Wege Begabungsförderung in der - Eine Methodensammlung für die Praxis
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Wege in der Begabungsförderung Eine Methodensammlung für die Praxis 3. überarbeitete und ergänzte Auflage
Impressum Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung (2023). Wege in der Begabungs- förderung: Eine Methodensammlung für die Praxis (3. überarbeitete und ergänzte Aufl.). Salzburg: Pädagogi- sche Hochschule Salzburg Stefan Zweig. Herausgeber Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung (ÖZBF) Rektorat der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig Rektorin Daniela Martinek Medieninhaberin, Verlegerin Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig Akademiestraße 23 A-5020 Salzburg Erstausgabe © 2019 3. Auflage © 2023 ISBN: 978-3-9504347-6-7 Grafik/Layout: Christina Klaffinger, Katharina Kapsamer, Hans-Peter Priller, Anna Klaffinger Bilder, falls nicht anders angegeben: Christina Klaffinger Druck online Druck GmbH Brown-Boveri-Straße 8 2351 Wr. Neudorf Nutzungsbedingungen Nachdruck oder sonstige Wiedergabe und Veröffentlichung, elektronische Speicherung und kommerzielle Vervielfältigung, auch einzelner Beiträge, können nur mit schriftlicher Genehmigung der Medieninhaberin er- folgen. Haftungsausschluss Sämtliche Angaben in diesem Druckwerk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Recherche ohne Gewähr. Eine Haftung der Autor*innen, der Verlegerin und des Herausgebers sind ausgeschlossen.
Wege in der Begabungsförderung ÖZBF Förderung durch Beschleunigung und Vertiefung Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung Drehtürmodell Lernverträge Atelierbetrieb Portfolio Peer Teaching 2-Phasen-Unterricht Blooms Lernzieltaxonomie Multiple Intelligenzen Flipped Classroom Flexible Gruppierung Coaching Lerninseln Stationenlernen Mentoring Offene Aufgaben Forschendes Lernen Begabungsfördernde Einflussfaktoren Leistungsbeurteilung Persönlichkeits- Tutoring merkmale • Leistungsmotivation Formatives Assessment • Stressbewältigung • Arbeits- und Lernstrategien Förderorientierte Leistungsrückmeldung Umweltmerkmale • Familie Beratung • Unterrichtsqualität • Klassen- und Schulklima • Kritische Lebensereignisse Begabungen fördern heißt Wissen und Fähigkeiten aufbauen und Persönlichkeit entwickeln Begabungsbereiche kreativ psychomotorisch intellektuell sozial-emotional musisch-künstlerisch praktisch White Paper Bausteine für Schulentwicklung Methodensammlungen Begabungs-, Begabten- und Exzellenzförderung Begabungsförderung in Schule und Unterricht Deutsch, Mathematik, Englisch FAQs Begabung entwickelt Schule und Unterricht begabt & exzellent Antworten auf häufig gestellte Fragen Handbuch Schulentwicklung Zeitschrift für Begabtenförderung und Begabungsforschung
Wege Anhang Vorwort 6 >3 Empfehlenswerte Buchtitel zur vertiefenden Förderung A40 1 Begabungsförderung 7 >5 Vereinbarung Drehtür A44 2 Warum Begabungen individuell, ganzheitlich >5 Lernvertrag Drehtür A45 und systemisch fördern? 9 >6 Lernvertrag A46 3 Beschleunigung und Vertiefung 9 >6 Bausteine eines Contracts A48 4 Einflussfaktoren und Begabungsbereiche 10 >6 Evaluation des Contractings A49 5 Drehtürmodell 11 >8 Elemente des Talent Portfolios A50 6 Lernverträge 12 >8 Mögliche Inhaltsverzeichnisse A51 7 Atelierbetrieb 13 >8 Leitfragen zur Reflexion von Lernprodukten A52 8 Portfolio 14 > 10 Mögliche Lernprodukte A53 9 Peer-Teaching 15 > 10 Beurteilungsraster für Lernprodukte A54 10 Differenzierte Lernziele und Lernprodukte: > 10.2 Vorlagen für Assignments A55 Begabungsförderung im Klassenunterricht 16 > 10.3 Erarbeitung des Märchens „Rotkäppchen” A57 10.1 Zwei-Phasen-Unterricht 17 > 10.3 Immanuel Kants „Kategorischer Imperativ“ A58 10.2 Assignments 18 > 13 Bremer Stadtmusikanten A59 10.3 Blooms Lernzieltaxonomie 19 > 13 Meine Abendgesellschaft A60 10.4 Hausaufgaben und Übungsaufgaben 20 > 14 Forschendes Lernen A61 10.5 Flipping the classroom 21 AB 1 Der Forschungszyklus A61 11 Lerninseln 22 AB 2 Wissenschaftliches Arbeiten A62 AB 3 Begleitung im Arbeitsprozess A63 12 Flexible Gruppierung 23 AB 4 Thema finden A64 13 Offene Aufgaben 24 AB 5 Forschungsfrage entwickeln A65 14 Forschendes Lernen 25 AB 6 Der Forschungsplan A66 15 Stationenlernen 27 AB 7 Durchführung A67 16 Begabungsfördernde Leistungsbeurteilung 27 AB 8 Auswertung & Interpretation A68 17 Formatives Assessment 29 AB 9 Präsentationsformen A69 18 Förderorientierte Leistungsrückmeldung 30 AB 10Reflexion A70 19 Außerschulische Fördermaßnahmen 31 > 17 Techniken formativen Assessments A71 20 Vorzeitiges Einschulen und Überspringen 33 > 17 FAWU – Feedback für Arbeitsweisen im Unterricht A73 21 Coaching 35 > 18 Arten förderorientierter Leistungsrückmeldung A75 22 Mentoring & Tutoring 36 > 18 Feedbackraster für Präsentationen A76 23 Beratung 37 > 18 Peer-Feedback zu englischen Texten A77 |5| ÖZBF
Vorwort zur DRITTEN Auflage # Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Österreichischen Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung an der Pädago- gischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig ist es ein großes Anliegen, Lehrpersonen mit innova- tiven Unterrichtskonzepten in ihrer täglichen Praxis zu unterstützen. In den letzten Jahren wurde zunehmend klar, dass Begabtenförderung als extracurriculares Zusatzangebot für einen kleinen Teil besonders begabter Schüler*innen durch Begabungsförderung im Regelunterricht ergänzt werden muss: Lehr- und Lernangebote sollten auf möglichst breit angelegte Förderung möglichst vieler Fä- higkeiten aller Schülerinnen und Schüler abzielen. Das heißt v.a. auch, Lernende in deren Ganzheit- lichkeit zu sehen und sich nicht ausschließlich auf eine kognitive Förderung zu konzentrieren. Lehrpersonen stehen dabei vor der Herausforderung, Lernarrangements im Unterricht zu schaffen, die auf die Bedürfnisse heterogener Lerngruppen abgestimmt sind. Dies bedeutet nicht, dass für 25 Lernende 25 verschiedene Unterrichtsangebote erstellt werden sollen. Vielmehr sind anregen- de Umwelten zu kreieren, in denen Schüler*innen Eigenverantwortung für ihre Lernprozesse über- nehmen können. Wir freuen uns, dafür die bereits dritte Auflage unserer Methodensammlung „Wege in der Bega- bungsförderung“ zur Verfügung zu stellen. Wie in den Auflagen davor finden sich darin kurze Be- schreibungen verschiedener Lernarrangements mit zahlreichen Unterlagen, die einerseits für die Un- terrichtsvorbereitung und andererseits als Handouts für Schüler*innen verwendet werden können. Die Methodensammlung ist in zwei Teile gegliedert: „Wege“ (Kapitel) und „Anhang“. Farbige Halb- kreise an der oberen Blattkante markieren die Zugehörigkeit der einzelnen Anhänge zum jeweiligen Kapitel; Verweise zu anderen Kapiteln sind rot gedruckt, Verweise zum Anhang blau. Online werden wir immer wieder neue Arbeitsunterlagen veröffentlichen – ein gelegentlicher Blick auf die Homepage des ÖZBF unter www.phsalzburg.at/oezbf lohnt sich also. Analog zur vorliegenden „allgemeinen“ Beschreibung von Lernarrangements haben wir uns in den vergangenen Jahren verstärkt der fachdidaktischen Perspektive gewidmet und entsprechende be- gabungs- und begabtenförderliche Anregungen für Deutsch, Mathematik und Englisch publiziert. Diese Unterlagen, die laufend ergänzt und weiterentwickelt werden, finden Sie ebenfalls auf un- serer Homepage. