Richtig gut - Ärztekammer Steiermark

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Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
Das Magazin der Ärztekammer Steiermark                                           Februar 2017

                                         Abflug. Anästhesist Stefan Mager hat eine
                                         Leidenschaft für Flugzeuge.
                                         Anflug. Anwalt Stefan Schöller rät Ärzten bei
                                         Problemen mit Portalen zu schnellem Handeln.
                                         Landung. Angestelltenobmann Martin
                                         Wehrschütz hört auf und zieht Bilanz.

  richtig
  gut
     Bei Gesundheitspolitik-
     Debatten geht es um
     Fehler. Dabei
     wird vergessen,
     dass in der
     österreichischen
     Gesundheits-
     versorgung vieles
     sehr gut läuft.

                                                                                                         Foto Fotolia

                                                                              P.b.b. GZ 02Z033098 M
                                                       Ärztekammer für Steiermark, Kaiserfeldgasse 29,
                                                            8010 Graz, Retouren an PF555, 1008 Wien
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
17. seminare im märz
Der ärztekammer für steiermark

24. März bis 1. April 2017 I Graz
Kurse, Seminare und Vorträge für Ärztinnen und Ärzte

www.seminareimmaerz.at
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
update im Februar

                                                              DER LINK: allgemeinmedizin.medunigraz.at/UM11
                                                              TurnusärztInnen sind bis Ende Februar aufgerufen, an einer Umfrage zur Berufs-
                                                              motivation für die Allgemeinmedizin teilzunehmen; und zwar sowohl diejenigen,
                                                              die eine Berufslaufbahn in der Allgemeinmedizin anstreben, als auch jene, die das
                                                              explizit nicht möchten. Die Daten werden vom Institut für Allgemeinmedizin und
                                                              evidenzbasierte Versorgungsforschung der Meduni Graz anonym ausgewertet –
                                                              AERZ­TE Steiermark wird berichten.

  DATUM
                                                                                                  schlagzeile
                               6. April 2017                                                                          „Ob man sich impfen lässt, ist jedem
                                                                                                                      selbst überlassen. Dass aber auch Men-
   Der Tag der Ärztekammerwahl in der Steiermark. Wahl-                                                               schen, die in Krankenhäusern arbeiten
   berechtigt sind jene Ärztinnen und Ärzte, die zum Stichtag                                                         und deren Aufgabe es ist, anderen beim
   27.1.2017 ordentliche Mitglieder der steirischen Ärztekam-                                         Gesundwerden zu helfen, durchs Nicht-Impfen zu einer
   mer waren.                                                                                         Gesundheitsgefahr für ihre Patienten werden, sollte nicht
                                                                                                      toleriert werden.“
                                                                                                               Sonja Saurugger, Kleine Zeitung, 1. Februar 2017

  Die Zahl
                                                                                                  BUCHTIPP
                                31.700.000                                                                                  Traumberuf Arzt für Allgemeinmedi-
   (31,7 Millionen) Fitness & Activity Tracker für Smart-                                                                   zin. Eine Standortbestimmung
   phones sollen laut Prognose der US-amerikanischen                                                                        Herausgegeben von der Österreichi-
   Consumer Technology Association im Jahr 2017 verkauft                                                                    schen Ärztekammer
   werden. Verkaufswert: 2,6 Milliarden US-Dollar, das ist                                                                  Verlagshaus der Ärzte
   ein Zuwachs von 24 Prozent gegenüber 2016.                                                                               ISBN 978-3-99052-157-1
                                                                                                                            EUR 14,90

                                                                                      Hausarzt: Traumberuf oder Auslauf-
 Fortbildungstipp                                                                     modell? Mit der Broschüre „Traum- Ident-Nr. A-1
                                                               beruf Arzt für Allgemeinmedizin“ hält die Ärztekammer
                          Rechtsinformationen zum Be-
                                                        Klimakompensierte    Produktion                    Klimakompensierte
                                                               ein Plädoyer für die niedergelassene Allgemeinmedizin   und   Produktio
                          handlungsvertrag zwischen Arzt    www.climate-austria.at                             www.climate-austria.at
                                                               möchte all jenen Mut machen, die sich eine Berufslaufbahn
                                                                                                                                                                            Fotos: Verlagshaus der Ärzte, Ärztekammer

                          und Patient bietet am Donners-       als Arzt oder Ärztin für Allgemeinmedizin vorstellen kön-
                          tag, dem 30. März, von 19 bis 21     nen, aber noch zögern.
                          Uhr ein Modul der Seminare im        Das Büchlein gibt Einblick in Ausbildung, Fortbildung und
                          März. Herbert Emberger und           Berufsalltag, umfasst einen kleinen historischen Teil sowie
                          Thomas Wagner erläutern, was         Gedanken zur Zukunft des Hausarzt-Berufs. Auch Betrach-
                          genau Ärzte ihren Patienten          tungen zum Unternehmen Arztpraxis und zur Führung einer
   schulden. Anmeldung unter: https://www.med.or.at.           ärztlichen Hausapotheke finden darin Platz.

                                                                                                                          Förderung                            Kennzeichnung
IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger): Ärztekammer für Steiermark, Körperschaft öffentlichen Rechts | Redak­-
tionsadresse: 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29, Tel. 0316 / 8044-0, Fax: 0316 / 81 56 71, E-Mail: presse@aekstmk.or.at |
                                                                                                                         nachhaltiger                          für vorbildliche
Chefredaktion: Martin Novak | Koordination: Mag. Ursula Jungmeier-Scholz | Redaktionelle Betreuung und Produk-          Waldwirtschaft                         Waldwirtschaft
tion: CONCLUSIO PR Beratungs Gesellschaft mbH, Schmiedgasse 38, 8010 Graz | Gestaltung: Konrad Lindner |                PEFC/06-39-22                          HCA-COC-10029
Anzei­gen: Johann Grasser, Mediaberatung 8010 Graz, Wittenbauerstrasse 77b T 0699/12 80 18 28 grasser.med@
gmail.com; Mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Veröffentlichungen im Sinne § 26, Medienge-                   Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“
setz. | Druck: Stmk. Landesdruckerei GmbH, 8020 Graz | Abonnements: Eva Gutmann, Ärztekammer Steiermark, Tel.                    des Österreichischen Umweltzeichens,
                                                                                                                                                                            Foto:

0316 / 8044-40, Fax: 0316 / 81 56 71. Jahresabonnement (11 Ausgaben) EUR 25,–.                                                   Medienfabrik Graz, UW-Nr. 812

                                                                                                                                  Ærzte Steiermark || 02|2017        3
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
Plan A für Augenmaß

                                        themen

     Falsches Sparen ist ungesund.

                                                                                                                Themen

                                                                                                                Cover. Richtig gut                                     8
                                                                                                                Serie. Stefan Mager:
                                                                                                                Einmal Mond und retour                                12

                                                                     Das Ziel:
                                                                                                                Serie Primärversorgung . Skandinavien – Alles besser? 14
                                                                                                                Impftag. Fokus auf den Lifestyle                      18

                                                        Erstklassige
                                                                                                                Gesundheitspolitik. Plan A(ber) ...                   20
                                                                                                                Buch. Was kann die Gesundheitswirtschaft lernen?      22

                                                          Medizin
                                                                                                                Recht. Erste höchstgerichtliche Entscheidung zu Arztportalen 25
                                                                                                                CIRS. Erykonzentrat am Drei-Wege-Hahn
                                                                                                                der Arterie angeschlossen                                    27
                                                                                                                Expertentipp. Berechnung der Kammerumlage                    27
                                                                       für alle.                                ÄK-Wahl. Kundmachung der Wahlausschreibung                   28
                                                                                                                und der Wählerlisten
                                                                                                                ÄK-Wahl. Kundmachung der Wahlkommission                      32
                                                                                                                Fortbildung. Neuauflage des Basismoduls                      33
                                                                                                                Drogensubstitution
                                                                                                                Kommunikation. Explosion der Gesundheitskommunikation 34
                                               Fragen.
                                                                                    Steuer. Abgabenänderungsgesetz 2016                      35
                 Der schmale
bertragenen Sinne:            Gesundheitsteil
                           Kassenpraxis        im Plan
                                         20 Prozent    A von Bundeskanzler
                                                    Selbstbehalt zah- OECD. Dennoch          gibt es bei
                                                                                    Wohlfahrtsfonds.       MRT-/CT-für das Beitragsjahr 2017
                                                                                                        Information                          37
system ist eines Christian
                    der lenKern wirftspart
                              muss,   so manche  Fragen
                                            sich Frau  K.,auf. Und löst beiUntersuchungen
                                                           Bankange-                         zum
                                                                                    Wirtschaft  & Teil lange
                                                                                                  Erfolg. WieWarte-
                                                                                                              geht es Ihnen heute?           38
ber dennoch muss Betroffenen Zweifeldort
                      es stellte,    aus.diese 31,84 Euro. Allesamt zeiten, dieRat  PatientInnen   in die Privatzah-
                                                                                        & Daten. Schützen   Sie Ihre Ordi­na­tion            39
 sschen mehr auf Seite
                   sich20                                                           vor Ein­bruch und Van­dalismus
 ht wirklich krank,

