Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme

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Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH
                                 UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN

                                 Sommeor-
                                 Heft N 1
                          3/21

                                 Im Brennpunkt
                                 Weichenstellungen
P.b.b. – MZ 18Z041331 M

                                 in der Umwelt- und Klimapolitik
                                 European Green Deal und Grundwasserschutz | Chancen für Grünes Gas
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
FIRMEN IM GASFACH                    The Plastics Experts.
                                                                                                                                 www.ovgw.at/figa

                                                                                                     Manufaktur für ökologische Dichtmittel
                                                                                                            und Korrosionsschutz

                             www.agru.at                           www.aliaxis-ui.at                    www.bacoga.com                         www.bammer-gmbh.at
                          Rohre, Fittings, Platten,              Das innovative Unternehmen,        BCG Gas 2000 Dichtmittel zum nach-         Die Firma Bammer Handels GmbH
                      Dichtungsbahnen – Innovative               das Ihre PE-Rohre sicher und       träglichen Abdichten von Gewinde-           ist Ihr Partner für Komponenten
                     Kunststoffprodukte von AGRU –                   zuverlässig verbindet.         verbindungen in Gas-Innenleitungen.               der Erdöl-, Erdgas- und
                         Seit 1948 auf Ihrer Seite!                FRIALEN®-Sicherheitsfitting      ÖVGW G 2.662 / Vertrieb AT: www.hig.at            Fernwärmeversorgung.

                    www.diehl.com/metering                   www.elster-instromet.at                       www.fiorentini.at                          www.flexim.at
                    • Elektronische Gaszähler mit              Elster ist der weltweit führende        •   Filter, Vorwärmer                    Technologieführer bei eingriffsfreier
                      integriertem Funk                      Anbieter für Gasmess- und Regel-          •   Absperrarmaturen                   Durchflussmessung mit Ultraschall. Die
                    • „Open Metering“ Spezifikation          technik, mit innovativen Lösungen         •   Gasdruckregler                      Clamp-On-Systeme messen praktisch
                      geeignet für Smart Metering                       für Ihren Bedarf.              •   Sicherheitseinrichtungen           alles, was fließt, Flüssigkeiten wie Gase.

                          www.gfps.com/at                             www.gmt.de                            www.hawle.at                                www.heat.at
                    GF Piping Systems entwickelt, produ-          Kompetenter Partner für           Hawle ist Hersteller von qualitativ        Kompetenz im Erdgasanlagenbau
                    ziert und vermarktet Rohrleitungs-           Gasmess- und Regeltechnik           hochwertigen Armaturen für die             mit eigener Fertigung von: SAV,
                    systeme für den sicheren Transport            in der Erdgasversorgung.                   Gasversorgung.                    Gasdruckregler, Filter, Abscheider,
                        von Flüssigkeiten und Gasen.                                                HAWLE. MADE FOR GENERATIONS                Wärmetauscher, Erdgastrocknung

                            info@ipu.co.at                           www.isiflo.de                         www.itron.com                         www.kontinentale.at
                      •   RMA – Pipeline Equipment           Innovativer Hersteller ÖVGW-geprüf-    SMARTES MESSEN, ZÄHLEN & REGELN            Ihr starker Partner für Armaturen-
                      •   GHIBSON – Absperrklappen              ter Steckverbindungen für Kunst-    Mit neuen Technologien von ITRON           und Rohrleitungstechnik mit einer
                      •   HUBER – Druckmessgeräte              stoffrohrleitungen und Rohrbruch-    in die Zukunft der Gasversorgung!          umfangreichen Produktpalette für
                      •   BERNARD – Stellantriebe             dichtschellen für die Gasversorgung                                              die österreichische Gasversorgung

                           www.pipelife.at                   www.pp-engineering.com                 www.schermanngmbh.com                               www.sick.at
                    Kunststoff-Rohrsysteme von Pipelife          Spezialist für kathodischen          Innovative Technologien für die              SICK ist einer der weltweit
                    – diese starken Lebensadern sorgen            Korrosionsschutz und für             Lecksuche und Leitungsortung                 führenden Hersteller von
                      für eine sichere Gasversorgung.        elektromaschinelle Ausrüstung in            an erdverlegten Leitungen               Sensoren und Sensorlösungen
                           Heute und in Zukunft.             der Wasser- und Abwassertechnik                                                     für industrielle Anwendungen.

                                                             Die FIRMEN IM GASFACH (FIGA)
                                                             sind ein Fachausschuss der ÖVGW
                                                             Aufgaben und Zielsetzungen:
                                                             •   Mitarbeit bei der Erstellung von Regelwerken
                     wieland-moellersdorf.at                 •   Kooperation mit der ÖVGW im Bereich Aus- und Weiterbildung
                      Kupfer-System aus einer Hand.          •   Produkte und Dienstleistungen auf höchstem Niveau
                       SUPERSAN® Kupferrohre aus             •   Forcierung der Marke „ÖVGW geprüft“, um für Gasversorgungsunternehmen eine hohe Qualität
                        Österreich und Fittings von              der Produkte sowie Beratungssicherheit zu gewährleisten
                            Conex | Bänninger
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
EDITORIAL
    www.boagaz.com                               www.denso.de
     Europaweiter
     Europaweiter Experte
                    Experte und
                            und                   Führender, weltweit
 Anbieter
 Anbieter einer
            einer Systemlösung
                  Systemlösung für
                                 für            agierender Anbieter für
verbindungslose
verbindungslose Gasinstallationen
                   Gasinstallationen           Korrosionsschutz-Produkte
 mit
 mit flexiblen
      flexiblen Edelstahlwellrohren
                Edelstahlwellrohren            und innovative Dichtmittel

                                                                                 I  n eigener Sache: Wir bitten unsere Leserin-
                                                                                    nen und Leser um Nachsicht, wir erschei-
                                                                                 nen ein bisschen verspätet. Das FORUM GWW
                                                                                 ist im Sommermodus, und bei Hitze (und mit
                                                                                 Maske), so hört man, werden Anforderungen
   www.gas.consult.at                        www.mhc-gruppe.de                   und Termine möglicherweise etwas modera-
  Beratung
  Beratung für
            für Gewerbe-
                Gewerbe- und
                          und Netz-
                              Netz-        Lösungen für die Gas-, Wasserstoff-   ter gehandhabt. Das heißt aber nicht, dass
   Betreiber
    Betreiber von
              von Gas-Anlagen
                  Gas-Anlagen bei
                               bei            und Automatisierungstechnik:
Planung/Bau/Betrieb/Überwachung
Planung/Bau/Betrieb/Überwachung            Planung • Anlagenbau • Service und
                                                                                 wir uns zur Untätigkeit hätten hinreißen las-
 nach
 nach geltendem
       geltendem ÖVGW-Regelwerk
                   ÖVGW-Regelwerk            Wartung • Schulung und Training     sen. Vielmehr wurde die Zeit dazu verwen-
                                                                                 det (und es wird nach wie vor daran gearbei-
                                                                                 tet), das Erscheinungsbild der Zeitschrift ein
                                                                                 bisschen aufgelockerter zu gestalten. Wir ha-
                                                                                 ben das Heft ein bisschen dicker gemacht, zu-
                                                                                 gleich ist es ein bisschen schlanker und leich-
    www.hongastec.de                           www.interapp.net                  ter geworden. Ja, Sie haben richtig gelesen:
Honeywell
 Honeywell GasGas Technologies
                   Technologies GmbH
                                  GmbH      Wir sind ein weltweit agierender     Umfang, Gewicht und Gehalt müssen nicht
     Ihr
      Ihr zuverlässiger
          zuverlässiger Partner
                        Partner für:
                                für:       Hersteller von AVK Armaturen und      immer korrelieren.
•• Gasdruckregelgeräte
   Gasdruckregelgeräte •• Sicherheits-
                            Sicherheits-    Zubehör mit Qualitätsprodukten
technik
 technik •• Automatisierungslösungen
            Automatisierungslösungen             für die Gasversorgung.             Inhaltlich gibt es wenig wirklich Überra-
                                                                                 schendes, die Rollen sind verteilt und die
                                                                                 Karten liegen bereits seit einiger Zeit auf dem
                                                                                 Tisch. Im Wasserfach geht es um die Absiche-
                                                                                 rung der Ressource, vor allem um den Schutz
                                                                                 des Grundwassers und um Nutzungsabgren-
                                                                                 zungen zu anderen Verbrauchern; im Gasfach
 www.landisgyr.com/at                             www.midex.at
  G350
   G350 –– der
           der kommunikative
               kommunikative               Wir arbeiten nicht mit Gaszählern
                                                                                 um Dekarbonisierung, vor allem um die Posi-
  ULTRASCHALL-GASZÄHLER
   ULTRASCHALL-GASZÄHLER                          oder Wasserzählern,            tionierung erneuerbarer Gase. Um diese The-
        der
        der Zukunft
             Zukunft für
                     für                        sondern mit Menschen!
 Smart
 Smart Metering
       Metering Anwendungen.
                 Anwendungen.
                                                                                 men kreisen Richtlinien, Verordnungen, Ge-
                                                                                 setze, Online-Veranstaltungen, Diskussionen
                                                                                 unter Fachleuten, politische Auseinander-
                                                                                 setzungen, Presseaussendungen usw. – und
                                                                                 eben auch die aktuellen Ausgaben der Ver-
                                                                                 bandszeitschrift.
   www.vc-austria.com
                                                                                    Auf den Punkt gebracht: Was Sie in Hän-
    www.tpa-kks.at                                www.viega.at
                                                                                 den halten, ist eine sommerlich leichte Aus-
Seit
Seit über
     über 40
           40 Jahren
               Jahren führender
                       führender An-
                                  An-      Viega. Höchster Qualität verbunden.
bieter
bieter von
       von Kathodischen
            Kathodischen Korrosions-
                          Korrosions-                                            gabe mit schwerwiegenden Dauerbrennern.
schutzsystemen
schutzsystemen für für Rohrleitungen,
                       Rohrleitungen,                                            Viel Vergnügen beim Durchblättern und inter-
 Behälter
 Behälter und
           und Stahlbetonbauwerke
                Stahlbetonbauwerke
                                                                                 essante Lektüre! Das zweite Sommerheft folgt
                                                                                 in der ersten Augusthälfte.

