VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
Magazin der Hypo Vorarlberg | Ausgabe 01

VOR                                                HABEN

                           AMBITION

  GEMEINSAM                ETWAS VORHABEN                    GELD VERSUS
GROSSES LEISTEN             UND ERREICHEN                       KUNST
  Ein Interview im Gehen      Erfolgsgeschichten             5 Fragen mit Rollentausch
VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
AMBITION

    Wenn wir uns die Frage stellen, wie wir am besten von A nach B kommen,
    verstehen wir darunter normalerweise eine optimierte Planung der
    Route. Bei der Hypo Vorarlberg verbindet A und B weit mehr als eine
    Strecke. A steht bei uns für „Ambition“. Denn das Ziel haben wir uns mit
    B wie „beste Beratung“ besonders hoch gesteckt. Die Verbindung von A
    und B ist letztlich nicht der kürzeste Weg, sondern unsere bedürfnis-
    orientierte Unterstützung für alle, die etwas vorhaben.

    VORHABEN ist daher auch der Titel unseres neuen Hypo Vorarlberg
    Magazins. Es soll die Haltung, die Fachkompetenz und die Atmosphäre
    widerspiegeln, mit der wir und alle, die von unseren Leistungen profitieren
    sollen, an ihre Vorhaben herangehen. Ambition ist der rote Faden aller
    Geschichten, die wir auf den folgenden Seiten erzählen. Ambition ist auch
    der zentrale Code der DNA der Hypo Vorarlberg. Es ist unser Versprechen,
    das wir einlösen wollen, wenn Menschen uns ihre Vorhaben anvertrauen.

    Ambition geht auf das lateinische Wort „ambire“ zurück. Es ging dabei
    ursprünglich um das Herumgehen von Kandidaten, die sich die Gunst
    der Wähler verschaffen wollten. Wir wollen unsere Kunden nicht umgar-
    nen, sondern zielgerichtet und gemeinsam mit ihnen Großes leisten.
    Das Hypo Vorarlberg Magazin stellt deshalb Menschen in den Mittel-
    punkt, die etwas bewegen wollen. So unterschiedlich sie auch sein mögen –
    durch ihre ambitionierte Haltung sind sie einander näher als man auf
    den ersten Blick vermutet. Das passt zu uns. Und wir passen zu ihnen.

    Ihre Hypo Vorarlberg

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
VOR                    HABEN

08                                    18                                   24                                   32                                   42                                  50
GEMEINSAM                             INVESTITIONEN                        ETWAS VORHABEN                       ZIELE                                GELD VERSUS                         VON DER
GROSSES LEISTEN                       FÜR DIE ZUKUNFT                      UND ERREICHEN                        VERFOLGEN,                           KUNST                               SCHWEIZER
                                                                                                                AUCH WENN                                                                PRÄZISION BIS
                                                                                                                ES SCHMERZT                                                              ZUM WIENER
                                                                                                                                                                                         SCHMÄH

Zum Sonnenaufgang auf die             Markus Barnay beleuchtet die Rolle   Risikofreude, Fokus, Leidenschaft.   Was Ambition in Wirtschaft, Kultur   5 ambitionierte Fragen. Hypo Vor-   Wien, Wels, Graz, Bozen, St. Gallen,
Kanisfluh. Hypo Vorarlberg Vor-       der Hypo Vorarlberg als Stütze für   Erfolgreiche Vorarlberger Unter-     und Sport bedeutet. Babette Karner   arlberg Vorstand Johannes Hefel     Bregenz. Tagebuch einer Reise
standsvorsitzender Michel Haller im   die Vorarlberger Wirtschaft im       nehmen, vorgestellt von Dominik      porträtiert vier zielstrebige        und KUB Direktor Thomas D.          durch die Hypo Vorarlberg Welt
Gespräch mit Karin Guldenschuh.       Wandel der Zeit.                     Sekacic.                             Persönlichkeiten.                    Trummer fühlen sich auf den Zahn.   von Patricia Erne.

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
AMBITION BRAUCHT
                                                                                                                                                                  Thomas D. Trummer ist Direktor des
                                                                                                                                                                  Kunsthaus Bregenz. Zuvor war er u. a.
                                                                                                                                                                  Leiter der Kunsthalle Mainz und Kurator

HINDERNISSE.
                                                                                                                                                                  in der Österreichischen Galerie Belvedere
                                                                                                                                                                  in Wien. Er hat Musik, Philosophie und
                                                                                                                                                                  Kunstgeschichte studiert.

Ein Essay von Thomas D. Trummer
Ambitionierte sind solche, die ihr eigenes Leistungsportfolio im Blick                                       sehr trickreiche und hochspezifische Weise, wie dies zu geschehen hat.
haben. Sie setzen sich Ziele, die bisherige überwinden. Sie wollen schnel-                                   Ein weiteres Beispiel ist der 400-m-Lauf, bei dem Sportler/innen genau
ler, höher, stärker sein, mit anderen Worten – in Zahlen effizienter. Jedoch                                 an dem Punkt wieder ankommen, an dem sie losgelaufen sind.
hat die Ambition eine ethik- und askesegeschichtliche Bedeutung, die
vielfach übersehen wird. Die Ambition, die stets auf die Zukunft drängt,                                     Ein anderes Metier ist die Kunst. Es braucht nicht gesagt zu werden,
verbirgt rasch ihre Herkunft und damit die Historie eines kulturgeschicht-                                   dass sie sich von Wirtschaft und Sport unterscheidet, auch wenn sie
lichen Wandels des menschlichen Verhaltens. Wer sich auf Gott ausrichtet,                                    deren Neigung zu ambitionierten Vorhaben teilt. Die Kunst scheint darin
braucht Kennziffern und Milestones nicht. Seit Ambition von religiöser                                       definiert, dass sie Kontrollen und Kennzahlen meidet. Ihre Ambition ist
Tugend entkoppelt wurde, ist sie eine zutiefst weltliche Angelegenheit. Sie                                  offen. Wer Kunst nämlich kontrolliert oder ihr Regeln vorschreibt,
befördert Produktivität und Prozesse, und hebt zugleich die Zahl derer, die                                  betreibt Zensur. Zudem besteht ihre Bedeutung im Qualitativen. Positiv
an ihnen scheitern. Denn für Ambition gibt es keine Grenzen, außer man                                       gesehen lässt sich sagen, dass sich die Kunst ihre Regeln selbst gibt. Etwa
setzt sie. Der Sport ist übrigens – neben dem Bankfach – das einzige Metier,                                 in der Art argumentierte Immanuel Kant, als er meinte, das Genie gäbe
wo der Ambition Grenzen gesetzt werden. Mit wenig Erfolg, wie man weiß.                                      sich selbst die Regeln. In Anlehnung an die Definition von Bernard Suits
                                                                                                             aus dem Sport müsste man über die Kunst sagen, sie sei der freiwillige
Dopingkontrollen und Finanzmarktregeln sind Beispiele für solche                                             Versuch einiger besonders Begabter (um das altbackene Wort „Genie“
Beschränkungen. Sie zeigen dem Übereifer Grenzen auf. Dabei gibt es                                          zu vermeiden), nicht notwendige Hindernisse erst zu schaffen. Anders
einen Unterschied zwischen Sport und Wirtschaft. Sport, so lautet eine                                       gesagt, sind Künstler/innen Erfinder von Spielregeln, die sich – einmal
Definition des Sportphilosophen Bernard Suits, ist der freiwillige Versuch,                                  aufgestellt – schon wieder verändern. Für manche sind Künstler/innen
nicht-notwendige Hindernisse zu überwinden.1 Die Grundlage dafür sind                                        sogar Spielverderber. Wie auch immer, Effizienz oder olympische Werte
Spielregeln. Wie der Name schon sagt, werden für Wettbewerbe Verein-                                         spielen für sie keine Rolle. Vielfach liegt ihre Ambition sogar darin, Ziel-
barungen getroffen, um ein Spiel in Raum, Zeit und Ziel zu definieren.                                       gerichtetheit und quantitative Werte durch offene Verschwendung und
Nun charakterisiert die Spielregeln etwas, das kontraintuitiv ist. Im Sport                                  unrealistische Ideale zu enttäuschen. Nur dadurch, dass sich die Kunst
werden nämlich Regeln eingeführt, die so gestaltet sind, dass sie die                                        von einem Zweck entfernt, kann sie ihre Eigenständigkeit sichern. Ihr
effizientesten Mittel zur Zielerreichung unterbinden. Ja, Sie haben richtig                                  Wert besteht in dem Angebot einer alternativen Sicht. Sie wird damit
gelesen. Denn die Umgehung von Effizienz ist eine wichtige Eigenschaft                                       zum Inbegriff einer maßstabfreien Ambition, zugleich zu einem kriti-
dieser Spielregeln. Das Ziel beim Hochsprung ist ja nicht, auf der anderen                                   schen Fragenkatalog an gängige Steigerungsformen, seien sie aus Religion,
Seite der Latte sicher zu landen. Das Ziel ist, die Latte auf eine bestimmte –                               Wirtschaft, Sport oder Persönlichkeitsformung.
eben durch die Spielregeln definierte – Weise zu überspringen. Es ist eine

8     1 „The voluntary attempt to overcome unnecessary obstacles“, Suits, Bernard (2005), The Grasshopper:                                                                                                9
      Games, Life and Utopia, Broadview Press, pp. 54–55
VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
GEMEINSAM GROSSES LEISTEN.
     EIN INTERVIEW IM GEHEN.
     Michel Haller ist ein Mann der Bewegung und der Effizienz. Was eignet
     sich also besser für ein ausführliches Gespräch mit dem Vorstandsvor­
     sitzenden der Hypo Vorarlberg als eine Wanderung im Morgengrauen.
     Das passende Ziel für den gebürtigen Mellauer war auch gleich klar:
     Sein Hausberg Kanisfluh – mit der markanten Felsflanke ein bekanntes
     Wahrzeichen des Bregenzerwaldes. Karin Guldenschuh hat sich mit
     ihm auf den Weg gemacht.