                                                          Dinge, die die Menschen
                                                                                    Forschung in der Steiermark.
 fit. Es sollte nur sei-                                                            Resistente Mikroorganismen an Bord der ISS               40
enswandel ein wenig
doyer für Reformen.
                                                          wohl nie verstehen werden.                            Angestellte Ärztinnen und Ärzte

                                                          Und das zu Recht.
ht nur auf den ersten                                                                                           Kommentar                                                   6
wirkt: unterschiedli-                                                                                           Bilanz. Man ist der Schneepflug                            42
eichen Beiträgen. Das
äkologischen Ultra-
                                                                                                                Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
g, die von einzelnen                                     Dinge, die die Menschen wohl nie verste-     lung drängen. Und das, obwohl die
lt wird, über unter-                                     hen werden. Und das zu Recht. Im Gegen-      Kapazitäten  in Österreich noch deutlich
                                                                                                                Kommentar                                                   7
halte und Zuschüsse                                      teil wird dieses Phänomen sogar als weite-   über demGKK  EU-Schnitt
                                                                                                                        Abschlussliegen. Jedoch
                                                                                                                                  2016: Mehr als 3 Prozent und mehr        46
BVA-PatientInnen be-                                     rer Beleg einer Zwei-Klassen-Medizin         steigt der Bedarf daran jährlich an. Das
                                                                                                                Wenn es schnell gehen muss: Tool zur „Akutvertretung“      47
undhygiene einen Zu-                                     wahrgenommen. Erklärtes Ziel ist es des-     Problem liegt in der Vertragslage, an
                                                                                                                VU-Coloskopie und -Polypek­tomie                           48
on 35 Euro) bis hin zu                                   halb, alle Leistungen anzugleichen und       mangelnder Transparenz und Koordina-
Zuschüssen bei Psy-                                      Selbstbehalte zu streichen.                             Serie.den
                                                                                                      tion zwischen     Praktisch Täglich.
                                                                                                                           AnbieterInnen.                                  50
                                                                                                                Der Hausarzt wird´s schon richten
0 bis 50 Euro.
                                                         Wartezeiten bei                              In ZukunftZukunftskonferenz  Primärversorgung
                                                                                                                 sollen sich PatientInnen dar-                              51
gleichen,                                                MRT und CT reduzieren                        auf verlassen können, dass sie rasch und
streichen                                                                                             zeitgerecht eine Untersuchung bekom-
                                                                                                                Debatte                                                     6
        Fotos: Fotolia, SPÖ/Wagner Steinperl

                       Österreich verfügt über ein umfassendes                                        men. In dringenden
                                                                                                                News       Fällen muss die Ver-                            41
               Antworten.
 lbstständiger Grafik- Gesundheitssystem mit niederschwelli-                                          sorgung sichergestellt
                                                                                                                Referate     werden. Wie das ge-                           52
Gastroskopie in einer gem Zugang. Das bestätigt auch die                                              hen kann?
                                                                                                                Kleinanzeigen                                              53
                                               Die Statistik sagt: Gute Patientenbewertungen auf Ärzte­
                                               bewertungsportalen gibt es eher für verständnisvolle             Personalia                                                 55
                                               Gespräche als für medizinische Kompetenz.                        Quinz                                                      57
                                               Seite 38                                                         Ad Personam                                                68

                                               4   Ærzte Steiermark || 02|2017
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
bild des monats. Nachwuchspflege der besonderen Art betreibt die Medizinische Universität Graz mit ihrem
kinderCampus. Jüngste Aktivität ist die Reihe vorLESUNG. Dafür lesen Prominente Kindern aus ihrem Lieblingskin-
derbuch vor. Rektor Hellmut Samonigg startete mit dem Buch „Ein Apfel für alle“ von Feridun Oral und erzählte den
Kindern von der spannenden und ereignisreichen Suche von der Maus, dem Hasen, dem Fuchs und dem Bären
nach einem Apfel, den sie nur gemeinsam erreichen und deshalb auch gemeinsam verspeisen können.

 epikrise                      Kurze Nachricht aus der Redaktion

                                In Deutschland sind Termin-      Sie finden sich im Plan A      aber ein wenig besprochenes
         Terminservice-         servicestellen (für Facharzt-    von Bundeskanzler Christian    und doch so naheliegendes:
         stellen sind in        termine) bereits ein Reizwort.   Kern und verklausuliert auch   Was ist toll an Österreichs
         Österreich weni-       Es wurden um sehr viel Geld      im Regierungsübereinkom-       Gesundheitssystem, das in
         ger unbeliebt als      sehr wenige Termine vermit-      men. Wir haben Experten zu     letzter Zeit nur nach seinen
         in Deutschland.        telt, so die Erfahrungen nach    diesen Plänen befragt (Seite   Schwächen abgeklopft wur-
         Weil es sie (noch)     einem Jahr. In Österreich        20). Unser Hauptthema ist      de? Die Antwort: viel.
         nicht gibt?            gibt es noch keine Erfah-
                                rungen. Das erklärt vielleicht   AERZTE Steiermark Frage des
                                auch, warum die Ablehnung        Monats: Terminservicestellen       5,1
                                mit 43,5 Prozent nicht so        für Facharzt-Termine in                         43,5
                                entschieden ist, wie unsere      Österreich?                     10,9
         Folgen Sie uns         Frage des Monats Jänner zeigt.     Nein
         auch auf Twitter:     „Terminservicestellen“ – nur
                                                                                                                               Foto: Meduni Graz

                                                                   Ja
         www.twitter.com/       für CT- und MRT-Termine                                                   40,6
                                                                   Weiß nicht
         AERZTE_NEWS           – beginnen aber auch in Ös-         Sonstiges                  n=138
                                terreich ein Thema zu werden.

                                                                                            Ærzte Steiermark || 02|2017    5
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
kont a                                                         intra
                   Wolfgang Pfister                                            Martin Wehrschütz

                                                                               Die Medizin darf keine
                   Ausdünnung befürchtet                                       Grenzen haben

Viel Diskussionsstoff liefert die Gesundheits- und Spi-        Im allgemeinen Reformgeschrei der letzten Zeit
talsreform in der gesamten Steiermark. In den Bezirken         ist eine Reform fast untergegangen – vielleicht
Murtal und Murau befürchtet die Bevölkerung eine               weil sie „nur“ die Ärztinnen und Ärzte betrifft:
Aus­dünnung der Gesundheitsversorgung in der Region.           die Reform der Ärzteausbildung. Natürlich wurde
Während sich die Abläufe im Spitalsverbund Judenburg-          trotzdem darüber berichtet und ich will die De-
Knittelfeld und den darin zusammengeführten Stand-             tails auch nicht wiederholen.
orten Judenburg und Knittelfeld inzwischen gut einge-
spielt haben und die Zuständigkeiten klar sind, herrscht       Eines ist mir jedoch wichtig: Das wesentliche Ziel
vor allem im Bezirk Murau immer noch Unsicherheit,             dieser umfassenden Neugestaltung war es, dafür
was die weitere Zukunft des Standortes auf der Stolzalpe       zu sorgen, dass österreichische Ärztinnen und
und die damit verbundene Versorgung der Bevölkerung            Ärzte mit ihren Zeugnissen überall in Europa An-
im Bezirk betrifft. Nach der Schließung der Internen           erkennung finden. Denn Länder haben Grenzen,
Abteilung am LKH Stolzalpe erfolgt die internistische          auch im Europa des 21. Jahrhunderts, die Medizin
Versorgung nunmehr ausschließlich durch die Interne            soll sie aber nicht haben. Und eine junge Ärztin,
Abteilung am LKH Knittelfeld. Der Spitalsverbund Ju-           ein junger Arzt aus Österreich, die oder der in
denburg-Knittelfeld betreibt am Standort Stolzalpe aber        einem Land Erfahrungen sammeln will, soll nicht
zudem eine dislozierte internistische Notfallambulanz.         durch die Nichtanerkennung ihrer bzw. seiner
Die Schließung der Internen Abteilung am LKH Stolzal-          Ausbildung gebremst werden.
pe wird in der Murauer Bevölkerung noch immer sehr
emotional diskutiert und kritisiert.                           Aber der Ärztemangel, höre ich rufen. Die Jungen
                                                               sollen doch hierbleiben. Einfache Antwort: Ers­
Landtagsabgeordnete Manuela Khom (ÖVP) aus                     tens sollen die Jungen nicht hierbleiben, weil sie
Murau, seit 16. Juni 2015 auch Zweite Landtagspräsi-           dazu gezwungen sind, sondern weil sie es wollen,
dentin, sieht den LKH-Standort Stolzalpe durch die             weil die Bedingungen für sie stimmen. Zweitens:
zusätzliche Installierung einer „Ortho Rem“, die auf           Hierbleiben soll nicht heißen, nie im Ausland
eine Initiative des Ärzteteams rund um Primaria Dr.            gewesen zu sein. Auch ein Spital in Deutschland,
Walpurga Lick-Schiffer zurückgeht, gesichert. Das hat          England, Dänemark, Belgien … und die Arbeit
auch Landesrat Christopher Drexler so kolportiert. Im          dort erlebt zu haben, kann ein wichtiger Teil der
regionalen Strukturplan für Gesundheit ist das LKH             Qualität der Ausbildung sein.
Stolzalpe jedenfalls als „steirischer Zukunfts-Standort“
eingezeichnet.                                                 Viele auch ältere Ärztinnen und Ärzte verweisen
                                                               in ihrer Biografie gerne auf Zeiten in anderen
Der „Steirische Gesundheitsplan 2035“ sieht nur mehr je        Ländern. Das darf man den jungen Kolleginnen
ein Leitspital in jeder der sieben steirischen Regionen vor.   und Kollegen nicht verwehren – im Gegenteil, je-
Exklusive Uniklinik und Landesnervenklinik Sigmund             dem, dem die Qualität der Medizin in Öster­reich
Freud. Dazu sollen noch effizient und wirtschaftlich           am Herzen liegt, muss froh und dankbar sein,
arbeitende Gesundheits- und Facharztzentren kommen.            wenn sie von Ärztinnen und Ärzten getragen
Vor allem in ländlichen Regionen werden in Zukunft             wird, die auch andere Teile Europas und der Welt
aber Versorgungsengpässe befürchtet. Parallel zur ge-          kennen. Wir sollten stolz sein, wenn Österreichs
planten „Qualitätsverbesserung“ im medizinischen Be-           Medizin international anerkannt wird. Und wir
reich und den damit verbundenen Schritten müssen die           müssen ständig daran arbeiten, dass sie diese An-
Verantwortlichen ihre Ziele der Bevölkerung glaubwür-          erkennung finden kann.
dig verkaufen. Die Akzeptanz wird nicht zuletzt von ei-
ner offenen und ehrlichen Informationspolitik abhängen.        Vizepräsident Dr. Martin Wehrschütz
                                                               ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte.
Wolfgang Pfister ist Chefredakteur und Geschäftsfüh-
rer der „Murtaler Zeitung“ und der „WOCHE Murtal“.             Weiterer Kurienbericht ab Seite 42.

