THE RESISTANCE Der amerikanische Widerstand gegen Trump Von Ethan Young - Rosa Luxemburg Stiftung
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Table of Contents Gegen Trump: Von Zersplitterung zu Einheit................................................................................1 The Resistance Der amerikanische Widerstand gegen Trump...........................................................................2 Von Ethan Young Macht und Widerstand.................................................................................................3 Politische Anatomie des Widerstands........................................................................................6 Mitte-Rechts-Vertreter und Zentristen in der Demokratischen Partei....................7 Die Demokraten und die Linke: Soziale Bewegungen.............................................9 Auf Brennpunktsuche................................................................................................16 Das Gewerkschaftsdilemma.....................................................................................17 Die Demokraten und die Linke: Politisches Handeln........................................19 Das sozialistische Dilemma......................................................................................22 Politische Probleme des Widerstands......................................................................................25 Welche Arbeiterbewegung?.......................................................................................27 Einheitsfront heute.....................................................................................................28 Entweder/oder, damals und heute..........................................................................30 Die sozialen Bewegungen politisieren...................................................................31 Veröffentlicht von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, Mai 2018. Herausgeber: Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg Adresse: 275 Madison Avenue, Suite 2114, New York, NY 10016 E-Mail: info.nyc@rosalux.org; Telefon: +1 (917) 409-1040 Gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine international tätige, progressive Non-Profit-Organisation für poli- tische Bildung. In Zusammenarbeit mit vielen Organisationen rund um den Globus arbeitet sie für de- mokratische und soziale Partizipation, die Ermächtigung benachteiligter Gruppen, Alternativen zur wirt- schaftlichen und sozialen Entwicklung und für friedliche Konfliktlösungen. Das New Yorker Büro erfüllt zwei Hauptaufgaben: sich mit Themen der Vereinten Nationen zu befassen und mit nordamerikanischen Linken in Hochschulen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der Politik zusammenzuarbeiten. www.rosalux-nyc.org
Gegen Trump: Von Zersplitterung zu Einheit Am Tag nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump wurde in den Straßen Amerikas „der Wie- derstand“ geboren. Bei den am 21. Januar 2017 von Basis-Initiativen organisierten Frauenmärschen handelte es sich um die größte Demonstration in der Geschichte des Landes. Inzwischen unterstüt- zen zahlreiche Gruppierungen, die von der Politik der Trump-Regierung besonders stark betroffen sind, die Proteste gegen Trump—vor allem Migranten, LGBT-Menschen, Opfer von Waffengewalt und Arme, aber auch Umweltschützer und sogar Wissenschaftler. Im Laufe der vergangenen achtzehn Monate haben die Proteste jedoch ein wenig an Schwung verloren. Die andauernden Verfälschungen und Lügen Trumps, seine Gemeinheiten (wie etwa ge- genüber undokumentierten Jugendlichen, den sogenannten „Dreamers“) und die ständigen Über- griffe seiner Regierung haben die Millionen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich der autoritären Regierung des Landes entgegenstellen, ausgelaugt. Zwar ist Wiederstand niemals vergeblich, doch er kann ermüdend sein. In dieser Studie setzt sich Ethan Young mit der aktuellen Lage des Widerstands gegen die Trump-Re- gierung auseinander. Dabei lehnt er dezidiert die gemäßigte Position ab, wonach der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten irgendwann aufgrund seines Handelns abgelehnt oder gar we- gen Amtsvergehen angeklagt werden wird. Tatsächlich deutet einiges – wie etwa die relativ starken makroökonomischen Daten und die Steuerreform (die kleinere Vorteile für viele verspricht) – darauf hin, dass Trump noch Zugewinne macht. Wie also kann Trump geschlagen werden? Zunächst einmal müssen Trump und seine Verbündeten in den bevorstehenden Zwischenwahlen an den Wahlurnen besiegt werden. Doch wird es auf lange Sicht nicht ausreichen, Trump aus dem Amt zu wählen, wenn wir auch seine Gefolgsleute schlagen wollen. In dieser Studie zeigt Ethan Young auf, dass der Wiederstand gegen Trumps „neuen Autoritarismus“ – der vielfältig ist und von der radikalen Linken bis zum Establishment der politischen Mitte reicht – nur dann eine Chance hat, wenn er sich nicht allein gegen die radikale Rechte auflehnt, sondern sich auch dem Neoliberalismus widersetzt. Um das zu ermöglichen, müssen die Konkurrenz und Frag- mentierung, die derzeit zwischen den gegen Trump gerichteten politischen Gruppen vorherrschen, überwunden werden. Nur dann ist neue Einheitsfront – jenseits eines sozialistischen Modells aus dem zwanzigsten Jahrhundert – möglich. Erst wenn die Demokratie gegen die Übergriffe des Rechts- populismus und Neoliberalismus verteidigt wird, können wir uns der Aufgabe zuwenden, eine neue, auf Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität basierende Politik zu schaffen. Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg Leiter des Büros New York, Mai 2018 1
