WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT - Ärztekammer Westfalen ...
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WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT Mitteilungsblatt der Ärztekammer Westfalen-Lippe Ausgabe 04.22 Gutachterkommission Elektronischer Hilfe für Menschen für Arzthaftpflichtfragen Heilberufsausweis in der Ukraine 2021 wurden 1091 Anträge Die Hälfte der Ärzteschaft Ärztinnen und Ärzte engagiert auf Begutachtung gestellt ist noch ohne Schlüssel in vielfältigen Initiativen
2 Inhalt Inhalt Themen dieser Ausgabe TITELTHEMA 8 1091 Anträge auf Begutachtung in Arzthaftungs- streitigkeiten Verfahrensdauer bei der Gutachterkommission für Arzthaft- pflichtfragen deutlich reduziert KAMMER AKTIV 13 Warnung vor bösem Pandemie-Erwachen im Sommer Corona-Update von Ärztekammer Westfalen-Lippe und Universitätsklinikum Münster 14 eHBA: Die Hälfte der Ärzteschaft ist noch ohne Schlüssel Warum die Ausstattung mit elektronischen Heilberufsauswei- sen immer wichtiger wird 18 Ärztliche Weiterbildung in der Pandemie — ein Erfahrungsbericht Serie Junge Ärzte VARIA 20 Hilfstransporte für die Ukraine rasch auf den Weg gebracht Ärztinnen und Ärzte engagieren sich in zahlreichen Initiativen 23 Ärztinnen und Ärzte leiden unter der Pandemie Kompetenznetz Vorhofflimmern untersuchte Einfluss einer ein- zigartigen Belastungssituation 24 „Lieber ein freies Bett zu viel als eines zu wenig“ Parteien zur Zukunft der Krankenhäuser in NRW 26 Viele Medaillen, wenig Infekte Dr. Martin Nieswand erlebte die Olympischen Winterspiele in Peking als Arzt des deutschen Bob-Teams INFO Borkum 2022 4 Info aktuell 28 Persönliches 31 Ankündigungen der Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und der KVWL 76. Fort- und 65 Bekanntmachungen der ÄKWL Weiterbildungswoche s. S. 54 28 Impressum 04|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Editorial 3 Ukraine-Krieg: Wenn Arzt sein lebensgefährlich wird Dr. Hans-Albert Gehle Präsident der Ärztekammer Hilfsbereitschaft setzt Zeichen der Mitmenschlichkeit Westfalen-Lippe Das Bild der Schwangeren, die eilig aus den Trümmern einer Geflüchtete sind nach Deutschland gekommen, in den ersten Entbindungsklinik in Mariupol getragen wurde, ging um die Kriegswochen vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen. Sie Welt. Es steht für das unermessliche Leid in einem Krieg, der alle vertrauen darauf, in Deutschland nicht nur Schutz, sondern, die Menschen in der Ukraine mit wachsender Härte trifft — ein wenn benötigt, auch medizinische Hilfe zu finden — nach zwei Krieg, in dem Angriffe auf Mütter und Neugeborene nur ein Teil Jahren Pandemie sehen sich Ärztinnen, Ärzte, Pflegefachkräfte der Strategie sind, die die Infrastruktur der Ukraine zerstören und MFA nun zusätzlich mit ganz neuen Herausforderungen und und den Widerstandswillen ihrer Bevölkerung brechen soll. Laut Traumata konfrontiert. Weltgesundheitsorganisation zählten die Angriffe auf Kliniken und andere medizinische Einrichtungen bereits im März nach Leider kündigt sich auch hier wieder ein Durcheinander an, wie Dutzenden — der Schutz von Krankenhäusern, ein elementarer es in Pandemie-Zeiten schon fast zur Gewohnheit geworden ist: Grundsatz humanitären Handelns, gilt den Aggressoren nichts. Wie soll die medizinische Versorgung der Geflüchteten organi- siert werden? Von der Gesundheitskarte bis zur kommunalen Zu- Ärztinnen und Ärzte können unter solchen Bedingungen eigent- ständigkeit sind viele Vorschläge in der Diskussion: Die Politik ist lich nicht arbeiten. Und doch tun sie es: Die ukrainischen Kolle- einmal mehr aufgerufen, rasch einen Modus zu finden, der nicht ginnen und Kollegen, die auch unter russischem Beschuss und nur für Patientinnen und Patienten gangbar ist, sondern auch für Bomben an der Seite ihrer Patientinnen und Patienten ausharren, diejenigen, die deren Versorgung leisten. verdienen allen Respekt und Hochachtung. Einmal mehr zeigt sich, dass „Ärztin sein“ weitaus mehr ist als nur die Umsetzung „Menschen helfen“, das ist die Motivation, die Ärztinnen von medizinischem Fachwissen, dass „Arzt sein“ lebensgefährlich und Ärzte in ihren Beruf gebracht hat. Viele Ärztinnen und werden kann, meint man es ernst mit dem Hippokratischen Eid. Ärzte sehen ihren Beruf auch als humanitäre Hilfe lassen es in Respekt gebührt jedoch auch denjenigen russischen Ärztinnen diesen Wochen nicht bei der Medizin bewenden. Sie haben sich und Ärzten, die offen gegen Putins Krieg eintreten. Solche Zivil- vom ersten Kriegstag an ohne Zögern für die Menschen in der courage kann im Russland des Jahres 2022 weitaus mehr als ein Ukraine engagiert, haben Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen Berufsverbot nach sich ziehen. Aber auch russische Mütter leiden in der Ukraine aufgenommen, Hilfstransporte organisiert und und trauern um ihre im Krieg zu Tode gekommenen Söhne. sich hier in Westfalen-Lippe um Geflüchtete gekümmert. Ihnen gebührt Anerkennung und Dank für diesen Einsatz, der zumeist Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind schon mit den ehrenamtlich neben der ärztlichen Arbeit geleistet wird und ein ersten Fernsehbildern auch im deutschen Gesundheitswesen Zeichen der Mitmenschlichkeit gegen die menschenverachtende angekommen. Die Teams in den Kliniken und Praxen in Westfa- Brutalität setzt. len-Lippe leben und profitieren seit vielen Jahren vom Mitein- ander von Frauen und Männern unterschiedlichster Herkunft. Solche Zeichen werden noch lange nötig sein, denn noch ist Wo sonst Menschen mit ukrainischen und russischen Wurzeln nicht zu erkennen, welche Perspektive die Menschen in der Uk- ganz selbstverständlich gemeinsam arbeiten, hat sich jedoch in raine haben. Absehbar ist hingegen: Viele von denen, die es auf den letzten Wochen nicht selten Unsicherheit breit gemacht. Sie der Flucht hierher geschafft haben, werden bleiben. Unter denen, zu überwinden, Sprachlosigkeit und Misstrauen keinen Raum die sich für eine Zukunft hier entscheiden, werden auch Ärztin- zu geben, ist indes nur eine von vielen Aufgaben, vor denen nen und Ärzte sein — die Kolleginnen und Kollegen verdienen Kliniken und Praxen in nächster Zeit stehen: Hunderttausende Respekt, Hilfsbereitschaft und unsere ausgestreckte Hand. WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
