der Grenzregion zu Tschechien die      Zudem seien zahlreiche verbleibende Ein-
den Wählern vermitteln. So sei es fatal,     Beliebtheit des ländlichen Raums durch         zelfragen bislang unbeantwortet. Dies
sich beispielsweise nur auf das Thema Kli-   eine intensive Hochschulpolitik zu steigern.   habe die kommunalen Spitzenverbände
maschutz zu konzentrieren. Dabei verliere                                                   auf Bundesebene veranlasst, eine zwei-
man viele andere Themen aus den Augen,       Zum Thema digitale Infrastruktur und           jährige Verlängerung der Übergangsfrist,
die nicht minder bedeutend seien.            Mobilität ging Brinkhaus vor allem auf den     zu der § 2b Umsatzsteuergesetz umfas-
                                             Mobilfunk und die gerade stattfindenden        send angewendet werden soll, zu fordern.
Zur Arbeit der Kommission „Gleichwer-        Auktionen der 5G-Frequenzen ein. In dem        Brinkhaus nahm die Sorgen der Teilnehmer
tige Lebensverhältnisse“ meldeten die        Zusammenhang würde er sich für den länd-       bestätigend zur Kenntnis und brachte zum
Konferenzteilnehmer vor allen Dingen         lichen Raum wünschen, wenn zunächst            Ausdruck, dass es nicht von Interesse sein
Gesprächsbedarf im Hinblick auf das          wenigstens das 4G-Netz flächendeckend          könne, wenn insbesondere gute Formen
Thema Altschulden und digitale Infrastruk-   ausgebaut wäre. Um mit dem 5G-Ausbau           der interkommunalen Zusammenarbeit
tur an. Präsident Thomas Hendele wies        gerade im ländlichen Raum weiterzukom-         gefährdet würden. Insoweit sagte er die
einleitend darauf hin, dass die Thematik     men, seien auf Bundesebene verschiedene        Unterstützung des Anliegens der kom-
der Tilgung der Altschulden und der Ver-     Modelle diskutiert worden: Zum einen die       munalen Spitzenverbände betreffend eine
meidung neuer kommunaler Verschul-           sogenannte negative Auktion, bei der die       Verlängerung der Umsetzungsfrist zu.
dung gerade aus NRW-Sicht von zentraler      Netzwerkbetreiber für besonders unwirt-
Bedeutung sei. Es müsse eine nachhaltige     schaftliche Gebiete negative Preise zahlen     Angesprochen auf die Folgen des Struk-
Lösung angestrebt werden. Der Fraktions-     müssen, der Aufbau einer bundeseigenen         turwandels insbesondere in NRW verwies
vorsitzende der CDU/CSU im Bundestag         Infrastrukturgesellschaft sowie der von        Brinkhaus auf das im Mai verabschiedete
fand hierzu klare Worte: Die Altschulden-    kommunalen Infrastrukturgesellschaften.        Eckpunktepapier der Bundesregierung zur
problematik sei nicht Aufgabe des Bundes,    Dabei warnte Brinkhaus vor einer kom-          Kommission „Wachstum, Strukturwandel
sondern der Länder. Es könne nicht sein,     munalen Lösung: Diese würde zu einer           und Beschäftigung“, das letztlich in das
dass auf Bundesebene eine Lösung für ein     zu großen Zersplitterung führen und sei        Strukturstärkungsgesetz      Kohleregionen
Problem gefunden werden müsse, das im        wirtschaftlich bedenklich. Abschließend        münden solle. Bereitgestellt würden 40
Wesentlichen drei Bundesländer betreffe.     betonte er, wie wichtig eine gute medizi-      Milliarden Euro. Das Land NRW habe in
Bezogen auf Nordrhein-Westfalen liege        nische Versorgung im ländlichen Raum sei.      diesem Zusammenhang gut verhandelt,
der Ball daher in Düsseldorf. Auf Bundes-    Die alternde Gesellschaft frage eine gute      denn allein 15 Milliarden Euro sollen nach
ebene werde sich da nichts mehr tun.         ärztliche Erstversorgung an, sodass man        NRW fließen. Die Landräte wiesen darauf
                                             sich mit diesem Thema dringend auseinan-       hin, dass in der Diskussion auf Bundesebe-
Brinkhaus gab sodann zu erkennen, dass in    dersetzen müsse. Die von NRW als erstes        ne die Entwicklung der Strompreise nach
der Vergangenheit die „Schwerpunktpoli-      Bundesland eingeführte Landarztquote sei       einem Kohleausstieg stärker berücksichtigt
tik“ für große Städte falsch gewesen sei.    sehr zu begrüßen und ein erster Schritt in     werden müsse. So könne der Ausstieg aus
Hier müsse sich dringend etwas ändern, um    die richtige Richtung.                         der Kohleverstromung den Verbraucher
eine weitere Abwanderung in die Städte                                                      teuer zu stehen kommen, aber auch Wirt-
zu verhindern. Zukünftig müsse es vor        In dem anschließenden Austausch wiesen         schaftsunternehmen seien hiervon stark
allem darum gehen, den ländlichen Raum       die NRW-Landräte zunächst auf die Neure-       betroffen. Brinkhaus erläuterte, dass dieses
attraktiver zu machen. Zudem sei es wich-    gelung der Umsatzbesteuerung der öffent-       Thema durchaus bei ihm und seiner Partei
tig, dass innerhalb der Bundesländer das     lichen Hand hin. Der neue § 2b Umsatz-         auf der Agenda stehe, aber im Wesent­
Thema der Attraktivitätssteigerung des       steuergesetz habe ab dem 01.01.2021            lichen erst in zweiter Linie eine Rolle