6   Ærzte Steiermark || 02|2017
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
debatte

extra                                                 Standortbestimmung
                Jörg Garzarolli                       Herwig Lindner

                Mehr für die                          Wahlen sind kein Selbstzweck,
                Primärversorgung                      sie sind die Basis

Und sie bewegt sich doch, soll Galileo Galilei        Richtig ist: In der Ärztekammer wird gewählt. Falsch ist aber,
gesagt haben. Was für die Erde gilt, gilt auch für    was Gegner der Ärzteschaft schon seit Monaten behaupten: dass
die Gebietskrankenkasse. Während und trotz der        wir Dinge wollen und andere ablehnen, weil es Wahlen in der
heftigen Dispute um die 15a-Vereinbarung ist es       Ärztekammer gibt.
uns gelungen, einen „echten“ Vertragsabschluss
zu schaffen.                                          Wir haben (erfolgreich) für die Arbeitsbedingungen der Spitals­
                                                      ärzte gekämpft, lange bevor Wahlen ins Haus standen. Weil der
Das Gesamtvolumen ist mit mehr als drei Pro-          Zeitpunkt der richtige war. Wir kämpfen für die Arbeitsbedin-
zent in Zeiten einer Inflationsrate von weniger als   gungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, weil es jetzt
einem Prozent sehr akzeptabel.                        erforderlich ist, weil die Politik es jetzt zum Thema gemacht hat.

Was aber noch wichtiger ist: Mit dem Abschluss        Dafür, dass wir uns durch
sind auch wichtige strukturelle Signale möglich.      Wahlen nicht davon abhalten

                                                                                                        ?
Das Wichtigste ist die Beseitigung der letzten        lassen, das Richtige zu tun, wer-
Stufe der Ordinationsdegression.                      den wir uns nicht entschuldigen.
                                                      Dass Menschen im politischen
Solche Signale brauchen wir. Sie stärken die          Umfeld Wahlen gerne als Tot-
Kontinuität der Behandlung. Dieses hohe Gut           schlagargument benutzen, sagt
wischen ja die Fans der staatlich gesteuerten         nichts über die Ärzteschaft, aber
Primärversorgungsindustrie gerne beiseite,            leider viel über die politische
obwohl sie genau wissen, dass die Gewährleis­         Logik, der manche in der Politik
tung der „Continuity of Care“ nicht nur einem         und um die Politik huldigen.
Grundbedürfnis der Patientinnen und Patienten
entspricht, sondern auch ein ganz wesentliches        Dass Ärztinnen und Ärzte, die bei Ärztekammerwahlen antre-
Kriterium qualitätsvoller Primärversorgung ist.       ten, gewählt werden wollen, liegt auf der Hand. Sie wollen das
                                                      aber, um etwas zustande zu bringen. Und versuchen nicht, etwas
Wie Sie vielleicht schon gehört haben, werde ich      zustande zu bringen, damit sie gewählt werden. Böse Zungen be-
in der nächsten Periode nicht mehr für die Funk-      haupten ja, das wäre in der „richtigen“ Politik anders.
tion des Kurienobmanns zu Verfügung stehen.                                                                                  Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, Furgler, Hassler/Kleine Zeitung. Grafik: Mirko Maric´
Daher freut es mich besonders, dass dieser Ver-       Ich weiß auch schon, was das nächste „Totschlagargument“ sein
trag gelungen ist. Zu tun bleibt dennoch genug,       wird: Wenn die Wahlbeteiligung bei den Ärztekammerwahlen
das weiß ich. Kurzfristig geht es vor allem um        nicht mehr als 100 Prozent beträgt, sprechen die Hilfskräfte der
Zusammenarbeitsmöglichkeiten ohne wirtschaft-         politisch Verantwortlichen den Vertreterinnen und Vertretern
liche Hemmnisse. Wer aber „Stärkung der Pri-          der Ärzteschaft sicher das Recht ab, Schaden von der Ärzteschaft
märversorgung“ sagt, und damit nicht „Verknap-        abzuwenden, und sich das Recht zu, über die Ärztinnen und
pung der Medizin“ meint (bei manchen habe ich         Ärzte drüberzufahren.
den Eindruck), wird sich dem nicht verwehren.
Und angeblich gibt es ja Geld für diese Stärkung.     Das ist in dreifacher Hinsicht perfide: Erstens wollen sie damit
Die darf nur nicht in eine teure Primärversor-        die Ärztinnen und Ärzte schwächen, sie erleichtern es sich, die
gungsbürokratie verschleudert werden, sie muss        Rechte der Patientinnen und Patienten zu beschneiden, die in
tatsächlich in die Versorgung gehen. Das wün-         Österreich leider keine (starke) Stimme haben, sie stellen damit
sche ich uns allen.                                   aber letztlich das Prinzip der Demokratie in Frage.

Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli                     Denn Wahlen sind kein Unfall und kein Selbstzweck. Sie sind
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.           die Basis eines demokratischen Systems.

Weiterer Kurienbericht ab Seite 46.                   Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark.

                                                                                           Ærzte Steiermark || 02|2017   7
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
COVER

Richtig                                                                       Müttersterblichkeit

gut                                                                                 Österreich

Österreich hat eines der besten Gesund-
heitssysteme der Welt. Kaum ein Kritiker ver-
gisst auf diesen Einleitungssatz, bevor er über
                                                                                         4
das Gesundheitssystem in Österreich wettert.
                                                                                   von 100.000
Aber wir wollten wissen, was an Österreichs
Gesundheitssystem bei aller Notwendigkeit                                  Europäische Region:
zur ständigen Weiterentwicklung richtig gut
ist. Und sind auf einige Daten, Fakten aber                                   16 von 100.000
auch Expertenmeinungen gestoßen, die der
österreichischen Gesundheitsversorgung tat-
sächlich sehr gute Noten ausstellen – auch im                                     Maternal mortality ratio
Vergleich zu Europa insgesamt.                                                  (WHO Health Statistics 2016)

