Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie - Österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie
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Weitere Themen und Inhalte auf www.universimed.com Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie EUR 9,– Jahrgang 25/2020 ISSN 1997-8308 Österreichische Post AG, MZ 09Z038204M, Retouren an PF 555, 1008 Wien, Universimed CMC GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 6–8, 1150 Wien 6 / 2020 ANÄSTHESIE AKTUELL ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIS Individuelle Risiken – Covid-19 Neue Empfehlungen zur individuelle Konzepte und Orthopädie Erhaltungstherapie © iStockphoto.com/BraunS FOKUSTHEMA Perioperatives Management
Österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie ÖGOuT Österreichische Gesellschaft für e i n s a m e Orthopädie und Traumatologie 2. gemstagung Jahre Minimalinvasive Unfallchirurgie & Orthopädie 57. ÖGU Jahrestagung 2. ÖGOuT Jahrestagung 07. – 09. Oktober 2021 Salzburg ww w t h e date n.at Save lchirurge . u nfal 2021 Es wird angestrebt, die Jahrestagung nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens für Green Meetings/Green Events auszurichten.
Editorial M. Humenberger, Wien M. Thaler, Innsbruck ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Das perioperative Management in der Orthopädie und Trau- Prof. Frossard behandelt und er konnte in seinem Artikel darle- matologie stellt eine entscheidende Säule für die erfolgreiche gen, wie wichtig eine adäquate internistische Therapie unserer Therapie, speziell bei multimorbiden Patienten, dar. Die enge meist multimorbiden Patienten ist, um ein gutes Therapieergeb- interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und nis zu erlangen. Neben allgemeinen Themen des perioperativen Traumatologen, Internisten und Anästhesisten bzw. bei Bedarf Managements wurden auch spezielle Themen beleuchtet. So auch Kollegen anderer Fachrichtungen ermöglicht die optimale haben Dr. Sigmund und Prof. Windhager das Management der präoperative Vorbereitung der Patienten. Perioperativ führt intraoperativen Diagnostik bei periprothetischen Gelenksinfek- eine korrekte und saubere OP-Technik gemeinsam mit exakter tionen dargestellt und damit ein Konzept dargelegt, welches anästhesiologischer Patientenführung zum Erfolg. Einen nicht evtl. auch bei anderen komplexen Infektsituationen anwendbar minder entscheidenden Faktor stellt die postoperative Phase ist. Dr. Payr und Prof. Schebesta haben in einem interdisziplinä- dar, in der eine frühzeitige Mobilisierung und funktionelle The- ren Artikel das perioperative Management von Kindern in der rapie zu verbesserter Funktion bzw. das frühzeitige Erkennen Traumatologie bearbeitet und Doz. Dr. Negrin konnte das peri- von Komplikationen und ihre gezielte Therapie zu einem Abfan- operative Management des polytraumatisierten Patienten dar- gen von schwerwiegenden Folgen führen kann. Wir konnten stellen. Aufgrund der erneut stark steigenden Zahlen an Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Fachdisziplinen zur Covid-19-positiven Patienten hat Dr. Khosravi aus Innsbruck Gestaltung der vorliegenden Ausgabe gewinnen und eine sehr den Einfluss von Covid-19 auf die Orthopädie beleuchtet und vielseitige Betrachtung des perioperativen Managements unse- zusammengefasst. rer Patienten erzielen. Wir bedanken uns bei allen Autoren und Autorinnen für die Doz. Dr. Innerhofer und Dr. Iraschko-Stolz aus Innsbruck erstellten Beiträge und bei allen Kolleginnen und Kollegen für haben die Beantwortung individueller anästhesiologischer Risi- ihr Interesse an der vorliegenden Ausgabe! ken der Patienten durch individuelle Konzepte erörtert und damit dargestellt, dass durch eine differenzierte Therapie auch herausfordernde Probleme erfolgreich behandelt werden kön- Hochachtungsvoll und mit besten Grüßen nen. Doz. Fischerauer, Dr. Ruckenstuhl und Dr. Maurer-Ertl aus Graz haben sich mit der perioperativen Anwendung von Tran- examsäure bei orthopädischen und traumatologischen Eingrif- Dr. Michael Humenberger und fen befasst und ihre Ergebnisse zusammengefasst. Das peri- Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Martin Thaler, MSc operative Management aus Sicht des Internisten wurde von Wissenschaftliche Beiräte D. Aletaha, Wien; W. Anderl, Wien; C. Bach, Wien; N. Böhler, Linz; P. Bösch, Wr. Neustadt; H. Boszotta, Eisenstadt; M. Breitenseher, Horn; W. Brodner, Krems; E. Cauza, Wien; K. Dann, Wien; M. Dominkus, Wien; U. Dorn, Salzburg; R. Dorotka, Wien; A. Engel, Wien; L. Erlacher, Wien; R. Eyb, Wien; C. Fialka, Wien; M. Friedrich, Wien; R. Ganger, Wien; A. Giurea, Wien; R. Graf, Stolzalpe; W. Graninger, Graz; W. Grechenig, Graz; F. Grill, Wien; J. Grisar, Wien; G. Grohs, Wien; G. Gruber, Graz; K. Gstaltner, Wien; J. Hochreiter, Linz; S. Hofmann, Stolzalpe; L. Holzer, Klagenfurt; H. Imhof, Wien; S. Junk-Jantsch, Wien; F. Kainberger, Wien; R. Kdolsky, Wien; K. Knahr, Wien; R. Kotz, Wien; P. Krepler, Wien; M. Krismer, Innsbruck; W. Lack, Wien; B. Leeb, Stockerau; R. Lunzer, Graz; K. Machold, Wien; R. Maier, Baden; S. Marlovits; Wien; M. Mousavi, Wien; T. Muellner, Wien; S. Nehrer, Krems; T. Neubauer, Horn; M. Nicolakis, Wien; M. Nogler, Innsbruck; A. Pachucki, Amstetten; G. Pflüger, Wien; R. Puchner, Wels; F. Rainer, Graz; H. Resch, Salzburg; P. Ritschl, Wien; K. Schatz, Wien; G. Schippinger, Graz; M. Schirmer, Innsbruck; W. Schneider, Wien; H. Seitz, Judenburg; F. Singer, Laab i. W.; H. Tilscher, Wien; K. Trieb, Wels; H.-J. Trnka, Wien; C. Tschauner, Stolzalpe; A. Ulreich, Gröbming; V. Vécsei, Wien; A. Wanivenhaus, Wien; R. Windhager, Wien; C. Wurnig, Wien; P. Zenz, Wien; J. Zwerina, Wien Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 3
Mit Stammzellen Leben retten! Leukämie ist heilbar Jeden Tag erkranken allein in Österreich drei Menschen an Leukämie oder einer anderen Bluterkrankung. Eine lebensrettende Stammzellspende ist dann oft die einzige Möglichkeit, das Leben der PatientInnen zu retten. Lassen Sie sich noch heute als StammzellspenderIn typisieren und fordern Sie unter www.gebenfuerleben.at ein Typisierungsset für zuhause an. Alle weiteren Informationen erhalten Sie auf unserer Homepage. Geben für Leben – Auch Du kannst Leben retten! T 05574 63266 | facebook.com/gebenfuerleben/ www.gebenfuerleben.at