The Resistance Der amerikanische Widerstand gegen Trump Von Ethan Young Die Wahl von 2016 und das erste Amtsjahr republikanische Hegemonie in Frage zu stellen. Donald Trumps haben zu wachsender Polari- Sie hat es mit der zunehmenden Entschlossen- sierung im Mainstream der amerikanischen heit ihrer Wählerbasis, ja womöglich der Mehr- Politik geführt. Die Demokratie, wie sie im heit im Lande zu tun. Doch die zentristische Laufe des vergangenen Jahrhunderts von den Führung der Partei ist zwischen ihrer Orien- großen Bewegungen für politische und soziale tierung auf die Wirtschaft und der Frustration Gerechtigkeit sowie für den Schutz der Umwelt ihrer Wählerschaft hin- und hergerissen. geprägt wurde, steht von vielen Seiten her un- ter Beschuss. Der Wechsel an der Staatsspitze zeitigt dra- matische Konsequenzen: die Märkte außer Gegen diese Angriffe sind jedoch mittlerweile Rand und Band; erklärte weiße Nationalisten Reaktionen zu verzeichnen, die auf eine Revi- an den Schaltstellen der Macht; Jagdsaison talisierung des Widerstands gegen die Rechte gegen Immigranten, eine Schlüsselgruppe der und den Neoliberalismus hindeuten – eine Ent- Arbeiterklasse; Militarisierung von Polizei und wicklung mit beträchtlichem politischen Po- Rechtsvollzug; Gewöhnung an tödliche Gewalt tenzial. Das Bündnis rechter und ultrarechter – im Inneren wie nach Außen; eine unverhüllt Strömungen, das Republikanische Partei, Kon- bellizistische Außen- verbunden mit fremden- gress und Weißes Haus unter seine Kontrolle feindlicher Innenpolitik; verstärkte Zerstörung gebracht hat, stößt auf massenhafte Be- und von Umwelt und Infrastruktur; vermehrte He- Entfremdung, aus der eine zunehmende, noch rabwürdigung von Frauen und sexuellen Min- ungestalte Protestbewegung erwächst. Die derheiten; einschneidende Mittelkürzungen Medien haben die verbreiteten Oppositions- im Gesundheits- und Bildungswesen. regungen „the resistance“ – „Widerstand“ – ge- tauft, was die Furcht anklingen lässt, die repu- All diese Probleme hat es, wie sich mühelos blikanisch geführte Regierung bewege sich in zeigen lässt, auch unter früheren Regierungen Richtung Faschismus. gegeben, sowohl unter Republikanern wie un- ter Demokraten. Der Unterschied liegt im ver- Diese „Resistance“ wiederum entdeckt, dass änderten politischen Kräfteverhältnis. Heute die Demokratische Partei eine Arena ist und dominieren die Republikaner in allen drei Sek- dass es die Linke – so oder so – angeht, wie die toren staatlicher Macht, während die zentris- Richtungskämpfe dort ausgehen. Versuche, tischen (oder gemäßigten) Kräfte dieser Partei sich dieser Partei zu bedienen, um linke Poli- entmachtet wurden. (Vor 1980 hätte man Re- tikinhalte unters Wahlvolk zu bringen, reichen publikaner wie die, die heute als gemäßigt gel- bis in die 1930er Jahre zurück. Gewöhnlich sto- ten, als ultrarechts angesehen. Fast alle haben ßen sie auf starken Gegenwind aus der Partei- sich mittlerweile Trump unterworfen.) führung. Die Bernie-Sanders-Kampagne hat diese Bestrebungen seit 2016 deutlich voran- Die parteipolitische Spaltung ist nichts Neues, gebracht. Heute ist die Partei nahe daran, die auch wenn beide Seiten behaupten, auf ihre 2
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE Überwindung hinzuarbeiten und „bipartisan- tristen zu säubern. Deshalb war die Berufung ship“ – überparteiliche Kooperation – wie eine von Neil Gorsuch in den Obersten Gerichtshof Art magischer Ausgleichsformel beschwören, so bedeutsam. Gorsuch ist ein führender Ver- in der Pragmatismus und der Wunsch nach fechter der Deregulierung in der Privatwirt- nationaler Einheit sich miteinander verbinden. schaft sowie verschärfter staatlicher Repres- Heute hat diese Spaltung allerdings angesichts sion in Gestalt des „Antiterrorkriegs“ und der der scharfen Rechtswende in Richtung auf eine Todesstrafe. Bundesrichter können, einmal er- unverhüllte „Rassenpolarisierung“ besonders nannt, nur noch durch Rücktritt oder Impeach- extreme Formen angenommen. Der weiße Na- ment ihr Amt verlieren. Aber auch die Gerichte tionalismus aus den Tagen der Bürgerrechts- der Einzelstaaten werden von den Rechten im kämpfe scheint wiederaufzuerstehen. Doch Eiltempo erobert.2 damals brachte der noch offenere Rassismus des unabhängigen Präsidentschaftskandida- Der „Winner-take-all“-Charakter der US-Poli- ten von 1968, George C. Wallace, diesem ledig- tik weist der Demokratischen Partei heute die lich ein paar Pressefoto- und TV-Termine ein. Rolle der Opposition zu, und die Zukunft des Mittlerweile hatten wir den ersten schwarzen Landes, ja der ganzen Welt, hängt hochgradig Präsidenten, auf dessen Wahl hin die weißen davon ab, auf welche Weise die Demokraten Nationalisten erneut mobil machten. Verbrei- diese Rolle, die sie nicht freiwillig übernommen tete Gewaltaufrufe trugen schließlich dazu bei, haben, ausfüllen wollen. Dass sie sich mit der Trump an die Macht zu bringen. ungeliebten Aufgabe schwer tun – was vielfäl- tige und verzwickte Gründe hat –, erweist sich Das verweist auf die in der US-Gesellschaft als eines der größten Hindernisse auf dem herrschende Grundspannung. Die Demokratie Weg zur Zusammenführung der Kräfte, die krankt in den Vereinigten Staaten nicht allein dem rechten Ansturm gegen demokratische daran, dass sie die Wenigen begünstigt; basie- Normen entgegentreten können. 3 Im ersten rend auf ihrer Geschichte der Rassentrennung Jahr der Trump-Herrschaft ging die Opposition – der historischen „color line“ – benachteiligt weniger von gewählten Politikern als von öf- sie ganze Bevölkerungsgruppen, Afroameri- fentlichen Protesten jenseits der Wahlkämpfe kaner und andere, in eklatanter Weise. Die aus. Darin, wie unterschiedlich die Themen der Grundfrage der Rassengerechtigkeit schlägt jeweiligen Proteste sind, spiegelt sich die Frag- sich in der Kultur und im Wahlverhalten des mentierung der Linken wieder. Landes nieder. Wie der Widerstand damit um- geht, ist von ausschlaggebender Bedeutung. Am Tag nach Trumps Amtsübernahme (21. Ja- Wird er eine Demokratie entwerfen können, nuar 2017) sorgte der Frauenmarsch auf Wa- für die es sich zu kämpfen lohnt?1 shington für einen neuen Rekord öffentlichen Protests. (Mehr als 600 000 waren dort betei- ligt, und Schätzungen besagen, dass gleich- Macht und Widerstand zeitige Proteste in über hundert Städten und Gemeinden sogar vier Millionen auf die Beine Die Rechte – einschließlich derjenigen, denen Trumps Fiebertaumel und seine Grenzüber- 2 Paul Rosenberg, GOP’s court-packing spree: It’s only schreitungen Bauchschmerzen bereiten – hat the beginning, Salon.com, 3.12.2017; Charlie Savage, Trump is rapidly reshaping the judiciary. Here’s how, sich daran gemacht, die Justiz gänzlich von Zen- in: „New York Times“; 11.11.2017; Ian Millhiser, Republi- cans are using long-forbidden tactics to chip away at judicial independence, ThinkProgress, 9.2.2018. 1 Sean McElwee und Jason McDaniel, Economic anxiety 3 Will Stancil, Democrats’ „resistance“ to Trump is ero- didn’t make people vote Trump, racism did, in: „The ding, and so are their poll numbers, in: „The Atlantic“, Nation“, 8.5.2017. 9.2.2018. 3