                               — Drei von 1.000 Lebendge- boren werden, als überlebens- drittgradigen Verbrennung
      martin novak
                               borenen sterben im ersten fähig angesehen.                    von 30 Prozent der Hautober-
„Auf Basis von Zahlen, die ge- Lebensjahr – vier Jahrzehnte                                  fläche Standard.
 rade in den Kram passen, wird zuvor waren es noch 29, also — Das Anästhesie-induzierte
 Gesundheitspolitik gemacht“, fast zehnmal mehr.             Mortalitätsrisiko liegt heute Das sind nur einige wenige
 sagt Gesundheits­ökonom und                                 bei 1:800.000 vor 50 Jahren Beispiele zur massiv – um
Arzt Ernest Pichl­   bauer. In — Die Zahl der Kinder mit betrug es 1:1.500. In diesem nicht zu sagen explosiv – ge-
 den Kram passen derzeit vor angeborenem Herzfehler, die Bereich ist die Medizin also stiegenen Leistungsfähigkeit
 allem Zahlen, die Österreichs das Erwachsenenalter erleben, mehr als 500-mal besser als in der Medizin. „Hätte 1960 bis
 Gesundheitssystem in eher hat sich in 50 Jahren mehr den 60er Jahren des vorigen 1965 jemand das prophezeit,
 düsteren Farben erscheinen als verdoppelt – heute sind es Jahrhunderts.                     was 2015 Wirklichkeit ge-
 lassen. Ander­ erseits kommt dank exzellenter Diagnostik                                    worden ist – die Allermeisten
 kaum eine Aussage zur Lage 90 Prozent.                      — Die Verbrennungschirur- hätten das wohl als Science
 des österreichischen Gesund-                                gie spricht heute von einer Fiction tituliert“, meinte Sa-
 heitssystems ohne den Satz — Früher bedeuteten Frühge- 50prozentigen Überlebens- monigg in seinem Vortrag.
 es sei „eines der besten der burten vor der 34. Schwan- wahrscheinlichkeit bei einer
Welt“ aus.                     gerschaftswoche eine äußerst Verbrennung dritten Grades Nun sind das keine Entwick-
                               geringe Ü berlebenswahr- von 75 Prozent der Hautober- lungen, die nur Österreich
Was aber ist nun gut am ös- scheinlichkeit. Heute wer- fläche. Vor fünf Jahrzehnten betreffen. Aber die Zahlen der
 terreichischen Gesundheits- den Kinder, die ab der 23. war dieselbe Überlebens- Weltgesundheitsorganisation
 system? Was rechtfertigt den Schwangerschaftswoche ge- wahrscheinlichkeit bei einer und der OECD zeigen, dass in
 Superlativ? Einiges, wie die                                                                Österreich vieles besser läuft
 Zahlen aber auch Aussagen                                                                   als in anderen Ländern der
 von Fachleuten belegen.                      „Hätte 1960 bis 1965 jemand das               „Europäischen Region“ (die
                                                                                             die WHO vergleicht) und der
                                               prophezeit, was 2015 Wirklichkeit
 Hellmut Samonigg, Rektor                                                                    28 Länder der Europäischen
 der Medizinischen Univer-                     geworden ist – die allermeisten               Union (OECD-Vergleich). Die
 sität Graz, hat etwa für die                  hätten das wohl als Science Fiction           Qualität betrifft nicht die
 Konferenz zur steirischen Ge-                                                               High-Tech-Medizin, sondern
                                               tituliert.“
 sundheitsreform im Juni 2016                                                                auch ganz einfache Fragen,
 Zahlen zusammengetragen,                      Hellmut Samonigg                              die gar nicht zwangsläufig
 beeindruckende Zahlen.                                                                      mit der medizinischen Ver-

8    Ærzte Steiermark || 02|2017
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
COVER

                                                                                Blutdruck, Krebs,
                 Kindersterblichkeit                                           Diabetes, chronische
                                                                             Atemwegserkrankungen
                        Österreich                                            Wahrscheinlicher Tod
                                                                            zwischen 30 und 70 Jahren

                       2,1
                                                                                         Österreich

        von 1.000 Lebendgeburten                                               12 %
             Europäische Region:                                               Europäische Region:
                11,3 von 1.000                                                     18,4 Prozent

            Under-five mortality rate per 1000 live births      Probability of dying from any of CVD, cancer, diabetes, CRD between age
                   (WHO Health Statistics 2016)                             30 and exact age 70 (WHO Health Statistics 2016)

sorgung im engeren Sinn zu-   Noch ein „Zugangswert“: 101 Reinhold Glehr, Allgemein-                 ohne vorgeschaltete, filternde
sammenhängen. Die Wahr-       von 100.000 Österreicher­ mediziner in Hartberg und                   „ n icht ä r z t l iche“ B er u fe .
scheinlichkeit, in Österreich Innen sterben, obwohl die langjähriger Präsident der                   Gleichzeitig sei eine gute Zu-
an den Folgen verunreinigten  Medizin den Tod aufgrund Österreichischen Gesel l-                     sammenarbeit mit selbststän-
Wassers bzw. unzureichender   ihrer Leistungsfähigkeit hätte schaft für Allgemeinmedizin             digen Assistenz- und Pf le-
Hygiene zu sterben, ist sechs-verhindern können, wenn Pa- (ÖGAM), hervor, wenn er                    geberufen in gegenseitigem
mal geringer als in der Euro- tientin oder Patient rechtzei- über die Qualität in Öster­             Respekt sehr gut möglich
päischen WHO-Region ins-      tig in die Versorgung gekom- reich spricht: „Im europä-                und Realität. Was sich, so
gesamt – und auch deutlich    men wäre. Das sind immer ischen Vergleich gibt es ei-                  Glehr, auch in der gesund-
kleiner als in vielen anderen noch zu viele, aber der Wert nen überdurchschnittlichen                heitlichen Selbsteinschätzung
westeuropäischen Ländern.     ist klar besser als der EU- Ressourceneinsatz, der sich                der Menschen niederschlage:
Die Wahrscheinlichkeit, ver-  Durchschnitt von 119. Und sowohl in den strukturellen                 „Rund 70 Prozent der österrei-
sehentlich an den Folgen einerauch besser als die Zahlen als auch in den personellen                 chischen Wohnbevölkerung
Vergiftung zu sterben, ist in in den Nachbarländern Slo- Ressourcen manifestiert. Da-                über 15 Jahre schätzen laut
Österreich ebenfalls nahezu   wenien, Ungarn, Slowakei, durch ergibt sich jedoch bis                 BMG 2013 ihren allgemeinen
sechsmal geringer als in der  Tschechien und Deutschland. jetzt ein sehr guter Zugang                Gesundheitszustand als sehr
Europäischen Region.          Besser sind die Schweiz und zu Gesundheitsleistungen.“                 gut oder gut ein. Das spricht
                              Italien.                        Im Gegensatz zu nordischen             für die Effektivität und die
Niederschwelliger                                             Ländern bestehe immer noch             Breitenversorgung auf hohem
Zugang                        Den Zugang zur Gesund- ein niederschwelliger Zugang                    Niveau.“
Auch der Zugang zu nieder- heitsversorgung hebt auch zur „ärztlichen“ Medizin
schwelliger Versorgung ist in                                                                       Glehr weist auch auf die hohe
                                                                                                                                           Foto, Grafik: Fotolia, Conclusio, Schiffer, Scheinast

mancher Hinsicht deutlich                                                                           Angebotsvielfalt hin: „Die
besser als ihr Ruf. So liegt                  „Im Gegensatz zu nordischen                           Patienten können sich jene
die Wahrscheinlichkeit, in                                                                          Ärztinnen oder Ärzte als Ver-
                                               Ländern besteht immer noch ein
einer Notaufnahme zu landen,                                                                        trauensperson aussuchen, die
weil kein für die Primär-                      niederschwelliger Zugang zur                         ihrem Typ entsprechen. Im
versorgung zuständiger Arzt                   ‚ärztlichen‘ Medizin.“                                Bereich der Hausarztmedizin
verfügbar ist, in Österreich                                                                        ermöglicht die persönliche
                                               Reinhold Glehr
deutlich unter dem Wert der                                                                         Kontinuität der Betreuung
Europäischen Region.                                                                                und Behandlung eine in-
                                                                                                    haltliche Breite im Sinn von

                                                                                                 Ærzte Steiermark || 02|2017        9
Richtig gut - Ärztekammer Steiermark
cover

                            Wasser, Sanitär, Hygiene:                                                Tod durch unbeabsichtigte
                               Sterblichkeit durch                                                          Vergiftung
                           unsichere Serviceleistungen

                                         Österreich                                                              Österreich

                                        0,1                                                                     0,4
                            pro 100.000 Einwohner                                                    pro 100.000 Einwohner

                              Europäische Region:                                                      Europäische Region:
                                      0,6                                                                      2,3

                     Mortality rate attributed to exposure to unsafe WASH services         Mortality rate from unintentional poisoning per 100.000 population
                        per 100.000 population (WHO Health Statistics 2016)                                   (WHO Health Statistics 2016)

