Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
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ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN Sommeor- Heft N 1 3/21 Im Brennpunkt Weichenstellungen P.b.b. – MZ 18Z041331 M in der Umwelt- und Klimapolitik European Green Deal und Grundwasserschutz | Chancen für Grünes Gas
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FORUM GAS WASSER WÄRME INHALT FORUM GAS WASSER WÄRME Heft 3/2021 18. Jahrgang | 101. Ausgabe | 5. Juli 2021 Die Zeitschrift der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach und des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen erscheint seit Grün- dung der ÖVGW im Jahr 1881. Seit 2004 trägt sie den Titel FORUM Gas Wasser Wärme. Cover: Sommerheft No. 1 ENERGIEFORUM 18 WASSERFORUM ÖVGW-Regelwerke für Gas- Druckregelanlagen in der Praxis 6 Situationsbericht aus Sicht 30 Gibt es genug Grünes Gas? eines unabhängigen Beraters Green Deal und Grundwasser- Einsatz im Raumwärme-Bereich schutz umstritten 20 Interview mit EurEau-Präsidentin Castell-Exner 34 Imageumfrage zu G rünem Gas 8 und F ernwärme 2021 Informationspapier der ÖVGW 36 Mit Gasinfrastruktur und 22 Grundwasser – guter Zustand Grünem Gas zur Energie bis 2027? Fernwärme-Projekte wende Interview mit ÖVGW-Vizepräsident Wels: Fernwärme-Nordring 22 Nöstlinger 38 Friesach: Solarthermie für die 10 Fernwärme 24 Wasserstoff 40 Wien: Skandinavische Start-ups Der Hoffnungsenergieträger AQA-REPORT 2021 digitalisieren F ernwärmenetz 25 Bestnoten für Österreichs Wien: P2H-Anlage Spittelau 25 14 Wien: Fernkälte – in großen Trinkwasserversorgung Russlands Gratwanderung Schritten zur kühlen City 26 42 16 Digitalisierung: Auswirkung auf die Anforde- Europa: Meilenstein in der rungen an die Datennetze der Gasbetankungsinfrastruktur Wasserwirtschaft 17 44 Norwegen: Biogas mit Elektro Wasser aktuell und H2 gleichgestellt 4 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
FORUM GAS WASSER WÄRME INHALT 6 22 34 Die Frage, ob für den Raumwärme- In Österreich boomen Fernwärme EurEau-Präsidentin Castell-Exner Sektor genügend erneuerbares und Fernkälte – eine Auswahl im Gespräch über den European Gas zur Verfügung steht, scheidet aktueller Projekte Green Deal und den Grundwas- die Geister. serschutz VERANSTALTUNGS VERBÄNDEFORUM 57 FORUM ÖVGW-Richtlinien Gas – Neuerscheinung 6/2021 45 49 Drittes „Forum Trinkwasser ImFocus 57 digital“ der ÖVGW Sachlicher Diskurs Personalia Grundwasserschutz – ein statt Klima-Planwirtschaft! Mehr-Generationen-Projekt 50 46 Offener Brief Impressum 56 TRINK’WASSERTAG 2021 Innovation und Technologie- „Virtuelles Wasser“ im Mittel- vielfalt statt Heizungsverbote punkt KLARSTELLUNG 52 47 ÖVGW Factsheets Gas Der Beitrag „Erneuerbare Wärme: Ver- breitung und Barrieren“ in Heft 1/2021, ÖVGW Online-Pressegespräch S. 14 befasst sich ausschließlich mit den „Mehr Wasserstoff 53 Einsatzmöglichkeiten erneuerbarer Ener- im Gasnetz“ ÖVGW Forschungsbericht gieformen in der Fernwärme- und Fern- kälteproduktion. Diese Systeme decken 2020 47 in Europa 12 % der Wärmenachfrage. Un- ser Leser DI Robert Phillip machte uns Zukunftsforum Grünes Gas 2021 54 darauf aufmerksam, dass der Titel irre- „Energiewende braucht Gremien der ÖVGW im Portrait führend ist, da sich im Artikel keine Infor- Technologieoffenheit“ Fachausschuss Rechtsfragen mationen zum Einsatz von Erneuerbaren Wasser bei den restlichen 88 % der Wärmever- 48 sorgung, die eben nicht durch Fernwär- mesysteme abgedeckt werden, finden. Veranstaltungskalender 56 Wir bedanken uns für den Hinweis und Zuerkennung der entschuldigen uns bei allen Leserinnen ÖVGW-Qualitätsmarke und Lesern, bei denen die Formulierung für Missverständnisse gesorgt hat. FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021 5
EN ER GIE F OR UM Gibt es genug Grünes Gas? Grafik: Ruck Eine neue ÖVGW-Richtlinie ermöglicht die vermehrte Einspeisung von Grünem Wasserstoff in das Gasnetz, so dass er auch für Heizzwecke zur Verfügung steht. Im Klimaministerium befürchtet man, dass es zukünftig zu wenig Grünes Gas geben wird und möchte daher bei der Raumwärme darauf verzichten. W ie soll in Zukunft geheizt werden, um das für 2040 angepeilte Ziel der Klimaneutralität erreichen zu können? Erneuerbar, so viel ist einmal klar. Aber welche am 1. Juni die Richtlinie G B210 „Gasbeschaffenheit“ ver- öffentlicht, mit der der zulässige Wasserstoffanteil von 4 % auf 10 % erhöht wird (siehe auch S. 47 u. 57). Aber be- erneuerbaren Energieträger und Heiztechnologien sollen reits seit mehreren Jahren arbeitet die heimische Gaswirt- noch zum Einsatz kommen dürfen? schaft mit der „Greening the Gas“-Strategie daran, die Für ÖVGW und FGW ist eines klar: Grünes Gas soll fos- Grundlagen dafür zu schaffen, dass künftig Grünes Gas siles Erdgas ersetzen. Biomethan, hergestellt aus orga- in großem Ausmaß am heimischen Wärmemarkt zur Ver- nischen Reststoffen, ist ein klimaneutraler Energieträ- fügung steht. Denn man ist überzeugt: Nur mit Grünem ger. Dasselbe gilt für Wasserstoff, wenn er mit grünem Gas ist die Dekarbonisierung der heimischen Energiever- Überschussstrom erzeugt wird oder wenn beim Herstel- sorgung möglich. lungsprozess – z.B. bei der Pyrolyse – das Treibhausgas CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern gesam- Studie zeigt: Es besteht hoher Bedarf an Grünem Gas melt wird. Ein weiterer großer Vorteil gegenüber anderen Technologien besteht darin, dass die bereits vorhandene Diese Auffassung teilt man anscheinend auch im Klima- Gas-Infrastruktur und Kunden-Endgeräte weiter genutzt ministerium. Am 1. Juni, beinahe zeitgleich, als die ÖVGW werden können. ihre neue Richtlinie vorstellte, präsentierte Bundesminis- Die ÖVGW hat nun einen ersten wichtigen Schritt ge- terin Leonore Gewessler auf einer Pressekonferenz die Er- setzt, um erneuerbares Gas, genauer gesagt Grünen Was- gebnisse einer Studie, die aufzeigen soll, wie viel Grünes serstoff, über das Gasnetz verteilen zu können. Sie hat Gas bis 2040 in jenen Bereichen benötigt wird, in denen 6 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