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE brachten.4) Das geschah so gut wie spontan, Schusswaffenattacken an Schulen. Trump und binnen weniger Wochen mittels der sozialen die Republikaner bekämpfen jeden ernsthaf- Medien mobilisiert. Zwar hatte bei der Frau- ten Schritt zu stärkerer Schusswaffenkontrolle enbewegung in den vorangegangenen Jahren leidenschaftlich. 5 (Trumps Lösungsvorschlag ziemliche Ebbe geherrscht, andererseits war die besagt, dass Angreifer mit hochwirksamen Empfindlichkeit gegenüber Gewalt und Frauen- automatischen Angriffswaffen künftig von be- diskriminierung im ganzen Lande vor der Wahl waffneten Lehrern abgewehrt werden sollen.) spürbar gewachsen. Der Aufstieg eines bekann- Deshalb wird der „March For Our Lives“ als Teil termaßen frauenfeindlichen Egomanen wie des Anti-Trump-Widerstands verstanden. Zwar Trump und sein Sieg über Hillary Clinton, die haben die Organisatoren nicht Trump ins Zen- weibliche Alternative, wirkte als der Funke im trum gerückt, aber sie nehmen die National Rifle Pulverfass. Dass Trump die Unterstützung der Association (NRA) ins Visier und versuchen, Wi- scheinheilig-puritanischen, offen patriarchalen derstand gegen diese Massenorganisation zu religiösen Rechten genoss, goss zusätzlich Öl mobilisieren, die eine offen rassistische und ins Feuer. Es gab auch ernstliche Bemühungen, Trump-freundliche Politik verfolgt. Gegner be- die Rassen/Klassen-Barriere zu durchbrechen, droht die Organisation mit physischer Gewalt. die den Einfluss des politischeren Flügels im Damit gehen die Marschierer in die direkte Feminismus tendenziell begrenzte. Dieser hat- Konfrontation mit der stärksten faschistisch te ganz auf die „Establishment“-nähere Clinton geführten Kraft, die die Vereinigten Staaten gesetzt, während er jüngeren Aktivistinnen, die seit der Hochphase des Ku Klux Klan in den Bernie Sanders‘ linkspopulistische Ausstrah- 1920er Jahren erlebt haben. Die Organisatoren lung schätzten, schädliches Verhalten vorwarf. des Marsches rufen die jungen Leute zudem immer wieder auf, gegen Schusswaffen-Befür- Der Frauenmarsch zeigte seit Jahren erstmals, worter an die Wahlurnen zu gehen. dass eine einzelne soziale Bewegung die Un- terstützung vieler anderer gewinnen kann. Das Vor der Trump-Wahl waren Zusammenstöße reichte von linksgerichteten Gewerkschaften, mit gewählten Politikern außerhalb der großen LGBTQ-Orientierten, Immigranten und Umwelt- Städte nicht allzu häufig und verliefen in der Re- schützern bis in das breitere Spektrum gegen gel relativ „gesittet“. Doch in den Wochen nach Trump eingestellter Bevölkerungsgruppen hin- der Amtseinführung breitete sich eine wahre ein. Aber Frauen, die offensiv Frauenfragen auf- Welle erregter Bürgerversammlungen aus, bei werfen, werden politisch sogar noch wichtiger, denen Einwohner von republikanisch dominier- weil sie als der rebellischste Teil der Arbeiterklas- ten Städten und Gemeinden ihren Kongress se in Erscheinung treten – als Lehrerinnen, Pfle- abgeordneten und Senatoren die Hölle heiß gekräfte, Hausangestellte, Niedriglöhnerinnen, machten. Die meisten dieser Aktionen richteten studentische Hilfskräfte und ganz allgemein als sich gegen den Versuch der Republikaner, Oba- Menschen, die sich für den Schutz der Benach- mas Gesundheitsreform rückgängig zu machen. teiligten, besonders der Kinder, einsetzen. Dass die öffentliche Meinung einen nationalen Gesundheitsplan („Medicare for all“) mehrheit- Am 24. März 2018 verzeichneten 260 Sam- lich befürwortet, bewegte führende Demokra- melpunkte mit der Hauptkundgebung in Wa- ten mittlerweile dazu, über die Unterstützung shington, D.C., enormen Zustrom zum „March der privaten, versicherungsfreundlichen Oba- for Our Lives“. Teenager reagierten damit in macare hinauszugehen.6 Das zeigt deutlich, wie großer Zahl auf die landesweite Welle von 5 Ali Conti, The March for Our Lives wasn’t just another Trump protest, in: „Vice“, 26.3.2018. 4 Kaveh Waddell, The exhausting work of tallying Ameri- 6 Dylan Matthews, The stunning democratic shift on sing- ca’s largest protest, in: „The Atlantic“, 23.1.2017. le-payer, „Vox“, 7.9.2017. 4
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE massenhafte Opposition gegen Trump einen Jahres ihre Position verbessern konnten. Auf allgemeinen Linksruck an der Basis sowohl einzelstaatlicher wie auf Bundesebene ging es fördert als auch selbst Ausdruck dieser Kräfte- um über 70 Sitze, die außer der Reihe zu verge- verschiebung ist. Politiker der Demokratischen ben waren, wobei die „Demokraten in Bezirken Partei gehörten zu den Organisatoren von jeglicher Art und mit Kandidaten jeglicher Art Bürgerversammlungen gegen das republikani- besser [abschnitten]“ 9 , gleichgültig ob in „ro- sche Steuergesetz, das einen groß angelegten ten“ (das heißt republikanischen) oder in „blau- Vermögenstransfer von der Unter- und Mittel- en“ (also von den Demokraten dominierten) schicht hin zu den Reichsten beinhaltet. Staaten. Lokale Wahlen im Verlauf des Jahres 2017 zei- Es gibt zudem eine ganz neue Entwicklung, die tigten ebenfalls eine – elektorale – Links- und auf einen positiven Ausgang aus dem Debakel Mitte-Links-Verschiebung. Gemessen an dem des Landes hoffen lässt: den Trend zu erstmals Tempo, in dem Geschichte sich normalerwei- antretenden Kandidaten und besonders Kan- se bewegt, trat diese Gegenreaktion geradezu didatinnen, die sich in Wahlkämpfe um lokale postwendend ein. Der republikanische Sieg Sitze stürzen und für die alten Schlachtrosse von 2016 hatte so gut wie jeden, auch die Re- beider Parteien eine echte Bedrohung sind. publikaner selbst, überrascht. Es handelte sich „Rund viermal so viele Frauen wie für die Re- jedoch nicht um das Resultat einer Art Volks- publikaner bewerben sich für die Demokraten erhebung zugunsten dieser Partei.7 Vielmehr um Repräsentantenhaussitze, so das Center hatten die Republikaner sich jeden Vorteil, den for American Women and Politics. Im Senat das System und die glücklosen Demokraten beträgt das Verhältnis zwei zu eins“, meldet ihnen eröffneten, zunutze gemacht und so er- das „Time“-Magazin.10 Diese Kandidaten unter- reicht, dass Trump gewählt wurde – nicht vom scheiden sich in ihrer Politik durchaus, neigen Volk, sondern indirekt , durch den Apparat des aber gemeinhin dazu, nicht nur die traditionel- Electoral College, des „Wahlmännergremiums“, len Themen der Demokraten (wie etwa Repro- und mit dem denkbar knappsten Vorsprung. 