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Freude bei der Arbeit mit begabungsförderlichen Lernarrange- ments! MMag.a Dr.in Claudia Resch, BA Leiterin des Bereichs „Bildungsangebote & Information“ am ÖZBF Wege in der Begabungsförderung |6|
1 Begabungsförderung Begabung – eine Begriffsklärung Begabungsförderung im Unterricht Der Begabungsbegriff und damit die Sicht auf Begabte haben sich in Begabungsförderung im Unterricht umzusetzen bedeutet, fordernde den letzten Jahren stark gewandelt. Ging es früher in erster Linie dar- und fördernde Lernarrangements zu schaffen und es mit offenem Blick um, vor allem kognitiv „Hochbegabte“ zu identifizieren und ihnen ent- allen Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, ihre Begabungen zu sprechende Fördermaßnahmen zuzuführen, so geht man inzwischen entfalten. Was kennzeichnet einen solchen Unterricht? von einem wesentlich offeneren, ganzheitlichen Ansatz aus, der die Vielfalt von Begabungen und Persönlichkeiten sowie deren unter- „Schüler*innen entdecken ihre Begabungen.“ schiedliche Bedürfnisse berücksichtigt. Unter Begabung wird nun Begabungsfördernder Unterricht ermöglicht Schülerinnen und Schü- weitreichender das Potenzial für außergewöhnliche Leistungen lern, ihre eigenen Interessen und Stärken zu entdecken, zu erleben verstanden. und zu zeigen. Er lässt Schüler*innen in ihre Interessensgebiete ein- tauchen und neue Wissensgebiete erschließen. Es gibt Begabungen im intellektuellen Bereich (mathematisch, sprach- lich usw.) aber auch im musisch-künstlerischen, kreativen, prakti- „Schüler*innen kennen ihre Stärken und Schwächen.“ schen, psychomotorischen und sozio-emotionalen Bereich. Begabun- Begabungsfördernder Unterricht hilft Schülerinnen und Schülern, mit gen sind nicht stabil, sondern verändern sich: sie entwickeln sich le- ihren persönlichen Potenzialen wertschätzend umzugehen – Stärken benslang in Abhängigkeit von der Umwelt, in der sich ein Mensch be- bewusst zu entfalten, Schwächen anzuerkennen bzw. durch Stärken findet, und seinen Persönlichkeitsmerkmalen wie z.B. Leistungsmoti- zu kompensieren, aber auch einzuschätzen, wie viel Zeit und Energie vation, Durchhaltevermögen und Stressbewältigung. Mittlerweile ist in den einzelnen Bereichen eingesetzt werden sollen. der Begriff „Hochbegabtenförderung“ demjenigen der „Begabungs- und Exzellenzförderung“ weitgehend gewichen. „Schüler*innen entwickeln ihre Begabungen.“ Damit sich Potenzial zu herausragender Leistung entwickelt, sind tief- gehende Lernprozesse nötig. Die Voraussetzungen sind eine fördern- Begabungsförderung – Begabtenförderung de Lernumgebung, aber auch Eigeninitiative und Selbstverantwortung – Exzellenzförderung der Lernenden. Eine begabungsfördernde Lernkultur fördert die Ler- nenden auch im Hinblick auf diese Kompetenzen. Begabungsförderung ist Breitenförderung und hat das Ziel, die Ent- wicklung der Potenziale von Kindern und Jugendlichen bestmöglich zu „Schüler*innen wachsen über sich selbst hinaus.“ unterstützen. Begabungsfördernder Unterricht unterstützt das Vertrauen der Schüler*innen in sich selbst und in ihre Fähigkeiten, sodass sie es Begabtenförderung ist Teil der Begabungsförderung und richtet wagen, ihr Potenzial Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, ohne sich sich auf eine als überdurchschnittlich begabt und motiviert identifi- selbst zu überfordern. zierte Gruppe von Kindern und Jugendlichen. In der Schule wird Be- gabtenförderung oft mit Talentförderung gleichgesetzt, besonders „Schüler*innen stehen zu ihren Leistungen.“ wenn damit die Förderung von Begabungen in einer speziellen Domä- Begabungsfördernder Unterricht vermittelt eine positive Einstellung ne gemeint ist. zu Leistung, die als ein Weg zu persönlicher Erfüllung gesehen wird. Einem Leistungsdruck im negativen Sinne wird entgegengearbeitet. Exzellenzförderung richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Vervoll- kommnung und Erweiterung von bereits gezeigten überdurchschnitt- Ein begabungsfördernder Unterricht ist ein differenzierender und indi- lichen Leistungen auf einem Gebiet. Exzellenzförderung – als Spit- vidualisierender Unterricht, ein Unterricht mit Lernarrangements und zenförderung – baut somit auf den Erfolgen der Breitenförderung auf. Methoden, der den Schülerinnen und Schülern in ihrer Unterschied- lichkeit entgegenkommt. Begabungsförderung und Exzellenzförderung bedingen und ergänzen einander in ihrem Bestreben, einerseits die Begabungen aller zu för- Begabungen zu fördern heißt, Wissen und Fähigkeiten aufzubauen und dern und andererseits auf Spitzenbegabungen adäquat einzugehen. Persönlichkeit zu entwickeln. Begabungsförderung stellt sicher, dass Potenziale bereits in ihrem Keim sichtbar werden und kontinuierliche Unterstützung und För- In der Studie „Respektvolle Differenzierung“ (Deferential Differentia- derung erfahren. Exzellenzförderung kann dank einer umfassenden tion) beschäftigt sich Kanevsky (2011) mit der Frage, welche Differen- Begabungsförderung aus einem großen Pool an Potenzialen schöp- zierungsformen als begabt identifizierte Schüler*innen und nicht als fen, um jene Menschen, die maßgeblich zur Weiterentwicklung der begabt identifizierte Schüler*innen in ihrem Lieblingsschulfach am Gesellschaft beitragen können und wollen, zur Leistungsexzellenz liebsten bzw. am wenigsten mögen sowie welche Lernpräferenzen zu führen. existieren. Zusammengefasst brachte die Studie folgende Ergebnisse: |7| ÖZBF