ENE RGIE FORUM es keine sonstigen erneuerbaren Alternativen gibt.1 Dabei „Je früher wir großflächig mit der Nutzung dieser Rohstof- handelt es sich vor allem um die Hochtemperatur-Indus- fe beginnen, desto schneller können wir von fossilem Gas trie, den Güterschwerverkehr, KWK-Anlagen und Heiz- auf Grünes Gas umsteigen.“ Was für die rasche Umset- kraftwerke. Je nach Szenario wird man dafür zwischen 89 zung fehle, sei das entsprechende Grün-Gas-Förderungs- TWh und 128 TWh an erneuerbaren Gasen brauchen. Nur gesetz, „das uns die zuständige Klimaministerin seit zur Verdeutlichung: 89 TWh entsprechen in etwa dem mehr als einem Jahr vorenthält“, erklärte Mock weiter. derzeitigen österreichischen Jahresverbrauch an fossilem Und ob in Österreich ausreichend erneuerbare Gase zur Erdgas. Deckung des gesamten heimischen Bedarfs produziert In der Studie geht man allerdings davon aus, dass in werden können, sei nicht vorrangiges Thema. Schließ- Österreich bis 2040 nur ca. 20 TWh aus biogenen Rohstof- lich lasse sich über das hervorragend ausgebaute Gasnetz fen erzeugt werden können. Damit würde Grünes Gas ein Grünes Gas problemlos importieren – genauso wie wir ja begrenzter und folglich wertvoller Rohstoff bleiben. Für auch andere Güter wie Computer oder Autos einführen. den restlichen Bedarf an Grünem Gas im Ausmaß von Auch Markus Mitteregger, Vorstand der RAG Austria ca. 70 TWh bis 110 TWh werde man also Importoptionen AG, sieht den Import von Grünem Wasserstoff als Mög- entwickeln müssen. Die Schlussfolgerung von BM Ge- lichkeit, die Dekarbonisierung in Österreich und Europa wessler: Man müsse dort aus Gas aussteigen, wo es be- voranzubringen. Bei der von ÖVGW, FGW und von ERIG, reits gute erneuerbare Alternativen gibt: nämlich bei der dem European Research Institute for Gas and Energy Inno- Raumwärme, wo die Versorgung ja mit Pellets, Wärme- vation, abgehaltenen Veranstaltung „Beitrag von H2 und pumpen oder Fernwärme erfolgen könne. klimaneutralen Gasen zur Energiewende“ am 31. Mai ver- wies er auf das Projekt „H2EU+Store“, an dem sich die Import von Grünem Gas und Wasserstoff RAG AG beteiligt. Ziel ist, große Mengen an in der Uk- raine erzeugtem erneuerbaren Wasserstoff über das für ÖVGW-Geschäftsführer Michael Mock hielt dieser Be- Erdgas geschaffene Leitungsnetz zu importieren und in hauptung in einer Presseaussendung entgegen, dass Österreich und Deutschland in Untergrundspeichern Grünes Gas rasch in großen Mengen verfügbar sein kann: für die spätere Verwendung zu lagern. Mit dem Projekt „H2EU+Store“ soll ein wesentlicher Beitrag zum Ausbau 1 Download: https://www.energyagency.at/aktuelles-presse/ news/detail-archiv/artikel/studie-grosse-versorgungsluecke-bei- der Wasserstoffnutzung in Europa geleistet werden, so gruenem-gas.html?no_cache=1 Mitteregger in einer P resseaussendung. ◂ Die überregionale Gasinfrastruktur soll für den Transport von Wasserstoff nach Zentraleuropa genutzt werden. Grafik: RAG AG FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021 7
EN ER GIE F OR UM Informationspapier der ÖVGW Mit Gasinfrastruktur und Grünem Gas zur Energiewende Transformationspfad für ein 100 % klimaneutrales Gasnetz. Jetzt werden die Weichen für die saubere Energieversorgung der Zukunft gestellt. Die b estehende Gasinfrastruktur und Grüne Gase sorgen dafür, dass wir uns den Übergang zu 100 % klimaneutraler Energie auch leisten können und dabei sicher versorgt bleiben. Europäisches • Wasserstoff (H2) als klimaneutral herge- H2-Backbone 2040 Bestehende Gas-Pipeline stellter gasförmiger E nergieträger (umgewidmet) Neu errichtete H2-Pipeline Unterwasser-Pipeline (umgewidmet oder neu) Ein Netz, viele Möglichkeiten Import/Export-Pipeline (umgewidmet) Potenzieller H2-Speicher Energy Island für offshore Schon heute kann das Gasnetz Biomethan H2-Produktion Teilnehmende Staaten und SNG ohne Einschränkungen transportie- ren. Auch bei den Kunden muss dafür nichts geändert oder umgebaut werden – alle Gas- geräte funktionieren mit diesen Gasen prob- lemlos. Wasserstoff kann bis zu 10 % bereits heute zugemischt werden. Durch die laufende An- WAG passung und Umrüstung der Gasnetze wird TAG AG G als nächster Schritt schon bald ein H2-Anteil von 20 % möglich sein. In manchen Leitun- Beispiel gen wird künftig sogar ausschließlich Was- serstoff befördert werden. Dafür muss als Biomethan H2 notwendiger Zwischenschritt die Verwen- mit H2 -Beimischung dung von Gas-Wasserstoff-Gemischen er- möglicht und gefördert werden. Das ist auch wichtig, um Österreichs zentrale Marktpo- sition zu erhalten: Ein Zehntel von Europas Gasbedarf fließt heute über den Knotenpunkt Grafik: ÖVGW Baumgarten und durch heimische Fernlei- tungen. Nun wird für die überregionale H2- Versorgung bereits ein europäisches Wasser- Gasnetz fit für 100 % Grünes Gas folgreiche, leistbare Energiewende. Um die stoff-Fernleitungsnetz („H2-Backbone“) ge- Klimaneutralität zu erreichen, müssen alle plant, an das auch Österreich angeschlossen Die Ausgangslage ist klar: Österreich und die verfügbaren Technologien und Methoden zur sein wird. Ein Teil unserer Fernleitungen soll EU haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Vermeidung von schädlichen Emissionen ge- dafür umgewidmet werden. bis 2040 (A) bzw. 2050 (EU) vollständig kli- nützt werden. Eine wichtige Rolle wird dabei Über das Verteilnetz werden Wasserstoff maneutral zu werden. Die österreichische Grünes Gas spielen: und andere Grüne Gase flächendeckend für Gasinfrastruktur kann heute schon 100 % • Biomethan aus Pflanzenresten, Abfällen jedermann zur Verfügung stehen – sowohl klimaneutrales Gas transportieren, spielt und fester Biomasse (Holz), für die regionale Industrie, Strom- und Fern- eine zentrale Rolle bei der Erreichung der • Synthetisches Methan (SNG) aus Wasser- wärmeversorgung, als auch für die Mobilität Klimaziele und ist unerlässlich für eine er- stoff und und Wärmeversorgung der Haushalte. 8 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