8 duktionsrechte und Verteidigung öffentlicher Trump hatte also kein Mandat des Volkes, und Dienstleistungen), sondern in Verbindung da- jene Amerikaner, denen Politik nicht gleichgül- mit auch die anspruchsvolleren Forderungen tig ist, waren mehrheitlich schockiert genug, aufzugreifen, die in der Sanders-Kampagne um vor den 2017 außer der Reihe fälligen Wahl- erhoben wurden (Gesundheitsversorgung für terminen aktiv zu werden. alle, raus aus der Politik mit dem Großen Geld, höherer Mindestlohn etc.).11 Auf viele Wählerinnen und Wähler wirkte die Karikatur eines Plutokraten im Präsidenten- Mit der Niederlage von Roy Moore in Alabama amt abstoßend. Auch traditionelle Republika- waren die Würfel gefallen. Moore – einem reli- nerwähler erkannten ihre Partei nicht wieder. giös Verwirrten, der sich an Kindern vergriffen Sie wurde jetzt von einem Bündnis dominiert, hatte – gelang es in der republikanischen Vor- das weit rechts von jeder Formation stand, die wahl, Trumps Wunschkandidaten zu schlagen. je in der nationalen Politik den Ton angegeben In der Wahl selbst unterlag er dann aber – trotz hatte. Das Ergebnis war, wie der politische Blog „FiveThirtyEight“ Ende 2017 bilanzierte, dass 9 Harry Enten, Special elections so far point to a de- mocrativ wave in 2018, „FiveThirtyEight“, 13.12.2017. die Demokraten bei den Wahlgängen dieses 10 Charlotte Alter, A year ago, they marched: Now a re- cord number of women are running for office, in: 7 Nolan D. McCaskill, Trump tells Wisconsin: Victory was „Time“, 18.1.2018. a surprise, in: „Politico“, 12.12.2016. 11 Zaid Jilani, Ryan Grim und Rachel M. Cohen, A year af- 8 Steve Denning, The five whys of the Trump surprise, in: ter Trump, Democrats, Socialists and Populists sweep „Forbes“, 13.11.2017. elections, in: „The Intercept“, 9.11.2017. 5
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE (oder wegen) massiver Unterstützung Trumps schiedlichen politischen Rahmenbedigungen. in letzter Minute –, einem glanzlosen Modera- Die größte sozialistische Gruppierung, die De- ten, der für die Demokraten antrat. Selbst im mocratic Socialists of America (DSA), reklamier- abgebrühten Alabama beschränkt sich die Un- te fünfzehn Siege für von ihnen unterstützte terstützung für Trump derzeit auf einen harten Kandidaten. Im Anschluss an ihre Mitwirkung Kern, und dieser gerät allmählich ins Abseits, in der Sanders-Kampagne hatte die Mitglieder- weil Wechselwähler die grobe Demagogie der zahl der DSA sich vervierfacht. Einem DSA-Mit- Rechten zunehmend ablehnen. glied und „Berniecrat“, Lee Carter, gelang es, den republikanischen Mehrheitsführer im Den Ausschlag gaben bei Moores Niederlage House of Delegates des Bundesstaates Virgi- afroamerikanische Frauen. Im tiefen Süden nia zu schlagen. Der dreißigjährige Carter, der beurkundet das einen historischen Wandel. in Opposition zu einem – beide großen Par- Es handelte sich durchaus nicht um einen teien subventionierenden – Energiemonopol Zufallstreffer. Wählermobilisierungs-Gruppen antrat, gewann mit neun Punkten Vorsprung.13 hatten seit Jahren schwarze Wahlbezirke in Alabama gezielt bearbeitet, und schon vor der Sollte dies der Beginn einer politischen Links- Entscheidung über den Senatssitz hatten loka- verschiebung sein, die breite Bevölkerungskrei- le Wahlen positive Resultate erbracht.12 se erfasst und „Biss hat“, so eröffnet es Aus- sichten darauf, dass die „Resistance“ über die Es gab weitere überraschende Anzeichen für Rückkehr zu den vor 2016 geltenden Normen Veränderungen im Wahlverhalten. So konnten hinausgeht und in eine politische Massenbewe- erklärte Sozialisten, die für die Demokratische gung gegen Neoliberalismus, Militarismus und Partei antraten, mehrere Wahlkämpfe für sich Xenophobie mündet. Hiervon könnte abhän- entscheiden und in anderen verblüffend gut gen, ob es gelingt, die Hegemonie des Bündnis- abschneiden. Dies geschah unter ganz unter- ses von Rechts und Ultrarechts zu brechen. Politische Anatomie des Widerstands Das politische Spektrum der Opposition gegen dass dieser sein politisches Profil durch die Ver- die Trump-Administration reicht von der gemä- unglimpfung der „eigenen“ Parteiführung ge- ßigten Rechten bis weit nach Linksaußen. Es schärft hatte. Diese Konversion vollzog sich in gibt einige Republikaner, die sich offen gegen der Periode unmittelbar vor der Wahl und nach Trump wenden, und wahrscheinlich tun es wei- seinem Sieg. Mit der Zeit neutralisierten die tere im Verborgenen. Die Mehrheit der Repub- Zwänge und Reize der Amtsausübung den Ein- likaner entschloss sich dagegen, die Reihen um fluss der verbliebenen „Never-Trump“-Repub- Trump zu schließen, ungeachtet der Tatsache, likaner, und die Mitte-Rechts-Vertreter lösten sich von zentristischen Positionen. Heute ist 12 Van R. Newkirk II. African American voters made Doug Jones a U.S. Senator in Alabama, in: „The Atlantic“, 17.11.2017; Will Drabold, Black women fueled a gras- 13 Democratic Socialists of America, 15 DSA members sroots movement in Alabama – and may remake sta- elected!, 2017 election, dsausa.org, 9.11.2017; Osita te politics, „Mic“, 14.12.2017; Scott Clement und Emily Nwanevu, What a Democratic Socialist’s upset win Guskin, Exit poll results: How different groups voted in suggests about the future of the democrats, „Slate“, Alabama, in: „Washington Post“, 13.12.2017. 10.11.2017. 6
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE die Partei eine Kraft, die sich kompromisslos mit Personal- und Spendenbeschaffungspro- Rückschritt und Korruption verschrieben hat. blemen herum, die erst nach der Wahl von 2016 öffentlich wurden.14 Mitte-Rechts-Vertreter und Zentris- In den ersten Monaten des Jahres 2018 haben ten in der Demokratischen Partei die Demokraten bei Wahlen wieder ein wenig besser abgeschnitten. Im politischen System Innerhalb der Demokratischen Partei neigen des Landes sind sie nach dem Debakel von 2016 der Mitte-Rechts-Flügel der Mandatsträger (die jedoch immer noch minoritär. Auf die Wahlen sich selbst als „blue dogs“, blaue Hunde, etiket- des laufenden Jahres hatten sie sich mit einer tieren) und Vertreter des Parteiapparats dazu, Analyse vorbereitet, die einen Rückschlag für der Rechten bei Themen wie Reproduktions- Trump erwartet. Im Einzelnen geht sie von den rechte, Immigration und Polizeigewalt gele- folgenden Annahmen aus: gentlich Zugeständnisse zu machen. Während sie Trumps Generallinie als extremistisch ab- 1. Die Mehrheit des Elektorats werde, trotz an- lehnen, nehmen sie andererseits Kurs auf eine haltend starker Rechtsorientierung, Trump als Versöhnung mit den Republikanern im Kon- Extremisten ablehnen; gress und hüten sich davor, abfällig über evan- gelikale Kirchen oder die Schusswaffenlobby 2. diese Mehrheit werde sich, angesichts man- zu sprechen. Sozialen Bewegungen der Linken gelnder Resonanz bei den Republikanern, den stehen sie feindselig oder indifferent gegen- Demokraten zuwenden; und über, auch wenn sie die Unterstützung einiger Gewerkschaften genießen. 