                 Zuständigkeit für physische, Gesundheitssystem – noch                  traktivierungsmodelle für Ärz-       in technischer Hinsicht mit
                 psychische und soziale As- – nicht vorkommt, dass aus                  tinnen und Ärzte mit neuem           immer mehr minimalinvasiven
                 pekte über viele Krankheits­ Altersgründen etc. Begren-                Gehaltsschema, zusätzlichen          Eingriffsmöglichkeiten, Hy-
                 episoden. Die Langzeitbetreu- zungen der Leistungen gefor-             neuen Karrieremodellen aber          brid-OPs, der OP-Saal-Robotik
                 ung hat hohe Qualität durch dert sind“. Es stehe so gut wie            auch verbesserten Angeboten z.       oder das ,Demenz-fit-machen‘
                 die erlebte Anamnese und die jedermann „das gesamte Me-                B. hinsichtlich Familienfreund-      unserer Spitäler durch Farb-
                 vom Patienten selbst gewählte dizinsystem zur Verfügung“.              lichkeit, Wiedereinstieg oder        gebungs- und Lichtkonzepte
                 Beziehung. Sie unterstützt Dies, sagt Wolf, sei „in ande-              für die Zielgruppe 50 plus.“         und Spezialausbildungen für
                 Therapieadhärenz, reduziert ren EU-Ländern keineswegs                  Dazu komme die steirische            die Mitarbeiter ebenso wie die
                 Überdiagnostik und Überbe- mehr üblich“.                               Reformfreudigkeit auch im            elektronische Fiebertafel, die
                 handlung sowie Schnittstel-                                            Gesundheitswesen, was Per-           viel Papier ersparen kann. Di-
                 lenprobleme und Fehler.“       Für Karlheinz Tscheliessnigg,           spektiven auf eine neue Struk-       rekt vor der Tür steht aber auch
                                                den Vorstandsvorsitzenden der           tur eröffne, „die etwa attraktive    bereits der Ausbau der teleme-
                Ähnlich sieht es Emmerich KAGes, steht aus Spitalssicht                 Ärzteausbildungsstellen und          dizinischen Möglichkeiten, der
                 Zeichen, Obmann der Fach- der Faktor Mensch im Vorder-                 eine hochqualifizierte Patien-       den chronisch kranken Pati-
                 gruppe Gynäkologie in der grund: „Grundsätzlich sind es                tenversorgung auch für die Zu-       enten (z. B. bei Herzinsuffizi-
                Ärztekammer Steiermark: die hoch motivierten Mitarbei-                  kunft durch die Konzentration        enz, Diabetes oder Krebs) viele
                „Wir haben in unserem Land terinnen und Mitarbeiter und                 auf Leit- und Schwerpunkt-           Fahrten in die Ambulanzen
                 in der Grundversorgung noch die vielen positiven Entwick-              spitäler und das Zentrums-           ersparen kann.“
                 alle den gleichen Zugang und lungen im Verhältnis Dienstge-            spital LKH Universitätsklini-
                 sollten uns die freie Arztwahl ber/Dienstnehmer – wie etwa             kum bietet“. Er spricht aber         Spitze in der
                 bewahren und junge Ärz- die Entwicklung individueller,                 auch die Wissenschaft an: „Ein       Akutversorgung
                 tinnen und Ärzte motivieren, dynamischer Dienstzeitmodel-              Highlight ist der permanente        Auch Pichlbauer, oft scharfer
                 insbesondere im ländlichen le – ebenso wie die neuen At-               Fortschritt der Medizin, sei es      Kritiker, sieht die Stärken
                 Raum diese Grundversor-                                                                                     in Österreich: „In der Akut­
                 gung aufrechtzuerhalten.“                                                                                   versorgung sind wir Spitze,
                                                                       „Grundsätzlich sind es die hoch                       innerhalb kürzester Zeit be-
                 Für den Landes- und Bun-                               motivierten Mitarbeiterinnen und                     kommt man einen Termin.“
                 desfachgruppenobmann für                               Mitarbeiter … “                                      Pichlbauer wäre aber nicht
                 Chirurgie, Gerhard Wolf, ist                                                                                Pichl­
                                                                                                                                  bauer, würde er nicht
Foto: Furgler

                 der größte positive Punkt,                             Karlheinz Tscheliessnigg                             auch auf Negatives hinweisen:
                „dass es im österreichischen                                                                                „In der Versorgung chronisch

                10    Ærzte Steiermark || 02|2017
cover

            Durch optimale Qualität                                                         Antibiotika-
           der Gesundheitsversorgung                                                      Verschreibungen
             vermeidbare Todesfälle
                                                                                              Österreich
                        Österreich

                    101                                                                 13,9
                                                                                   Definierte tägl. Dosen
            pro 100.000 Einwohner                                                  je 1.000 Ew. und Tag

               Europäische Union:                                                    Europäische Union:
                      119                                                                   21,9
      Amenable mortality rates, 2013 (Health at a Glance 2016)            Overall volume of antibiotics prescribed, 2014 or nearest year,
                                                                          DDDs per 1000 population, per day (Health at a Glance 2016)

                  Sterblichkeit durch                                                 Notaufnahme wegen
                   Zervixkarzinom                                                    Nichterreichbarkeit des
                                                                                       Primärversorgers
                        Österreich
                                                                                              Österreich

                      4,2                                                    18,5 %
                 je 100.000 Frauen

               Europäische Union:                                                    Europäische Union:
                       4,7                                                                26,7 %

           Cervical cancer mortality, 2013 or nearest years,          Proportion of patients who visited an emergency department because the
  age-standardised rates per 100000 women (Health at a Glance 2016)     primary care physican was not available (Health at a Glance 2016)

Kranker haben wir Schwä-                                                                                   chronischen Erkrankung zu
chen.“ Die beiden Bereiche                                                                                 sterben, ebenfalls unter dem
seien „kommunizierende                                                                                     Wert der Europa-Region liegt.
Gefäße“, aber in Österreich                          „Auf Basis von Zahlen, die                            Aber wie sagt Pichl­   b auer?
glaube man, „beides gleich                            gerade in den Kram passen, wird                      Wir schauen auf die Zahlen,
gut abdecken zu können“.                                                                                   die uns gerade in den Kram
                                                                                                                                                 Foto: Wilke, Fotolia

                                                      Gesundheitspolitik gemacht.“
Wobei laut WHO-Statistik in                                                                                passen …
Österreich die Wahrschein-                            Ernest Pichlbauer                                    Mitarbeit: Ursula
lichkeit, an den Folgen einer                                                                              Jungmeier-Scholz

                                                                                                     Ærzte Steiermark || 02|2017            11
serie Arzt im besonderen Dienst

Einmal Mond und retour
Der Anästhesist Dr. Stefan Mager ist ein lebendes Lexi-
kon, was Flugzeuge anbelangt. Für sein Hobby Plane-Spotting
sammelt er Flüge und Flugzeuge und hält sie in Daten und Fo-
tografien fest.

                                   traulicher als in einem großen     Diese dienen der Flugstatistik, weit weniger zu merken als
      Walter Hoch
                                   Spital“, so Mager.                 die jeder Anhänger dieses bei einer kleinen Piper.
Manchmal wird die Entschei-                                           Hobbys führt. Mager fliegt
dung für ein Lebens-Hobby          „Ich gehe dann spotten … dann mit Flugzeugen oder … und bringe tolle
vor der zu einem bestimmten         Es war der erste Flug mit dem mit Fluglinien, mit denen er Fotos mit!“
Beruf gefällt. Stefan Mager,       Vater in den Urlaub nach bisher noch nicht geflogen ist. Für ein gelungenes Spotter-
1972 in Lienz geboren, packte       Griechenland 1980, der so Meist sind das Kurzflüge.               Foto sollte außer dem Flug-
im zarten Alter von 8 Jahren        nachhaltig wirkte. In einem                                       zeug nichts anderes im Bild
die Faszination für Flug-          Alter, in dem andere 8-Jährige Seine Flugstatistik bis Stichtag sein, also keine Plattform
zeuge. Doch erst einige Zeit        dem Lederball nachhetzen, 20. 1. 2017 ist beachtlich: 343 oder Ähnliches. Das Wetter
später – mit 16 – kristallisier-    ging der kleine Stefan zum Flüge, 47 verschiedene Flug- muss klar sein, deswegen do-
te sich dann die Liebe zum          Flughafen Graz-Thalerhof linien mit 52 Flugzeugtypen, miniert der Zeitraum April
Arztberuf heraus – erleichtert     „Flugzeug schauen“. Mit 13 auf 61 Flughäfen in 24 Län- bis Oktober. Meist wird vom
durch Vorbilder in der Fami-        wurde er zum klassischen dern, Flugstrecke insgesamt: Boden aus, vom Rand des
lie: sein Vater und sein Onkel      Spotter.                          700.000 km. Das ist großzügig Rollfeldes fotografiert.
waren Ärzte.                                                          gerechnet: einmal zum Mond
                                    Ein Planespotter erfasst von und wieder retour.                   Eine Stehleiter, um über den
Nach Schulzeit und Univer-          den Flugzeugen am Flugha-                                         Absperrzaun zu reichen, ist oft
sität in Graz durchlief Ma-         fen vier markante Merkmale: Neben mehreren anderen As- unentbehrlich für eine gute
ger die üblichen Turnus-            Zu welcher Fluglinie gehört pekten sind es vor allem zwei Sicht auf den Anflugbereich.
Stationen, wählte aber aus          der Flieger, welches Flugzeug Dinge, die Mager am Pla- Immerhin bauen aber man-
eigenen Stücken zusätzlich          ist es (eine Boeing 777, eine nespotting faszinieren: Das che Flughäfen, z. B. Zürich,
noch eine Turnusstelle in           Fokker 100, ein Airbus 320 Schweben in und über den eigens Löcher in die Zäune
Rottenmann auf der Anäs-            oder welches sonst?), welches Wolken, das Fliegen an sich, – nur für die Spotter. Stimmt
thesie. Diese führte 2005 zu        Kennzeichen hat es (jeder empfindet er noch immer als alles, dann wird das Foto
seiner Facharzt-Ausbildung          Flieger hat eines), ist es spezi- Genuss. Und dann interes- in einem Spotter-Forum im
im Fach Anästhesie. Seit 2011       ell bemalt?                       siert ihn die Technik dahin- Internet veröffentlicht. Durch
ist Mager mit Leib und See-                                           ter. Etwa die Frage: Welche den Vergleich eigener Fotos
le Oberarzt der Anästhesie          Mit 15 kam zu den schrift- Kräfte sind notwendig, damit und der eigenen Flugstatistik
im LKH Hochsteiermark in            lichen Aufzeichnungen das ein Jumbo-Jet mit immer- mit jenen von anderen Spot-
Bruck/Mur. „Ich genieße das         Fotografieren hinzu. Und hin 400 Tonnen Gewicht in tern eignet man sich auch ein
kleinere Haus, hier hat man         seit er 20 war, genehmigt die Luft gebracht wird? Ein großes Fachwissen über das
zwar nicht so viele Kollegen,       sich Mager zusätzlich zu den Großraumf lugzeug verleiht Fliegen an.
dafür lernt man die aber viel       Urlaubsflügen 1 bis 3 Flüge ein eher behäbiges Fluggefühl,
besser kennen und wird ver-         jährlich nur für sich allein. die Steig- und Sinkraten sind Kleinere Sportflieger sind auf