ENE RGIE FORUM Sichere Energieversorgung Die Gasnetze transportieren zukünftig Wasserstoff und andere Grüne Gase. Damit das reibungslos gelingt, braucht es jetzt: Österreich verfügt über ein flächendeckendes Gasnetz (2.000 km • Stabile und technologieoffene Rahmenbedingungen für Grünes Gas Fernleitungen, 44.500 km Verteilerleitungen) sowie Speicher, die mit • Anreize zur Nutzung der vorhandenen Erzeugungspotenziale von Grünem Gas ca. 8 Mrd. m³ Fassungsvermögen heute etwa den österreichischen Jah- aus Biomasse und erneuerbarem Strom sowie zur Einspeisung von Grünem resbedarf in Reserve halten können. Diese umweltfreundliche und na- Gas in das Gasnetz, um die Konkurrenzfähigkeit gegenüber fossilem Gas zu stärken hezu unsichtbare Transportlogistik steht bereits heute für die Energie- • Gleichbehandlung von Grünem Gas mit a nderen erneuerbaren Energieträgern, wende vollumfänglich zur Verfügung. z.B. in der Wärmestrategie, in der OIB oder in den Raumordnungen Grünes Gas ist nicht nur klimaneutral, es kann in der vorhande- • Weiterentwicklung des Gasregelwerks für die Nutzung von Wasserstoff nen Gasinfrastruktur langfristig gespeichert werden und jederzeit • Anerkennung von allfälligen Umstellungsinvestitionen auf Wasserstoff Schwankungen im Energiesystem ausgleichen. Dies wird immer wich- • Beschlussfassung einer nationalen Wasserstoffstrategie mit Maßnahmen zur tiger, da die erneuerbare Stromproduktion stark steigen und damit Nutzung der Gasinfrastruktur mehr wetterbedingte Unsicherheit ins System bringen wird. Die Spei- • Sektorübergreifende Planung der Gas-, Wärme- und Stromnetze cherung von Strom in z.B. Batterien oder Pumpspeichern alleine bie- tet aufgrund der geringeren Energiemengen keine ausreichende Alter- Transformationspfad der Gasinfrastruktur für klimaneutrale Gasversorgung: Zeitplan und Schritte native zu saisonalen Gasspeichern. Künftig können die Gasspeicher auch Wasserstoff speichern. Ab 2021: Einsatz von für Wasserstoff geeigneten Komponenten bei Routine-Tausch, Anpassung des Netzes an künftigen Wasserstoff-Transport, sukzessiver Ersatz von Erdgas durch Grünes Gas Energiewende, die wir uns leisten können 2021/22: Evaluierung der Wasserstoffverträglichkeit des bestehenden Gasnetzes, Ermittlung von optimalen Einspeisepunkten ins Gasnetz für Biomethan und Was- Klar ist, dass der Anteil heimischer Wertschöpfung durch eine ver- serstoff stärkte Produktion von Grünem Gas steigt. Es wird dezentral erzeugt, Bis 2040: Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und Anschluss an das europäi- kann einfach ins regionale Verteilnetz eingespeist und unsichtbar zu sche Wasserstoff-Fernleitungsnetz (H2-Backbone) den Kunden transportiert werden. 2040: Gasinfrastruktur garantiert eine 100 % klimaneutrale Energieversorgung mit Wasserstoff und anderen Grünen Gasen Den Schatz zu heben und die wertvolle Gasinfrastruktur richtig zu nutzen, ist jetzt Gebot der Stunde. Je früher man etwa beginnt, beim Tausch von Geräten oder Netzkomponenten bis zu 100 % wasserstoff- taugliche Produkte zu verwenden, desto günstiger wird der Übergang sichere und leistbare Energieversorgung. Die Einspeisung von Was- ablaufen. Die rund 900.000 heimischen Gasheizungskunden, eine serstoff und anderen Grünen Gasen ins Gasnetz bietet hier die Mög- Million Fernwärmekunden bzw. 70.000 Industrie- und Gewerbebe- lichkeit für eine große Treibhausgasemissions-Reduktion zu geringen triebe, die derzeit Erdgas verwenden, brauchen auch in Zukunft eine Systemkosten. ◂ e Hochdruckl ibl eit ex u Fl ng STARTGRUBE ZIELGRUBE zu 45° n bis vo n ch indli ge verb nzept Bö BESTEHENDE LEITUNG t u n Jetz rungsko BESTEHENDE LEITUNG Sanie dern! r anfo Grabenlose Sanierung von Druckrohrleitungen Außenschicht abriebfeste PE-Umhüllung • Große Einzugslängen von bis zu 2.500 m Rädlinger primus line GmbH • Schnelle Wiederinbetriebnahme Gewebe Kammerdorfer Straße 16 • Verlängerung der Nutzungsdauer um mindestens 50 Jahre Aramid 93413 Cham, Deutschland • Produktion, Engineering und Montage aus einer Hand Innenschicht Tel.: +49 9971 8088-0 • Geringer Eingriff in die Landschaft auf PE-Basis info@primusline.com www.primusline.com FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021 9
EN ER GIE F OR UM Der Hoffnungsenergieträger Eine aktuelle Studie untersucht die nötigen Voraussetzungen, um shutterstock.com eine florierende Wasserstoff-Wirtschaft aufzubauen. Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen. D er französische Mitbegründer der Science Fiction-Li- teratur Jules Verne bezeichnete Wasserstoff bereits in grauer Vergangenheit als „Kohle der Zukunft“. Andere Von selbst wird die Versiebenfachung des Markts bei gleichzeitiger Dekarbonisierung nicht geschehen. Wel- che Werkzeuge braucht es also, um eine funktionierende Laying the foundations of a low carbon sehen den vermeintlichen Alleskönner als das „Schwei- Wasserstoff-Wirtschaft in die Gänge zu bringen? hydrogen market in zer Taschenmesser“ unter den Werkzeugen, die zum Bau PricewaterhouseCoopers International ist ein globales Europe Hydrogen as the einer dekarbonisierten Energiewelt benötigt werden. Netzwerk unabhängiger Firmen, die auch in der Unter- cornerstone of energy transition Doch Taschenmesser hin, Potenzial her – Anfang Juni nehmens- und Management-Beratung tätig sind. Als Teil wurde eine mediale Diskussion mit ministerieller Betei- dieses Netzwerks hat „strategy&“ sich mit dieser Frage ligung begonnen, die etwa unterstellte: Grünes Gas mag beschäftigt und die Erkenntnisse unlängst in der Studie samt Wasserstoff eine tolle Idee sein, doch gibt es nicht „Laying the foundations of a low carbon