3. die Ermittlungen gegen Trump wegen russi- scher Einmischung in die 2016er Wahlen zu sei- Die Mitte-Rechts-Vertreter beider Parteien üben nen Gunsten und ein Prozess gegen ihn würden sich derzeit hauptsächlich im Abwarten. Sie die Republikaner schwächen und zwangsläufig erwarten, dass Trumps Macht letzten Endes die geschwundene Unterstützung der Demo- schwinden wird und die altvertrauten Politikfor- kraten seitens der Wirtschaft wiederbringen. men wieder in Mode kommen. Es handelt sich bei ihnen größtenteils um alte Partei-Schlachtrösser, Dieses Szenario sollte sowohl kurz- als auch deren Hoffnung auf einen Wandel eher in Rich- langfristige Entwicklungen erfassen. Es erwar- tung des Status quo ante (vor Trump) tendiert tet oder unterstellt, dass Trump 2020 leicht zu als darauf, dass es zu einem gegen die Konzern- schlagen sein werde. Der Präsident könnte aber macht gerichteten Populismus oder zu mehr De- auch schon vorher zurücktreten oder durch ein mokratie kommt. Während sie in Worten gegen Impeachmentverfahren entfernt werden, was Trump auftreten, sind sie zugleich strikt auf Dis- jeglichem Versuch der Republikaner, Trumps tanz zum Widerstand bedacht. Nummer Zwei, den glanzlosen Theokraten Mike Pence, an dessen Stelle wählen zu lassen, weit- Die Zentristen, die teils eher der Linken, teils gehend den Boden entzöge. Und selbst wenn eher der Rechten zuneigen, kontrollieren die diese Erwartung enttäuscht würde, dürften vier Führung der Demokratischen Partei sowohl auf weitere Jahre republikanischer Regierung den der nationalen wie auf einzelstaatlicher Ebe- Demokraten 2024 einen Startvorsprung ver- ne. Ihre Stimme wird in den Verlautbarungen schaffen – so jedenfalls die Theorie. des Democratic National Committee, des De- mocratic Congressional Campaign Committee 14 Clio Chang, Yes, Democrats have a fundraising Prob- lem, in: „The New Republic“, 22.8.2017; Ryan Cooper, und der meisten einzelstaatlichen Gliederun- This is the real scandal in the Democratic Party, in: gen der Partei vernehmlich. Diese schlägt sich „The Week“, 8.11.2017. 7
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE Die zentristische Strategie wirft allerdings ekla- te Verrat die republikanische Machtstellung tante Probleme auf: nun untergräbt oder nicht – die schwersten Besorgnisse, die Trumps politische Einstellung 1. Es gibt deutliche Anzeichen für eine Öffnung und seine Regierungspraxis auslösen, wurden des Elektorats nach links und dafür, dass die jedenfalls in den Hintergrund gedrängt. Unter- These, weiße Wechselwähler aus der Arbeiter- dessen gerät die Parteibasis mit jeder neuen klasse bildeten Trumps eigentliche – dauerhaft trumpistischen Barbarei mehr in Rage. Ihr ist bürgerrechtsfeindlich, antietatistisch und zu- klar, dass der Generalangriff auf demokratische gleich promilitärisch eingestellte – Basis, nicht Normen und Sozialprogramme nicht einfach stimmt, sondern sozial kurzsichtigen Annahmen dadurch aus der Welt zu schaffen ist, dass die entspringt. Dass Sanders‘ Popularität zunimmt, Demokratische Partei abwartet und auf bessere obwohl die Medien ihn als linksradikalen Eiferer Zeiten hofft. Auch in Umfragen schwindet der hinstellen, während Clintons‘ Umfragewerte im- Vorsprung der Partei in der Wählergunst.17 mer weiter absinken, zeigt jedenfalls: Mäßigung vs. Extremismus ist für die Demokraten heute Würden die Demokraten prioritär auf Oppositi- nicht mehr das Verkaufsargument, als das es on setzen, nicht nur zu Trump, sondern zur Aus- 1964 funktionierte (als der Wahlkampf Johnson teritätspolitik und dem Angriff auf die Demokra- vs. Goldwater den Demokraten ihren letzten tie generell, so würden sie in der Öffentlichkeit Erdrutschsieg einbrachte).15 wohl an Zuspruch gewinnen. Dass sie dies 2016 nicht taten, hat ihre Erfolgsaussichten damals 2. Wenn die Demokraten im Kongress nicht jedenfalls nicht verbessert. Warum werben die energisch genug gegen Trump opponieren, verantwortlichen Zentristen dennoch weiterhin wird dessen Rückhalt nur zunehmen. Mit Pas- für „bipartisanship“ und Normalität? sivität werden sie irritierte Republikaner oder Wechselwähler nicht für sich gewinnen kön- Die Antwort liegt auf der Hand: Sie arbeiten be- nen, wenn deren Unzufriedenheit aus Ver- harrlich daran, Spender aus der Wirtschaft bei zweiflung erwächst und nicht aus bloßer Ent- Laune zu halten. Sie stehen im Kreuzfeuer eines täuschung. Schwache Opposition lässt Trump Klassenkrieges, in dem ihre werktätige Basis so zwangsläufig weiter an Boden gewinnen. gut wie schutzlos unter Dauerbeschuss steht, während die Kapitalisten ganz verrückt nach 3. Die meisten Parteioffiziellen der Demokra- AR-15-Sturmgewehren sind (der berüchtigten ten und die der Partei zugeneigten Medien halbautomatischen Waffe so vieler Massaker). konzentrieren sich auf das mögliche Ergeb- nis der Mueller-Ermittlungen und hoffen auf Das Amerika der Konzerne ist fixiert auf steigen- schlüssige Beweise, dass Trump und Putin sich de Profite (und schon jetzt mehr als perverse tatsächlich gegen Clinton verschworen hat- Managereinkommen). Um deren Gunst nicht ten.16 Wie viele Wählerinnen und Wähler die zu verscherzen, müssen die Demokraten ihre angenommene Verschwörung wirklich beun- Trumpfkarte – als die Partei, die Gutes tut – sehr ruhigt, ist offen – so oder so. Ob der unterstell- behutsam ausspielen. Jeder Gerechtigkeitsappell findet dann sein Echo in einem Plädoyer für so- 15 Anthony DiMaggio, Election Con 2016: New evidence zialen Frieden und dafür, dass es einer Partei be- demolishes the myth of Trump’s „Blue-Collar“ popu- darf, die Unruhe dämpfen kann, statt sie durch lism, in: „CounterPunch“, 16.6.2017; Nate Silver, The invisible undecided voter, „FiveThirtyEight“, 23.1.2017; immer härtere gewaltsame Unterdrückung noch Michael Sainato, As Donald Trump’s Popularity dwind- les, Bernie Sanders’ surges, in: „Observer“ (New York), 17 AP-NORC Centrer for Public Research, New year, same 24.10.2017. priorities: The public’s agenda for 2018, apnorc.org; 16 Masha Gessen, Russia: The conspiracy trap, in: „New Jennifer Agiesta, CNN Poll: Democratic advantage nar- York Review of Books“, 6.3.2017. rows in 2018, CNN.com, 21.1.2018. 8
