Aufgabe Klimaschutz MARKTKONZENTRATION Wie bleibt Bio fair? PFLANZENSCHUTZ Wann kommt der Systemwechsel? AGRARWENDE Was bringt eine ...
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DEUTSCHLAND 10,20 € | ÖSTERREICH 11,20 € | SCHWEIZ 16,60 CHF AUSGABE 03/2021 Aufgabe Klimaschutz MARKTKONZENTRATION Wie bleibt Bio fair? PFLANZENSCHUTZ Wann kommt der Systemwechsel? AGRARWENDE Was bringt eine Pestizidabgabe?
www.rentenbank.de WIR SCHAFFEN IDEALE WACHSTUMSBEDINGUNGEN. Es freut uns, wenn die deutsche Agrarwirtschaft floriert. Daher sorgt die Rentenbank als Förderbank der Land- und Ernährungswirtschaft für eine stabile Kreditversorgung und finanziert damit den Fortschritt in dieser zukunftsträchtigen Branche. Die Mittel für unsere Förderprogramme nehmen wir an den internationalen Finanzmärkten auf — mit anhaltendem Erfolg. Deshalb können wir sagen: Der Bulle steht uns näher als der Bär. Förderbank für die Agrarwirtschaft und den ländlichen Raum
EDITORIAL Konzepte statt Krise A m Polarkreis schwimmen und anschließend bei 30 Grad in der Maison- ne schmoren, in Sibirien Badehose- und Bikiniwetter genießen: Was bisher undenkbar schien, rückt immer näher. So wurde neulich in den Medien über ungewöhnlich hohe Temperaturen im Norden berichtet. Auch in Deutschland ist die Klimakrise bereits spürbar und wird früher oder später zum Problem werden. Schon jetzt macht sie das Wetter immer unberechenbarer. Vieler- orts steigt die Temperatur und es gibt vermehrt Trockenjahre, anderswo nehmen die Niederschläge zu. Zugleich kommt es häufiger zu Extremwetterereignissen wie Hagel, Sturm und Starkregen. Politische Maßnahmen, gegenzusteuern, greifen oft zu kurz. Sogar das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass das deutsche Klima- schutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist und novelliert werden muss. Es wird viel darüber diskutiert, welche Rolle die Landwirtschaft bei all dem spielt und wie sie sich künftig anpassen kann. Fakt ist, dass sie laut Weltklimarat IPCC weltweit mit knapp einem Drittel der Treibhausgasemissionen zur Klimaerhitzung beiträgt. Und auch hierzulande ist die intensive Landwirtschaft für rund zwölf Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Neben der Nutztierhaltung und deren Methanemissionen gehören Gülle- sowie Stickstoffdüngung und die landwirtschaftliche Nutzung ehemaliger Moorflächen zu den Hauptverursachern. Die Rodung von Wäldern in Brasilien, auf denen Futtermittel für unsere Tierhal- tung angebaut werden, setzt klimaschädliches CO2 frei, ganz zu schweigen vom Biodiversitätsverlust. Gleichzeitig wirken sich die rasanten Klimaveränderungen unmittelbar auf die Lebensmittelerzeugung aus. Dieses Dilemma zwischen Ernäh- rungssicherung und Umweltschutz war noch nie präsenter. Bei der Konzeption unseres Schwerpunkts haben wir uns deshalb gefragt, welche Lösungen nachhaltige Landwirtschaft und Ökolandbau zum Klimaschutz anbieten. Einige Konzepte gibt es bereits: zur CO2-Speicherung im Boden, zur Wiedervernässung von Mooren oder für eine klimagerechtere Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Doch da- mit die Umsetzung gelingt, bedarf es eines grundlegenden Systemwechsels! Im zweiten Teil des Hefts widmen wir uns in mehreren Beiträgen dem Einsatz von Pestiziden. Neue Studien weisen auf flächendeckende Rückstände von Pflanzen- schutzmitteln hin, die über die Luft auch auf naturbelassene Flächen und Ökoäcker gelangen. Deren negativer Einfluss auf Biodiversität und Bodenleben ist mittlerwei- le erwiesen und auch hier ist ein Umdenken überfällig. Ich wünsche Ihnen viele neue Einsichten beim Lesen und einen guten Start in die hochsommerliche Badesaison! Ihr Gabriel Werchez Peral www.soel.de 3 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
SCHWERPUNKT AUFGABE KLIMASCHUTZ 12 KLIMAGERECHTE NUTZTIERHALTUNG Durch Transformationen zum neuen Standard Wie sieht klimagerechte Tierhaltung aus und welche Rolle spielt dabei der Biolandbau? Die Eckpfeiler stimmen, aber ohne grundlegenden Wandel geht es dennoch nicht. FOTOS: Laura Peral, Nick Jaussi/www.wir-haben-es-satt.de, Biovision, Ulrich Schumacher 14 KLIMAGERECHTER ACKERBAU Der Biolandbau ist anpassungsfähig Die ökologische Landwirtschaft hat die besseren Strategien, um mit dem Klimawandel fertigzuwerden. Für das, was noch kommt, wird es jedoch nicht reichen. 16 BEDEUTUNG DER VEGETATION Bedeckt die Böden! Bewachsene und bewaldete Flächen tragen wesentlich dazu bei, das Klima zu kühlen – lokal und global. Ein Effekt, der noch mehr Beachtung finden muss. 19 KREISLÄUFE Klima schützen auf Friesisch Der Backensholzer Hof in Nordfriesland betreibt Landwirtschaft im großen Stil und setzt 34 17 auf hochwertige, geschlossene Kreisläufe. 22 GEMEINSAME AGRARPOLITIK Zu zögerlich und zu unkonkret Unser Autor sieht eine große Lücke bei den Klimaschutzmaßnahmen der GAP und fordert konkrete 30 FOSSILE BRENNSTOFFE IM BIOLANDBAU Schritte, damit Landwirtschaft aktiv mitwirken kann. (K)ein unlösbarer Zielkonflikt Alternativen sind noch nicht ausgereift, also rollt der Traktor 24 HUMUSAUFBAU weiter mit Diesel. Kommentar zu einem emotionalen Thema. Eine Chance für Klima und Landwirtschaft Böden sind die größten CO2-Speicher auf dem Land. 32 AGRARÖKOLOGIE Wird der Boden gesund gehalten, profitieren Klima und Resistenter, resilienter, nachhaltiger Landwirtschaft gleichermaßen. Eine Studie aus Kenia zeigt, wie sich agrarökologische Anbaumethoden beim Klimawandel bewähren. 26 ORGANISCHE BÖDEN Kostbare Moore schützen und nutzen 34 ERNÄHRUNGSPOLITIK Mit der Paludikultur lassen sich wiedervernässte oder Der Wandel muss von unten kommen nasse Moore bewirtschaften. Was ist dran an dieser noch Klimaschutz kommt in der Ernährungspolitik zu kurz. recht neuen Methode des klimafreundlichen Landbaus? Schafft die Zivilgesellschaft den Systemwandel? ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 4 www.soel.de
THEMEN PFLANZENBAU & TIERHALTUNG 36 EIP-AGRI-PROJEKTE IM KURZPORTRÄT Von Schwärmen, Bienen und Milben Wir stellen vor: ein innovatives Gemeinschaftsprojekt gegen die Varroamilbe, ein Netzwerk für praktische Bienenforschung und Digitalisierung der Imkerei. 38 PESTIZIDE VOM ACKER Ein Hauch von Gift weht übers Land 19 Pflanzenschutzmittel verbreiten sich kilometerweit über die Luft. Was bedeutet das für die Koexistenz von konventionellem und biologischem Landbau? 40 PESTIZIDEINSATZ Pflanzenschutz braucht Systemwechsel Peter Röhrig vom BÖLW moniert, dass der Einsatz von Pestiziden in Deutschland unzureichend kontrolliert wird, und fordert eine Kursänderung. 41 ÖKOLOGISCHER PFLANZENSCHUTZ Pflanzengesundheit richtig managen Wie kann Landwirtschaft gestaltet werden, damit der Einsatz von Pestiziden unnötig wird? Untersuchungen der 32 Uni Kassel zeigen: Biodiversität ist der Schlüssel. LEBENSMITTEL & KONSUM 44 AUSGEZEICHNETE FORSCHUNG Ein Weg zu mehr Mehrweg Durch Mehrwegsysteme Verpackungsmüll einsparen – das war Thema einer Bachelorarbeit, die mit dem BioThesis-Forschungspreis ausgezeichnet wurde. 46 MARKTKONZENTRATION Mächtig, aber fair? Auch in der Biobranche herrschen teils konventionelle 12 Methoden. Aber muss der Markt immer diktieren? POLITIK & GESELLSCHAFT 49 PESTIZIDABGABE RUBRIKEN Großer Hebel in Richtung Agrarwende Ein Bündnis fordert die Einführung einer Abgabe auf 3 EDITORIAL Pflanzenschutzmittel. Laut einer Studie könnte so deren 6 IN KÜRZE Einsatz in Deutschland halbiert werden. 9 PERSONALIA 52 GRÜNER NACHWUCHS 53 AUS DEN INSTITUTIONEN Zum Titelbild © Msyt/Adobe Stock 57 LITERATUR Klimaschutz fängt beim gesunden Boden an: Er speichert CO2 und ist 58 VORSCHAU & IMPRESSUM wichtiger Bestandteil des terrestrischen Wärmehaushalts. www.soel.de 5 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