12    Ærzte Steiermark || 02|2017
serie Arzt im besonderen Dienst

einem Foto erst in ihren De-          „Seine Flugstatistik bis Stichtag 20. 1. 2017       doch vorwiegend das Boden-
tails erkennbar, wo sie doch                                                              personal gelegentlich seine
sonst für das menschliche              ist beachtlich: 343 Flüge, 47 verschiedene         Fotos und seine spezifischen
Auge viel zu schnell unter-             Fluglinien mit 52 Flugzeugtypen, auf 61           Kenntnisse. So kommt er
wegs sind. Die Schärfe des                     Flughäfen in 24 Ländern.“                  auch ganz nahe an einen wei-
Fliegers im Vordergrund und                                                               teren Punkt seines Interesses
der verschwommene, wie ver-                                                               heran: „Es fasziniert einen,
wischte Foto-Hintergrund        ja im Freien stattfindet, ist es
                                                          in der frischen Luft entlang-   wenn man Schritt für Schritt
lässt ein Geschwindigkeitsge-   für ihn der ideale Ausgleich
                                                          geht. 2016 war Mager 84 Mal     miterlebt, wie hier aus den
fühl entstehen, das beim Be-    zur Tätigkeit in den geschlos-
                                                          am Flughafen Graz-Thaler-       140.000 Fluggästen im Jahr
trachten viel bewusster wird    senen Räumen im Spital.   hof zum Spotten. Vieles dort    1980 ein Gäste-Volumen von
als im TV oder bei Air-Races.                             ist ihm seit langem bekannt,    beinahe über einer Million
                              Seine Frau hat sein – doch weil er in Schul- und Studi-     entstanden ist. Was hier alles
Mit der Tochter ins Freie etwas zeitaufwendiges Hobby enzeiten in der Frachtabtei-        in der Flughafen-Gestaltung
Zwar sieht Mager keine di- – gleichsam mitgeheiratet. In- lung im Rahmen von meh-         und vor allem in der Fluglo-
                                                                                                                           Fotos: Mager, beigestellt

rekte Verbindung zwischen zwischen begleitet ihn auch reren Ferienjobs gearbeitet         gistik in Bewegung gekom-
dem Spotten und der Anäs- die 5-jährige Tochter gerne, hat. Darüber hinaus ist er         men ist …“, gerät Mager ins
thesie. Aber weil das Spotten wenn er das Flughafen-Areal auch gerne gesehen, nützt       Schwärmen.

                                                                                      Ærzte Steiermark || 02|2017   13
serie Primärversorgung 2

                    Skandinavien: Alles besser?
                    Dänemark, Norwegen, Schweden – die Länder im Norden Europas
                    gelten als Vorzeigemodelle, wenn es um Bildung, Soziales und Gesundheit
                    geht. Gilt das auch für die Primärversorgung?

                                                    mark und Österreich gleich-     nals zusammen. Zusätzlich Allgemeinmediziner/in mehr
                       Stefan korsatko
                                                    auf. Dänemark kommt mit         wurden in den letzten Jahren als ein/e durchschnittliche/r
                    Dänemark, Schweden und          fast einem Drittel der Kran-    zahlreiche Gesundheitszen- Oberärztin/arzt im Kranken-
                    Norwegen belegen in den         kenhausbetten aus, die Zahl     tren („Municipal Health Ser- haus.
                    meisten europäischen Ran-       der Entlassungen war 2014       vices“) geschaffen, in denen
                    kings Top-Platzierungen. Bei    mit 152 Personen pro 1.000      AllgemeinmedizinerInnen Die allgemeinmedizinische
                    der Einkommensverteilung        Einwohner etwas mehr als        mit Pflegekräften, Physiothe- Ausbildung dauert in Däne-
                    liegt Dänemark ganz vorne,      halb so hoch wie in Öster-      rapeutInnen, Psychothera- mark sechs Jahre, wobei min-
                    der Reichtum Norwegens ist      reich. Bei uns landen Dia-      peutInnen, Hebammen und destens 30 Monate in einer
                    Legende und in kaum einem       betiker dreimal häufiger im     anderen Gesundheitsberufen öffentlich finanzierten allge-
                    Land ist die Gleichstellung     stationären Bereich als in den  zusammenarbeiten.             meinmedizinischen Lehrpra-
                    der Geschlechter so fortge-     drei ausgewählten skandina-                                   xis absolviert werden müssen.
                    schritten wie in Schweden.      vischen Ländern.                Von den 28 Mitgliedsstaaten Eine Rezertifizierung ist nicht
                    Was Schweden betrifft, lei-                                     der EU haben 15 ein Gatekee- verpflichtend, jedoch muss
                    den ohnehin viele von uns       In der Primärversorgung ar- ping-System. Das bedeutet, ein Mindestmaß an Fort- und
                    am „Bullerbü-Syndrom“, bei      beiten unterschiedliche Ge- AllgemeinmedizinerInnen Weiterbildung nachgewiesen
                    welchem Schweden als ein        sundheitsberufe, wobei selbst- oder Primär versorgungs- werden. Die akademische
                    romantischer Ort idealisiert    ständig tätige Allgemein- einrichtungen müssen im Verankerung der Allgemein-
                    wird, mit glücklichen Men-      medizinerInnen mit öffent- Krankheitsfall zuerst aufge- medizin hat in Dänemark
                    schen in roten Häusern, um-     lichem Vertrag eine zentrale sucht werden. In Dänemark eine lange Tradition. Allein
                    geben von einer unberührten     Rolle einnehmen. 98 Prozent gibt es Anreize, zuerst in in der Sektion Allgemein-
                    Natur, geführt von klugen       der Bevölkerung sind bei die Primärversorgung zu medizin am Department Pu-
                    und unbestechlichen Politi-     einer/m Hausärztin/arzt ein- gehen, bei Zuzahlung kann blic Health der Universität
                    kern.                           geschrieben. Im Schnitt sind aber auch der direkte Weg Kopenhagen arbeiten über
                                                    es 1.600 Personen pro Ärztin/ zur fachärztlichen Sekun- 40 Personen. Mit fast 100
                    Auch in der aktuellen Debatte   Arzt. Der Frauenanteil in der därversorgung gewählt wer- in MEDLINE gelisteten Pu-
                    rund um die Primärversor-       Allgemeinmedizin liegt bei 43 den. Die Primärversorgung blikationen pro Jahr schafft
                    gung sind es die skandina-      Prozent. Im Schnitt sehen die muss gesetzlich vorgeschrie- die akademische Allgemein-
                    vischen Länder, die anschei-    Dänen ihre/ihren Hausärztin/ ben 24 Stunden am Tag das medizin in Dänemark mehr
                    nend alles besser machen als    arzt 7-mal pro Jahr und da- ganze Jahr über erreichbar Veröffentlichungen als ihre
                    wir hier in Österreich. In      mit in etwa gleich oft wie die sein. Die Bezahlung erfolgt österreichischen Kollegen in
                    diesem Teil der Serie zur       Österreicher. Seit 1980 nimmt über einen Mix aus Kopf- den letzten 50 Jahren.
                    Primärversorgung in Europa      die Zahl der Gruppenpraxen pauschale (zirka ein Drittel
                    wollen wir uns Dänemark,        stetig zu. Derzeit arbeiten et- des Einkommens) und Ein- Das „Danish College of Ge-
                    Norwegen und Schweden nä-       was mehr als zwei Drittel der zelleistungsvergütung. Ein/e neral Practice“ entwickelt
                    her betrachtena.                HausärztInnen in Dänemark typische/r Hausarzt/ärztin er- praxisrelevante Leitlinien
                                                    mit mindestens einer/einem hält 95 Prozent des Einkom- und sorgt gemeinsam mit
                    Dänemark – hoher Grad           weiteren Hausärztin/arzt und mens aus öffentlichen Mit- der öffentlich finanzierten
                    der Zusammenarbeit              im Schnitt mit zwei nicht- teln. In Dänemark verdient „Danish Quality Unit of Ge-
                    Dänemark ist etwas kleiner      ärztlichen Health Professio- eine/ein durchschnittliche/r neral Practice“ (DAK-E) für
                    als Österreich und mit 130                                                                    die Qualitätssicherung. Alle
                    Einwohnern pro km 2 dich-                                                                     HausärztInnen verwenden
                    ter besiedelt. 11 Prozent des        „Auch in der aktuellen Debatte rund um die               eine einheitliche Software,
                    Bruttoinlandsprodukts (BIP)        Primärversorgung sind es die skandinavischen               mittels  der eine elektronische
                    fließen in das durch Steuern                                                                  Patientenakte angelegt wird.
                    finanzierte Gesundheitssys­        Länder, die anscheinend alles besser machen als            Die Daten werden zentral
Grafik: Conclusio

                    tem. Bei den Ausgaben pro                         wir hier in Österreich.“                    gespeichert und für die Qua-
                    Einwohner und bei der Le-                                                                     litätssicherung und Versor-
                    benserwartung liegen Däne-                                                                    gungsforschung verwendet.