                                                                                                                                   401
Aus dem Landkreistag                                                                                                    EILDIENST 7-8/2019

spiele. Letztlich sei klar, dass die Ener-     zudem Landesgeschäftsführer der Sozial-          Zusammenhang betonte Daldrup, dass los-
giewende nicht nachteilsfrei sei. Sie werde    demokratischen Gemeinschaft für Kom-             gelöst von der Frage, auf welches Modell
eine Menge Geld kosten und Anstrengun-         munalpolitik NRW (SGK NRW).                      sich Bund und Länder verständigten, aus
gen auch vor Ort erforderlich machen.                                                           seiner Sicht von wesentlicher Bedeutung
Dies veranlasste die Teilnehmer der Land-      Daldrup betonte eingangs, die Große Koali-       sei, dass es am Ende ein flächendeckendes
rätekonferenz darauf hinzuweisen, dass         tion nehme, wie bereits in der vergangenen       und einheitliches Modell im Bundesgebiet
schon jetzt vor allem die Kreise eine erheb-   Legislaturperiode, die Belange der Kommu-        gebe. Es dürfe nicht die Gefahr bestehen,
liche Last der Energiewende tragen; da         nen sehr ernst. Sie habe wichtige Gesetze        dass die beabsichtigte Grundsteuerreform
dort beispielsweise Windkraftanlagen und       auf den Weg gebracht, um insgesamt die           am Ende trotz der intensiven Bemühungen
Biogasanlagen errichtet würden – und dies      Kommunen finanziell zu entlasten. Der            scheitere. Ihm sei bewusst, wie wichtig die
oftmals gegen den Protest der Bürger. Hier     Digitalpakt Schule, das Gute-Kita-Gesetz         Grundsteuer als Einnahmequelle für die
müsse mehr über Ausgleichsmaßnahmen            sowie die Förderung von Familien seien           Kommunen sei und dass in der Frage eine
nachgedacht werden. Gerade Ankündi-            hierbei vor allem zu nennen. Insgesamt           gewisse Planungssicherheit für die Kom-
gungen, die auf Bundesebene getätigt           äußerte Daldrup aber den Wunsch, künftig         munen notwendig sei.
würden, sorgten oftmals für Frust vor Ort,     verstärkt noch mehr Projekte auf den Weg
wenn diese nicht schnell genug umgesetzt       zu bringen, um die seit Jahren steigenden        Insgesamt betonte Daldrup, dass zwar der
werden könnten. Als Beispiele seien nur        Sozialkosten für die Kommunen besser in          Bund zahlreiche Projektmittel den Kom-
der 5G-Ausbau und der Glasfasernetzaus-        den Griff zu bekommen. Im Vordergrund            munen zur Verfügung stelle, aus seiner
bau erwähnt. Auf Bundesebene müsse dies        der beabsichtigten Programme solle wei-          Sicht fehle es aber immer noch an einer
stärker berücksichtigt werden. Der CDU/        testmöglich auf Langfristigkeit und Nach-        soliden Grundfinanzierung der Kommu-
CSU-Faktionsvorsitzende wehrte sich            haltigkeit gesetzt werden, denn kurzlebige       nen durch den Bund. In diesem Zusam-
gegen den Vorwurf: Schließlich solle man       Projekte seien häufig nur ein Tropfen auf        menhang erwähnte Daldrup die Errich-
den Fokus vor Ort nicht darauf richten,        den heißen Stein. Deshalb spreche er sich        tung der Kommission „Gleichwertige
was nicht laufe, sondern vielmehr auf die      auch dafür aus, das Kita-Gesetz auch über        Lebensverhältnisse“. Seiner Auffassung
Dinge, die im Land gut liefen.                 das Jahr 2021 hinaus zu verlängern.              nach könnten jedoch die noch ausste-
                                                                                                henden Ergebnisse der Kommission nur
                                               Auch die Grundsteuerreform werde wei-            beschränkt dazu beitragen, die teilweise
Bund muss Kommunen                             terhin stark im politischen Berlin diskutiert,   erheblichen finanziellen Nöte der Kom-
beim Abbau von Altschulden                     zumal zwischen Bund und Ländern bis              munen in den Griff zu bekommen. Seiner
entgegenkommen                                 jetzt noch keine Einigkeit bestehe, welches      Auffassung nach seien drei von der Kom-
                                               Modell ab dem Jahr 2025 zur Erhebung             mission zu bearbeitende Themenfelder
Der kommunalpolitische Sprecher der SPD        der Grundsteuer innerhalb der Kommu-             aus kommunaler Sicht von herausragen-
Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup,          nen gelten solle. Bis spätestens zum 31.         der Bedeutung: Kommunale Altschulden,
war infolge der kurzfristigen Absage von       Dezember 2019 habe das Bundesverfas-             Soziale Daseinsvorsorge und die Stärkung
Frau Andrea Nahles infolge ihres Rück-         sungsgericht dem Gesetzgeber aufgege-            der Kommunen. Bei der Problematik der
tritts als SPD-Parteivorsitzende und Frak-     ben, ein Reformgesetz für die nicht mehr         Altschulden gehe es insbesondere um die
tionsvorsitzende der SPD im Bundestag,         verfassungskonform ausgestaltete Grund-          Beseitigung des Zinsänderungsrisikos, um
eingesprungen. Der aus dem Kreis Waren-        steuer zu beschließen. Der Bund und eine         die Sicherung des Kreditmarktzugangs für
dorf stammende Bundestagsabgeordnete           Mehrheit der Länder sprächen sich für das        besonders schwache Kommunen und um
ist u.a. Mitglied im Finanzausschuss und       sog. wertabhängige Modell aus, wäh-              einen geregelten Abbau der Altschulden.
Obmann im Ausschuss für Bau, Wohnen,           rend es auch Stimmen einzelner Länder            Ziel sollte es sein, dass der Bund den hoch-
Stadtentwicklung und Kommunen des              gebe, die für das Flächenmodell oder für         verschuldeten Kommunen deutlich entge-
Deutschen Bundestages. Seit 2003 ist er        Öffnungsklauseln plädierten. In diesem           genkommt. Gleichzeitig sollten aber die

Kommunalpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup MdB.                                              Quelle: LKT NRW

402
EILDIENST 7-8/2019                                                                                            Aus dem Landkreistag