hydrogen market PwC-Studie „Laying the genug davon. Und natürlich gibt es derzeit nicht genug in Europe. Hydrogen as the cornerstone of energy tran foundations of a low car- davon. Immerhin erwartet die International Energy Agen- sition“ veröffentlicht. Das halbe Dutzend Autoren stammt bon hydrogen market in cy für ihr Sustainable Development Scenario, dass sich aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, und mit Europe. Hydrogen as the der weltweite Bedarf allein an Wasserstoff bis 2070 mehr Dr. Matthias Witzemann war auch ein Österreicher an der cornerstone of energy transition“ (2021) als versiebenfachen wird. Dabei sieht die IEA den Bedarf Erstellung beteiligt. in diesem Szenario nicht in erster Linie in der Schwerin- Einigkeit besteht darin, dass die 2020er-Jahre entschei- dustrie (in Zukunft 15 % Anteil) wachsen, sondern vor al- dend für den Weg in eine „grüne“ Zukunft sein werden, lem als Treibstoff für Vehikel aller Arten (50 %). Auch in manche bezeichnen sie auch schon als „Wasserstoff-Jahr- der Stromerzeugung soll Wasserstoff seinen Platz haben zehnt“. Um das Pariser Ziel einer Begrenzung der Klima- (15 %), während das Heizen nicht als Hauptanwendungs- erwärmung auf 1,5 °C und von „net zero“ zu erreichen, gebiet (5 %) betrachtet wird. müsste sich die derzeitige Rate der Dekarbonisierung verfünffachen – und zwar jedes Jahr bis 2030. Möglichst Nicht klein, aber zu klein „grüner“ Wasserstoff kann dabei eine wichtige Rolle spie- len. Doch während die in diesem Zusammenhang zentra- Schon heute ist das Wasserstoff-Business kein ganz klei- le Brennstoffzelle sozusagen ein „alter Hut“ ist und schon nes: Mit etwa 100 Milliarden US-Dollar ist der Markt der- bei den ersten Mondlandungen vor einem halben Jahr- zeit zu bewerten, noch werden 80 % des Gases in Raffi- hundert zur Anwendung kam, stecken eine entsprechen- nerien und der chemischen Industrie verbraucht. Regio- de Wasserstoff-Industrie und die dafür notwendigen Ver- nal ist Asien (48 %) der größte Verbraucher, gefolgt von sorgungsketten noch in den Kinderschuhen. Nord- und Südamerika (22 %) sowie Europa (18 %). So- Zusammengefasst gilt es, Bedarf nach Wasserstoff in lange Grünes Gas nicht entsprechend etabliert bzw. ge- bestimmten Sektoren zu schaffen und ein globales Han- fördert und das entstehende CO2 eingefangen wird, ist delssystem zu errichten, um ihn mit CO2-armem Wasser- Wasserstoff nur in der Anwendung sauber: Bei der Erzeu- stoff zu decken. Die Regierungen müssen all das mit ei- gung aus Kohle oder mittels Dampfreformierung von Erd- nem starken und die (von der EU) gewünschte Entwick- gas entstehen etwa 10 kg CO2 für jedes Kilo Wasserstoff. lung fördernden Regelwerk ermöglichen. 10 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
ENE RGIE FORUM 1 Baustein Nr. 1: Nachfrage schaffen schen Reaktion entstehende CO2 eingefangen würde. Da- mit könnte man wiederum mit Wasserstoff wichtige che- mische Grundstoffe wie Methanol oder Ammoniak her- Gleichzeitig mit dem wachsenden Wunsch nach CO2-ar- stellen – ein gutes Beispiel dafür, wie sektorenübergrei- men Energieträgern wird die Basis für mögliche Verbrau- fende Kooperation zum Erfolg führen kann. cher von Wasserstoff breiter. Dennoch sollten sich Regie- Der Verkehr dürfte möglicherweise nicht nur wichtig, rungen – so die Studienautoren – nicht auf alle Sektoren sondern sogar der erste Sektor werden, in dem Wasser- gleichzeitig stürzen, sondern einigen groben Richtlinien stoff die Wettbewerbsfähigkeit erreicht. Besonders im folgen: Zunächst empfiehlt sich die Konzentration auf Schwerverkehr wird es kaum eine CO2-arme Alternative Industriezentren, die anders schwer zu dekarbonisieren geben, die etwa im Individualverkehr durch Elektroautos sind und auch eine gewisse Größe sowie vorhandene In- besteht. 2 frastruktur (z.B. Gasleitungen oder Häfen) mitbringen. Weiters bieten sich Partnerschaftsmodelle für die Auf- Baustein Nr. 2: teilung von Kosten und Risiken der Entwicklung an: Fir- Angebot an CO2-armem Wasserstoff erhöhen menallianzen oder solche mit lokalen Regierungen. Priorisiert werden sollten etwa Raffinerien. Sie verwen- Noch besteht preislich ein Graben zwischen der ausgereif- den heute schon eine Menge Wasserstoff und könnten mit ten Kohlenstoff-basierten Technik und neuen, sauberen der CO2-armen Variante umweltfreundliche Kraftstoffe er- Wasserstoff-Technologien, den es zu überbrücken gilt. Da zeugen. die Elektrizität bis zu 70 % der Kosten von „grünem Was- Von niemandem bezweifelt wird die Notwendigkeit, serstoff“ ausmacht, braucht es ausreichende und günsti- die Stahlindustrie mittels Wasserstoff zu dekarbonisie- ge Stromquellen. Laut Experten wird etwa 2030 ein Punkt ren. Noch werden bei der Herstellung einer Tonne Stahl erreicht sein, an dem Staaten so viel in Erneuerbare in- 1,85 Tonnen CO2 freigesetzt. Doch testet man bereits Me- vestieren, dass Skaleneffekte die Kosten von erneuerba- thoden, bei denen der Stahl gar nicht mehr „gekocht“ rer Energie auf unter 20 US-$/MWh senken. Inzwischen werden muss. Vielmehr wird dabei dem Eisen in festem muss die Elektrolyse effizienter werden, die Hersteller Zustand Sauerstoff mit Hilfe von Wasserstoff entzogen. sollten den Energieverbrauch von 55 kWh pro 1 kg Was- Mit einer Mischung aus Wasserstoff und (Bio-) Methan serstoff reduzieren – man hofft, auf 50 kWh zu kommen. kann die Stromerzeugung in Gaskraftwerken dekarbo- Sehr spannend könnte hier die Methanpyrolyse werden: nisiert werden, die technischen Voraussetzungen dafür Dabei entsteht sogenannter „türkiser Wasserstoff“ so- bzw. nötige Anpassungen werden derzeit geprüft. wie fester Kohlenstoff. Da Letzterer auch in Zukunft auf Ein interessanter Anwendungsfall dürfte die Zement- dem Markt (z.B. für Reifen, Gummi, Baumaterialien) be- industrie werden: Bei der Produktion fällt ein Drittel des nötigt und daher verkauft wird, könnte bei entsprechen- CO2 durch die nötige Erwärmung an. Dies könnte „grü- der Preisentwicklung (von Kohlenstoff bzw. erneuerbarer ner“ Wasserstoff erledigen, während das bei der chemi- Energie) Wasserstoff sogar zum Nulltarif erzeugt werden! 4 13% 17% % 18% 18% 70 Mio. t 47% 70 Mio. t 51% 70 Mio. t 48% H2 H2 H2 32% 30% 22% Quelle: strategy& / PwC Europa Asien Raffinerien Chemische Industrie Öl Elektrolyse Mittlerer Osten/Afrika Amerika Andere Kohle Erdgas Wasserstoff-Nachfrage nach Regionen (2020) Wasserstoff-Einsatzbereiche (2020) Wasserstoff-Herstellung (2020) FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021 11