Inhalt ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE GESELLSCHAFTSMITTEILUNGEN 26 Management der intraoperativen Diagnostik bei periprothetischen 9 ÖGU/ÖGOuT Gelenksinfektionen I. K. Sigmund, Wien 10 GOTS R. Windhager, Wien 11 ÖGO 30 Perioperatives Management in der Kindertraumatologie AKTUELL S. Payr, Wien K. Schebesta, Wien 12 Covid-19 und Orthopädie I. Khosravi, Innsbruck 32 Perioperatives Management des Polytraumas L. L. Negrin, Wien PERIOPERATIVES MANAGEMENT 16 Anästhesie in Orthopädie und ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE Traumatologie 36 56. Jahrestagung der ÖGU und Individuelle Risiken – 1. Jahrestagung der ÖGOuT individuelle Konzepte „Heuer ist alles anders“ I. Iraschko-Stolz, Innsbruck P. Innerhofer, Innsbruck 38 56. Jahrestagung der ÖGU und 20 Perioperative Anwendung von 1. Jahrestagung der ÖGOuT Tranexamsäure bei orthopädisch- „Wir haben sehr viel gelernt“ traumatologischen Eingriffen K. Gstaltner, Wien S. F. Fischerauer, Graz P. Ruckenstuhl, Graz 40 Mythos und Tatsachen der Knochenverlängerung 22 Perioperatives Management G. E. Wozasek, Wien aus Sicht des Internisten M. Frossard, Wien 42 Inverse Schulterprothese bei Glenoiddefekt mit augmentierter Basisplatte A. Prodinger, Stolzalpe Impressum Herausgeber: Universimed Cross Media Content GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 6–8, 1150 Wien. E-Mail: office@universimed.com. Tel.: +43 1 876 79 56. Fax: +43 1 876 79 56-20. Geschäftsführung: Dr. med. Bartosz Chłap, MBA. Chefredaktion: Mag. Christine Lindengrün. E-Mail: christine.lindengruen@universimed.com. Projektleitung: Mag. Manuela Moya. E-Mail: manuela.moya@universimed.com. Lektorat: DI Gerlinde Hinterhölzl, Dr. Patrizia Maurer, Mag. Sabine Wawerda. Grafik: Amir Taheri. Produktion & Druck: Print Alliance HAV Pro- duktions GmbH, 2540 Bad Vöslau. Artikel mit grauer Hinterlegung sind im Sinne des Österreichischen Mediengesetzes §26 als Werbung, Promotion oder entgeltliche Einschaltung zu verstehen. Gerichtsstand: Wien. Offenlegung: Herausgeber: Universimed Cross Media Content GmbH (100 %ige Tochter der Universimed Holding GmbH). Eigentümer und Medienin- haber: Universimed Holding GmbH Bezugsbedingungen Abonnement: Bestellung bei Universimed oder unter www.universimed.com. Jahresabo EUR 45,–, Einzelheft EUR 9,– inkl. MwSt. und Versand innerhalb von Österreich; im Ausland zzgl. Versandspesen. ISSN 1997-8308. Das Medium JATROS Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie ist für den persönlichen Nutzen des Lesers konzipiert und beinhaltet Informationen aus den Bereichen Expertenmeinung, wissenschaftliche Studien und Kongresse. Namentlich gekennzeichnete Artikel und sonstige Beiträge sind die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung des Verfassers und müssen daher nicht mit der Meinung der Redaktion und des Herausgebers übereinstimmen. Mit der Übergabe von Manuskripten und Bildern gehen sämtliche Nutzungsrechte in Print und Inter- net an Universimed über. Copyright: Alle Rechte liegen bei Universimed. Nachdruck oder Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Die wiedergegebene Meinung deckt sich nicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebers, sondern dient der Information des Lesers. Die am Ende jedes Artikels vorhandene Zahlenkombination (z.B.: ■0918) stellt eine interne Kodierung dar. Geschlechterbe- zeichnung: Um die Lesbarkeit der Informationen zu erleichtern, wird bei Personenbezeichnungen in der Regel die männliche Form verwendet. Es sind jedoch jeweils männliche und weibliche Personen gemeint. Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 5
MIT BEWILLIGUNG FÜR 6 MONATE Inhalt ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE ERGEBNISSE die sich PATIENTEN WÜNSCHEN PSORIASIS ARTHRITIS1* OTEZLA® – Die Option direkt nach einer konventionellen Systemtherapie Fachkurzinformation siehe Seite 45 + Umfassende und anhaltende Wirksamkeit1-3 + Überzeugendes Langzeit-Sicherheitsprofil1-4,** + Alltagstauglichkeit1 AT-OTZ-0920-00033 Aktuelle Beiträge zur Psoriasis Arthritis finden Sie auf www.psaundo.at/psoriasis-arthritis 1. Fachinformation Otezla® (Stand April 2020), 2. Crowley et al. J Am Acad Dermatol. 2017; 77(2):310-317.e1, 3. Kavanaugh et al. Arthritits Res Ther. 2019; 21:118, 4. Mease PJ, Gladman DD, Gomez-Reino JJ, et al. Long-Term Safety and Tolerability of Apremilast Versus Placebo in Psoriatic Arthritis: A Pooled Safety Analysis of Three Phase III, Randomized, Controlled Trials [published online ahead of print, 2020 Jul 25]. ACR Open Rheumatol. 2020;2(8):459-470. doi:10.1002/acr2.11156. Referenzen zur Aussage „Ergebnisse, die sich Patienten wünschen“: Fach- information Otezla® (Stand April 2020); Lebwohl MG et al., J Am Acad Dermatol. 2014; 70(5):871-881; Augustin et al. Characteristics and Outcomes of Patients Treated with Apremilast in the Real World: Results from the APPRECIATE study., presented at 24th World Congress of Dermatology, June 10-15, 2019, Milan, Italy. *Indikation laut FKI; ** Zusammenfassung des Sicherheitsprofils laut Fachinformation: Die am häufigsten für Apremilast bei PsA und PSOR berichteten Nebenwirkungen sind Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (GIT) ein- schließlich Diarrhoe (15,7 %) und Übelkeit (13,9 %). Zu den weiteren am häufigsten berichteten Nebenwirkungen gehören Infektionen der oberen Atemwege (8,4 %), Kopfschmerz (7,9 %) und Spannungskopfschmerz (7,2 %). Diese sind meist leicht oder mäßig. Die am häufigsten berichteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen für Apremilast bei BS sind Diarrhoe (41,3 %), Übelkeit (19,2 %), Kopfschmerz (14,4 %), Infektion der oberen Atemwege (11,5 %), Schmerzen im Oberbauch (8,7 %), Erbrechen (8,7 %) und Rückenschmerzen (7,7 %) und sind meist leicht bis mittelschwer. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen traten im Allgemeinen innerhalb der ersten 2 Wochen der Behandlung auf und klangen in der Regel innerhalb von 4 Wochen wieder ab. Überempfindlichkeitsreaktionen werden gelegentlich beobachtet. Bitte beachten Sie zusätzlich die jeweils gültige Version der Fachinformation. 6 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020
Inhalt ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE 63 „Nice to have – aber keine Konsequenz für die Praxis“ 46 48. Deutscher Rheumatologiekongress D. Lüftner, Berlin Wachsames Auge auf Gelenke und Muskeln 64 Arthroseforum Austria 48 Spondylarthropathien Selbstmanagement stärken und Sind IL-17-Inhibitoren schon vom „Schwarmwissen“ profitieren eine Überlegung wert? – „Kost’ ja nix …“ R. Lunzer, Graz NEWS G. Holak, Wien 14 Muskelschwäche bei Intensivstation-Patienten 50 Rheumatoide Arthritis Was Betroffene selbst tun können 24 Künstliche Intelligenz in der Notfallversorgung 52 48. Deutscher Rheumatologiekongress 28 Knochenzement mit Laser entfernen Den ganzen Patienten im Blick behalten 34 Bioaktive Gläser gegen Knochenkrebs 54 Großgefäßvaskulitiden 44 Neue Ansätze für die Regeneration „Fast track“ ist das Gebot von Sehnenverletzungen 56 ANCA-assoziierte Vaskulitis 58 Pharma-News Neue Leitlinie zur Erhaltungstherapie EU-Zulassung für Ixekizumab in beiden Stadien der axialen Spondyloarthritis 59 ANCA-assoziierte Vaskulitis „Jedes Rezidiv ist eines zu viel“ P. Lamprecht, Lübeck 62 Rheumatoide Arthritis und Mammakarzinom Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 7
Österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie ÖGOuT Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie Minimalinvasive Unfallchirurgie & Orthopädie 57. ÖGU Jahrestagung 2. ÖGOuT Jahrestagung 07. – 09. Oktober 2021 Salzburg 2021 Es wird angestrebt, die Jahrestagung nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens für Green Meetings/Green Events auszurichten.