Kommunen eigene Finanzierungsmodelle           Höhe von 350 Millionen Euro aufkommen.         der Umsatzsteuerpflicht in Höhe von 19 %
entwickeln, um langfristig schuldenfrei zu     In dem Zusammenhang kritisierten die           unterliegen würden. Daldrup äußerte Ver-
bleiben. Daldrup äußerte seine Erwartung,      NRW-Landräte, dass eine Einigung für           ständnis für das Anliegen der Landräte und
dass sich der Bund teilweise an der Besei-     zwei Jahre im Zusammenhang mit der             sagte zu, dieses in die SPD-Bundestags-
tigung von Altschulden beteiligen werde.       Kostenfinanzierung durch den Bund nicht        fraktion mitzunehmen.
Im Zusammenhang mit den für Anfang Juli        ausreiche. Schließlich bedürfe es eines
2019 angekündigten Berichte der sechs          wesentlich längeren Zeitraums als vom
Arbeitsgruppen innerhalb der Kommission        Bund unterstellt, Flüchtlinge vor Ort zu       Treffen mit Bundeskanzlerin
äußerte Daldrup, damit keine allzu großen      integrieren. In dieser Frage dürfte der Bund   Angela Merkel im Kanzleramt
Erwartungen zu verbinden.                      die Kreise nicht im Stich lassen.
                                                                                              Zum Abschluss der Landrätekonferenz
Weiter thematisierte Daldrup die flücht-       Ein weiteres von Daldrup eingebrachtes         trafen sich die Landräte am 7. Juni 2019
lingsbedingten Mehrkosten für die Kom-         Thema war die angespannte Wohnungs-            mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im
munen seit dem Jahr 2015. Im Kontext der       marktsituation in Deutschland. Nach seiner     Kanzleramt, um über aktuelle kommunal-
Steigerung sozialer Ausgaben sei die von       Auffassung seien neben den bestehen-           relevante Themen zu sprechen.

NRW-Landräte im Bundeskanzleramt mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.                                        Quelle: Bundesregierung/Eckel

der Ministerpräsidentenkonferenz mit der       den Bundesförderprogrammen weitere             Der Präsident des LKT NRW, Landrat Tho-
Bundeskanzlerin praktisch zeitgleich am        langfristige Projekte notwendig, um den        mas Hendele, bedankte sich eingangs bei
Abend des ersten Tages der NRW-Land-           dringenden Bedarf nach Wohnraum flä-           der Kanzlerin für die Gelegenheit, kreis-
rätekonferenz beschlossenen Neuregelung        chendeckend zu befriedigen. In diesem          spezifische Themen mit ihr zu erörtern.
ab 2020 für die Flüchtlingsfinanzierung zu     Zusammenhang sprach Daldrup auch die           Im Mittelpunkt des Austausches zwischen
begrüßen. Die Leistungen des Bundes wür-       personellen Engpässe in den kommunalen         Bundeskanzlerin Angela Merkel und den
den im Jahr 2021 mit 3,35 Milliarden Euro      Verwaltungen an und betonte, wie wichtig       NRW-Landräten standen Infrastrukturfra-
und im Jahr 2020 mit 3,15 Milliarden Euro      auch dort die Fachkräftesicherung sei.         gen zur Sicherung gleichwertiger Lebens-
festgesetzt. Länder und Kommunen hätten                                                       verhältnisse im kreisangehörigen Raum.
nun Planungssicherheit. Daldrup bekräf-        In der darauffolgenden Diskussion mach-        Dabei ging es unter anderem um die
tigte, dass der Bund damit ein verlässlicher   ten die Landräte u.a. auf die Neuregelung      Altschuldenproblematik sowie die Ener-
Partner sei, zumal die Bundesmittel deutlich   des Umsatzsteuergesetzes und deren Aus-        giewende und die Frage nach dem Aus-
über den im Koalitionsvertrag festgelegten     wirkungen auf die Kommunen aufmerk-            bau erneuerbarer Energien, der auch den
Finanzrahmen hinausgingen. Nichtsdesto-        sam. Es bestehe große Unsicherheit, welche     kreisangehörigen Raum betrifft. Weitere
trotz erwarteten die Kommunen zu Recht,        Anwendungsfälle von § 2 b UStG umfasst         Themen waren die Fortführung der Bun-
dass die Länder die Integrationsmittel         werden; beispielsweise sei unklar, welche      desbeteiligung an den flüchtlings-, migra-
ungeschmälert an die Kommunen weiter-          negativen Effekte die Umsatzsteuerpflicht      tions- und integrationsbedingten Kosten
leiten. Vor allem werde der Bund künftig       für kommunale Aufgaben habe. Es sei mit        sowie die Abläufe insbesondere bei Rück-
weiterhin die Kosten für Unterkunft und        erheblichen Kosten für die Kommunen zu         führungen abgelehnter Asylbewerber.
Heizung vollständig erstatten. Auch werde      rechnen, soweit diese im Rahmen einer gut
der Bund im Jahr 2020 weiterhin für die        funktionieren interkommunalen Zusam-                    EILDIENST LKT NRW
Kosten für unbegleitete Minderjährige in       menarbeit Aufteilung von Aufgaben mit            Nr. 7-8/Juli-August 2019   10.31.02

