T akte - Bärenreiter Verlag
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[t]akte Das Bärenreiter-Magazin Ernst von Siemens Musikpreis 2018 1I2018 für Beat Furrer Händel und Rameau: Wiederentdeckungen Informationen für Bühne und Orchester Spontinis „Agnes von Hohenstaufen“ Dvořáks VIII. Symphonie in Neuedition
[t]akte 6 9 12 14 Bereit für die Bühne Psychogramme in neuartiger Unmögliches Kunstwerk mit Nie wieder Neapel! Händels Serenata „Parnasso Intensität hohem Anspruch Die erste Ausgabe von Donizettis in festa“ in der Hallischen Die Spätfassung von Georg Gaspare Spontinis „Agnes von Oper „Caterina Cornaro“ Händel-Ausgabe Bendas Melodram „Medea“ Hohenstaufen“ vor der Wieder- aufführung in Erfurt Die Tragedia lirica „Caterina Händels Serenata „Parnasso in Am Anfang des schmalen Tradi- Cornaro“ von Gaetano Doni- festa“ ist ein echtes Pasticcio tionsfadens des Melodrams ste- Eine deutsche Oper aus dem zetti wurde am 18. Januar 1844 mit vielen Wiederverwendun- hen „Ariadne“ und „Medea“ von Geiste des Kosmopolitismus, im Teatro San Carlo zum ersten gen aus vorhandenen Werken. Georg Benda. Die Spätfassung das ist die 1827 in Berlin ur- Mal aufgeführt. Mehr als 170 Dennoch lohnt sich eine sze- von „Medea“ ist in der Reihe aufgeführte Oper „Agnes von Jahre danach erscheint sie nische Aufführung, wie sie im „OPERA“ herausgekommen und Hohenstaufen“ von Gaspare erstmals in einer zuverlässigen Rahmen der Händel-Festspiele bietet die Grundlage zu einem Spontini. Nun nimmt sich das Edition. Halle in Bad Lauchstädt ge- intensiven Theatererlebnis. Theater Erfurt des spektakulä- plant ist. ren Werks an. Oper Oper Oratorium / Orchester Oratorium / Orchester Oper mit Faden Unmögliches Kunstwerk mit Mit Chor oder Solisten Was hinter den Noten steht Händels „Arianna in Creta” 5 hohem Anspruch Händels „Te Deum“ aus dem Neue Aspekte zur Interpretation Gaspare Spontinis „Agnes von Jahr 1718 4 von Mendelssohns e-Moll-Violin- Bereit für die Bühne Hohenstaufen“ vor der Wieder- konzert 16 Händels Serenata „Parnasso aufführung in Erfurt 12 Psychogramme in neuartiger in festa“ in der Hallischen Intensität Die Quellen der „Romantischen“ Händel-Ausgabe 6 Nie wieder Neapel! Die Spätfassung von Georg Die zweite Fassung der IV. Sym- Die erste Ausgabe von Donizettis Bendas Melodram „Medea“ 9 phonie in der Neuen Anton Ein Kreis schließt sich Oper „Caterina Cornaro“ 14 Bruckner Gesamtausgabe 17 Händels „Berenice“ in der Geistreich, farbig, witzig Hallischen Händel-Ausgabe 7 Johann Joseph Röslers wieder- Von Fehlern und Vermutungen entdecktes Klavierkonzert in gereinigt „Pamina, wo bist du?“ Es-Dur 11 Antonín Dvořáks Achte Ein unbekanntes Duett zu Symphonie 18 Mozarts „Zauberflöte“ 10 Ein brillantes Frühwerk 25 Jahre nach der Wiederauf- Luftig, originell, transparent führung der „Messe solennelle“ Antonín Dvořáks Klavierkonzert von Hector Berlioz 15 in g-Moll op. 33 19 Ein bante 2 [t]akte 1I2018
1I2018 16 18 20 22 Was hinter den Noten steht Von Fehlern und Vermutungen „Gestalter der Gegenwart“ Rückblick – Ausblick Neue Aspekte zur Interpre- gereinigt Ernst von Siemens Musikpreis Drei Fragen an Miroslav Srnka tation von Mendelssohns Antonín Dvořáks an Beat Furrer e-Moll-Violinkonzert VIII. Symphonie Nach dem Meilenstein seiner Beat Furrer wird für sein Le- Oper „South Pole“ für Mün- Um Musik früherer Jahr- In den vorhandenen Ausgaben benswerk mit dem Ernst von chen ist Miroslav Srnka gefragt hunderte authentisch zu ist Antonín Dvořáks VIII. Sym- Siemens Musikpreis 2018 aus- wie nie. Einem großen Porträt spielen, muss man die Aus- phonie in vielen Details fehler- gezeichnet. Die Verleihung bei den „Dialogen“ in Salzburg führungskonventionen der haft überliefert. Mit Jonathan findet am 3. Mai 2018 im folgte die Uraufführung sei- Entstehungszeit kennen. Ein Del Mars Neuedition liegt Münchner Prinzregententhea- nes Streichquartetts „future sensationeller Fund revidiert jetzt eine Ausgabe vor, die ein ter statt. family“. Neue Orchester- und unsere Sicht auf Mendelssohns Höchstmaß an Verlässlichkeit Musiktheaterkompositionen Violinkonzert. bietet. erscheinen am Horizont. Neue Musik Neue Musik Publikationen / Termine Titelbild „Gestalter der Gegenwart“ „para descubrir“ Neue Aufnahmen 28 Beat Furrer, Träger des Ernst von Siemens Musikpreis Drei Fragen an Philipp Ernst von Siemens Musik- an Beat Furrer 20 Maintz 25 Neue Bücher 29 preises 2018 (Foto: EvS Musikstiftung/ Schwarz auf schwarz Dinnerparty in einer albtraum- Festspielsommer 2018 30 Manu Theobald) Beat Furrers neues Orchester- haften Welt werk für das RSO Wien 21 Die Oper „The Exterminating Termine April–Oktober 2018 32 Angel“ von Thomas Adès 26 Übersetzungen Rückblick – Ausblick Drei Fragen an Miroslav Vielschichtige Hommage an S. 4, 18, 26: Anna-Lena Srnka 22 Alessandro Stradella Bulgrin Salvatore Sciarrinos Oper S. 8: Annette Thein Matthias Pintscher – aktuell 23 „Ti vedo, ti sento, mi perdo“ 27 S. 14, 16: Friedrich Sprondel S. 15: Louis Lindenborn „Ferne Begegnung. Trois S. 27: Christine Anderson Adieux für Ludwig van B.“ Drei Fragen an Charlotte Seither 24 Manfred Trojahn – aktuell 24 [t]akte 1I2018 3
[t]akte Unter den geistlichen Werken Händels zählt das „Te Deum“ für James Brydges auf Cannons zu den Mit Chor oder Solisten weniger bekannten. Nun ermöglicht die Edition in der Gesamtausgabe wieder authentische Auffüh- Händels „Te Deum“ aus dem Jahr 1718 rungen. Die neue Edition von Friedrich Händels Te Deum in mit „Contin:“ bezeichnet ist, während eine Instrumen- B-Dur HWV 281, das in der Hallischen Händel-Ausga- tenangabe fehlt. Anderweitige Quellen belegen, dass be III/7 erscheint, wird Wissenschaftlern, Interpreten mindestens ein Cellist an der Uraufführung beteiligt und Musikliebhabern ein wichtiges, aber unbekanntes war. Es gibt jedoch Hinweise darauf, Werk verfügbar machen. Es wurde 1718 für die Kapelle dass auch ein Kontrabass und ein Fa- von James Brydges, damals Graf von Carnarvon und gott verwendet worden sein könnten. später Herzog von Chandos, komponiert und auf Bryd- Ein handschriftlicher Stimmenauszug ges‘ Landsitz Cannons, von dem es seinen Beinamen mit der Aufschrift „Contrabasso“, „Cannons“ erhielt, erstmals aufgeführt. In den fol- der kurz nach der Urauf führung genden 300 Jahren gab es nur wenige Aufführungen, entstand und offenbar für die Biblio- was hauptsächlich seiner ungewöhnlichen Besetzung thek auf Cannons vorgesehen war, zuzuschreiben ist, die unter anderem zwei Violinen, wurde als Grundlage für Angaben aber keine Viola, eine Trompete nur in einem einzigen des Herausgebers zu seinem Gebrauch Satz und ein Vokalensemble aus Sopran, drei Tenören herangezogen, die in der Partitur der und Bass vorsieht. Diese schmale Aufführungstradition HHA enthalten sind. Vorschläge zur sollte sich mit Veröffentlichung der neuen Ausgabe Verwendung eines Fagotts sind dem verbreitern, für die Bärenreiter auch Klavierauszug Vorwort