Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox

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Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
Fr. 8.20 9/September 2019

                                                                           T
                                                                 DERHEF
                                                       MIT SON
Jesper Juul
                                                                     hl
Wie der Therapeut
lebte und inspirierte
                                                       B e r uf sw a
                                                                   N
                                                             68 SEITE

Thomas Minder
Das Klassenzimmer
der Zukunft soll auch
ein Wohnzimmer sein

Wie Schule
gelingt
So bringen Eltern und Lehrpersonen die Schule in Bewegung
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
Du bist anders.
Du teilst deinen Erfolg mit mir.
Allein 2019 gibst du deinen Versicherten
über 170 Mio. Franken zurück.
                                vorbehältlich Genehmigung BAG

                                www.concordia.ch
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
Editorial

                                                Liebe Leserin, lieber Leser

                                                Sein Credo war: Eltern müssen nicht konsequent sein, sondern glaubwürdig. Gute Eltern-
                                                Kind-Beziehungen fallen nicht vom Himmel – sie müssen gestaltet werden. Und: Kinder
                                                brauchen keine Grenzen, sondern Beziehung. Jesper
                                                Juul hat wie kein anderer in den vergangenen Jahr-
                                                zehnten Menschen mit seinen Erziehungs- und Bezie-
                                                hungsprinzipien geprägt. Am 25. Juli ist unser Kolum-
                                                nist im Alter von 71 Jahren nach langer Krankheit
        Bild: Geri Born

                                                gestorben. Caroline Märki kannte Jesper Juul persön-
                                                lich. Die Gründerin von familylab.ch, einem Bera-
                                                tungsnetzwerk für Familien, erinnert sich in ihrem
                          Nik Niethammer        Nachruf an einen Mann und Freund, der «mein Leben
                          Chefredaktor          unendlich bereichert hat». Ab Seite 64.
                                                                                                          Caroline Märki mit Jesper Juul in
                                                «Wir möchten nicht, dass so getan wird, als wäre          seiner Wohnung in Odder, Dänemark.
                                                eine Revolution nötig, weil angeblich nichts funktio-     Das Bild entstand am 7. August 2017.
                                                niert und das System Schule kaputt ist. Wir möchten
                                                aufzeigen, wie Lehrpersonen und Eltern Positives bewirken und einen Unterschied machen
                                                können.» So beschrieben die Lernexperten Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler
                                                vor einem halben Jahr ihr K­ onzept «Wie Schule gelingt». Nun liegt das Dossier vor. Ihr Fazit:
                                                In öffentlichen Schulen tut sich einiges. Und: Wenn Eltern möchten, dass sich noch mehr
                                                bewegt, sollten sie die Lehrpersonen ihrer Kinder unterstützen. «Wie Schule gelingt» –
                                                ein Dossier, das Mut macht. Ab Seite 10.

                                              Von Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler erscheint in diesen Tagen
                                              ein neues Buch. In «Geborgen, mutig, frei» geben die beiden Autoren eine
                                              Vielzahl von Tipps, wie Eltern das Selbstwertgefühl und das Selbstver­
                                                           trauen ihrer Kinder stärken können. Getreu ihrer Philosophie:
                                                           Kinder, die ihre Stärken kennen und nutzen und ihre
   «Betrachten Sie Ihre                    Familie         ­Schwächen akzeptieren, kommen besser durchs Leben.
   als neues spannendes Projekt,
                                                              Seit dem 1. August ist Thomas Minder oberster Schulleiter      Verlag Herder,
   dessen einzelne Teilnehmer                                 der Deutschschweiz. Wie sich der Thurgauer das Klassen-        240 Seiten,
   nicht von vornherein bestens                               zimmer der Zukunft vorstellt und wie er über die Abschaf-      ca. 33 Franken.
   qualifiziert sind.»                                        fung von Hausaufgaben denkt, hat er meiner Kollegin
                                                              ­Evelin ­Hartmann und mir ver­raten. Auf den neuen Präsidenten des Schul­
   Jesper Juul, dänischer Familientherapeut                    leiterverbandes wartet eine Fülle von Herausforderungen; Ausdauer und
   (1948 – 2019)                                               ein langer Atem sind gefragt. Für Thomas Minder vertraute Eigenschaften:
                                                               Der Mann ist leidenschaftlicher Mountainbiker. Ab Seite 38.

                                                Für viele Jugendliche hat in diesen Tagen das neue Lehrjahr begonnen. Noch sind Tausende
                                                Ausbildungsplätze nicht besetzt. Warum es für viele Betriebe schwieriger geworden ist,
                                                Lehrlinge zu finden, wie die Suche nach einer Lehrstelle gelingt und was die Digitalisierung
                                                für die Berufswahl bedeutet, sind drei der Themen in unserem 68 Seiten starken Sonderheft
                                                zur Berufswahl. Es liegt dieser Ausgabe bei.