© Michael Haeusle K. Gstaltner, Wien T. Neubauer, Horn ÖGU/ÖGOuT Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder der ÖGU und ÖGOuT! Ein spannendes Jahr geht zu Ende. Wir haben uns mit vielen Herausforderungen, insbesondere geprägt durch die Covidpandemie, auseinandergesetzt. Schlussendlich haben wir aber auch viel daraus gelernt und waren gezwungen, neue Wege zu beschreiten. Zusammenfassend dürfen wir daher für unsere beiden Fachgesellschaften eine positive Bilanz ziehen. E s ist gelungen, beide Gesellschaften einander näherzubringen. Online-Fort- bildungen mit hoher Qualität und Akzep- tanz sowie eine erste gemeinsame Jahres- tagung wurden sehr erfolgreich durchge- führt. Ein gemeinsames Fortbildungspro- gramm neben den eigenen Veranstaltun- gen beider Gesellschaften für kommendes Jahr sowie der zweite gemeinsame Kon- gress im Oktober 2021 – hoffentlich als Präsenzveranstaltung in Salzburg – wur- den vereinbart und werden Ihnen von den Fachgesellschaften demnächst präsentiert. Gespräche über die Möglichkeiten eines Dachverbandes für die Gesellschaften ÖGOuT, ÖGU und ÖGO, wie im Jänner von Vertretern der Ärztekammer und des Bundesministeriums für Soziales, Gesund- heit, Pflege und Konsumentenschutz ge- © ÖGU Ness Rubey © ÖGU Ness Rubey fordert, wurden geführt und sollen mög- lichst zeitnahe zu einem ersten Erfolg ge- bracht werden. In diesem Sinne hoffen wir, dass das kommende Jahr ebenso erfolgreich fortge- führt werden kann, und verbleiben mit den besten Wünschen, Karin Gstaltner Präsidentin der ÖGOuT Thomas Neubauer Die erste gemeinsame Jahrestagung der ÖGU und ÖGOuT wurde erfolgreich virtuell abgehalten Präsident der ÖGU (Bericht ab Seite 36) Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 9
GOTS Überlastung der Sehnen im Sport Überlastungsbedingte Verletzungen von Sehnen sind typische Beschwerden von Sportlern jeden Alters und Leistungsanspruchs. Gerade die lasttragenden unteren Extremitäten, besonders die Achilles- und die Patellasehne, sind bei vielen Aktivitäten und Sportarten für Tendinopathien anfällig. V on Tendinopathien spricht man, wenn eine schmerzhafte und in ihrer Funk- tion eingeschränkte Sehnenstruktur vor- rungen des Schmerzempfindens (z. B. visuelle Analogskala) ist sinnvoll. Priv.-Doz. Dr. med. Thilo Hotfiel, Ortho- abnehmenden Beschwerden gilt es, nach einer ersten Phase langsamer und beson- ders kontrollierter Übungen die Belastun- liegt. Sportler haben dabei erhebliche päde, Unfallchirurg und Vorstand in der gen zu steigern und sowohl verstärkt Einbußen ihrer Leistungsfähigkeit, mit Gesellschaft für orthopädisch-traumatolo- schnellkräftige als auch sportspezifische der potenziellen Gefahr eines Sehnenris- gische Sportmedizin (GOTS), erklärt: „Das Bewegungsmuster in das Trainingspro- ses. Ursache für eine Tendinopathie kann sogenannte exzentrische Training hat sich gramm zu integrieren. eine eingeschränkte Stoffwechselaktivität in einer Vielzahl hochqualitativer Studien Auch die extrakorporale Stoßwellenthe- des Sehnengewebes mit veränderter Kol- als therapeutischer Goldstandard in der rapie (ESTW) zeigt bei einigen Tendinopa- lagenzusammensetzung und feinsten Ris- konservativen Behandlung der Achilles- thien positive Effekte. Bei Mid-Portion- sen auf mikrostruktureller Ebene sein. und Patellasehnen-Tendinopathie etab- Tendinopathien ist häufig eine Kombinati- Aber auch Entzündungsprozesse, die mit liert. Für Anpassungen des Sehnengewebes on von ESTW und exzentrischem Krafttrai- der Synthese und Interaktion proin- sind allerdings die Höhe der einwirkenden ning wirksam. flammatorischer Substanzen einherge- Kräfte, die Geschwindigkeit und Qualität Auf die peritendinöse Injektion von hen, können zugrunde liegen. Detaillierte der Bewegungsausführung sowie deren Glukokortikoiden sollte bei Tendino- Kenntnisse über die den Sehnenstoff- Dauer bedeutsamer als die Kontraktions- pathien verzichtet werden. (red) ◼ wechsel beeinflussenden Belastungsfor- form der die mechanische Spannung er- men sind für Ärzte, Therapeuten und den zeugenden Muskulatur. Neben dem exzen- Sportler deshalb unerlässlich. trischen Krafttraining zeigen deshalb Bekannte Trainingsparameter für ebenso das isometrische, das konzentri- Quelle: Sportler sind Intensität (Höhe und Rich- sche und das Heavy-Slow-Resistance-Trai- Pressemeldung der Gesellschaft für orthopädisch-trau- tung der mechanischen Belastungen), Um- ning gute klinische Ergebnisse.“ matologische Sportmedizin (GOTS), August 2020 fang (Dauer der mechanischen Belastun- Die verschiedenen Trainingsformen Literatur: gen), Frequenz (Häufigkeit der mechani- sind in Abhängigkeit vom Stadium, von der • Hotfiel T: Überlastungsbedingte Tendinopathien: Aus- schen Belastung je Zeiteinheit), Regenera- Lokalisation, der Belastungsfähigkeit und gewählte Aspekte und Prinzipien der konseravtiven The- tionszeiten sowie die Geschwindigkeit des dem Schmerzniveau durchzuführen. Mit rapie: Orthopädie & Unfallchirurgie 2020; 3 mechanischen Kraftanstieges (Kraftan- stiegsrate und Kraftimpuls). Aus biomechanischer Sicht hat die Rich- tung der Krafteinwirkungen entscheidende BUCHTIPP Bedeutung. Axiale Traktionsbelastungen (Zugbelastung) sind physiologischer Natur für kraftübertragende Sehnen und daher Primärprävention von ideal, um optimale, der Zugrichtung ent- Sportverletzungen sprechende Umbau- und Anpassungspro- zesse auszulösen. Basierend auf den Ergebnissen des Expertenmeetings der GOTS in Luxemburg 2019 stellen 30 Experten den Was ist zu tun? derzeitigen Wissensstand zu Sportverletzungen und -schäden aller großen Gelenke in kompakter Form dar. Die jeweilige Therapie muss immer in- dividuell auf den Patienten zugeschnitten sein. Eckpfeiler sind die Aufklärung des Romain Seil, Thomas Tischer (Hrsg.): Primärprävention von Patienten und die realistische Einschät- Sportverletzungen zung der individuellen zeitlichen Ressour- Jena: Vopelius Verlag, 2020 cen. Ein Trainingstagebuch mit der Vorga- 155 Seiten, kartoniert be und Dokumentation von Therapie- und Preis: 30,00 EUR Trainingsmaßnahmen sowie der Verände- ISBN: 9978-3-947303-22-9 10 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020
© Sissi Furgler A. Leithner, Graz ÖGO Opfer und Täter Das Jahr 2020 hätte eigentlich ein Jahr der Erinnerung werden sollen. Wir feiern den 250. Geburtstag Beethovens, vor allem aber das Ende des 2. Weltkriegs und das Ende des nationalsozialistischen Regimes vor 75 Jahren. Zwischen 1939 und 1945 wurden 60–80 Millionen Menschen weltweit getötet, verhungerten oder wurden ermordet, vor allem im Rahmen des Holocaust. W ährend der NS-Herrschaft wurde auch an österreichischen Spitälern und Universitäten unethische Forschung 1941 insgesamt 18 269 Behinderte und Psychiatriepatienten in einer Gaskammer ermordet, gefolgt von rund 12 000 KZ- Behandlungen ausprobiert. Andere Expe- rimente beinhalteten Knochentransplan- tationen, Muskel- und Nervenresektio- durchgeführt. Patienten wurden im Na- Häftlingen. nen, Extremitätentransplantationen und men des Rassenwahns verletzt und getö- Doch wie verhielten sich die österrei- Amputationen. Diese Frauen wurden tet. Beispielsweise wurden an der Grazer chischen Orthopäden und Traumatolo- wortwörtlich wie Versuchstiere behan- Frauenklinik Zwangsabtreibungen an gen in dieser Zeit? Die Informationen delt und viele von ihnen wurden auch schwangeren