EN ER GIE F OR UM „Türkiser“ hat besonders dort Vorteile gegenüber „blau- tieren, ist in Form von chemischen Verbindungen – etwa em Wasserstoff“ (mit CCUS, d.h. CO2-Abscheidung und als Methanol oder Ammoniak. Letzteres hat derzeit Kos- Speicherung), wo CCUS nicht angewendet werden kann tenvorteile, ist aber auch hochgiftig und setzt Stickoxide oder soll – immerhin setzt CCUS noch einmal 55–80 $ pro bei der Verbrennung frei. Tonne CO2 zusätzlich auf die Rechnung, damit der fertige Neben der Verteilung von Wasserstoff ist auch die Spei- „blaue“ Wasserstoff als „grün“ durchgeht. cherung ein wichtiges Thema. Ehemalige unterirdische Um ausreichend von vornherein „grünen Wasserstoff“ Erdgaslagerstätten sind dabei ebenso im Gespräch wie aus Elektrolyse mit Ökostrom zu erzeugen, wird eine mas- Salzkavernen, in denen ja teilweise ebenfalls bereits Erd- sive Steigerung der Produktion nötig sein. 10 Mio. t Was- gas gespeichert wird oder wurde. Beide Optionen sind serstoff für Europa heißt: Kapazitäten in der Größen- natürlich nicht überall verfügbar und manchmal geogra- ordnung des gesamten jährlichen Stromverbrauchs von fisch ungünstig gelegen, daher werden Alternativen (wie Frankreich. Nicht unterschätzen sollte man auch den z.B. die Speicherung in Aquiferen) zurzeit technisch ge- Wasserbedarf: Laut Studie sind 22 Liter Wasser nötig, um prüft. Generell gilt es dabei, Problemen wie Gasverlust 1 kg Wasserstoff herzustellen, das könnte in dichten In- oder unerwünschten chemischen Reaktionen mit Mikro- dustriegebieten mit sehr hohem Bedarf eventuell zu Ver- organismen zu begegnen. 4 sorgungskonflikten führen. Solange insbesondere das Energieangebot in der ge- Baustein Nr. 4: nannten Größenordnung noch nicht zur Verfügung steht, Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen müsste also „blauer Wasserstoff“ eine wichtige Brücken- funktion einnehmen. So soll unter dem Namen Zero Car- Die zentrale Aufgabe von Regierungen besteht nun darin, bon Humber ein klimaneutraler Industrie-Cluster in den Markt mit einem passenden Regelwerk sowie finan- Nordengland entstehen. Der Schlüssel ist CCUS-Techno- ziellen Anreizen in Gang zu bringen und private Inves- logie, mit der das anfallende CO2 unter der Nordsee ge- toren zur Beteiligung zu motivieren. Ähnliches ist z.B. in speichert wird. Großbritannien bei der Etablierung von Offshore-Wind- 3 parks gut gelungen. Wichtig ist neben einer Strategie und Baustein Nr. 3: klaren Zielvorgaben, entsprechende strategische Inves- Zusammenführen von Angebot und Nachfrage titionen zu tätigen, die es sowohl Produzenten als auch Konsumenten erleichtert, zu CO2-armem Wasserstoff zu Jetzt sind die Bereiche Transport und Speicherung ge- wechseln. Das könnte beispielsweise die direkte Subven- fragt. Eine Transport-Option ist die Nutzung bestehender tionierung von Anschaffungs- oder Betriebskosten bedeu- Erdgasleitungen. Eine Beimischung von 10 % Wasserstoff ten. Beschleunigende Wirkung dürfte die europäische Ei- ist heute schon problemlos möglich, von 20 % mit ge- nigung im Dezember 2020 haben, ein Important Project ringfügigen Anpassungen. Darüber hinaus halten es die of Common European Interest (IPCEI) für Wasserstoff zu Netzbetreiber für – auch ökonomisch – sinnvoller, eine begründen. Die kommenden Post-Corona-Programme dezidiert für Wasserstoff geeignete Infrastruktur aufzu- zur Ankurbelung der Wirtschaft sollten mit für Wasser- bauen. In Europa wird die Errichtung eines Wasserstoff- stoff reservierten Budgets Pilotprojekte fördern und die „Backbone“ mit 23.000 km Länge (bis 2040) geplant. Da genannten Anreize schaffen, solange die neue Technolo- der Bedarf an konventionellem Erdgas künftig sinken gie noch nicht wettbewerbsfähig ist – also bis ca. 2030. wird, könnten drei Viertel davon aus optimierten, ehe- Die regulatorische Seite wird die Entwicklung mit einer maligen Erdgasleitungen bestehen, der Rest wäre neu zu Erhöhung des CO2-Preises, EU-Einfuhrzöllen, verpflich- bauen. Die Kosten dürften sich auf ca. 64 Mrd. € belaufen. tenden Zielen und Anteilen für die Nutzung von Wasser- Neben Pipelines käme auch der Transport von kompri- stoff unterstützen. Während die Ausgestaltung der öster- miertem Wasserstoff in Betracht, allerdings kann damit reichischen Strategie noch abgewartet werden muss, ha- aufgrund der geringen Energiedichte keine ausreichend ben andere Länder bereits bedeutende Summen für den große Energiemenge befördert werden. Die Verflüssigung Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft bis 2030 eingeplant: von Wasserstoff bei -253 °C wiederum ist mit großem Auf- Deutschland und Spanien je 9 Mrd. €, Frankreich und wand verbunden und wird möglicherweise für Flugzeug- Portugal je 7 Mrd. €. Ob die Bausteine, die damit bewegt und Raketen-Treibstoff in Frage kommen. Eine weitere werden sollen, richtig zusammenfinden, werden wir am Möglichkeit, Wasserstoff in großen Mengen zu transpor- Ende des „Wasserstoff-Jahrzehnts“ wissen. ◂ 12 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
„Volle Energie für den K li m a schutz ist un s se h r w icht ig . Aus Liebe zur Natur.“ Karin & Emil Doll, Doll ̓ s Blumen. Zufriedene Wien Energie-KundInnen seit 2013. klimaschützen.at www.wienenergie.at Wien Energie Vertrieb, ein Unternehmen der EnergieAllianz Austria.