IN KÜRZE IN KÜRZE Befragung erhalten. Zudem bestünde die Möglichkeit, an einem Workshop teilzunehmen, bei dem sich Praxis und schen Bundesverband und Landesver- bänden neu zu strukturieren. Damit soll die Arbeit in den Regionen gestärkt Forschung über die Ergebnisse aus- werden und gleichzeitig der Verband GRUND & BODEN tauschen. Das Forschungsprojekt wird mit seiner föderalen Struktur zu einem durch das BÖLN gefördert und von Gesamtverband zusammenwachsen. der Technischen Universität München Demnach gliedert sich Demeter künf- Umfrage zum Komposteinsatz (TUM) durchgeführt. An der Befragung tig in den Bundesverband und die fünf im Ökolandbau können alle Biobetriebe teilnehmen, un- Landesverbände Bayern, Baden-Würt- abhängig davon, ob sie Bio- oder Grün- temberg, Region West (mit den Ländern B undesweit sind Biobetriebe aufgeru- fen, im Rahmen des Forschungspro- jekts ProBio zur Verwendung von Kom- gutkompost einsetzen oder nicht. Z Online-Fragebogen: Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Nordrhein-Westfalen), Region Nord (mit den Bundesländern Niedersachsen, post im Ökolandbau einen Fragebogen green-survey.de/probio Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein online bis zum 31. Juli 2021 auszufüllen. Z Weitere Infos: projekt-probio.de und Mecklenburg-Vorpommern) sowie Nach Angaben des Bundesprogramms Region Ost (mit den Ländern Branden- Ökologischer Landbau und andere burg, Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt Formen nachhaltiger Landwirtschaft PFLANZENBAU & TIERHALTUNG und Thüringen). Demeter zufolge füh- (BÖLN) sollen die Ergebnisse der Befra- ren der Bundesverband und die Lan- gung dabei helfen, die Anforderungen desverbände künftig zusammen einen an Kompostqualitäten zu ermitteln und Demeter stellt sich neu auf Haushalt; Erzeuger*innen, Verarbeiter, die Wirkung verschiedener Komposte Händler und Forschende sind sowohl in zu bewerten. Alle Teilnehmenden wür- den vor der Veröffentlichung der Ergeb- nisse eine vollständige Auswertung der D ie Delegiertenversammlung des Demeter-Verbands hat im April entschieden, die Zusammenarbeit zwi- ihrem Landes- als auch im Bundesver- band Mitglied. Außerdem wurden Fach- und Facharbeitsgruppen neu gestaltet und die Bruderhahnaufzucht wird zum Jahreswechsel 2022 verpflichtend. Öko-Feldtage 2022 und 2023 A ufgrund der Pandemielage musste die FiBL Projekte GmbH die Öko- Feldtage 2021 Mitte Januar absagen. Die dritten bundesweiten Öko-Feldtage fin- den nun vom 28. bis 30. Juni 2022 auf ProBio führt eine Umfrage zum Komposteinsatz im Biolandbau durch. der Hessischen Staatsdomäne Gladba- cherhof in Villmar statt. Schwerpunkte STRIEGELN SO PRÄZISE WIE NIE. TREFFLER Maschinenbau GmbH & Co. KG | Reichersteiner Str. 24 | 86554 Pöttmes-Echsheim www.treffler.net | info@treffler.net ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 6 www.soel.de
IN KÜRZE teln nach der Verordnung (EU) Nr. 2018/848“ veröffentlicht. Gemäß der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) verschärfen sich mit der neuen EU-Ökoverordnung ab Ja- nuar 2022 die entsprechenden Vorga- ben. Der Leitfaden soll Hersteller von Biolebensmitteln und Aromen bei der Die nächsten Öko-Feldtage sind für Juni 2022 auf dem Gladbacherhof in Villmar geplant. Auswahl und der Anwendung zulässi- ger konventioneller Aromen unterstüt- zen. So ist künftig nur noch der Zusatz des Betriebs sind die Erzeugung von zum Standard für die Bepreisung der von Aromaextrakten und natürlichen Saatgut (Getreide) und die Milchpro- wahren Kosten in der Nahrungsmit- Aromen zulässig, die aus dem namens- duktion. Die Forschungsaktivitäten auf telproduktion werden. Unterstützung gebenden Ausgangsstoff stammen. Zu- dem Gladbacherhof befassen sich mit kommt vom Bauernverband Natio- dem gelten Aromen als Zutaten land- der Resilienz von Agrarsystemen. Ver- nal Farmers Union, dem britischen wirtschaftlichen Ursprungs und müssen anstalter der Öko-Feldtage ist die FiBL Landwirtschaftsministerium und vier deshalb künftig in die Berechnung des Projekte GmbH, Mitveranstaltende sind großen Supermarktketten. Das neue Anteils landwirtschaftlicher Zutaten das Hessische Ministerium für Umwelt, Berechnungsmodell ist eng an die einfließen. Der Praxisratgeber liefert auf Klimaschutz, Landwirtschaft und Ver- Nachhaltigkeitsblume von Eosta an- 22 Seiten Produktbeispiele, Musterrech- braucherschutz (HMUKLV), die Justus- gelehnt, denn beide Systeme gehen auf nungen und Erklärungen zur korrekten Liebig-Universität Gießen, der Landes- einen internationalen Kooperations- Kennzeichnung sowie eine Checkliste, betrieb Landwirtschaft Hessen und die verband von Biobetrieben zurück. Das die bei der Plausibilitäts- und Konfor- Stiftung Ökologie und Landbau (SÖL). Besondere am britischen Vorstoß ist, mitätsprüfung von Lieferantendoku- Die Schirmherrschaft der Öko-Feldtage dass dieser auch von konventionellen menten hilft. liegt beim Bund Ökologische Lebens- Landwirtschaftsorganisationen und mittelwirtschaft (BÖLW). Handelsketten getragen wird. „Nur Z Leitfaden abrufbar unter 2023 wechseln die Öko-Feldtage dann wenn wir uns auf die Kräfte des Markts t1p.de/konventionelle-aromen erstmals nach Baden-Württemberg und stützen, um klimaneutral zu werden werden dort vom 13. bis 15. Juni 2023 und den Verlust der Biodiversität um- stattfinden. Anfang März fand ein Ar- zukehren, können wir die ökologische POLITIK & GESELLSCHAFT beitstreffen am neuen Veranstaltungs- Katastrophe abwenden“, sagte Prinz ort, dem Biohof Grieshaber & Schmid in Charles in einer Rede zur Vorstellung Ditzingen bei Stuttgart, statt. Landwirt- von Global Farm Metric. Die land- One World Award zum schaftsminister Peter Hauk unterzeich- wirtschaftlichen Betriebe werden mit sechsten Mal verliehen nete dort eine Grundsatzvereinbarung diesem System für nachhaltiges Wirt- mit dem Hof und der FiBL Projekte GmbH, sodass die Öko-Feldtage 2023 ab sofort in die Detailplanung gehen schaften, wie für die Verbesserung ih- rer Böden, die Reduzierung ihrer