Frauen aus Osteuropa hierzu sind zumindest in den Festschrif- getötet. durchgeführt, teilweise wurde zusätzlich ten und Jubiläumsbänden meist spärlich. Im Rahmen der Coronakrise sehen an ihnen mit Strahlen und Kontrastmit- Erdem Bagatur hat in seinen beiden 2018 wir, wie schnell sich Gewohntes und si- teln experimentiert bzw. wurden unnö- in „Clinical Orthopaedics and Related cher Geglaubtes verändern, wie schnell tige Operationen geübt. Am Spiegel- Research“ publizierten Artikeln die deut- und unerwartet eine weltweite Krise aus- grund in Wien wurden kranke, behinder- liche Verstrickung von Orthopäden und brechen kann. In Hinblick auf die medi- te und „nicht erziehbare“ Kinder und Unfallchirurgen in muskuloskelettale zinischen NS-Verbrechen ergeben sich Jugendliche medizinischen Versuchen Experimente an KZ-Häftlingen beschrie- für mich drei Überlegungen: 1) Diese ausgesetzt, gequält sowie mindestens ben. Beispielsweise wurden im KZ Ra- Zeit gehört auch aus orthopädisch-unfall- 789 von ihnen ermordet. Im oberöster- vensbrück an gesunden polnischen Frau- chirurgischer Sicht aufgearbeitet – um reichischen Schloss Hartheim wurden bis en iatrogen Gasgangräne induziert und sich zu erinnern und aus Fehlern zu ler- nen. 2) Wir müssen wachsam sein, damit eine solche Ideologie und Schreckens- © meunierd/Shutterstock herrschaft nicht wieder unser aller Leben beherrscht. 3) Wir – als Ärztinnen und Ärzte – sollten uns an unseren hippokra- tischen Eid erinnern: „Primum non noce- re, secundum cavere, tertium sanare.“ Nachdenklich, Ihr Andreas Leithner Präsident der ÖGO Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 11
Referat AKTUELL I. Khosravi, Innsbruck Covid-19 und Orthopädie Die mittlerweile weltweit ausgedehnte SARS-CoV-2-Pandemie KEYPOINTS bezeichnet einen Gesundheitsnotstand, der auch die Orthopädie $ Die Covid-19-Pandemie traf in Europa und damit auch in Öster- und orthopädische Chirurgie mit schweren Einschränkungen betrifft. reich auf ein auf eine derartige Das Ziel, das Gesundheitssystem durch die notwendige Versorgung Krise nicht vorbereitetes Gesund- heitssystem. Aufgrund der spärli- der Covid-19-Patienten nicht zu überlasten, führt dazu, elektive chen Datenlage musste schnell orthopädische Versorgung schrittweise zu reduzieren. Aber welche gehandelt werden. Einschränkungen erscheinen medizinisch sinnvoll? $ Die schnelle Ausbreitung und Neu- artigkeit des Virus erforderten Maß- nahmen, um die Kapazitäten für I m Dezember 2019 wurde erstmalig über ein neuartiges Coronavirus (Severe Acute Respiratory Syndrome – Coronavirus 2, Was bedeutete das für die Versorgung der Patienten? Covid-19-Patienten zu schonen. Akutfälle und dringliche Fälle durf- ten noch versorgt werden, Ver- SARS-CoV-2) berichtet, welches in der Mil- Nachdem nach wie vor nicht klar war, schiebungen elektiver Operationen lionenmetropole Wuhan in China schwere wie viele der positiv auf Covid-19 getesteten (mit primär unklarem Zeitfenster) Pneumonien und damit assoziierte Todes- Personen schwere Verläufe entwickeln wür- waren die Folge. fälle verursachte. Eine Epidemie mit rasch den bzw. wie viele davon letztlich vielleicht ansteigenden Zahlen von Erkrankten führ- sogar intensivmedizinisch in einem Kran- $ Eine Rückkehr zum Normalbetrieb te zum „Lockdown“ der gesamten Stadt. kenhaus behandelt werden müssen, wurde ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht streng nach dem Prinzip „better safe than möglich. Die Betreuung von Patien- Wie kam es zu Einschränkungen in sorry“ und anhand der zu dem Zeitpunkt ten mit malignen Erkrankungen ist Österreich? vorliegenden Daten davon ausgegangen, nach wie vor erschwert. Auch bei dass Beatmungsplätze benötigt werden nicht malignen Erkrankungen kann In einer schnelllebigen Zeit sind natur- würden. Eine Situation, wie sie in Nordita- sich durch die Verschiebungen das gemäß auch längere Strecken durch ein lien herrschte, galt es durch frühe Maßnah- klinische Outcome deutlich ver- gut ausgebautes Transportsystem kein men zu verhindern. Um Ressourcen für schlechtern. Opiatabhängigkeit Hindernis mehr. Die Verbreitung des Vi- Patienten mit schwerer Covid-19-Infektion kann auch hierzulande ein großes rus, welches aufgrund einer Ansteckung bereitzuhalten, wurden „nicht dringliche Problem werden. von Mensch zu Mensch nur schwer einge- operative oder interventionelle Eingriffe“ $ Finanzelle Einbußen bedeuten dämmt werden kann, erfolgte zu Beginn vorläufig abgesagt oder verschoben. eventuell eine Schließung vieler nur innerhalb Chinas, allerdings kam es Durch die weltweit rapide Ausbreitung Ordinationen. Die Patientenversor- bald zu einer weltweiten Ausbreitung im und die damit verbundenen Anstiege im gung im niedergelassenen Bereich Sinne einer Pandemie. Ein erster europä- Verbrauch von medizinischen Produkten kann dann nicht mehr gewährleistet ischer Hotspot in Norditalien im Februar waren die Einsparungen nicht nur auf Bet- werden. Die Folge wären noch län- 2020 alarmierte aufgrund der geografi- tenkapazitäten bezogen. Lieferengpässe gere Wartezeiten durch noch mehr schen Nähe zu Österreich auch hierzulan- führten automatisch zu Sparmaßnahmen Patienten. de die Behörden. Nachdem am 25. Febru- in Bezug auf medizinische Verbrauchsgüter ar 2020 erstmals in Österreich zwei Per- (z. B. OP- und FFP-Masken, Handschuhe, $ Durch den Rückgang an Patienten- sonen (italienischstämmige Hotelmitar- Desinfektionsmittel, Schutzkittel etc.). Zum versorgung ist auch die Ausbildung beiter in Innsbruck, beide kamen aus der Schutz des medizinischen Personals und massiv beeinträchtigt. Die Folgen Provinz Bergamo) positiv auf Covid-19 der Patienten, welche dringlich in Kranken- der reduzierten Ausbildungsmög- getestet wurden, stieg die Anzahl der po- häusern behandelt werden mussten, wurde lichkeiten sind noch nicht absehbar. sitiv getesteten Personen in Österreich die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich mit Man kann aber von einer zumindest rasch an. Es folgte am 11. März 2020 der nicht dringlichen bzw. nicht akuten Erkran- prolongierten Ausbildungszeit aus- Beschluss der österreichischen Bundesre- kungen von Krankenhäusern fernzuhalten. gehen, was sich wiederum in der gierung, die Schließung aller nicht sys- zukünftigen Versorgung von Patien- temnotwendigen Einrichtungen inklusive Waren die Einschränkungen ten widerspiegeln wird. der Schulen und Universitäten durchzu- medizinisch sinnvoll? führen. Nach dem ersten Covid-19-Todes- fall in Österreich am 12. März 2020 folg- Die Verbreitung des Virus einzudäm- medizinischen Versorgung von Patienten te ab 15. März 2020 eine österreichweite men wurde zum obersten Ziel der meisten berichtet. Aufgrund der reduzierten Ver- generelle Ausgangsbeschränkung („Lock- Länder in Europa. Bereits in anderen Dis- fügbarkeit von Betten im Bereich der inten- down“). ziplinen wurde eine Einschränkung der sivmedizinischen Betreuung fielen darun- 12 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020