EN ER GIE F OR UM Russlands Gratwanderung Im Spannungsfeld von Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik hat Russland seine Energiestrategie angepasst. Was ist zu erwarten? R usslands Energiepolitik basiert auf dem Bedürfnis nach einem Ausgleich zwischen der Lösung der Klimaprobleme und der Ver- sorgung der Wirtschaft und Bevölkerung mit leistbaren Energieträ- Eine sichere Folge von Erwärmung wird bereits sichtbar: Die bis- her dauerhaft gefrorenen Böden beginnen mancherorts zu tauen. Und Permafrostböden machen fast zwei Drittel der russischen Landmas- gern.“ Dies sagte der Generaldirektor der russischen Energieagen- se aus – zum Vergleich: Eine Fläche, so groß wie die USA plus drei tur, Alexej Kulapin, Ende März auf einer GECF-Veranstaltung in Doha. Mal Deutschland, ist tiefgekühlt. Beim Auftauen werden Unmengen Hinter diesem wenig überraschenden Satz verbirgt sich ein Berg an von Treibhausgasen freigesetzt, andererseits gerade die russischen umwelt- und energiepolitischen Fakten, welcher der Ausdehnung des Schlüsselindustrien gefährdet. Infrastrukturen, ja ganze Städte könn- größten Landes der Erde gerecht wird. Nicht nur dieses selbst wird ten im Schlamm versinken, Pipelines instabil werden. mit Energieträgern versorgt, der (2018) drittgrößte Ölproduzent und zweitgrößte Gasproduzent ist (inkl. Kohle) der weltgrößte Exporteur Zentrale Einnahmequelle im Energiebereich. Man kann also davon ausgehen, dass Bewusstsein für Klimaproble- Grad-Wanderung: Es geht nach oben me in Russland besteht. Ob dafür der Mensch verantwortlich ist, steht für viele allerdings auf einem anderen Blatt – in einem Land, in dem Gleichzeitig ist der eurasische Gigant auch besonders stark von Symp der Energiesektor eine wahrlich herausragende Rolle spielt. Etwa 20 tomen betroffen, als deren Ursache der Klimawandel gilt: Verheeren- % der Wirtschaftsleistung gehen darauf zurück. Noch lauter sprechen de Wald- und Torfbrände hüllten Moskau schon 2010 in dichte Rauch- die Zahlen der staatlichen Einnahmen: Rund 40 % des russischen schwaden. Solche Brände wiederholten sich, so wurde im Sommer Haushalts und fast zwei Drittel der Exporte sind auf Ölprodukte und 2019 eine Fläche abgefackelt, die etwa zwei Mal Niederösterreich ent- Erdgas zurückzuführen, der Anteil schwankt freilich vor allem mit spricht. Für die Bekämpfung der Flammen war kaum genug Wasser dem auf dem Weltmarkt zu erzielenden Ölpreis. Während Russland aufzutreiben, was Menschen dort als zusätzlichen Hohn von oben oft in Verbindung mit Gas genannt wird, sind die Öl-Erlöse in Wirk- auffassen konnten. Denn die Region um Irkutsk war zuvor im selben lichkeit etwa vier Mal so hoch. Dennoch interessiert auch uns hier die Jahr von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht worden. Dammbrü- Entwicklung im Gasbereich. Immerhin bezieht die EU etwa 40 % ih- che und Überschwemmungen waren die Folge, Tausende wurden ob- res Erdgasbedarfes aus Russland, in Österreich liegt der Anteil noch dachlos. Ob diese Wetterkapriolen nun direkt auf den Klimawandel etwas höher. Auch angesichts der ehrgeizigen europäischen Ziele in zurückzuführen sind, sei dahingestellt. Die Erwärmung ist in Russ- Richtung Dekarbonisierung der Energielandschaft ist interessant, land jedenfalls stärker spürbar als anderswo. Nach der Hitzewelle von was sich der größte Exporteur „fossiler“ Energieträger vorgenommen 2019 brachte auch das Jahr 2020 Wetter zum Staunen: Mehr als ein hat. Nachzulesen ist das in der (seit 1995) vierten Energiestrategie, die halbes Jahr lang blieben die sibirischen Temperaturen konstant sie- ihre letzte Fassung im April 2020 erhalten hat. ben (!) Grad über dem Durchschnitt. Während Klimaforscher noch über die Ursache rätseln, wird vermutet, dass Veränderungen des Jet- Energiestrategie bis 2035 streams dafür verantwortlich sind – also schwankende Luftströmun- gen, die wiederum mit der Klimaerwärmung zu tun haben sollen. Alexej Kulapin bekräftigte, dass Russland die Anstrengungen der 14 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
ENE RGIE FORUM shutterstock.com Weltgemeinschaft, den Klimawandel einzudämmen, „voll“ unterstüt- Europa gedacht: „Russland kann sowohl für den europäischen als ze. Im November 2020 habe Präsident Putin ein Dekret unterzeichnet, auch für den Asien-Pazifik-Markt Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen mit dem die russischen THG-Emissionen gemäß dem Pariser Klimaab- Preisen liefern. Die Kosten für die Produktion von Low-Carbon-Was- kommen gesenkt werden sollen. Ob der Anteil von Energieträgern mit serstoff aus Erdgas betragen in Russland 1–1,5 US-$ pro Kilogramm, niedrigen Emissionen an der russischen Stromproduktion tatsächlich während Wasserstoff aus Elektrolyse auf 3,5–4 $/kg kommt.