zu entnehmen. und Aufführungsmaterial herausbringt. Die zweite Frage ist, wie moderne Die Herausgabe dieses Werkes war unkompliziert. Aufführungen mit Chor zu ermögli- Die autographe Partitur ist vollständig erhalten, der chen sind. Auf Cannons wurde jeder Notentext im Allgemeinen deutlich. Schwierige Pas- Vokalpart höchstwahrscheinlich von sagen wurden mit der Hilfe von Annette Landgraf von einem einzelnen Sänger gesungen Michael Dahl: Porträt von James Brydges, 1. Duke of Chandos der Redaktion der Hallischen Händel-Ausgabe entziffert. – auch wenn es möglicherweise bis (1673–1744), Händels Auftraggeber Da das Te Deum für Cannons kein weiteres Mal unter zu drei Knaben für den Sopran gab. der Leitung des Komponisten aufgeführt wurde, gibt Händels „Solo“-Angaben in einzelnen Stimmen sollten es keine späteren Revisionen und Überarbeitungen zu den Sängern wohl anzeigen, dass sie dort entweder beachten. allein oder in reduzierter Ensemblebesetzung sangen. In erster Linie bestand die Herausforderung darin, Glücklicherweise sind Händels „Solo“-Bezeichnungen eine kritische Ausgabe zur Verfügung zu stellen, die sehr zweckmäßig, wenn mehr Sänger zur Verfügung auch für Interpreten hilfreich ist. Dabei wurde das stehen. In der Edition der HHA erscheint die Herausge- Augenmerk auf zwei Punkte gerichtet. Der erste hat mit berangabe „Chorus“ dort, wo das gesamte fünfstimmi- der instrumentalen Basslinie zu tun, die im Autograph ge Ensemble singt, unabhängig davon, wie viele Sänger es umfasst. Graydon Beeks Georg Friedrich Händel Te Deum für Cannons B-Dur HWV 281. Hrsg. von Graydon Beeks. Hallische Händel-Ausgabe III/7 Erstaufführung nach der Edition: 29.5.2018 Halle (Händel-Festspiele), Grace Davidson (Sopran), Charles Daniels (Tenor), Nicholas Mulroy (Tenor), Benedict Hymas (Tenor), Edward Grint (Bass), London Handel Orchestra, Leitung: Adrian But- terfield Besetzung: Flauto dolce, Oboe, Tromba, Violino I, II, Bassi (Vc, Kb, Org) – Chor oder Soli: STTTB Verlag: Bärenreiter. BA 10708, Klavierauszug und Aufführungsmaterial käuflich Die Südfront des Schlosses von Cannons in Middlesex. Kupferstich 1739 4 [t]akte 1I2018
1I2018 Eine verwirrende Handlung mit glücklichem Aus- gang – das ist Barockoper, das ist Händel. So auch Oper mit Faden „Arianna in Creta“. Darin bieten sich auf der Basis der Hallischen Händel-Ausgabe vielfältige Mög- Händels „Arianna in Creta” lichkeiten für die Bühne. Arianna in Creta war die letzte Oper, die Händel für findet und den General Tauride besiegt. Arianna wird die Second Academy schrieb. Das Konkurrenzunter- von Minos als Pfand festgehalten. nehmen, die Opera of the Nobility, führte am 29. De- Die Oper beginnt mit der Ankunft der Opfer unter zember 1733 Arianna in Nasso (Libretto Paolo Rolli) im der Führung von Teseo, der Arianna gewinnen möch- Theater in Lincoln’s Inn Fields unter der Leitung von te, indem er die Bedingung für die Beendigung des Nicola Porpora auf. Die Uraufführung von Händels Vertrages erfüllt. Die Jungfrau Carilda verliebt sich Oper fand am 26. Januar 1734 im King’s Theatre am in Teseo, die aber wiederum schon lange von Alceste Haymarket statt. geliebt und außerdem sofort nach ihrer Ankunft von Die Rolle des Teseo hatte er für seinen neuen Kastra- Tauride begehrt wird. Arianna lehnt es ab, dass Teseo ten Giovanni Carestini geschrieben, den er 1729 in Rom kämpft und wirft ihm mangelnde Liebe vor. Alceste gehört hatte. Er traf jedoch erst im Herbst 1733 in London zieht das Los für das erste Opfer – auf ihm steht Carildas ein, nachdem Händel die Komposition fertig hatte. Ca- Name. Auch er kann Teseo nicht vom Kampf abbringen. restinis Stimme war tiefer geworden, so dass Händel Arianna erfährt, wie Teseo siegen kann und hilft ihm, fast alle Arien seiner Partie nach unten transponieren obwohl sie denkt, er sei ihr untreu und liebe Carilda. musste. Au ßerdem bea n- Tauride versucht, Carilda zu spruchte der Star mehr Arien. erpressen: Wenn sie nicht Das zog umfangreiche Ände- seine Gemahlin werden will, rungen der Urfassung nach wird er sie entehren. Mit Al- sich. Carestini erhielt sieben cestes Hilfe entflieht sie ihm. Arien und zwei Duette, dafür Minos bestimmt Arianna wurde die Partie des Alceste als Ersatzopfer. Teseo tötet um eine Arie auf vier gekürzt. den Minotaurus, findet mit Besondere Höhepunkte der dem Ariadnefaden aus dem Oper sind die glänzende Arie Labyrinth und unterwirft „Qual leon“ mit Hörnern (Akt Tauride. Athen ist von dem II, Szene IV), komponiert für Tribut befreit, und Teseo Margherita Durastanti, und bittet um Ariannas Hand. die Gleichnisarie „Son qual Dabei enthüllt er Minos, stanco pellegrino“ (II, XIII) dass Arianna seine Tochter mit dem wunderbaren Wech- ist. Carilda beginnt, Liebe für selspiel von Singstimme und Alceste zu fühlen. Die Oper Violoncello solo, geschrieben endet mit einem lieto fine. für Carlo Scalzi und den Cellis- Die wissenschaftlich-kri- ten Francisco Caporale. tische Edition von Arianna In der Spielzeit 1733/34 war in Creta in der Hallischen Arianna mit 16 Aufführungen das meistgespielte Werk. Händel-Ausgabe erschien 2012 (Hrsg. Reinhold Kubik). Das von einem anonymen Dichter verfasste Libretto Annette Landgraf basiert auf mindestens zwei Bearbeitungen (1721 und 1729), die auf Pietro Pariatis Libretto zu Teseo in Creta (1715) zurückgehen. Georg Friedrich Händel Athen war mit König Minos von Kreta verfeindet. Arianna in Creta Die Athener töteten erst Androgeos, den Sohn des Hrsg. von Annette Landgraf. Hallische Händel- Minos, anschließend entführte ihr Verbündeter Ar- Ausgabe II/29 cheus, Fürst von Theben, die neugeborene Tochter des Erstaufführung nach der Edition: 9.6.2018 Halle Minos und zog sie unter dem Namen Arianna als seine (Händel-Festspiele), Solisten, Il Pomo d’oro, Lei- Tochter auf. tung: Maxim Emelyanychev Daraufhin führte Kreta Krieg gegen die Athener, Besetzung: Arianna (Sopran), Teseo (Mezzo- deren Armee völlig aufgerieben wurde. Minos schloss sopran), Alceste (Mezzosoprano, Carilda (Alt), Frieden unter der Bedingung, dass Athen alle sieben Minosse (Bass), Tauride (Mezzosopran), Il Sonno Jahre einen Tribut von sieben Jünglingen nach Kreta (Bass) schicken muss, die in den Spielen zu Ehren des Andro- Orchester: Flauto traverso, 2 Ob , Fag, 2 Hn, 2 Vl, Va, geos sterben werden, und sieben Jungfrauen, die B. c. (Vc, Kb, Fag, Laute, Cemb) dem Minotaurus vorgeworfen werden sollten. Dieser Verlag: Bärenreiter. BA 10705. Aufführungs- Vertrag sollte so lange gelten, bis ein Jüngling den material leihweise Minotaurus überwindet, den Weg durch das Labyrinth ] [t]akte 1I2018 5