4 Info aktuell ONLINE-BEFRAGUNG Digitalisierung BZgA-Merkblatt als Chance Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat mit Unterstützung Klinische Studien tragen dazu bei, neue des Deutschen Pflegerates ein neues Medikamente und Therapien auf den Markt Merkblatt mit Informationen zur Corona- zu bringen. Oft ist der Prozess von einer Schutzimpfung speziell für Beschäftigte in Studienidee bis zur aktiven Studiendurch- Pflege- und Gesundheitsberufen erstellt. führung sehr zeit- und ressourcenintensiv. Auch im Hinblick auf die einrichtungs- Im Rahmen ihrer Masterthesis möchte Re- bezogene Impfpflicht für Beschäftigte ©Andres Rodriguez, vege — fotolia.com; Espendiller + Gnegel bekka Keller den Erfolg von Digitalisierungs- in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder maßnahmen in Verbindung mit klinischen bei ambulanten Pflegediensten ist das Studien einschätzen, die diese Prozesse be- Merkblatt eine Hilfestellung, um wich- 1 schleunigen könnten. Basis der Idee ist eine tige Fragen zur Corona-Schutzimpfung O 900 DIN IS M digitale Plattform, die eine Kombination leicht verständlich zu beantworten. Es KPQ tren aus Marktplatz und Social Media Plattform beinhaltet u. a. Informationen zu Auf- talzen Perina darstellt. Patientinnen und Patienten hätten frischimpfungen und gibt in einer Grafik hier die Möglichkeit, sich über Krankheits- einen Überblick über empfohlene Impf- bilder, Therapiemöglichkeiten oder klinische abstände für verschiedene Impfstoffe. In Die Zertifizierungsstelle der Ärztekammer Westfalen-Lippe Studien auszutauschen — für Ärztinnen und Kürze wird es auch in Eng- für das Gesundheitswesen Ärzte würde u. a. das Finden von klinischen lisch, Französisch, Türkisch, Tel. 0251 929-2601| info@aekzert.de Studien vereinfacht. Keller lädt zur Teilnah- Russisch und Arabisch zur me an der Befragung unter www.survey. Verfügung stehen. alcedis.de/index.php/279135?lang=de ein. Teilzeitbeschäftigung in Kinder- und Jugendmedizin NRW-Krankenhäusern ist beliebt Ende 2020 waren in den 337 nordrhein- westfälischen Krankenhäusern 45 712 sonal waren 16,1 Prozent der Ärzte und 39,0 Prozent der Ärztinnen in Teilzeit tätig; 2010 hauptamtliche Ärztinnen und Ärzte sowie waren noch 6,9 Prozent der Ärzte und 30,7 Zum Stichtag 31.12.2021 verfügten ins- 238 915 Personen als nichtärztliches Per- Prozent der Ärztinnen teilzeitbeschäftigt. gesamt 1962 Ärztinnen und Ärzte im Be- sonal tätig. Wie Information und Technik Wie das Statistische Landesamt weiter mit- reich der Ärztekammer Westfalen-Lippe Nordrhein-Westfalen als Statistisches Lan- teilt, war mit 113 326 Personen knapp die über die Gebietsbezeichnung Kinder- und desamt mitteilt, war knapp die Hälfte (48,5 Hälfte des nichtärztlichen Personals im Jugendmedizin. Das waren 32 mehr als Prozent) des nichtärztlichen Personals 2020 Pflegedienst tätig. Ein Fünftel des nicht- noch ein Jahr zuvor. 863 Ärztinnen und teilzeitbeschäftigt; 2010 hatte dieser An- ärztlichen Personals arbeitete im medizi- 580 Ärzte waren berufstätig, 684 von teil noch bei 45,1 Prozent gelegen. Bei den nisch-technischen Dienst und 13,3 Prozent ihnen ambulant und 631 stationär. Dem hauptamtlichen Ärztinnen und Ärzte stieg waren im Funktionsdienst beschäftigt. Das standen insgesamt 519 Pädiaterinnen der Anteil der Teilzeitbeschäftigten von 17,2 nichtärztliche Personal war im Durchschnitt und Pädiater ohne ärztliche Tätigkeit Prozent im Jahr 2010 auf gut ein Viertel 43,0 Jahre alt. Das durchschnittliche Alter gegenüber. (26,5 Prozent) im Jahr 2020 an. der hauptamtlichen Ärztinnen und Ärzte lag bei 41,6 Jahren. Im Jahr 2020 waren 34,8 Mit insgesamt 57 Facharztanerkennun- 2020 war der Anteil der Teilzeitbeschäftig- Prozent und damit gut ein Drittel mehr Per- gen zählte die Kinder- und Jugendme- ten bei den Frauen mehr als doppelt so hoch sonen im ärztlichen Dienst der NRW-Kran- dizin im vergangenen Jahr zu den zehn wie bei den Männern, der Anteil teilzeitbe- kenhäuser tätig als zehn Jahre zuvor. Facharztanerkennungen, die von der Ärz- schäftigter Männer stieg gegenüber 2010 tekammer Westfalen-Lippe im Jahr 2021 stärker an als bei den Frauen. Beim nicht- Der Frauenanteil beim ärztlichen Personal am häufigsten erteilt wurden. 2020 leg- ärztlichen Personal waren 55,1 Prozent der fiel 2020 mit 45,2 Prozent höher aus als im ten 60 Ärztinnen und Ärzte ihre Prüfung Frauen und 23,7 Prozent der Männer teil- Jahr 2010 (43,4 Prozent). Die Zahl der Ärz- zum Abschluss der kinder- und jugend- zeitbeschäftigt; zehn Jahre zuvor waren es tinnen stieg im selben Zeitraum mit + 40,5 ärztlichen Weiterbildung ab. 52,8 Prozent der Frauen und 16,6 Prozent Prozent stärker an als die der Ärzte (+ 30,3 der Männer gewesen. Beim ärztlichen Per- Prozent). 04|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Info aktuell 5 15. WESTFÄLISCHER ÄRZTETAG Gendermedizin: Wege zu einer geschlechtsspezifischen Gesundheitsversorgung Gendermedizin? Da denken viele immer den Stellenwert, der ihr zukommt. Der 15. noch an „Frauengesundheit“. Doch der Westfälischer Ärztetag will dies ändern Begriff meint mehr. Eine geschlechter- und mit konkreten Beispielen aus unter- sensible Medizin dient der Gesundheit schiedlichen Blickwinkeln dafür werben, von Frauen und Männern. Sie ist zudem wie Patientenversorgung von geschlech- auch der Einstieg in eine individualisierte tersensibler Medizin profitieren kann. Zu- Medizin. dem geht er der Frage nach, wie Gender- medizin als selbstverständliches Element Doch Gendermedizin hat in der Versor- ärztlichen Handelns in den Versorgungs- gungswirklichkeit bei weitem noch nicht alltag kommen kann. 15. Westfälischer Ärztetag Save the date Freitag, 26. August 2022 15.00 bis 19.00 Uhr im Ärztehaus Münster Informationen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht Seit dem 16. März gilt in medizinischen Pflegeheime sowie Arztpraxen und Praxen und pflegerischen Einrichtungen eine ein- sonstiger Heilberufe. Auf ihrer Internetsei- richtungsbezogene Impfpflicht. Ihr unter- te hält die Ärztekammer Westfalen-Lippe liegen alle Personen, die in einer der in gebündelte Informationen und weiterfüh- § 20a des Infektionsschutzgesetzes ge- rende Links zu diesem Thema bereit. nannten Einrichtungen tätig sind — un- geachtet der Art ihrer Tätigkeit oder ihres Alle Informationen zur einrichtungsbezo- Beschäftigungsverhältnisses. Zu den ge- genen Impfpflicht sind abrufbar unter: nannten Einrichtungen gehören unter an- www.aekwl.de/aerztekammer/aktuelles/ derem Krankenhäuser und Tageskliniken, einrichtungsbezogene-impfpflicht/ Die Praxis im Griff – ohne oops Die Praxistür öffnen und keine Gedanken an die Praxissoftware verschwenden – weil sie modern ist, komfortabel ist und einfach läuft. So beginnt der Tag ganz sicher ohne oops ...! ICH HAB’ ALLES IM GRIFF! © milkovasa | Adobe Stock Weil wir wollen, dass die Handgriffe mit der Praxissoftware sitzen, stellen wir Ihnen medatixx vor. Und das gleich mit einem Angebotspaket. Neben den Grundfunktionen erhalten Sie drei OOPS GRIFF KAPUTT?! Zugriffslizenzen statt einer, die GDT-Schnittstelle und den Terminplaner für 99,90 €* statt 139,90 €. Sparen Sie so zwei Jahre lang jeden Monat 40,00 €. Details finden Sie unter im-griff.medatixx.de * mtl./zzgl. MwSt. Mindestvertragslaufzeit 12 Monate. Bedingungen siehe: im-griff.medatixx.de WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