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
Der Aufbruch
In der Dunkelheit um fünf Uhr in der Früh wird selbst für den Einhei-
                                                                                                                                                                                              Karin Guldenschuh studierte Handelswissen-
mischen, der hier aufgewachsen ist, vertrautes Terrain zu einem Weg ins                                                                                                                       schaft in Wien. Als selbständige Unterneh-
                                                                                                                                                                                              mensberaterin betreibt sie ein Büro für
Ungewisse. Nur die Mondsichel und die Sternbilder einer klaren Nacht                                                                                                                          Kommunikation. Zuvor war sie Redakteurin
                                                                                                                                                                                              für Fernsehen und Radio im ORF Vorarlberg.
sind zu sehen.

Herr Haller, sind Sie ein Frühaufsteher oder ein Nacht-   Man spürt gleich, dass Sie nicht nur ein Kurzschläfer     es doch nicht sein, dass ihm sehr strikt vorgeschrie-     Mit 1. 1. 2017 haben Sie den Vorsitz des Vorstandes der
mensch? Oder anders gefragt, ist eine Wanderung,          sind, sondern auch ein Zahlenmensch. Ist Kopfrech-        ben wird, worin er investieren darf. Für unsere Gesell-   Hypo Vorarlberg übernommen. Wie ambitioniert
die um fünf Uhr morgens beginnt, für Sie ein ambiti-      nen für einen Banker trotz digitaler Hilfsmittel noch     schaft ist es wichtig, dass man hinfallen darf und        fühlt sich das an?
oniertes Vorhaben?                                        wichtig?                                                  wieder aufstehen kann.                                    Sehr ambitioniert. Der Übergang war intensiv, aber
Weder – noch, ich bin ein Wenig-Schlaf-Mensch. Ich        Es tut auch im Zeitalter der Digitalisierung gut, immer                                                             strategisch sind wir ja gut aufgestellt und wirtschaft-
komme mit sechs Stunden aus. Ich gehe um halb             im Kopf zu plausibilisieren, auf jeden Fall.                                                                        lich erfolgreich, fachlich bin ich überwiegend beim
eins ins Bett und stehe um 6:30 auf. Ich bin also lange                                                                                                                       Risiko geblieben. Die größte Herausforderung sehe
wach und früh munter.                                     Sie haben in Jugendtagen bereits Ihr erstes Depot         „Ich bin ein Wenig-Schlaf-                                ich atmosphärisch. Damit meine ich die Kommunika-
                                                          angelegt. Was hat sich seither verändert?                 Mensch. Ich komme mit                                     tion. Nach außen muss klarer werden, was wir für
Sie sind jetzt 45, das heißt, dass Sie gegenüber dem      Das war bei einer regionalen Bank: Ich habe ein                                                                     eine Bank sind. Darüber hinaus möchte ich nicht alles
Durchschnittsschläfer schon einiges an Lebenszeit         französisches Wertpapier gekauft, in Fremdwährung.        sechs Stunden aus.“                                       kommentieren, sondern nur das, was meine Funktion
gewonnen haben ...                                        Das dürfte ich heute gar nicht mehr. Die Bank müss-                                                                 oder die Bank betrifft. Und intern ist es mir wichtig,
Zwei Stunden pro Tag weniger, macht rund 700 Stun-        te mir den Wertpapierverkauf verweigern. Der aus          Michel Haller                                             dass die Leute zum Telefon greifen, wenn sie einan-
den pro Jahr x 25 ergibt 17 500 Stunden. Ich habe also    meiner Sicht negative Trend der Bevormundung auf-                                                                   der etwas zu sagen haben oder noch besser das per-
in den 25 Jahren meines Erwachsenenlebens etwa            grund des zugrunde liegenden Schutzgedankens                                                                        sönliche Gespräch suchen, bevor sie aneinander vor-
zwei Jahre Wachzeit dazugewonnen.                         geht zu weit. Wenn jemand veranlagen will, kann                                                                     beimailen.

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
Auf dem Weg
Unser Weg führt von der Alpe Öberle über den tief eingeschnittenen
breiten Sattel hinauf zum Grat. Der intensive Regen des Vortages hat den
Wanderpfad völlig durchnässt. Wir müssen aufpassen, dass wir auf den
glatten Steinen nicht ausrutschen. Der Hohe Stoß gewinnt langsam an
Kontur. Die silbern schimmernden Morgennebel bedecken das Tal der
Bregenzerach.

Gutes Werkzeug bzw. die richtige Ausrüstung sind         funktioniert. Ich habe zwei Ziele: Erstens, dass die Bank
nicht nur beim Wandern erfolgsentscheidend?              funktioniert und zweitens, dass die Menschen verste-
Was haben Sie immer im Rucksack?                         hen, wie sie funktioniert. Es muss klarer werden, was
Zwei Semmel mit Wurst, etwas zum Trinken, Obst,          wir sind. Wir haben Vorarlberger Wurzeln, sind zum
Riegel, Pflaster und ein Taschenmesser.                  Großteil in Vorarlberger Eigentum. Aber wir vergeben

Haben Sie auch Bargeld dabei?
Na klar, immer. Bargeld ist Freiheit. Ich möchte immer   „Die Kanisfluh profitiert von den
die Möglichkeit haben, etwas zu kaufen, ohne dass es
jemand nachvollziehen kann. Aber es muss auch Gren-      geheimnisvollen Geschichten. Bei
zen geben. Es ist weder zeitkonform noch komfortabel,
mit 15.000 Euro in bar herumzulaufen. Andererseits,
                                                         der Hypo Vorarlberg ist es proble-
wenn alles elektronisch erfasst wird, steigt auch der    matisch, dass viele nicht verstehen,
Anreiz, das System zu knacken.
                                                         wie sie funktioniert.“ Michel Haller
Warum passt eigentlich gerade die Kanisfluh zu
unserem Gespräch?
Um die Kanisfluh ranken sich genauso viele Mythen        nur 40 Prozent des Kreditvolumens in Vorarlberg. Den
und Geschichten wie um die Hypo Vorarlberg. Beides       größeren Teil unseres Geschäfts machen wir außerhalb
sind regionale Vorarlberger Symbole, die jeder kennt.    des Landes. Wir sind sogar darauf angewiesen, dass wir
Aber keiner weiß wirklich, was sie genau sind. Die       diese Geschäfte machen. Wenn unsere Erträge sinken,
Kanisfluh ist nicht einfach ein Berg, sondern ein Ge-    sinken nämlich die Kosten nicht im selben Ausmaß.
birgsmassiv mit vier Gipfeln, von denen nur der höchs-   Wir machen dann also weniger Gewinn.
te auf einem Bergwanderweg zu besteigen ist. Dort-
hin sind wir jetzt unterwegs, nämlich zur Holenke mit    Die Banken müssen insgesamt neue Wege gehen, um
2044 Metern. Die anderen drei Gipfel Hoher Stoß, Run-    im Zeitalter der Digitalisierung profitabel zu bleiben.
der Kopf und Sonnenspitze sind nur was für Kletterer.    Welche Wege sehen Sie für die Hypo Vorarlberg?
                                                         Wir müssen die digitale und die analoge Welt intelligent
Und die Hypo Vorarlberg?                                 verknüpfen, d.h. wir bleiben eine Filialbank mit kompe-
Die Hypo Vorarlberg ist auch ein markantes regionales    tenter persönlicher Beratung. Zugleich bauen wir unser
Symbol mit internationaler Strahlkraft. Die Kanisfluh    digitales Netz aus. Außerdem geht es darum, die richti-
profitiert von den vielen geheimnisvollen Geschichten    gen Kunden auszuwählen und ihnen die richtigen Pro-
über sie. Bei der Hypo Vorarlberg hingegen ist es pro-   dukte anzubieten. Welche Geschäfte für uns die lukra-
blematisch, dass viele Leute nicht verstehen, wie sie    tivsten sind, hängt nicht nur von deren Größe ab.