1 •• Beim Lernen in ihrem Lieblingsfach wünscht sich die Mehrheit len ebenso eine gewichtige Rolle. Obwohl die Schüler*innen bei der Schüler*innen beider Gruppen, ihr Lerntempo, die Themen, 75 % der beliebtesten Items übereinstimmen, erzielen die bei- die Methoden und die Wahl ihrer Lernpartner/innen selbst zu den Gruppen nicht dieselben Lernerfolge, auch wenn mit ihren bestimmen. bevorzugten Methoden gearbeitet wird. •• Als begabt identifizierte Schüler*innen bevorzugen es, über komplexe, extracurriculare Themen zu lernen, authentisches und anspruchsvolles Wissen zu erwerben und die Zusammen- Literatur hänge zwischen Ideen zu erkennen. Manchmal mit anderen zu- sammen zu arbeiten und die Art ihrer Lernprodukte selbst zu Bloom, B. S. & Krathwohl, D. R. (1984). Taxonomy of Educational Objec- wählen war ebenfalls wichtiger für sie als für die Vergleichs- tives. Book 1. Cognitive Domain. Harlow: Longman. gruppe. Negativ empfand die Mehrheit der als begabt identifi- Kanevsky, L. (2011). Deferential Differentiation: What Types of Diffe- zierten Schüler*innen zu „warten, bis jede*r in der Klasse oder rentiation Do Students Want? Gifted Child Quarterly, 55, 279- Gruppe etwas versteht, bevor wir zu etwas Neuem gehen“ und 299. „die Lehrperson um Hilfe [zu] bitten“. Passow, A. H. & Frasier, M. M. (1996). Toward improving identification •• Kanevsky kommt zu dem Schluss, dass nicht nur intellektuelle of talent potential among minority and disadvantaged students. Fähigkeiten einen Einfluss auf die Lernpräferenzen von Schüle- Roeper Review, 18, 198-202. rinnen und Schülern haben; Alter, Geschlecht, kultureller Hinter- Van Tassel-Baska, J. & Little, C. (Hrsg.). (2011). Content-based curricu- grund sowie die Vertrautheit mit Differenzierungsformen spie- lum for gifted learners. Waco: Prufrock Press. Begabte Schüler*innen profitieren von innerer Differenzierung und Individualisierung im Klassenunterricht, da sie sich selbstständig in Themen vertiefen können, ohne sich vom Klassenverband lösen zu müssen. Von begabten Lernenden häufig bevorzugte Qualitäten des Lernens und Lehrens beinhalten u.a. einen hohen Grad an Abstraktion, hohe Komplexität, problemlösungsorientierte und offene Fragen (vgl. Offene Aufgaben, S. 24 ), eigenes Forschen (vgl. Forschendes Lernen, S. 25 ), Transformation und Transfer von Wissen, systemische Ansätze, unabhängiges Arbeiten, Übung durch Anwendung (statt Drill) und höhere Ebenen des Denkens (vgl. Blooms Lernzielt axonomie, S. 19 ). Van Tassel-Baska und Little (2011) zufolge lernen begabte Schüler*innen schneller und sind neugieriger als ihre Gleichaltrigen. Motivation, fortgeschrittene Interessen und besondere Kommunikationsfähigkeit sind weitere charakteristische Merkmale begabter Schüler*innen (Passow & Fraisier, 1996). Wege in der Begabungsförderung |8|
2 Warum Begabungen individuell, ganzheitlich und systemisch fördern? In den letzten Jahren hat sich der Begabungsbegriff und damit die den. Erst dann können geeignete Interventionen gesetzt werden, da- Sicht auf Begabte stark gewandelt (vgl. Begabungsförderung: Bega- mit aus dem persönlichen Lernsystem ein begabungs- und leistungs- bung – eine Begriffsklärung, S. 7 ). Begabungen werden inzwischen förderliches Umfeld wird. Solche Interventionen können auf diversen mehrdimensional, dynamisch und systemisch verstanden. Mehrdi- Ebenen stattfinden, z.B. als Feedback im Unterricht, als Training einer mensional bedeutet, dass es Begabungen in unterschiedlichen Be- Technik, als Hinweis auf weiterführende Informationen, als Kontakt zu reichen gibt, z.B. sprachlich, logisch-mathematisch, kreativ, musisch- einer Expertin/einem Experten, etc. künstlerisch, sozio-emotional, praktisch, psychomotorisch. Dyna- misch deutet darauf hin, dass Begabungen nicht ein Leben lang kon- In der individuellen Förderung ist die systemische Sichtweise eben- stant sind, sondern sich abhängig von der Persönlichkeit der/des Ein- falls zielführend. Begabungen individuell, ganzheitlich und syste- zelnen und ihrer/seiner Umwelt, dem gesamten System, entwickeln. misch zu fördern heißt, sich als Begabungsförderin/Begabungsförde- rer selbst als Teil des Lernsystems wahrzunehmen. Die grundlegende Für das Erkennen und Fördern von Begabungen in Schule und Unter- Haltung in der individuellen Förderung ist, den Blick weg von den De- richt bedeutet das, nicht einzelne Begabte zu identifizieren, sondern fiziten einer Person und hin zu ihren Interessen, Stärken und Bega- begabungs- und leistungsförderliche Umwelten zur Verfügung zu stel- bungen zu lenken. len und aufzubauen. Diesen Weg bietet der ganzheitlich-systemische Ansatz. Darin wird die Person mit ihrem gesamten Umfeld betrachtet. Begabungen oder Begabte werden nicht isoliert gesehen, sondern Literatur das Lernsystem einer Person besteht aus ihrem Handeln, ihrer Um- welt, Motivation, Leistungsdomäne, ihren Zielen, Kontakten, Eltern, Rogl, S. (2014). Der systemische Blick. Von der Person und der Einzel- Schulkameraden, ihrem Unterricht etc. All diese Bestandteile müssen maßnahme zum Lernsystem. news&science. Begabtenförderung detailliert und in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit betrachtet wer- und Begabungsforschung, 38, 4-6. 3 Beschleunigung und Vertiefung In der Begabungs- und Exzellenzförderung werden zwei Ansätze von Fördermaßnahmen unterschieden: Beschleunigung (Akzeleration) und Ver- tiefung (Enrichment). Akzeleration Enrichment gibt Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ein vorgegebenes ist der Überbegriff für Vertiefungsangebote an motivierte, inter- Curriculum beschleunigt zu durchlaufen. Dies kann sowohl auf indi- essierte und begabte Schüler*innen, damit sie sich in ihrem Bega- vidueller Ebene mit einer vorzeitigen Einschulung, dem Überspringen bungsgebiet spezifisch weiter entwickeln können. Dabei werden einer Schulstufe (vgl. Vorzeitiges Einschulen und Überspringen, S. 33 ) Schüler*innen angeregt, sich Expert*innenwissen anzueignen und auf oder mit dem Programm „Schülerinnen und Schüler an die Hochschu- Leistungsexzellenz hinzuarbeiten. Zum einen können frei gewählte In- len“ (vgl. Außerschulische Fördermaßnahmen, S. 31 ) erfolgen als auch halte vertieft werden (vertikales Enrichment), zum anderen kann ver- auf Klassenebene z.B. in einer Schnellzugklasse. sucht werden, den Horizont der Schüler*innen zu erweitern und einen breiten Überblick über außerschulische Themenfelder und Domänen zu ermöglichen (horizontales Enrichment). Anhang Empfehlenswerte Buchtitel zur vertiefenden Förderung, S. A40 |9| ÖZBF