6 Info aktuell Modern und aufgeräumt: neue Optik für eÄKWL Nach technischer und optischer Aktualisie- anlagung zum Ärztekammerbeitrag selbst rung präsentiert sich das Mitgliederportal vorzunehmen. Dabei erfahren sie ab sofort der Ärztekammer Westfalen-Lippe jetzt in einem kompakter gestalteten Bereich, moderner und aufgeräumter: Im März er- welche Nachrichten für sie im Portal ein- hielt „eÄKWL“ nicht nur eine in Teilen neue gegangen sind und was gegebenenfalls in Optik, sondern auch eine angepasste Me- der Folge zu tun ist. Die Gestaltung der nüstruktur, damit Kammerangehörige ohne Übersichtsseiten lehnt sich an das Erschei- Verzögerung ans Ziel gelangen. nungsbild der Ärztekammer-Homepage an. Auch im Mitgliederportal strahlen wichti- Rund 38 500 Ärztinnen und Ärzte nutzen ge Bedienelemente „ärztekammer-grün“, das Ärztekammer-Portal mittlerweile, um Bildelemente mit aussagekräftigen Schlag- beispielsweise Registerdaten auf dem worten erleichtern die Navigation durch neuesten Stand zu halten oder ihre Ver- das Service-Angebot der Kammer. ARZNEIMITTELRISIKEN Rote Hand aktuell Sprechstunde Mit „Rote-Hand-Briefen“ informieren Die Demenzbeauftragte der Ärztekam- jeweils mittwochs von 12.00 bis 13.00 pharmazeutische Unternehmen über mer Westfalen-Lippe, Stefanie Oberfeld, Uhr unter Tel. 0251 5202-27610 als An- neu erkannte, bedeutende Arzneimittel- steht Ärztinnen und Ärzten im Rahmen sprechpartnerin zum Thema Demenz zur risiken und Maßnahmen zu ihrer Minde- einer wöchentlichen Telefonsprechstunde Verfügung. rung. Einen Überblick über aktuelle Ro- te-Hand-Briefe bietet die Homepage der Arzneimittelkommission der Deutschen ZERTIFIZIERUNG Ärzteschaft. Unter http://www.akdae.de/ Arzneimittelsicherheit/RHB/index.html Z E R T I F I Z I E RU NG S S T E L L E sind aktuell neu eingestellt: DER ÄRZTEKAMMER WESTFALEN-LIPPE • Zertifizierung nach DIN EN ISO DIN EN ISO 9001 9001 im Gesundheitswesen • Rote-Hand-Brief zu In- fliximab (Remicade®, Fli- • Zertifizierung nach dem KPQM- Im Monat Februar haben folgende Klini- xabi®, Inflectra™, Remsima® System der KVWL ken/Praxen ein erfolgreiches Audit ab- und Zessly®): Anwendung von solviert: Lebendimpfstoffen bei Säuglin- • Zertifizierung von Perinatalzentren gen, die in utero oder über das Stillen Level I und II nach G-BA-Richtlinie Rezertifizierungsaudit exponiert waren Perinatalzentren: • Zertifizierung der NRW- • Rote-Hand-Brief zu Xagrid® (Anagre- Brustzentren lidhydrochlorid): Thromboserisiko ein- Perinatalzentrum Datteln 02.02.2022 schließlich Hirninfarkt nach abruptem - St. Vincenz-Krankenhaus und Vestische • Zertifizierung von Kooperations Absetzen der Behandlung Kinder- und Jugendklinik praxen der NRW-Brustzentren • Rote-Hand-Brief zu Mavenclad® (Cla- dribin-Tabletten): Risiko von schwer- Informationen zu den Zertifizierungsverfahren gibt die Zertifizierungsstelle wiegenden Leberschäden und neue der Ärztekammer Westfalen-Lippe: Empfehlungen zur Überwachung der i Leberfunktion Dr. Andrea Gilles, Tel. 0251 929-2982 Dr. Hans-Joachim Bücker-Nott, Tel. 0251 929-2980 Brustzentren: Jutta Beckemeyer, Tel. 0251 929-2981 Perinatalzentren: Uta Wanner, Tel. 0251 929-2983 DIN 9001/KPQM: Wiebke Wagener, Tel. 0251 929-2981 04|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Info aktuell 7 VERSORGUNG, LEHRE, WEITERBILDUNG, FORSCHUNG 7. Tag der Allgemeinmedizin in Bochum Samstag, 30. April 2022, ab 9.00 — 16.00 Uhr Ruhr-Universität Bochum, Gebäude MA 0 Universitätsstr. 150, 44801 Bochum Die Abteilung für Allgemeinmedi- Programm Der Fokus am Nachmittag wird sich zin der Ruhr-Universität Bochum eher auf Aspekte der Aus- und Wei- veranstaltet zum zweiten Mal ge- Das Angebot an interaktiven terbildung allgemeinmedizinischen meinsam mit den Lehrstühlen für Workshops und Seminaren er- Nachwuchses richten. Auch hier Allgemeinmedizin der Universität streckt sich vormittags auf ein werden u. a. gezielt Medizinische Witten/Herdecke ihren 7. „Tag breit gefächertes Spektrum an Fachangestellte angesprochen, die der Allgemeinmedizin“. Das Fort- Themen, die unterschiedlichste in den hausärztlichen Lehrpraxen bildungsformat „von Hausärzten Aspekte hausärztlicher Tätigkeit einen wertvollen Beitrag zur stu- für Hausärzte“ richtet sich an die aufgreifen. Adressiert werden dentischen Ausbildung leisten. Teams hausärztlicher Praxen im hier für ärztliche Teilnehmerin- Zudem möchte die Abteilung die Einzugsgebiet der beiden Hoch- nen und Teilnehmer u. a. häufige Chance nicht versäumen, inter- schulen und Ärztinnen und Ärzte Beratungsanlässe in der haus- essierte Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung im Kompetenz- ärztlichen Praxis sowie Aspekte als neue Lehrärztinnen und -ärzte zentrum Allgemeinmedizin West- der Digitalisierung in der Medi- zu gewinnen. Es wird ausreichend falen-Lippe. zin. Für Medizinische Fachan- Gelegenheit geben, sich zu den gestellte werden aktuelle Ent- Themen „Lehrpraxis“ und „haus- Gepant ist die Veranstaltung in wicklungen zur Bedeutung der ärztliche Forschungspraxis NRW“ Präsenz (2G+) mit Möglichkeiten Telematik-Infrastruktur für die zu informieren. i zum Kennenlernen und direktem Praxis aufgezeigt und ein pra- Austausch. xisorientierter Workshop zum Nähere Informationen und Diabetischen Fußsyndrom an- Anmeldung unter geboten. www.amrub.de 10 Jahre CIRS-NRW-Gipfel 2. November 2022 ab 13 Uhr Ärztekammer Westfalen-Lippe | Gartenstraße 210-214 | Münster Patientensicherheit wird im Team entschieden. www.cirs-nrw.de www.cirs-nrw.de WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
8 Persönliches 1091 Anträge auf Begutachtung in Arzthaftungsstreitigkeiten 04|22 WESTFÄLISCHES Bild: ©gunnar3000 — stock.adobe.com ÄRZTEBLATT