                                                Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen.                                 Erfahren Sie mehr
                                                                                                                      zur aktuellen Ausgabe
                                                Herzlichst – Ihr Nik Niethammer
                                                                                                                      in unserem Coverfilm.
                                                                                                                                                  Bild: Privat

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi     September 20193
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
Inhalt
                               Ausgabe 9/September 2019
                                                                                         Erziehung & Schule
                                                                                         38	«Das Schulzimmer der Zukunft
                                                                                             ist eine Mischung aus Wohnzimmer
                                                                                             und Werkraum»
                               Aktuelle Texte, exklusive Kolumnen, Videos und                Thomas Minder, der oberste Schweizer
                               einen direkten Draht zur Redaktion finden Sie auf             Schulleiter, im Monatsinterview.
                               fritzundfraenzi.ch und                                    44	Mach doch, was dir Spass macht!
                               facebook.com/fritzundfraenzi                                  Eine sinnvolle Freizeitgestaltung
                                                                                             für ein Kind ist das, was es gerne tut.

                                                                                         84	So verstehen Kinder
                                                                                             das ­Familienbudget
                                                                                             Auch Geldthemen gehören an
                                                                                             den ­Familientisch, aber nicht alle.

                               10
                               Dossier:
                               Wie Schule gelingt
                               10	Eine gute Schule: Was ist das?
                                   Wir sollten für die Schule statt gegen
                                   das System kämpfen – warum und wie
                                   sagen die Fritz+Fränzi-Lernexperten.

                               28	Lehrpersonen müssen
                                   in Führung gehen
                                   Eine Klasse demokratisch zu führen

                                                                                                                                               Bilder: Franziska Messner-Rast, Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, ZVG, Westend61 / Getty Images
                                   braucht Mut, aber zahlt sich für alle aus.

                               33	«Wer geliebt werden will,
                                   ist im Lehrerberuf verloren»
                                   Pädagogin Maike Plath sagt, die Schule
                                   habe gute Biografien zu ermöglichen.

                                                      Cover
                                                      Wann Schule gelingt,
                                                      wissen Schülerinnen
                                                      und Schüler am
Bild: Franziska Messner-Rast

                                                      besten. Wir haben für
                                                      dieses Dossier viele
                                                      junge Experten befragt
                                                      und in drei Klassen
                                                      fotografiert.

                               4                                                  September 2019   Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
38
Thomas Minder weiss aus Erfahrung,
                                               66
                                             Wie nimmt man Abschied vom eigenen
                                                                                            78
                                                                                          Der Frühling ist für vom Heuschnupfen
wie einsam die Rolle des Schulleiters ist.   Kind? Reportage über eine betroffene         geplagte Kinder eine Leidenszeit. Der Herbst
Er fordert, den Job attraktiver zu machen.   Mutter und die Arbeit einer Bestatterin.     ist die Zeit, um etwas dagegen zu tun.

Reportage                                    62	Sieben Apps, die den Schulalltag         74	Elterncoaching
                                                 erleichtern                                  Zu viel elterliche Sorge lädt einem
66	Kinderbestattungen:                          Diese Anwendungen machen das                 Kind Druck auf, schreibt unser
    Wenn jedes Detail zählt                      Smartphone zum Lernhelfer.                   Kolumnist Fabian Grolimund.
    Eine Familientrauerbegleiterin und
    eine Mutter erzählen vom Umgang
    mit dem Verlust eines Kindes.            Ernährung & Gesundheit                       Service
                                             76	Proteinkonsum und Muskelwahn             35	Im nächsten Heft
Psychologie & Gesellschaft                       Fitness-Nahrungsmittel sind mit
                                                 Bedacht zu geniessen.                    36	Verlosung
50	Warum Mütter nach der Geburt
    wieder arbeiten und warum nicht          78	So kommen Kinder besser durch            86	Ein Wochenende in …
    Investitionen in Betreuungsplätze            die Heuschnupfenzeit                          … den Schweizer Jugendherbergen.
    entlasten auch den Staatshaushalt.           Wen im Frühling die Pollen plagen,
                                                 der sollte im Herbst vorbeugen.          88	Sponsoren / Impressum / Abo
52	Wie Familie gelingt:
    Eltern sein – Paar bleiben                                                            89	Buchtipps
    So bleibt die Paarbeziehung im           Rubriken                                         Ein fesselnder Mailwechsel zweier
    Familientrubel intakt.                                                                    Schwestern wider Willen.
                                             6	Entdecken
                                                                                          90	Eine Frage – drei Meinungen
Digital & Medial                             36	Michèle Binswanger                           Der Sohn will sich eine Shisha
                                                  Wie unsere Kolumnistin im Zimmer             kaufen und zu Hause mit Freunden
58	Die Leere nach den Likes                      ihres Sohnes eine Putzattacke erlitt.        rauchen. Erlauben oder verbieten?
    Kolumnist Thomas Feibel über
    soziale Netzwerke und Gefühle.           46	Leserbriefe & Kommentare

60	Wenn Eltern und Kinder nicht             64	Nachruf
    auf derselben Wellenlänge surfen              Wie Jesper Juul mein Leben
    Konflikte um die Mediennutzung                ­veränderte
    hängen oft mit unterschiedlichen              familylab-Gründerin Caroline Märki
    Sinneswahrnehmungen zusammen.                 erzählt, wie ihre Begegnungen mit         Die nächste Ausgabe erscheint
                                                  unserem Kolumnisten sie prägten.          am 1. Oktober 2019.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 20195
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
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                                                                                                                       Hilfe geht durch
                                                                                                                       den Magen
                                                                                                                       Seit zwei Jahren unterstützt die feine
                                                                                                                       und liebevoll verpackte Lunchbox
                                                                                                                       von Nannette Keller Familien mit