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
Die Rast
                                    Null Grad hat es. Der eiskalte Wind
                                    fegt über die Grasbüschel am Grat
                                    und macht das Rasten ziemlich
                                    ungemütlich. Die Jause will daher
                                    niemand auspacken. Hinter den
                                    Bergspitzen im Osten blinzeln die
                                    ersten Vorboten der Morgenröte
                                    hervor.

                                    Herr Haller, ich habe den Eindruck, dass Sie nicht
                                    lange ruhig sitzen können, selbst wenn es hier an-
                                    genehmer wäre. Oder täusche ich mich da?
                                    Nichts tun ist tatsächlich furchtbar für mich. Es fällt
                                    mir schwer, eine halbe Stunde in einem Liegestuhl zu
                                    liegen. Lieber setze ich mich mit einem Buch auf den
                                    Hometrainer.

                                    Welche Lektüre liegt denn vorzugsweise auf der
                                    Lenkstange?
                                    Am liebsten historische Romane oder Science Fiction.
                                    Derzeit sind es die vier Bände der De Fleury-Saga, die
                                    zur Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas beginnt. Gestern
                                    habe ich gerade 150 Seiten aus dem ersten Band gele-
                                    sen. Aber auch die gesamte Douglas Adams-Serie „Per
                                    Anhalter durch die Galaxis“ habe ich gelesen. Und was
                                    ich auch gerne mag, sind Bodenseekrimis – z. B. die
                                    mit Kommissar Kluftinger. Das ist spannende Heimat-
                                    kunde.

                                    Was mich noch interessieren würde, wenn ich gerade
                                    noch unsere Pause für einen kleinen Exkurs nützen
      Nichts tun ist tatsächlich    darf: Warum hat jemand, der in Mellau im Bregenzer-

     furchtbar für mich. Es fällt   wald aufgewachsen ist, einen französisch klingenden
                                    Vornamen?
       mir schwer, eine halbe       Den Michel habe ich meiner Mutter zu verdanken.
                                    Sie stammt aus Brügge in Belgien und kam 1968 nach
          Stunde in einem           Mellau, um Deutsch zu lernen.

        Liegestuhl zu liegen.       Ist ihr das gelungen im Bregenzerwald?
                                    Sie spricht fast so perfekt Wälderisch, als ob es ihre
               Michel Haller
                                    Muttersprache wäre. Ich bin zweisprachig aufgewachsen
                                    und habe von ihr Flämisch bzw. Niederländisch gelernt.

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
Am Gipfel
     Pünktlich um 6.56 Uhr belohnt uns die Sonne für das frühe Aufstehen.
     Wir sind jetzt an unserem Ziel auf der Holenke angelangt. Wegen der
     Kälte ist heute sonst niemand auf dem Gipfel. Es muss allerdings für die
     Kanisfluh eine intensive Saison gewesen sein. Zumindest ist das Gipfel-
     buch bis auf das letzte Blatt vollgeschrieben.

     Herr Haller, Sie sind diesen Weg schon von Kind auf       Die Kanisfluh gehört zwar geologisch zum Jurage-
     gegangen, zum wievielten Mal sind Sie auf Ihrem           birge, emotional aber zu Vorarlberg. Wie viel Vorarl-
     Hausberg?                                                 berg steckt denn in der Hypo Vorarlberg?
     Circa zum 20. Mal, schätze ich.                           Extrem viel, wir können aber noch mehr hineintun.
                                                               Unsere DNA ist Vorarlberg von seiner besten Seite.
     Bereits mit sieben Jahren haben Sie angefangen,           Sparsam, fleißig, zuverlässig. Diese Werte werden vor
     Münzen zu sammeln. Inzwischen umfasst Ihre                allem von unseren Kunden an den Standorten in Wien,
     Sammlung 4800 Münzen. Wie weit sind Sie denn              Graz und Wels sehr geschätzt. Der Name allein reicht
     noch von Ihrem persönlichen Sammlerziel entfernt?         aber natürlich nicht. Wir müssen das leben und von
     Sammler haben nie genug. Das erste Sammlerstück           Vorarlberg aus in alle Standorte verbreiten. Darüber
     war eine 50-Yen-Münze. Ich habe sie von einem deut-       hinaus müssen wir über die Grenzen schauen, offen
     schen Gast im Austausch gegen eine 5-Groschen-Mün-        sein. Denn eine Wurzel macht noch keinen Baum.
     ze bekommen. Münzen erzählen Geschichten. Sie sind
     Ausdruck des Zeitgeists, der technischen Möglichkeiten    Ihr Vertrag läuft fünf Jahre. Auf welchem Gipfel
     und des politischen Willens. Der Wert der Sammlung        sehen Sie die Hypo Vorarlberg bis dahin?
     ist nicht das Hauptthema. Ich sammle zum Beispiel         Ich sehe eine erfolgreiche, effiziente Vorarlberger Bank
     sämtliche Euro-Münzen verschiedener Länder. Vom           mit einem eigenen Charakter. Wir sind so flexibel, dass
     belgischen König Albert gab es zum Beispiel drei ver-     wir dort die Geschäfte machen, wo wir was verdienen.
     schiedene Münzbilder. Offensichtlich hat ihm immer        Im Land sind wir die Universalbank für jeden Vorarl-
     wieder etwas nicht gefallen. Bei der Vatikan-Münze        berger und jede Vorarlbergerin. In den anderen Markt-
     hat Papst Franziskus die Praxis geändert. Nun ist nicht   regionen sind wir in Nischen tätig, in denen wir den
     mehr sein Bildnis auf den Münzen zu sehen, sondern        Kunden einen echten Mehrwert bieten können.
     das päpstliche Wappen.
                                                               Im Bankengeschäft wird Erfolg letztlich mit Kenn-
     Wir haben hier vom Gipfel eine wunderbare Aussicht        zahlen gemessen. Wie halten Sie es beim Wandern?
     Richtung hinterer Bregenzerwald und Richtung Boden-       Ich schaue natürlich auch hier auf meinen Schrittzähler.
     see. Wo sind Sie zu Hause?                                5500 Schritte sind es. Doch der Zweck des Gehens ist
     Ich bin zu Hause, wo ich herkomme. Aber ich habe          für mich das Schauen. Ich sauge einfach alles auf,
     zwei Heimaten. Wir sind in die Heimat meiner Frau         nüchterne Informationen und emotionale Eindrücke.
     nach Tettnang in Deutschland gezogen, weil ich von        Das macht mich glücklich.
     dort schneller in Bregenz an meinem Arbeitsplatz bin
     als von Mellau aus.                                       Und schon dreht sich Michel Haller im Kreis und
                                                               postet ein paar Schnappschüsse vom Berg am
     Und was ist gefühlt näher, Deutschland oder der           frühen Morgen, dann marschiert er mit geübten
     Bregenzerwald?                                            Schritten talwärts. Denn spätestens um 10 Uhr
     Gefühlt ist Mellau näher. Aber gerade die Distanz hat     will er an seinem Schreibtisch sitzen.
     den Vorteil, dass ich zur Ruhe komme und zugleich
     Deutschland verstehen lerne, das ja auch zu unserem
     Marktgebiet gehört.

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VORHABEN - AMBITION GEMEINSAM - Karin Guldenschuh
INVESTITIONEN FÜR   Wer wachsen will, muss investieren. Und wer investieren will, braucht
                    Geld. Dies galt insbesondere für die Aufbaujahre nach dem Zweiten Welt-
DIE ZUKUNFT.        krieg. Die legendäre Vorarlberger Garantiegemeinschaft war beispiels-

EIN BLICK ZURÜCK.   weise ab den 1960er-Jahren ein wichtiges Instrument zur Förderung der
                    Wirtschaft – und die Hypo Vorarlberg spielte dabei eine zentrale Rolle.
                    Markus Barnay hat schon für den Jubiläumsband „111 Hypo Vorarlberg“
                    Zeitzeugen von damals interviewt. Aus Anlass des 120-jährigen Bestehens
                    der Bank hat er sich nun auch die Vorgeschichte des heimischen
                    Wirtschaftswunders angeschaut.