Info aktuell 9 Verfahrensdauer bei der Gutachterkommission für Arzthaftpflichtfragen deutlich reduziert Kommt es zu Komplikationen oder unerwünschten Ereignissen in Zusammenhang mit einer ärzt- lichen Behandlung, ist dies in der Regel sehr belastend für Patienten und Patientinnen sowie Angehörige, vor allem, wenn erhebliche gesundheitliche Einschränkungen entstanden und medizi- nische Sachverhalte und Behandlungen komplex und für die Betroffenen schwer nachzuvollziehen sind. Wird im Anschluss der Verdacht eines Behandlungsfehlers geäußert, stellt dies nochmals eine besondere Belastung für die betroffenen Patientinnen und Patienten, für ihre Angehörigen und für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte dar. von Dr. Christiane Weining, Ärztliche Leiterin Mit ihrer Arbeit erzielen die Gutachterkommis- der Gutachterkommission für Arzthaftpflichtfragen sionen und Schlichtungsstellen der (Landes-) der Ärztekammer Westfalen-Lippe Ärztekammern eine sehr hohe Prozessvermei- M it dem Ziel, Transparenz in das Geschehe- ne und ein weniger belastendes Alterna- tivverfahren zu Strafanzeigen und Schadens- dungsquote von mehr als 85 Prozent. Nur in weniger als 15 Prozent der abgeschlossenen Verfahren schließt sich noch ein Gerichts- ersatzklagen für alle Beteiligten zu schaffen, verfahren an (Der Krankenhaus-JUSTITIAR wurde von der Ärzteschaft in Deutschland 2/2017, S. 37—40). schon in den Sechzigerjahren der Anstoß zur Einrichtung von Gutachterkommissionen und Anträge Schlichtungsstellen gegeben. Damit sollte zu- gleich Bereitschaft signalisiert werden, began- Im Jahr 2021 sind 1091 Anträge auf Begut- gene Fehler einzugestehen und alles zu tun, achtung einer Arzthaftungsstreitigkeit bei der um für beide Seiten einen gerechten Interes- Gutachterkommission für Arzthaftungsfragen sensausgleich zu finden. Mit der Einrichtung eingegangen. Meist handelte es sich dabei um der ersten Stellen Mitte der Siebzigerjahre Ereignisse, die sich bereits in den Vorjahren bekamen damit Patientinnen und Patienten und nicht im Erfassungsjahr 2021 ereignet ha- zum ersten Mal die Möglichkeit der Einsicht ben. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2021 in ihre Patientenakte, die Möglichkeit auf ein 181 Anträge weniger verzeichnet. kostenloses Verfahren und die Aussicht auf ein kostenfreies Gutachten. Mittlerweile sind die Die Zurückhaltung auf Seiten der Antragstel- von den Ärztekammern freiwillig gegründeten lerinnen und Antragsteller stellt sich nicht nur Gutachterkommissionen und Schlichtungs- bei der Gutachterkommission in Westfalen- stellen fest in den Heilberufe-Kammergesetzen Lippe, sondern auch bundesweit dar. Bei der der Länder als Selbstverwaltungsaufgabe ver- jährlich stattfindenden Sitzung der „Ständigen ankert und erledigen bundesweit etwa 10 000 Konferenz Gutachterkommissionen/Schlich- Verfahren pro Jahr. tungsstellen“ der Bundesärztekammer wurden diese Auswirkungen am ehesten der Corona- Mit Blick auf die Beilegung der Auseinander- Pandemie zugeschrieben. Einfluss scheint das setzungen zwischen den Patientinnen bzw. Absinken der Anzahl an elektiven Eingriffen Patienten und ihren behandelnden Ärztinnen in den operativen Fächern zu haben. Ob im und Ärzten hat die Ärzteschaft in Westfalen- Nachhinein mit einer steigenden Nachfrage Lippe bereits im Jahr 1977 eine Gutachter- von Begutachtungen und Bewertungen ärzt- kommission für Arzthaftpflichtfragen etabliert licher Corona-Behandlungen zu rechnen sein und bietet seither den Beteiligten im Streitfall wird, bleibt abzuwarten. die Möglichkeit, Behandlungsfehlervorwürfe außergerichtlich zu klären. Das Ziel der Kom- Abgeschlossene Verfahren mission ist es, eine zeitnahe, neutrale und unabhängige Begutachtung von ärztlichen Jeder bei der Gutachterkommission eingegan- Behandlungen durchzuführen und eine (ju- gene Antrag wird in einem standardisierten ristische) Bewertung der Haftungsfrage dem schriftlichen Verfahren bearbeitet. Grundlage Grunde nach abzugeben. der Prüfung ist die Behandlungsdokumenta- WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
10 Titelthema tion. Patientinnen und Patienten haben auch die Möglichkeit, sich im Verfahren anwalt- lich vertreten zu lassen. Im Jahr 2021 taten dies 434 (40 Prozent) der Antragsstellerin- nen und Antragsteller. Verfahren ohne Bewertung der Haftungsfrage Von den erledigten 1245 Verfahren im Jahr 2021 wurden 445 ohne eine Bewertung der Haftungsfrage abgeschlossen. In diesen Fällen waren die Verfahrensvoraussetzun- gen nicht erfüllt, der Antrag wurde von Antragstellerseite zurückgenommen oder die Angelegenheit konnte aus rechtlichen Gründen im Gutachterverfahren nicht ge- prüft werden. Voraussetzung für die Durch- führung eines Verfahrens ist eine ärztliche Behandlung in Westfalen-Lippe, die nicht länger als zehn Jahre zurückliegt und bei ler ihren Antrag zurückgenommen oder das die Gutachterkommission in 214 Fällen die der ein Gesundheitsschaden eingetreten ist. Verfahren nicht weitergeführt. Fehlervermutung eines Antragstellers und Es darf kein Ermittlungsverfahren und kein stellte einen Behandlungsfehler oder einen zivil- oder strafrechtliches Gerichtsverfah- Verfahren mit Bewertung Aufklärungsmangel fest. In 166 Fällen hat ren laufen, der Rechtsstreit darf nicht bereits der Haftungsfrage dieser Sorgfaltsmangel zu einem Gesund- rechtskräftig entschieden oder durch einen heitsschaden des Patienten oder der Patien- Vergleich erledigt worden sein. Zudem ist die Im Jahr 2021 wurden 911 Gutachten ein- tin geführt. In 48 Fällen konnte nicht mit Teilnahme an dem Verfahren der Gutach- geholt und 800 Verfahren mit einer Be- der erforderlichen Gewissheit festgestellt terkommission freiwillig. Widerspricht eine wertung der Haftungsfrage durch die Gut- werden, dass ein vorgetragener Gesund- Ärztin bzw. Arzt und/oder die Haftpflicht- achterkommission abgeschlossen. Wichtig heitsschaden ursächlich auf einem Behand- versicherung dem Verfahren oder nimmt die für die Einordnung der Zahlen ist, dass die lungsfehler beruht. In 586 Verfahren wurde Antragstellerin bzw. der Antragsteller den 2021 abgeschlossenen Verfahren Behand- ein Behandlungsfehler nicht bestätigt. Antrag zurück, wird das Verfahren ebenfalls lungsfehlervorwürfe aus den letzten Jahren ohne Bewertung der Haftungsfrage ab- beinhalten und im Regelfall nicht die Vor- Standen in den vorherigen Jahren unfallchi- geschlossen. Im Jahr 2021 haben 238 An- würfe aus dem Jahr 2021. Bei den im Jahr rurgische und orthopädische Fälle an erster tragsgegner dem Verfahren widersprochen 2021 mit einer Bewertung der Haftungsfra- Stelle der Behandlungsfehlervorwürfe, stell- und 84 Antragstellerinnen und Antragstel- ge abgeschlossenen Verfahren bestätigte ten 2021 internistische Behandlungen die ÄRZTLICHE SACHVERSTÄNDIGE