                                                                                                                                       403
Aus dem Landkreistag                                                                                                  EILDIENST 7-8/2019

NRW-Landräte debattieren mit
NRW-Minister Dr. Joachim Stamp über Bleiberecht
    Die nordrhein-westfälischen Landräte haben im Rahmen der Vorstandssitzung des Landkreistags NRW (LKT NRW) am
    6. Juni 2019 in Berlin mit Dr. Joachim Stamp, NRW-Minister für Kinder, Familien, Flüchtlinge und Integration, über
    den Bleiberechtserlass der Landesregierung debattiert. Stamp traf die Landräte bei deren Landrätekonferenz in Berlin.
    Weitere Themen in der Vorstandssitzung waren die KiBiz-Reform, das Teilhabe- und Integrationsgesetz, die Umsetzung
    des Bundesteilhabegesetzes sowie die Gestaltung und die Auswirkungen der Energiewende und des Kohleausstiegs für
    den kreisangehörigen Raum.

                                                                                             Der Erlass solle dazu dienen, die bestehen-
                                                                                             den Regeln im Aufenthaltsgesetz flexibler
                                                                                             zu nutzen und Spielräume aufzuzeigen.

                                                                                             Aus den Reihen der NRW-Landräte wur-
                                                                                             den erneut Einwände geäußert. Dabei
                                                                                             kritisierten die Landräte nicht nur Teile
                                                                                             der Inhalte, sondern auch die Vorgehens-
                                                                                             weise des Ministeriums bei der Beteiligung
                                                                                             der Kommunen und der Ankündigung
                                                                                             des Erlasses. Inhaltlich greife der Erlass in
                                                                                             mancher Hinsicht zu weit in den vom Bun-
                                                                                             desrecht gesetzten Rahmen ein. Zudem
                                                                                             begründeten die Landräte, warum bislang
                                                                                             § 25b AufenthG nur in geringem Maß
                                                                                             angewendet werden konnte: Denn in rund
                                                                                             drei Viertel aller Fälle hätten bislang gedul-
                                                                                             dete Personen nicht bei der Identitätsklä-
                                                                                             rung mitgewirkt. Minister Stamp sicherte
Minister Dr. Joachim Stamp bei der Vorstandssitzung des LKT NRW in Berlin.                   zu, der Erlass solle in laufender Rückkopp-
                                                                    Quelle: LKT NRW         lung mit der kommunalen Praxis bis auf
                                                                                             weiteres alle sechs Monate im Hinblick auf