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Geld für die Industrie in den                                             zwischen 1980 und 2000 aufgeben. Geblieben sind
Aufbaujahren                                                              jene Firmen, die sich rechtzeitig spezialisieren konn-
                                                                          ten, wie die Getzner Textil AG in Bludenz. Die 1818
„Ohne die Garantiegemeinschaft wären wir in ernste                        gegründete Firma ist die älteste noch bestehende Textil-
Schwierigkeiten geraten“, erzählt Bertl Widmer, der                       firma des Landes und beschäftigt heute noch immer
ehemalige Geschäftsführer der Firma Blum, wenn er                         über 800 Menschen.
an die ersten Jahre zurückdenkt, in denen der gelernte
Textilmusterzeichner in Höchst an der Seite von Firmen-                   Aber auch Firmen aus anderen Branchen machten Ge-
gründer Julius Blum arbeitete: „Wir expandierten sehr                     brauch von den Krediten der Hypo Vorarlberg – und sind
schnell, brauchten neue Gebäude und neue Maschi-                          bis heute dafür dankbar, dass sie mit deren Hilfe ex-
nen, und das wäre ohne die Unterstützung der Hypo                         pandieren konnten: „Das war eine tolle Sache!“ meinte
Vorarlberg kaum möglich gewesen.“                                         beispielsweise Franz Rauch2, der in den 1960er-Jahren
                                                                          die ehemalige Mostpresserei seines Vaters übernommen
Die Vorarlberger Garantiegemeinschaft war eine                            hatte und sie gemeinsam mit weiteren Familienmit-
Erfindung des damaligen Hypo Vorarlberg Direktors
Max Wilhelm Hämmerle. 1959 gegründet, half sie den
heimischen Unternehmen in jenen Jahren des Wirt-
schaftsaufschwungs unter anderem mit günstigen
Frankenkrediten, abgesichert durch Bürgschaften des                                                                                  gliedern zu einem Lebensmittelkonzern ausbaute, der         auf seiner Maschine selbst herstellen – dann müsste
Landes und der Handelskammer. Viele Jahre später                                     Ohne die Garantie-                              heute über 1800 Menschen beschäftigt, rund die              man sie nicht mehr schmuggeln (oder teuer verzollen).
wurde sie vom heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden                                                                                     Hälfte davon in Vorarlberg.
der Bank, Jodok Simma, als „entscheidende volkswirt-
                                                                                   gemeinschaft wären wir                                                                                        Julius Blum war von der Idee durchaus angetan. Er
schaftliche Weichenstellung für den heute erfolg-                                 in ernste Schwierigkeiten                          Zur absoluten Erfolgsgeschichte wurde auch die Ent-         fuhr zum Erfinder des ANUBA-Bandes in die Schweiz,
reichen Industriestandort Vorarlberg“ bezeichnet.1                                                                                   wicklung der Firma Blum in Höchst. Julius Blum war          überredete ihn, ihm günstig die Lizenz für ganz Öster-
                                                                                           geraten.                                  Huf- und Wagenschmied und hatte schon früh Ambi-            reich zu verkaufen, und kehrte mit einem neuen Produkt
Die Garantiegemeinschaft unterstützte zunächst vor                                                                                   tionen, mehr aus der geerbten Schmiede zu machen.           zurück, mit dessen Herstellung er seinen Drehautoma-
allem die damals noch dominierende Textilbranche,                                                    Bertl Widmer                    Blum lieh sich Geld – damals noch von Privaten,             ten auslasten konnte und das der Firma bald einmal
                                                                                            ehemaliger Geschäftsführer Blum
die einerseits kräftig expandierte, andererseits aber                                                                                unter anderem von Verwandten in der Schweiz –               große Erfolge bescherte.
auch dringend umstrukturiert werden musste, um zu                                                                                    und schaffte sich einen Drehautomaten an, mit dem
überleben. Nachhaltig gelang das aber nur wenigen                                                                                    er Hufstollen herstellte, eine Art Spikes für Pferdehufe,   Sechzig Jahre später erzielt die Höchster Firma Blum
der großen Textilfirmen, die meisten anderen mussten                                                                                 die er an Hufschmiede in ganz Österreich lieferte.          einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro, beschäftigt über
                                                                                                                                     Doch er wusste, dass dieses Produkt bald ein Auslauf-       5000 Mitarbeiter/innen allein in Vorarlberg und ist da-
                                                                                                                                     modell sein würde und er dringend eine zusätzliche          mit der größte Arbeitgeber im Land. Das Kernprodukt
                                                                                                                                     Verwendung für seinen Drehautomaten benötigte.              sind nach wie vor System-Möbelbeschläge, also die
                                                                                                                                     Denn es war absehbar, dass der motorisierte Verkehr         Verbindungen von Schränken und Türen und die Füh-
                                                                                                                                     den Warentransport mittels Pferd und Wagen endgül-          rungen von Schubladen und Auszügen, wenn auch
                                                                                                                                     tig verdrängen würde.                                       mit vielfach verbesserter Technologie. Und der Markt
                                                                                                                                                                                                 ist längst nicht mehr auf Österreich beschränkt, son-
                                                                                                                                                                                                 dern umfasst die ganze Welt – Blum ist mit einem Ex-
                                                                                                                                     Revolutionäre Scharniere als                                portanteil von über 90 % in seiner Branche Weltmarkt-
                                                                                                                                     Wachstumsmotor                                              führer.

                                                                                                                                     Da traf er zufällig auf dem Kirchplatz einen Bekannten,
                                                                                                                                     der gerade sehr verärgert war. Er war Tischler und hat-     Darlehen für die Bauern
                                                                                                                                     te aus der Schweiz ein neuartiges Produkt zur Verbin-       in den Gründungsjahren
                                                                                                                                     dung von Türrahmen und Türflügel importiert, das
                                                                                                                                     sich von den bis dahin bekannten Scharnieren unter-         So wie Blum und andere Firmen wuchsen und den in-
                                                                                                                                     schied: Das ANUBA-Band war auch nach der Montage            ternationalen Markt eroberten, wuchs auch die Hypo
                                                                                                                                     noch verstellbar und konnte direkt in das Holz der          Vorarlberg nach 1945 mit. Gegründet worden war sie
                                                                                                                                     Türen gebohrt werden. Das Problem des Tischlers:            1897 als reine Hypothekenbank, deren Aufgabe es war,
                                                                                                                                     Er hatte die revolutionären Teile über die Grenze ge-       den vielfach verschuldeten Bauern langfristige Darle-
                                                                                                                                     schmuggelt und war dabei erwischt worden. Jetzt             hen auf ihre Grundstücke zu gewähren, um so den
                                                                                                                                     schlug er Blum vor, er könne doch die Lizenz für die        völligen Niedergang der Landwirtschaft zu verhindern.
                                                                                                                                     Herstellung dieser Bänder erwerben und die Dinger           Nach größeren Rückschlägen während des Ersten Welt-

22      1 „111 Hypo Vorarlberg – Ein historischer Kassasturz“, Hypo Vorarlberg 2008, Seite 144                                                                                                                                                        23
        2 ebd. Seite 134
kriegs, als ein Großteil der Pfandbriefe wertlos wurde,     Landesregierungen der Zwischenkriegszeit ange-          ▪ Dank der stabilen Lage profitierten die westlichen
     überstand sie die allgemeine Bankenkrise in den             sammelt worden waren, und mit der Arbeitskraft            Bundesländer und damit auch Vorarlberg ab 1948
     1920er-Jahren relativ unbeschadet, weil sie noch keine      von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, die             zusätzlich noch vom „European Recovery Program“
     größeren Geschäfte mit der Industrie machte. Doch           unter unmenschlichen Bedingungen härteste Arbeit          (ERP), den Investitionskrediten des nach dem ameri-
     während der NS-Zeit verlor die Hypothekenbank dank          verrichten mussten.                                       kanischen Außenminister benannten „Marshallplans“.
     staatlicher Entschuldungsaktionen für die Landwirt-                                                                   Praktisch sämtliche Textilunternehmen und zahlreiche
     schaft und dem Verbot von Zwangsversteigerungen           ▪ Der größte Startvorteil der Vorarlberger Wirtschaft       Tourismusbetriebe erhielten auf diesem Weg günstige
     erheblich an Bedeutung.                                     war aber wohl die Grenzlage zur Schweiz: Diese            Kredite.
                                                                 war als neutrales Land von Kriegsschäden gänz-
                                                                 lich verschont geblieben und hatte bei Tätern und
     Standortvorteile für Vorarlberg                             Opfern der benachbarten Diktatur gleichermaßen          Von der Hypothekar- zur Universalbank
     in der Nachkriegszeit                                       als sicherer Hafen gegolten, in dem die einen ihr
                                                                 geraubtes und die anderen ihr vor dem Raub ge-          Mitte der 1950er-Jahre gewann dann auch die Hypo-
     Nach der Befreiung Österreichs von der nationalsozia-       rettetes Vermögen parkieren konnten – und vieles        thekenbank des Landes zunehmend an Bedeutung bei
     listischen Herrschaft waren zunächst andere Faktoren        davon wurde nach dem Krieg nicht mehr abgeholt.         der Vergabe von Krediten: Zunächst stand der Woh-
     verantwortlich für den raschen Aufstieg der Vorarlber-      Die Schweiz half Vorarlberg nach 1945 in mehrfacher     nungsbau im Zentrum der Kreditgeschäfte, war doch
     ger Industrie:                                              Hinsicht zum raschen Wirtschaftsaufschwung: So          die Wohnungsnot eines der drängendsten Probleme.
                                                                 gründete der neu gebildete Landesausschuss (eine        Mit der Einführung der Vorarlberger Garantiegemein-
     ▪ Der wichtigste Faktor war wahrscheinlich das Glück,       Art provisorische Landesregierung) mit Hilfe des        schaft wurde die Hypo Vorarlberg aber endgültig auch
       in einem Land zu leben, das von größeren Kriegs-          Schweizer Konsuls Carl Bitz und unter Mitwirkung        zur Hausbank etlicher Industriebetriebe, mit denen sie
       schäden weitgehend verschont blieb. Während anders-       der französischen Besatzungsbehörden die „Wirt-         gewissermaßen mitwuchs und die sie bald auch bei
       wo in der Endphase des Zweiten Weltkriegs ganze           schaftsstelle Vorarlberg-Schweiz“, die den Austausch    internationalen Geschäften betreute.
       Städte ausgelöscht wurden, kam es in Vorarlberg           von Dienstleistungen (seitens der Vorarlberger) und
       nur im Zuge der Befreiung durch die französische          Waren (aus der Schweiz) über ein gemeinsames            Konsequenterweise wurde die Hypo Vorarlberg 1969
       Armee zu einzelnen Bombardierungen und Artillerie-                                                                zur Universalbank, die alle Arten von Bankgeschäften
       angriffen, die zwar im Zentrum von Bregenz großen                                                                 betreibt und für alle Privat- und Geschäftskunden offen-
       Schaden anrichteten, ansonsten aber Wohngebiete,                                                                  steht. Zur selben Zeit entstanden die ersten Filialen in
       Industrieanlagen und die Verkehrsinfrastruktur weit-                                                              Vorarlberg und schließlich auch, ab 1987, Repräsentan-
       gehend unbehelligt ließen.                                                                                        zen in Wien, Bozen und St. Gallen.