Kli- maauswirkungen oder die Erhöhung R apunzel und IFOAM – Organics In- ternational vergaben im April den mit 45 000 Euro dotierten One World können. der Biodiversität, belohnt. Award (OWA) bereits zum sechsten Mal. Gewinner des Grand Prix 2021 Z Weitere Infos: oeko-feldtage.de Z Mehr Infos: t1p.de/globalfarmmetric ist Organic Denmark. Die Bio-NGO ebnet in Dänemark den Weg für eine FOTOS: luchschenF/Adobe Stock; Herbert Heberlein hundertprozentig ökologische Be- LEBENSMITTEL & KONSUM Neuer Leitfaden für wirtschaftung der Erde. Der OWA für konventionelle Aromen das Lebenswerk ging an das Ehepaar Tomoko und Yoshinori Kaneko aus Mit Global Farm Metric zu mehr Nachhaltigkeit D as Büro für Lebensmittelkunde und Qualität (BLQ) hat mit dem Forschungsinstitut für biologischen Japan, die sich Zeit ihres Lebens für die Biobewegung einsetzen. Darüber hinaus erhielten weitere vier interna- G roßbritannien geht neue Wege in Richtung Nachhaltigkeit mit dem Modell Global Farm Metric. Es soll Landbau (FiBL) Deutschland den neu- en „Leitfaden zum Einsatz von kon- ventionellen Aromen in Biolebensmit- tionale Gruppen und Institutionen ei- nen OWA. Ehrengast bei der Vergabe war Bundesentwicklungsminister Gerd www.soel.de 7 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
IN KÜRZE Müller (CSU). Alle Gewinner des OWA tragen dazu bei, die Welt besser und ge- „Percy“ – Filmstart am 1. Juli Kinokarten rechter zu machen. zu gewinnen! Z Weitere Infos: one-world-award.de Was tun, wenn einen ein Weltkonzern wegen Diebstahls auf Schadenersatz verklagt? Genau diese Frage muss sich der kanadische Farmer Percy Schmeiser im Film „Percy“ stellen, als er ein Schreiben des Chemieriesen Monsanto erhält. Monsanto be- FORSCHUNG & BILDUNG schuldigt Schmeiser (dargestellt von Christopher Walken), anstelle des eigenen Saatguts den genmanipulierten Raps der Firma auf seinen Feldern auszusäen. Die Chancen stehen schlecht für den 70-Jährigen. Aber Schmeiser lässt sich nicht einschüchtern und zieht mithilfe eines findi- Gemeinsam mit BioThesis gen Anwalts (Zach Braff) vor Gericht. Unterstützung erhält er dabei von einer Umweltaktivistin in eine gesunde Zukunft (Christina Ricci). Basierend auf der wahren Geschichte des Farmers und Saatgutzüchters Percy Schmeiser erzählt der Film „Percy“, der am 1. Juli in die deutschen Kinos komt, die unglaubli- K napp eine Mil- lion Menschen sterben jedes Jahr che Geschichte eines Mannes, der eigentlich nur seine Farm retten wollte, aber zur Stimme von Bäuerinnen und Bauern auf der ganzen Welt wurde. Für seinen Einsatz wurde dem deutschstäm- migen, 2020 verstorbenen Percy Schmeiser im Jahr 2007 der Alternative Nobelpreis verliehen. in Europa auf- grund falscher Er- Z Wir verlosen 3 x 2 Kinokarten! Zur Teilnahme E-Mail an info@soel.de, nährung. Im letz- Kennwort „Verlosung Percy“. ten Jahr zeigte die Pandemie deut- lich, wie wichtig Solidarität und gegen- wurde der Forschungspreis BioThesis beste Masterarbeit erhält 3 000 Euro. seitige Unterstützung sind, insbeson- 2013 ins Leben gerufen. Innovative Ide- Bis zum 15. Oktober 2021 können die dere für die Lebensmittelbranche sind en aus der Biolebensmittelwirtschaft Abschlussarbeiten noch eingereicht Gemeinschaft und gegenseitige Unter- sollen damit gefördert und Nach- werden, die Preisverleihung findet im stützung essenziell. Erzeuger*innen, wuchskräfte für die Biobranche begeis- Rahmen der Biofach 2022 in Nürnberg Verarbeiter*innen, Bildungseinrich- tert werden, die aus verschiedensten statt. tungen, Behörden sowie Ver brau Fachbereichen kommen. Agrar- und cher*innen müssen gemeinsam an ei- Geowissenschaften, BWL, Informatik, Z Weitere Infos und Bewerbung unter nem Strang ziehen, um Fehlernährung Technologie, Philosophie, Politik und biothesis.org abzubauen und eine gesunde Lebens- Recht – jedes Thema hat seine eigene Z Wir stellen eine der fünf ausgezeichneten weise für alle Lebewesen zu fördern. Wichtigkeit. BioThesis belohnt die bes- Arbeiten des BioThesis-Forschungsprei- Um diese Verbindung zu unterstützen, te Bachelorarbeit mit 2 000 Euro, die ses 2021 in diesem Heft vor (siehe S. 44). Innovative Lösungen zur Unkraut- regulierung – natürlich vom Spezialisten Jahre Kress Umweltschonende Landtechnik GmbH Telefon +49 (0)7042 37 665-0 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 8 www.soel.de info@kress-landtechnik.de www.kress-landtechnik.de
PERSONALIA PERSONALIA der engen Zusammenarbeit mit regio- nalen Erzeuger*innen mit. Dem BÖLW kommt zudem Andres’ Verbandsarbeit turthemen spezialisierten Pro Natur- Verlags schuf Schreiber die Basis für die Publikation populärwissenschaftlicher im BNN-Vorstand zugute. Löwenstein Naturschutzbücher. Darüber hinaus be- Neue Vorstandsvorsitzende stellte sich nach 19 Jahren als Vorstands- teiligte er sich an der Entwicklung und beim BÖLW vorsitzender nicht wieder zur Wahl, wird Etablierung von Nationalparks und Bio- aber bis Herbst den Vorsitz innehaben. sphärenreservaten. Eingesetzt hat sich D er Bund Ökologische Lebensmit- telwirtschaft (BÖLW) wird ab No- vember von einem neuen fünfköpfigen Rudolf L. Schreiber verstorben Schreiber auch für den Ökolandbau und den naturorientierten Grundwasser- schutz. Sein vielfältiges Engagement Vorstand geleitet. wurde mehrfach ausgezeichnet, so war er Die Mitglieder des BÖLW wähl- ten Tina Andres D er Ökopionier Rudolf L. Schreiber ist im Alter von 80 Jahren in Frankfurt am Main verstorben. Vom Manager der Ökomanager des Jahres, erhielt den DUH-Umwelt-Medienpreis und das Bundesverdienstkreuz. Sein letztes Pro- (Bundesverband tradierten Werbebranche wandelteer jekt war die inzwischen bis zur Konzep- Naturkost Na- sich zum Avant- tion gereifte Idee einer Weltbürger-Initi- turwaren, BNN) gardisten der Öko- ative zur Globalisierung nachhaltiger mit überwälti- publizistik und Regionalentwicklung unter dem Mar- gender Mehrheit zu ihrer Vorstands- gilt als Urheber kenzeichen „United Regions“. Dieser vorsitzenden. BÖLW-Geschäftsführer sowie Entwickler weltumspannende Masterplan fokussiert Peter Röhrig rückt in den Vorstand auf der Methoden des die enge Vernetzung aller Regionen auf und bildet künftig mit Andres ein star- Ökomarketings dem Globus – eine reale Utopie, die laut kes Führungsduo. Bis zum Beginn ihrer und -sponsorings. Schreiber die Bürger*innen aller Regio- Amtszeit am 11. November 2021 arbeitet Er war 1975 Mitbegründer des Bunds für nen zu Weltbürger*innen machen soll. der amtierende Vorstandsvorsitzende Umwelt und Naturschutz Deutschland Die Beteiligten sollen bei der Realisie- Felix Prinz zu Löwenstein seine Nach- (BUND) und maßgeblich an der Grün- rung erfahren, dass sie die konsequent folgerin ein. Andres bringt als lang- dung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nachhaltige und umweltorientierte Ge- jährige geschäftsführende Vorständin beteiligt. In beiden Organisationen war staltung ihrer