4 Einflussfaktoren und Begabungsbereiche Die am Plakat genannten Einflussfaktoren und Begabungsbereiche Die Autoren vertreten die Auffassung, dass sich eine umfassende Be- sind an das Münchner Hochbegabungsmodell (MHBM) nach Kurt Hel- gabungsdiagnose nicht auf eine reine Messung des Intelligenzquo ler, Christoph Perleth und Ernst Hany (1994) angelehnt. tienten (IQ) beschränken dürfe, sondern je nach Problem- und Frage- stellung weitere relevante Begabungs- und unterschiedliche Modera- Im Münchner Hochbegabungsmodell wird auf die Unterscheidung von torenausprägungen berücksichtigen müsse, um eine differenzielle Be- Prädiktoren und Moderatoren Wert gelegt. Beide sind für die Erklä- ratung und Intervention anbieten zu können. Leistungen sind nicht nur rung außergewöhnlicher Leistungen von Bedeutung: das Produkt eines entsprechenden Begabungspotenzials, sondern das Ergebnis von zielgerichteten Lernprozessen, die von nicht-kognitiven •• Unter Prädiktoren werden Begabungsfaktoren verstanden, die Persönlichkeits- und Umweltmerkmalen geprägt werden. – in unterschiedlicher Gewichtung – wichtige Voraussetzun- gen für außergewöhnliche Leistungen darstellen: intellektuelle Fähigkeiten, kreative Fähigkeiten, soziale Kompetenz, Musika- lität, künstlerische Fähigkeiten, Psychomotorik und praktische Intelligenz. •• Unter Moderatoren werden von Heller & Perleth (2007) nicht- Literatur kognitive Persönlichkeitsmerkmale und Umweltmerkmale ver- standen. Nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale sind z.B. In- Brunner, E., Gyseler, D. & Lienhard, P. (2005). Hochbegabung – (k)ein teressen, Leistungsmotivation, Arbeitsverhalten, Prüfungssor- Problem? Handbuch zur interdisziplinären Begabungs- und Be- gen/Ängstlichkeit und Kausalattributionen. Umweltmerkmale gabtenförderung. Zug: Klett und Balmer. im Münchner Hochbegabungsmodell sind u.a. familiäre Lernum- Heller, K. (2008). Hochbegabtenberatung. In C. Fischer, F. Mönks & U. welt, Familienklima, Instruktionsqualität, Schulklima und kriti- Westphal (Hrsg.), Individuelle Förderung. Begabungen entfal- sche Lebensereignisse. ten – Persönlichkeit entwickeln (S. 447-468). Berlin: LIT Verlag. •• Als Leistungsbereiche gelten Domänen, in denen Begabung Joswig, H. (2000). Begabungen erkennen – Begabte fördern. Rostock: durch Leistung sichtbar wird, z.B. Mathematik, Naturwissen- Universität Rostock, Philosophische Fakultät. schaften, Technik, Computer/Schach, Kunst (Musik, Malerei), Kipman, U., Kohlböck, G. & Weilguny, W. (2012). Psychologische Test- Sprachen, Leichtathletik/Sport oder soziale Beziehungen. verfahren zur Messung intellektueller Begabung. Salzburg: ÖZBF. Stressbewältigung Leistungsmotivation Arbeits-/Lernstrategien Prüfungsangst Kontrollüberzeugung Intellektuelle Mathematik Fähigkeiten Kreative Nicht-kognitive Naturwissenschaften Fähigkeiten Persönlichkeitsmerkmale Technik Soziale Kompetenz Informatik, Schach Musikalität Begabungs- Leistungs- LERNEN bereiche faktoren Kunst (Musik, Malen) Psychomotorik Sprachen Künstlerische Fähigkeiten Umwelt- Sport Merkmale Praktische Soziale Fähigkeiten Beziehungen Familiäre Familienklima Instruktions- Kritische Lebensumwelt qualität Klassenklima Lebensereignisse Münchner Hochbegabungsmodell (entnommen aus Joswig, 2000, S. 23; Bearbeitung: Margarethe Kainig-Huber) Wege in der Begabungsförderung | 10 |
5 Drehtürmodell Unter dem Begriff „Drehtürmodell“ werden pädagogische Maßnah- Projekt oder an unterschiedlichen Projekten und können dafür den Re- men verstanden, die Lernenden eine „imaginäre Tür“ an einen an- gelunterricht für bestimmte Zeit verlassen. Betreut, unterstützt und deren Lernort öffnen, um sie später wieder an den ursprünglichen begleitet werden sie von einer Lehrperson an der Schule. Sie hilft den Lernort zurückzuführen. Im Kleinsten kann das bedeuten, dass sich Schülerinnen/Schülern, ihre Interessen zu entdecken, Ziele zu formu- Schüler*innen in ein bestimmtes Thema vertiefen möchten und dafür lieren, ihre Idee in einem Projektplan auszuarbeiten und während der einen abgegrenzten Ort im Klassenzimmer aufsuchen. Im Größeren individuellen Arbeitszeiten das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. kann damit gemeint sein, dass Schüler*innen den Klassenunterricht vorübergehend verlassen, um eine andere Bildungsinstitution zu be- Drehtürmodell an einer auSSerschulischen suchen. Institution Die Rahmenbedingungen können in einer Vereinbarung (vgl. Lernver- Schüler*innen besuchen Lehrveranstaltungen oder Vorträge an au- träge, S. 12 sowie Anhänge Vereinbarung Drehtür, S. A44 und Lernver- ßerschulischen Bildungsinstitutionen wie z.B. Fachhochschulen oder trag Drehtür, S. A45 ) festgehalten werden. Diese legt z.B. z wischen Universitäten. Dabei können sie Interessensgebiete vertiefen und er- einer Lehrperson und einer Schülerin/einem Schüler fest, zu welchen weitern, welche die Schule nicht anbietet. Sie bekommen auch wert- Zeiten sie/er den Klassenunterricht verlassen darf. Das kann ein klar vollen Zugang zu Expertinnen/Experten. Die Mitschüler*innen profi- definiertes Zeitfenster (z.B. jede dritte Stunde oder jeden Montag in tieren ebenfalls von solchen Modellen und Kontakten, wenn neues der vierten Stunde) oder ein eher offenes Arrangement sein, nach dem Wissen und Erkenntnisse in Form von Referaten, Plakaten oder spon- man der Schülerin/dem Schüler Phasen für die eigenverantwortliche tanen Blitzlichtberichten in die Schule zurückkommen. Arbeit nach gewissen Kriterien ermöglicht. Im Lernvertrag können auch das Thema, die Lernziele, die zu erarbeitenden Produkte und das Eine institutionalisierte Variante bietet das Programm „Schülerinnen Einbringen des Erlernten in den Unterricht geregelt sein. und Schüler an die Hochschulen“. Es ermöglicht Schülerinnen und Schülern, Lehrveranstaltungen an österreichischen Hochschulen zu absolvieren (vgl. Außerschulische Fördermaßnahmen, S. 31 ). Umsetzungsmöglichkeiten Drehtürmodell im Klassenzimmer oder in der Lerninsel Ein*e Schüler*in arbeitet über einen längeren Zeitraum an einem be- Literatur stimmten Projekt, dessen Rahmenbedingungen im Vorfeld mit der Wasmann, A. (2016). Das Drehtürmodell im Schulalltag. Ein zentrales Lehrperson (z.B. anhand eines Lernvertrags) vereinbart worden sind. Element der Begabungsförderung am konkreten Beispiel des El- Je nach Absprache kann die Schülerin/der Schüler den Unterricht ver- sensee-Gymnasiums in Schleswig-Holstein. news&science. Be- lassen und in einer Lernecke, in der Bibliothek oder einem anderem gabtenförderung und Begabungsforschung, 41, 62-66. Raum an ihrem/seinem Projekt arbeiten. Drehtürmodell als Programm einer Schule Anhang Schüler*innen aus einzelnen Klassen arbeiten an einem gemeinsamen Vereinbarung Drehtür, S. A44 Lernvertrag Drehtür, S. A45 Das Drehtürmodell öffnet begabten Lernenden Türen zu neuen Bildungsräumen und ermöglicht ihnen die individuelle Auseinandersetzung mit bestimmten Themenfeldern parallel zum regulären Unterricht. | 11 | ÖZBF