     ▪ Als Standortvorteil erwies sich daher die Tatsa-                                                                  Die von der Hypo Vorarlberg (mit)betreuten Firmen
       che, dass in Vorarlberg während der NS-Zeit einige                                                                wuchsen indessen vor allem dank der Exporte. Frei-
       Infrastruktur-Projekte realisiert wurden, die auch                                                                handelszonen wie die EFTA (bis 1995) und die Europäi-
       in der Nachkriegszeit noch genutzt werden konn-                                                                   sche Gemeinschaft (ab 1995) waren wichtige Voraus-
       ten – von Straßenbauten bis zu den Kraftwerken                                                                    setzungen für die Expansion.
       der Vorarlberger Illwerke. Gebaut wurden sie mit          Konto abwickelte und beispielsweise auch die Löhne
       Hilfe von Geldern, die zuvor von den sparfreudigen        der Grenzgänger auszahlte. Damit öffnete sich der       Firmen wie Blum, Getzner und Rauch haben den Auf-
                                                                 Vorarlberger Wirtschaft zu einem Zeitpunkt ein Tor zu   stieg aber nicht nur dank glücklicher Zufälle und der
                                                                 einem größeren Wirtschaftsraum, als die Verbindun-      Hilfe von außen geschafft, sondern vor allem auch
                                                                 gen zum restlichen Österreich noch abgeschnitten        aufgrund richtiger strategischer Entscheidungen –
                                                                 waren, der Kontakt nach Deutschland verboten und        und dank einer ambitionierten Führung und eben-
                                                                 ein europäischer Markt noch nicht erreichbar war.       solcher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Er hat ein
                                                                                                                         gutes Gespür für die richtigen Leute gehabt“, sagt
                                                               ▪ Auch die französische Besatzungsmacht erwies            der Zeitzeuge Bertl Widmer über Firmengründer Julius
                                                                 sich – besonders im Vergleich mit der sowjetischen      Blum. „Und das Klima in der Firma war von Anfang an
                                                                 im Osten Österreichs – als Glücksfall für Vorarlberg:   gut.“ Und fügt nach kurzem Nachdenken hinzu: „Ein
                                                                 Statt Maschinen zu demontieren und Unternehmen          bisschen rau, aber herzlich!“
                                                                 zu beschlagnahmen, wie das in den östlichen Bun-
                                                                 desländern geschah, bemühten sich die Franzosen
                                                                 um eine rasche Wiederherstellung der Wirtschaft                          Markus Barnay ist Redakteur des ORF Vorarl-
                                                                 und nahmen dafür sogar in Kauf, dass schwer be-                          berg, Autor eines Buches über die Geschichte
                                                                 lastete Nationalsozialisten nach wenigen Wochen                          Vorarlbergs im 20. Jahrhundert und Kurator
                                                                                                                                          einer Ausstellung über die Entstehung des
                                                                 Anhaltelager bereits wieder in den Führungsetagen
                                                                                                                                          Landes im vorarlberg museum.
                                                                 der Textilfirmen saßen.

24                                                                                                                                                                                   25
Dominik Sekacic ist freier Texter und
                                                                           Redakteur beim unabhängigen Magazin
                                                                           „Ziegfried“. Er hat Werbung und Markt-
                                                                           kommunikation studiert und war danach
                                                                           u. a. im Marketing tätig.

ERFOLGSGESCHICHTEN.
ETWAS VORHABEN
UND ERREICHEN.                                               01                                                                         REINHARD
                                                                                                                                        SCHERTLER

                                                                                                       02
Die wohl wichtigsten Entscheidungen treffen wir
Menschen an den Kreuzungen des Lebenswegs.
                                                           MARTIN
Die Wahl der Route – unter Berücksichtigung von Ziel

                                                                                                                                          03
                                                           OHNEBERG
und Schwierigkeitsgrad – legt nicht nur den weiteren
Verlauf unseres Lebens fest, sondern bestimmt auch,
                                                           Um seinen Traum, eigenständiger
wer wir sind. Dies sind die Geschichten dreier Menschen,   Unternehmer zu werden, zu erfüllen,
                                                           setzte er alles auf eine Karte.

die sich nicht scheuen, schwierige Strecken mit fernen                                                                                  Ein Mann, der sich täglich mit

                                                                                                    ASTRID                              den Möglichkeiten von morgen
                                                                                                                                        beschäftigt, ohne dabei den Fokus
Zielen zu wählen. Menschen, die jene Steine, welche                                                 BISCHOF                             zu verlieren.

ihnen im Weg standen, als Berge erkannt und
erklommen haben.
                                                                                                    Mit traditionellen Tugenden,
                                                                                                    Offenheit für Neues und Instinkt
                                                                                                    lenkt sie ihr Logistikunternehmen
                                                                                                    in die Zukunft.

26                                                                                                                                                                      27
ALLES AUF EINE                                                                                                                                                                Meine Vision ist mein
KARTE GESETZT.                                                                                                                                                                 Fixstern und meine
                                                                                                                                                                              Leidenschaft befeuert
                                                                                                                                                                               meine Bereitschaft
Martin Ohneberg gehört zu den Menschen, deren größter Traum sich
                                                                                                                                                                                   zum Risiko.
aus ihrem Wikipedia-Eintrag herauslesen lässt. Nicht etwa, weil dieser
                                                                                                                                                                                       Martin Ohneberg
dort beschrieben stünde, sondern weil sein Lebenslauf durch und durch                                                                                                                       HENN

die Verwirklichung dieses Traumes widerspiegelt.