[t]akte Händels Serenata „Parnasso in festa“ ist ein echtes Pasticcio mit vielen Wiederverwendungen aus Bereit für die Bühne vorhandenen Werken. Dennoch lohnt sich eine szenische Aufführung, wie sie im Rahmen der Händels Serenata „Parnasso in festa“ in der Halli- Händel-Festspiele Halle in Bad Lauchstädt geplant schen Händel-Ausgabe ist. Bei den Händel-Festspielen 2018 in Halle erklingt zum men aus Radamisto (HWV 12a), Il trionfo del Tempo e del ersten Mal Georg Friedrich Händels Hochzeitsserenata Disinganno (HWV 46a) und Delirio amoroso (HWV 99). Parnasso in festa nach dem Notentext der Hallischen Nur acht Gesangsstücke sowie die Sinfonia zu Beginn Händel-Ausgabe. Die Edition der HHA, die den korrekten des 3. Teils und der Eingangsteil der Ouvertüre sind Titel trägt (der in der Literatur häufig gebrauchte Titel Il neu komponiert. Diese Werkgestalt spiegelt sich in der Parnasso in festa scheint auf die Chrysander-Ausgabe Quellenlage wider: Es existiert keine autographe Kom- von 1878 zurückzugehen), bildet die Fassung der ersten positionspartitur der gesamten Serenata, dafür stellt Aufführungen im März 1734 ab. Drei Anhänge rekons- die Direktionspartitur eine Gemeinschaftsarbeit von truieren die komplizierte Fassungsgeschichte der zum Händel und seinem Hauptkopisten John Christopher Teil sehr verschiedenen Wiederaufnahmen von 1737, Smith senior dar. Kompositionspartituren einzelner 1740 und 1741 und enthalten verworfene und veränderte neu geschriebener Stücke sind erhalten. Musiksätze sowie die Darstellung der vorgenommenen Als Hintergrund der Handlung wurde ein dem Änderungen von Bühnenfiguren. hohen Anlass entsprechendes Thema aus der grie- Händel komponierte Parnasso in festa anlässlich chisch-römischen Mythologie gewählt: die Verbindung der Hochzeit von Prinzessin Anne, der Princess Royal, von Peleus, dem König der Myrmidonen von Phthia in und dem niederländischen Prinzen Wilhelm IV. von Thessalien, mit der Nereide Thetis. Den Mythos der Oranien, die am 14. März 1734 in London stattfand. Meeresnymphe, die sich durch Verwandlungen der Die Serenata war Händels Beitrag zu den öffentlichen Werbung Peleus’ zu entziehen versuchte, schließlich Feierlichkeiten und wurde am Vorabend der Trauung seufzend nachgab und ihren Sohn Achill empfing, unter Anwesenheit des Brautpaares im King’s Theatre erzählte u. a. Ovid im XI. Buch seiner Metamorphosen, am Haymarket aufgeführt. Vers 221–265. Die anschließende Hochzeit, zu der die Während der italienische Text der Serenata eine olympischen Götter geladen waren, wurde von Catull Neudichtung vermutlich von Giacomo Rossi ist, stellt in seinem 64. Carmen beschrieben. In der Serenata nun die Musik zum großen Teil eine Zusammenstellung lädt Apollo die Bewohner des Berges Parnass zu einem bereits vorhandener Stücke aus verschiedenen Werken Fest ein, das anlässlich dieser Hochzeit begangen wird. Händels dar. Von den insgesamt 32 Gesangsnummern Verschiedene Musen, Götter, Nymphen, Hirten und entlehnte Händel 20 aus seinem englischsprachigen weitere mythologische Figuren eilen herbei, um dem Oratorium Athalia (HWV 52), das am 10. Juli 1733 in Ox- Brautpaar zu huldigen. Doch die Feierlaune wandelt ford erstaufgeführt worden und im März 1734 in London sich zweimal durch rückblickende Episoden zu Wehmut noch nicht erklungen war. Weitere Entlehnungen stam- und Schmerz: Man erinnert sich an die großen Liebes- tragödien von Apollo und Daphne sowie von Orpheus und Eurydike. Teresa Ramer-Wünsche Georg Friedrich Händel Parnasso in festa per gli sponsali di Teti e Peleo HWV 73. Serenata. Hrsg. von Teresa Ramer-Wün- sche. Hallische Händel-Ausgabe II/30. Erstaufführung nach der Edition: 26.5.2018 Bad Lauchstädt (Händel-Festspiele Halle). Musikali- sche Leitung: Wolfgang Katscher, Regie: Sigrid T’Hooft Besetzung: Apollo (Mezzosopran), Clio (Sopran), Orfeo (Sopran), Calliope (Alt), Cloride (Alt), Euterpe (Mezzosopran), Marte (Bass) – Chor (SSAATTB) Orchester: 2 Bfl, Traversflöte ( II ad lib.), 2 Ob, Fag, 2 Hn, 2 Trp, Pk, 4 Vl, Vla, B. c. (Vc, Kb, Fag, Laute, Cemb, Org) Verlag: Bärenreiter. BA 10718. Aufführungsmate- Hendrick van Balen (1575–1632): Die Hochzeit von Thetis und Peleus. rial leihweise Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique 6 [t]akte 1I2018
1I2018 Ein Kreis schließt sich Ein Zeitgenosse sah in Händels Oper „Berenice“ nur Flickwerk, doch hat sie viele kleine Kostbarkei- Händels „Berenice“ in der Hallischen Händel- ten zu bieten. Im Mai kommt „Berenice“ in Halle Ausgabe wieder auf die Opernbühne. Wenn sich am 25. Mai 2018 an der Oper Halle der Vor- Gottes Amor nachdenkt; bezaubernd sind die musi- hang zur Premiere der ersten Inszenierung von Händels kalischen Malereien, die Händel eingearbeitet hat, so Berenice, Regina d‘Egitto nach der neuen Partitur der die Nachahmung des Bienensummens in Fabios „Vedi Hallischen Händel-Ausgabe hebt, dann werden alle l’ape“ und des traurigen Gurrens einer Taube in Selenes überlieferten Opern Händels in Hallenser Neuinsze- „Tortorella che rimira“. nierungen auf die Bühne gebracht worden sein. Halle Die Vorabpartitur der Hallischen Händel-Ausgabe ist damit weltweit die erste Stadt, die sich solch einer bietet den Notentext der Uraufführung vom Mai 1737. Inszenierungsleistung rühmen darf. Der für 2019 geplante vollständige Band wird auch Dass gerade Berenice am Ende der Reihe steht, mag diejenigen Stücke enthalten, die Händel im Vorfeld der Zufall sein, ist aber auch nicht ganz unbegründet: Premiere herausgenommen oder gekürzt hat. Händels Oper, am 18. Mai 1737 im Londoner Covent Wolfgang Hirschmann Garden Theatre uraufgeführt, gehört zu den weniger bekannten Werken des Komponisten und wurde in der Vergangenheit durchaus kritisch bewertet. Winton Dean sah in dem Libretto ein „botched piece of work“, Georg Friedrich Händel ein Flickwerk, in dem eine unwahrscheinliche Büh- Berenice, Regina d’Egitto. Opera in tre atti HWV 38. nensituation die nächste jage. Nun ist der Dichter des Fassung der Uraufführung, London 1737 / First Vorlagelibrettos durchaus kein Unbekannter: Antonio performance version, London 1737. Hrsg. von Salvi schrieb Berenice 1709 für das Medici-Theater in Wolfgang Hirschmann (Hallische Händel-Aus- Pratolino; Händel griff auf dessen Texte in insgesamt gabe II/37) sieben Opern zurück, darunter Rodelinda von 1725 und Erstaufführung nach der Edition: 25.5.2018 Halle, Ariodante von 1734. Händel-Festspiele, Händelfestspielorchester Salvis Text ist bereits im Original von einer gewissen Halle, Musikalische Leitung: Jörg Halubek, Insze- Sprunghaftigkeit gekennzeichnet, und die Londoner nierung: Jochen Biganzoli Bearbeitung, die bei den Rezitativen extreme Kürzun- Besetzung: Berenice (Sopran), Selene (Alt), De- gen vornimmt, macht das Intrigenspiel zwischen zwei metrio (Alt), Alessandro (Sopran), Arsace (Alt), Großmächten – Rom und Pontos – um die Vorherrschaft Aristobolo (Bass), Fabio (Tenor) in Ägypten und damit um die Hand der Königin Bereni- Orchester: 2 Ob, 2 Vl, Va, B. c. (Vc, Kb, Fag, Laute, ke III. († 80 v. Chr.) zusätzlich unklar. Dennoch kann Cemb man dem Libretto keine logischen Unstimmigkeiten Verlag: Bärenreiter, BA 10719, Aufführungsmate- vorwerfen; es bietet in extremer Konzentration