                                                                                 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                           3
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
FORUM GAS WASSER WÄRME

INHALT
                                                FORUM GAS WASSER WÄRME
                                                Heft 3/2021
                                                18. Jahrgang | 101. Ausgabe | 5. Juli 2021
                                                Die Zeitschrift der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach und des
                                                Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen erscheint seit Grün-
                                                dung der ÖVGW im Jahr 1881. Seit 2004 trägt sie den Titel FORUM Gas Wasser Wärme.
                                                Cover: Sommerheft No. 1

                  ENERGIEFORUM                  18                                                  WASSERFORUM
                                                ÖVGW-Regelwerke für Gas-
                                                Druckregelanlagen
                                                in der Praxis
                 6                              Situationsbericht aus Sicht
                                                                                                  30
                 Gibt es genug Grünes Gas?      eines unabhängigen Beraters                       Green Deal und Grundwasser-
                 Einsatz im Raumwärme-Bereich                                                     schutz
                 umstritten                     20                                                Interview mit EurEau-Präsidentin
                                                                                                  Castell-Exner 34
                                                Imageumfrage zu G­ rünem Gas
                 8                              und F­ ernwärme 2021
                 Informationspapier der ÖVGW                                                      36
                 Mit Gasinfrastruktur und       22                                                Grundwasser – guter Zustand
                 ­Grünem Gas zur Energie­                                                         bis 2027?
                                                Fernwärme-Projekte
                  wende                                                                           Interview mit ÖVGW-Vizepräsident
                                                Wels: Fernwärme-Nordring 22                       Nöstlinger 38
                                                Friesach: Solarthermie für die
                 10                             Fernwärme 24
                 Wasserstoff                                                                      40
                                                Wien: Skandinavische Start-ups
                 Der Hoffnungs­energieträger                                                      AQA-REPORT 2021
                                                digitalisieren F­ ernwärmenetz 25
                                                                                                  Bestnoten für Österreichs
                                                Wien: P2H-Anlage Spittelau 25
                 14                             Wien: Fernkälte – in großen
                                                                                                  Trinkwasserversorgung
                 Russlands Gratwanderung        Schritten zur kühlen City 26
                                                                                                  42
                 16                                                                               Digitalisierung:
                                                                                                  Auswirkung auf die Anforde-
                 Europa: Meilenstein in der
                                                                                                  rungen an die ­Datennetze der
                 Gasbetankungsinfrastruktur
                                                                                                  Wasserwirtschaft

                 17                                                                               44
                 Norwegen: Biogas mit Elektro
                                                                                                  Wasser aktuell
                 und H2 gleichgestellt

 4                                                                                         FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
FORUM GAS WASSER WÄRME

                                                                                                                     INHALT
6                                    22                               34
Die Frage, ob für den Raumwärme-     In Österreich boomen Fernwärme   EurEau-Präsidentin Castell-Exner
Sektor genügend erneuerbares         und Fernkälte – eine Auswahl     im Gespräch über den European
Gas zur Verfügung steht, scheidet    aktueller Projekte               Green Deal und den Grundwas-
die Geister.                                                          serschutz

 VERANSTALTUNGS                      VERBÄNDEFORUM                    57
 FORUM                                                                ÖVGW-Richtlinien Gas –
                                                                      ­Neuerscheinung 6/2021
45                                  49
Drittes „Forum Trinkwasser          ImFocus                           57
­digital“ der ÖVGW                  Sachlicher Diskurs                Personalia
Grundwasserschutz – ein             statt Klima-Planwirtschaft!
Mehr-Generationen-Projekt
                                    50
46                                  Offener Brief
                                                                      Impressum 56

TRINK’WASSERTAG 2021                Innovation und Technologie-
„Virtuelles Wasser“ im Mittel-      vielfalt statt Heizungsverbote
punkt
                                                                      KLARSTELLUNG
                                    52
47                                  ÖVGW Factsheets Gas
                                                                      Der Beitrag „Erneuerbare Wärme: Ver-
                                                                      breitung und Barrieren“ in Heft 1/2021,
ÖVGW Online-Pressegespräch                                            S. 14 befasst sich ausschließlich mit den
„Mehr Wasserstoff                   53                                Einsatzmöglichkeiten erneuerbarer Ener-
im Gasnetz“                         ÖVGW Forschungsbericht            gieformen in der Fernwärme- und Fern-
                                                                      kälteproduktion. Diese Systeme decken
                                    2020
47                                                                    in Europa 12 % der Wärmenachfrage. Un-
                                                                      ser Leser DI Robert Phillip machte uns
Zukunftsforum Grünes Gas 2021       54                                darauf aufmerksam, dass der Titel irre-
„Energiewende braucht               Gremien der ÖVGW im Portrait      führend ist, da sich im Artikel keine Infor-
­Technologieoffenheit“              Fachausschuss Rechtsfragen        mationen zum Einsatz von Erneuerbaren
                                    Wasser                            bei den restlichen 88 % der Wärmever-
48                                                                    sorgung, die eben nicht durch Fernwär-
                                                                      mesysteme abgedeckt werden, finden.
Veranstaltungskalender              56                                Wir bedanken uns für den Hinweis und
                                    Zuerkennung der                   entschuldigen uns bei allen Leserinnen
                                    ­ÖVGW-Qualitätsmarke              und Lesern, bei denen die Formulierung
                                                                      für Missverständnisse gesorgt hat.

FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                                                                                              5
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
EN ER GIE F OR UM

                    Gibt es genug Grünes Gas?

                                                                                                                                              Grafik: Ruck
                    Eine neue ÖVGW-Richtlinie ermöglicht die vermehrte Einspeisung von Grünem
                    Wasserstoff in das Gasnetz, so dass er auch für Heizzwecke zur Verfügung steht.
                    Im Klimaministerium befürchtet man, dass es zukünftig zu wenig Grünes Gas
                    geben wird und möchte daher bei der Raumwärme darauf verzichten.