                    14    Ærzte Steiermark || 02|2017
serie Primärversorgung 2

                                                                                               Stark organisierte
                                                                                               Primärversorgung
                                                                                               Mittel organisierte
         5,2 Mio. Einwohner            Schweden                                                Primärversorgung
         385.199 km2 Fläche                                                                    Schwach organisierte
         13 Einwohner/km2                                                                      Primärversorgung
                                                     9,9 Mio. Einwohner
                                                     447.435 km2 Fläche
                                                     22 Einwohner/km2                       Arzt-Patienten-Kontakte auf
                                                                                            durchschnittlich 24 pro Tag
                                                                                            beschränkt ist. Die Konsultati-
                                                                                            onszeiten sind daher mit ca. 15
                  Norwegen
                                                                                            Minuten auch deutlich länger
                                                                8,7 Mio. Einwohner          als in Deutschland.“
                                                                83.879 km2 Fläche
                                                                104 Einwohner/km2           Schweden – Land der
                                                                                            Primärversorgungs­
                                                                                            zentren
                                                                                            Schwedens 9,9 Millionen Ein-
                                                                                            wohner sind auf die fünffache
5,7 Mio. Einwohner                                              Österreich                  Fläche Österreichs verteilt.
42.921 km2 Fläche                                                                           Das ergibt eine sehr dünne
130 Einwohner/km2    Dänemark                                                               Besiedelung von nur 22 Ein-
                                                                                            wohnern pro km2. Etwa 11
                                                                                            Prozent des BIP fließen in
                                                                                            das durch Steuern finanzierte
HausärztInnen können sich      onen mit der allgemeinmedi- Leistungsspektrum ist größer     Gesundheitssystem, das ent-
anhand der Daten auch direkt   zinischen Standesvertretung, als das ihrer deutschen Kol-    spricht mit 3.937 Euro pro
mit anderen HausärztInnen      dass nicht nachbesetzbare legen. Es wird viel delegiert.     Kopf ungefähr den Ausgaben
vergleichen.                   allgemeinmedizinische Stel- Arztsekretäre übernehmen         in Österreich.
                               len auch mit Sonderverträgen administrative und medizi-
Auch Dänemark erlebt eine bzw. direkten öffentlichen nische Tätigkeiten von der            Obwohl die Lebenserwar-
Pensionierungswelle und Anstellungsverhältnissen be- Terminvereinbarung über Te-           tung in Schweden in etwa
kämpft mit einem Mangel setzt werden können.                lefonkonsultationen bis hin    der von Österreich entspricht,
an HausärztInnen, vor allem                                 zu eigenständigen Hausbe-      haben schwedische Frauen
in den ländlichen Regionen. Erfahrungsbericht der deut- suchen. Den größten Teil der       und Männer im Schnitt 14
Deshalb gibt es seit über zehn schen Allgemeinmedizinerin Routineversorgung chronisch      gesunde Lebensjahre mehr zu
Jahren viele Maßnahmen zur Solveig Carminkeb:               kranker Patienten überneh-     erwarten. Schweden hat wie
Attraktivierung der Allge- „Hausärzte haben eine Schlüs- men in Dänemark Pflegekräfte.     Dänemark nur ein Drittel der
meinmedizin. Seit 2011 gibt es selposition im dänischen Diese Praxisorganisation trägt     Krankenhausbetten Öster-
eine Vereinbarung der Regi- Gesundheitssystem und ihr dazu bei, dass die Anzahl der        reichs (2,5 statt 7,6 pro 1.000
                                                                                                           E i n w o h n e r)
                                                                                                           und liegt auch
Gesundheitskennzahlen im Vergleich                                                                         bei der Zahl
Wert                                                   Dänemark Norwegen Schweden     Österreich           der Kranken-
Lebenserwartung Frauen                                      82,8     84,2     84,2          84,0           hausent las-
Lebenserwartung Männer                                      78,7     80,1     80,4          79,2           sungen deut-
Gesunde Lebenserwartung Frauen                              61,4     69,8     73,6           57,8          lich niedriger
Gesunde Lebenserwartung Männer                              60,3     72,2     73,6           57,6          (158 Personen
Gesundheitsausgaben in % des BIP gesamt                     10,6       9,9     11,1         10,4           pro 1.000 Ein-
Öffentliche Gesundheitsausgaben in % des BIP                 8,9       8,5      9,3           7,9          wohner).
Gesundheitsausgaben/Kopf EUR PPP* gesamt                   3.773    4.681    3.937          3.789
Öffentl. Gesundheitsausg./Kopf in EUR PPP*                 3.175    3.990    3.295          2.884    Daten
                                                                                                      aus      In Schweden
Ambulante Gesundheitsausgaben/% der Gesamtausgaben            34        28      34              28   „Health   wird die Pri-
Krankenhaus-Entlassungen/1.000 Ew. pro Jahr                  152      168      158            263     at a     mär versor-
Vermeidb. KH-Einweisungen Diabetes pro 100.000 Ew.           125        85     110            300     Glance
                                                                                                     2016“     gung von den
Durchschnittl. Arztbesuche/Person und Jahr                   4,5       4,3      2,9            6,8   (OECD)    290 Landkrei-

                                                                                       Ærzte Steiermark || 02|2017      15
serie Primärversorgung 2

     Norwegen kämpft mit einem
     andauernden Ärztemangel. Zirka 15
                                                              Großteil in einem PVZ ab- wann verschrieben bekommen
     Prozent der ÄrztInnen in Norwegen                        solviert wird. PVZ sind somit hat. Die weniger rosigen Seiten
     kommen aus dem Ausland, vorwiegend                       wichtige Ausbildungs- und sind lange Wartezeiten, hohe
     aus den skandinavischen Nachbarländern.                  Forschungseinrichtungen. In Selbstbeteiligungen und der
                                                              Schweden gibt es sieben aka- Ärztemangel. Mein ,Traumge-
                                                              demische Einrichtungen für sundheitssystem, liegt irgend-
                                                             „Family Medicine“. Allein das wo zwischen Deutschland und
                                                             Team an der Universität Upp- Schweden.“
                                                              sala hat über 40 Mitarbeiter­
                                                              Innen. Seit Jahren gibt es Norwegen – Starke
                                                              in Schweden einen Mangel Hausarztbindung und
sen organisiert. Die Haupt- wenn zumeist HausärztInnen        an AllgemeinmedizinerInnen. Zeit für Gespräche
aufgabe übernehmen Primär- diese Aufgabe übernehmen,          Deshalb werden Interessen- Norwegen hat zwar nur 5,2
versorgungszentren (PVZ), kommt es auch vor, dass di-         ten aus der EU bei ihrem Millionen Einwohner, die ver-
in denen verschiedene Ge- plomierte Pf legefachkräfte         Einstieg in das schwedische teilen sich aber auf die zehn-
sundheitsberufe eng zusam- die Leitung innehaben.             Gesundheitssystem sehr gut fache Fläche von Österreich.
menarbeiten. Mit der Ge- Schweden hat zwar kein strik-        unterstützt.                     Das entspricht 13 Einwohnern
sundheitsreform 2012 nahm tes Gatekeeper-System, trotz-                                        pro km2. Norwegen ist nach
der Anteil der privat finan- dem erfolgt der Zugang zur       Erfahrungsbericht der deut- Luxemburg das zweitreichs-
zierten PVZ deutlich zu und fast ausschließlich im statio-    schen Allgemeinmediziners te Land Europas. Zum Ver-
liegt derzeit bei 40 Prozent. nären Bereich angebotenen       Florian Klärc:                   gleich: Österreich liegt an der
Im Schnitt versorgt ein PVZ fachärztlichen Versorgung fast   „Arbeiten im Verbund ist das 6., Schweden an der 7. und
7.000 bis 8.000 eingeschrie- immer über die Primärver-        Grundprinzip. So sind neben Dänemark an der 9. Stelle.
bene Patient­Innen, wobei die sorgung. PVZ haben von 8:00     Hausärzten auch Pflegekräfte Norwegen gibt 10 Prozent
Größe und personelle Aus- Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet.         und Physiotherapeuten in den seines BIP für Gesundheit
stattung stark variieren.     Viele PVZ können zwischen       Primärversorgungszentren be- aus. Kaufkraftbereinigt ist das
                              17:00 Uhr bis 22.00 Uhr und     schäftigt. Typisch für Schwe- mit € 4.681 pro Kopf deutlich
In einem typischen PVZ einige auch zwischen 22:00             den sind flache Hierarchien. mehr als in Österreich. Ob-
arbeiten vier bis sechs All- und 08:00 aufgesucht wer-        Der Umgang miteinander ist wohl die Lebenserwartung
gemeinmedizinerInnen mit den. Telefon-Hotlines haben          entspannt und kollegial. Es in Norwegen in etwa der von
Pflegekräften (District Nur- in Schweden eine lange Tra-      zählt die Leistungskompetenz, Österreich entspricht, ha-
ses), PhysiotherapeutInnen, dition und sind rund um die       nicht die berufliche Qualifika- ben norwegische Frauen und
PsychologInnen, Sozialarbei- Uhr erreichbar. Kleinere Ver-    tion. In den ersten vier Jahren Männer im Schnitt 13 gesunde
terInnen etc. zusammen. Der letzungen werden in Schwe-        war eine Krankenschwester Lebensjahre mehr zu erwarten.
Frauenanteil unter den Ärzt­ den immer in einem PVZ           meine Chefin. Nicht Hausärzte, Auch Norwegen kommt mit
Innen liegt bei über 50 Pro- versorgt. Auch Präventions-      sondern Krankenschwestern der Hälfte der Krankenhaus-
zent. Teilzeitmodelle in der und gesundheitsförderliche       machen in Dalarna Haus- betten Österreichs aus (3,8
Primärversorgung sind die Maßnahmen werden großteils          besuche. Der Hausarzt hat statt 7,6 pro 1.000 Einwohner)
Regel und nicht die Ausnah- von PVZ übernommen, wo-           die Funktion des ,Gatekeepers‘, und liegt auch bei der Zahl
me. Für die administrativen bei auch hier nicht-ärztliche     der Patienten an seine Fach- der Krankenhausentlassungen
Aufgaben in einem PVZ gibt Gesundheitsberufe zentrale         arztkollegen überweist. Ärzte deutlich niedriger (168 Per-
es eigenes Personal. Pflege- Aufgaben übernehmen.             in Schweden haben insgesamt sonen pro 1.000 Einwohner).
personen übernehmen das                                       mehr Zeit für die ärztliche Tä-
selbstständige Management Im Rahmen ihrer Ausbildung          tigkeit. Weiterbildung zählt als Die meisten HausärztInnen
chronischer Erkrankungen, verbringen alle ÄrztInnen in       Arbeitszeit. Jede Provinz, jedes in Norwegen sind selbststän-
oder die Verschreibung und Schweden zumindest sechs           Bundesland benutzt dasselbe dig und Vertragspartner einer
Verabreichung von Medika- Monate in der Primärversor-         Computerprogramm. So kann der über 400 „Municipalities“.
menten. Derzeit gibt es keine gung. Die allgemeinmedizi-      ich als Arzt das gesamte Ver- Diese sind gesetzlich ver-
gesetzliche Bestimmung, wer nische Fachärzteausbildung        sorgungsprofil eines Patienten pflichtet, eine Primärversor-
ein PVZ leiten darf. Auch dauert fünf Jahre, wobei der        einsehen und weiß, was er gung anzubieten. Die direkte