“ bei 80 % liegt, kann man auch anders beurteilen, denn Kulapin zählt hier auch Dampf- und Kernkraftwerke dazu. Wirklich erneuerbar wür- Umweltschutzzölle de man hierzulande wohl rund 17 % der Produktion sehen, die mittels Wasserkraft erfolgt. Immerhin habe man 2020 bereits mehr Kapazitä- Fraglich ist, ob dann nicht ausschließlich „grüner Wasserstoff“ ge- ten auf regenerativer Basis (Wind, Sonne) errichtet als traditionelle – fragt sein wird. Diskutiert werden Technologien, die Wasserstoff aus 1,2 GW. Auch die Infrastruktur für umweltfreundliche Gasfahrzeuge Erdgas gewinnen und das anfallende CO2 einfangen, speichern oder wurde verbessert: 2018-2020 gingen 250 Tankstellen in Betrieb, eine weiter verwerten („blauer Wasserstoff“), alternativ steht Methanpyro- Steigerung um 60 %. Sicher richtig ist die Konzentration auf „eine Po- lyse zur Debatte, bei der fester Kohlenstoff abfällt („türkiser Wasser- litik, die auf die Verbesserung der Energieeffizienz in Produktion und stoff“). Gleichfalls diskutiert wird in der EU, wie man „Carbon Leaka- Verbrauch abzielt“, hier orten Experten großes Potenzial. Der weitere ge“ verhindern kann. Darunter ist zu verstehen, dass die Produk- Ausbau von Technologiezentren und Produktionsstätten für erneuer- tion in Länder mit weniger strengen Umweltauflagen verlagert wird bare Energie soll ebenso folgen wie Verbesserungen der Ausbildung und diese Produkte dann womöglich importiert werden. Damit wäre des Personals sowie bei der Fernsteuerung von Anlagen. dem globalen Klima natürlich nicht geholfen. Es ist also angedacht, Bis eine erneuerbare Energielandschaft erreicht ist, bleibt aber – so ein Grenzausgleichssystem einzuführen, das zusätzliche Abgaben Kulapin – Gas der sauberste Energielieferant. Deshalb wird Russland für derartige Produkte einhebt und an das Emissionshandelssystem weiter ausbauen und diversifizieren – sowohl regional als auch, was (ETS) angelehnt ist. So logisch das für Umweltbewegte klingen mag, die Arten von Gas betrifft. Genannt wurden die Pipeline-Projekte Po- so sehr klingt es für Länder wie China oder die USA nach „Schutzzöl- wer of Siberia 1 und 2 (mit China), Turkish Stream und Nord Stream 2 len“. Nicht zuletzt deshalb trat im April 2021 Kommissions-Vizeprä- (mit Europa). sident Frans Timmermans bei einem Ausschuss des US-Kongresses Potenzial hat flüssiges Erdgas (LNG): Die derzeitige jährliche Pro- an, um entsprechende Sorgen zu zerstreuen. Ob das Argument, man duktion von 30 Millionen Tonnen soll sich bis 2035 auf ca. 80–140 würde so ein System ohnehin nicht anwenden, wenn sich alle Länder Mio. t vervielfachen und wird wohl vor allem in Asien landen. Für Eu- an ihre Versprechungen halten, dort und auch in einem Telefonat des ropa, das rund 200 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr vom Marktführer bezieht, chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit der deutschen Kanzlerin An- könnte die russische Erzeugung von Wasserstoff interessant werden. gela Merkel gut angekommen ist? Von russischer Seite ist man jeden- Dazu äußerte sich Kulapin optimistisch, wenn auch die möglichen falls derzeit bemüht, selbst ein System von Zertifikaten für „grüne“ Mengen in naher Zukunft noch eher überschaubar ausfallen: Die rus- Produkte einzuführen. Ob diese dann in Europa anerkannt werden, sische Energiestrategie rechnet mit einem Export von 7 Mio. t bis 2035 wird mit Sicherheit – wie die gesamte Problematik – Gegenstand in- und 33 Mio. t bis 2050, allerdings ist auch diese Menge nicht nur für tensiver Verhandlungen sein. ◂ FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021 15
EN ER GIE F OR UM Europa erreicht einen neuen Meilenstein in der Gasbetankungsinfrastruktur Gasmobilität: Markt mit großem Potenzial dank wachsendem Anteil an erneuerbarem Gas E Grafik: NGVA Europe nde April 2021 hat das schnell wachsende Gastankstellennetz in Europa den Meilenstein von 4.000 CNG- und 400 LNG-Tankstellen erreicht. Diese Stationen sind von entscheidender Bedeutung, da sie in der Lage sind, Europas Gasmobility-Flotte zu unterstützen, mit ei- nem rasch wachsenden Anteil an Biomethan. Gleichzeitig hat die Natural & Bio Gas Vehicle Association (NGVA Europe) die Zulassungszahlen für Gasfahrzeuge im vergangenen Jahr veröffentlicht, die das kontinuierliche und anhaltende Wachstum die- ser nachhaltigen Mobilitätslösung verdeutlichen. Neben den Neuzu- lassungen von Bussen sind vor allem LNG-betriebene Lkw die größ- ten Gewinner. Gas im Verkehr ist unser Katalysator für Klimaneutralität und für das Erreichen der ambitionierten Ziele des europäischen Green Deals. Die neuesten Zahlen von NGVA Europe zeigen, dass sowohl die Infra- struktur als auch die Neuzulassungen von Fahrzeugen den notwendi- Gas-Tankstellen in Europa: Netz von 4.000 CNG- und 400 LNG-Stationen gen Übergang zur klimaneutralen Mobilität unterstützen. Die Erdgasinfrastruktur und Erdgasfahrzeuge sind vollständig kom- patibel mit erneuerbarem Gas und sind daher wirkungsvolle Wegbe- reiter für eine drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Fahrzeugzulassungen 2020 Die Erdgasmobilität stellt heute den kosteneffizientesten Ansatz zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors und zur Erreichung der Zwi- Während das Tankstellennetz drastisch wächst, verzeichnete NGVA schenziele für 2030 und 2050 dar. Europe trotz der Covid-19-Pandemie auch eine beträchtliche Anzahl von Gasfahrzeugzulassungen. Im Vergleich zu 2019 gab es zwar ins- 4.000 CNG- und 400 LNG-Stationen in Europa gesamt weniger Neuzulassungen von gasbetriebenen Fahrzeugen, aber dies spiegelt sich in der Statistik für den gesamten Fahrzeugsek- Seit 2020 wurden in Europa etwa 300 neue CNG-Stationen errichtet, tor wider. was einem Wachstum von 8,1 % entspricht. Gleichzeitig wuchs die Anzahl der LNG-Stationen von etwa 250 auf 400, was ein massives Angemessene Gesetzgebung durch die EU Plus von 60 % bedeutet (dieser enorme Zuwachs spiegelt sich in den entsprechenden Zulassungen von LNG-Fahrzeugen wider). Der öster- Diese Zahlen zeigen, dass die Gasmobilität ein sich schnell entwi- reichische Anteil liegt bei 150 CNG- und 2 LNG-Tankstellen. ckelnder Markt ist, der dank eines stetig wachsenden Anteils an er- Im Jahr 2020 lieferten von allen Gastankstellen in Europa bereits neuerbarem