UND MITGLIEDER DER GUTACHTERKOMMISSION Vier-Augen-Prinzip achterkommission in ihrer Funktion für medizinische Fragen rund um die Ver- bei der Begutachtung fahren zur Verfügung. Hat das Ärztliche Mitglied seine Stellungnahme abgege- Den über 700 bei der Gutachterkom- Um ein Vier-Augen-Prinzip zu gewähr- ben, wird abschließend der Haftungsan- mission in Westfalen-Lippe gelisteten leisten, wird jeder Fall von einer weite- spruch durch ein hauptamtlich tätiges ärztlichen Sachverständigen kommt ren fachgleichen und erfahrenen Fach- Juristisches Mitglied der Gutachterkom- eine zentrale Rolle zu. Für die medizi- ärztin bzw. einem weiteren fachgleichen mission bewertet. Der Rechtsweg steht nische Prüfung der Behandlungsfälle in und erfahrenen Facharzt, dem Ärztlichen den Beteiligten weiter offen, sollte nach den Verfahren wird stets eine fachgleich Mitglied, beurteilt. Die Gutachterkom- Abschluss des Verfahrens keine Einigung tätige Gutachterin bzw. ein fachgleich mission verfügt aktuell über 84 ehren- zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin tätiger Gutachter mit langjähriger Be- amtlich tätige Ärztliche Mitglieder, die bzw. Patient erreicht werden. Die Verjäh- rufserfahrung hinzugezogen. Voraus- vom Vorstand der Ärztekammer Westfa- rung etwaiger Schadensersatzansprüche setzung ist die praktische Tätigkeit in len-Lippe für jeweils fünf Jahre berufen wird durch das Verfahren bei der Gut- dem jeweiligen Fachgebiet oder der erst wurden. Neben der zweiten fachlichen achterkommission gehemmt. kurzzeitige Eintritt in den Ruhestand. Beurteilung der Fälle stehen sie der Gut- 04|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Titelthema 11 meisten mit einem Bescheid entschiedenen Verfahren dar, gefolgt von unfallchirurgi- schen, orthopädischen und viszeralchirur- gischen Fällen. Dieser Umstand scheint am ehesten den gesunkenen Zahlen elektiver Eingriffe seit Beginn der Coronazeit ge- schuldet zu sein. Bestätigte Behandlungsfehler im Kranken- haus wiederum fanden sich am häufigsten im Gebiet Unfallchirurgie, gefolgt von der Inneren Medizin, Orthopädie und Viszeral- chirurgie. Anders im ambulanten Bereich: Hier wurden im Bereich der diagnostischen Radiologie die meisten und gleich viele Be- handlungsfehler in den Gebieten Unfallchi- rurgie und Orthopädie festgestellt. Gesundheitsschäden durch Behandlungsfehler Grundsätzlich muss im Arzthaftungsrecht die Patientenseite beweisen, dass ein Be- sogenannten „groben Behandlungsfehlers“ STICHWORT handlungsfehler vorliegt und dass dieser der Fall (s. Kasten auf der folgenden Sei- zu gesundheitlichen Schädigungen geführt te). Dann muss wiederum der Arzt oder die Für den Nachweis eines ursächlichen Zusam- hat. Dass eine Gesundheitsbeeinträchtigung Ärztin beweisen, dass korrektes Handeln den menhangs zwischen Behandlungsfehler und gerade von dem Behandlungsfehler herrührt Eintritt des Schadens nicht verhindert hätte. Gesundheitsschaden braucht es zwar keine und nicht schicksalhafte Folge einer Erkran- mathematisch-naturwissenschaftliche hundert- kung oder Behandlung ist, gestaltet sich in Von den im Jahr 2021 mit Bewertung der prozentige Sicherheit. Erforderlich ist aber ein den meisten Fällen schwierig nachzuweisen, Haftungsfrage abgeschlossenen Verfahren „für das praktische Leben brauchbarer Grad an da die juristischen Anforderungen an den der Gutachterkommission der Ärztekammer Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schwei- Nachweis hoch sind (s. Kasten rechts). Westfalen-Lippe wurden 86 Prozent der gen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen“ Behandlungsfehler mit Kausalität in einem (ständige Rechtsprechung, z. B. BGH, Urteil vom Anders ist dies dann, wenn der Patientin Krankenhaus und 14 Prozent in einer Praxis 09.05.1989 — VI ZR 268/88). oder dem Patienten eine Beweislastumkehr oder einem Medizinischen Versorgungs- zugutekommt. Dies ist bei Vorliegen eines zentrum festgestellt. Davon erlitten 88 FACHGEBIETE ERKRANKUNGEN In diesen Fachgebieten waren Ärztinnen und Ärzte am häufigsten Die zwölf häufigsten Erkankungen, von einem Behandlungsfehler betroffen: bei denen die Gutachterkommission Fehler bestätigte: Krankenhaus Praxis/MVZ Unfallchirurgie 28 Diagnostische Radiologie 5 Schulter- und Oberarmfraktur 8 Innere Medizin 26 Unfallchirurgie 4 Hüftgelenksarthrose7 Orthopädie 23 Orthopädie 4 Unterschenkel- und Viszeralchirurgie 19 Innere Medizin 3 Sprunggelenksfraktur6 Frauenheilkunde 8 Allgemeinchirurgie 2 Bandscheibenvorfall5 Geburtshilfe 8 Allgemeinmedizin 1 Oberschenkelfraktur5 Allgemeinchirurgie 6 Anästhesiologie 1 Lungenkarzinom4 Diagnostische Radiologie 4 Augenheilkunde 1 Mammakarzinom4 Neurochirurgie 4 Frauenheilkunde 1 Rektumkarzinom3 Gefäßchirurgie 3 Geburtshilfe 1 Hirnblutung3 Neurologie 3 Kinderchirurgie 1 Cholezystitis3 Plastische Chirurgie 3 Neurochirurgie 1 Radiusfraktur3 Urologie 3 Handfraktur3 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
12 Titelthema STICHWORT Digitalisierung der Gutachterverfahren Ein „grober Behandlungsfehler“ liegt juristisch vor bei „einem eindeutigen Neben der Verfahrensbearbeitung stand Verstoß gegen ärztliche Behandlungs- 2021 die Vorbereitung der Digitalisierung regeln oder gesicherte medizinische der Gutachterverfahren im Fokus. Mit der Erkenntnisse, der aus objektiver Sicht Einführung einer neuen Software eröffnet nicht mehr verständlich erscheint, sich der Gutachterkommission die Mög- weil er einem Arzt schlechterdings lichkeit einer vollständig digitalen Verfah- nicht unterlaufen darf“ (ständige rensbearbeitung. Von der Antragstellung Rechtsprechung, z. B. BGH, Urteil über die Kommunikation mit den Verfah- vom 11.06.1996 — VI ZR 172/95). Es rensbeteiligten bis hin zur fachärztlichen handelt sich dabei um einen Verstoß Bewertung durch die Gutachterinnen und gegen das „Fettgedruckte“ in der Me- Gutachter wird sie eine papierlose Vor- dizin, also um einen Fehler, der dem gangsbearbeitung ermöglichen. Alle Nut- Gutachter als „völlig unverständlich zer (Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und unverantwortlich“ erscheint. und Ärzte, Gutachterinnen und Gutachter, Ärztliche Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gutachterkommission usw.) werden dabei über ein browserbasiertes Por- tal Zugriff auf die für sie wichtigen und frei- gegebenen Informationen und Unterlagen Patientinnen und Patienten einen vorüber- haben. Dies soll die Transparenz gegenüber gehenden, leichten bis mittelschweren Ge- den Verfahrensbeteiligten erhöhen und die sundheitsschaden und drei Patientinnen und Bearbeitung vereinfachen. Patienten einen vorübergehenden, schweren Schaden. Einen leichten bis mittleren Dauer- Verfahren noch transparenter schaden erlitten 46 Patientinnen und Pati- gestalten enten und 23 einen schweren Dauerschaden. 