                    W      ie soll in Zukunft geheizt werden, um das für 2040
                           angepeilte Ziel der Klimaneutralität erreichen zu
                    können? Erneuerbar, so viel ist einmal klar. Aber welche
                                                                                am 1. Juni die Richtlinie G B210 „Gasbeschaffenheit“ ver-
                                                                                öffentlicht, mit der der zulässige Wasserstoffanteil von
                                                                                4 % auf 10 % erhöht wird (siehe auch S. 47 u. 57). Aber be-
                    erneuerbaren Energieträger und Heiztechnologien sollen      reits seit mehreren Jahren arbeitet die heimische Gaswirt-
                    noch zum Einsatz kommen dürfen?                             schaft mit der „Greening the Gas“-Strategie daran, die
                       Für ÖVGW und FGW ist eines klar: Grünes Gas soll fos-    Grundlagen dafür zu schaffen, dass künftig Grünes Gas
                    siles Erdgas ersetzen. Biomethan, hergestellt aus orga-     in großem Ausmaß am heimischen Wärmemarkt zur Ver-
                    nischen Reststoffen, ist ein klimaneutraler Energieträ-     fügung steht. Denn man ist überzeugt: Nur mit Grünem
                    ger. Dasselbe gilt für Wasserstoff, wenn er mit grünem      Gas ist die Dekarbonisierung der heimischen Energiever-
                    Überschussstrom erzeugt wird oder wenn beim Herstel-        sorgung möglich.
                    lungsprozess – z.B. bei der Pyrolyse – das Treibhausgas
                    CO2 nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern gesam-         Studie zeigt: Es besteht hoher Bedarf an Grünem Gas
                    melt wird. Ein weiterer großer Vorteil gegenüber anderen
                    Technologien besteht darin, dass die bereits vorhandene     Diese Auffassung teilt man anscheinend auch im Klima-
                    Gas-Infrastruktur und Kunden-Endgeräte weiter genutzt       ministerium. Am 1. Juni, beinahe zeitgleich, als die ÖVGW
                    werden können.                                              ihre neue Richtlinie vorstellte, präsentierte Bundesminis-
                       Die ÖVGW hat nun einen ersten wichtigen Schritt ge-      terin Leonore Gewessler auf einer Pressekonferenz die Er-
                    setzt, um erneuerbares Gas, genauer gesagt Grünen Was-      gebnisse einer Studie, die aufzeigen soll, wie viel Grünes
                    serstoff, über das Gasnetz verteilen zu können. Sie hat     Gas bis 2040 in jenen Bereichen benötigt wird, in denen

6                                                                                                 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
ENE RGIE FORUM

                 es keine sonstigen erneuerbaren Alternativen gibt.1 Dabei           „Je früher wir großflächig mit der Nutzung dieser Rohstof-
                 handelt es sich vor allem um die Hochtemperatur-Indus-              fe beginnen, desto schneller können wir von fossilem Gas
                 trie, den Güterschwerverkehr, KWK-Anlagen und Heiz-                 auf Grünes Gas umsteigen.“ Was für die rasche Umset-
                 kraftwerke. Je nach Szenario wird man dafür zwischen 89             zung fehle, sei das entsprechende Grün-Gas-Förderungs-
                 TWh und 128 TWh an erneuerbaren Gasen brauchen. Nur                 gesetz, „das uns die zuständige Klimaministerin seit
                 zur Verdeutlichung: 89 TWh entsprechen in etwa dem                  mehr als einem Jahr vorenthält“, erklärte Mock weiter.
                 derzeitigen österreichischen Jahresverbrauch an fossilem            Und ob in Österreich ausreichend erneuerbare Gase zur
                 Erdgas.                                                             Deckung des gesamten heimischen Bedarfs produziert
                    In der Studie geht man allerdings davon aus, dass in             werden können, sei nicht vorrangiges Thema. Schließ-
                 Österreich bis 2040 nur ca. 20 TWh aus biogenen Rohstof-            lich lasse sich über das hervorragend ausgebaute Gasnetz
                 fen erzeugt werden können. Damit würde Grünes Gas ein               Grünes Gas problemlos importieren – genauso wie wir ja
                 begrenzter und folglich wertvoller Rohstoff bleiben. Für            auch andere Güter wie Computer oder Autos einführen.
                 den restlichen Bedarf an Grünem Gas im Ausmaß von                      Auch Markus Mitteregger, Vorstand der RAG Austria
                 ca. 70 TWh bis 110 TWh werde man also Importoptionen                AG, sieht den Import von Grünem Wasserstoff als Mög-
                 entwickeln müssen. Die Schlussfolgerung von BM Ge-                  lichkeit, die Dekarbonisierung in Österreich und Europa
                 wessler: Man müsse dort aus Gas aussteigen, wo es be-               voranzubringen. Bei der von ÖVGW, FGW und von ERIG,
                 reits gute erneuerbare Alternativen gibt: nämlich bei der           dem European Research Institute for Gas and Energy Inno-
                 Raumwärme, wo die Versorgung ja mit Pellets, Wärme-                 vation, abgehaltenen Veranstaltung „Beitrag von H2 und
                 pumpen oder Fernwärme erfolgen könne.                               klimaneutralen Gasen zur Energiewende“ am 31. Mai ver-
                                                                                     wies er auf das Projekt „H2EU+Store“, an dem sich die
                 Import von Grünem Gas und Wasserstoff                               RAG AG beteiligt. Ziel ist, große Mengen an in der Uk-
                                                                                     raine erzeugtem erneuerbaren Wasserstoff über das für
                 ÖVGW-Geschäftsführer Michael Mock hielt dieser Be-                  Erdgas geschaffene Leitungsnetz zu importieren und in
                 hauptung in einer Presseaussendung entgegen, dass                   Österreich und Deutschland in Untergrundspeichern
                 Grünes Gas rasch in großen Mengen verfügbar sein kann:              für die spätere Verwendung zu lagern. Mit dem Projekt
                                                                                     „H2EU+Store“ soll ein wesentlicher Beitrag zum Ausbau
                 1 Download: https://www.energyagency.at/aktuelles-presse/
                   news/detail-archiv/artikel/studie-grosse-versorgungsluecke-bei-   der Wasserstoffnutzung in Europa geleistet werden, so
                   gruenem-gas.html?no_cache=1                                       Mitteregger in einer P­ resseaussendung. ◂

                                                                                                                          Die überregionale Gasinfrastruktur soll
                                                                                                                          für den Transport von Wasserstoff nach
                                                                                                                          Zentraleuropa genutzt werden.
Grafik: RAG AG

                 FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                                                                                                                       7
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
EN ER GIE F OR UM

               Informationspapier der ÖVGW
               Mit Gasinfrastruktur und Grünem Gas
               zur Energiewende
               Transformationspfad für ein 100 % klimaneutrales Gasnetz. Jetzt werden die Weichen für die
               saubere Energieversorgung der Zukunft gestellt. Die b­ estehende Gasinfrastruktur und Grüne
               Gase sorgen dafür, dass wir uns den Übergang zu 100 % klimaneutraler Energie auch leisten
               können und dabei sicher versorgt bleiben.

                     Europäisches                                                                                     • Wasserstoff (H2) als klimaneutral herge-
                   H2-Backbone 2040
                   Bestehende Gas-Pipeline                                                                              stellter gasförmiger E
                                                                                                                                             ­ nergieträger
                   (umgewidmet)
                   Neu errichtete H2-Pipeline
                   Unterwasser-Pipeline
                   (umgewidmet oder neu)                                                                              Ein Netz, viele Möglichkeiten
                   Import/Export-Pipeline
                   (umgewidmet)
                   Potenzieller H2-Speicher
                   Energy Island für offshore
                                                                                                                      Schon heute kann das Gasnetz Biomethan
                   H2-Produktion
                   Teilnehmende Staaten
                                                                                                                      und SNG ohne Einschränkungen transportie-
                                                                                                                      ren. Auch bei den Kunden muss dafür nichts
                                                                                                                      geändert oder umgebaut werden – alle Gas-
                                                                                                                      geräte funktionieren mit diesen Gasen prob-
                                                                                                                      lemlos.
                                                                                                                         Wasserstoff kann bis zu 10 % bereits heute
                                                                                                                      zugemischt werden. Durch die laufende An-
                                                                             WAG
                                                                                                                      passung und Umrüstung der Gasnetze wird
                                                                              TAG
                                                                               AG
                                                                                G
                                                                                                                      als nächster Schritt schon bald ein H2-Anteil
                                                                                                                      von 20 % möglich sein. In manchen Leitun-
                                                                                                     Beispiel         gen wird künftig sogar ausschließlich Was-
                                                                                                                      serstoff befördert werden. Dafür muss als
                                                                                              Biomethan          H2
                                                                                                                      notwendiger Zwischenschritt die Verwen-
                                                                                           mit H2 -Beimischung        dung von Gas-Wasserstoff-Gemischen er-
                                                                                                                      möglicht und gefördert werden. Das ist auch
                                                                                                                      wichtig, um Österreichs zentrale Marktpo-
                                                                                                                      sition zu erhalten: Ein Zehntel von Europas
                                                                                                                      Gasbedarf fließt heute über den Knotenpunkt
Grafik: ÖVGW

                                                                                                                      Baumgarten und durch heimische Fernlei-
                                                                                                                      tungen. Nun wird für die überregionale H2-
                                                                                                                      Versorgung bereits ein europäisches Wasser-
               Gasnetz fit für 100 % Grünes Gas                folgreiche, leistbare Energiewende. Um die             stoff-Fernleitungsnetz („H2-Backbone“) ge-
                                                               Klimaneutralität zu erreichen, müssen alle             plant, an das auch Österreich angeschlossen
               Die Ausgangslage ist klar: Österreich und die   verfügbaren Technologien und Methoden zur              sein wird. Ein Teil unserer Fernleitungen soll
               EU haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt,      Vermeidung von schädlichen Emissionen ge-              dafür umgewidmet werden.
               bis 2040 (A) bzw. 2050 (EU) vollständig kli-    nützt werden. Eine wichtige Rolle wird dabei              Über das Verteilnetz werden Wasserstoff
               maneutral zu werden. Die österreichische        Grünes Gas spielen:                                    und andere Grüne Gase flächendeckend für
               Gasinfrastruktur kann heute schon 100 %          • Biomethan aus Pflanzenresten, Abfällen              jedermann zur Verfügung stehen – sowohl
               klimaneutrales Gas transportieren, spielt          und fester Biomasse (Holz),                         für die regionale Industrie, Strom- und Fern-
               eine zentrale Rolle bei der Erreichung der       • Synthetisches Methan (SNG) aus Wasser-              wärmeversorgung, als auch für die Mobilität
               Klimaziele und ist unerlässlich für eine er-       stoff und                                           und Wärmeversorgung der Haushalte.