       3 FRAGEN
                                                                                                                       einem kranken Kind oder Elternteil
                                                                                                                       in Bern. Neu sind die Essenspakete in
                                                                                                                       der ganzen Schweiz erhältlich. Für
             an Jill Aeschlimann, Verantwortliche bei elternsofa.ch                                                    betroffene Familien kostet eine gelie-
                                                                                                                       ferte Mahlzeit 10 Franken pro Person,
                                                                                                                       Aussenstehende bezahlen 20 Franken.
             «Man kann sich ohne grosse                          Eltern eines Kindes mit geistiger Behinderung
                                                                                                                       Die erste Bestellung ist für Betroffene
             Erklärungen verstanden                              sind mit besonderen Situationen konfrontiert.
                                                                                                                       kostenlos und wird von Spenden
                                                                 Wie gehe ich die Integration meines Kindes in
             fühlen»                                             den Kindergarten am besten an? Was tun
                                                                                                                       finanziert. Gekocht wird das Essen
                                                                                                                       von La Cultina, einem integrativen
             Eltern als Experten – darauf setzt das              gegen nervige Blicke im Bus? Was bringt
                                                                                                                       Schulrestaurant für junge Menschen
             neue Angebot Elternsofa von insieme.                die Rechen-App «mathildr» für Kids mit
                                                                                                                       aus Krisengebieten.
             Die Selbsthilfeorganisation engagiert               Down-Syndrom? Der Weg zur Fachstelle ist oft
             sich für und mit Menschen mit geistiger             aufwendig und das Wissen der Experten nicht           www.nanas-lunchbox.ch
             Behinderung. Sie sorgt für gute Lebens­             immer leicht umzusetzen im eigenen Alltag.
             bedingungen, informiert und berät                   Das Elternsofa bietet hier praxiserprobte Tipps
             Betroffene, Eltern, Freunde und Fach­               – von Eltern zu Eltern. Vielen Müttern und
             kreise, bietet Weiterbildung sowie                  Vätern eines Kindes mit geistiger Behinderung         Wer ist Wuschel?
             vielfältige Freizeit- und Förderangebote            tut es manchmal auch einfach gut, sich mit
                                                                                                                       Ein Fuchs-Paar adoptiert ein kleines
             in allen Regionen der Schweiz an.                   Eltern in einer ähnlichen Situation aus­zu­
                                                                                                                       Tierbaby, das lieber Gras als Spitz-
                                                                 tauschen, sich nicht gross erklären zu müssen
             Interview: Florina Schwander                                                                              mäuse isst und dessen wuscheliges
                                                                 und sich verstanden zu fühlen. Oftmals ist
                                                                                                                       Fell einfach nicht rot werden will.
             Frau Aeschlimann, was genau ist                     es auch motivierend zu sehen, wie andere
                                                                                                                       Das neue SJW-Heft von Janine
             das Elternsofa?                                     Eltern mit der Behinderung ihres Kindes
                                                                                                                       ­Bruneau und Marina Rosset ist liebe-
             Das Elternsofa ist ein virtueller Treffpunkt:       umgehen.
                                                                                                                        voll gezeichnet, und die Geschichte
             Die Website www.elternsofa.ch will Eltern von       Was sind häufige Fragen von Eltern mit
                                                                                                                        vom herzigen Wuschel
             Kindern mit geistiger und mehrfacher                geistig behinderten Kindern?
                                                                                                                        regt zum Nachdenken
             Behinderung vernetzen. Über die Suchfunktion        Die meisten Eltern haben das Bedürfnis, sich
                                                                                                                        an. Ab 6 Jahren.
             können Väter und Mütter andere Eltern in            ganz allgemein mit anderen Müttern und
             ähnlichen Situationen suchen und um Rat             Vätern und ihren Familien zu treffen und zu           «Was ist mit Wuschel
             bitten oder sich austauschen. Wie genau das         plaudern. Bei spezifischen Fragen geht es             los?», SJW Schweize-
             geht, ist völlig individuell: Manche treffen sich   beispielsweise um die Integration in die              risches Jugend-
             persönlich im Café, andere schreiben via            Regelschule. Oder um Fragen, wie man die              schriftenwerk 2019,
             Whatsapp oder Mail. Auch wichtig: Man kann          Kinder frühfördern kann oder was getan                Nr. 2603, ca. 6 Fr.,
             sich auch einfach mal ohne grosse Erklärungen       werden kann, wenn das Kind Mühe hat,                  www.sjw.ch oder
             verstanden fühlen.                                  Freunde zu finden. Auch Tipps bei gesundheitli-       im Buchhandel.
Bilder:ZVG

             Warum hat insieme das Elternsofa                    chen Problemen sind immer wieder gefragt.
             ins Leben gerufen?                                  www.elternsofa.ch