Ein freundliches Lächeln ziert das Gesicht des groß       Die Realisierung des Traumes hieß Henn. Martin Ohne-      Unternehmen seinen Sitz in Vorarlberg hatte, war für       Gebäude zu vereinen. Dadurch werden, trotz 2100 m2
gewachsenen Mannes. Die Turnschuhe im retroschi-          berg übernahm Anfang 2011 die Mehrheit des Auto-          mich nach gut 20 Jahren in Wien noch so was wie ein        zusätzlicher Fläche, die Kommunikationswege deut-
cken 80er-Jahre-Look und das Sportjackett unter-          mobilzulieferers mit Sitz in Dornbirn. Das Unternehmen    Bonus.“                                                    lich verkürzt und Erholungsräume und eine Kantine
streichen den dynamischen Charakter hinter dem            produziert Schnellkupplungen für Ladeluft- und                                                                       für die Belegschaft geschaffen. Dieser Schritt ist dem
charmanten Antlitz. Entspannt zurückgelehnt sitzt         Kühlwassersysteme und liefert diese an zahlreiche         Gleich zu Beginn setzte der neue Mehrheitseigentümer       Unternehmer sehr wichtig, denn er hat einiges vor:
er da, erzählt von seinem Leben und seinem aktuellen      Automobilhersteller, darunter namhafte Marken wie         und Geschäftsführer seinem Unternehmen ambitio-            „Bis 2021 wollen wir unseren Umsatz erneut verdop-
Fünfjahresplan.                                           Porsche, Jaguar, Mercedes und BMW. „Es war die richtige   nierte Ziele. Gut ein halbes Jahrzehnt später steht das    peln und auch den Personalstand deutlich erhöhen –
                                                          Gelegenheit zur richtigen Zeit. Ich war der Meinung,      Henn-Team hinter dieser Ziellinie und kann von einer       von derzeit 65 auf rund 90 Mitarbeiterinnen und Mit-
„Es war schon immer mein Wunsch, eigenständiger           dass die Risikobereitschaft nach 40 drastisch abnimmt     Umsatzverdopplung auf 50,4 Millionen Euro und steti-       arbeiter. Insbesondere technische Fachkräfte sind
Unternehmer zu sein. Ich wollte etwas produzieren.        und wollte meine Chance nicht verpassen“, erinnert        gem Wachstum weit über dem Marktdurchschnitt be-           gefragt“, erzählt er mit so viel Überzeugung und Be-
Das war mir schon während meiner Zeit an der Han-         sich der heute 46-Jährige. „Mit der Hypo Vorarlberg       richten. Dennoch scheint aus Martin Ohnebergs Feuer        geisterung in der Stimme, dass jegliche Zweifel an der
delsakademie Bregenz klar. Mit Ende 30 war es dann        hatte ich glücklicherweise einen Partner, der an mich     noch lange keine Glut zu werden. Neue Ziele wurden         Realisierung des Vorhabens von vornherein im Keim
an der Zeit, diesen Traum in die Tat umzusetzen. Das      und meine Vision glaubte, obwohl das Ganze auch in        gesetzt und wollen erreicht werden.                        erstickt werden. „Für mich ist das sehr wichtig. Ich bin
war nicht ganz einfach. Ich musste all mein Erspartes     die Hose gehen hätte können. Zudem übte die Bran-                                                                    ein ambitionierter Mensch – beruflich und auch privat.
und alles, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte, auf     che große Anziehung auf mich aus, denn bei Fahrzeu-       Gemeinsam mit dem Bauträger F.M. Hämmerle inves-           Diese Eigenschaft kommt wahrscheinlich vom Sport.
eine Karte setzen. Ich bin bekannt dafür, gerne Risiken   gen spielen neben der Technik auch Emotionen eine         tiert Henn neun Millionen Euro in den Standort Dorn-       Ich nehme mir etwas vor und fokussiere mich darauf.
einzugehen und diese Entscheidung war bestimmt            große Rolle. Außerdem haben die Marktposition und         birn, um alle Geschäftsbereiche, die derzeit noch über     Meine Vision ist mein Fixstern und meine Leidenschaft
eines der größten.“                                       das Produkt einfach gepasst. Die Tatsache, dass das       das gesamte Steinebach-Areal verstreut sind, in einem      befeuert meine Bereitschaft zum Risiko.“

28                                                                                                                                                                                                                                    29
GEMEINSAM MIT DEN
KUNDEN WACHSEN.
Geschäftiges Treiben prägt das Betriebsgelände von Bischof Transporte
in Feldkirch. LKW kommen an, fahren ab. Sie werden gewartet, gewaschen
und hinterlassen mit ihren Reifen nahezu malerische Spuren auf dem                                                seits ein Investment forderte, genügte bei meinem         die Shuttle-Transporte in unser Lager und kümmern
Asphalt. Komponistin dieser Logistik-Symphonie ist Astrid Bischof.                                                Vater ein Blick auf das Anforderungsprofil und schon      uns um die Kommissionierung sowie die Zustellung in
                                                                                                                  war er bereit, die spezifische Innovation umzusetzen.     die unterschiedlichen Länder. Das passiert in drei Tem-
                                                                                                                  Die Kunden wussten, dass sie jederzeit auf ihn und        peraturzonen: Tiefkühltransport bei minus 25 Grad,
                                                                                                                  das Unternehmen zählen können. Das hatte zur Folge,       Frischetransport bei 2 Grad und Trockentransport. Bei
                                                                                                                  dass wir immer gesund und zusammen mit unseren            Bedarf können wir auch alle drei Temperaturbereiche
                                                                                                                  Kunden gewachsen sind.“ Dass sie den weitblickenden       in einem LKW unterbringen.“
                                                                                                                  Tatendrang ihres Vaters sehr schätzt, hört man Astrid
Fragt man die Inhaberin des Unternehmens nach ihren      Eine Verletzung nach einem Autounfall zwang sie          Bischof nicht nur an, es zeigt sich auch in ihren eige-   2011 wurde mit dem grenzüberschreitenden Finanz-
größten Vorbildern, nennt sie ohne Zögern ihren Vater.   schließlich zu einer Ausbildung im Büro. Sie entschied   nen Entscheidungen.                                       Know-how der Hypo Vorarlberg ein Logistikzentrum
Otto Bischof gründete das Unternehmen 1974 und           sich für eine Lehre als Speditionskauffrau im väterli-                                                             mit 20.000 Stellplätzen in der Schweizer Ortschaft
baute es vom Einmannbetrieb zu einem europaweit          chen Betrieb. So konnte sie im Laufe der Zeit das                                                                  Sennwald errichtet, erzählt Astrid Bischof: „Ich werde
operierenden Spezialisten für Lebensmitteltransporte     Unternehmen ausgiebig kennenlernen: „Ich war im
                                                                                                                  „Im Gegensatz zu meinem Vater                             oft gefragt, ob ich vor diesem Schritt den Schweizer
mit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus.           Lager, in der Buchhaltung, bin mit dem LKW nach          brauche ich zwar auch Zahlen, letzt-                      Markt analysiert habe. Im Gegensatz zu meinem Vater
                                                         Schweden gefahren – und auch von meinem Vater                                                                      brauche ich zwar auch Zahlen, letztlich entscheide
Zusammen mit dem Unternehmen ist auch Astrid             konnte ich in all den Jahren einiges lernen. Ich weiß    lich entscheide ich aber instinktiv.“                     ich aber instinktiv. Wir kennen die Kunden, für die wir
Bischof groß geworden. „Das Interesse an Transport       um die Herausforderungen, denen sich mein Team                                                                     diese Investition von 20 Millionen Schweizer Franken
                                                                                                                  Astrid Bischof – Bischof Transporte
und Fahrzeugen wurde mir durchaus in die Wiege           jeden Tag stellen muss.“                                                                                           getätigt haben, seit vielen Jahren. Basierend auf die-
gelegt. Schon als Kind habe ich jeden Samstag in der                                                                                                                        sem Vertrauen war diese Entscheidung eindeutig.“ Es
Werkstatt verbracht. Ich habe die Fahrer mit Jausen      Im Jahr 2000 war es Zeit für den Generationenwech-       „Wir erkannten, dass viele unserer Kunden mehr            ist diese Kombination aus traditionellen Tugenden wie
versorgt, bin mit der Ölkanne rumgelaufen und hab        sel. Astrid Bischof übernahm das Unternehmen ihres       brauchen als nur den Transport von A nach B. Also         Handschlagqualität und Geradlinigkeit mit der immer-
mich unter die LKW gelegt, um zu sehen, wo was ist”,     Vaters und stellte schnell unter Beweis, dass sie das    entwickelten wir über die Jahre ein ganzheitliches        währenden Offenheit für Neues, die Astrid Bischof zur
erinnert sich die heutige Chefin, die trotz Diesel im    Gelernte auch zeitgemäß adaptieren kann. „Wenn einer     Logistikkonzept – speziell abgestimmt auf die je-         erfolgreichen Unternehmerin macht, während Neugier
Blut zunächst Stewardess werden wollte.                  unserer Kunden eine Anforderung hatte, die unserer-      weiligen Bedürfnisse und Wünsche. Wir übernehmen          und Mut sie zu immer neuen Herausforderungen führen.