Region selbst in die Hände der Landwege eG in Lübeck sowohl er bis zuletzt aktiv. Mit der Gründung der nehmen müssen, um aktiv und im welt- Erfahrungen im Biohandel und in der ersten Beratungsgruppe für ökologisch weiten Austausch unseren Planeten zu Biolebensmittelherstellung als auch in orientiertes Marketing sowie des auf Na- einem lebenswerten Ort zu machen. Mehr Biodiversität und nachhaltige Rebsorten Petra Neuber (33) ist seit 1. April 2021 Geschäfts- Persönlich begeisterte ich mich immer schon für gute anderen Projekten in den letzten Jahren gewon- führerin des Bundesverbands Ökologischer Lebensmittel und Weine. Mit meiner Marketing nen hat, in die Welt hinaustragen. Außerdem Weinbau (Ecovin). Sie erfahrung möchte ich auch andere Menschen dafür möchte ich die Digitalisierung voranbringen. folgt auf Ralph Dejas, gewinnen, Bioweine zu kaufen. Um mich fachlich Und klar ist, dass wir den Bioweinbau weiterhin der zum Global Nature fortzubilden, habe ich das einjährige Trainee-Pro- mitgestalten und dabei auch eine Vorreiterrolle Fund wechselte. Neuber gramm Ökolandbau des Bundesprogramms Ökolo- einnehmen wollen. kam im April 2020 zu gischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Ecovin und verantwor- Landwirtschaft (BÖLN) und des Forschungsinstituts Wie, glauben Sie, wird sich der Bioweinmarkt tete die Bereiche Veran- für biologischen Landbau (FiBL) absolviert. Das hat in den nächsten Jahren entwickeln? staltungsmanagement mir unheimlich viel Spaß gemacht und mir gezeigt, Er wird weiterhin stetig wachsen, das Interesse und Kommunikation. Die gelernte Winzerin hat dass ich auf dem richtigen Weg bin. der Endverbraucher für Bioweine nimmt erfreu- an der Hochschule Geisenheim University Inter- licherweise zu. Und neue nachhaltige, soge- nationale Weinwirtschaft studiert. Welche Pläne haben Sie für den Verband in den nannte pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) FOTO: Bioverlag (Andres) nächsten Jahren? werden hoffentlich eine größere Bedeutung er- Frau Neuber, Sie kommen nicht aus der Wir werden den von meinem Vorgänger angesto langen. Das wäre einer besseren Klimabilanz des Biobranche. Was motiviert Sie, für einen Bio- ßenen Biodiversitäts-Aktionsplan weiterentwickeln Weinbaus zuträglich. verband zu arbeiten? und die Erkenntnisse, die Ecovin aus diesem und Interview: Susanne Salzgeber www.soel.de 9 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
SCHWERPUNKT Aufgabe Klimaschutz Die Landwirtschaft ist Mitverursacherin des Klimawandels und leidet selbst unter dessen Folgen. Wie geht die Branche FOTO: Adobe Stock/Christine damit um? Welche Lösungen gibt es bereits und wie kann speziell der Biolandbau die Aufgabe Klimaschutz anpacken? www.soel.de 11 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
KLIMASCHUTZ | KLIMAGERECHTE NUTZTIERHALTUNG Durch Transformationen zum neuen Standard Der Klimaschutz steht ganz oben auf der gesellschaftlichen und politischen Agenda. Die ambitionierten Ziele sind auch eine Herausforderung für die Landwirtschaft, im Speziellen für die Nutztierhalter. Muss sich der Ökolandbau in diesem Punkt neu erfinden? A Von Ulrich Schumacher ls Lebensmittelerzeuger sind tierhaltende Betrie- teme? Doch bei näherem Hinschauen mit volkswirtschaft be unmittelbar Verursacher und gleichzeitig in licher Brille relativiert sich diese Frage, denn technischer und starkem Maß Betroffene des Klimawandels. Das energetischer Aufwand und die schlichte Erzeugungsmenge ist nicht abstrakt, sondern speziell für viele Rinderhaltungs- sind bestimmende Faktoren. betriebe nach den Dürresommern 2018 und 2019 teure Rea- Die volkswirtschaftliche und betriebliche Ebene sind jedoch lität. Und gleichzeitig stehen die Betriebe in der Verantwor- zu unterscheiden. Bei der Beurteilung des gesamten landwirt- tung, die Bevölkerung mit ausreichend hochwertigen Le- schaftlichen Sektors müssen zwangsläufig die Gesamterzeu- bensmitteln zu versorgen. Nicht zuletzt muss der Rückgang gung tierischer Produkte, deren Voraussetzungen, Folgen und der Biodiversität aufgehalten werden – auch dies hat viel mit Bedingungen sowie die strategischen Ausrichtungen berück- der Art und Weise der Nutztierhaltung zu tun. sichtigt werden. Und natürlich stellt sich dann auch die Frage Insgesamt kann man dies als eine in jeder Hinsicht herausfor- nach der Quantität der Nutztierhaltung in Deutschland und dernde Situation auch aus ökonomischer Perspektive bezeich- der EU. Hier ist man schnell bei der Diskussion um Kosten- nen. Betriebsentwicklungen müssen hinterfragt und vielfach internalisierungen, Auslagerung von Umwelt- und Tierwohl- neu justiert werden. Die „Klimaqualität“ steht vor der Stück- wirkungen und optimale Ressourcenallokation. Dabei sollte kostensenkung als Hauptanreiz für Investitionen. Und auch klar sein, dass die Externalisierung von sozialen und Umwelt- im vor- und nachgelagerten Bereich sind enorme Transfor- kosten in keinster Weise zukunftsfähig ist. Die Staaten mationen nötig – dies gerade auch in der Nutztierhaltung. gemeinschaft und die Politik sind an dieser Stelle gefragt. Der fossile Energieeinsatz muss mittelfristig auf null herun- tergefahren und die Tiergesundheit auf hohem Niveau ge Klimaschutz ist mehr als Tierwohl sichert werden, gleichzeitig muss die Qualität der Produkte auf höchstem Niveau liegen. Schon daran sieht man, dass Verfolgt man die Diskussionen rund um die Nutztierhaltung, „früher nicht alles besser war“ und das Verbesserungspoten- geht es überwiegend um das Thema Tierwohl. Dies ist auch zial hoch ist – auch im Ökolandbau. Das Wort Effizienz spielt ein wichtiger Schlüssel für die Frage, ob Nutztierhaltung eine große Rolle: Die knappen Ressourcen regenerative Ener- überhaupt gesellschaftliche Akzeptanz erfährt und zukunfts- gie (zum Beispiel Pflanzenöl, Biogas, Wind, Photovoltaik, gerichtet ist. Und bestes Tierwohl hat in aller Regel viel mit Agroforstsysteme) und lokal verfügbare Futtermittel müssen Klimaschutz zu tun. Gesunde Tiere, die produktiv sind und effizient genutzt werden. Bei der Fütterung heißt „Effizienz“ hochwertige Lebensmittel bereitstellen, sind Grundvorausset- zunächst ganz trivial, dass versucht werden muss, möglichst zung auch für den Klimaschutz. Widerstrebende Ziele tun bedarfsgerecht gemäß den bekannten Bedarfsnormen zu füt- sich bei der Haltung auf. Wollen wir offene Systeme mit Au- tern und dies durch gutes Management zu unterstützen. Fut- ßenklima und Weidegang und schlecht zu beeinflussenden terplanung und auch pflanzenbaulich neue Strategien sind Emissionen? Oder wollen wir geschlossene steuerbare Sys angesichts zunehmender Wetterextreme notwendiger denn ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 12 www.soel.de