Referat AKTUELL ter auch Organtransplantationen, welche einen Rückgang von bis zu 25 % verzeich- neten. Trotz des Versuches, ambulante Pa- The hospital has selectively restricted outpatient elective surgery 27,0 % tienten durch alternative Methoden (z. B. The hospital has selectively restricted via Telemedizin) zu betreuen, befürchteten inpatient elective surgery 29,5 % viele Ärzte, dass vor allem Patienten mit The department has stopped elective malignen Erkrankungen nicht adäquat di- outpatient surgery 53,0 % agnostiziert bzw. versorgt werden konn- The department has stopped elective ten. Allein die Tatsache, einem Patienten inpatient surgery 59,9 % die Nachricht einer malignen Erkrankung via Telemedizin mitzuteilen, konnte mas- All surgeries have been stopped 20,4% sive Auswirkungen haben. Ohne die Mög- lichkeit, wichtige Schritte wie die psycho- No changes at the department 3,3 % therapeutische Begleitung einzuleiten bzw. 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % das weitere Prozedere zu besprechen, wur- den Menschen mit neu diagnostizierten malignen Erkrankungen alleingelassen. Im Abb. 1: Änderungen während des Lockdowns (Quelle: Umfrage unter Mitgliedern der AGA) Bereich der Tumorchirurgie berichteten Ärzte einen deutlichen Rückgang in allen Bereichen der Patientenversorgung. Orthopedic surgeons are more often assigned to non-orthopedic… 21,1 % Welche Einschränkungen aufgrund More administrative work is done 41,5 % der Covid-19-Pandemie gab es für die Orthopädie? More non-surgical orthopedic clinical care is performed 19,7 % Training or teaching (students, residents, fellows) Pandemien wie die Spanische Grippe oder is not taking… 41,8 % derzeit die Covid-19-Pandemie führten auf- Discussing the delay due to the 64,8 % grund des Ziels der Eindämmung zwangsläu- pandemic with patients fig zu Beschränkungen. Davon war die ortho- My performed surgery volume is reduced 91,1 % pädische Chirurgie nicht ausgenommen. Ein massiver Rückgang elektiver Operationen No impact 1,1 % war die Folge. In Asien wurden aufgrund der 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Erfahrungen mit SARS im Jahre 2003 sämt- liche elektive orthopädische Eingriffe, wel- che einen stationären Aufenthalt von mehr Abb. 2: Änderungen der Aufgabenbereiche während des Lockdowns (Quelle: Umfrage unter als 23 Stunden benötigen, abgesagt. In Eu- Mitgliedern der AGA) ropa wurden vor allem Einschränkungen in der Endoprothetik beobachtet. Eine Umfrage unter Mitgliedern der European Hip Society chend eingedämmt werden, um eine ad- zen sowie Bewegungseinschränkungen (EHS) und der European Knee Associates äquate Versorgung orthopädischer Patien- durch Verschiebung von notwendigen Ope- (EKA) ergab, dass eine Reduktion auf ca. 6 % ten zu gewährleisten. Nach wie vor kommt rationen ist wohlbekannt. Eine Einschrän- der primären endoprothetischen Versorgung es zu Einschränkungen durch den Fokus auf kung der Lebensqualität ist die Folge. Zur erfolgte. Ein Rückgang von aseptischen Pro- Covid-19-Patienten. Im Vergleich zu der Behandlung von Schmerzen werden oft Opi- thesenwechseln auf ca. 4 % wurde ebenfalls oben genannten Umfrage am Höchststand oide bzw. Opiate verordnet, um Patienten, beobachtet. Periprothetische Frakturen der Infektionen im Frühjahr 2020 erfolgte welche auf eine operative Versorgung war- konnten nur noch zu 87 % behandelt werden, eine zweite Umfrage unter denselben Teil- ten, adäquat analgetisch zu behandeln. Eine Protheseninfekte nur noch in 75 % der Fälle. nehmern nach dem „Lockdown“. Die Ergeb- postoperative Opiattoleranz ist die Folge. Besonders bedenklich war allerdings auch nisse zeigten dabei, dass im Fall der Endo- Auch Abhängigkeitssymptome wurden beob- der Rückgang der Versorgung von orthopä- prothetik die Versorgung von 6 % auf 30 % achtet und stellen ein großes Problem dar. dischen Tumorpatienten auf ca. 25 %. Annä- gestiegen ist. Arthroskopische Eingriffe Das Verschieben von elektiven notwendigen hernd 20 % der Befragten gaben sogar an, stiegen ebenfalls von 25 % auf 50 %. Operationen kann sich auch in einer Ver- dass gar keine chirurgische Versorgung mehr schlechterung des klinischen Outcomes äu- stattfand. Welche Folgen hat das für ßern. Die postoperative Rehabilitation kann Selbst nachdem es zu Lockerungen der orthopädische Patienten? sich deutlich verlängern und Bewegungsein- Maßnahmen kam, konnte keine Rückkehr schränkungen persistieren. Gerade in der zum Alltag beobachtet werden. Trotz besse- Die erwähnten Einschränkungen sollten Versorgung von Wirbelsäulenerkrankungen rer Datenlage und neuer Behandlungskon- nicht kritiklos als notwendiges Übel hinge- kann durch zu lange Kompression auf Ner- zepte konnte die Pandemie nicht ausrei- nommen werden. Eine Zunahme an Schmer- ven ein irreparabler Schaden entstehen. Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 13
Referat AKTUELL Abseits der Auswirkungen auf die Lebens- limitierte klinische und chirurgische Erfah- Universitätsklinik für Orthopädie qualität bzw. physischer und psychischer rung sowie der Rückgang an didaktischer Medizinische Universität Innsbruck Schäden am Patienten entstehen auch enor- Ausbildung und Fortbildungen die Ausbil- me Kosten für das Gesundheitssystem. So- dung massiv beeinträchtigen werden. Korrespondierender Autor: wohl im niedergelassenen als auch im klini- Allerdings stellt nicht nur die Beschrän- Dr. Ismail Khosravi schen Bereich führt das „Herunterfahren“ kung der Ausbildung ein Problem dar. E-Mail: ismail.khosravi@gmail.com des Systems zu finanziellen Verlusten. Das Durch einen schnellen Anstieg der Zahl der ◾040516 Schließen von orthopädischen Ordinationen Covid-19-Erkrankten haben bereits im bzw. der Rückgang an möglichen operativen Frühjahr 2020 bis zu 20 % der auszubilden- Eingriffen wird zwangsläufig zu längeren den orthopädischen Chirurgen angegeben, Literatur: Wartelisten bei den Patienten führen. direkt an Covid-19-Stationen zu arbeiten. • Kort NP et al.: Recommendations for resuming elective hip Ein Anstieg der Zahlen bedeutet auch, dass and knee arthroplasty in the setting of the SARS-CoV-2 pan- demic: the European Hip Society and European Knee Associ- Was bedeutet die Covid-19- mehr Ärzte zur Versorgung der Covid- ates Survey of Members. Knee Surg Sports Traumatol Arth- Pandemie für die Ausbildung? 19-Patienten eingeteilt werden müssen. rosc 2020; 28(9): 2723-9 • Kort NP et al.: Resuming elective Viele davon haben weder das nötige Grund- hip and knee arthroplasty after the first phase of the SARS- Diese Krise hat nicht nur enorme Auswir- wissen noch das erforderliche Know-how, CoV-2 pandemic: the European Hip Society and European kungen auf unser Gesundheitssystem im diese Patienten optimal zu versorgen. Eine Knee Associates recommendations. Knee Surg Sports Trau- matol Arthrosc 2020; 28(9): 2730-46 • Liebensteiner MC et Sinne der Patientenversorgung und des Abberufung zu internistischen bzw. infek- al.: Massive cutback in orthopaedic healthcare services due Rückgangs an Arbeit für ausgebildete Or- tiologischen oder intensivmedizinischen to the COVID-19 pandemic. Knee Surg Sports Traumatol Arth- thopäden. Einschränkungen in der Patien- Aufgabenbereichen bedeutet ebenfalls ein rosc 2020; 28(6): 1705-11 • Liebensteiner MC et al.: It is not tenversorgung bedeuten auch automatisch Abbrechen der orthopädisch-chirurgischen ‚business as usual‘ for orthopaedic surgeons in May 2020- eine verminderte Qualität in der Ausbildung Ausbildung. Die genauen Auswirkungen the Austrian-German-Swiss experience. J Exp Orthop 2020; 7(1): 61 • Megaloikonomos PD et al.: Impact of the COVID-19 junger Kollegen. Interventionelle Fächer werden wir erst in der Zukunft sehen. ◼ pandemic on orthopaedic and trauma surgery training in Eu- wie die Orthopädie sind auf die Ausbildung rope. Int Orthop 2020; 44(9): 1611-9 • Thaler M et al.: Impact am Objekt und somit am Patienten ange- Autoren: Dr. Ismail Khosravi of the COVID-19 pandemic on patients suffering from muscu- wiesen. Man kann leicht erkennen, dass die Assoz-Prof. Priv.