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Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
ENE RGIE FORUM

     Sichere Energieversorgung                                                                          Die Gasnetze transportieren zukünftig Wasserstoff und andere Grüne Gase.
                                                                                                        Damit das reibungslos gelingt, braucht es jetzt:
     Österreich verfügt über ein flächendeckendes Gasnetz (2.000 km                                      • Stabile und technologieoffene Rahmenbedingungen für Grünes Gas
     Fernleitungen, 44.500 km Verteilerleitungen) sowie Speicher, die mit                                • Anreize zur Nutzung der vorhandenen Erzeugungspotenziale von Grünem Gas
     ca. 8 Mrd. m³ Fassungsvermögen heute etwa den österreichischen Jah-                                   aus Bio­masse und erneuerbarem Strom sowie zur Ein­speisung von Grünem
     resbedarf in Reserve halten können. Diese umweltfreundliche und na-                                   Gas in das Gasnetz, um die Konkurrenzfähigkeit gegenüber fos­silem Gas zu
                                                                                                           stärken
     hezu unsichtbare Transportlogistik steht bereits heute für die Energie-
                                                                                                         • Gleichbehandlung von Grünem Gas mit a­ n­deren erneuerbaren Energieträgern,
     wende vollumfänglich zur Verfügung.                                                                   z.B. in der Wärmestrategie, in der OIB oder in den Raumordnungen
        Grünes Gas ist nicht nur klimaneutral, es kann in der vorhande-                                  • Weiterentwicklung des Gasregelwerks für die Nutzung von Wasserstoff
     nen Gasinfrastruktur langfristig gespeichert werden und jederzeit                                   • Anerkennung von allfälligen Umstellungs­investitionen auf Wasserstoff
     Schwankungen im Energiesystem ausgleichen. Dies wird immer wich-                                    • Beschlussfassung einer nationalen Wasserstoffstrategie mit Maßnahmen zur
     tiger, da die erneuerbare Stromproduktion stark steigen und damit                                     ­Nutzung der Gasinfrastruktur
     mehr wetterbedingte Unsicherheit ins System bringen wird. Die Spei-                                 • Sektorübergreifende Planung der Gas-, Wärme- und Stromnetze
     cherung von Strom in z.B. Batterien oder Pumpspeichern alleine bie-
     tet aufgrund der geringeren Energiemengen keine ausreichende Alter-                                Transformationspfad der Gasinfrastruktur für klimaneutrale Gasversorgung:
                                                                                                        Zeitplan und Schritte
     native zu saisonalen Gasspeichern. Künftig können die Gasspeicher
     auch Wasserstoff speichern.                                                                        Ab 2021: Einsatz von für Wasserstoff geeigneten Komponenten bei Routine-Tausch,
                                                                                                        Anpassung des Netzes an künftigen Wasserstoff-Transport, sukzessiver Ersatz von
                                                                                                        Erdgas durch Grünes Gas
     Energiewende, die wir uns leisten können                                                           2021/22: Evaluierung der Wasserstoffverträglichkeit des bestehenden Gasnetzes,
                                                                                                        Ermittlung von optimalen Einspeisepunkten ins Gasnetz für Biomethan und Was-
     Klar ist, dass der Anteil heimischer Wertschöpfung durch eine ver-                                 serstoff
     stärkte Produktion von Grünem Gas steigt. Es wird dezentral erzeugt,                               Bis 2040: Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und Anschluss an das europäi-
     kann einfach ins regionale Verteilnetz eingespeist und unsichtbar zu                               sche Wasserstoff-Fernleitungsnetz (H2-Backbone)
     den Kunden transportiert werden.                                                                   2040: Gasinfrastruktur garantiert eine 100 % klimaneutrale Energieversorgung mit
                                                                                                        Wasserstoff und anderen Grünen Gasen
        Den Schatz zu heben und die wertvolle Gasinfrastruktur richtig zu
     nutzen, ist jetzt Gebot der Stunde. Je früher man etwa beginnt, beim
     Tausch von Geräten oder Netzkomponenten bis zu 100 % wasserstoff-
     taugliche Produkte zu verwenden, desto günstiger wird der Übergang                                sichere und leistbare Energieversorgung. Die Einspeisung von Was-
     ablaufen. Die rund 900.000 heimischen Gasheizungskunden, eine                                     serstoff und anderen Grünen Gasen ins Gasnetz bietet hier die Mög-
     Million Fernwärmekunden bzw. 70.000 Industrie- und Gewerbebe-                                     lichkeit für eine große Treibhausgasemissions-Reduktion zu geringen
     triebe, die derzeit Erdgas verwenden, brauchen auch in Zukunft eine                               Systemkosten. ◂

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                                                                      zu 45°
                                                              n bis
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                                                                                                                                                                                       indli
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                                                                                                                                                                                   verb nzept
                                              Bö

                                                                                  BESTEHENDE LEITUNG

                                                                                                                                                                             t u n
                                                                                                                                                                         Jetz rungsko
       BESTEHENDE LEITUNG                                                                                                                                                 Sanie dern!
                                                                                                                                                                                r
                                                                                                                                                                           anfo
                    Grabenlose Sanierung von Druckrohrleitungen                                                          Außenschicht
                                                                                                                         abriebfeste PE-Umhüllung
                •   Große Einzugslängen von bis zu 2.500 m                                                                                                 Rädlinger primus line GmbH
                •   Schnelle Wiederinbetriebnahme                                                                     Gewebe                               Kammerdorfer Straße 16
                •   Verlängerung der Nutzungsdauer um mindestens 50 Jahre                                             Aramid                               93413 Cham, Deutschland
                •   Produktion, Engineering und Montage aus einer Hand                                             Innenschicht                            Tel.: +49 9971 8088-0
                •   Geringer Eingriff in die Landschaft                                                            auf PE-Basis                            info@primusline.com

                                                                                                                                                           www.primusline.com

     FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                                                                                                                                                       9
Sommer- Heft No1 - FORUM Gas Wasser Wärme
EN ER GIE F OR UM

                            Der Hoffnungsenergieträger
                            Eine aktuelle Studie untersucht die nötigen Voraussetzungen, um

                                                                                                                                                       shutterstock.com
                            eine florierende Wasserstoff-Wirtschaft aufzubauen. Wir fassen die
                            wichtigsten Punkte zusammen.