und Zu- rial leihweise spitzung ein barockes Lehrstück für die im Schlusschor benannten „Gare di Politica e d’Amor“, für die Konflikte zwischen Politik und Liebe. Ein Zeitgenosse Händels, der Earl of Shaftesbury, Nachricht besuchte am 12. Mai 1737 eine Probe der „charming Berenice“, aus der er ein „inexpressible delight“, ein Der Musikwissenschaftler Walther Dürr ist am 6. Ja- unaussprechliches Vergnügen, zog. Der Earl vertritt nuar 2018 unerwartet in Tübingen gestorben. Er war in seinem Bericht die Meinung, dass die drei Akte der einer der Großen seiner Zunft und hat sich bis in die Oper unterschiedlich gewichtet seien: Der erste sei letzten Tage seines erfüllten Forscherle- „mostly in the agreable strain“, der zweite „more in the bens vor allem dem Werk und der Person great taste“ und der dritte eine Kombination aus „great Franz Schuberts gewidmet. Für die im & pleasing“. Er sieht in Berenice also eine Mischung Bärenreiter-Verlag erscheinende Neue zwischen mittlerem und hohem Stil. Tatsächlich lässt Schubert-Ausgabe, die wissenschaf t- sich zeigen, dass Händel im Zuge der Arbeit an der Oper lich-kritische Gesamtausgabe der Werke gezielt pathetische Elemente herausgenommen oder des Komponisten, hat Walther Dürr unter abgeschwächt hat, um sie durch eher angenehme und anderem die 14 Bände umfassende Serie heitere Affekte zu ersetzen. sämtlicher Lieder herausgegeben und In diesem Rahmen einer leichten, „mittleren“ Oper Maßstäbe in der Edition dieses zentralen bietet Berenice musikalische Kostbarkeiten in großer Werkbereichs gesetzt. Von 1965 bis 1997 Fülle: Berühmt geworden als „Minuet from Berenice“ war Walther Dürr hauptamtliches Mit- ist der zweite Satz der Ouvertüre, berühmt geworden glied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, ist auch die ausgedehnte Arie der Berenice im dritten für die er auch im Ruhestand als Projektleiter (bis Früh- Akt, in der sie im Duett mit dem Solooboisten (damals jahr 2013) und bis zuletzt als nebenamtliches Mitglied Giuseppe Sammartini) über die Unbeständigkeit des der Editionsleitung und Herausgeber tätig war. ] [t]akte 1I2018 7
[t]akte Innerhalb der „Opera omnia Rameau“ ist nun Oper für den Frieden „Naïs“ erschienen, die aufwendige Oper, die der Franzose anlässlich des Friedens von Aachen ge- Jean-Philippe Rameaus „Naïs“ schrieben hat. Am 18. Oktober 1748 wurde der Frieden von Aachen unterzeichnet, der den Schlussstrich unter acht Kriegs- jahre setzte, während derer sich verschiedene europä- ische Länder um die Habsburger Thronfolge stritten (1740–1748). Der Frieden, den Ludwig XV. Frankreich verschaffte, wurde in der Hauptstadt und im gesamten Königreich ab dem 12. Februar 1749 festlich gefeiert. Jo- seph Guénot de Tréfontaine, der Direktor der Académie royale de musique, nutzte diese Feierlichkeiten, um den Herrscher mit einem Auftrag an Cahusac und Rameau für eine neue Oper zu umschmeicheln, die sich auf die aktuellen Ereignisse bezieht: Naïs, untertitelt „Oper für den Frieden“. Sehr schnell, offenbar in weniger als fünf Wochen, schrieben Cahusac und Rameau das Libretto und die Musik. Die Oper von Paris scheute keine Kosten, das Werk groß herauszubringen, und beauftragte den Allegorie auf den Frieden von Aachen, Bibliothèque nationale de France / Maler Pietro Bonifazio Algieri mit der Malerei der Wikimedia Commons Kulissen. Die am 22. April 1749 im Saal des Palais Royal in Starbesetzung uraufgeführte Oper errang einen gro- die Erstausgabe von Naïs – doch unterscheidet diese ßen Erfolg. Am 7. August 1764 wurde sie – nur wenige nicht zwischen den Fassungen von 1749 und 1764. Die Wochen vor Rameaus Tod am 12. September – in Paris kritische Neuausgabe von Pascal Denécheau ist die wieder zur Aufführung gebracht, und zwar in einer Frucht eines akribischen Vergleichs aller bekannten vom Musikdirektor der Opéra Pierre-Montan Berton musikalischen Quellen. Die Identifizierung der ver- überarbeiteten Fassung mit neuen Dekors von François schiedenen, an der Produktion und den Überarbeitun- Boucher und Kostümen von Louis-René Boquet. gen beteiligten Kopisten, ermöglichte es, die 1749 und Cahusac ließ sich für sein Libretto von der klassi- 1764 ausgeführten Änderungen zu differenzieren. Diese schen Antike inspirieren. Die Rahmenhandlung ruht Ausgabe präsentiert so erstmals die Erstfassung der auf der Liebe Neptuns zu Naïs. Wie oft in der Pastorale, Aufführungen von 1749. Die Passagen, die Rameau 1749 verwandelt sich der Gott in einen Sterblichen, damit verwarf, sowie die Änderungen des Komponisten für er um seiner selbst willen geliebt werde. Während der die neue Produktion im Jahr 1764 sind in den Anhängen gesamten Oper bleibt Naïs die Identität des ihr den wiedergegeben. Pascal Denécheau Hof machenden Mannes verborgen. Obwohl auch sie ihn liebt, weigert sie sich, aus Angst vor Repressalien seitens der heiratswilligen, sie eifersüchtig liebenden Jean-Philippe Rameau Astérion und Télènus, ihm ihre Gefühle einzugestehen. Naïs. Oper in einem Prolog und drei Akten, RCT Erst die Szene des Orakels, während der Tirésie auf das 49. Libretto von Louis de Cahusac. Hrsg. von Pascal Ende der Oper anspielt, gibt ihr zu verstehen, dass es Denécheau. Opera omnia Rameau IV/18 Neptun ist, der sie liebt. Sie fürchtet so sehr um ihren Besetzung: Prologue: Jupiter (Bass), Neptune Geliebten, dass sie ihn, in einer besonders rührenden (Tenor), Pluton (Bass), Flore (Pomone in 1764, Szene, zurückweist, um ihn zu retten. In zahlreichen Sopran) – Opéra: Naïs (Sopran), Neptune (Tenor), Arien bietet Rameau seinen Sängern reichlich Gele- Télénus (Bass), Astérion (Tenor), Tirésie (Bass), genheit zu brillieren, während er seine orchestrale Erste Schäferin (Sopran), Zweite Schäferin (So- Meisterschaft insbesondere in der Chaconne und den pran), Palémon (Bass), Protée (Tenor), Chor SATB verschiedenen weiteren Ballets offenbart. und Tanzende Die Partitur von Naïs blieb zu Lebzeiten des Kompo- Orchester: Petites flûtes,2,2,Musettes,2 – 0,2,0,0, – nisten unveröffentlicht. Die Bibliothèque-Musée de Schlg (Tambour, Timbales) – Str, B. c. l’Opéra in Paris verwahrt die Dirigierpartituren der Verlag: Société Jean-Philippe Rameau / Bärenrei- Aufführungen von 1749 wie auch derjenigen von 1764. ter. BA 8857. Partitur und Klavierauszug käuflich, Auf Basis dieser Partitur wurden mindestens zehn Ab- Aufführungsmaterial leihweise, außerdem schriften für verschiedene Sammlungen angefertigt, käuflich erhältlich: Naïs. Symphonies. Partitur. so etwa für die Bibliothèque royale sowie diejenige der BA 7565 Menus-Plaisirs. Erst 1924 erschien im Rahmen der unter CD-Einspielung: Purcell Choir, Orchester Orfeo, der Leitung von Camille Saint-Saëns erscheinenden ers- Leitung: György Vashegyi, Glossa ten Gesamtausgabe der Werke Jean-Philippe Rameaus 8 [t]akte 1I2018