6 Lernverträge Lernverträge werden zwischen einer Lehrperson und einer Klasse oder steine eines Contracts, S. A50 ). Je nach Reife der Schüler*innen kann Lehrpersonen und einzelnen Schülerinnen/Schülern geschlossen, um der Diskussionsrahmen bewusst offen gelassen oder, z.B. in der Leis- den Lernenden mehr Eigenverantwortung und Mitsprache bei der Pla- tungsbeurteilung, durch vorgegebene Wahlmöglichkeiten begrenzt nung und Durchführung der Lernprozesse zu geben. Schüler*innen be- werden. kommen so die Möglichkeit, Lernziele, Lernarrangements und Unter- richtsmethoden, Kern- und Erweiterungsbereiche sowie Kriterien für Nach einer Reflexionszeit für die Schüler*innen außerhalb des Unter- die Leistungsbeurteilung mitzubestimmen. Lernverträge werden dis- richts werden die einzelnen Vorschläge mit der Lehrperson gemein- kutiert und von der Lehrperson sowie den Schülerinnen und Schülern sam diskutiert und ausgehandelt, bis alle Beteiligten mit den Inhalten unterschrieben, wodurch auf beiden Seiten eine hohe Verbindlichkeit zufrieden sind. für den Lernprozess entsteht. Die Möglichkeit zur Mitbestimmung Mit den Ergebnissen wird dann ein Vertrag formuliert, den alle Betei- zeigt den Schülerinnen und Schülern nicht nur Wertschätzung, sie er- ligten unterschreiben. Die Erfahrung zeigt, dass Schüler*innen dies höht auch ihr Bewusstsein für eigenverantwortliches Lernen und da- sehr ernst nehmen und sich genau überlegen, worunter sie ihre Un- mit die intrinsische Motivation. terschrift setzen. Das Contracting kann je nach Klassenbedingungen einige Zeit in An- Individuelle Lernverträge spruch nehmen (mindestens zwei Einheiten), ermöglicht aber effizien- teres und motiviertes Arbeiten während des gesamten Schuljahres. In freien Arbeitsphasen (z.B. bei Einzelprojekten und beim Drehtürmo- Diskussionen über Unterrichtsinhalte, Methoden und Leistungsbeur- dell > vgl. Drehtürmodell, S. 11 ) empfiehlt es sich, einen Lernvertrag teilung erübrigen sich weitgehend. Sollten sich Teile des Vertrages im zwischen der Lehrperson und einzelnen Schülerinnen und Schülern zu Laufe des Schuljahres als nicht praktikabel bzw. als zu ungenau erwei- schließen. Darin werden die Arbeitszeiten, die Inhalte, die Lernziele, sen, kann der Vertrag in Übereinkunft aller neu überarbeitet werden. die zu erarbeitenden Produkte und die Rückführung des Erlernten in den Unterricht geregelt. Auch die Art der Betreuung durch die Lehrper- Um das Contracting laufend verbessern und im nächsten Schuljahr son kann darin vereinbart werden (vgl. Lernvertrag mit Projektüber wieder aufgreifen zu können, sollten in einem Feedbackbogen am Jah- legungen zur Arbeit an einem individuellen Projekt (Sekundarstufe), resende Fragen zum Entwicklungsprozess und zur Wirksamkeit des S. A46 und Lernvertrag Drehtür, S. A44 ). Vertrages während des Schuljahres gestellt werden (vgl. Evaluation des Contractings, S. A49 ). Lernverträge mit der gesamten Klasse (Contracting) Contracts werden meist am Anfang eines Schuljahres zwischen der Anhang Lehrerin/dem Lehrer und der gesamten Klasse für einen bestimm- Lernvertrag Drehtür, S. A45 ten Unterrichtsgegenstand geschlossen. In diesen Verträgen können Lernvertrag mit Projektüberlegungen zur Arbeit an einem individuellen sämtliche Aspekte, die den Unterricht betreffen, vereinbart werden. Projekt (Sekundarstufe), S. A46 Die Lehrperson und die Schüler*innen entwickeln so gemeinschaftlich Bausteine eines Contracts, S. A50 einen gültigen Handlungsrahmen für das gesamte Schuljahr. Evaluation des Contractings, S. A49 Empfehlungen für die Erarbeitung eines Literatur Contractings: Huser, J. (2004). Lichtblick für helle Köpfe. Ein Wegweiser zur Erken- Zu Beginn formulieren die Schüler*innen und die Lehrperson Ziele für nung und Förderung von hohen Fähigkeiten bei Kindern und Ju- das Schuljahr. Dies betont die gemeinsame Ausrichtung und der Lern- gendlichen auf allen Schulstufen, 4. überarbeitete und erweiter- prozess wird zum Gemeinschaftsprojekt. Die Lehrperson stellt ihre te Ausgabe. Zürich: Lehrmittelverlag des Kantons Zürich. Vorschläge für die gemeinsame Arbeit vor, z.B. Themengebiete und Renzulli, J., Reis, S. & Stedtnitz, U. (2001). Das Schulische Enrichment Kompetenzen, Organisationsformen, Arbeitsmittel und Arbeitstech- Modell SEM. Begabungsförderung ohne Elitebildung. Aarau: niken, Leistungsbeurteilung, Umgang und Atmosphäre usw. (vgl. Bau- Sauerländer . Die Arbeit mit Lernverträgen ist für Schüler*innen sehr motivierend. Sie bekommen dadurch Mitbestimmung und Eigenverantwortung im Lernprozess. V.a. begabten Lernenden kommt eine Eröffnung individueller Freiräume zur Vertiefung ihrer Interessen zugute. Wege in der Begabungsförderung | 12 |
7 Atelierbetrieb Atelierbetrieb steht für eine Form der Unterrichtsorganisation, durch Lernangebote werden in einem Verzeichnis bekannt gegeben und die die Stundenpläne und Klasseneinteilungen (im günstigen Fall auch Schüler*innen tragen sich für die einzelnen Kurse ein. Die Teilnahme Schulstufenzuteilungen) für einen Zeitraum von einem Tag bis zu zwei am gewählten Kurs wird als verpflichtend erklärt. Wochen aufgehoben werden. Die Schüler*innen können je nach Inte- resse aus einem Angebot unterschiedlicher Kurse wählen. Die Kurs- dauer kann zwischen zwei Stunden und mehreren Tagen variieren. Literatur Jede teilnehmende Lehrperson bietet ein Atelier an, das ihren eige- Oswald, F. & Weilguny, W. (2005). Schulentwicklung durch Begabungs- nen Interessen entspricht. Die thematische Bandbreite der angebo- und Begabtenförderung. Impulse zu einer begabungsfreundli- tenen Lerneinheiten kann von „Fliegenfischen“ über „Geocaching“ chen Lernkultur. Salzburg: ÖZBF. bis hin zu „CSI Attersee“ reichen. Atelierbetriebe können auch so ge- Palmstorfer, B. (2006). Differenzierung KONKRET – Aus der Praxis für die staltet werden, dass sie unter einem bestimmten Motto stehen. Die Praxis. Ein Handbuch für die Grundschule. Wien: Jugend & Volk. Ateliertage sind eine gute Gelegenheit für Schüler*innen, mögliche Interessen und Begabungen zu entdecken und mitunter bereits be- stehende zu vertiefen. Ebenso können Lehrer*innen ihre (auch außerschulischen) Begabungen einbringen. Deshalb stellt dieses Angebot einen guten Einstieg in die Begabungs- und Begabtenförderung dar. | 13 | ÖZBF