                            D    er französische Mitbegründer der Science Fiction-Li-
                                 teratur Jules Verne bezeichnete Wasserstoff bereits
                            in grauer Vergangenheit als „Kohle der Zukunft“. Andere
                                                                                         Von selbst wird die Versiebenfachung des Markts bei
                                                                                         gleichzeitiger Dekarbonisierung nicht geschehen. Wel-
                                                                                         che Werkzeuge braucht es also, um eine funktionierende
 Laying the
 foundations
 of a low carbon
                            sehen den vermeintlichen Alleskönner als das „Schwei-        Wasserstoff-Wirtschaft in die Gänge zu bringen?
 hydrogen
 market in                  zer Taschenmesser“ unter den Werkzeugen, die zum Bau            PricewaterhouseCoopers International ist ein globales
 Europe
 Hydrogen as the
                            einer dekarbonisierten Energiewelt benötigt werden.          Netzwerk unabhängiger Firmen, die auch in der Unter-
 cornerstone of
 energy transition
                            Doch Taschenmesser hin, Potenzial her – Anfang Juni          nehmens- und Management-Beratung tätig sind. Als Teil
                            wurde eine mediale Diskussion mit ministerieller Betei-      dieses Netzwerks hat „strategy&“ sich mit dieser Frage
                            ligung begonnen, die etwa unterstellte: Grünes Gas mag       beschäftigt und die Erkenntnisse unlängst in der Studie
                            samt Wasserstoff eine tolle Idee sein, doch gibt es nicht    „Laying the foundations of a low carbon hydrogen market
PwC-Studie „Laying the      genug davon. Und natürlich gibt es derzeit nicht genug       in Europe. Hydrogen as the cornerstone of energy tran­
foundations of a low car-   davon. Immerhin erwartet die International Energy Agen-      sition“ veröffentlicht. Das halbe Dutzend Autoren stammt
bon hydrogen market in      cy für ihr Sustainable Development Scenario, dass sich       aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, und mit
Europe. Hydrogen as the
                            der weltweite Bedarf allein an Wasserstoff bis 2070 mehr     Dr. Matthias Witzemann war auch ein Österreicher an der
cornerstone of energy
transition“ (2021)          als versiebenfachen wird. Dabei sieht die IEA den Bedarf     Erstellung beteiligt.
                            in diesem Szenario nicht in erster Linie in der Schwerin-       Einigkeit besteht darin, dass die 2020er-Jahre entschei-
                            dustrie (in Zukunft 15 % Anteil) wachsen, sondern vor al-    dend für den Weg in eine „grüne“ Zukunft sein werden,
                            lem als Treibstoff für Vehikel aller Arten (50 %). Auch in   manche bezeichnen sie auch schon als „Wasserstoff-Jahr-
                            der Stromerzeugung soll Wasserstoff seinen Platz haben       zehnt“. Um das Pariser Ziel einer Begrenzung der Klima-
                            (15 %), während das Heizen nicht als Hauptanwendungs-        erwärmung auf 1,5 °C und von „net zero“ zu erreichen,
                            gebiet (5 %) betrachtet wird.                                müsste sich die derzeitige Rate der Dekarbonisierung
                                                                                         verfünffachen – und zwar jedes Jahr bis 2030. Möglichst
                            Nicht klein, aber zu klein                                   „grüner“ Wasserstoff kann dabei eine wichtige Rolle spie-
                                                                                         len. Doch während die in diesem Zusammenhang zentra-
                            Schon heute ist das Wasserstoff-Business kein ganz klei-     le Brennstoffzelle sozusagen ein „alter Hut“ ist und schon
                            nes: Mit etwa 100 Milliarden US-Dollar ist der Markt der-    bei den ersten Mondlandungen vor einem halben Jahr-
                            zeit zu bewerten, noch werden 80 % des Gases in Raffi-       hundert zur Anwendung kam, stecken eine entsprechen-
                            nerien und der chemischen Industrie verbraucht. Regio-       de Wasserstoff-Industrie und die dafür notwendigen Ver-
                            nal ist Asien (48 %) der größte Verbraucher, gefolgt von     sorgungsketten noch in den Kinderschuhen.
                            Nord- und Südamerika (22 %) sowie Europa (18 %). So-            Zusammengefasst gilt es, Bedarf nach Wasserstoff in
                            lange Grünes Gas nicht entsprechend etabliert bzw. ge-       bestimmten Sektoren zu schaffen und ein globales Han-
                            fördert und das entstehende CO2 eingefangen wird, ist        delssystem zu errichten, um ihn mit CO2-armem Wasser-
                            Wasserstoff nur in der Anwendung sauber: Bei der Erzeu-      stoff zu decken. Die Regierungen müssen all das mit ei-
                            gung aus Kohle oder mittels Dampfreformierung von Erd-       nem starken und die (von der EU) gewünschte Entwick-
                            gas entstehen etwa 10 kg CO2 für jedes Kilo Wasserstoff.     lung fördernden Regelwerk ermöglichen.

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ENE RGIE FORUM

                          1              Baustein Nr. 1:
                                         Nachfrage schaffen
                                                                                          schen Reaktion entstehende CO2 eingefangen würde. Da-
                                                                                          mit könnte man wiederum mit Wasserstoff wichtige che-
                                                                                          mische Grundstoffe wie Methanol oder Ammoniak her-
                          Gleichzeitig mit dem wachsenden Wunsch nach CO2-ar-             stellen – ein gutes Beispiel dafür, wie sektorenübergrei-
                          men Energieträgern wird die Basis für mögliche Verbrau-         fende Kooperation zum Erfolg führen kann.
                          cher von Wasserstoff breiter. Dennoch sollten sich Regie-         Der Verkehr dürfte möglicherweise nicht nur wichtig,
                          rungen – so die Studienautoren – nicht auf alle Sektoren        sondern sogar der erste Sektor werden, in dem Wasser-
                          gleichzeitig stürzen, sondern einigen groben Richtlinien        stoff die Wettbewerbsfähigkeit erreicht. Besonders im
                          folgen: Zunächst empfiehlt sich die Konzentration auf           Schwerverkehr wird es kaum eine CO2-arme Alternative
                          Industriezentren, die anders schwer zu dekarbonisieren          geben, die etwa im Individualverkehr durch Elektroautos
                          sind und auch eine gewisse Größe sowie vorhandene In-           besteht.

                                                                                           2
                          frastruktur (z.B. Gasleitungen oder Häfen) mitbringen.
                          Weiters bieten sich Partnerschaftsmodelle für die Auf-                            Baustein Nr. 2:
                          teilung von Kosten und Risiken der Entwicklung an: Fir-                           Angebot an CO2-armem Wasserstoff erhöhen
                          menallianzen oder solche mit lokalen Regierungen.
                             Priorisiert werden sollten etwa Raffinerien. Sie verwen-     Noch besteht preislich ein Graben zwischen der ausgereif-
                          den heute schon eine Menge Wasserstoff und könnten mit          ten Kohlenstoff-basierten Technik und neuen, sauberen
                          der CO2-armen Variante umweltfreundliche Kraftstoffe er-        Wasserstoff-Technologien, den es zu überbrücken gilt. Da
                          zeugen.                                                         die Elektrizität bis zu 70 % der Kosten von „grünem Was-
                             Von niemandem bezweifelt wird die Notwendigkeit,             serstoff“ ausmacht, braucht es ausreichende und günsti-
                          die Stahlindustrie mittels Wasserstoff zu dekarbonisie-         ge Stromquellen. Laut Experten wird etwa 2030 ein Punkt
                          ren. Noch werden bei der Herstellung einer Tonne Stahl          erreicht sein, an dem Staaten so viel in Erneuerbare in-
                          1,85 Tonnen CO2 freigesetzt. Doch testet man bereits Me-        vestieren, dass Skaleneffekte die Kosten von erneuerba-
                          thoden, bei denen der Stahl gar nicht mehr „gekocht“            rer Energie auf unter 20 US-$/MWh senken. Inzwischen
                          werden muss. Vielmehr wird dabei dem Eisen in festem            muss die Elektrolyse effizienter werden, die Hersteller
                          Zustand Sauerstoff mit Hilfe von Wasserstoff entzogen.          sollten den Energieverbrauch von 55 kWh pro 1 kg Was-
                             Mit einer Mischung aus Wasserstoff und (Bio-) Methan         serstoff reduzieren – man hofft, auf 50 kWh zu kommen.
                          kann die Stromerzeugung in Gaskraftwerken dekarbo-              Sehr spannend könnte hier die Methanpyrolyse werden:
                          nisiert werden, die technischen Voraussetzungen dafür           Dabei entsteht sogenannter „türkiser Wasserstoff“ so-
                          bzw. nötige Anpassungen werden derzeit geprüft.                 wie fester Kohlenstoff. Da Letzterer auch in Zukunft auf
                             Ein interessanter Anwendungsfall dürfte die Zement-          dem Markt (z.B. für Reifen, Gummi, Baumaterialien) be-
                          industrie werden: Bei der Produktion fällt ein Drittel des      nötigt und daher verkauft wird, könnte bei entsprechen-
                          CO2 durch die nötige Erwärmung an. Dies könnte „grü-            der Preisentwicklung (von Kohlenstoff bzw. erneuerbarer
                          ner“ Wasserstoff erledigen, während das bei der chemi-          Energie) Wasserstoff sogar zum Nulltarif erzeugt werden!