             6                                                                                              September 2019   Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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                                                                                                                   Einfach anders
                                                                                                                   Yeshi ist «abotiert» und teilt die Zeit
                                                                                                                   in Schuhschachteln statt Pizzastü-
                                                                                                                   cke ein. Die Hauptfigur aus Gabriela
                                                                                                                   Kasperskis Kinderroman «Einfach
                                                                                                                   Yeshi» hat man nach wenigen Sätzen
                                                                                                                   ins Herz geschlossen. Das Abenteuer
                                                                                                                   des adoptierten Mädchens mit einer
                                                                                                                   Zahlen- und Leseschwäche ist für
                                                                                                                   grosse und kleine Leser spannend
                                                                                                                   und sorgt an mehr als einer Stelle für
                                                                                                                   feuchte Augen oder
                                                                                                                   Lachfalten.
                                                                                                                   Gabriela Kasperski:
                                                                                                                   «Einfach Yeshi»,
Berufsluft schnuppern                  Am 14. November findet der nationale Zukunftstag                            Arisverlag 2019,
statt. Unter dem Motto «Seiten­wechsel» können Mädchen und Jungs der 5. bis 7. Klasse in                           ca. 25 Fr.,
verschiedene Berufe reinschnuppern oder an Spezialprojekten teilnehmen. Wenn sich                                  ab 8 Jahren.
eine ganze Schulklasse für einen Seitenwechsel interessiert, kann sie am Wettbewerb teil-
nehmen und mit etwas Glück 1000 Franken gewinnen.
Die Anmeldung für die Plätze startet am 26. August (Spezialprojekte Jungs) und
2. September (Spezialprojekte Mädchen). Alle Infos: www.nationalerzukunftstag.ch

    «Wann haben                                                    Jede zweite Familie knüpft die Einführung des Jugendlohns an
                                                                   neue Regeln. 85 Prozent halten diese Abmachungen schriftlich
    Sie schon mal                                                  fest. Von allen Befragten erhalten 51 Prozent einen Jugendlohn

   einer Zapfsäule                                                  von   101 bis 200 Franken. 12 Prozent erhalten bis
  gedankt, nachdem                                                            100 Franken, 2 Prozent mehr als 500 Franken.

                                                                     Der Jugendlohn wird für Kinder ab 12 Jahren empfohlen. Tipps zur Einführung und Berechnung

     Sie getankt                                                                                        unter www.jugendlohn.ch.
                                                                     Quelle: Jugendlohn: Evaluation zu Zugang, Umsetzung und Nutzen für Jugendliche und Familien.
                                                                                         www.jugendlohn.ch > Wissenswertes > Evaluation 2018

       ­haben?»
        Der Psychologe Philipp Ramming vergleicht Eltern
  mit Tanksäulen und Kinder mit Tankenden: Die Eltern dürfen
               keine Dankbarkeit erwarten, sagt er.
  Quelle: Talk im Kulturpark der Stiftung Elternsein am 24. Juni
                                                                   Heidi: Big in Japan
                                                                   Die neue Ausstellung im Landesmuseum in Zürich geht Heidi als
          Das Video des Talks im
                                                                   interkulturellem Star nach. Sie zeigt die Entstehung von Heidi in der
             Kulturpark und die
                                                                   Schweiz und wie sie als Buch nach Japan kam, um schliesslich zu
   Highlights der Veranstaltung
                                                                   einer der berühmtesten Anime-Serien zu werden.
                                                                                                                                                                    Bilder: Philipp Zinniker

                finden Sie unter:                                  Heidi in Japan, 17. Juli bis 13. Oktober, Landesmuseum Zürich,
qr.fritzundfraenzi.ch/erziehung                                    www.nationalmuseum.ch

8                                                                                                  September 2019      Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
SCHÜLERAGENDA A5
                                       1 Woche/2 Seiten
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                                                                                          Alle Angebote gültig solange Vorrat. Aufgrund Umbau sind Angebote im St. Annahof nicht verfügbar.
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                                                                          5.95
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                                                               RUCKSACK
                                                               9.95

                                   RUCKSACK ROLLTOP       TURNBEUTEL
                                   34.95                  15.95

 SCHLAMPERETUI
 7.95
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 20199
Wie Schule gelingt - Nanas Lunchbox
Dossier

Eine gute Schule:
Was ist das?
Über das heutige Bildungssystem wird gern und oft
­diskutiert – und geschimpft. Viele Fachleute ­wünschen
 sich ein S
          ­ chulmodell nach skandinavischem Vorbild für die
 Schweiz, andere halten an Traditionen fest. Für dieses
 ­Dossier h
          ­ aben sich die Fritz+Fränzi-Lernexperten darüber
  Gedanken gemacht, wie Schule gelingen kann. Ihre Bilanz
  macht Mut. Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler Bilder: Franziska Messner-Rast
10                                                                    September 2019   Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 201911
Dossier

        Für die Bilder in diesem Dossier
        besuchte die Fotografin Franziska
       ­Messner-Rast drei Primar- bzw.
       ­Sek­undarschulklassen. Wir danken
        den Lehrpersonen Nadia Serruya
        (Uster), Maya Bär-Senn (Andeer) und
        Susanne Hunziker-Kläusli (Winterthur)
        für ihre Unterstützung. Alle im
        Heft gezeigten Jugendlichen sind mit
        der Veröffentlichung der Bilder
                                                           • Ich weiss, wie man lernt, bin mir
       ­einverstanden.
                                                              bewusst, dass Hindernisse dazu-
                                                              gehören und habe in der Schule
                                                              das notwendige Vertrauen in
                                                              ­meine Fähigkeiten mitbekommen,
                                                               um mich auch zukünftig an Her-
                                                               ausforderungen zu wagen und
                                                               Neues zu lernen.