-Doz. Dr. Martin Thaler, MSc loskeletal tumours. Int Orthop 2020; 44(8): 1503-9 NEWS Muskelschwäche bei Intensivstation-Patienten Durch das Coronavirus hat sie neue Aktualität gewonnen: die „critical illness myopathy“ (CIM) – eine Muskelschwäche, die häufig bei länger intensivmedizinisch behandelten Patienten auftritt. Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben jetzt einen potenziellen Ansatz für die Behandlung einer CIM gefunden. D urch seine Forschungen kann das Team erstmals beschreiben, was in ei- nem Organismus geschieht, wenn man im wochenlange und vollständige Ruhigstel- lung dazu, dass im Muskel kein Anreiz mehr für die Muskelproteinproduktion – fektion müssen viele Patienten künstlich beatmet werden. Bei bis zu 30 % tritt da- rauffolgend eine CIM ein. (red) ◼ Skelettmuskel die Produktion des Muskel- und somit für das Muskelwachstum – be- proteins Titin unterbindet. Dieses ist das steht: Die Titinfeder ist defekt. Die Folge: Quelle: größte Protein in Menschen und Wirbeltie- Das Muskelgewebe schwindet. Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) ren, gewährleistet im Muskel Stabilität und Die jetzt veröffentlichte Studie legt na- Literatur: Elastizität und wirkt als Sensor der Mus- he, dass man einer CIM vorbeugen könnte, 1 Swist S et al.: Maintenance of sarcomeric integrity in kelkraft. Die Forscher deaktivierten Titin indem die peripheren Muskeln der Patien- adult muscle cells crucially depends on Z-disc anchored ti- in den Organismen von Mäusen und konn- ten während der Beatmungsphase gedehnt tin. Nat Comun 2020; 11(1): 4479 ten nachweisen, dass nach 3 bis 4 Wochen werden. Gerade im Hinblick auf die Coro- die Muskelkraft der Tiere stark absank.1 napandemie und damit mehr zu beatmen- Diese Erkenntnisse können nun in der de Menschen stimmen die Ergebnisse der Forschung zur CIM angewandt werden. Bei münsterschen Forscher optimistisch. Denn beatmeten Patienten führt die teilweise bei einer schwer verlaufenden Covid-19-In- 14 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020
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Referat I. Iraschko-Stolz, Innsbruck PERIOPERATIVES MANAGEMENT P. Innerhofer, Innsbruck Anästhesie in Orthopädie und Traumatologie Individuelle Risiken – individuelle Konzepte Im Jahr 2020 sind 19 % der österreichischen Bevölkerung 65 Jahre KEYPOINTS alt und älter. Der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe wird sich in den $ Bei geriatrischen Patienten und Patienten mit schweren Komorbi- nächsten Jahrzehnten weiter vergrößern. In der Orthopädie und ditäten sollte eine möglichst früh- Traumatologie stellen – abgesehen von ausgedehnten Tumor- zeitige Einbindung des Anästhe- sisten für eine optimale periope- und Wirbelsäulenoperationen und der Versorgung von polytrauma- rative Planung erfolgen. tisierten Patienten – das zunehmende Patientenalter und die damit $ Die präoperative Erfassung des verbundenen Komorbiditäten und Komplikationen immer größer funktionellen Status (Frailty- Score) und frühzeitige Einbindung werdende Herausforderungen an den Anästhesisten dar. der Vertrauensperson des Patienten sind Voraussetzungen für eine optimale Behandlungs- Epidemiologie fügung steht, stellt die Durchführung von planung. Operationen, die einer dringlichen und $ Das Abwägen von Blutungsrisiko Europaweit ist ein Zuwachs des Anteils zeitnahen operativen Behandlung be- versus Thrombembolierisiko ist der älteren Bevölkerung zu verzeichnen. dürfen (Schenkelhalsfrakturen, peripro- eine große Herausforderung, vor Gemeint sind hier Menschen, die über 65 thetische Frakturen, infektbedingte Pro- allem bei Patienten, die einer Jahre und älter sind: derzeit in Österreich thesenrevisionen), alle beteiligten Fach- Dauertherapie mit NOAK bzw. 19 % der Bevölkerung. Für das Jahr 2035 disziplinen vor besondere Herausforde- Thrombozytenaggregationshem- wird ein Anstieg dieser Bevölkerungsgrup- rungen. mern bedürfen, und erfordert pe auf 25 % bzw. für 2060 auf knapp 30 % Dies ist hauptsächlich begründet durch eine individuelle OP-Planung mit prognostiziert. Parallel hierzu entwickelt einschränkende Komorbiditäten (Herzin- enger interdisziplinärer Zusam- sich eine Zunahme von Gelenksersatzope- suffizienz, stattgehabter Myokardinfarkt, mensprache. rationen, derzeit im Bereich der Hüftendo- Adipositas, zerebrovaskuläre Insuffizienz, prothetik mit 210/100 000 Einwohner und chronische Lungenerkrankungen, Nieren- $ Die Bedeutung des PBM wird oft Knieendoprothesenimplantationen mit insuffizienz, demenzielle Erkrankungen) unterschätzt, bestehende Defizite 202/100 000 Einwohner, womit sich Öster- sowie erschwert durch den häufig bereits müssen angegangen werden. reich im internationalen Spitzenfeld befin- eingeschränkten Allgemeinzustand und $ Die Kontrolle von prädisponieren- det. Der Großteil der Patienten hiervon ist Gebrechlichkeit („frailty“) der betroffenen den/präzipitierenden Faktoren über 60 Jahre alt. Mit der steigenden An- Patienten. Weitere Schwierigkeiten erge- zur Entwicklung eines POD ist ein zahl an Primärendoprothetiken steigt auch ben sich durch die Einnahme von Antiko- essenzieller Bestandteil des peri- die Zahl der revisionschirurgischen Ein- agulanzien und Thrombozytenaggregati- operativen Managements. griffe durch Prothesenlockerung, Prothe- onshemmern, welche den perioperativen seninfekt und periprothetische Frakturen Blutverlust erhöhen. – Eingriffe, die wesentlich aufwendiger Zu den Hauptfaktoren für die erhöhte und belastender sind als primäre Gelenks- perioperative Mortalität zählen zerebro- Präoperative Evaluierung von ersatzoperationen. und kardiovaskuläre Ereignisse, Pneumo- Risikopatienten nien und das postoperative Delir. Diese Problematik Probleme entstehen in unmittelbarem Zu- Bei Patienten mit vorbestehender Herz- sammenhang mit dem intraoperativen insuffizienz, koronarer Herzerkrankung, Während in der Primärversorgung mit Blutverlust und konsekutiver Sauerstoff- pulmonaler Hypertension und Klappenvi- Endoprothesen den behandelnden Inter- Minderversorgung der Gewebe. tien ist eine orientierende Echokardio- nisten und Anästhesisten meist ein groß- In Summe gilt es also, präexistente Er- grafie, bei unklaren Angina-pectoris-Be- zügiger zeitlicher Spielraum zur präope- krankungen genauestens einschätzen zu schwerden ein Koronar-CT in der Patien- rativen Abklärung und Optimierung, z. B. können, Blutverluste zu minimieren und tenvorbereitung obligat und gibt dem An- eines Diabetes mellitus, einer arteriellen postoperative kognitive Funktionsstörun- ästhesisten die optimale Grundlage für die Hypertonie oder einer Anämie, zur Ver- gen bzw. Delir zu verhindern. Planung des anästhesiologischen Regimes. 16 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020