16   Ærzte Steiermark || 02|2017
serie Primärversorgung 2

Inanspruchnahme von fachärztlicher        Erfahrungsbericht der deutschen All-
oder stationärer Versorgung ist in Nor-    gemeinmediziners Harald Kampsde:
wegen nur in Notfällen möglich oder       „Ich habe etwa 20 Jahre als Allgemein-
                                                                                                 Erleichterungen bei der
privat zu bezahlen. Fast alle Norweger     mediziner in Norwegen gearbeitet – als                USt auch für Ärzte
sind bei einem/r Allgemeinmediziner/       staatlich angestellter Distriktsarzt, als
in oder Primärversorgungseinrichtung      Gemeindearzt mit festem Gehalt und
eingeschrieben. Norweger müssen für        als Listenarzt in der mittelnorwe-
jeden Hausarztbesuch einen Eigenan-        gischen Universitätsstadt Trondheim.
teil von zirka 15 Euro bezahlen. Die      Ich habe immer in hausärztlichen                       Bei der Berechnung der Kleinunter-
                                                                                                 nehmergrenze wird es zu einer Verein-
meisten HausärztInnen arbeiten in         Gemeinschaftspraxen gearbeitet. Ein
                                                                                                 fachung kommen. Ab 2017 sind bei
multiprofessionellen Primärversor-        Patientengespräch dauerte meist 20 Mi-                 der Berechnung der Umsatzgrenze
gungsteams, weniger als 10 Prozent         nuten, an einem Tag waren meist 15 bis                von EUR 30.000 bestimmte unecht
sind in Einzelpraxen tätig. Zirka 40      20 Patienten in meinem Sprechzimmer,                   umsatzsteuerbefreite Umsätze nicht
Prozent sind Frauen, die oft Teilzeit      sowohl auf dem Lande wie in der Stadt.                mehr einzubeziehen. Diese unecht
arbeiten. Das Einkommen setzt sich        Täglich erlebte ich eine gute Zusam-                   umsatzsteuerbefreiten Umsätze sind
                                                                                                 beispielsweise Tätigkeiten als als Arzt
aus der Abrechnung von Einzelleis­         menarbeit mit der kommunalen Haus-
                                                                                                 oder als Vortragender an Erwachse-
tungen, des Eigenanteils der Patienten     krankenpflege oder dem kommunalen                     nenbildungseinrichtungen.
und einem festen Satz für jeden einge-    Pflegeheim. Hier arbeiteten kompetente
schriebenen Patienten zusammen und         und motivierte Krankenpfleger, nicht                  Beispiel: Ein Arzt erzielt Honorare aus
beträgt zirka 125.000 Euro pro Jahr.       auf Weisung des Arztes, sondern mit                   ärztlicher Tätigkeit von EUR 80.000,
                                                                                                 zusätzlich hält er Vorträge und erhält
Eine 2010 durchgeführte Befragung          eigenen Qualitätszielen und direkt von
                                                                                                 daraus Einnahmen in Höhe von EUR
zeigte, dass die Wartezeiten auf einen     den Menschen beauftragt. Hausarzt-                    12.000.
Termin bei HausärztInnen über dem          arbeit wurde oft als gute Teamarbeit
europäischen Durschnitt liegen. Auf        erlebt.“                                              Bis einschließlich 2016 mussten die
der anderen Seite gibt es kaum ein                                                               Vorträge umsatzsteuerpflichtig behan-
                                                                                                 delt werden, weil der Gesamtumsatz
Land in Europa, wo die Bindung an         a
                                            Quellenzitate zur Erstellung dieser Pu-
                                                                                                 EUR 92.000 beträgt und somit die
eine/n persönliche/n Hausärztin/arzt      blikation finden sich im Teil 1 dieser Ar-             Kleinunternehmergrenze überschritten
so hoch ist wie in Norwegen.              tikelserie, in AERZTE Steiermark 1/2017.               wurde. Von den Vorträgen waren 20
                                          b
                                            http://www.allgemeinmedizin.uni-jena.                % Umsatzsteuer abzuliefern, jedoch
Norwegen kämpft mit einem andau-          de/content/publikationen/2014/e46794/                  stand auch der Vorsteuerabzug zu.
ernden Ärztemangel. Zirka 15 Prozent      infoboxContent46811/2014-003_Carmi-                    Ab dem Jahr 2017 wird nun der unecht
der ÄrztInnen in Norwegen kommen          enkeetal_AllgemeinmedizininDnemark_                    befreite Umsatz als Arzt in die Berech-
aus dem Ausland, vorwiegend aus den       ger.pdf (gekürzt und zusammengefasst)                  nung der Kleinunternehmergrenze
skandinavischen Nachbarländern. Nach      c
                                            www.laekh.de/images/Hessisches_Ae-                   nicht mehr einbezogen. Somit kann
dem Medizinstudium absolvieren alle       rzteblatt/2015/09_2015/Im_Gespraech_                   für die Einnahmen aus den Vorträgen
ÄrztInnen in Norwegen eine 18-mona-       Schweden_09_2015.pdf (gekürzt und                      die Kleinunternehmerregelung in An-
                                                                                                 spruch genommen werden. Es muss
tige Praktikumszeit, davon 6 Monate in    zusammengefasst)                                       für die Vorträge keine Umsatzsteuer
der Primärversorgung. Die allgemein-      d
                                            https://www.online-zfa.de/article/                   verrechnet werden, dafür steht auch
medizinische fachärztliche Ausbildung     vergleich-des-deutschen-mit-dem-                       kein Vorsteuerabzug zu.
dauert mindestens fünf Jahre, wovon       norwegischen-primaerarztsystem-aus-
mindestens drei Jahre in einem PVZ        aerztlicher-sicht/originalarbeit-original-
absolviert werden müssen. Fachärz-        papers/y/m/978
tInnen für Allgemeinmedizin müssen        e
                                            https://www.aerzteblatt.de/pdf/105/23/
alle fünf Jahre eine Rezertifizierung     a1276.pdf (gekürzt und zusammen­
bestehen und eine bestimmte Anzahl        gefasst)
von Fortbildungspunkten erwerben. Die
akademische Verankerung der Allge- Veranstaltungstipp: Zukunftskonfe-
                                                                                                                                           Foto: beigestellt

meinmedizin ist in Norwegen hervorra- renz 2.0: Interprofessionalität in der
                                                                                       Anzeige

gend. Dementsprechend beeindruckend Primärversorgung. 7. und 8. April
ist auch der Forschungs-Output.        2017 an der Meduni Graz.

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