                    R
                                                           • Ich habe mich in der Schule sicher
                                                               und wohlgefühlt. Ich war Teil einer
                                   und 2000 Mal macht          Gemeinschaft und habe erfahren,
                                   sich ein Kind morgens       dass wir alle weiter kommen, wenn
                                   auf zum Kindergarten        wir zusammenarbeiten und sich
                                   oder in die Schule, bis     jeder mit seiner Persönlichkeit
                                   es die obligatorische       und seinen Fähigkeiten einbringen
                     Schulzeit abgeleistet hat. Es sind        darf.
                     2000 Tage, die den weiteren Lebens- Für dieses Heft haben wir zahlrei-
                     weg erheblich mitprägen. Was sollen chen Kindern und Jugendlichen aus
                     Kinder aus dieser Zeit mitnehmen? dem deutschsprachigen Raum Fra-
                        Uns treibt diese Frage seit Jahren gen rund um die Schule gestellt und
                     um. Untersuchungen wie die Pisa-­ ihre Meinungen eingeholt. Ihnen
                     Studien oder die gross angelegte scheint über alle Schulstufen hinweg
                     Hattie-Analyse, in die Daten von insbesondere der letzte der obigen
                     250 Millionen Schülerinnen und Punkte wichtig zu sein, wie die Inter-
                     Schülern einflossen, erachten wir als views zeigen.
                     unzureichend: Sie fokussieren fast
                     ausschliesslich darauf, welche Test- Berührend klare Vorstellungen
                     ergebnisse Kinder und Jugendliche der Kinder
                     zu einem bestimmten Zeitpunkt in Mit einer berührenden Klarheit
                     einem bestimmten Bereich erzielen. berichten Kinder und Jugendliche,
                                                           was die Schule leisten sollte: David,
                     Was eine erfolgreiche Schulzeit       8 Jahre, antwortet auf die Frage nach
                     auch ausmacht                         seiner Wunschschule: «Es wäre nie-
                     Neben der Leistung erscheinen uns mand gemein. Alle Kinder würden
                     andere Kriterien als mindestens zusammen spielen und lachen. Kei-
                     ebenso wichtig. So finden wir es ner wäre alleine. Niemand würde
                     wertvoll, wenn junge Erwachsene plagen und hauen und lügen. Die
                     auf ihre Schulzeit zurückblicken und Lehrer würden zuhören und
                     sagen können:                         zuschauen und einem glauben. Alle
                     • Ich habe vieles gelernt, das für wären lieb zueinander.» Und Eliane,
                       mich persönlich relevant war und 14, ist es wichtig, «dass man respek-
                       mich auf meinen weiteren Lebens- tiert wird, nett ist und sich gegen-
                       weg vorbereitet hat.                seitig hilft».
Dossier

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 201913
Dossier

14              September 2019   Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier

                                                Zur Schule geht man gerne,
                                                wenn man verständnisvolle,
                                                    geduldige, humorvolle
                                                        ­L ehrpersonen hat.

        Fragt man Kinder und Jugend-     ein neues Fach: «Ich möchte Kindern
Dossier
Dossier

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 201917
Dossier

18              September 2019   Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier

                              wir in Weiterbildungen von                                 Es erfordert Mut, sich der
Dossier

                                                     legen, was wir abends am
damit ihnen diese Schritte gelingen.       geschrieben und beispielsweise in      sonen: «Das ist ja schön und gut,
Jaggi: «Eine gemeinsame Sammlung           einen umgebauten Kaugummi-Au-          aber dafür fehlen mir die Zeit und
hilfreicher Strategien in besonders        tomaten gesteckt. Wer nicht weiter-    die Ressourcen.» Das ist ein Trug-
heiklen, anspruchs­vollen Situatio-        kommt, kann sich einen Tipp aus        schluss. Durch die Bank alle Lehr-
nen zur Verfügung zu haben, erach-         dem Automaten holen. Wir trainie-      personen, die aktiv an einem guten
te ich als viel wirksamer als jedes        ren in der Klasse auf verschiedenste   Klassenklima, der Beziehung zu den
Belohnungs- und Bestrafungssys-            Weise, uns selbst und andere wert-     Schülerinnen und Schülern und
tem, erleichtert es uns doch, unsere       schätzend zu beobachten, als ‹Res-     dem Aufbau von Kompetenzen im
Würde zu erhalten beziehungsweise          sourcen-Detektive› gegenseitig         sozial-emotionalen Bereich arbei-
wieder zu finden, Fehlverhalten in         Fähigkeiten zu entdecken, Anstren-     ten, betrachten dies als Investition,
Ordnung zu bringen und unterein-           gungen und Fortschritte – und seien    die sich auszahlt.
ander wieder in positive Beziehung         sie noch so klein – zu bemerken und
zu treten. Dies gilt im Übrigen nicht      diese letztlich auch einander rück-    «Wir wollten keine Ghettoisierung»
nur für die Kinder, sondern auch für       zumelden.»                             Der Förderlehrer Werner Fessler,
mich selbst. Besonders nützliche              Wenn wir von solchen Beispielen     den wir über sein Lehrmittel «Atlas
Tipps für schwierige Situationen           erzählen, kommt fast unmittelbar       Mathematik» kennengelernt haben,
haben wir gemeinsam kreiert, auf-          der Einwand von anderen Lehrper-       stellte gemeinsam mit zwei
Dossier