Ein Schritt Richtung Transformation: KLIMAGERECHTE NUTZTIERHALTUNG | KLIMASCHUTZ regenerative Energien und lokal verfügbares Futter effizient nutzen je, um die Zuverlässigkeit der Futterver- sorgung auf dem eigenen Standort zu gewährleisten. Fehlentwicklungen wie die vermehrte Nutzung von Bioimport- Futtermitteln aus der ganzen Welt sind keine dauerhafte Option für eine ökolo- gische Tierernährung. Die Schließung von regionalen Nährstoffkreisläufen und die Schaffung einer hohen regiona- len Ernährungssouveränität – für die Menschen, aber auch für die Nutztiere – sind essenzielle Prinzipien im Öko- landbau. Rahmenbedingungen für richtige Anreize Grundsätzlich ist eine „Privatisierung des Klimaschutzes und fossile Energie ist komplett durch regenerative Energie sub der Nachhaltigkeit“ aus ethischer und volkswirtschaftlicher stituiert, der Pflanzenbau inklusive dem Futterbau ist nach- Sicht in der Klimadebatte nicht zielführend. Diese Konzen haltig und erhält die Dauerleistungsfähigkeit der Böden. Im tration auf aufgeklärte, zahlungskräftige Bevölkerungsschich- Erzeugungssystem wird die Biodiversität von Flora und Fau- ten mit stark erhöhten Preisen für – im Hinblick auf Umwelt- na unterstützt. Landwirt*in ist ein spannender Job mit hoher wirkungen und Tierwohl – „bessere“ Produkte entfaltet zu gesellschaftlicher Wertschätzung. Der weltweite Handel mit wenig Wirkung und ist letztlich ungerecht. Vielmehr sind die Tieren und ihren Produkten ist stark zurückgegangen. Die politischen Rahmenbedingungen und Anreizsysteme darauf Ernährungsgewohnheiten der Menschen orientieren sich in auszurichten, dass die drei Säulen der Nachhaltigkeit in einer erster Linie an den Möglichkeiten ihrer Region. Handel findet „Win-win-win-Situation“ bearbeitet werden können; und dies dort statt, wo er ökologisch sinnvoll und nachhaltig ist. ohne Protektionismus, denn der Wettbewerb um Ideen und Man braucht nicht viel Fantasie, dass sich die deutsche Nutz- Erfindergeist muss bleiben. Nur dann kann es gelingen, Kli- tierhaltung und deren Wertschöpfungsketten mit diesem Sze- maneutralität auch für die Nutztierhaltung und den Ökoland- nario in weiten Teilen neu erfinden und dass eine daraus fol- bau zu erreichen. Politische Anreize wie der Wegfall der gende nachhaltigere Ernährung andere Quantitäten – nämlich Agrardieselbeihilfe, stärkere Besteuerung von Transporten, deutlich weniger tierische Produkte – nach sich zieht. Stallbauförderprogramme mit starker Tierwohl- und Um- Und der Ökolandbau heutiger Prägung? Prinzipiell läuft hier weltausrichtung, Bürokratieabbau für den Aufbau betriebli- zwar vieles richtig, denn die Eckpfeiler „Kopplung von Pflan- cher und regionaler regenerativer Energiesysteme, transpa- zenbau und Tierhaltung“, „artgerechte Haltung“ und „regio- rente Kennzeichnungsregeln, aber auch weiteres nale Nährstoffkreisläufe“ gelten eigentlich nach wie vor. Aber „ökologisches“ Ordnungsrecht sind wichtig. Auf der anderen manche realen Entwicklungen sind wenig zukunftsweisend Seite muss Ordnungsrecht – auch Ökolandbaurecht – dort (intransparente Futtermittelbeschaffung, ineffiziente Fütte- entrümpelt werden, wo Vorgaben Klimaschutz und Tierwohl rung, hohe Tierverluste, lange Verarbeitungs- und Handels- konterkarieren und Innovationen unterbunden werden. wege etc.). Transformationen auf dem Weg zum klimagerech- Landwirt *innen und die Agrarwissenschaft brauchen ten Standard der Nutztierhaltung sind auch hier unabdingbar. Handlungsspielräume. Technologieoffenheit und Innovationsgeist sind dafür wich tige Voraussetzungen. Klimaneutral im Jahr 2050? FOTO: Ulrich Schumacher Ein Szenario klimagerechter Tierhaltung für 2050 kann so aussehen: Regional verfügbare Futterressourcen werden hocheffizient mit den arteigenen Fähigkeiten unserer Nutz- Dr. Ulrich Schumacher, Milchviehhalter tiere für die Versorgung der Menschen mit tierischen Produk- und Fachreferent Tierhaltung Bioland e.V. ten genutzt. Die in der gesamten Verfahrenskette notwendige ulrich.schumacher@bioland.de www.soel.de 13 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
KLIMASCHUTZ | KLIMAGERECHTER ACKERBAU Der Biolandbau ist anpassungsfähig Schon heute hat der Biolandbau die besseren Strategien, um sich an den Klimawandel anzupassen. Doch Hans-Martin Krause mahnt auch, dass die ökologische Landwirtschaft noch nicht so weit ist, um die Herausforderungen der K Ernährungssicherung der nächsten Jahre stemmen zu können. limaprognosen sagen vermehrte Starkregenereignisse ten Böden pro Hektar fast 3,5 Tonnen mehr an organischem und Trockenperioden voraus. Um diese Wetter Kohlenstoff zu finden sind (Gattinger et al., 2012). Da Humus- extreme auszugleichen, sind ackerbauliche Systeme aufbau zur Kohlenstoffsequestrierung führen kann, gibt es auf die Fähigkeit des Bodens angewiesen, Wasser aufzunehmen wachsende Bestrebungen, humusaufbauende Maßnahmen und zu speichern. Die Verbesserung der Bodenstruktur ist so- auch mit finanziellen Anreizen zu honorieren (siehe Beitrag mit eine zentrale Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Steffens, S. 24). Dass sich der Biolandbau, der seinen Fokus auf den Aufbau von Bodenqualität legt anstatt auf Maximalerträge zu setzen, auf dem richtigen Weg befindet, zeigt die Studie „Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft“ des Thü- nen-Instituts (Sanders and Hess, 2019). Biologisch bewirtschaf- tete Böden weisen demnach deutliche Vorteile in Bezug auf Wasserinfiltration und Aggregatstabilität auf. Folglich verrin- gert sich der Bodenverlust um 24 Prozent. Langzeitversuche wie der über 40-jährige DOK-Versuch im schweizerischen Therwil zeigen, wie biologische und konventionelle Systeme die Zusammensetzung der Bodenmikrobiologie ändern (Hart- mann et al., 2014). So begünstigen biologische Landbausysteme Aktivität von stickstoffmineralisierenden Bakteriengemein- schaften unter Trockenstress (Lori et al., 2018). Auch die Bau- meister der Bodenfruchtbarkeit, die Regenwürmer, profitieren vom ökologischen Landbau. So sind deutschlandweit 78 Pro- zent mehr Regenwürmer in biologisch bewirtschafteten Böden zu finden, verglichen mit konventionell bewirtschafteten Bö- den (Sanders and Hess, 2019). Die bessere Klimaanpassung im Biolandbau beruht damit vor allem auf einem aktiveren Bodenleben als Grundlage für eine verbesserte Bodenstruktur und fußt auf der Implementierung einer Humuswirtschaft zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit. Aufgrund des Verzichts auf mineralische Düngemittel kommt Treibhausgasmessung mit geschlossenen Kammern dem Biolandbau hier eine Vorreiterrolle zu und es überrascht im DOK-Versuch in Therwil, Schweiz nicht, dass im globalen Vergleich in biologisch bewirtschafte- ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 14 www.soel.de