15 Patientinnen und Patienten aus den im Neben der Digitalisierung der Verfahren Jahr 2021 abgeschlossenen Verfahren (da- werden Servicegedanke und Nutzerorien- bei handelt es sich um Behandlungszeit- tierung auch in den kommenden Jahren räume zwischen 2014—2020) starben nach die Arbeit der Gutachterkommission für einem Behandlungsfehler. In den Verfahren, Arzthaftpflichtfragen bestimmen. Die Kom- in denen das Versterben der Patientin bzw. munikation mit den Verfahrensbeteiligten des Patienten kausal auf den Behandlungs- soll noch einfacher und zügiger sowie das fehler zurückgeführt werden konnte, han- Verfahren insgesamt noch transparenter ge- delte es sich in der Mehrzahl um Fälle, bei staltet werden. denen eine Beweislastumkehr zu Lasten der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Beratung für Ärztinnen Arztes eingetreten ist. und Ärzte Verfahrensdauer Ärztinnen und Ärzten steht die Gutachter- kommission überdies auch weiterhin im Die Verfahrensdauer der sachlich entschie- Konfliktfall mit dem Patienten beratend zur denen Fälle (mit Bewertung der Haftungs- Seite. Erhebt ein Patient einen Behandlungs- frage) konnte im Vergleich zu den Vorjahren fehlervorwurf, stellt diese Situation für den maßgeblich reduziert werden. Bei 253 Ver- behandelnden Arzt oder die behandelnde fahren betrug die Bearbeitungszeit mehr Ärztin oftmals eine neue, unangenehme Si- als 18 Monate (drei Prozent weniger als im tuation dar. Die Gutachterkommission bietet Vorjahr), 331 Verfahren waren in 13 bis 18 in diesen Fällen eine telefonische Beratung Monaten abgeschlossen. In 216 Verfahren an und informiert, wie sich Ärztinnen und (7,5 Prozent mehr als im Vorjahr) erhiel- Ärzte im Einzelfall verhalten sollten. ten die Antragsteller in weniger als zwölf Monaten den Bescheid der Gutachterkom- Ausführliche Informationen dazu sowie i mission. Damit bekamen deutlich mehr An- ein Merkblatt mit Empfehlungen sind tragstellerinnen und Antragsteller bereits auch auf der Internetseite der ÄKWL binnen eines Jahres eine Einschätzung zur verfügbar unter www.aekwl.de/gak- Haftungsfrage als im Jahr 2020. arzt 04|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Kammer aktiv 13 Warnung vor bösem Pandemie-Erwachen im Sommer Corona-Update von Ärztekammer Westfalen-Lippe und Universitätsklinikum Münster M it dem Stichtag 19. März 2022 sind fast alle bundesweit gültigen Schutz- maßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus Impflücken ge- schlossen werden, um ein böses Pan- ausgelaufen. Die bis dahin gültigen weitrei- demie-Erwachen chenden Einschränkungen des gesellschaft- zu verhindern, lichen, kulturellen und wirtschaftlichen mahnte Dr. Gehle. Lebens wurden in weiten Teilen zurückge- „Die Impfungen nommen. Stattdessen soll das Infektions- waren von An- geschehen durch eine „Hotspot-Politik“ beginn ihres Ein- geregelt werden. satzes die beste Ärztekammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle (r.) und Univ.-Prof. Dr. Alex Möglichkeit, die W. Friedrich, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM, Der Präsident der Ärztekammer Westfalen- Ausbreitung des warnten beim gemeinsamen Corona-Update vor frühzeitigen Lockerungen Lippe, Dr. Hans-Albert Gehle, und der neue der Infektionsschutzmaßnahmen. Foto: UKM Coronavirus ein- Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende zudämmen. Leider des Universitätsklinikums Münster (UKM), sind die Impflü- Univ.-Prof. Dr. Alex W. Friedrich, sehen die und solche in Quarantäne, sei es fraglich, ob cken in unserem Land weiterhin vorhanden Rücknahme der bundesweiten Maßnahmen die gesundheitliche Gesamtversorgung der — und werden anscheinend auch durch neue zu diesem frühen Zeitpunkt äußerst kritisch. Bürger qualitativ aufrechterhalten werden Totimpfstoffe nicht geschlossen. Aus diesem Während ihres gemeinsamen Corona-Up- könnte. „Zahlreiche elektive Eingriffe müs- Grund ist es geradezu kontraproduktiv, per dates am 21. März richteten sie vor dem sen derzeit warten, wichtige ambulante Lockerungen Impfanreize aufzugeben.“ Hintergrund noch nie dagewesen hoher Termine können nicht angeboten werden“, Infektionszahlen eine Warnung an die Ver- betonte der Ärztliche Direktor des UKM. Wann der richtige Zeitpunkt für eine vier- antwortlichen der Politik. „Wir haben unsere Leistungen bis an eine te Impfung ist, erläuterte Prof. Friedrich in Schmerzgrenze zurückgefahren und weisen diesem Zusammenhang: „Sinn macht eine „Die Pandemie ist nicht vorbei. Flächen- darauf hin, dass — zusammengenommen mit vierte Impfung bei den über 70-Jährigen deckende Lockerungen wären deshalb ein dem Mangel an Pflegekräften — wir in eine und den besonders Gefährdeten, auch beim völlig falsches Signal, das nur scheinba- Situation laufen, bei denen wir viele andere Gesundheitspersonal. Für alle anderen glau- re Sicherheit vermittelt. Wir können noch Menschen, die einer Behandlung bedürfen, be ich, wäre eine vierte Impfung derzeit zu lange keine Entwarnung geben, die Schutz- zu spät sehen und nicht rechtzeitig be- früh. Ich glaube, wenn Anfang bis Mitte maßnahmen müssen bestehen bleiben. Der handeln können.“ Auch der Öffentliche Ge- Mai der Reproduktions-Wert über 1,5 liegt, Automatismus von Sonnenschein, dem Ende sundheitsdienst arbeite seit Monaten hart dann sollten wir möglichst schnell wieder der Pandemie und gesellschaftlicher Freiheit an den Grenzen des Möglichen und werde impfen, um im Sommer eine Entspannung ist ein gefährlicher Trugschluss und verleitet nun außerdem durch die medizinische Ver- der Lage hinzubekommen. Liegt der R-Wert zu Leichtsinn im Umgang mit dem Virus. Ich sorgung, Registrierung und Beratung der aber unter 1,5, dann reicht es, wenn wir warne auch vor einem Flickenteppich von geflüchteten Menschen aus der Urkaine erst im November impfen, möglicherweise Maßnahmen in den Bundesländern“, appel- gefordert, ergänzte Dr. Gehle. mit einem Impfstoff, der dann an die herr- lierte Dr. Gehle eindringlich. schenden Varianten schon angepasst ist. Wir „Sollte es bei den geplanten Lockerungen sollten im Blick haben, dass wir den Groß- Es sei außerdem davon auszugehen, dass die bleiben, prophezeien wir, dass wir im Som- teil der Bevölkerung lieber später als früher Dunkelziffer der Infizierten in Folge nach- mer 2022, anders als in den beiden Sommern zum vierten Mal impfen, also besser erst im lassender Testungen und Meldungen an die davor, keine Entspannung der Lage erfahren Herbst. Wenn wir zu früh impfen, dann kom- Gesundheitsämter wahrscheinlich weitaus werden. Damit gibt es dann keine Atempau- men wir wieder nicht über den Winter und höher ausfalle, so Gehle und Friedrich uni- se. Nicht für die Bevölkerung und schon gar müssen nachimpfen.