1I2018 Psychogramme Am Anfang des schmalen Traditionsfadens des in neuartiger Intensität Melodrams stehen „Ariadne“ und „Medea“ von Georg Benda. Die Spätfassung von „Medea“ ist in Die Spätfassung von Georg Bendas Melodram der Reihe „OPERA“ herausgekommen und bietet die „Medea“ Grundlage zu einem intensiven Theatererlebnis. Der antike Mythos von Medea, einer der faszinie- reiter-Edition erstmals rendsten Frauengestalten überhaupt, ist bis in unsere w ieder greif bar. Die Gegenwart lebendig und produktiv geblieben – etwa Änderungen, die Benda in den großartigen Filmen von Pier Paolo Pasolini und bei der Neufassung vor- Lars von Trier, in Christa Wolfs Roman Medea. Stimmen nahm, sind tiefgreifend oder in Aribert Reimanns Medea-Oper von 2010. Auf und betreffen fast jeden der Opernbühne war der Medea-Stoff schon seit den Takt: Zahlreiche Details Anfängen in ganz Europa präsent. des musikalischen Sat- Einer der größten Erfolge im deutschen Musikthe- zes sind revidiert (Tem- ater des späten 18. Jahrhunderts war Georg Bendas pi, Stimmführungen, Medea (1775). Das Stück nach einem Text von Fried- Rhythmik, Begleitfigu- rich Wilhelm Gotter wurde jahrzehntelang überall ren etc.), die Instrumen- in Mitteleuropa aufgeführt und galt als Musterwerk tierung ist erheblich der Gattung des „Mono-“ oder „Melodrams“. Anders verändert, Mittelstim- als in der Oper wurde dabei nicht gesungen, sondern men werden lebendiger gesprochener Text mit Orchestermusik und Szene geführt, die Musik ist verbunden; die traditionelle Formensprache der Oper insgesamt gekürzt und (Arie, Rezitativ, Ensemble, Chor) wurde aufgelöst und wirkungsvoll verdich- durch ein neues Zusammenwirken von Musik, Szene tet. Benda vermerkte zu und Sprache ersetzt. Dabei folgte die Musik dem Text Beginn des Autographs und dem psychodramatischen Verlauf enger, als es in von 1784: „Medea / mit der Oper oder dem Singspiel dieser Zeit möglich war. / verbeßerter Musik […] Die Konzentration auf eine einzige Hauptfigur und das / Ich wollte, ich hätte Eugène Delacroix: Medea tötet ihre Kinder (1862). rasche, feingliedrige Wechselspiel von gesprochenem sie unter dieser Gestalt Louvre Paris Text und Musik ermöglichten es, konfliktreiche und / gleich bey ihrer Geburt widerspruchsvolle Psychogramme mit einer neuarti- auf das Theater gebracht.“ Der Komponist selbst ver- gen Intensität zu entwickeln. Im Herzen der klassischen stand also diese spätere, stark veränderte Fassung als Theaterepoche bildete die (letztlich auf Rousseau zu- die gültige Version des Stücks. Durch Bendas Rückzug rückgehende) Form des Melodrams damit ein höchst aus dem Musikbetrieb gelangte sie jedoch nicht mehr unklassisches Ferment. ins Repertoire der Bühnen und ist bis heute zu Unrecht Bendas Werk lässt die antike Figur der Medea nahezu völlig unbekannt geblieben: Alle bisherigen Ausgaben ohne äußere Handlung ausschließlich im heftigen, des Werks – und damit auch alle vorhandenen Einspie- unlösbaren Konflikt ihrer Emotionen lebendig wer- lungen – beruhen auf der frühen Fassung von 1775. Erst den: Liebe und Hass, Wut und Trauer, Erinnerungen die neue Edition lädt nun dazu ein, dieses Meisterwerk an Glück und Verletzungen, archaische Rachegefühle des Musiktheaters in seiner endgültigen Gestalt neu zu und Mutterliebe, Ängste und Hoffnungen, Verzweif- entdecken. Jörg Krämer lung und Auflehnung lösen sich in ihrem Inneren in rascher Folge ab – bis zur katastrophalen Zuspitzung beim Kindermord. All diese Emotionen finden in der Georg Anton Benda vielgestaltigen Affektlandschaft der Musik Bendas Medea (Fassung 1784). Melodrama. Libretto von ihren intensiven Ausdruck, der Generationen von Zu- Friedrich Wilhelm Gotter. Hrsg. von Jörg Krämer. schauern in den Bann zog. Kein Geringerer als Mozart OPERA – Spektrum des europäischen Musikthea- bewunderte dieses Werk dafür zutiefst. Benda legte ters in Einzeleditionen Medea als Virtuosenstück für Friederike Sophie Seyler Erste Aufführungen nach der Edition: 27.10.2018 an, die berühmteste deutsche Schauspielerin ihrer Heidenheim, 28.10.18 Erlangen, Katharina Thal- Zeit; auch heute noch entfaltet das etwa 50-minütige bach (Medea), Capella Aquileia, Leitung: Marcus Werk seine außergewöhnliche Ausdruckskraft, wenn Bosch eine große Schauspielerin es zum Leben zu erwecken Besetzung: Sprechstimmen: Medea, Jason, Die versteht. Hofmeisterin, erster Knabe, zweiter Knabe, Ge- Am Ende seines Lebens überarbeitete Benda Medea folge noch einmal tiefgreifend neu und zog dabei die Summe Orchester: 2,2,0,2 – 2,0,0,0 – Str – Cemb ad lib.; seiner praktischen Erfahrungen mit der Bühnenwir- Bühnenmusik (Marsch): 0,2,0,1 – 2,0,0,0 kung des Werks. Diese späte, in vieler Hinsicht wir- Verlag: Bärenreiter, BA 8816, Aufführungsmate- kungsvollere Fassung, uraufgeführt 1784 in Mannheim, rial leihweise blieb bislang jedoch unbeachtet und wird in der Bären- ] [t]akte 1I2018 9
[t]akte Eine Nummer aus der „Zauberflöte“, die man nicht kennt? Unmöglich! Doch gibt es ein Duett von „Pamina, wo bist du?“ Tamino und Papageno, das es nicht in die bekann- te Abfolge geschafft hat. Es steht nun wieder zur Ein unbekanntes Duett zu Mozarts „Zauberflöte“ Verfügung. Im Nachtragsband zur Neuen Mozart-Ausgabe sollen Über weite Strecken des Vokalstimmensatzes ist auch verschiedene unter dem Namen Mozart überlie- das Duett „mozartisch“. Dies gilt auch für die abwechs- ferte Kompositionen als „Werke zweifelhafter Echtheit“ lungsreiche und recht dichte Orchesterbegleitung im zur Diskussion gestellt werden. Die Maßstäbe für diese ersten Teil. Der stilistische Befund im weiteren Verlauf Kategorie beschränkt sich auf Kompositionen, deren des Stücks ist allerdings zwiespältig: Taminos „Mo- Autorschaft aufgrund des quellenkritischen und stilis- nolog“ wirkt für ein Duett eher deplatziert, und der tischen Befunds bis heute nicht abschließend geklärt zurückhaltend instrumentierte Schluss lässt mozart- werden kann. Zu diesen Werken gehört ein Duett für sche Überraschungsmomente vermissen, die hingegen Tamino und Papageno, „Pamina, wo bist Du?“, das am Beginn des zweiten Teils in einigen harmonisch singulär in einer Partiturabschrift des frühen 19. Jahr- ungewöhnlichen Wendungen noch anzutreffen sind. hunderts überliefert ist, die sich heute in der Lippischen Das Duett ist ohne verbindende Prosatexte erhalten Landesbibliothek Detmold befindet. und in der Detmolder Partitur am Beginn des 2. Aufzugs im 11. Auftritt als Nr. 13 zwischen dem Duett der beiden Tamino: Pamina, wo bist du? Priester und dem Quintett „Wie? wie? wie? […]“ einge- Papageno: Ach Weibchen, wo bist du? bunden. Angesichts der Mahnung der beiden Priester, Tamino/Papageno: Getrennt von dir zu sein, sich vor Weibertücken zu hüten, wirkt die Sehnsucht ist mir die größte Pein. nach Pamina bzw. Papagena unpassend. Die unmittel- Tamino: Schaff meinem Herzen Ruh! bare Folge zweier Duette für Tenor und Bass, auch wenn Tamino: Nur sehen will ich dich und fragen: sie unterschiedlichen Personen zugewiesen sind, wäre „Liebst du mich?