KLIMAGERECHTER ACKERBAU | KLIMASCHUTZ Verringerte Klimawirkung, neben der Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmit- teln, auch einer der Haupttreiber für den Verlust der Artenviel- positivere Nährstoffbilanz falt in Agrarlandschaften (Nationale Akademie der Wissen- schaften Leopoldina, 2020). Die offizielle Berichterstattung zu nationalen Treibhausgas- emissionen erfolgt nach der Klimarahmenkonvention der Ver- einten Nationen (UNFCCC) und ist nach Sektoren aufgeteilt. Noch nicht am Ziel Demnach emittiert die Landwirtschaft 7,6 Prozent der gesamt- deutschen Treibhausgasemissionen. Die wichtigsten Quellen Trotz all der positiven Auswirkungen der biologischen Wirt- sind Lachgasemissionen (N2O) aus gedüngten Böden, Methan schaftsweise ist es fraglich, ob der Biolandbau in seiner heutigen emissionen (CH4) aus der Tierhaltung und Treibhausgasverlus- Form das Ernährungssystem an die Herausforderungen der te aus dem Wirtschaftsdüngemanagement. Durch eine niedri- kommenden Jahrzehnte anpassen kann. In seinem Bericht zur gere Düngeintensität, organische Stickstoffgaben und die „Landwende“ beschreibt der Wissenschaftliche Beirat der Bun- Stickstofffestlegung in der organischen Bodensubstanz weisen desregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) die Not- biologische Flächen global betrachtet pro Hektar und Jahr eine wendigkeit der Ökologisierung der Landnutzung durch die verringerte Klimawirkung von circa 500 Kilogramm CO2- Schaffung multifunktionaler landwirtschaftlicher Systeme als Äquivalente durch N2O-Emissionen auf (Skinner et al., 2014). Schlüsselprinzip zur Umgestaltung des landwirtschaftlichen Aufgrund der geringeren Ertragsleistung bedarf es allerdings Sektors (WBGU, 2020). Die Implementierung von Mischkultu- auch der Mithilfe der Konsument*innen: So gilt es etwa, den ren erhöht die Landnutzungseffizienz und mindert so den Flä- hohen Konsum tierischer Produkte zu reduzieren, weniger chendruck. Gleichzeitig wird die ökologische und ökonomische Kraftfutter in der Tierhaltung einzusetzen und Nahrungsmit- Resilienz gestärkt. Hier ist der Biolandbau gefordert, die techni- telabfälle zu vermeiden. Ein solches Ernährungssystem hat po- schen Herausforderungen im Anbau und Management von sitive Auswirkungen auf Treibhausgasemissionen und führt Mischkulturen zu lösen. Dazu gehört auch die Entwicklung von trotz biologischer Bewirtschaftung nicht zu einem höheren modernen Agroforstsystemen. Vor allem durch die Einbindung Flächenverbrauch (Muller et al., 2017). von Bäumen im Bioackerbau ergibt sich ein nicht zu unterschät- Für die Emissionsberichterstattung der deutschen Landwirt- zendes Potenzial, Kohlenstoff langfristig zu binden und gleich- schaft werden N2O-Emissionen gemäß den Richtlinien der zeitig den Betrieb zu diversifizieren. Auch bei der Bodenbear- UNFCCC flächenbezogen erfasst. Für den Vergleich zwischen beitung und der Gewährleistung einer möglichst permanenten konventionell und biologisch erzeugten Nahrungsmitteln er- Bodenbedeckung gibt es im Ökolandbau noch Optimierungs- weist sich diese Berechnungsgrundlage allerdings als lücken- potenzial. Eine standort- und kulturgerechte Reduzierung der haft. Emissionen, die bei der Herstellung von Pflanzenschutz- Bodenbearbeitungsintensität, etwa durch nicht wendende Bo- mitteln und mineralischen Düngern anfallen, werden dem denbearbeitung und Direktsaatsysteme, sollte Ziel jeglicher Sektor „Industrie“ zugerechnet. Der Kraftstoffverbrauch für ökologischer Bewirtschaftung sein. Forschungs- und Erpro- Bodenbearbeitungsmaßnahmen fällt in den Sektor „Verkehr“. bungsbedarf bestehen auch bei der Anwendung von biologisch Emissionen, die durch importierte Futtermittel anfallen, wer- aktiven Bodenzusätzen, um das Bodenleben weiter zu fördern den im deutschen Inventar überhaupt nicht erfasst. Die gängige und so die Nährstoffversorgung von Kulturpflanzen zu verbes- Methode, N2O-Emissionen mittels Emissionsfaktoren (circa sern. Außerdem gilt es, den biologischen Pflanzenschutz weiter- ein Prozent der jährlich ausgebrachten Stickstoffmenge) abzu- zuentwickeln und die Züchtung von robusten Kulturpflanzen- schätzen, erweist sich dabei für den Biolandbau als besonders sorten voranzutreiben, die an die Bedürfnisse der biologischen ungenau (Skinner et al., 2014). Grund dafür ist, dass im Bio- Wirtschaftsweise angepasst sind. Um den immensen Herausfor- landbau die Deckung des Stickstoffbedarfs langfristig über die derungen des Klimawandels zu begegnen und den Bioackerbau Einbindung von Leguminosen in die Fruchtfolge und durch weiterzuentwickeln, bedarf es einer konsequenten und gezielten langsamer wirkende organische Düngemittel angestrebt wird. Förderung zur Umsetzung ökologischer Prinzipien. Zum einen verzögert sich damit die düngerbedingte Klimawir- kung und zum anderen werden organische Stickstoffformen Z Liste der zitierten Literatur unter t1p.de/oel199-krause-lit leichter in der organischen Bodensubstanz langfristig gebun- den. Neben einer verringerten Klimawirkung wirkt sich der Biolandbau somit auch positiv auf die Nährstoffkreisläufe aus. FOTO: Colin Skinner, FiBL So beziffert der Thünen-Bericht zu den Leistungen des Öko- landbaus die Verringerung des Stickstoffverlusts im Mittel auf 28 Prozent im Vergleich zum konventionellen Anbau (Sanders Hans-Martin Krause, Forschungsinstitut und Hess, 2019). Stickstoffverluste wirken sich nicht nur nega- für biologischen Landbau (FiBL), tiv auf das Klima und die Grundwasserqualität aus, sie sind, hans-martin.krause@fibl.org www.soel.de 15 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
KLIMASCHUTZ | BEDEUTUNG DER VEGETATION Bedeckt die Böden! Pflanzen, Böden und Wasser stehen in enger Beziehung zueinander. Wer die daraus resultierenden Energieflüsse versteht, kann resiliente Ökosysteme schaffen und den Klimawandel abschwächen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Vegetation sowie fruchtbare Böden. D Von Stefan Schwarzer ie Vegetation spielt eine wichtige – und oft vernach- lässigte – Rolle bei der Regulierung des Klimas. Die Quelle des Niederschlags Von der Sonnenstrahlung, die auf eine bewachsene Das Verschwinden von Wäldern kann zu einer signifikanten Fläche trifft, wird nur ein Prozent für die Photosynthese ge- Abnahme der lokalen Wolkenbedeckung und damit der nutzt, fünf bis zehn Prozent erwärmen die Luft („fühlbare Wär- Niederschläge führen (Teuling, 2017). Die ausgedehnte glo- me“) und über 70 Prozent werden von den Pflanzen für Trans- bale Entwaldung zwischen 1700 und 1850 führte zum Bei- piration („Schwitzen“) genutzt, bei der flüssiges Wasser in spiel zu einer Abnahme der Monsunregenfälle über dem Wasserdampf umgewandelt wird („latente Wärme“). Dies ist indischen Subkontinent und dem südöstlichen China und ein sehr energieaufwendiger Prozess. An einem normalen son- einer damit verbundenen Abschwächung der asiatischen nigen Tag kann ein einziger Baum mehrere Hundert Liter Was- Sommermonsun-Zirkulation (Takata, 2009). In den Tropen ser transpirieren und seine Umgebung mit 70 Kilowattstunden hat sich die Bildung von Haufenwolken infolge von