8 Portfolio Ein Portfolio ist eine repräsentative Sammlung ausgewählter Doku- werden, die systematisch Fähigkeiten, Interessensbereiche aus schu- mente und Belege. Es eignet sich, um den Entwicklungsstand und lischen und außerschulischen Aktivitäten oder Stilvorlieben in Bezug den Lernfortschritt aufzuzeigen, Begabungen und Stärken sichtbar auf Unterricht, Lernumfeld, Denken und Ausdruck aufzeigen. Ein Ta- zu machen sowie – je nach Zweck des Portfolios – zur Leistungsfest- lentportfolio ist niemals abgeschlossen; es wird regelmäßig ergänzt, stellung und -beurteilung. Darüber hinaus bietet die Arbeit mit Port- neu geordnet, aussortiert und so an den momentanen Stand der Ler- folios Lernenden die Möglichkeit zu intensiver Reflexion des eigenen nenden angepasst. Lernens und der eigenen Lerner*innenbiografie. Die Entwicklung von Eigenverantwortung und Selbststeuerung wird unterstützt und die Ein leidenschaftlich geführtes Talentportfolio kann nicht nur als Ent- Schüler*innen lernen, die Qualität der eigenen Leistungen selbst zu scheidungshilfe für zusätzliche Fördermaßnahmen dienen, es ergibt beurteilen. auch einen persönlichen Schatz, der Anstrengungen und Errungen- schaften hervorhebt und die eigene wie auch die fremde Wertschät- Welche Inhalte und Belege ins Portfolio Eingang finden, entscheiden zung fördert. Das Präsentieren des eigenen Portfolios wirkt sich posi- die Lernenden stets selbst. Zusätzlich werden sie dazu angehalten, tiv auf die Motivation, die Entwicklung eines dynamischen Selbstbil- diese Entscheidungen zu reflektieren und ggf. schriftlich zu argumen- des sowie den Selbstwert der Lernenden aus. tieren, z.B. mithilfe von Leitfragen (Leitfragen zur Reflexion von Lern- produkten, S. A52 ). Eigene Arbeiten selbst zu beurteilen und auch Feed- Literatur back einzuholen spornt die Lernenden zu kontinuierlicher Weiterent- wicklung an. Dumke, J., Häcker, T. & Schallies, M. (2003). Portfolio als Entwicklungs- instrument für selbstgesteuertes Lernen und schulische Lernum- Koch (2005) unterscheidet zwischen Arbeitsportfolios, Vorzeige- oder gebungen. In A. G. W. e. V. (Hrsg.), Nachhaltige Lernmotivation Showportfolios, Entwicklungs- oder Prozessportfolios und Beurtei- und schulische Bildung, Bd. 6: Motivieren und Evaluieren in Bil- dung und Unterricht (S. 53-63). München: Arbeitskreis Gymnasi- lungsportfolios. Der Zweck eines Portfolios bestimmt seinen Aufbau. um Wirtschaft e.V. So beinhaltet z.B. ein Vorzeigeportfolio die besten Arbeiten, während Eisenbart, U., Schelbert, B. & Stokar-Bischofberger, E. (2012). Stärken in einem Prozessportfolio Entwicklung erkennbar werden soll. entdecken – erfassen – entwickeln. Das Talentportfolio in der Schule (2. Aufl.). Bern: Schulverlag plus AG. Aus der Sicht der Begabungsförderung ist das Talentportfolio beson- Hartel, B. (2006). Portfolios als Instrumente der Frühförderung hoch- ders interessant. Es erlaubt Lernenden einen ganzheitlichen Blick auf begabter Kinder. Neugiermappen für hochbegabte Kids im Vor- ihre Stärken, Talente und bevorzugte Unterrichts-, Denk-, Lern- und schulalter. Unveröffentlichte Diplomarbeit. European Council for Ausdrucksstile. Als Mappe, Kiste oder auch digital wird es von den High Abilities: Wien. Schülerinnen/Schülern selbst gestaltet und kann je nach Alter der Ler- Koch, I. (2005). Portfolio-Dokumentation an der Schumpeter-Handels- nenden mehr oder weniger komplex sein. In verschiedenen Kategorien akademie. In J. Aff & A. Hahn (Hrsg.), Entrepreneurship-Erzie- werden Stärken, Interessen, Neigungen und repräsentative Produkte hung und Begabungsförderung an wirtschaftlichen Vollzeitschu- vorgestellt. Ursprünglich als Total Talent Portfolio von Joseph Renzulli len (S. 251-266). Innsbruck: Studien Verlag. entworfen (siehe Elemente des Talent Portfolios von J. Renzulli, S. A50 ), Renzulli J. S., Reis, S. M. & Stedtnitz U. (2001). Das schulische En- wurde das Talentportfolio inzwischen um zahlreiche Ideen erweitert; richment Modell SEM. Begabungsförderung ohne Elitebildung. sehr empfehlenswerte Umsetzungsbeispiele finden sich z.B. bei Eisen Aarau: Sauerländer Verlag. barth et al. (2010). Die Autoren schlagen u.a. Mögliche Inhaltsverzeich- Renzulli J. S., Reis, S. M. & Stedtnitz U. (2001). Begleitband zum schu- nisse für Talentportfolios, S. A51 für verschiedene Altersgruppen vor. lischen Enrichment Modell SEM. Trainingsaktivitäten, Vorlagen, Unterrichtsmaterialien. Aarau: Sauerländer Verlag. Die Suche und Sammlung von Stärken und Belegen für das Talentport- Schmidinger, E. (2007). Das Portfoliokonzept im Unterricht. Eine Ein- folio wird von der Lehrperson unterstützt und gelenkt. Sie stellt regel- führung in den Themenschwerpunkt. Erziehung und Unterricht, mäßig Zeit und Impulse für die Be- und Überarbeitung zur Verfügung, 5-6/2007, 366-371. fordert speziell bei jüngeren Lernenden gezielt Kompetenznachweise ein, leitet die Selbstreflexion an und lebt eine stärkenorientierte Rück- Anhang meldekultur im Unterricht vor. Elemente des Talent Portfolios von J. Renzulli, S. A50 Das Reflektieren über sich selbst und das eigene Lernen ist ein maß- Mögliche Inhaltsverzeichnisse für Talentportfolios, S. A51 geblicher Bestandteil des Talentportfolios. Neben freien Teilen kann Leitfragen zur Reflexion von Lernprodukten, S. A52 es durch Frage- und Beobachtungsbögen oder Checklisten erweitert Durch die Orientierung am Individuum mit seinen Stärken und Ressourcen eignen sich Portfolios hervorragend für die Arbeit mit begabten Lernenden. Da Reflexion integraler Bestandteil jeglicher Portfolioarbeit ist, werden auch Metakompetenzen trainiert. Dies kommt dem Wunsch vieler begabter Schüler*innen nach Abstraktion und Metakognition entgegen. Wege in der Begabungsförderung | 14 |