“ sono. nicht für die Beschäftigten im Gesundheits- wesen“, so der Kammerpräsident weiter. Abschließend mahnte Kammerpräsident Die Situation in den Krankenhäusern zeige Dr. Hans-Albert Gehle an, sich zukünftig zudem eine völlig andere Wirklichkeit als sie Aber nicht nur die Schutzmaßnahmen müss- auch um die Langzeitfolgen der Infektionen die Lockerungen vermuten ließen. Verursacht ten bis mindestens Mitte April beibehalten zu kümmern. Denn Long Covid und Post Co- durch gleichbleibend hohe Patientenzahlen, werden, es müsse auch weiter dafür gesorgt vid träten als medizinische Herausforderun- aber auch durch infizierte Klinikbeschäftigte werden, dass die Impfquoten steigen und gen verstärkt hervor. WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
14 Kammer aktiv eHBA: Die Hälfte der Ärzteschaft ist noch ohne Schlüssel Warum die Ausstattung mit elektronischen Heilberufsausweisen immer wichtiger wird von Klaus Dercks, ÄKWL Doch wann kommen eRezept und elektroni- der Minderheit. „Einige Häuser vertreten sche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung flä- die Ansicht, dass alle Ärztinnen und Ärzte E r gilt als Schlüssel für die Digitalisie- rung der medizinischen Versorgung in Praxen und Krankenhäusern, doch gerade chendeckend in den Praxen an? Mit der Aus- sage, beide Anwendungen seien gestoppt, sorgte Bundesgesundheitsminister Lauter- einen eHBA haben sollten, andere sehen die- se Notwendigkeit im Moment noch nicht“, erläutert Klaus Kalkreuter, der als Referent einmal die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte bach Anfang März für nicht unerhebliche bei der Krankenhausgesellschaft Nordrhein- in Deutschland hat ihn: Der elektronische Verwirrung. Ein Brief aus dem Bundesge- Westfalen (KGNW) mit Fragen der Telema- Heilberufsausweis (eHBA) gehört auch nach sundheitsministerium an die Gesellschafter tik-Infrastruktur befasst ist, dass es in den vielen Jahren der Vorbereitung noch nicht der gematik glättete einige Tage später die Kliniken dazu durchaus differenzierte An- zum selbstverständlichen Instrumentarium Wogen. Beim eRezept ist demnach bis auf sichten gibt. Immerhin seien alle Kliniken in ärztlicher Arbeit. Erst sieben von zehn am- Weiteres Testen angesagt — die Teilnehme- NRW mit Institutionskarten für die Nutzung bulant tätigen Ärztinnen und Ärzten verfü- gen über einen eHBA, im Krankenhaus sind es nur etwa ein Drittel, hat die Bundesärzte- kammer ermittelt. Angesichts ausbleiben- den Nutzens für die Patientenversorgung ©j-mel — stock.adobe.com mache sich in Sachen Digitalisierung Er- nüchterung und zunehmender Frust in den Arztpraxen breit, konstatierte die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung, als sie Anfang des Jahres ihr „Praxisbarometer“ vorstellte — wie ist die Situation im Frühjahr 2022? rinnen und Teilnehmer für die bundesweiten digitaler Anwendungen ausgestattet. Immer ePA: Zum Stichtag fehlte Feldtests sollen über die Hersteller von Pra- mehr Häuser hätten die technischen Voraus- vielerorts noch die Technik xisverwaltungssystemen akquiriert werden. setzungen für den Einsatz der Telematik-In- Die erste Stufe der eAU, bei der Praxen die frastruktur geschaffen, derzeit seien es eher Von der Vollausstattung mit elektronischen Bescheinigungen elektronisch an die Kran- Software-Probleme, die für Verzögerungen Heilberufsausweisen sind die niedergelasse- kenkassen übermitteln, werde hingegen wie sorgen. So bleibe bislang die Zahl elektro- nen Ärztinnen und Ärzte in Westfalen-Lippe geplant bis Ende Juni „ausgerollt“, die zweite nischer Arztbriefe überschaubar, vor allem, noch ein ganzes Stück entfernt, stellt Beate Stufe, das Arbeitgeberverfahren, ab Anfang wenn man sie in Relation zu den jährlich Kalz, Fachreferentin für Telematik-Infra- 2023 verbindlich eingeführt. weit über 20 Millionen herkömmlichen Brie- struktur und -fachanwendungen bei der fen setze. „Wenn das aber erst einmal rund Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen- Ein weiteres Anwendungsfeld für den elek- läuft, haben auch Ärztinnen und Ärzte einen Lippe, fest. Dabei hätte der eHBA eigentlich tronischen Heilberufsausweis ist die Kom- Nutzen davon“, ist Kalkreuter überzeugt. Die schon seit Juli vergangenen Jahres in den munikation im Medizinwesen (KIM). Dort meisten Kliniken hätten sich unterdessen Praxen verfügbar sein sollen, weil der Ge- ermöglicht die elektronische Signatur mit entschieden, die Kosten für die eHBA ihrer setzgeber die Einführung der elektronischen dem eHBA einen sicheren Informationsaus- Mitarbeitenden zu übernehmen. Patientenakte zu diesem Zeitpunkt vorge- tausch, beispielsweise bei Arztbriefen. Noch sehen hatte. Doch längst nicht alle Praxen ist etwa ein Drittel der Arztpraxen in West- Zwar unternehmen die Krankenhäuser gro- konnten sich zum Stichtag rechtzeitig mit falen-Lippe nicht in die Kommunikation im ße Anstrengungen in der „Binnendigitalisie- der nötigen Technik ausrüsten — Fristen Medizinwesen eingebunden, berichtet Beate rung“ — für die Mittel, die nach dem Kran- wurden verlängert, eigentlich vorgesehene Kalz — „bis zum Sommer müssen aber alle kenhauszukunftsgesetz für diese Zwecke Sanktionen nicht umgesetzt. Mittlerweile soweit sein“. zur Verfügung stehen, kommen die meisten gebe es allerdings in 85 Prozent der Praxen Anträge aus Nordrhein-Westfalen. Doch einen eHBA, schätzt Beate Kalz. Während Arztgeführte Fallakte würden die NRW-Kliniken manche Prioritä- die elektronische Patientenakte bislang rein brächte größeren Nutzen ten mitunter gern anders gewichten als die technisch auch mit anderen Signaturkarten Berliner Gesundheitspolitik. „Die Politik setzt bearbeitet werden könne, sei der eHBA für Unter den in Westfalen-Lippe im Kranken- sehr stark auf die elektronische Patienten- künftige weitere Telematik-Anwendungen haus tätigen Ärztinnen und Ärzte sind die akte“, nennt Burkhard Fischer, Referatsleiter wie das elektronische Rezept unerlässlich. eHBA-Besitzerinnen und -besitzer noch in Qualitätsmanagement, IT und Datenanalyse 04|22 WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT