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE zu verschärfen. Letzteres ist bekanntlich das dem Machterhalt der herrschenden Klasse den Markenzeichen der Republikaner. (Sicher, auch Vorzug vor Bewegungen zu geben, die diesen von den Demokraten gestellte Administratio- untergraben könnten. An dieser Ausrichtung ist nen greifen auf gewaltsame Repressionsmaß- schwer zu rütteln, was auf der Linken zu immer nahmen zurück, etwa bei der Unterdrückung neuen Appellen führt, unverzüglich und restlos der „Occupy Wall Street“-Bewegung, aber in der mit den Demokraten zu brechen. Regel nicht so unverhüllt und nicht so offen auf bestimmte Bevölkerungsgruppen abzielend.)18 Die von der Parteirechten ein ums andere Mal ausmanövrierten Zentristen stecken, wie die Daraus folgt eine Politik des Inkrementalismus, Linke, in einer Defensivstellung fest. Dabei hat kleiner und kleinster Schritte im Umgang mit der Erfolg der Sanders-Kampagne innerhalb den Forderungen der sozialen Bewegungen, der Demokratischen Partei gezeigt, dass Wider- deren Stimmen die Demokraten brauchen. Und stand, nicht aber Inkrementalismus die besten das bedeutet: Für jeden kleinen Schritt in Rich- Aussichten eröffnet, die Wählerschaft der De- tung auf irgendetwas, das nicht für irgendeinen mokraten zu mobilisieren. Die Rechte hat ihre privaten Förderer fette Dividenden abwirft, Basis mobilisiert, indem sie liberale Zentristen geht es sogleich wieder zwei Schritte rückwärts. als verkappte Linksradikale abstempelte, und Passivität resultiert aber auch aus dem histo- Zentristen schaffen es einfach nicht, diese Leu- rischem Zuschnitt und dem institutionellen te aufzuklären. Die durch ihren Pakt mit dem Gedächtnis der Demokratischen Partei als sol- Neoliberalismus politisch ruinierte Parteimit- cher. Ihre Führer haben eine Aversion – einen te ist mehr denn je auf die Linke angewiesen, Horror gar – dagegen geerbt, in eine linke Ecke um gegen die Rechte aus der Defensive zu gedrängt zu werden. Als die Demokraten nach kommen. Einige Zentristen begreifen das und ihrem 1964er Erdrutschsieg über den (nach da- verhalten sich zeitweise entsprechend. In den maligen Maßstäben) ultrarechten Barry Gold- meisten Fällen bewirken jedoch erst Proteste, water mit positiven Reformen auf die Bürger- dass die Parteiführung sich bewegt.20 rechtsbewegung reagierten, verloren sie 1968 gegen Richard Nixon. Und als sie in der darauf folgenden Präsidentschaftswahl ihren seit Roo- Die Demokraten und die Linke: Sozia- sevelt fortschrittlichsten Kandidaten ins Ren- le Bewegungen nen schickten, erlitten sie eine katastrophale Schlappe. Die Republikaner wiederum konnten Die Linke und die Mitte-Links-Kräfte der De- 1980 mit Ronald Reagan, der als weiter rechts mokraten machen innerparteilich und durch stehend galt als Goldwater, die Wiederwahl von öffentliche Proteste Druck, um innerhalb des Präsident Carter durchkreuzen und den Demo- Anti-Trump-Lagers eine Alternative zu der zen- kraten dann 1984 die schlimmste je von ihnen tristischen Zögerlichkeit zu entwickeln. Dieses erlittene Niederlage beibringen.19 breite, sehr unterschiedlich zusammengesetzte Lager nimmt in rebellischen Wahlkampagnen Diese Rückschläge haben wohl weniger mit der und linken sozialen Bewegungen Gestalt an, zu- Rolle linker sozialer Bewegungen zu tun als da- sammen mit politischen Gruppen, die sich der mit, dass die Demokraten es für nötig halten, Mobilisierung eines progressiven Wählerblocks widmen. 18 Naomi Wolf, Revealed: How the FBI coordinated the crackdown on Occupy, in: „The Guardian“, 29.12.2012. 20 David Weigel, Why did Keith Ellison lose the DNC race?, 19 Joshua Mound, What Democrats still don’t get about in: „Washington Post“, 26.2.2017; Alan Nichols, The George McGovern, in: „The New Republic“, 29.2.2016; fight for power in Wisconsin: Neoliberalism, the crisis David Plotke, Democratic dilemmas, „Verso blog“, in the Democratic Party and the way forward, „Organi- 28.11.2016. zing Upgrade“, 1.2.2018. 9
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE Als Sanders bei den Vorwahlen der Demokra- der Trumpisten zu konzentrieren, wie lange das ten 2016 gegen Hillary Clinton antrat, setzte auch dauern mag. er sein Lager vom „politischen Establishment“ ab: „Ich habe Freunde und Unterstützer im Der Einfluss dieser Organisationen, die seit vielen Human Rights Fund [sic; die Human Rights Jahren aktiv sind, reicht weit. Als wichtigste Bei- Campaign ist die größte gemeinnützige Orga- spiele wären ACLU, NAACP, NOW, der Sierra Club nisation für LGBTQ-Rechte – Anm. d. Verf.] und und die oben erwähnten Gruppen zu nennen, bei Planned Parenthood. Aber wisst Ihr was? des weiteren die Gewerkschaften, von denen Hillary Clinton war lange, lange Zeit dabei. Eini- drei (SEIU, NEA und AFT) zu den Großspendern ge dieser Gruppen sind in Wirklichkeit Teil des der Demokratischen Partei zählen. Andere Grup- Establishments.“ 21 pen dieses Lagers verfügen in den sozialen Medi- en über ein Publikum, das in die Millionen geht. Manche Gruppen, die unter die Kategorie „Establishment“ fallen könnten – so etwa Soziale Bewegungen neigen dazu, einen rebel- MoveOn.org und Democracy for America –, lischen Kurs einzuschlagen, und dies um so haben Sanders, wie von ihm erwähnt, unter- stärker, je näher sie mit Wählergruppen aus stützt. Diese Gruppen verfügen über eine der Arbeiterklasse und ihren konkreten Le- große Anhängerschaft und vergleichsweise bensverhältnissen vertraut sind, insbesondere üppige Mittel für politische Bildungsarbeit und Nichtweißen, Immigranten, Frauen und Jugend- Werbung. Sie waren jahrelang an den Wahl- lichen. Überall im Lande kommt es zu Straßen- kämpfen der Demokratischen Partei stark be- protesten und Konfrontationen mit Amtsträ- teiligt. Doch ungeachtet ihrer Mitte-Links-Ori- gern. Über den ersten Sommer der Ära Trump entierung stehen sie unter direktem Dauer- schreibt die „Washington Post“: beschuss von rechts. Mittlerweile wenden sie sich weitaus entschiedener gegen den Macht- Für den August 2017 haben wir in den Vereinigten block der Rechten und Ultrarechten als die De- Staaten 834 Protestaktionen, Demonstrationen, Streiks, Märsche, Sit-ins und Kundgebungen regis- mokratische Partei insgesamt. triert, in jedem Einzelstaat und Washington, D.C., mindestens eine. Unsere vorsichtige Schätzung Im Kosmos der gemeinnützigen Organisatio- geht dahin, dass zwischen 175 625 und 205 178 nen der Linken und der linken Mitte sowie der Personen an diesen politischen Zusammenkünf- NGOs scheut man sich, in direkte Verbindung ten teilnahmen, wahrscheinlich jedoch waren es weit mehr. Da die Mainstream-Medien es häufig mit einer Partei gebracht zu werden, teilweise versäumen, über gewaltfreie Aktionen – insbeson- aus rechtlichen/steuerlichen Gründen. Ähnli- dere kleine – überhaupt zu berichten, ist es wahr- ches gilt für zunehmend nach links tendieren- scheinlich, dass wir nicht jede, die stattfand, regis- de Kirchen, Synagogen und Moscheen. Die Re- triert haben. […] Wir schätzen, dass 82,7 Prozent publikaner hingegen bilden eine geschlossene der Veranstaltungen, über die wir berichtet haben, Front gegen die Ziele dieser Gruppen und ge- sich gegen Trumps Politik richteten, ein höherer Prozentsatz als im Juli. Etwa 62 Prozent richteten hen tagtäglich aktiv gegen sie an. Während viele sich ausdrücklich gegen Trump, während weitere Mitte-Links-Demokraten Sanders übelnehmen, 21 Prozent in Sachfragen Positionen bezogen, die dass er in den Primaries 2016 gegen Clinton denen des Präsidenten widersprechen.22 opponierte, haben mittlerweile Selbstschutz und das eigene Überleben für sie Vorrang. Das Das Crowd Counting Consortium schätzt, dass erfordert, sich bis auf Weiteres auf die Abwahl insgesamt zwischen 5,9 und 9 Millionen Men- 21 Interview mit Rachel Maddow, 19.1.2016, vgl. Steve 22 Erica Chenoweth und Jeremy Pressman, Last month, 83 Benen; Bernie Sanders takes a risky shot at the „esta- % of U.S. protests were against Trump, in: „Washington blishment“, MSNBC.com, 20.1.2016. Post“, 25.9.2017. 10