Referat PERIOPERATIVES MANAGEMENT Bei pulmonalen Vorerkrankungen erlaubt Komplikation und hat wesentlichen Ein- säure und Gerinnungsfaktoren), das Benüt- eine Lungenfunktionsprüfung eine Risiko- fluss auf die perioperative Mortalität zen von maschinellen Autotransfusionsge- einschätzung und Planung für das postope- (Abb. 2). Gerade ältere und multimorbide räten, Vermeiden einer Hypothermie und rative Vorgehen. Personen tolerieren einen stattgehabten im Einzelfall der Einsatz einer kontrollier- Patienten nach zerebrovaskulären Er- Blutverlust nur schlecht. ten Hypotension erfolgen, um den Blutver- eignissen sollten präoperativ in Bezug auf Neben hämodynamischen Problemen lust zu minimieren. Die Indikation für das neurologische Defizite und kognitive Dys- aufgrund des Volumenmangels begünsti- Verabreichen von Fremdblut ist aufgrund funktionen ausführlich statuiert werden. gen eine Azidose und der Abfall des Se- der möglichen Komplikationen (transfusi- Besteht bereits präoperativ ein hohes rumhämoglobins das Missverhältnis von onsassoziierte Hämolyse, Lungenschäden, Maß an Pflegebedürftigkeit (Frailty-Score O2-Angebot und O2-Bedarf, was wiederum Kreislaufreaktionen, veränderte Sauerstoff- ≥ 6) (Abb. 1), sollte im Idealfall eine Patien- die Wahrscheinlichkeit für eine zerebrale affinität, Transfusionsreaktionen, Immu- tenverfügung vorliegen bzw. die Vertrau- oder myokardiale Ischämie erhöht. Aus nosuppression, Beeinträchtigung der Mik- ensperson des Patienten bekannt sein, diesem Grund sollten sämtliche Maßnah- rozirkulation) stets sehr streng abzuwägen. damit diese frühzeitig in den Behandlungs- men ergriffen werden, um den periopera- plan einbezogen werden kann. tiven Blutverlust so gering wie möglich zu Perioperatives Management bei halten. Die präoperative Diagnose und Therapie mit Antikoagulanzien, Patient Blood Management (PBM) Therapie einer Anämie sowie das interdis- niedermolekularen Heparinen und ziplinär abgestimmte Management von Thrombozytenaggregationshemmern Die Minimierung des Blutverlustes ist Dauertherapien mit gerinnungshemmen- wie erwähnt von zentraler Bedeutung. Ein den Medikamenten sind von großer Bedeu- Niedermolekulare Heparine (NMH) optimales Management wird unter dem tung. Eine konsequente Blutstillung unter Die Wirkung von NMH sollte am besten Begriff „Patient Blood Management“ Nutzung moderner blutstillender Techni- mittels Anti-Xa-Spiegel monitiert werden (PBM) zusammengefasst. Die wesentli- ken, das Verwenden von lokalen Hämo- (Spitzenspiegel bei normaler Nierenfunk- chen Inhalte sind im Österreichischen styptika und ein erfahrener Operateur sind tion ca. nach 3–4 h, Eliminationshalbwerts- Qualitätsstandard PBM des Gesundheits- in der intraoperativen Situation entschei- zeit ca. 4–6 h); NMH sollten unter Berück- ministeriums zusammengefasst. dend, ebenso wie eine enge Kommunikati- sichtigung des Spiegels rechtzeitig präope- Das Ziel von Patient Blood Management on zwischen Operateur und Anästhesisten. rativ abgesetzt werden, da eine Antagoni- ist es, die Sicherheit und Behandlungsqua- Vonseiten der Anästhesiologie sollen bei sierung nur unzureichend möglich ist. Bei lität bei Patienten, die sich einem blutungs- blutungsriskanten Operationen engma- einer koexistierenden Niereninsuffizienz riskanten operativen Eingriff unterziehen, schige Kontrollen und rasche Korrekturen und wiederholter Gabe muss mit einer Ku- zu erhöhen. Eine stattfindende intra- oder der Gerinnungssituation (z. B. mittels Bed- mulation gerechnet werden, da die Elimi- postoperative Blutung ist eine gefürchtete side-ROTEM, Verabreichen von Tranexam- nationszeit verlängert ist. Abb. 1: Klinische Frailty-Skala der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. (Quelle: www.dggeriatrie.de) Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 17
Referat PERIOPERATIVES MANAGEMENT Vitamin-K-Antagonisten (VKA) Der Wiederbeginn mit den oralen Anti- sieren vor allem des P2Y12-Blockers er- Während bei „kleinen“ chirurgischen koagulanzien sollte je nach patientenspe- wägt werden und ein Monitoring mit Eingriffen mit geringem Blutungsrisiko zifischem Risikoprofil und OP-Verlauf in Thrombozytenfunktionstests erfolgen, um kein Absetzen des VKA notwendig ist und interdisziplinärer Absprache, jedoch so ein möglichst zeitnahes Fenster für die der Operationszeitpunkt im unteren INR- zeitnah wie möglich erfolgen. Operation zu gewährleisten (Non-Respon- Zielbereich durchführbar ist, sollte bei der versus untypisch lange Wirksamkeit Operationen mit zu erwartendem mittle- Thrombozytenaggregationshemmer der Plättchenhemmung). rem oder hohem Blutverlust VKA pausiert Bei Patienten mit Koronarstents sollten Kontrovers wird das Absetzen von Ace- werden und ab einem INR < 2 ein Bridging elektive Eingriffe bis zur Beendigung der tylsalicylsäure (ASS) diskutiert. Während mit NMH durchgeführt werden, wobei die dualen Plättchentherapie (DAPT) aufgescho- kardiologische Guidelines empfehlen, ASS NMH-Dosis am Vorabend der OP entfällt. ben werden, in der Regel bei Bare-Metal- perioperativ durchgehend zu verordnen, Bei Notoperationen und dringlichen OP- Stent-Implantation 3 Monate, bei Drug-elu- steht dem gegenüber ein hohes Blutungs- Indikationen kann eine Antagonisierung ting-Stent-Implantation obligat 12 Monate. risiko mit den vorher erläuterten Folgen. mit präoperativ 10 mg Vitamin K i.v. bzw. Das Risiko für eine Stentthrombose ist ab- Rodriguez et al. konnten in einer prospek- bei intraoperativer Blutung INR-abhängig hängig vom Zeitpunkt der Stentimplantati- tiven Multicenterstudie belegen, dass myo- mit 25–50 I.E./kgKG Prothrombinkomplex on, der Art des Stents sowie der Anzahl und kardiale Ereignisse auch unter Fortfüh- (PPSB) erfolgen. Lokalisation der Stents. Ein Bridging mit rung der Antiplättchentherapie auftreten, Antikoagulanzien oder NMH ist keine geeig- und zwar hauptsächlich verursacht durch Nicht Vitamin-K-abhängige neue orale nete Strategie für ein Pausieren der Anti- intraoperative Massivblutungen (37 %) als Antikoagulanzien (NOAK) plättchentherapie, da eine Stentthrombose Folge der Thrombozytenhemmung. Im Gegensatz zu VKA wird bei NOAK nicht wirksam verhindert werden kann! Ferraris et al. empfehlen im Manage- kein Bridging mit NMH durchgeführt, es Während für Notfalloperationen unter ment von Patienten mit Thrombozytenag- sollte lediglich ein Absetzen des Medika- DAPT ohnehin nur eine symptomatische gregationshemmern bei Operationen mit ments unter Berücksichtigung der Nieren- Behandlung von Blutungskomplikationen hohem Blutungsrisiko ein Pausieren der funktion und des Blutungsrisikos erfolgen. (lokale Hämostyptika, Packing, Gabe von Medikation für bis zu 5 Tage, vor allem bei Da trotz der von sämtlichen Gesellschaf- Thrombozytenkonzentraten, Desmopres- Hochrisikopatienten, da dies mit dem Ri- ten empfohlenen Karenzzeiten dennoch sin, Tranexamsäure und Gerinnungsfakto- siko für eine schwere Blutung bzw. eine eine individuell stark unterschiedliche ren) bleibt, da die Blutplättchen irreversi- Reduktion der Revisionswahrscheinlich- Medikamentenelimination zu beobachten bel gehemmt sind, sollte für dringliche keit assoziiert ist, jedoch zu keiner Erhö- ist, sollte unmittelbar präoperativ der OP-Indikationen mit hohem Blutungsrisiko hung der postoperativen Mortalität auf- Spiegel des jeweiligen Medikaments be- unter DAPT nach individueller und inter- grund von Myokardinfarkten oder Schlag- stimmt werden. disziplinärer Risikostratifizierung ein Pau- anfällen führt. BLUTUNG Anämie Hypovolämie ANDERE Tachykardie Hypotonie KOMPLIKATIONEN Erhöhter O2-Bedarf/ Vermindertes O2-Angebot Pneumonie Perioperativer Myokardinfarkt Katheterassoziierte Komplikationen (ZVK, Cerebrale Ischämie Blasenkatheter) Azidose Thrombose Hypothermie Wundheilungsstörung Thrombozytenaggregationshemmer Orale Antikoagulantien PERIOPERATIVE MORBIDITÄT UND MORTALITÄT PATIENT Alter Dauermedikation POSTOPERATIVES DELIR (POD) Frailty Immobilität Komorbiditäten POSTOPERATIVE (Demenz, Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung, Niereninsuffizienz, KOGNITIVE DYSFUNKTION (POCD) pulmonale Erkrankungen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus) Abb. 2: Gegenseitige Beeinflussung von Faktoren mit Erhöhung der perioperativen Morbidität und Mortalität 18 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020