B   ereits unmittelbar nach der Veröffent­
    lichung hatte es Kritik an dem Erlass
der NRW-Landesregierung zur „Aufent-
                                               Erlass verwendeten offenen Rechtsbegriffe
                                               und intendierten Auslegungsspielräume zu
                                               einer uneinheitlichen Anwendungspraxis
                                                                                             seine praktische Vollzugstauglichkeit eva-
                                                                                             luiert werden. Dies begrüßten die Landräte
                                                                                             angesichts der aus ihrer Sicht vielen kriti-
haltsgewährung bei gut integrierten Aus-       führen und Missbrauch nicht ausgeschlos-      schen Punkte.
ländern“ gehagelt. Das Land NRW hatte          sen werden könne. Demgegenüber biete
im März 2019 einen Anwendungserlass zu         das Aufenthaltsgesetz bereits eine praxis­
§ 25b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) an          taugliche und anerkannte Regelung.            Konnexität, KiBiz und
alle Ausländerbehörden in NRW verschickt.                                                    Kohleausstieg
Damit wollte die Landesregierung nach          Im Gespräch mit den NRW-Landräten
eigenem Bekunden mehr Sicherheit für           betonte Stamp die Herausforderungen           Über das Ministergespräch hinaus standen
Ausländerbehörden bei der Anwendung            beim Umgang mit Flüchtlingen. Sein            noch weitere Themen auf der Agenda.
des § 25b AufenthG sowie bessere Chan-         Ziel sei weiterhin, einerseits Rückführun-    In Zusammenhang mit der Novellierung
cen für gut integrierte Geduldete schaf-       gen von abgelehnten Asylbewerbern zu          des Teilhabe- und Integrationsgesetzes
fen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu       beschleunigen, andererseits aber auch für     begrüßte der Vorstand des LKT NRW, dass
dürfen.                                        gut integrierte Geduldete bessere Perspek-    die Landesregierung die Integrationspau-
                                               tiven zu schaffen. Dabei betonte er, dass     schale des Bundes vollständig an die Kom-
Der Ausschuss für Verfassung, Verwal-          die Asylverfahren beschleunigt worden         munen weiterleite. Insbesondere zeigten
tung und Personal des LKT NRW hatte im         seien und NRW derzeit im Vergleich zu         sich die Landräte darüber erfreut, dass die
April 2019 den Erlass kategorisch abge-        anderen Bundesländern auch proportio-         Forderung des LKT NRW, die Kreise an der
lehnt. Dabei hatte der Ausschuss kritisiert,   nal am meisten abschiebe. Bei der Perso-      Integrationspauschale des Bundes ange-
der Erlass bewirke keine Rechtssicherheit,     nengruppe der sogenannten Geduldeten          messen zu beteiligen, umgesetzt wurde.
sondern bewirke genau das Gegenteil.           müsse man aber aus seiner Sicht zu einer      Somit erhalten die Kreise erstmals eigene
Die Kriterien zur Aufenthaltsgewährung         differenzierten Betrachtungsweise kom-        Zuweisungen in Höhe von 32,8 Millio-
müssten eindeutig definiert und für die        men. § 25 AufenthG ermögliche zwar            nen Euro (von insgesamt 432,8 Millionen
kommunale Praxis gut umsetzbar sein.           einen Aufenthaltstitel für Geduldete, diese   Euro). Aus Sicht der Kreise sei es ein wichti-
Der Erlass werde diesen Anforderungen          Norm fände aber bisher nur selten Anwen-      ges Signal, dass die Landesregierung damit
allerdings nicht gerecht. Vielmehr warnten     dung. Aus diesem Grund habe das Land          die besondere Koordinierungsfunktion der
die Ausschussmitglieder davor, dass die im     NRW den Bleiberechtserlass ausgearbeitet.     Kreise gegenüber den kreisangehörigen