9 Peer-Teaching Beim Peer-Teaching oder Lernen durch Lehren (LdL) übernehmen Schüler*innen. Wichtig ist, dass am Ende des Peer-Teachings Feed- Schüler*innen im Unterricht die Lehrer*innenrolle. Lernende wer- back gegeben wird. den zu Lehrenden, werden von Empfangenden zu Produzierenden von Wissen. Lehrerinnen und Lehrern ist bewusst, welchen Unterschied –– Peer-Teaching kann auch „im Kleinen“ stattfinden. Man spricht es macht, Wissen nur zu empfangen oder es aktiv für andere produ- dann von reziprokem Lehren, wobei jede*r Lernende einmal die zieren zu müssen. Rolle der Lehrperson übernimmt. Diese handlungsorientierte Unterrichtsmethode ist in jedem Fach und –– Ebenfalls im Bereich des Peer-Teaching anzusiedeln ist „peer bei jeder Altersgruppe (von Kinder- bis die Erwachsenenbildung) ein- correction“, eine Methode, bei der es darum geht, dass setzbar. Vorteile dieser Methode sind: Schüler*innen sich gegenseitig korrigieren und Feedback ge- ben. Ein Beispiel aus dem Englischunterricht zeigt das Arbeits- •• Die Lernenden erwerben Fachwissen und Kompetenzen in den blatt „How to give feedback on texts” (vgl. Förderorientierte Bereichen Präsentation, Moderation und Teamarbeit. Leistungsrückmeldung, S. 30 ). •• Der Sprechanteil auf Seiten der Schüler*innen wird deutlich erhöht. –– Auch das Gestalten von Unterrichtsmaterialien (z.B. Kreuzwort- •• Themen werden aus Lerner*innenperspektive betrachtet. rätsel, Puzzles, Lesematerial, Bildmaterial, kreative Schreibin- •• Die Behandlung des Stoffes erfolgt meist intensiver. puts usw.) kann als Element des Peer-Teachings gesehen wer- •• Die Lehrperson beobachtet und kann Verständnisprobleme den, wo aus Schülerinnen und Schülern „producers of know- leichter identifizieren. ledge“ werden. Die Lehrperson erhält wertvolle Hinweise auf •• Die Hemmschwelle, sich am Unterricht zu beteiligen oder um Interessen und Bedürfnisse der Lernenden. Des Weiteren wirkt Rat zu fragen, ist zwischen Schüler*in und Schüler*in geringer. es motivierend auf die Schüler*innen, wenn andere mit von ih- •• Es herrscht mehr Freude am Unterricht aufgrund der gebotenen nen kreierten Materialien arbeiten. Viele brauchbare Vorschläge Abwechslung. über das Gestalten von Unterrichtsmaterialien für den Englisch- •• Die Lernenden sind motivierter. unterricht diverser Altersgruppen beschreibt Moiseenko (2015), •• Soziales Lernen wird gefördert. online abrufbar unter http://americanenglish.state.gov/files/ ae/resource_files/etf_53_4_pg14-23_508.pdf [20.03.2023] Bei dieser Methode ist erforderlich, dass die/der Lernende den Stoff selbst versteht, diesen so aufbereitet, dass er von der Klasse verstan- Literatur den wird, überlegt, wie der Stoff präsentiert bzw. erarbeitet werden kann (z.B. leitet die/der Lernende die Peers zu Partner- oder Gruppen- Cau, L. (2015). Lernen durch Lehren – ganz konkret. Erprobung eines arbeit an oder präsentiert den Stoff selbst) und evaluiert, ob die Klasse herausfordernden Konzepts im Fremdsprachenunterricht. Päda- den Stoff verstanden hat. gogik, 2/2015, 20-23. Grzega, J. (o.J.). Lernen durch Lehren. Abgerufen von www.lernen- Peer-Teaching kann konsequent über das ganze Schuljahr hinweg durch-lehren.de [20.03.2023]. oder phasenweise angewendet werden. Zu Beginn ist es empfeh- Hattie, J. (2012). Visible Learning for Teachers. Maximizing Impact on lenswert (abhängig von der Altersgruppe), mit einer einfachen Lehr- Learning. New York: Routledge. aufgabe zu beginnen, die den Schülerinnen und Schülern übertragen Hattie, J. (2013). Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider wird, z.B. das Vorlesen eines Diktats. In weiterer Folge können Ler- Hohengehren. nende neue Texte oder ein Grammatikkapitel gemeinsam mit den Kempter, U. (2011). Der Weg des selbstbestimmten Lernens. [Seminar]. Peers erarbeiten. So können die Aufgaben immer komplexer werden Lehrgang Begabungs- und (Hoch-) Begabtenförderung. Block 2. und die Vorbereitung und Leitung von Diskussionen oder die Durch- 30.03.2011, PH Salzburg. führung von thematischen Einheiten umfassen. Beispielsweise er- Martin, J.-P. (2000). Lernen durch Lehren: ein modernes Unterrichts- halten Lernende die Möglichkeit, über ein Thema ihrer Wahl eine konzept. Abgerufen von www.lernen-durch-lehren.de/Mate- Unterrichtsstunde vorzubereiten. Zudem wählen sie den Zugang, rial/Publikationen/aufsatz2000.pdf [20.03.2023]. die Materialien, Übungsblätter, Methoden usw. selbst aus. Dies ist Moiseenko, V. (2015). Encouraging Learners to Create Language-Learn- ideal für begabte Schüler*innen, prinzipiell jedoch geeignet für alle ing Materials. English Teaching Forum. 53 (4), 14-23. Besonders begabte Schüler*innen profitieren von Peer-Teaching, da sie sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzen und eigenver- antwortlich Entscheidungen treffen dürfen (z.B. Thema, Aufbereitung des Stoffes, Materialien, Methoden usw.). „Wenn also Lernende für andere zu Lehrenden werden, so lernen Unterrichtende ebenso viel wie die Unterrichteten. Wenn sie über dieses Unterrichten Kontrolle oder Autonomie haben, sind die Effekte noch höher.“ (Hattie, 2013, S. 222). | 15 | ÖZBF
10 Differenzierte Lernziele und Lernprodukte: Begabungsförderung im Klassenunterricht Begabungsförderung im regulären Klassenunterricht bedeutet, diffe- renziert zu lehren, damit die Schüler*innen individuell lernen können. In meiner Klasse Dabei sollen individuelle Unterschiede hinsichtlich Motivation, Ziel- sind 30 Schüler*innen. setzung, Interessen, Reife, Vorwissen, Begabung, sozialer Kompetenz, Da funktioniert Individuali bevorzugter Lernstrategien usw. berücksichtigt werden. sierung nicht. Gegenfrage: Funktioniert der 7G-Unterricht? Das zentrale Prinzip ist das der optimalen Passung zwischen Lernan- geboten einerseits und Lernvoraussetzungen andererseits, damit so- wohl der Unter- als auch der Überforderung weitgehend vorgebeugt Ich kann nicht 30 wird. Sowohl Unter- als auch Überforderung wirken stressauslösend. verschiedene Unterrichts- Gegenfrage: Dauerhafte Überforderung kann „einen Teufelskreis auslösen, der von vorbereitungen für eine Wie wäre es mit leistungsbeeinträchtigender Furcht vor Misserfolg, Verlust an sozialer Stunde machen. einer Unterrichtsvorbe- Anerkennung, reduzierter Lernaktivität bis hin zu verstärktem Misser- reitung, die darauf angelegt folg“ (Helmke, 2013, S. 34) führt. Unterforderung resultiert auf Dauer ist, dass ein Thema auf unter- in Langeweile, gefolgt von reduzierten eigenen Lernanstrengungen bis schiedliche Weise erarbei- hin zur Einstellung der Lernaktivitäten. tet werden kann? Individualisierende Lernarrangements und Unterrichtsmethoden wir- ken dem 7G-Untericht (Alle gleichaltrigen Schüler*innen haben zum Abb. 1: „Totschlagargumente“ gegen Individualisierung und kritische gleichen Zeitpunkt bei der gleichen Lehrperson im gleichen Raum mit Gegenfragen (Von der Groeben, 2013, S. 10) den gleichen Mitteln das gleiche Ziel gut zu erreichen) entgegen. In- dividualisierung ist EIN Ansatz des Umgangs mit Heterogenität und muss Hand in Hand gehen mit dem Aufbau von