Referat PERIOPERATIVES MANAGEMENT interdisziplinärer Zusammenarbeit ist da- Prädisponierende Faktoren Präzipitierende Faktoren her essenziell. Hierbei sollte immer das • Alter über 65 Jahre • Lange OP-Dauer Wohl des Patienten im Vordergrund stehen • Vorbestehende kognitive Beeinträchtigung • Revisionseingriffe und die Indikationsstellung unter Berück- • Sensorische Defizite (Hypakusis, Visusein- • Hoher Blutverlust sichtigung des Gesundheitszustandes, des schränkung) • Verlängerte mechanische Ventilation/ perioperativen Risikos, der sozialen und • Frailty ICU-Aufenthalt ethischen Aspekte und nach Ausschöpfen • Notfalleingriffe • Hypothermie aller Therapiealternativen strengstens eva- • Große Chirurgie (Herz- und gefäßchirurgi- • Schmerzen luiert werden. ◼ sche Eingriffe, Schenkelhalsfraktur, • Prämedikation mit Benzodiazepinen periprothetische Fraktur) • Applikation delirogener Pharmaka (Atropin, Autorinnen: • Anamnese eines vorbestehenden Delirs Antihistaminika, Benzodiazepine, Metoclo- Dr. Isabel Iraschko-Stolz • Multimorbidität pramid, Theophyllin, Methylprednisolon, Univ.-Doz. Dr. Petra Innerhofer • Polymedikation Hydrokortison) Universitätsklinik für Anästhesie und • Substanzabhängigkeit (Opioide, Benzo- • Auslenkung der perioperativen Homöostase: Intensivmedizin, Innsbruck diazepine) Hypoxämie, Hyperkapnie, Anämie, Blutdruck- • Malnutrition schwankungen, Hypotonie, Dehydratation, Korrespondierende Autorin: Elektrolytstörung, Störungen des Säure- Dr. Isabel Iraschko-Stolz Basen-Haushaltes, Fieber E-Mail: isabel.stolz@tirol-kliniken.at • Umgebungswechsel, Reizüberflutung, ◾04 Trennung von Vertrauenspersonen, Fehlen von Hörgeräten und Brillen, Lärm • Schlafentzug Literatur: • Drainagen • Aldecoa C et al.: European Society of Anaesthesiology evidence-based and consensus-based guideline on post- Tab. 1: Faktoren, die ein postoperatives Delir begünstigen operative delirium. Eur J Anaesthesiol 2017; 34(4): 192-214 • Arbeitsgruppe Perioperative Gerinnung der ÖGARI: Emp- fehlungen zu den Themen „Perioperatives Management Es werden Point-of-Care-Testungen der rativen Tag in Erscheinung. Die Bedeutung von PatientInnen mit Koronarstents unter dualer Plättchen- Thrombozytenfunktion nahegelegt, um von POD/POCD liegt in der Erhöhung der hemmung bei nicht-kardiochirurgischen Eingriffen“ (Korr. Autor: PD Dr. Christoph Schlimp), „Bridging von VKA und auch bei dringenden Operationen ein op- perioperativen Mortalität, einer Verlänge- NOAK“ (Korr. Autor: Dr. Thomas Feurstein), „Management timales Zeitfenster bei einem Aufschieben rung der Intensiv- und Krankenhausaufent- der Blutung unter oraler Antikoagulation“ (Korr. Autor: Mag. der Operation zu gewährleisten. Daher ist haltsdauer, einem erhöhten Risiko für blei- Dr. Claus Rädler); www.oegari.at/arbeitsgruppen/arge-pe- bei dringlichen OP-Indikationen stets eine bende Beeinträchtigung körperlicher oder rioperative-gerinnung • Barnett SB: Anesthesia for the ol- individuelle interdisziplinäre Evaluation geistiger Funktionen, bleibender Pflegebe- der adult. UpToDate Feb 2020; www.uptodate.com/con- tents/anesthesia-for-the-older-adult • Bundesministerium zum Abwägen des Blutungsrisikos versus dürftigkeit, Kostensteigerung und allem vor- für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Thrombembolierisiko in Bezug auf das an Stress für die betroffene Person und auch „Qualitätsstandard Patient Blood Management“ (12/2016, Handling mit Thrombozytenaggregations- für die Angehörigen. Durch steigende Awa- aktualisiert 10/2019) • Childers CP et al.: Perioperative ma- hemmern notwendig. Das Blutungsrisiko renessbildung aller beteiligten Fachgruppen nagement of antiplatelet therapy in patients undergoing für endoprothetische Operationen wird in Bezug auf die Wichtigkeit der Delirprophy- non-cardiac surgery following coronary stent placement: a systematic review. Syst Rev 2018: 7(1): 4 • Deutsche Gesell- dabei als hoch eingestuft. Zu bedenken ist laxe kann das Auftreten eines POD/POCD schaft für Geriatrie e.V.: Klinische Frailty Skala; www.dgge- auch, dass eine postoperative Hämatom- um bis zu 40 % gesenkt werden. riatrie.de • Ferraris VA et al.: 2012 update to the Society of entwicklung eine Infektion begünstigt – Zu den perioperativen Maßnahmen zäh- Thoracic Surgeons guideline on use of antiplatelet drugs in eine Komplikation, die schwerwiegende len das Erfassen von Delir-Risikofaktoren patients having cardiac and noncardiac operations. Ann Folgen nach sich zieht. und des Frailty-Scores, die Anwendung einer Thorac Surg 2012; 94(5): P1761-81 • Leitner L et al.: Trends and economic impact of hip and knee arthroplasty in cen- Narkosetiefemessung, das Vermeiden Delir- tral Europe: findings from the Austrian National Database. Postoperatives Delir (POD), post assoziierter Medikamente sowie postopera- Sci Rep 2028; 8(1): 4707 • Luger MF et al.: Predictors of operative zerebrale Dysfunktion tives Graduieren mittels geeigneter Scores, postoperative cognitive decline in very old patients with (POCD) und Frailty (Tab. 1) z. B. Confusion Assessment Method (CAM- hip-fracture: a retrospective analysis. Geriatr Orthop Surg ICU), Richmond Agitation-Sedation Scale Rehabil 2014; 5(4): 165-72 • Rockwood K et al.: A global cli- nical measure of fitness and frailty in elderly people. CMAJ Das postoperative Delir ist eine sehr (RASS), Delirium Detection Score (DDS) etc. 2005; 173(5): 489-95 • Rodriguez A et al.: Management of häufige multifaktorielle Komplikation, die antiplatelet therapy in patients with coronary stents under- in jedem Alter auftreten kann, vor allem Fazit going noncardiac surgery: association with adverse events. jedoch bei Patienten über 65 Jahre und im Br J Anaesth 2018; 120(1): 67-76 • Smilowitz NR, Berger JS: Rahmen von Akuteingriffen wie Schenkel- Die steigende Zahl an geriatrischen Pati- Perioperative cardiovascular risk assessment and manage- ment for noncardiac surgery: a review. JAMA 2020; 324(3): halsfrakturen bzw. bei bereits vorbeste- enten stellt eine immer größer werdende 279-90 • Walston JD: Frailty. UpToDate Mar 2020; www. henden Erkrankungen mit Einschränkung Herausforderung in der OP-Planung, Vorbe- uptodate.com/contents/frailty • Weixler D: Das postopera- der kognitiven Funktionen. Es tritt meist reitung, Durchführung und Nachsorge dar. tive Delir bei Erwachsenen – Risikofaktoren, Prävention zwischen dem OP-Tag und dem 5. postope- Eine individuelle OP-Planung unter enger und Therapie. P.A.I.N.S. 10/2019 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 6 / 2020 19
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