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EILDIENST 7-8/2019                                                                         Aus dem Landkreistag • Thema aktuell

Gemeinden und kreiseigene Integrations-      und begrüßte grundsätzlich den Referen-         produzierenden Gewerbes angesiedelt sei.
maßnahmen anerkenne. Zudem erwarte           tenentwurf zum KiBiz. Daneben stellte der       Überdies seien in Folge der Energiewen-
der Vorstand, dass die Kreise auch künftig   Vorstand aber fest, dass der Gesetzent-         de neue Anlagen im Bereich erneuerbare
angemessen berücksichtigt werden.            wurf zusätzliche Finanzierungslasten für        Energien wie etwa Windräder sowie Über-
                                             die örtlichen Jugendhilfeträger enthalte,       tragungsnetze notwendig, die ebenfalls
Darüber hinaus informierte die Geschäfts-    die von der Einigung zwischen dem Mini-         überwiegend im kreisangehörigen Raum
stelle über den aktuellen Stand zum          sterium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und    verortet seien. Dass die Hauptlast der Ener-
Kinderbildungsgesetz      (KiBiz).    Eine   Integration und den kommunalen Spit-            giewende der kreisangehörige Raum trage,
Beschlussfassung durch den Landtag sei       zenverbänden nicht erfasst würden und           müsse daher anerkannt und berücksichtigt
noch vor der parlamentarischen Sommer-       daher abzulehnen seien. Diese kommuna-          werden. Insgesamt müsse eine verläss­
pause geplant gewesen. Nunmehr werde         len Mehraufwendungen müssten erstattet          liche und bezahlbare Energieversorgung
aber eher mit einer Beschlussfassung im      werden.                                         weiterhin gewährleistet sein. (vgl. hier-
Herbst 2019 gerechnet. Das Gesetz solle                                                      zu ausführlich EILDIENST LKT NRW Nr.
weiterhin zum 1. August 2020, also zu        Darüber hinaus tauschen sich die Land-          7-8/Juli-August 2019, S. 405 ff, in diesem
Beginn des Kindergartenjahres 2020/2021      räte über die Gestaltung und die Folgen         Heft).
in Kraft treten. Aus dem Vorstand wurden     der Energiewende und des Kohleausstiegs
Zweifel geäußert, dass der Gesetzentwurf     für NRW aus. Gerade der kreisangehörige         Weiterhin erörterten die Landräte die Kon-
zu einer auskömmlichen Finanzierung des      Raum sei in besonderem Maße betroffen.          nexitätsrelevanz des NRW-Ausführungs-
Systems der Kindertagesbetreuung führen      Der Kohleausstieg habe Auswirkungen             gesetzes zum Bundesteilhabegesetz sowie
werde. Zudem wurde darauf hingewie-          auf die unmittelbar betroffenen Kreise im       den Landesentwicklungsplan (LEP) NRW.
sen, dass das Gesetz für Kreise, die keine   Rheinischen Revier und Teilen des Ruhr-         Der Vorstand begrüßte den vom Landes-
oder wenige Kindertageseinrichtungen in      gebietes. Diese müssten bei der Vorberei-       kabinett beschlossenen LEP. Die Intention
eigener bzw. gemeindlicher Trägerschaft      tung und Umsetzung des Strukturwandels          der Landesregierung, die Entwicklungs-
hätten, zunächst Mehrkosten mit sich         unmittelbar eingebunden werden. Außer-          chancen im kreisangehörigen Raum zu
bringen werde. Trotz dieser Besorgnisse      dem habe der Kohleausstieg aufgrund             stärken, sei aus Sicht der Kreise grundsätz-
ging der Vorstand davon aus, dass die        einer möglichen Energieverteuerung auch         lich positiv zu beurteilen.
Nachhaltigkeit des Finanzierungssystems      Auswirkungen auf den gesamten kreisan-
der Kindertagesbetreuung auf der neuen       gehörigen Raum in NRW, in dem mitt-                       EILDIENST LKT NRW
Grundlage zukünftig sichergestellt werde,    lerweile ein Großteil des industriellen und        Nr. 7-8/Juli-August 2019   50.50.00