Um- pro 100 Liter kühlen, was einem Kühleffekt von zwei 24 Stun- wandlung von Wald zu Ackerland erheblich verändert. Dies den lang laufenden Haushaltsklimaanlagen entspricht (Ellison, wirkt sich nicht nur auf den lokalen Niederschlag aus, son- 2017; Prokorny, 2012). Wälder mit Millionen von Bäumen er- dern hat auch Fernwirkungen, sogenannte Telekonnektio- zeugen riesige Wasserflüsse in der Luft („fliegende Flüsse“) – nen. Diese Telekonnektionen können Auswirkungen in hö- Flüsse, die Wolken bilden und Regenfälle in Hunderten oder heren Breitengraden haben, was das Wetter in diesen sogar Tausenden von Kilometern Entfernung verursachen Regionen erheblich verändert (Mahmood, 2014; Gebrehi- (Wenig, 2018; Nobre, 2014). Das Gleiche gilt, wenn auch abge- woot, 2019; Sheil, 2009). Selbst relativ kleine Landnutzungs- schwächt, für mit Kulturen bedeckte Ackerflächen. störungen in den Tropen können zu Effekten in höheren Wenn diese über dem Boden entstandenen wasserdampf Breitengraden führen (Chase, 2000 und 1996), wie zum Bei- reichen Luftmassen in die Atmosphäre aufsteigen, wird die spiel Verbindungen zwischen dem Amazonas und dem gleiche Energiemenge, die durch den Verdunstungsprozess Nordwesten der Vereinigten Staaten (Medvigy, 2013). In In- der Pflanzen verbraucht wird, im Kondensationsprozess frei- dien gingen die Muster der abnehmenden Niederschläge gesetzt, wobei ein (kleiner) Teil davon in den Weltraum abge- während des indischen Monsuns mit der sich verändernden führt wird. Wolken entstehen, die wiederum die einfallende Waldbedeckung einher, was auf die verringerte Evapotrans- Sonnenstrahlung reflektieren und Quelle neuen Niederschlags piration und die daraus resultierende Abnahme der recycel- sind. Wichtig ist dabei zu wissen, dass von dem Niederschlag, ten Komponente des Niederschlags zurückzuführen ist der auf das Land fällt, fast die Hälfte über die Evapotranspira- (Paul, 2016). Dies verdeutlichen die großen Muster der Was- tion (das heißt die kombinierten Prozesse von Verdunstung serdampf- und Niederschlagsströme. und Transpiration) an Land entstehen (Ellison, 2019). Davon Auf globaler Ebene verringerten die Landnutzungsänderun- wiederum stammen 60 bis 80 Prozent aus der Transpiration gen zwischen den Jahren 1950 und 2000 die terrestrische von Pflanzen (Wei, 2017). Dies verdeutlicht die wichtige Rolle Evapotranspiration um etwa fünf Prozent oder 3 000 bis der Vegetation bei der Versorgung des Niederschlagskreislaufs 3 500 Kubikkilometer und erhöhten den Oberflächenwas- sowie bei der Übertragung von Energie vom Boden in die obe- serabfluss um knapp sieben Prozent (Gordon, 2005; Ster- re Atmosphäre. ling, 2013). ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 16 www.soel.de
BEDEUTUNG DER VEGETATION | KLIMASCHUTZ Abb. 1: Verdunstung mit und ohne Vegetation Reflexion + Hochdruckgebiet + Wärmeabstrahlung + Wolkenbildung – Wolkenbildung + Niederschlag – Niederschlag + Rückstrahlung + Fühlbare Wärme: 5–10% Fühlbare Wärme: 70–80% Latente Wärme: 10–20% Temperatur – Latente Wärme: 80–90% Temperatur + Boden: 5–10% Boden: 10–15% Evapotranspiration senkt die Bodentemperatur und erhöht die Reflexion der Sonneneinstrahlung durch die Wolken, die Abstrahlung in den Weltraum beim Kondensationsprozess, die Wolken- bildung und damit den Niederschlag (links). Fehlende Vegetation erhöht die Temperatur am Boden, schafft Hochdruckzonen, die den Durchgang von Luftmassen mit niedrigem Luftdruck und feuchter Luft behindern, verringert das Wolkenbildungspotenzial und damit den Niederschlag (rechts). Grafik: Stefan Schwarzer Abstrahlung durch offenen Boden gischen Kreislauf aufrechterhalten (Poschl, 2010). Bäume pro- duzieren flüchtige organische Verbindungen und „entlassen“ Auf nicht oder kaum bewachsenen Flächen, zu denen brach- Mikroorganismen – Bakterien und Pilzsporen, Pollen und liegende Felder, trockene Wiesen (im Sommer und nach der andere biologische Rückstände, die auf den Blättern leben Heuernte) und Beton- oder Asphaltflächen zählen, wird Bo- und während und nach Regen in einem Waldökosystem in den mehr einfallende Sonnenstrahlung absorbieren, sich auf- die Luft gelangen. In der Atmosphäre bilden sie einen wichti- heizen, fühlbare Wärme erzeugen und Infrarotstrahlung in die gen Teil der Wolkenkondensations- und Eiskerne, was wiede- Atmosphäre emittieren (siehe Abb. 1). Die Differenzen der rum die Wolkenbildung und den Niederschlag positiv beein- Oberflächentemperaturen zwischen diesen kahlen Flächen flusst. Außerdem können sie dazu beitragen, die Gefrier- und bewaldeten Gebieten können, bezogen auf ein mitteleu- temperatur für die Bildung von Eiskernen zu senken. Ohne ropäisches Beispiel, an Sommernachmittagen bis zu 20° Celsi- diese würde das Gefrieren erst bei Wolken von –15° Celsius us betragen (Hesslerová, 2013; siehe Abb. 2, S. 18). Dies unter- oder kälter auftreten; mithilfe von Eiskernen kann dieser Pro- streicht die Tatsache, dass lokale biophysikalische Prozesse, die zess bei Temperaturen nahe 0° Celsius erreicht werden und durch Waldverluste ausgelöst werden, die Sommertemperatu- eine effiziente Wolkenbildung ermöglichen, die leichter und ren effektiv erhöhen können: Störungen in der Oberflächen- lokal Regen erzeugt. energiebilanz, die durch Vegetationsveränderungen verur- sacht wurden, haben global zu einem durchschnittlichen Anstieg der lokalen Oberflächentemperatur um 0,3° Celsius Ozeane als Puffer von 1950 bis 2000 und lokal um 0,23° Celsius von 2000 bis 2015 geführt (Duveiller, 2018; Sterling, 2013). Die mittlere Erwär- Ein Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen mung durch Landnutzungsänderungen könnte 18 bis 40 Pro- und mehr als 90 Prozent der zusätzlichen anthropogen erzeug- zent der aktuellen globalen Erwärmungstrends durch die Ver- ten Wärme, die in die Atmosphäre abgegeben wird, wurden ringerung der Evapotranspiration und trotz der Verringerung von den Ozeanen absorbiert und gepuffert. Wenn von globaler FOTOS: si2016ab, oticki/Adobe Stock der Oberflächenrückstrahlung („Albedo“) erklären (Alkama, Erwärmung gesprochen wird, sollte uns klar sein, dass nur 2016; Ban, 2011; Wolosin, 2018). rund zehn Prozent des gesamten vom Menschen verursachten Neben der Bedeutung der Wälder für die Energieflüsse und Effekts beschrieben werden (Cheng, 2020; Pörtner, 2019). die Erzeugung von Niederschlägen scheinen Wälder biogeo- Die Pufferung von CO2 in den Ozeanen geht aber auch in die chemische Reaktoren zu sein, in denen die Biosphäre und die entgegengesetzte Richtung: Wenn CO2 aus der Atmosphäre atmosphärische Photochemie Kondensationskerne für Wol- zurückgeholt wird, um die atmosphärische CO2-Konzentra- ken und Niederschläge erzeugen und damit den hydrolo tion zu senken, werden die Ozeane aufgrund der neu www.soel.de 17 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