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE schen im Jahr 2017 an Protestaktionen teilnah- Das Steuergesetz der Republikaner von 2017, men, ungefähr 1,8 bis 2,8 Prozent der US-Be- dass flächendeckende Entlastung versprach, völkerung, und dass davon 89 Prozent gegen erlegt in Wirklichkeit der Mehrheit neue Lasten Trump gerichtet waren.23 auf. Verarmte Arbeiter, Jugendliche, arbeitslo- se Gewerbetreibende und Immigranten ste- Diese Protestwelle geht nicht von irgendeiner hen angesichts explodierender Gesundheits- politischen Zentrale aus. Die Aktionen erfol- kosten und Mieten praktisch schutzlos da. Die gen meist planlos, und ihre Größenordnung Arbeiterbewegung hat aus weiter unten zu bleibt im Einzelfall gering. Beides spiegelt wi- erläuternden Gründen ihre liebe Not damit, der, wie fragmentiert die Opposition in all ih- angemessen zu reagieren. Vielerorts und auch ren Erscheinungsformen noch ist. Massenor- in der Hauptstadt Washington flammten Pro- ganisationen funktionieren meist von oben teste auf. 25 Die bislang schärfste Reaktion von nach unten, und ihre Politik wird selten von der Seiten der Beschäftigten war ein am 22. Feb- Mitgliedschaft in Konsultation mit Hauptamtli- ruar 2018 begonnener landesweiter Streik von chen oder Gremien konzipiert. Bei den meisten Lehrerinnen und Lehrern an öffentlichen Schu- Anti-Trump-Protesten liegt die Initiative nicht len West Virginias. Er verdient aus mindestens bei ihnen, sie reagieren bloß. Die eigentliche vier Gründen Beachtung: Die Beschäftigten Mobilisierung erfolgt online, wobei jede belie- blieben hart, nachdem ihre Gewerkschaft bige Gruppe, ob groß oder klein, die Initiative versucht hatte, einen Kompromiss über ihre ergreifen kann. Lohnforderung durchzudrücken; der Streik war technisch illegal; die Streikenden siegten; Darin zeigt sich das aktuelle Niveau der Gärung und sie fanden in einem Trump-freundlichen im Lande. Die Proteste reagieren unmittelbar Bundesstaat breite Unterstützung durch die auf die scharfe Kehrtwende, mit der sich die Öffentlichkeit. 26 Regierung gegen verschiedene Bevölkerungs- gruppen und gegen Gesetze in Stellung bringt, Ungezügelte Polizeigewalt und Militarisierung: deren Existenz sie dem Druck sozialer Bewe- Im Gefolge eines straflos gebliebenen Mor- gungen verdankt, die in Wohnvierteln „Organi- des, den ein Polizeibeamter 2014 in Ferguson zing“ betreiben. Es geht da stets um ganz kon- (Missouri) verübte, halten seit der damaligen krete und drängende Probleme. Hierzu zählen: Konfrontation zwischen Zivilisten und schwer bewaffneter, gepanzerter Polizei die verbrei- Einkommensungleichheit: Die allgegenwärtige teten Aktionen gegen Polizeigewalt an. Diese Kluft zwischen den Superreichen und dem Vorgänge und weitere Tötungsakte, denen im Großteil der Bevölkerung ist durch die pluto- ganzen Lande zahlreiche schwarze Zivilisten kratische Administration erheblich vertieft zum Opfer fielen, führten zur Entstehung der worden. So heißt es in der „Washington Post“: „Black Lives Matter“-Bewegung. Trump recht- fertigte Gewalt gegen Protestierende, und ra- Seit 2013 schoss der Vermögensanteil der reichs- dikale Verfechter weißer Vorherrschaft (weiße ten 1 Prozent um fast drei Prozentpunkte in die Nationalisten) scharten sich hinter ihn. Die Höhe, während derjenige der unteren 90 Prozent im gleichen Zeitraum sank. Heute gehört den obersten 1 Prozent aller Haushalte mehr als der owns more of the country’s wealth than at any time Gesamtheit der unteren 90 Prozent. Diese Kluft in the past 50 years, in: „Washington Post“, 6.12.2017. 25 David Leonhardt, A tax plan to turbocharge inequality, zwischen den Ultrareichen und allen anderen hat in 3 charts, in: „New York Times“, 17.12.2017; Adam sich seit mehreren Jahrzehnten stets nur vertieft.24 Gabbatt, Sit-ins, protests, rallies: Activists’ mammoth push to thwart Republican tax bill, in: „The Guardian“, 23 Crowd Counting Consortium, https://sites.google. 24.11.2017. com/view/crowdcountingconsortium/home. 26 Rachel Garringer, Learning from the leadership of 24 Christopher Ingraham, The richest 1 percent now West Virginias striking teachers, „Scalawag“, 7.3.2018. 11
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE Aktion „Taking a knee“ während des Abspie- Gender-Diskriminierung: Trumps vorgetäuschte lens der Nationalhymne – der stumme Protest Zuneigung zu den Puritanern der religiösen von studentischen Footballstars und Profis zu Rechten macht ihn vor dem Hintergrund sei- Beginn TV-übertragener Spiele – steigerte die ner empörenden Geschichte als „Ladykiller“ Wut Trumps und seiner Anhänger. Die Kluft zum frauenfeindlichsten Präsidenten seit Men- zwischen Trump und schwarzen Wählergrup- schengedenken. Seine Wahl hat zweifellos zu pen, die schon lange vor seiner Wahl ins Auge der #MeToo-Explosion beigetragen, die jenen sprang, ist mittlerweile kaum mehr zu über- „allgegenwärtigen Machtmissbrauch“, wie die brücken. Selbst schwarze Spitzenmanager ha- Schauspielerin Eva Green ihn nannte, ins Zen- ben sich klar gegen ihn ausgesprochen. 27 trum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt hat. Herausgewachsen aus seiner al- Abschiebung von Immigranten: Schon unter ten Karriere als gesellschaftlicher Aufsteiger in der Obama-Administration hatten Übergrif- Manhattan entpuppt sich der neue Trump als fe und Abschiebungen zugenommen. Trumps Krieger gegen LGBTQ-Rechte. Eine Gruppe für Kreuzzug gegen Immigranten, besonders die Rechte von Trans-Menschen brandmark- aus – wie er sich ausdrückte – „shithole coun- te seine Regierung als „die Diskriminierungs- tries“, Dreckslöchern (gemeint sind insbeson- Administration“. 29 dere Afrika, Haiti und El Salvador), ist wohl das Wahlkampfversprechen, das er einlöste. Islamophobie: Die Anzahl der Muslime in den Die Bundeseinwanderungspolizei ICE gleicht Vereinigten Staaten ist zwischen 2007 und in ihren Methoden schon fast der Gestapo. In 2017 von 2,35 Millionen auf 3,45 Millionen ge- der Folge mehren sich allenthalben Aktionen stiegen. Gleichzeitig hat auch die Islamophobie von Immigranten und deren Unterstützern. in allen anderen Bevölkerungsgruppen stetig Kirchen und Community-Gruppen beherber- zugenommen. 