Gas ein großes Potenzial hat, den Straßenverkehr schnell mehr als 25 % Biomethan. Dies entspricht einem Anteil von durch- und kostengünstig zu dekarbonisieren. Nun muss dieses Potenzial je- schnittlich 17 % des gesamten Gases, das als Transportkraftstoff ver- doch von der Europäischen Union anerkannt und mit einer angemes- wendet wird, und der täglich weiter wächst. Bis 2030 werden im euro- senen Gesetzgebung weiter unterstützt werden, damit die Gasmobili- päischen Durchschnitt 40 % Biomethan zur Verfügung stehen, um die tät ihre Rolle beim Übergang zum kohlenstoffneutralen Verkehr voll gesamte NGV-Flotte anzutreiben, die derzeit schätzungsweise mehr ausspielen kann. als 13 Millionen Fahrzeuge umfasst. Dies wird zu einer Reduzierung Vor diesem Hintergrund zeigt sich die NGVA Europe zuversichtlich, der Treibhausgasemissionen um insgesamt 55 % führen. NGVA Euro- dass die Europäische Kommission die Notwendigkeit der Unterstüt- pe schätzt, dass es bis dahin etwa 10.000 CNG- und 2.000 LNG-Tank- zung dieser europäischen Technologie durch die anstehende Überar- stellen in Europa geben wird. beitung von Schlüsselgesetzen zur Zukunft des Verkehrs, einschließ- 16 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
ENE RGIE FORUM lich der CO2-Emissionsverordnung für Pkw und Transporter sowie der Richtlinie über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, akkredi- tieren wird. Der Generalsekretär von NGVA Europe, Dr. Jens Andersen, resü- miert: „Die neuen Zahlen zeigen, dass 2020 ein weiteres Schlüssel- Weitere Informationen jahr mit einem Anstieg sowohl bei den Fahrzeugzulassungen als auch https://www.acea.be/press-releases/article/fuel-types-of-new-cars-electric-10.5- beim Ausbau der Infrastruktur war, was die stetig wachsende Attrakti- hybrid-11.9-petrol-47.5-market-share-f vität der Gasmobilität für die europäischen Verbraucher bestätigt. Sie https://www.acea.be/press-releases/article/fuel-types-of-new-buses-electric-6.1- treffen diese Wahl aus gutem Grund: Die Gasmobilität ist eine ausge- hybrids-9.5-diesel-72.9-market-share-i reifte Technologie, die nicht nur eine hohe Motoreffizienz und -leis- https://www.acea.be/press-releases/article/fuel-types-of-new-trucks-diesel-96.4- tung, eine weit verbreitete Infrastruktur und niedrige Gesamtbetriebs- electric-0.5-alternative-fuels-2.9-mar kosten (TCO) aufweist, sondern auch große Vorteile für die Umwelt.“◂ Norwegen: Biogas wird Elektro und H2 gleichgestellt Das Vorzeige-Elektroautoland Norwegen zeigt, wie zukünftige klimaschonende Mobilität für alle geht, und setzt deshalb auf Technologieoffenheit. Der Kraftstoff Bio-CNG wird dem Elektro- und Wasserstoff-Antrieb gleich gestellt. N orwegen gilt weltweit als das Paradebeispiel, wie man die Elekt- romobilität fördern und ihr zum Durchbruch verhelfen kann. Der skandinavische Staat, der durch Öl- und Gasförderung reich wurde, che Voraussetzungen für den Antrieb mit Biogas, Strom und Wasser- stoff geschaffen und zeigt sich klar technologieoffener als andere Na- tionen. betrieb in den letzten Jahren ein umfangreiches Förderprogramm und Terje Halleland, der umweltpolitische Sprecher der norwegischen erließ Elektroautokäufern die Motorfahrzeugsteuer und beim Kauf Progress Party, sagt dazu: „Es wurde genug über Biogas geredet. Jetzt sogar die Mehrwertsteuer. Zudem durfte man in der Hauptstadt Oslo ist Zeit zum Handeln.“ Auch Ruth Grung von der Arbeiterpartei zeigt kostenlos seinen Wagen aufladen, kostenlos parken und die meist sich zufrieden mit der Entscheidung: „Es macht wirklich Spaß, dass freien Busspuren benutzen. wir dies geschafft haben.“ Applaus gibt es nicht nur in Norwegen Nun hat das Parlament des elektrofreundlichen Landes einen weg- selbst, sondern kommt auch aus Schweden. Maria Malmkvist, Ge- weisenden Entscheid getroffen, den sich andere Staaten weltweit schäftsführerin von Energigas Schweden, erklärt: „Das ist fantastisch ebenfalls zum Vorbild nehmen sollten: Die Norweger stellen Biogas, für die norwegische Biogasindustrie und für Norwegens Umwelt- und Wasserstoff und Elektro gleich und setzen somit ein deutliches Signal Klimaarbeit. Jetzt können wir hoffen, dass die schwedische Regierung für Technologieoffenheit. und die EU unserem Nachbarn den Rücken stärken und diesem guten Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier folgten dabei einer Beispiel folgen.“ Empfehlung des Umweltausschusses und beseitigten unter anderem Der Parlamentsentscheid dürfte die bereits heute im Wachstum be- Hindernisse für Biogasproduktion. Der Beschluss besteht aus meh- findliche Biogasindustrie Norwegens weiter voranbringen. Biogasun- reren Teilen und soll unter anderem zu einer schnelleren Antragsbe- ternehmen haben dabei vor allem die Kreislaufwirtschaft in der Land- arbeitung für Investitionszuschüsse für Tankstellen und für Biogas- wirtschaft, aber auch in der Fischindustrie im Fokus. Dort können die LKW führen. Zudem werden Biogasfahrzeuge bei allen Umweltzielen Produkte dank Biogas nicht nur CO2-neutral vom Hersteller zum Kun- und -plänen der norwegischen Regierung – und zwar künftigen und den transportiert werden, sondern Gülle oder anfallende organische auch bereits beschlossenen – mit emissionsfreien Fahrzeugen gleich- Reststoffe können gleich wieder zur Produktion von Biogas genutzt gestellt. Damit hat ausgerechnet der Elektro-Pionier Norwegen glei- werden und so den Kreislauf schließen. ◂ FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021 17
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