Kompetenzen zum ei- •• die Sozialform (z.B. Einzel- oder Teamarbeit, Arbeit im Plenum), genständigen und kooperativen Lernen mit vielfältigen Gelegenheiten •• Hilfsangebote (keine Hilfestellungen, Hilfe von den Mitschü- für lernbezogenes Feedback (Helmke, 2013, S. 36–37). lerinnen und Mitschülern oder Hilfe von der Lehrperson, z.B. mündliche Erläuterungen oder eine Vokabelliste zum besseren Die Differenzierung kann sich auf die Lerninhalte, auf Qualität oder Verständnis eines Textes), Quantität der Lernaufgaben, auf die Unterrichtsmedien oder auf die •• den Grad der Autonomie (z.B. offenes Lernen mit oder ohne Vor- Produkte beziehen: gabe der Arbeitsschritte, mit oder ohne Vorgabe von Lernmate- rialien) und den •• Differenzierung über die Quantität (WIEVIEL?) geschieht für be- •• Anteil an Reflexion des eigenen Lernprozesses (z.B. Erklärung gabte Schüler*innen z.B. durch Reduzierung der Übungsphasen, der eigenen Problemlösungsschritte als Lernziel statt implizi- durch längere Texte mit umfangreicherem Wortschatz, durch tem, spielerischem Lernen). das Setzen umfassenderer Lernziele oder höherer Lernschritte oder durch das Erstellen einer höheren Anzahl an Lernprodukten. •• Differenzierung über die Lerninhalte (WAS?) und Lernmedien Bei der Umsetzung von differenzierenden und individualisierenden (WODURCH?) kann z.B. durch die Wahl von unterschiedlichen Maßnahmen ist zu beachten: Sachtexten, Geschichten, Rätseln, Spielen, Filmen, Vorträgen usw. gelingen. Das übergeordnete Lernziel kann dabei für alle •• Haben die Schüler*innen echte Wahlmöglichkeiten? Schüler*innen gleich sein. (vgl. Mögliche Lernprodukte, S. A53 ) •• Wie können Erkenntnisse aus individuellen Recherchen und Pro- •• Qualitativ (WIE?) lässt sich bezüglich des Schwierigkeitsgrads, jekten in den Klassenverband zurückgetragen werden? der Tiefe der Verarbeitung (vgl. Blooms Lernzieltaxonomie, S. 19 ), •• Erhalten die Schüler*innen immer wieder lernbezogenes Feed- der Aufnahmekanäle (z.B. nur Hören statt Hören und Mitlesen), back? (vgl. Förderorientierte Leistungsrückmeldung, S. 30 ) der Lernwege (d.h. unterschiedliche Möglichkeiten, sich mit •• Erhält die Lehrperson regelmäßig Feedback von den Schülerin- dem Stoff auseinanderzusetzen, z.B. Textproduktion durch Im- nen und Schülern über die Gestaltung der Lernarrangements pulsbilder oder Erstellung einer Mindmap zu einem Thema), der und die Umsetzung der Unterrichtsmethoden? (vgl. Formatives Produktionsbedingungen (z.B. spontan statt mit Vorbereitungs- Assessment, S. 29 ) zeit) oder der Produktanforderungen (z.B. Grad der Korrektheit, •• Spiegelt sich der durch Differenzierung und Individualisierung Perfektion) differenzieren. gewonnene Freiheitsgrad auch in der Leistungsfeststellung wi- der? (vgl. Begabungsfördernde Leistungsbeurteilung, S. 27 ) Es Weitere Differenzierungsmöglichkeiten beziehen sich auf gibt z.B. verschiedene Möglichkeiten, ein Produkt zu präsentie- ren bzw. Forschungsergebnisse darzustellen (Kurzfilm, Hörspiel, •• den Grad des Vorwissens (z.B. statt der Erarbeitung des Wort- Gedicht, Powerpoint, Bericht, Collage usw., vgl. Mögliche Lern- schatzes werden Zusatzinformationen zu einem Text gesammelt), produkte, S. A53 ). Wege in der Begabungsförderung | 16 |
10 Bei all diesen Möglichkeiten geht es auch darum, den Schülerinnen Perspektiven. Pädagogik, 2/13, 34-37. und Schülern Verantwortung für den Lernprozess zu geben und sie in Palmstorfer, B. (2006). Differenzierung KONKRET – Aus der Praxis für die Verantwortung zu nehmen. Schüler*innen sollten immer wieder die Praxis. Ein Handbuch für die Grundschule. Wien: Jugend & dazu ermutigt werden, in freien Arbeitsphasen z.B. durch eigenstän- Volk. dige Zielformulierungen selbstständig nach neuen Herausforderun- Salner-Gridling, I. (2009). Querfeldein: individuell lernen – differenziert gen zu suchen. lehren. Wien: ÖZEPS. Schenz, C. & Weigand, G. (2007). Individualität und Heterogenität. Die Kernbegriffe eines differenzierenden Unterrichts. news&science. Literatur Begabtenförderung und Begabungsforschung. 17/2007, 4-7. BIFIE (Hrsg.). (2011). Kompetenzorientierter Unterricht in Theorie und Von der Groeben, A. (2013). Mit den Augen der Lernenden sehen. In- Praxis. Graz: Leykam. dividualisierung als didaktische Herausforderung. Pädagogik, Brunner, E., Gyseler, D. & Lienhard, P. (2005). Hochbegabung – (k)ein 2/13, 6-10. Problem: Handbuch zur interdisziplinären Begabungs- und Begab- tenförderung. Zürich: Klett. Haß, F. (2013). Aus der Not eine Tugend Machen – zum Umgang mit He- Anhang terogenität im Englischunterricht. Abgerufen von www.ange- Mögliche Lernprodukte, S. A53 wandte-didaktik.de/index.php/aufsaetze.html [20.10.2015]. Beurteilungsraster für Lernprodukte – Beispiel für lebende Fremd- Helmke, A. (2013). Individualisierung: Hintergrund, Missverständnisse, sprachen, S. A54 10.1 Zwei-Phasen-Unterricht Ein erster Schritt zu selbstorganisiertem Lernen kann ein Zwei-Pha- benstellungen. Die zweite Gruppe diskutiert und analysiert nun mit sen-Unterricht sein. Der Zwei-Phasen-Unterricht bietet Schülerinnen der Lehrperson die selbstständig erarbeiteten Inhalte. und Schülern zwei Varianten der Lernstofferfassung zur Wahl, ent- weder ein selbstständiges Erarbeiten oder einen lehrerzentrierten Nach diesen zwei Phasen treffen sich alle im Plenum, um sich auszu- Vortrag. tauschen oder das weitere Vorgehen zu planen. Zuerst werden die Lernziele für die jeweilige Einheit festgelegt. Da- Schüler*innen entwickeln schnell ein Gefühl dafür, ob sie generell lie- nach teilen sich die Lernenden eigenständig in zwei Gruppen auf. Eine ber die freie Arbeit oder die lehrerzentrierte Weise bevorzugen oder ob Gruppe folgt einem Input von der Lehrperson, während die zweite sie das je nach Thema oder Tagesverfassung unterschiedlich handha- Gruppe das Thema selbstständig erarbeitet. Nach dieser Phase wech- ben. Die Reflexion der eigenen Arbeitsmodalitäten und auch Präferen- selt die Lehrperson die Gruppe. Die Gruppe, die dem Vortrag gefolgt zen derselben bedeutet neben dem fachlich-inhaltlichen Lernzuwachs ist, vertieft das Gehörte durch Übungen und weiterführende Aufga- ein wichtiges metakognitives Training. Der Zwei-Phasen-Unterricht ist ein schnell im Unterricht realisierbarer Ansatz und kann auch kurzfristig geplant werden. Er kommt begab- ten Lernenden insofern zugute, als er Möglichkeiten zur eigenständigen Aneignung bzw. Vertiefung eines Themas bietet. | 17 | ÖZBF
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