“ Dann tret ich kühn die Bahn ungewöhnlich, und der Einschub eines B-Dur-Stücks zum neuen Leben an. Nun zur Pamina … zwischen das C-Dur-Duett und das Quintett in G-Dur Papageno: … und Papagena! ist von der Tonartenfolge wenig überzeugend. Tamino/Papageno: Stille, stille, stille, still! Bei dem Duett „Pamina, wo bist du?“ handelt es sich um ein musikalisch interessantes Stück, das zwar früh Richard Genée stellte das Duett 1898 in einem Beitrag in der Überlieferung der Oper auftaucht, aber weitge- mit dem Titel „Ein bisher unbekannt gebliebenes Du- hend unbeachtet geblieben ist. Aus der Kenntnis von ett zu Mozarts ‚Zauberflöte’“ in den Mittheilungen für Mozarts Schaffensweise und seines Personalstils ist die Mozart-Gemeinde in Berlin erstmals vor; es wurde es aus der Tatsache, dass das Stück in keiner einzigen dann auch in Auflagen aus dem frühen 20. Jahrhun- weiteren Quelle überliefert ist, allerdings unwahr- dert des Zauberflöten-Klavierauszugs des Verlags scheinlich, dass es in allen Teilen von Mozart stammt. C. F. Peters gedruckt, allerdings in die bis heute bekann- Die thematische Erfindung und die Instrumentierung te Ausgabe des Klavierauszugs der Zauberflöte von Kurt des ersten Teils sind aber auch nicht ohne Weiteres Soldan (1932) nicht mehr aufgenommen. Das Duett ist einem epigonalen Komponisten des 19. Jahrhunderts in Partitur bislang ungedruckt; vereinzelt ist es auf zuzutrauen. Das Duett wurde vielleicht nicht einfach Tonträgern erschienen. als überzählig gestrichen, sondern noch im Entwurfs- Das Duett steht in B-Dur und ist zweiteilig: Auf ein stadium vor der Fertigstellung der Oper durch das Duett dialogisches Andante von 44 Takten folgt ein Allegro der beiden Priester ersetzt. Ulrich Leisinger von 68 Takten, das über weite Strecken Tamino allein zugewiesen ist, ehe in den letzten Takten Papageno wieder hinzutritt. Die Besetzung mit 2 Oboen, 2 Klari- Aufführungsmaterial in Vorbereitung, erhältlich netten, 2 Fagotten, 2 Hörnern und Streichern ist in der über Bärenreiter · Alkor Zauberflöte auch sonst anzutreffen. 10 [t]akte 1I2018
1I2018 Geistreich, farbig, witzig Johann Joseph Rösler wurde nach seinem Tod bald fast vollständig vergessen. Sein Klavierkonzert in Johann Joseph Röslers wiederentdecktes Es allerdings verdient eine Wiederbelebung. Die Klavierkonzert in Es-Dur Neuausgabe bei Bärenreiter Praha hilft dabei. Die Urtext-Edition des Klavierkonzerts Es-Dur stellt ein lang verlorenes Werk des böhmischen Komponisten, Kapellmeisters und Klaviervirtuosen Johann Joseph Rösler (1771–1812) vor, der in Prag und Wien wirkte. Ob- wohl er als Pianist und Komponist zu Ruhm gelangte und mehr als 200 Werke hinterlassen hat, wurde sein Name nach seinem Tod schnell vergessen. Erwähnt wird er zwar in den wichtigsten Lexika des 19. Jahr- hunderts, aber eingehendere Abhandlungen oder gar eine Monographie gibt es über ihn bis heute nicht. Eine Ausnahme stellt der erste Satz seines Klavierkonzerts D-Dur dar, der ca. 1890 in den Supplementband der Alten Beethoven-Gesamtausgabe von Guido Adler aufgenommen wurde. Adler hatte einige Jahre zuvor handschriftliche Kopien der Orchesterstimmen dieses Konzertsatzes in Prag und die dazu gehörige Kopie des Klavierparts in Wien gefunden, als deren Autor Beethoven angegeben war. Den wirklichen Kompo- nisten dieses Konzerts, Rösler, identifizierte erst 1925 Max Engel. Weitere Neuausgaben von Werken Röslers sind rar, nur einige Lieder und eine Partita für Bläser Röslers Klavierkonzert in Es, Beginn des Autographs, Prager Konservatorium wurden ediert. Seine Kompositionen, die größtenteils im Archiv der Guardasoni Operngesellschaft selber einstudiert des Prager Konservatoriums und im Archiv der Gesell- hatte, oder Beethovens Auftritte in Prag, wo er seine schaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrt werden, Klavierkonzerte B-Dur und C-Dur spielte, die 1801 auch sowie sein autographer Thematischer Katalog Reperto- publiziert wurden. Rösler bereichert das Genre auf rio di tutte le mie Composizioni incominciando dall´ anno seine Art: mit wunderschönen Klavierfiguren, die den 1796 beweisen, dass er ein qualitätvoller, vielseitiger empfindsamen Virtuosen mit feinem Gefühl für sein Komponist war und dass seine Musik verdient, im Instrument bezeugen, mit einer geistreichen, farbigen heutigen Musikleben wieder eine Rolle zu spielen. und oft witzigen Instrumentation, die den erfahrenen Johann Joseph Rösler wurde am 22. August 1771 in Kapellmeister erkennen lassen, und mit dem Spiel mit Schemnitz (damals Ungarn, heute Banská Štiavnica den Hörerwartungen, die auf „klassische“ Fortsetzung in der Slowakei) geboren, wo sein Vater Carl Rösler als gerichtet sind und dann eine „Enttäuschung“ erfahren Bergrat wirkte. 1774 wurde Carl Rösler als Gubernialrat – den Zuhörern werden dadurch einige Überraschun- nach Prag versetzt. Vom Vater erhielt Joseph Rösler zwar gen geboten. die musikalischen Grundlagen, aber seine weiteren Die neue Edition gibt das Autographe der Partitur Musikambitionen wurden zu Hause nicht unterstützt. so treu wie möglich wieder, mit der ganzen Vielfalt Neben dem Gymnasium und philosophischen Studien der Feinheiten von Artikulation und Phrasierung und studierte er in Prag Musik als Autodidakt. Es gelang in der Partituranordnung des Originals, die am sinn- ihm, ein so hohes Niveau in Theorie und Praxis zu er- vollsten und praktischsten für die Doppelfunktion des reichen, dass ihm 1795 die Stelle des Kapellmeisters und Klaviers als Solo- wie als Generalbassinstrument in den Pianisten bei der Guardasoni Operngesellschaft in Prag Tutti-Teilen ist. Auch wird heutigen Interpreten mit angeboten wurde. Ab 1805 wirkte er als Kapellmeister der Aussetzung des Generalbasses im Klavierauszug am Opernorchester des Hoftheaters. In Wien gewann und dem modern gestalteten Stimmenmaterial Hilfe er die Zuneigung des Fürsten Lobkowitz und trat in geboten. Alena Hönigová seine Dienste. Schon 1810 erkrankte er (wahrscheinlich an Tuberkulose) und starb am 28. Januar 1812 in Prag. Die Partitur des Concerto in Eb per il Piano Forte, Johann Joseph Rösler komponiert im Juni 1803, besteht aus drei klassisch Konzert Nr. 2 Es-Dur für Klavier und Orchester. angelegten Sätzen: Allegro in Sonatenform, Andantino Hrsg. von Alena Hönigová und Allegro in Form eines Rondos mit effektvollem Orchester: 1,2,0,2 – 2,2,0,0 – Pk – Str, Klavier solo Vivace am Schluss. Die Musik verrät dem Hörer die Verlag: Bärenreiter Praha. BA 11550. Partitur und wichtigsten musikalischen Ereignisse, die Röslers Stil Klavierauszug käuflich, Aufführungsmaterial formten, wie etwa die Uraufführungen von Don Gio- leihweise vanni oder La clemenza di Tito in Prag, die Mozart mit ] [t]akte 1I2018 11