Kammer aktiv 15 der KGNW, ein Beispiel. Die Krankenhaus- Bereit für einen langen Lauf DIGITALISIERUNG gesellschaft hält hingegen eine arztgeführte Form der Kommunikation für noch wichti- Auch die Gesetzlichen Krankenkassen be- ger. „Eine elektronische Fallakte, von Ärztin gleiten die Entwicklung der Telematik-An- Begeisterung lässt bzw. Arzt angelegt, wäre wesentlich erfolg- wendungen mit großer Aufmerksamkeit. reicher und brächte größeren Nutzen.“ Dass der eAU und dem eRezept der Durch- sich nicht erzwingen bruch gelingt, hängt für Tom Ackermann Anwendung endlich von der Bereitschaft aller Beteiligten ab, Wer sich in den letzten 20 Jahren entschieden hat, zum Fliegen bringen vorhandene Fehler zu analysieren und dann als Ärztin oder Arzt in der Patientenversorgung möglichst schnell aus dem Weg zu räumen. zu arbeiten, hört es nun schon ein ganzes Berufs- Ärztinnen und Ärzte sind nicht die einzigen, „Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, leben lang: Mit der denen der Nutzen der lang angekündigten werden die Leistungserbringer und insbe- Digitalisierung wird Telematik-Anwendungen im Vergleich zum sondere die Patientinnen und Patienten den das Gesundheitswe- betriebenen Aufwand bislang zu klein er- Nutzen der Digitalisierung garantiert erken- sen moderner, werden scheint. „Das wäre eine sinnvolle Anwen- nen und wertschätzen“, ist der Vorstands- Informationen besser dung. Aber sie muss jetzt endlich auch zum vorsitzende der AOK NordWest überzeugt. zugänglich, werden Fliegen gebracht werden“, urteilt Stefan „Von daher ist auch die vom Bundesministe- Sektorengrenzen Lammers über das eRezept. Die Vorbereitun- rium für Gesundheit festgelegte verlängerte überwunden, wird die gen dafür verfolgt der Leiter der Abteilung IT Testphase für die Akzeptanz der eAU und des tägliche Arbeit er- und Neue Medien bei der Apothekerkammer eRezeptes wichtig.“ leichtert. Getan hat Westfalen-Lippe schon seit über einem Jahr- sich seit den ersten zehnt. Das eRezept, ist Lammers überzeugt, Die AOK NordWest geht davon aus, dass die Plänen für eine elek- könnte das papiergebundene Rezept als ei- Primärsystem-Hersteller den Ärzten, Zahn- tronische Gesund- Dr. Hans-Albert Gehle nen anachronistischen Medienbruch in der ärzten, Krankenhäusern und Apotheken die heitskarte viel, doch Präsident der Ärztekam- Patientenversorgung ablösen. Doch danach eRezept-Funktionalität mit den Quartalsup- auch nach zwei Jahr- mer Westfalen-Lippe sieht es derzeit nicht aus: 30 000 eRezepte dates ihrer Software zur Verfügung stellen zehnten überwiegt sollen im Rahmen der unlängst verlängerten und somit zu einem kontinuierlichen Anstieg noch immer eher Frust als Freude: Viele Ärztinnen Testphase weitere Erkenntnisse für die flä- der Nutzer beitragen werden. Bei der eAU und Ärzte sehen sich in ihren Erwartungen an ein chendeckende Einführung liefern. Bis Mitte bedürfe es weiterer Anpassungen einiger „digitalisiertes“ Gesundheitswesen enttäuscht — ihr März, so präsentierte es die gematik auf Praxisinformationssysteme, um einen rei- Vertrauensvorschuss schmilzt dahin. ihrem „TI-dashboard“ (s. Kasten), waren rund bungslosen Ablauf gewährleisten zu können. 4500 eRezepte zumindest eingelöst. „Aber „Das Verfahren dürfte sich bis Jahresmitte Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, sie muss sie sind noch nicht abgerechnet“, relativiert eingeschwungen haben. Die Testphase für die Patientenversorgung verbessern und die ärzt- Stefan Lammers diese Zahl mit Blick auf die zweite Phase der eAU, das Abrufverfah- liche Arbeit erleichtern. Bevor ein solcher Nutzen das Ende des Verarbeitungsprozesses – im ren durch Arbeitgeber, wird sich daher vor- nicht endlich klar erkennbar ist, tun sich auch die Regelbetrieb mit den bisherigen Papier-Re- aussichtlich bis zum Jahresende verlängern“, Gutwilligsten immer schwerer, Zeit, Nerven und zepten klappt das in Deutschland rund 500 erwartet Tom Ackermann. Bereits seit dem Geld in neue Technik und Prozesse zu investieren. Millionen Mal pro Jahr reibungslos. vergangenen Jahr bietet die AOK NordWest Dass Nutzerfreundlichkeit, Zeitersparnis und fehler- ihren Versicherten die elektronische Patien- freies Funktionieren die Akzeptanz digitaler Anwen- Apothekerinnen und Apotheker erwar- tenakte an. „Einige tausend nutzen die ePA dungen steigern würden, ist sicherlich allen Akteu- ten gleichwohl, dass die Einführung des bereits. Da ist aber zugegeben noch viel Luft ren hinlänglich bekannt. Dennoch hapert es mit der eRezepts, unter Bundesgesundheitsminister nach oben.“ Umsetzung in die Praxis. Stattdessen werden Arzt- Jens Spahn zeitweilig forciert, nach einem praxen und Krankenhäuser mit arg theoretischen Dämpfer zu Beginn dieses Jahres wieder Ein elementarer Schritt für eine flächen- Fristsetzungen und Sanktionsandrohungen unter Fahrt aufnimmt. „Mittlerweile ist großer deckende Einführung, so Ackermann, sei Druck gesetzt, unausgegorene Anwendungen zu Aufwand dafür betrieben worden“, erinnert die zeitnahe Ausrüstung mit geeigneter implementieren — ein unfehlbarer Weg, jede Neu- Stefan Lammers nicht nur an Investitionen Praxissoftware und die Anbindung weiterer gier und Innovationsfreude im Keim zu ersticken. in die Telematik-Infrastruktur, sondern bei- Leistungserbringer wie Pflegedienste. Erhe- spielsweise auch an Schulungen, mit denen bungen der gematik zeigten, dass ungefähr Die Ärzteschaft hat nach langer Abwägung und Dis- sich erst im letzten Winter rund 2500 Apo- die Hälfte der Leistungserbringer schon kussion schon vor Jahren ihre Bereitschaft signali- theken-Mitarbeiterinnen und -Mitarbei- jetzt Daten übermitteln könnte. „Mit jeder siert, den Weg der Digitalisierung mitzugehen. Es ter in Westfalen-Lippe für das eRezept fit Arztpraxis, die dazukommt, und jedem Ver- ist überfällig, sie nun durch funktionierende Struk- machten. Immerhin: Das eRezept erscheint sicherten, der die ePA aktiv nutzt, wird die turen, die Nutzen bringen, zu überzeugen — Be- in den Apotheken trotz aller Schwierigkeiten Sache spannender.“ Die ePA sei das Herz- geisterung lässt sich nicht durch Gesetze erzwingen. bei der technischen Umsetzung vergleichs- stück bei der Digitalisierung des Gesund- weise rasch realisierbar. Andere Telematik- heitswesens. „Wir wissen aber auch, dass die Anwendungen wie die elektronische Pa- Einführung der ePA kein Sprint ist, sondern tientenakte seien hingegen im Bereich der ein Marathon. Wir sind bereit für diesen Apotheke noch Zukunftsmusik. langen Lauf!“ WESTFÄLISCHES ÄRZTEBLATT 04|22
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