30                                                                                                                                                                                                                                31
STABILITÄT DURCH
VERÄNDERUNG.
Wer Reinhard Schertlers Büro betritt, bekommt sofort das zu sehen, was
ihn beschäftigt. Baupläne, Zeitungsartikel, Fotos und Erinnerungsstücke                                                                                                        Wichtig ist es, einen
an erzielte Erfolge hängen an den Wänden. Im gesamten Raum sind
                                                                                                                                                                              Fokus zu haben. Es ist
Gebäudemodelle und Projektmappen zu entdecken.
                                                                                                                                                                              nicht ratsam, zu viele
                                                                                                                                                                               Ziele gleichzeitig zu
                                                                                                                                                                                    verfolgen.
                                                                                                                                                                                          Reinhard Schertler
Der Geschäftsführer der i+R Gruppe mit Sitz in Lauter-   hatte der Vater seine Zweifel: „Mein Vater meinte nach                                                                              i+R Gruppe
ach ist kein Mann des Stillstands. In Gedanken scheint   der Umstrukturierung, er habe nie gewollt, dass es so
er sich stets mit der Zukunft und deren Möglichkeiten    kommt, er hätte aber auch nichts dagegen getan. Ich
zu beschäftigen. Er gehört zu den Menschen, die mit      schätze, er hat damals erkannt, dass wir das Unterneh-
allem, was sie tun, den Status quo herausfordern. Das    men fit für die nächsten Jahrzehnte machen mussten.
lange Haar salopp zur Seite gekämmt, zeigt er sich als   Das hat sowohl ihn als auch die Hypo Vorarlberg als
Rebell. Keiner, den es nach Anarchie dürstet, sondern    Geldgeber davon überzeugt, dass es der nächste logi-
einer, der in jeder Veränderung eine Chance sieht.       sche und richtige Schritt ist.“

Seine erste dokumentierte Rebellion war die gegen        Reinhard Schertlers Studium lässt sich noch immer
den Willen seines Vaters. Nach nur einem Monat           in seinem Handeln und Denken erkennen. So ist bei-
schmiss er sein Studium für Bauingenieurwesen an         spielsweise bis heute für ihn die Frage, was gebaut
der TU Wien hin, um Raumplanung und Städtebau zu         wird, viel wichtiger als die Frage, wie es gebaut wird.
studieren. „Mein Vater nannte es damals ein Verhinde-    „In Wien entwickeln wir derzeit vier Hochhäuser – die     baus wiederbeleben und den gewonnenen Raum,               Kindergärten oder auch innerhalb von Gebäuden
rungsstudium“, erinnert sich Reinhard Schertler. Auch    ›Danube Flats‹. Dabei liegt uns – wie auch bei unser-     wie es Le Corbusier einst vorgesehen hatte, für Grün-     ist Zero Emission ein wichtiges Thema.“ Die ersten 50
viele Jahre später, als der Sohn die Umstrukturierung    en anderen Projekten – der öffentliche Raum beson-        flächen und als Platz für Kinder zum Spielen nutzen,      E-Bagger werden gerade ausgeliefert, im Jahr 2020
der i+R Gruppe in eigenständige Unternehmen plante,      ders am Herzen. Wir wollen die Uridee des Hochhaus-       statt ihn Parkplätzen zu opfern. Auch beim Seedomi-       sollen bereits 500 Maschinen hergestellt werden.
                                                                                                                   zil, unserem derzeit größten Wohnbauprojekt in            Doch nicht nur in der Antriebsform sieht der Unter-
                                                                                                                   Vorarlberg, haben wir große Bereiche für nutzbaren        nehmer Potenzial: „Baumaschinen wandeln sich auch
                                                                                                                   Grünraum vorgesehen, wo gemeinschaftliches Urban          immer mehr zum Smartphone. Geodaten werden ein-
                                                                                                                   Gardening stattfinden kann, und zwar nicht nur für        gespielt und als 3D-Modell auf einem Display in der
                                                                                                                   die Bewohner der Wohnanlage, sondern auch für die         Kabine angezeigt. Digital unterstützte Steuerung er-
                                                                                                                   Nachbarn.“                                                möglicht zentimetergenaues Arbeiten. Software-Up-
                                                                                                                                                                             dates über Online-Services bringen neue Features und
                                                                                                                   Neben der Schaffung von nutzbarem Grünraum liegt          optimieren die Maschine auch nach der Auslieferung
                                                                                                                   Reinhard Schertler auch die Natur selbst am Herzen.       weiter.“
                                                                                                                   Daher hat der begeisterte Elektroautofahrer bereits
                                                                                                                   sein nächstes ambitioniertes Projekt gestartet. Mit der   Doch bei allen Ambitionen ist dem Unternehmer eine
                                                                                                                   zur i+R Gruppe gehörenden Huppenkothen GmbH und           Sache sehr wichtig: „Fokus. Es ist nicht ratsam, zu viele
                                                                                                                   in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich nahm er sich         Ziele gleichzeitig zu verfolgen. Ich war 20 Jahre lang
                                                                                                                   der Entwicklung eines Elektro-Baggers an. „Meiner         begeisterter Höhenbergsteiger und viel im Himalaja
                                                                                                                   Meinung nach ist Elektromobilität die Zukunft, sei es,    und in Südamerika unterwegs. Dabei war es nie meine
                                                                                                                   um die Wertschöpfung bei uns zu behalten oder um          Ambition, den höchsten oder schwierigsten Berg zu er-
                                                                                                                   Emissionen zu senken. Besonders beim Einsatz von          klimmen, sondern es alleine mit meinem Partner zu
                                                                                                                   Kleinbaggern, also in dicht verbauten Gebieten, neben     schaffen.“

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AMBI TION
ZIELE VERFOLGEN,                                     Was ist Ambition? Ist es ein innerer Impuls, der tief im Charakter veran-
                                                     kert ist? Eine unergründliche Tatkraft, die manche Menschen zu außer-
AUCH WENN ES SCHMERZT.                               gewöhnlichen Leistungen anspornt? Ambition hat jedenfalls ebenso viel
                                                     mit dem Spaß an einer Sache zu tun wie mit der Neugier, Unbekanntes
                                                     zu entdecken und es mit Entschlossenheit und großer Hingabe anzu-
                                                     packen. Vier Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen – von
     Babette Karner studierte Journalismus und
     Philosophie. Sie leitet die Kommunikation       der Musik bis zum Sport – erzählen von Elan, Hartnäckigkeit und
     Schloss Werdenberg/CH, zuvor war sie in der
     Kommunikation bei den Bregenzer Festspie-       Leidenschaft.
     len und der Oper Stuttgart. Freiberuflich ist
     sie als Autorin und Übersetzerin tätig.

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Es braucht Ehrgeiz, um Leistungs-
sport zu betreiben. Wenn man nicht
wirklich dahinter ist, dann wird das
nichts. Denn Talent allein reicht
irgendwann nicht mehr aus.

Isabel Posch, Siebenkämpferin

Wenn Ambition warm aus braungrünen Augen leuch-             strebig gewesen, sagt Isabel Posch. Neue Ziele hat sie
ten kann, dann tut sie das bei Isabel Posch. Über eine      stets vor Augen: als nächstes 2018 die Teilnahme an
Freundin ist das Vorarlberger Nachwuchstalent als           der Leichtathletik-U20-Weltmeisterschaft in Finnland
Kind zur Leichtathletik gekommen, heute wäre für            und auf jeden Fall in naher Zukunft auch ein Start
die 17-jährige Maturantin ein Leben ohne Sport schwer       beim Hypomeeting in Götzis in Vorarlberg. Eine Ver-
vorstellbar: „Es macht so viel Spaß! Nicht gern ins Trai-   letzung hat ihr im Frühjahr zwei Dinge klargemacht:
ning gehen? So etwas gibt’s bei mir vielleicht zweimal      „Man darf sich nicht entmutigen lassen und man muss
im Jahr!“ Die Vielseitigkeit des Siebenkampfs entspricht    durchhalten. Das geht nur, wenn man ambitioniert ist.
ganz ihrem Naturell – „nur eine Disziplin würde mich        Aber man muss seinen Ehrgeiz wohldosiert einsetzen –
schnell langweilen“. Sie sei immer schon sehr ziel-         und ihn auch manchmal zügeln.“

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Ambition ist für mich die Vorstel-
lung, dass etwas machbar ist, und
das innere Bedürfnis, sich damit
auseinanderzusetzen, darin besser
zu werden. Nicht für Geld und nicht
für die Anerkennung anderer –
sondern für mich selbst.

Wilfried Amann, Mitglied des Vorstandes

Klettern wollte er als Kind schon, und davon war er      Entscheidungen in Extremsituationen, das Erkunden
auch nicht abzuhalten. Auf Wikipedia findet man den      neuer Routen, das Teamwork am Seil. Schon Amanns
Autodidakten als jüngsten Bezwinger der Eiger-Nord-      Kletterambitionen als Teenager waren geprägt von
wand. Ein Profi-Bergsteiger ist aus ihm dann aber        dem Ehrgeiz, ja nie mit dem Hubschrauber geborgen
nicht geworden, der Beruf war ihm wichtiger. Doch        werden zu müssen. Wer klettert, weiß, dass nur die
die Erfahrungen des Kletterns nimmt Wilfried Amann       nüchterne Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und
tagtäglich mit in seinen Berufsalltag als Vorstand der   Ressourcen garantiert, dass aus Ambition nicht Leicht-
Hypo Vorarlberg: den inneren Antrieb, sich immer         sinn wird.
neuen Herausforderungen zu stellen, das Treffen von

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Ums Berühmtwerden geht’s nicht.
Aber wenn ich etwas anfange,
dann mache ich es richtig.