[t]akte Unmögliches Kunstwerk Eine deutsche Oper aus dem Geiste des Kosmopo- mit hohem Anspruch litismus, das ist die 1827 in Berlin uraufgeführte Oper „Agnes von Hohenstaufen“ von Gaspare Gaspare Spontinis „Agnes von Hohenstaufen“ Spontini. Nun nimmt sich das Theater Erfurt des vor der Wiederaufführung in Erfurt spektakulären Werks an. Es wird ein besonderer Termin für Opernliebhaber ist, welche die historische Überlieferung bereitstellte. werden: der 1. Juni 2018. Am Erfurter Theater wird dann Nicht anders als bei Meyerbeers Les Huguenots von eine Oper aufgeführt, die zwar kulturgeschichtlich 1836 konstruiert die Handlung ihre eigene Geschicht- und musikwissenschaftlich lichkeit. Das heißt, sie passt die Überlieferung an die zu den spannendsten Werken aktuellen Gegebenheiten an, da sie operntauglich des 19. Jahrhunderts gehört, und politisch korrekt sein mussten. Die Abfederung die zugleich aber mit dem An- und die Vergewisserung dieser mit Bedeutung auf- spruch, den das Werk schon im geladenen Vergangenheit in einem theatralen, d. h. 19. Jahrhundert verfolgte, eines visuell-musikalisch und sinnlichen Vollzug war von der schwierigsten und kom- Anfang an ein wichtiger Gedanke bei der Konzeption plexesten Stücke der Opern- dieser Geschichtsoper. Das auf verschiedene Autoren geschichte sein dürfte. Kurz zurückgehende Libretto siedelt die Handlung ausdrück- zusammenfassen lässt sich lich im Jahr 1194 an. Und die Orte, an denen die Oper das so: Agnes von Hohenstau- spielt, avancierten zu so etwas wie den Protagonisten fen ist als eine Art preußische der Dramaturgie: der Rhein mit seinen Burgen, die Nationaloper, komponiert von Stadt Mainz mit ihren mittelalterlichen Kirchen als einem Franzosen mit italieni- Außenschauplätze sowie die Innenansichten der Burg schem Namen, ein sonderbarer und der Klosterkirche. aber spannender Fall. Gaspare Spontini, der diese Oper kom- Gaspare Spontini 1828. Gemälde von ponierte, droht die Gattung Die Handlung Andreas Hall. Dorotheum Wien zu sprengen und verweist mit seinen musikdramatischen 1. Akt: Die deutschen Ritter und Fürsten bereiten sich auf Lösungen doch auch zugleich in die Zukunft. einen Kriegszug gegen Sizilien vor. Kaiser Heinrich VI. Der 1774 in Maiolati in Italien geborene Gaspare von Hohenstaufen erneuert die Reichsacht gegen Spontini war 1820 vom Preußischen König Friedrich den Sohn Heinrichs des Löwen, seines Erzfeindes. Wilhelm III. nach Berlin als Generalmusikdirektor Heinrich der Jüngere befindet sich in französischer engagiert worden. Er war eine Persönlichkeit, deren Gefangenschaft. Er ist der Geliebte der kaiserlichen Name in ganz Europa bekannt war. Vor allem wegen der Tochter Agnes von Hohenstaufen. Ihre Mutter Irmen- beiden großen Opern, die er im napoleonischen Paris gard bittet um Gnade für ihn. Der Kaiser aber will Agnes komponiert hatte: La Vestale und Fernand Cortez hatten dem französischen König zur Frau geben. Maskiert hat schnell nach ihren Premieren 1807 und 1809 Weltruhm sich der entflohene Heinrich dem Hof genähert und erlangt. Für Berlin überarbeitete er seine Pariser Werke, erfährt von seinem Freund Philipp von Hohenstaufen komponierte aber auch neue Stücke für die Hofoper. von dem Heiratsbeschluss. Philipp arrangiert ein Tref- Dies war ihm zwar nicht in dem Maße möglich, wie fen für Agnes und Heinrich. Bei den Vorbereitungen es sein Vertrag vorsah, aber mit Lalla Rûkh, Nurmahal für ein Hoffest, zu dem die Fürsten zu Ehren des fran- und Alcidor legte er bis 1825 drei Werke vor. Als Dirigent zösischen Gesandten eingeladen sind, wird vor einem und Orchesterleiter der Berliner Hofkapelle wurde er Angriff der Truppen Heinrichs des Löwen gewarnt. Das berühmt für die künstlerisch auf einem hohen Niveau Fest beginnt mit der Ankündigung Heinrichs VI., dass stehenden Aufführungen der eigenen Werke, der Opern Agnes den französischen König heiraten soll. Es mündet Glucks und Mozarts sowie einiger Werke Beethovens. in einen allgemeinen Tanz, an dem auch die beiden Mit Agnes von Hohenstaufen, die in erster Fassung 1827 Rivalen um Agnes teilnehmen: Heinrich in Maskie- Premiere hatte und in weiteren Fassungen 1829 und rung und Philipp August inkognito als sein eigener 1837 zur Aufführung kam, befasste er sich bis fast zum Gesandter. Heinrich wird demaskiert und entkommt Ende seiner Berliner Zeit. Um 1840 spitzten sich die dem Todesurteil nur knapp. Auseinandersetzungen um seine Person zu, der 1841 die Entlassung aus dem Dienst folgte. Über Paris siedelte 2. Akt: Der Konflikt zwischen dem mittlerweile ge- er schließlich in seine italienische Heimat über, wo er fangenen Heinrich und Philipp August soll in einem 1851 in Maiolati starb. Zweikampf ausgetragen werden. Heinrich flieht. Mit seinem Opus Magnum Agnes von Hohenstaufen Um Trost im Gebet zu finden, hat Agnes sich in eine komponierte Spontini eine deutsche Oper aus dem Klosterkirche begeben, wo sie bald auf Heinrich trifft. Geiste des Kosmopolitismus. In der im Mittelalter an Irmengard initiiert eine heimliche Trauung durch Schauplätzen am Rhein angesiedelten Oper steht der den Erzbischof von Mainz. Philipp August mit seinen Konflikt zwischen den Welfen mit den Staufern im Männern ist Heinrich gefolgt. Zugleich strömt Volk in Mittelpunkt, wie er an die Orte und die Zeit geknüpft die Kirche, um Schutz vor einem Unwetter zu finden. 12 [t]akte 1I2018
1I2018 Ein offener Kampf zwischen den verfeindeten Gruppen droht auszubrechen, den der Erzbischof aber letztlich verhindert. 3. Akt: Heinrich und Agnes drängen zur Flucht. Sie wer- den jedoch aufgegriffen, und Heinrich soll sich dem Zweikampf mit Philipp August stellen, aus welchem er siegreich hervorgeht. Um dem Tod zu entkommen, gibt sich Philipp August nun als der französische König zu erkennen. Irmengard berichtet, dass Agnes bereits mit Heinrich verheiratet sei. Die Wut des Kaisers regt den Widerspruch der Fürsten hervor, so dass eine offene Auseinandersetzung droht. Ein un- bekannter schwarzer Ritter aber vereitelt dies. Es ist Heinrich der Löwe, dessen Truppen schon am Rhein lagern und dem Kaiser die Machtgrundlage entzogen haben. Heinrich der Löwe und Heinrich der Jüngere aber bestehen nicht auf dem Sieg, sondern bieten dem Kaiser die Freundschaft an. Agnes von Hohenstaufen: Karl Friedrich Schinkels Bühnenbild der Aufführung am Königlichen Hoftheater Berlin, 1829: Prunksaal mit Pantomime „Vermählung des Rheins mit der Seine“. Farbdruck nach Aquarell von Karl Jakob Gerst Für Agnes und ihre Premiere 1827 war die erste (Bild: akg-images) Riege preußischer Künstler angetreten: Die Musik stammte vom Generalmusikdirektor, Karl Friedrich endlich ist es soweit: Die erste Aufführung der deutsch- Schinkel entwarf die Bühnenbilder und Carl Graf von sprachigen Originalfassung seit 1840 auf Grundlage Brühl die Kostümbilder. Das Theater war mit dieser der Neuedition von 2001, die Jens Wildgruber erstellte, Geschichtsoper als einer Art Bildungsinstitution wird es in Erfurt geben. Gerahmt wird die Premiere am mit Potenzial für nationale Identifizierungsprozesse 1. Juni von einer Konferenz zu Spontini. konstruiert. Mit