                                                                                                                                                        4
                                                  13%                                            17%                                                    %
                                                                                                                                                18%

                                           18%        70 Mio. t     47%                                70 Mio. t     51%                               70 Mio. t      48%
                                                         H2                                               H2                                              H2
                                                                                             32%
                                                                                                                                                30%
                                                  22%
Quelle: strategy& / PwC

                                           Europa                 Asien                 Raffinerien                Chemische Industrie            Öl                Elektrolyse
                             Mittlerer Osten/Afrika               Amerika                  Andere                                              Kohle                Erdgas

                              Wasserstoff-Nachfrage nach Regionen (2020)            Wasserstoff-Einsatzbereiche (2020)                     Wasserstoff-Herstellung (2020)

                          FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                                                                                                                           11
EN ER GIE F OR UM

                    „Türkiser“ hat besonders dort Vorteile gegenüber „blau-      tieren, ist in Form von chemischen Verbindungen – etwa
                    em Wasserstoff“ (mit CCUS, d.h. CO2-Abscheidung und          als Methanol oder Ammoniak. Letzteres hat derzeit Kos-
                    Speicherung), wo CCUS nicht angewendet werden kann           tenvorteile, ist aber auch hochgiftig und setzt Stickoxide
                    oder soll – immerhin setzt CCUS noch einmal 55–80 $ pro      bei der Verbrennung frei.
                    Tonne CO2 zusätzlich auf die Rechnung, damit der fertige        Neben der Verteilung von Wasserstoff ist auch die Spei-
                    „blaue“ Wasserstoff als „grün“ durchgeht.                    cherung ein wichtiges Thema. Ehemalige unterirdische
                       Um ausreichend von vornherein „grünen Wasserstoff“        Erdgaslagerstätten sind dabei ebenso im Gespräch wie
                    aus Elektrolyse mit Ökostrom zu erzeugen, wird eine mas-     Salzkavernen, in denen ja teilweise ebenfalls bereits Erd-
                    sive Steigerung der Produktion nötig sein. 10 Mio. t Was-    gas gespeichert wird oder wurde. Beide Optionen sind
                    serstoff für Europa heißt: Kapazitäten in der Größen-        natürlich nicht überall verfügbar und manchmal geogra-
                    ordnung des gesamten jährlichen Stromverbrauchs von          fisch ungünstig gelegen, daher werden Alternativen (wie
                    Frankreich. Nicht unterschätzen sollte man auch den          z.B. die Speicherung in Aquiferen) zurzeit technisch ge-
                    Wasserbedarf: Laut Studie sind 22 Liter Wasser nötig, um     prüft. Generell gilt es dabei, Problemen wie Gasverlust
                    1 kg Wasserstoff herzustellen, das könnte in dichten In-     oder unerwünschten chemischen Reaktionen mit Mikro-
                    dustriegebieten mit sehr hohem Bedarf eventuell zu Ver-      organismen zu begegnen.

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                    sorgungskonflikten führen.
                       Solange insbesondere das Energieangebot in der ge-                   Baustein Nr. 4:
                    nannten Größenordnung noch nicht zur Verfügung steht,                   Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen
                    müsste also „blauer Wasserstoff“ eine wichtige Brücken-
                    funktion einnehmen. So soll unter dem Namen Zero Car-        Die zentrale Aufgabe von Regierungen besteht nun darin,
                    bon Humber ein klimaneutraler Industrie-Cluster in           den Markt mit einem passenden Regelwerk sowie finan-
                    Nord­england entstehen. Der Schlüssel ist CCUS-Techno-       ziellen Anreizen in Gang zu bringen und private Inves-
                    logie, mit der das anfallende CO2 unter der Nordsee ge-      toren zur Beteiligung zu motivieren. Ähnliches ist z.B. in
                    speichert wird.                                              Großbritannien bei der Etablierung von Offshore-Wind-

                    3
                                                                                 parks gut gelungen. Wichtig ist neben einer Strategie und
                               Baustein Nr. 3:                                   klaren Zielvorgaben, entsprechende strategische Inves-
                               Zusammenführen von Angebot und Nachfrage          titionen zu tätigen, die es sowohl Produzenten als auch
                                                                                 Konsumenten erleichtert, zu CO2-armem Wasserstoff zu
                    Jetzt sind die Bereiche Transport und Speicherung ge-        wechseln. Das könnte beispielsweise die direkte Subven-
                    fragt. Eine Transport-Option ist die Nutzung bestehender     tionierung von Anschaffungs- oder Betriebskosten bedeu-
                    Erdgasleitungen. Eine Beimischung von 10 % Wasserstoff       ten. Beschleunigende Wirkung dürfte die europäische Ei-
                    ist heute schon problemlos möglich, von 20 % mit ge-         nigung im Dezember 2020 haben, ein Important Project
                    ringfügigen Anpassungen. Darüber hinaus halten es die        of Common European Interest (IPCEI) für Wasserstoff zu
                    Netzbetreiber für – auch ökonomisch – sinnvoller, eine       begründen. Die kommenden Post-Corona-Programme
                    dezidiert für Wasserstoff geeignete Infrastruktur aufzu-     zur Ankurbelung der Wirtschaft sollten mit für Wasser-
                    bauen. In Europa wird die Errichtung eines Wasserstoff-      stoff reservierten Budgets Pilotprojekte fördern und die
                    „Backbone“ mit 23.000 km Länge (bis 2040) geplant. Da        genannten Anreize schaffen, solange die neue Technolo-
                    der Bedarf an konventionellem Erdgas künftig sinken          gie noch nicht wettbewerbsfähig ist – also bis ca. 2030.
                    wird, könnten drei Viertel davon aus optimierten, ehe-          Die regulatorische Seite wird die Entwicklung mit einer
                    maligen Erdgasleitungen bestehen, der Rest wäre neu zu       Erhöhung des CO2-Preises, EU-Einfuhrzöllen, verpflich-
                    bauen. Die Kosten dürften sich auf ca. 64 Mrd. € belaufen.   tenden Zielen und Anteilen für die Nutzung von Wasser-
                       Neben Pipelines käme auch der Transport von kompri-       stoff unterstützen. Während die Ausgestaltung der öster-
                    miertem Wasserstoff in Betracht, allerdings kann damit       reichischen Strategie noch abgewartet werden muss, ha-
                    aufgrund der geringen Energiedichte keine ausreichend        ben andere Länder bereits bedeutende Summen für den
                    große Energiemenge befördert werden. Die Verflüssigung       Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft bis 2030 eingeplant:
                    von Wasserstoff bei -253 °C wiederum ist mit großem Auf-     Deutschland und Spanien je 9 Mrd. €, Frankreich und
                    wand verbunden und wird möglicherweise für Flugzeug-         Portugal je 7 Mrd. €. Ob die Bausteine, die damit bewegt
                    und Raketen-Treibstoff in Frage kommen. Eine weitere         werden sollen, richtig zusammenfinden, werden wir am
                    Möglichkeit, Wasserstoff in großen Mengen zu transpor-       Ende des „Wasserstoff-Jahrzehnts“ wissen. ◂

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„Volle Energie für den
 K li m a schutz ist un s se h r w icht ig .
Aus Liebe zur Natur.“
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EN ER GIE F OR UM

Russlands Gratwanderung
Im Spannungsfeld von Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik hat
Russland seine Energiestrategie angepasst. Was ist zu erwarten?