KLIMASCHUTZ | BEDEUTUNG DER VEGETATION entstandenen Gasdruckdifferenz wie- der CO2 emittieren und versuchen, ein Abb. 2: Oberflächentemperaturverteilung in einer Mischlandschaft mit Wald CO2-Konzentrationsgleichgewicht zwi- schen der Atmosphäre und dem Ozean wiederherzustellen. Daher wird es über kürzere Zeiträume nicht zu einer schnellen Abnahme des CO2 in der At- mosphäre kommen, selbst wenn es den Menschen gelingt, a) die CO2-Emissio- nen zu stoppen und b) natürliche oder technische Lösungen zur CO2-Fixie- rung zu entwickeln. Klimakühlende Effekte als oberstes Ziel Kohlenstoff- und Wasserkreislauf sind also über Land eng gekoppelt und die Ve- getation sowie fruchtbare Böden müssen als Hauptregulatoren innerhalb des Was- ser-, Energie- und Kohlenstoffkreislaufs erkannt werden. Die Wiederherstellung der atmosphärischen und terrestrischen Feuchtigkeitskreisläufe in der Vegetation, den Böden und der Atmosphäre ist von größter Bedeutung für die Kühlung des Quelle: Hesslerová, 2013 Planeten und die Sicherung der Nieder- schlagsverhältnisse auf der Erde. Wichtige Maßnahmen und Weichenstellungen sind unter an- Wasserkreislauf über die Verdunstung und die Erhöhung der derem folgende: Wasserspeicherkapazität des Bodens; den Kohlenstoffkreis- lauf über die Bildung von Humus und die Steigerung der Bo- Z Angesichts der Telekonnektivität großer Waldökosysteme denfruchtbarkeit (siehe Beitrag Steffens, S. 24). Wasserrück- sollten diese als globale Güter betrachtet werden. Obwohl halt in der Landschaft durch beispielsweise Retentionsflächen derzeit nationale Souveränität vorherrscht, könnte die in- und Versickerungsgräben fördert die Grundwasserneubil- ternationale Gemeinschaft bald neue Mechanismen zum dung und die Verdunstung. Schutz dieser Naturgüter benötigen. Generell braucht es einen Paradigmenwechsel, weg von einem Z Besonders wichtige und sensible Waldregionen sollten ge- kohlenstoffzentrierten Modell hin zu einem, das die hydrolo- schützt und entsprechend bewirtschaftet werden. gischen und klimakühlenden Effekte von Vegetation als erste Z Es ist von größter Wichtigkeit, die Abholzung zu stoppen Priorität behandelt. Die Pflanzen- beziehungsweise Baumbe- und die Wiederaufforstungsbemühungen weltweit zu ver- deckung hat Auswirkungen auf das Klima auf lokaler, regio- stärken. naler und kontinentaler Ebene. Die dadurch erzielten Vortei- le benötigen eine breitere Anerkennung. Landwirtschaftliche Praktiken sollten sich auf die Bodenbil- dung, die ganzjährige Bodenbedeckung mit Pflanzen und den Z Liste der zitierten Literatur unter Einsatz von Agroforstmethoden konzentrieren. Hecken und t1p.de/oel199-schwarzer-lit Bäume auf den landwirtschaftlichen Flächen bringen viele Vorteile mit sich und unterstützen die oben genannten Kreis- läufe. Eine ständige Bedeckung der Böden über Zwischen- früchte, Untersaaten oder Direktsaatverfahren ist wichtig und Stefan Schwarzer, Aufbauende stärkt verschiedene Kreisläufe: den Energiekreislauf durch Landwirtschaft e.V. (i.Gr.), Kühlung in den unteren Luftschichten der Atmosphäre; den info@aufbauende-landwirtschaft.de ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021 18 www.soel.de
KREISLÄUFE | KLIMASCHUTZ Klima schützen auf Friesisch Ortstermin in Nordfriesland: Der prämierte Biobetrieb Backensholzer Hof betreibt Tierhaltung im großen Stil und verfolgt dabei konsequente Kreislaufwirtschaft. Das Betriebskonzept beweist, dass eine klimagerechte, ressourcenschonende Landwirtschaft auch in größerem Maßstab funktionieren kann. L Eine Reportage von Gabriel Werchez Peral eichter Nieselregen fällt vom norddeutschen Himmel, nal. Im angegliederten Restaurant werden die Hoferzeugnis- es riecht nach Stall und feuchtem Gras. Mit einem se fachkundig zubereitet, dabei wird das Fleisch des ganzen freundlichen „Moin!“ kommt Jasper Metzger-Peter- Tiers verwertet. Außerdem verfügt der Hof über einen eige- sen zusammen mit seinem Hund Gero aus dem Haupthaus. nen Bauernhofkindergarten und wird auf diese Weise seiner Stolz zeigt der kräftige Landwirt auf seinen Hof und erzählt sozialen Verantwortung gerecht. Für sein innovatives Kon- von dem florierenden Betrieb. Der Backensholzer Hof liegt in zept wurde der Hof vom Bundeslandwirtschaftsministerium Nordfriesland nahe der dänischen Grenze. Das regenreiche im Rahmen des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau Klima hat die Landschaft geprägt, Grünland so weit das Auge in 2021 ausgezeichnet. reicht. Ideale Bedingungen also für die Milchviehhaltung. Als Geestbetrieb verfügt der Backensholzer Hof vor allem über nährstoffarme Böden. Jasper leitet den Betrieb zusammen Der Schlüssel für Nachhaltigkeit mit seinem Bruder Thilo in vierter Generation, rund 80 An- gestellte unterstützen die beiden tatkräftig bei der Arbeit. Nach einem deftigen Mittagessen erzählt Jasper vom Klima- Schon 1989 stellten seine Eltern unter dem Eindruck der wandel: „Mein Vater sagte bei der Hofübernahme zu mir: Reaktorkatastrophe in Tschernobyl nach den Bioland-Richt- ‚Viel Glück! Ich möchte nicht mit dir tauschen.‘ “ Früher sei linien auf Ökolandbau um. Familie Metzger-Petersen ver- das Wetter in der Region sehr abwechslungsreich gewesen. steht Bio als Chance für einen ökonomischen, ökologischen Doch klimatische Ereignisse dauern jetzt länger an. „Wenn und sozialen Fortschritt: „Möglichst intakte Kreisläufe sind es regnet, dann gleich sechs Wochen am Stück“, stellt der gut für die Umwelt, den Hof und die Menschen“, ist sich Jas- Landwirt düster fest. Ein Desaster, sein Hafer sei in diesem per sicher. Dieses Konzept hat er in die Praxis umgesetzt, der Frühjahr vollkommen ertrunken, der Mais noch gar nicht Hof umfasst außerdem alle Stufen der Wertschöpfungskette. im Grund. Längere Trockenphasen wirken sich ebenfalls Die Milch der 450 Kühe geht ohne einen Zwischenhalt im negativ auf seinen Ackerbau aus. Doch was dagegen tun? Milchtank direkt in die Produktion der hofeigenen Käserei. „Für uns sind effiziente Kreisläufe der Schlüssel für nach- Dahinter lugen zwei Kuppeln hervor. Der Kuhmist ist wert- haltiges und klimaschonendes Wirtschaften“, so der Land- voller Rohstoff für die schon vor 20 Jahren gebaute Biogasan- wirt. Die Ökosystemleistungen seines Betriebs ergäben sich lage. Zusammen mit großflächigen Solarpaneelen auf den schon durch die gute fachliche Praxis. Laut Jasper lässt sich Stalldächern versorgt sie den gesamten Betrieb und 2 000 das auf eine einfache Formel bringen: „Suffizienz ist der ent- potenzielle Haushalte mit regenerativem Strom und wohliger scheidende Faktor! Also wie viel Energie bekomme ich aus Wärme. Der Backensholzer Hof hat einen eigenen Hofladen der eingesetzten Energie?“ Trotzdem ist dem Landwirt be- und verkauft die prämierten Käsesorten regional und natio- wusst, dass es keine geschlossenen Kreisläufe gibt, da der www.soel.de 19 ÖKOLOGIE & LANDBAU 03 | 2021
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