22              September 2019   Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier

        Wenn wir eine Schule möchten,                                              ferenz, zum Beispiel, sollte einen
                                                                                   klaren Gewinn für alle bedeuten,
        die die Bedürfnisse der ­Kinder                                            sonst muss sie gestrichen werden.»
        berücksichtigt, sollten wir nicht                                             Oft hören wir von Eltern die Kla-
                                                                                   ge, dass sich «das System» nicht
        gegen das System kämpfen,                                                  ändere und es «doch nicht sein
                                                                                   kann», dass sich die Schule nicht
        sondern für die Schule.                                                    schneller wandelt. Dabei wird oft
                                                                                   übersehen, dass es eine Aufbruch-
                                                                                   stimmung bei vielen Menschen im
                                                                                   schulischen Kontext gibt, dass sich
                                                                                   der Wandel an vielen Orten vollzieht
                                                                                   und gleichzeitig wir alle «das Sys-
                                                                                   tem» sind, das sich schwer tut mit
                                                                                   Veränderungen.
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        Herrn: «Das ist so – bei mir    werden, die diese Themen tagtäglich      dass diese bis zur Pensionierung im
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 201925
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Lehrpersonen müssen in Führung gehen
Wie sorgen wir dafür, dass unsere Lernenden uns als Führungspersonen anerkennen und uns
Respekt entgegenbringen? Diese Frage beschäftigt viele Lehrpersonen immer ­wieder
von Neuem. Auf der Suche nach Antworten können gerade die Schülerinnen und Schüler selbst
wertvolle Impulse liefern. Text: Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund Bild: Franziska Messner-Rast

                In Kommentarspalten zu Online-Ar-       spricht. Da ist von üblen Streichen          Schülerinnen und Schüler auch
                tikeln rund um aktuelle Schulprob-      die Rede – von Klebstoff und Reiss-          deutlich, dass sie sich Führung,
                leme finden sich immer wieder die       nägeln auf dem Lehrerstuhl, von              Klarheit und Struktur wünschen: Sie
                gleichen Aussagen: «Früher hatten       Juckpulverattacken und nach vorne            erwarten von den Lehrpersonen,
                die Schüler noch Respekt vor den        fliegenden Turnschuhen.                      dass sie für ein ruhiges Arbeitsklima
                Lehrern.» – meist mit der Forderung,        Die vielgelobte Disziplin und            mit klaren Aufträgen sorgen, auf
                «man müsse wieder hart durchgrei-       Ordnung wurden mit Einschüchte-              störendes Verhalten reagieren und
                fen» oder die «Eltern sollten ihre      rung und teils mit nackter Gewalt            Sicherheit gewährleisten, indem sie
                Kinder gefälligst wieder gescheit       er­zwungen. Es ist ein Riesenglück,          gegen Mobbing Stellung beziehen.
                erziehen».                              dass unsere Kinder in eine Schule                So ärgert sich der 11-jährige
                   Oft steht dahinter die irrige Vor-   gehen dürfen, in der sich die                Cyrill darüber, wenn seine Mitschü-
                stellung, dass die Kinder früher vom    Erwachsenen nicht mehr auf diese             ler «die Lehrerin ärgern und wir
                Elternhaus praktisch «fertig erzo-      Art durchsetzen.                             nicht weiterkommen im Unterricht.
                gen» in die Schule kamen, wo sie                                                     Es wird langweilig! Ich finde das nur
                von den Lehrpersonen lediglich          Die Kinder wünschen sich Führung,            doof». Man brauche eben «eine gute
                unterrichtet werden mussten.            Klarheit und Struktur                        Klasse, Regeln und die Lehrerin, die
                   Das war nie so: In der Regel sorg-   Heute wissen die meisten Lehrper-            diese auch durchsetzt – aber in
                ten die meisten Lehrpersonen dafür,     sonen um die Bedeutung einer guten           einem guten Umgangston statt im
                dass die herrschenden Regeln ein-       Lehrer-Schüler-Beziehung und sor-            Befehlston», damit man sich in der
                gehalten wurden – mit teilweise         gen aktiv für einen wertschätzenden          Schule wohlfühlen kann, meint
                traumatisierenden Methoden.             Umgang. Ela, 9, ist eines der Kinder,        Lucy, 7. Ähnlich sieht es die 14-jäh-
                   Dass Lehrpersonen, die sich          die wir für dieses Dossier befragt           rige Joan, für die eine gute Lehrerin
                nicht durchsetzen konnten oder          haben. Sie schwärmt von ihrer                «sehr nett ist, aber wenn es darauf
                wollten, auch früher mit Disziplin-     Grundschullehrerin: «Sie lacht viel          ankommt, bleibt sie ernst».
                problemen zu kämpfen hatten,            und hilft, wenn es Kindern nicht gut             Dass neben Herzlichkeit und
                erfährt man, wenn man mit Senio-        geht. Sie schreibt auch schöne Sachen        Bestimmtheit auch Struktur gefragt
                ren über ihre eigene Schulzeit          unter die Hefteinträge. Sie singt mit        ist, zeigt das Beispiel von Jan. Auf
                                                        uns vor den Proben: ‹Ich schaff das          seine Traumschule angesprochen,
                                                        schon, ich schaff das schon, ich schaff      antwortet der 9-Jährige: «Da gäbe es
                                                        das ganz alleine, ich komm bestimmt,         Wochenpläne, bei denen ich genau
                                                        ich komm bestimmt, auch wieder auf           weiss, was ich machen soll.»
                                                        die Beine.› Das gibt mir Kraft.»                 Immer wieder finden sich auch
Viele Strategien, die                                       Auch Emil, 11, hat Grund zur
                                                        Freude: «Meine Lehrerin ist nett und
                                                                                                     Aussagen von Kindern wie Laura,
                                                                                                     10, denen es zusetzt, dass ihre Lehr-
Lehrpersonen früher nutzten,                            hat für jeden Verständnis! Und eine          kräfte bei sozialen Problemen weg-
                                                        Menge Geduld, wenn sie mir Mathe             sehen: «Als einer aus der Klasse
um sich Respekt zu verschaffen,                         erklärt. Sie hat Humor und ist lus-          angefangen hat, mich ‹fette Sau› zu
werden heute durchschaut                                tig … und sie ist fair und gerecht!»
                                                            Neben dem Wunsch nach Bezie-
                                                                                                     nennen, haben andere Kinder mit-
                                                                                                     gemacht, und kein Lehrer hat gehol-
und als lächerlich empfunden.                           hung wird anhand der Aussagen der            fen. Nur meine Lieblingslehrerin