R    usslands Energiepolitik basiert auf dem Bedürfnis nach einem
     Ausgleich zwischen der Lösung der Klimaprobleme und der Ver-
sorgung der Wirtschaft und Bevölkerung mit leistbaren Energieträ-
                                                                          Eine sichere Folge von Erwärmung wird bereits sichtbar: Die bis-
                                                                        her dauerhaft gefrorenen Böden beginnen mancherorts zu tauen. Und
                                                                        Permafrostböden machen fast zwei Drittel der russischen Landmas-
gern.“ Dies sagte der Generaldirektor der russischen Energieagen-       se aus – zum Vergleich: Eine Fläche, so groß wie die USA plus drei
tur, Alexej Kulapin, Ende März auf einer GECF-Veranstaltung in Doha.    Mal Deutschland, ist tiefgekühlt. Beim Auftauen werden Unmengen
Hinter diesem wenig überraschenden Satz verbirgt sich ein Berg an       von Treibhausgasen freigesetzt, andererseits gerade die russischen
umwelt- und energiepolitischen Fakten, welcher der Ausdehnung des       Schlüsselindustrien gefährdet. Infrastrukturen, ja ganze Städte könn-
größten Landes der Erde gerecht wird. Nicht nur dieses selbst wird      ten im Schlamm versinken, Pipelines instabil werden.
mit Energieträgern versorgt, der (2018) drittgrößte Ölproduzent und
zweitgrößte Gasproduzent ist (inkl. Kohle) der weltgrößte Exporteur     Zentrale Einnahmequelle
im Energiebereich.
                                                                        Man kann also davon ausgehen, dass Bewusstsein für Klimaproble-
Grad-Wanderung: Es geht nach oben                                       me in Russland besteht. Ob dafür der Mensch verantwortlich ist, steht
                                                                        für viele allerdings auf einem anderen Blatt – in einem Land, in dem
Gleichzeitig ist der eurasische Gigant auch besonders stark von Symp­   der Energiesektor eine wahrlich herausragende Rolle spielt. Etwa 20
tomen betroffen, als deren Ursache der Klimawandel gilt: Verheeren-     % der Wirtschaftsleistung gehen darauf zurück. Noch lauter sprechen
de Wald- und Torfbrände hüllten Moskau schon 2010 in dichte Rauch-      die Zahlen der staatlichen Einnahmen: Rund 40 % des russischen
schwaden. Solche Brände wiederholten sich, so wurde im Sommer           Haushalts und fast zwei Drittel der Exporte sind auf Ölprodukte und
2019 eine Fläche abgefackelt, die etwa zwei Mal Niederösterreich ent-   Erdgas zurückzuführen, der Anteil schwankt freilich vor allem mit
spricht. Für die Bekämpfung der Flammen war kaum genug Wasser           dem auf dem Weltmarkt zu erzielenden Ölpreis. Während Russland
aufzutreiben, was Menschen dort als zusätzlichen Hohn von oben          oft in Verbindung mit Gas genannt wird, sind die Öl-Erlöse in Wirk-
auffassen konnten. Denn die Region um Irkutsk war zuvor im selben       lichkeit etwa vier Mal so hoch. Dennoch interessiert auch uns hier die
Jahr von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht worden. Dammbrü-       Entwicklung im Gasbereich. Immerhin bezieht die EU etwa 40 % ih-
che und Überschwemmungen waren die Folge, Tausende wurden ob-           res Erdgasbedarfes aus Russland, in Österreich liegt der Anteil noch
dachlos. Ob diese Wetterkapriolen nun direkt auf den Klimawandel        etwas höher. Auch angesichts der ehrgeizigen europäischen Ziele in
zurückzuführen sind, sei dahingestellt. Die Erwärmung ist in Russ-      Richtung Dekarbonisierung der Energielandschaft ist interessant,
land jedenfalls stärker spürbar als anderswo. Nach der Hitzewelle von   was sich der größte Exporteur „fossiler“ Energieträger vorgenommen
2019 brachte auch das Jahr 2020 Wetter zum Staunen: Mehr als ein        hat. Nachzulesen ist das in der (seit 1995) vierten Energiestrategie, die
halbes Jahr lang blieben die sibirischen Temperaturen konstant sie-     ihre letzte Fassung im April 2020 erhalten hat.
ben (!) Grad über dem Durchschnitt. Während Klimaforscher noch
über die Ursache rätseln, wird vermutet, dass Veränderungen des Jet-    Energiestrategie bis 2035
streams dafür verantwortlich sind – also schwankende Luftströmun-
gen, die wiederum mit der Klimaerwärmung zu tun haben sollen.           Alexej Kulapin bekräftigte, dass Russland die Anstrengungen der

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ENE RGIE FORUM

                                                                                                                                                     shutterstock.com
Weltgemeinschaft, den Klimawandel einzudämmen, „voll“ unterstüt-           Europa gedacht: „Russland kann sowohl für den europäischen als
ze. Im November 2020 habe Präsident Putin ein Dekret unterzeichnet,        auch für den Asien-Pazifik-Markt Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen
mit dem die russischen THG-Emissionen gemäß dem Pariser Klimaab-           Preisen liefern. Die Kosten für die Produktion von Low-Carbon-Was-
kommen gesenkt werden sollen. Ob der Anteil von Energieträgern mit         serstoff aus Erdgas betragen in Russland 1–1,5 US-$ pro Kilogramm,
niedrigen Emissionen an der russischen Stromproduktion tatsächlich         während Wasserstoff aus Elektrolyse auf 3,5–4 $/kg kommt.“
bei 80 % liegt, kann man auch anders beurteilen, denn Kulapin zählt
hier auch Dampf- und Kernkraftwerke dazu. Wirklich erneuerbar wür-         Umweltschutzzölle
de man hierzulande wohl rund 17 % der Produktion sehen, die mittels
Wasserkraft erfolgt. Immerhin habe man 2020 bereits mehr Kapazitä-         Fraglich ist, ob dann nicht ausschließlich „grüner Wasserstoff“ ge-
ten auf regenerativer Basis (Wind, Sonne) errichtet als traditionelle –    fragt sein wird. Diskutiert werden Technologien, die Wasserstoff aus
1,2 GW. Auch die Infrastruktur für umweltfreundliche Gasfahrzeuge          Erdgas gewinnen und das anfallende CO2 einfangen, speichern oder
wurde verbessert: 2018-2020 gingen 250 Tankstellen in Betrieb, eine        weiter verwerten („blauer Wasserstoff“), alternativ steht Methanpyro-
Steigerung um 60 %. Sicher richtig ist die Konzentration auf „eine Po-     lyse zur Debatte, bei der fester Kohlenstoff abfällt („türkiser Wasser-
litik, die auf die Verbesserung der Energieeffizienz in Produktion und     stoff“). Gleichfalls diskutiert wird in der EU, wie man „Carbon Leaka-
Verbrauch abzielt“, hier orten Experten großes Potenzial. Der weitere      ge“ verhindern kann. Darunter ist zu verstehen, dass die Produk-
Ausbau von Technologiezentren und Produktionsstätten für erneuer-          tion in Länder mit weniger strengen Umweltauflagen verlagert wird
bare Energie soll ebenso folgen wie Verbesserungen der Ausbildung          und diese Produkte dann womöglich importiert werden. Damit wäre
des Personals sowie bei der Fernsteuerung von Anlagen.                     dem globalen Klima natürlich nicht geholfen. Es ist also angedacht,
   Bis eine erneuerbare Energielandschaft erreicht ist, bleibt aber – so   ein Grenzausgleichssystem einzuführen, das zusätzliche Abgaben
Kulapin – Gas der sauberste Energielieferant. Deshalb wird Russland        für derartige Produkte einhebt und an das Emissionshandelssystem
weiter ausbauen und diversifizieren – sowohl regional als auch, was        (ETS) angelehnt ist. So logisch das für Umweltbewegte klingen mag,
die Arten von Gas betrifft. Genannt wurden die Pipeline-Projekte Po-       so sehr klingt es für Länder wie China oder die USA nach „Schutzzöl-
wer of Siberia 1 und 2 (mit China), Turkish Stream und Nord Stream 2       len“. Nicht zuletzt deshalb trat im April 2021 Kommissions-Vizeprä-
(mit Europa).                                                              sident Frans Timmermans bei einem Ausschuss des US-Kongresses
   Potenzial hat flüssiges Erdgas (LNG): Die derzeitige jährliche Pro-     an, um entsprechende Sorgen zu zerstreuen. Ob das Argument, man
duktion von 30 Millionen Tonnen soll sich bis 2035 auf ca. 80–140          würde so ein System ohnehin nicht anwenden, wenn sich alle Länder
Mio. t vervielfachen und wird wohl vor allem in Asien landen. Für Eu-      an ihre Versprechungen halten, dort und auch in einem Telefonat des
ropa, das rund 200 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr vom Marktführer bezieht,        chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit der deutschen Kanzlerin An-
könnte die russische Erzeugung von Wasserstoff interessant werden.         gela Merkel gut angekommen ist? Von russischer Seite ist man jeden-
Dazu äußerte sich Kulapin optimistisch, wenn auch die möglichen            falls derzeit bemüht, selbst ein System von Zertifikaten für „grüne“
Mengen in naher Zukunft noch eher überschaubar ausfallen: Die rus-         Produkte einzuführen. Ob diese dann in Europa anerkannt werden,
sische Energiestrategie rechnet mit einem Export von 7 Mio. t bis 2035     wird mit Sicherheit – wie die gesamte Problematik – Gegenstand in-
und 33 Mio. t bis 2050, allerdings ist auch diese Menge nicht nur für      tensiver Verhandlungen sein. ◂

FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                                                                                                                  15
EN ER GIE F OR UM

Europa erreicht einen neuen Meilenstein
in der Gasbetankungsinfrastruktur
Gasmobilität: Markt mit großem Potenzial dank wachsendem Anteil an erneuerbarem Gas