Agnes von Hohenstaufen entstanden Anno Mungen bewegte Historienbilder, die in der zeitlichen Dehnung der musikalischen und theatralen Fassung Unmittel- barkeit für sich beanspruchen und sie zu Instrumenten Gaspare Spontini für erlebbare Geschichte ausweisen. Agnes von Hohenstaufen Das Visuelle ist bei Spontini in die Musik einkom- Erstaufführung nach der Neuausgabe: 1.6.2018 poniert. Das Bild fungiert als musikalische Einheit Theater Erfurt, Musikal. Leitung: Zoi Tsokanou, und liefert als Bühnenbild Spontini die Rahmung der Inszenierung: Marc Adam Komposition. Selbstverständlich handelt es sich bei Besetzung: Kaiser Heinrich VI. von Hohenstaufen Agnes von Hohenstaufen um eine durchkomponierte (Bariton), Philipp (Tenor), Irmengard (Sopran), Oper, für die Spontini in Teilen aber das Prinzip der Agnes (Sopran), Philipp August (Bass), Heinrich Nummernoper aufgibt und er die Szene als die maß- der Löwe (Bariton), sein Sohn Heinrich (Tenor), gebliche musikdramaturgische Einheit in das Zentrum Erzbischof von Mainz (Bass), Burggraf des Kaisers stellt, wo Wagner anknüpfen kann. (Bariton), 2 Kampfrichter (Bariton, Bass), Kerker- Spontinis Musik ist von einem neuen Monumenta- wächter (stumme Rolle), Chor, Statisterie, Ballett lismus geprägt, der sich einerseits auf das Formale und Orchester: 2 Picc, 2, 2 Eh, 4,4 – 4,2,4,1 –Pk, Schlg andererseits auf das Klangliche bezieht. Der Komponist – Hfe – Str; Bühnenmusik: Fl, 2 Ob, 2 Klar, 2 Fag, wertet das Rezitativ auf und entwertet die Arie als Kfag, 2 Bassetthn, 12 Hn, 2 Tp, 2 Klappenhn, solistische Form. Der Weitung der Form entspricht die 4 Tp, BPos, Tb, Serpent, Kb Raffinesse der Vielfalt der Farben, die dem Ideal des Verlag: Kritische Neuausgabe von Jens Wildgruber Mischklangs folgen. im Henle Verlag München, Aufführungsmaterial: Schon zu Spontinis und Schinkels Zeiten wurde Rai Com, Rom, Vertrieb: Bärenreiter · Alkor Agnes von Hohenstaufen nur 19 Mal aufgeführt. Jetzt ] [t]akte 1I2018 13
[t]akte Die Tragedia lirica „Caterina Cornaro“ von Gaetano Nie wieder Neapel! Donizetti wurde am 18. Januar 1844 im Teatro San Carlo zum ersten Mal aufgeführt. Mehr als Die erste Ausgabe von Donizettis Oper 170 Jahre danach erscheint sie erstmals in einer „Caterina Cornaro“ zuverlässigen Edition. Venedig, im 15. Jahrhundert. Die Vermählung von Frage kamen Anna Bishop und Fanny Goldberg; letz- Caterina und Gerardo wird abgesagt. Statt seiner terer gab Donizetti klar den Vorzug, „sollte es keine möchte Lusignano, der König von Zypern, Caterina bessere geben […] denn Mme Bishop hat eine allzu heiraten. Weigerte sie sich, so würde Gerardo umge- kleine Stimme“. bracht. Nachdem man diesen glauben gemacht hat, Aus gesundheitlichen Gründen konnte Donizetti dass sie ihn nicht mehr liebe, nimmt er unter Drohun- nicht nach Neapel reisen, um wie damals üblich die gen seinen Abschied und verflucht den Tag, an dem Oper einzustudieren. Er empfahl stattdessen, „sollten er sie zum ersten Mal sah. Auf Zypern unternimmt während der Proben irgendwelche Schwierigkeiten der venezianische Gesandte Mocenigo – der die Insel auftauchen, etwas nicht gut instrumentiert oder zu unter Venedigs Herrschaft zu bringen trachtet – den schwach oder zu laut sein“, Mercadante zu bitten, einzu- Versuch, Gerardo zu töten. Lusignano, von Mocenigo greifen, als sei die Musik dessen eigene. Trotz all dieser vergiftet und deswegen geschwächt, verhindert den Vorkehrungen fiel das Werk bei der Premiere durch; Mord. Die Venezianer schicken sich an, Lusignanos applaudiert wurde lediglich nach drei Nummern. In Reich anzugreifen. Gerardo, der sich auf Rhodos dem einer Zeitung war zu lesen, „dass Donizetti nachlässig Johanniterorden angeschlossen hat, eilt ihm zu Hilfe. komponiert, die Partitur mit Reminiszenzen übersät Der König wird tödlich verwundet und vertraut im und ein schlechtes Werk abgeliefert habe, […] dass es Sterben sein Volk Caterina an. überhaupt kein wirkliches Werk Donizettis sei“. Nach Zunächst für das Wiener Kärntnertor konzipiert, diesem Fiasko beschloss Donizetti, nie wieder für Ne- wurde das Werk 1842 erst einmal zurückgestellt: Im No- apel zu arbeiten. Doch den Glauben an sein Stück hatte vember desselben Jahres kam dort eine gleichnamige er nicht verloren: Er beschloss, es für eine Neuproduk- Oper von Franz Lachner tion in Parma im Januar 1845 in Teilen zu revidieren; zur Aufführung. der Bariton Felice Varese, einer seiner Lieblingssänger, Aus Neapel erhielt sollte darin mitwirken. Doch krank und überarbeitet, Donizetti den Auftrag, konnte er weniger Änderungen vornehmen als ge- eine neue Oper auf der plant. Eine wichtige allerdings betrifft das Finale: Die Grundlage von Victor Cabaletta Caterinas, die in Neapel keinerlei Applaus Hugos Drama Ruy Blas bekommen hatte, ersetzte er durch eine Sterbeszene zu schreiben. Doch für Lusignano. Vieles spricht freilich dafür, dass diese stand der Komponist Revision das Theater zu spät erreichte und sie nicht zur unter Zeitdr uck und Aufführung kam. musste anderen Pflich- Die neue kritische Ausgabe des Bärenreiter-Verlags ten genügen. So schlug ist die erste moderne Ausgabe der Oper überhaupt. Sie er vor, für das Teatro San enthält die Fassung der Uraufführung in Neapel. Wo Carlo die halbfertige es möglich war, sind die Änderungen für Parma ange- Oper zu vollenden. Zwar zeigt. Das zweite Finale, das lange als verschollen galt, war die Theaterleitung ist in einem Anhang enthalten; damit wird es erstmals nicht begeistert, doch zugänglich. Ein ausführlicher kritischer Kommentar Donizetti ließ sich da- erläutert die verschiedenen Schichten des Kompositi- von nicht beirren. In onsprozesses so gründlich wie möglich. einem Brief vom März Hans Schellevis 1843 bittet er den Li- brettisten Sacchèro um dessen Hilfe: Unter an- Gaetano Donizetti Tizian: Caterina Cornaro (ca. 1542), Uffizien, Florenz derem wünscht er sich Caterina Cornaro. Tragedia lirica in un prologo (Foto: akg-images / De Agostini Picture Lib. / Text für „eine kraftvolle e due atti. Libretto: Giacomo Saccero. Hrsg. von G. Nimatallah) Cabaletta zum Auftritt Hans Schellevis des Königs“; außerdem Besetzung: Caterina Cornaro (Sopran), Andrea solle der Chor ins Quartett einbezogen werden, und am Cornaro (Bass), Lusignano (Bariton), Gerardo Beginn des dritten Aktes solle ein Duett von Caterina (Tenor), Moncenigo (Bass), Strozzi (Tenor), Matilde und Lusignano stehen. Zwar wurden nicht alle Wün- (Sopran) – Chor SATB sche Donizettis erfüllt, doch im Juni 1843 war das Stück Orchester: 2 (Picc),2,2,2 – 4,2,3,Cim,0 – Pk, Schlg, fertig und ging nach Neapel. Hfe, Bühnenmusik (aus dem Orchester), Str Viel lag Donizetti an der Sängerin der Hauptrolle. Verlag: Bärenreiter, BA 8747, Aufführungsmaterial Er schlug sogar vor, die Premiere zu verschieben, bis leihweise eine Sopranistin gefunden sei, „die völlig gefällt“. In 14 [t]akte 1I2018
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