Energiewende und Ausstieg aus der Kohleverstromung:
Der kreisangehörige Raum als Träger und Hauptbetroffener
der Energiewende – in NRW und im gesamten übrigen
Bundesgebiet
   Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat Anfang 2019 ihren Abschlussbericht verabschie-
   det. Als Abschlussdatum für die Kohleverstromung empfiehlt die Kommission das Ende des Jahres 2038. Was in die-
   sem Zusammenhang aber oftmals übersehen wird: Die Hauptlast des Ausstiegs aus der Kohleverstromung und der
   Energiewende trägt der kreisangehörige Raum. Dies betrifft erstens die wirtschaftliche Entwicklung in den unmittelbar
   betroffenen Kreisen (im Rheinischen Revier und Teilen des Ruhrgebietes), dies betrifft zweitens den notwendigen
   Zubau der erneuerbaren Energien, der ganz überwiegend im kreisangehörigen Raum erfolgen wird, dies betrifft drittens
   den (umfassend erforderlichen) Ausbau der Übertragungsnetze Strom, der ganz wesentlich im kreisangehörigen Raum
   erfolgen muss, und dies betrifft viertens auch die Auswirkungen einer möglichen Energieverteuerung auf Gewerbe und
   produzierenden Sektor, die ihren Schwerpunkt – zumindest in NRW – mittlerweile im kreisangehörigen Raum haben.

D   ie Kommission „Wachstum, Struk-
    turwandel und Beschäftigung“ hat
Anfang 2019 ihren Abschlussbericht ver-
                                             sowie die beschäftigungspolitischen Vor-
                                             aussetzungen vorliegen, könne das Datum
                                             im Einvernehmen mit den Betreibern auch
                                                                                                                 DER AUTOR

abschiedet und der Bundesregierung           auf einen Termin frühestens im Jahre 2035
überreicht1. Als Abschlussdatum für die      vorgezogen werden. Als Kompensation                                 Hauptreferent
Kohleverstromung empfiehlt die Kom-          dazu sieht der Abschlussbericht eine Viel-                          Dr. Markus Faber,
mission das Ende des Jahres 2038. Sofern     zahl von Maßnahmen des Strukturwandels                              Landkreistag
die energie- und betriebswirtschaftlichen    für die vom Ausstieg aus der Kohleverstro-                          Nordrhein-Westfalen

                                                                                                                                    405
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