Cornelia Mayer, Projektmanagerin Hypo Vorarlberg

Sie spielt Querflöte, Klavier und Saxophon. Sie singt,      Hypo Vorarlberg – sind aus einem schlichten „Klar,
leitet einen Chor und spielt in einer Band. Unter an-       kann ich machen!“ erwachsen. Von Chorleitung habe
derem. „Ich stamme aus einer musikalischen Familie“,        sie keine Ahnung gehabt, sagt die Mittdreißigerin,
sagt Cornelia Mayer, aber wenn man fragt, was sie ist,      „aber lernen kann man alles!“ Inzwischen ist bereits
sagt sie voll Feuer: „Bankkauffrau!“ Seit 17 Jahren schon   das zweite große Chorkonzert der „grandi amici“ in
ist sie bei der Hypo Vorarlberg, und nach Ambition          Planung. „Und Langstreckenschwimmerin bin ich auch“,
muss man bei der lebhaften Projektmanagerin nicht           strahlt sie am Schluss: „8. Juli 2017, Seequerung Lochau-
forschen: Von ihrem Elan könnten zehn andere leben.         Bregenz. Ich war die glücklichste Drittletzte der Welt –
Die meisten Projekte – seit 2007 organisiert und leitet     aber das war erst der Anfang!“
sie auch den Mitarbeiterchor und die Bigband der

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Es ist wertvoll, immer mal nach
links und rechts zu blicken und ein
Ziel nicht zu geradlinig zu verfolgen.
Ein offener Blick, ein hohes Maß an
Empathie und die Fähigkeit zur
Selbstkritik – das bringt einen weiter,
als einfach nur die Ellenbogen
auszufahren.

Benjamin Lack, Dirigent Landeskonservatorium

Die Vielseitigkeit ist bei Dirigent Benjamin Lack beruf-   Mehrere Diplome der Stuttgarter Hochschule für
liches Programm – und er liebt und braucht sie. Der-       Musik hat er, doch auch der Kirchenchor habe ihn
zeit ist er Künstlerischer Leiter des Symphonieorches-     geprägt, sagt Lack. Es ist die Arbeit mit vielen unter-
ters des Vorarlberger Landeskonservatoriums, Feld-         schiedlichen Menschen, die ihn an seinem Beruf so
kircher Domkapellmeister und Leiter des Bregenzer          fasziniert: Die ungeheure Energie, die sich entfaltet,
Festspielchors. Doch das Wort Ambition wiederholt          wenn er zusammen mit mehreren Dutzend Musikern
er nachdenklich, wägt es ab und meint dann: „Eigent-       oder Sängern ein Werk erarbeitet. Entwickeln sich
lich ist da vor allem meine Liebe zur Musik.“ Seit Gene-   Dirigenten oft aus ambitionierten Orchestermusikern?
rationen wird in der Familie Lack musiziert: Benjamin      Benjamin Lack lacht: „Kann sein! Man sieht dem Men-
begann mit Klavier, später kam das Horn dazu – das         schen am Pult zu und denkt: Ach, lass mich das doch
Instrument, das schon sein Großvater gespielt hat.         auch einmal versuchen!“

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Steiner & Lenzlinger
     „Lungenkraut“, 2017

GELD VERSUS KUNST.          Das Kunsthaus Bregenz ist eines der Meisterwerke von Peter Zumthor.
                            Unter dem Titel „Dear to me“ präsentiert der Schweizer Architekt derzeit
5 AMBITIONIERTE FRAGEN      seine Vorlieben und Inspirationen in Kunst, Musik und Literatur. Durch

MIT ROLLENTAUSCH.           ihr Sponsoring-Engagement ist die Hypo Vorarlberg seit vielen Jahren
                            mit dem Kunsthaus Bregenz verbunden. KUB Direktor Thomas D. Trummer
                            und Hypo Vorarlberg Vorstand Johannes Hefel stellen sich in der aktuellen
                            Ausstellung Fragen zu Kunst, Geld und anderen Themen des Lebens.

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JOHANNES HEFEL                                                       THOMAS D. TRUMMER
                            Vorstand Hypo Vorarlberg                                                Direktor Kunsthaus Bregenz

                 Seit 20 Jahren gibt es das Kunsthaus Bregenz.                                Für Thomas D. Trummer, Direktor seit 2015,
       Genauso lange ist Johannes Hefel im Vorstand der Hypo Vorarlberg.              ist das KUB ohne Frage eines der ersten Häuser in der Welt
      Hin und wieder geht er über Mittag ganz allein ins KUB. Diese spezielle     der zeitgenössischen Kunst. Besonders hoch einzuschätzen sei das
     Erfahrung mit sich selbst empfiehlt er allen, die zumindest für kurze Zeit      großartige Technikteam. Durch dessen Know-how habe das
                   aus dem Alltagstrott ausbrechen möchten.                              KUB mehrere Stresstests ohne Schaden überstanden.

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JOHANNES HEFEL                 01
                                              Welches Kunstwerk möchten Sie
                                              immer wieder sehen?

         FRAGT
                                              Ich würde lieber sagen, immer wieder lesen. Den „Ulysses“ von James Joyce. Das Buch
                                              spielt an einem Tag, dem 16. Juni 1904, im Leben des Leopold Bloom. Ich begehe diesen
                                              Bloomsday jedes Jahr mit einem Zitat aus dem Roman, das ich an meinen Mail-Verteiler
                                              verschicke. Ich feiere für mich und gleichzeitig mit anderen mit der Aufdringlichkeit
                                              von jemandem, der Massenmails versendet. Dieses Jahr haben wir ein Bloomsday Rea-
                                              ding auf der Schattenburg in Feldkirch veranstaltet. Das war anregend und amüsant.

     THOMAS D. TRUMMER             02         Was kann Kunst, was Geld nicht kann?

        ANTWORTET
                                              Kunst entführt in fremde Denk- und Empfindungsregionen. Wenn ich lese, hinschaue,
                                              hinhöre, rührt mich etwas an. Es spielt keine Rolle, ob ich es verstehe. Ich spüre, dass
                                              etwas mit mir passiert. Ich begebe mich auf eine Reise, die ich mir vorher nicht vor-
                                              stellen konnte. Geld hingegen kann mich vielleicht zu einer touristischen Reise ver-
                                              führen, aber nicht in mein Innenleben entführen. Im Kunsterlebnis sehe ich keinen
                                              unmittelbaren Tauschakt. Ich muss nichts zurückgeben, wenn ich nicht will.

                                              Welche besondere Ambition haben Sie
                                   03         noch für das KUB?
                                              Das KUB läuft gut. Es hat einen ausgezeichneten Ruf, da gibt es nicht mehr viel drüber.
                                              Vor allem außerhalb des Landes. Was ich mir noch wünsche ist, dass dieses Angebot
                                              mitten in der Stadt die Bregenzerinnen und Bregenzer noch mehr erreicht. Das ist
                                              heuer mit dem Festakt schon gelungen. Das Kunsthaus Bregenz ist mit jeder Ausstel-
                                              lung verwandelt. Die Ausstellungen sind einmalig. Versäumtes lässt sich nicht nach-
                                              holen. Das ist nicht wie in der Formel 1, wo sie im nächsten Jahr noch einmal dieselben
                                              Runden drehen.

                                   04         Was sammeln Sie?
                                              Ich sammle Ideen. Kunst zu sammeln wäre mit meinem Ethos nicht vereinbar. Ich
                                              sehe mich als Vermittler zwischen Künstler und Publikum. Wenn ich versuchen würde,
                                              von meinem Insiderwissen zu profitieren, würde ich das Vertrauen missbrauchen. Zur
                                              Ideenfindung brauche ich Bücher. Seit meiner Studienzeit habe ich mein Einkommen
                                              in Gedrucktes gesteckt. Bevor ich den Ruf nach Bregenz erhielt, habe ich meine Uni-
                                              versität in Graz angerufen und ihr ein Drittel meiner Bücher geschenkt. Die Freude
                                              am anderen Ende der Leitung war so groß, dass ich heute noch gerührt bin.

                                              Die Banken sind stark reguliert,
                                   05         ist die Kunst frei?
                                              Auch der Kunstmarkt ist nicht frei von Produktionsbedingungen und Distributions-
                                              regeln. Aber grundsätzlich lebt die Kunst davon, dass sie Regeln verletzt. Es muss
                                              von einer Gesellschaft sichergestellt werden, dass sie das auch darf. Kunst deckt Ver-
                                              gessenes, Unsicherheiten, Narben und Untiefen auf. Das sollte uns was wert sein.

                         Olga Neuwirth
                         „Tinkle for P.Z.“,
                         2017
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