30 Anders als in Europa erwächst gen gefährdete Nachbarn und drängen auf die Islamophobie hier weniger aus kulturellen einen Asylstatus für die jeweiligen Orte, die und religiösen Unterschieden, vielmehr wird Proklamation zur „sanctuary city“. In Städten, sie durch demagogische Behauptungen von in denen viele Einwanderer leben und in der Mainstream- Politikern und Medienleuten ge- Regel der Demokratischen Partei angehören- nährt, die Muslime (1 Prozent der Bevölkerung) de Amtsträger dominieren, fanden Proteste als Gruppe stellten die größte terroristische und von Abschiebung bedrohte Personen die Bedrohung dar. (Forscher haben allerdings Unterstützung führender Politiker. Einen neu- herausgefunden, dass die Mehrzahl der Terro- en Höhepunkt erreichte die öffentliche Empö- tains immigrant-rights leader in NYC, „VOA“; 11.1.2018; rung, als Trump versuchte, die Abschiebung Priscilla Alvarez, Trump cracks down on sanctuary ci- der sogenannten „Dreamers“ zu forcieren. Mit ties, in: „The Atlantic“, 25.1.2018; Jose Olivares, More jurisdictions to provide legal defense for immigrants der Bezeichnung „Träumer“ werden Menschen At risk of deportation, „National Public Radio (NPR)“, etikettiert, die keinen US-Pass besitzen, aber, 12.11.2017; Joanna Walters, What is DACA and who are the Dreamers?; in: „The Guardian“, 14.9.2017. weil sie schon als Kinder in die Vereinigten 29 Whitney Kassel, Donald Trump‘s presidency is an ass- Stadten gebracht wurden, gar kein anderes Zu- sault on women, in: „Foreign Policy“, 4.4.2017; Michael D. Shear und Charlie Savage, In one day, Trump admi- hause kennen. 28 nistration lands 3 punches against gay rights, in: „New York Times“, 27.7.2017: Rebecca Buckwalter-Poza, The 27 John Sullivan, Zane Anthony, Julie Tate und Jennifer Je- end of gay rights, in: „Pacific Standard“, 5.6.2017; Na- nkins, Nationwide, police shot and killed nearly 1000 tional Association for Transgender Equality, The discri- people in 2017, in: „Washington Post“, 6.1.2018; Sonali mination administration, „transequality.org“; Lydia Kolhatkar, In America, justice for victims of police bru- Wheeler, Gay rights groups feel they are under siege, tality remains elusive, „Truthdig“, 22.9.2017; David Gel- „The Hill“, 11.10.2017. les, The C.E.O. who stood up to President Trump: Ken 30 Besheer Mohamed, New estimates show U.S. Muslim Frazier speaks out, in: „New York Times“, 19.2.2018. population continues to grow, „Pew Research Center“, 28 Ramon Taylor, Amid deportation protests, ICE de- 3.1.2018. 12
ETHAN YOUNG THE RESISTANCE ranschläge in den USA von einheimischen Ras- rechte Einheitsfront statt, die in der Öffent- sisten – „white supremacists“ – verübt wurde. 31) lichkeit massive Abscheu auslöste. Es handelte Trump nimmt bei seiner immigrantenfeindli- sich um den Versuch, offen neofaschistische chen Politik und Rhetorik neben Lateinameri- Gruppen, die seit dem Zweiten Weltkrieg durch kanern vor allem Muslime ins Visier. Seit seiner antifaschistische Sympathien in den Massen Wahl häufen sich gewaltsame Übergriffe auf (und in den Eliten) erfolgreich zurückgedrängt einzelne (mutmaßliche) Muslime und auf Mo- worden waren, aus ihrer Abseitsstellung zu scheen. Neuerdings beschuldigen christliche befreien. (Es bedeutete auch die Rückkehr zu Fundamentalisten Muslime, sie versuchten offen antisemitischen Parolen aus den Keh- Amerika die Regeln der Scharia aufzuzwingen. len fackeltragender Marschierer.) Eine Gegen- Dabei handelt es sich beim Islam in den Verei- demonstrantin wurde durch einen Teilnehmer nigten Staaten eindeutig um eine Minderheits- der Kundgebung getötet. Dass Trump die Ver- religion. anstaltung in Schutz nahm, illustrierte, dass und wie seine Präsidentschaft einem Spek- Bei anderen Religionsgemeinschaften und bür- trum Tür und Tor öffnet, welches in der ame- gerrechtsorientierten Libertären stößt derglei- rikanischen Gesellschaft zuvor tabu gewesen chen auf Widerstand. Zur muslimischen Be- war. 33 Die Entwicklung wird weithin, insbeson- völkerungsgruppe zählen in den USA Araber, dere in großen Medien, verurteilt. Es kommt Süd- und Zentralasiaten sowie afrikanische zu manchmal gewaltsamen Konfrontationen Einwanderer. Die Angehörigen der verschiede- mit Antifaschisten. Studenten und Lehrkörper nen vorwiegend muslimischen Nationalitäten gehen organisiert gegen die neofaschistische halten eng zusammen und reagieren, meist in Infiltration der Hochschulen vor. 34 den urbanen Zentren, mit Protesten und öf- fentlichem Druck auf die Verantwortlichen in Behindertenrechte: Trump und der Kongress Politik und Verwaltung. 32 haben versucht, von Aktivistengruppen er- kämpfte Schutzmaßnahmen für Behinderte Neofaschisten im Aufwind: Ultrarechte un- wieder abzuschaffen. Solche Schritte sind Teil terschiedlicher Fraktionen haben in Trumps des Bestrebens, staatliche Gesundheitsvor- Wahlkampf eine unübersehbare Rolle gespielt. sorge und Antidiskriminierungsrichtlinien für Seine Partnerschaft mit Steve Bannon, dem öffentliche Schulen zurückzudrängen. Es wird früheren Chef der rechtsgerichteten Website erwartet, dass Behinderte aufgrund der Kür- Breitbart.com, erleichterte Trump den Zugang zung von Hilfsgeldern verstärkt in Heimen zu diesen Gruppen, unter ihnen bewaffnete untergebracht werden, entgegen dem jahre- Nativisten, religiös und sozial extrem Konser- langen Kampf für die Gewährleistung ihres vative, die NRA und bekennende weiße Natio- Rechts, ihr Leben selbstständig zu führen. Eine nalisten. Im August 2017 fand in Charlottesville Protestwelle hat die Härten, die solche Schritte (Virginia) unter dem Motto „Unite the Right“ bewirken werden, ins Licht der Öffentlichkeit eine in Gewalt ausartende Großaktion für eine gerückt. Im Juni 2017 wurden demonstrieren- de Rollstuhlfahrer aus dem Büro Mitch McCon- nells, des Mehrheitsführers im Senat, vertrie- 31 Mythili Sampathkumar, Majority of terrorists who have attacked America are not Muslim, new study finds, in: „The Independent“, 23.6.2017. 33 Michelle Chen, Donald Trump’s rise has coincided 32 Perry Stein, Muslim Americans rally against Trump tra- with an explosion of hate groups, in: „The Nation“, vel ban one day after a judge blocked it, in: „Washing- 24.3.2017; J.M. Burger, How white nationalists learned ton Post“, 18.10.2017; Peter Moscowitz, We can fight to love Donald Trump, in: „Politico“, 25.10.2016; Joe back against Trump’s Islamophobia, in: „The Nation“, Helm, Recounting a day of rage, hate, violence and de- 8.11.2017; Christopher Mathias, The „March Against ath, in: „Washington Post“, 14.8.2017. Sharia“ protests are really marches against Muslims, 34 Colleen Flaherty, Campus Antifascist Network, „Inside „Huffington Post“, 10.6.2017. Higher Ed“, 17.8.2017. 13
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