E

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    nde April 2021 hat das schnell wachsende Gastankstellennetz in
    Europa den Meilenstein von 4.000 CNG- und 400 LNG-Tankstellen
erreicht. Diese Stationen sind von entscheidender Bedeutung, da sie
in der Lage sind, Europas Gasmobility-Flotte zu unterstützen, mit ei-
nem rasch wachsenden Anteil an Biomethan.
   Gleichzeitig hat die Natural & Bio Gas Vehicle Association (NGVA
Europe) die Zulassungszahlen für Gasfahrzeuge im vergangenen Jahr
veröffentlicht, die das kontinuierliche und anhaltende Wachstum die-
ser nachhaltigen Mobilitätslösung verdeutlichen. Neben den Neuzu-
lassungen von Bussen sind vor allem LNG-betriebene Lkw die größ-
ten Gewinner.
   Gas im Verkehr ist unser Katalysator für Klimaneutralität und für
das Erreichen der ambitionierten Ziele des europäischen Green Deals.
Die neuesten Zahlen von NGVA Europe zeigen, dass sowohl die Infra-
struktur als auch die Neuzulassungen von Fahrzeugen den notwendi-            Gas-Tankstellen in Europa: Netz von 4.000 CNG- und 400 LNG-Stationen
gen Übergang zur klimaneutralen Mobilität unterstützen.
   Die Erdgasinfrastruktur und Erdgasfahrzeuge sind vollständig kom-
patibel mit erneuerbarem Gas und sind daher wirkungsvolle Wegbe-
reiter für eine drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen.      Fahrzeugzulassungen 2020
Die Erdgasmobilität stellt heute den kosteneffizientesten Ansatz zur
Dekarbonisierung des Verkehrssektors und zur Erreichung der Zwi-        Während das Tankstellennetz drastisch wächst, verzeichnete NGVA
schenziele für 2030 und 2050 dar.                                       Europe trotz der Covid-19-Pandemie auch eine beträchtliche Anzahl
                                                                        von Gasfahrzeugzulassungen. Im Vergleich zu 2019 gab es zwar ins-
4.000 CNG- und 400 LNG-Stationen in Europa                              gesamt weniger Neuzulassungen von gasbetriebenen Fahrzeugen,
                                                                        aber dies spiegelt sich in der Statistik für den gesamten Fahrzeugsek-
Seit 2020 wurden in Europa etwa 300 neue CNG-Stationen errichtet,       tor ­wider.
was einem Wachstum von 8,1 % entspricht. Gleichzeitig wuchs die
Anzahl der LNG-Stationen von etwa 250 auf 400, was ein massives         Angemessene Gesetzgebung durch die EU
Plus von 60 % bedeutet (dieser enorme Zuwachs spiegelt sich in den
entsprechenden Zulassungen von LNG-Fahrzeugen wider). Der öster-        Diese Zahlen zeigen, dass die Gasmobilität ein sich schnell entwi-
reichische Anteil liegt bei 150 CNG- und 2 LNG-Tankstellen.             ckelnder Markt ist, der dank eines stetig wachsenden Anteils an er-
  Im Jahr 2020 lieferten von allen Gastankstellen in Europa bereits     neuerbarem Gas ein großes Potenzial hat, den Straßenverkehr schnell
mehr als 25 % Biomethan. Dies entspricht einem Anteil von durch-        und kostengünstig zu dekarbonisieren. Nun muss dieses Potenzial je-
schnittlich 17 % des gesamten Gases, das als Transportkraftstoff ver-   doch von der Europäischen Union anerkannt und mit einer angemes-
wendet wird, und der täglich weiter wächst. Bis 2030 werden im euro-    senen Gesetzgebung weiter unterstützt werden, damit die Gasmobili-
päischen Durchschnitt 40 % Biomethan zur Verfügung stehen, um die       tät ihre Rolle beim Übergang zum kohlenstoffneutralen Verkehr voll
gesamte NGV-Flotte anzutreiben, die derzeit schätzungsweise mehr        ausspielen kann.
als 13 Millionen Fahrzeuge umfasst. Dies wird zu einer Reduzierung        Vor diesem Hintergrund zeigt sich die NGVA Europe zuversichtlich,
der Treibhausgasemissionen um insgesamt 55 % führen. NGVA Euro-         dass die Europäische Kommission die Notwendigkeit der Unterstüt-
pe schätzt, dass es bis dahin etwa 10.000 CNG- und 2.000 LNG-Tank-      zung dieser europäischen Technologie durch die anstehende Überar-
stellen in Europa geben wird.                                           beitung von Schlüsselgesetzen zur Zukunft des Verkehrs, einschließ-

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ENE RGIE FORUM

lich der CO2-Emissionsverordnung für Pkw und Transporter sowie der
Richtlinie über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, akkredi-
tieren wird.
   Der Generalsekretär von NGVA Europe, Dr. Jens Andersen, resü-
miert: „Die neuen Zahlen zeigen, dass 2020 ein weiteres Schlüssel-         Weitere Informationen
jahr mit einem Anstieg sowohl bei den Fahrzeugzulassungen als auch
                                                                           https://www.acea.be/press-releases/article/fuel-types-of-new-cars-electric-10.5-
beim Ausbau der Infrastruktur war, was die stetig wachsende Attrakti-      hybrid-11.9-petrol-47.5-market-share-f
vität der Gasmobilität für die europäischen Verbraucher bestätigt. Sie     https://www.acea.be/press-releases/article/fuel-types-of-new-buses-electric-6.1-
treffen diese Wahl aus gutem Grund: Die Gasmobilität ist eine ausge-       hybrids-9.5-diesel-72.9-market-share-i
reifte Technologie, die nicht nur eine hohe Motoreffizienz und -leis-      https://www.acea.be/press-releases/article/fuel-types-of-new-trucks-diesel-96.4-
tung, eine weit verbreitete Infrastruktur und niedrige Gesamtbetriebs-     electric-0.5-alternative-fuels-2.9-mar
kosten (TCO) aufweist, sondern auch große Vorteile für die Umwelt.“◂

                                        Norwegen:
                                        Biogas wird Elektro und H2 gleichgestellt
                                        Das Vorzeige-Elektroautoland Norwegen zeigt, wie zukünftige klimaschonende Mobilität für alle
                                        geht, und setzt deshalb auf Technologieoffenheit. Der Kraftstoff Bio-CNG wird dem Elektro- und
                                        Wasserstoff-Antrieb gleich gestellt.

N    orwegen gilt weltweit als das Paradebeispiel, wie man die Elekt-
     romobilität fördern und ihr zum Durchbruch verhelfen kann. Der
skandinavische Staat, der durch Öl- und Gasförderung reich wurde,
                                                                          che Voraussetzungen für den Antrieb mit Biogas, Strom und Wasser-
                                                                          stoff geschaffen und zeigt sich klar technologieoffener als andere Na-
                                                                          tionen.
betrieb in den letzten Jahren ein umfangreiches Förderprogramm und           Terje Halleland, der umweltpolitische Sprecher der norwegischen
erließ Elektroautokäufern die Motorfahrzeugsteuer und beim Kauf           Progress Party, sagt dazu: „Es wurde genug über Biogas geredet. Jetzt
sogar die Mehrwertsteuer. Zudem durfte man in der Hauptstadt Oslo         ist Zeit zum Handeln.“ Auch Ruth Grung von der Arbeiterpartei zeigt
kostenlos seinen Wagen aufladen, kostenlos parken und die meist           sich zufrieden mit der Entscheidung: „Es macht wirklich Spaß, dass
freien Busspuren benutzen.                                                wir dies geschafft haben.“ Applaus gibt es nicht nur in Norwegen
   Nun hat das Parlament des elektrofreundlichen Landes einen weg-        selbst, sondern kommt auch aus Schweden. Maria Malmkvist, Ge-
weisenden Entscheid getroffen, den sich andere Staaten weltweit           schäftsführerin von Energigas Schweden, erklärt: „Das ist fantastisch
ebenfalls zum Vorbild nehmen sollten: Die Norweger stellen Biogas,        für die norwegische Biogasindustrie und für Norwegens Umwelt- und
Wasserstoff und Elektro gleich und setzen somit ein deutliches Signal     Klimaarbeit. Jetzt können wir hoffen, dass die schwedische Regierung
für Technologie­offenheit.                                                und die EU unserem Nachbarn den Rücken stärken und diesem guten
   Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier folgten dabei einer         Beispiel folgen.“
Empfehlung des Umweltausschusses und beseitigten unter anderem               Der Parlamentsentscheid dürfte die bereits heute im Wachstum be-
Hindernisse für Biogasproduktion. Der Beschluss besteht aus meh-          findliche Biogasindustrie Norwegens weiter voranbringen. Biogasun-
reren Teilen und soll unter anderem zu einer schnelleren Antragsbe-       ternehmen haben dabei vor allem die Kreislaufwirtschaft in der Land-
arbeitung für Investitionszuschüsse für Tankstellen und für Biogas-       wirtschaft, aber auch in der Fischindustrie im Fokus. Dort können die
LKW führen. Zudem werden Biogasfahrzeuge bei allen Umweltzielen           Produkte dank Biogas nicht nur CO2-neutral vom Hersteller zum Kun-
und -plänen der norwegischen Regierung – und zwar künftigen und           den transportiert werden, sondern Gülle oder anfallende organische
auch bereits beschlossenen – mit emissionsfreien Fahrzeugen gleich-       Reststoffe können gleich wieder zur Produktion von Biogas genutzt
gestellt. Damit hat ausgerechnet der Elektro-Pionier Norwegen glei-       werden und so den Kreislauf schließen. ◂

FORUM GAS WASSER WÄRME 3/2021                                                                                                                            17
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