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hört mir zu und sagt mir nicht, dass     sonen ablehnen, trifft man immer       haben, ihre Wünsche, Träume und
                          ich solche Sachen mit den Kindern        wieder auf dieselben Beschreibun­      Ideen äussern und verwirklichen.
                          selber klären soll.»                     gen: mangelnde Fairness, Vorurteile,   Wenn eine Lehrkraft sich so
                             Je älter die Schülerinnen und         ständiges Nörgeln und Kritisieren,     benimmt, testen die Jugendlichen
                          Schüler sind, desto häufiger taucht      Blossstellungen und Beleidigungen,     aus, wie weit sie gehen können. Sie
                          der Begriff «Respekt» in ihren Äus­      herablassende Sprüche, Besserwis­      ist dann wie ein Magnet für Provo­
                          serungen auf. Wir waren erstaunt,        serei und fachliche Inkompetenz.       kationen, sozusagen ein Versuchs­
                          wie kritisch und differenziert viele     Viele Strategien, die Lehrpersonen     exemplar.»
                          Jugendliche ihre Lehrpersonen            früher nutzten, um sich Respekt zu          Aus den vielen Stimmen der Kin­
                          unter die Lupe nehmen. Sie erwar­        verschaffen, werden heute von Schü­    der und Jugendlichen kristallisiert
                          ten ein echtes Interesse an ihnen als    lerinnen und Schülern durchschaut      sich ein deutliches Plädoyer für
                          Person: Béryl, 16, beschreibt, dass er   und als lächerlich empfunden.          einen demokratischen Führungs­
                          Lehrpersonen nicht mag, die «kei­                                               ansatz in der Schule heraus.
                          nen Respekt haben und meinen,            Autorität nicht durch                       Gefordert wird ein Klima, in dem
                          dass sie immer alles über die Schüler    ­Machtausübung geltend machen          die Lehrperson als Führungsperson
                          wissen, dabei wissen sie nichts über     Dies zeigt sich beispielsweise bei     in Erscheinung tritt, ihre Autorität
                          uns». Und Jana, 14, antwortet auf die    Sophie, 14: «Wenn eine Lehrkraft       aber nicht durch Machtausübung
                          Frage nach ihrem perfekten Schul­        gleich beim ersten Mal vor einer       geltend macht. Vielmehr soll sie
                          alltag: «Das wäre, wenn sich die         neuen Klasse den Boss markieren        gemeinsam mit der Klasse Ziele
                          Lehrer auch für mich als Person und      will, macht sie etwas grundlegend      ­aushandeln, ihre eigenen Erwartun­
                          nicht nur für meine Leistungen inte­     falsch. Jugendliche fangen in der       gen klar äussern, aber auch die
                          ressieren würden.»                       Pubertät an, die Welt beziehungs­       ­Stimmen der Schülerinnen und
                             Möchte man wissen, welches            weise ihr Umfeld zu hinterfragen.        Schüler einfangen und ernst neh­
                          Verhalten Jugendliche bei Lehrper­       Sie wollen auch etwas zu sagen           men. Regeln sollen weder von
Dossier

       oben nach unten durchgege­     gelten wie für sie und dass solche     stellt oder Kinder an die Tafel ruft,
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                                                                                                                                        Erfolgreich
                                                               Die vier demokratischen Führungs-                                        ins neue
                                                               joker erlauben es den Geführten, auf
                                                               die Führung Einfluss zu nehmen,                                          Schuljahr!
                                                               indem sie unmittelbare Rückmel-                                          Die besten Lernstrategien
                                                               dungen geben. Es handelt sich dabei                                      für Jugendliche
                                                               um vier Signalwörter, die jeder Schü-                                    ab 11 Jahren:
                                                               ler, jede Schülerin während des
                                                               Unterrichts zu jedem Zeitpunkt aus-
                                                               sprechen darf, um sich einzubringen.
                                                               • Der Joker «Tempo» zeigt an, dass
                                                                  es zu langsam geht und sich einzel-
                                                                  ne Schülerinnen und Schüler oder
                                                                  die Klasse gelangweilt fühlen.
                                                                  Damit lässt sich beispielsweise eine
                                                                  ausufernde Diskussion unterbre-
                                                                  chen, wenn mehrere Klassenmit-
                                                                  glieder das Signalwort «Tempo»
                                                                  aussprechen und damit verdeutli-
                                                                  chen, dass sie nun mit dem Stoff
                                                                                             HOG_9783456858975_Rietzler_Clever.indd 2                       02.05.18 17:43

                                                                                                                                        Mehr Motivation, weniger
                                                                  weitermachen möchten.                                                 Hausaufgabenstress –
                                                               • Der Joker «Klarheit» meldet der                                       der Ratgeber für Eltern
                                                                  Lehrperson oder einem Mitschüler                                      von Kindern mit ADHS
                                                                  zurück, dass eine Erläuterung oder                                    und ADS:
                                                                  ein Auftrag nicht nachvollzogen
                                                                  werden kann und man eine Präzi-
                                                                  sierung oder andere Erklärung
                                                                  benötigt. Dieser Joker basiert auf
                                                                  der Grundhaltung: «Wer führt,
                                                                  trägt die Verantwortung dafür, dass
                                                                  alle verstehen, was die Führung ver-
                                                                  mitteln will.»
                                                               • Der Joker «Veto» erlaubt es den
                         kann dazu etwas erzählen, das sie/       Geführten, eine Anweisung auszu-
                         ihn gefreut hat?                         schlagen. Sie dürfen, müssen dies
                      • Was hat bei der Gruppenarbeit gut        aber nicht begründen. Durch das
                         funktioniert? Was nicht? Was ist         Aussprechen des Signalworts                                           10 Minuten pro Tag für
                         nötig, damit die Zusammenarbeit          «Veto» würde es beispielsweise                                        sichere Grundlagen im
                         noch besser klappt?                      einem Schüler, einer Schülerin                                        Lesen, Schreiben und
                                                                                                                                        Rechnen:
                      • Wie habt ihr die letzten Stunden         ermöglicht, eine Frage nicht zu
                         erlebt? Was fandet ihr besonders         beantworten oder die Aufforde-
                         spannend? Was nehmt ihr daraus           rung, zur Abfrage an die Tafel zu
                         mit? Was hat euch gefehlt?               kommen, zu verweigern.
                                                               • Der Joker «Verantwortung» bietet
                      Vier demokratische Führungsjoker            Schülerinnen und Schülern die
                      In diesem Zusammenhang spricht              Gelegenheit, Einspruch zu erheben,
                      uns das Konzept der vier demokra-           wenn sie jemand anderen schützen
                      tischen Führungsjoker besonders an,         möchten und das Gefühl haben,
                      welches die Lehrerin und Theater-           dass sich diese Person gerade
                      pädagogin Maike Plath (siehe Inter-         unwohl fühlt, sich aber nicht selbst
                      view S. 33) in ihrem Buch «Befreit          zur Wehr setzen oder zu einem
                      euch!» beschreibt. Sie entwickelte ihr      «Veto» durchringen kann.
                      Unterrichtskonzept an einer Berliner     Vielleicht fällt es Ihnen schwer, sich
                      Brennpunktschule, als all ihre bis-      vorzustellen, dass diese Art von Füh-
                      herigen Methoden versagten.              rung an einer öffentlichen
Dossier
«Wer geliebt werden will,
  ist im Lehrberuf verloren»
 Lehrpersonen an Brennpunktschulen sind oft mit besonders schwierigen Lehrsituationen
 konfrontiert. Lehrerin und Buchautorin Maike Plath über die Frage, wie auch
 Lehrpersonen anderer Schulbetriebe von diesem reichen Erfahrungsschatz profitieren
 können. Interview: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler Bild: Franziska Messner-Rast

 Frau Plath, Sie haben einige ­Jahre als     zu hinterfragen. Diese Jugendlichen       Lehrkräfte an meiner Schule. Sie hat­
 Lehrerin an einer Schule in Neukölln        an der Hauptschule fühlten sich als       ten das Gefühl, den Schülerinnen
 gearbeitet, einem Bezirk ­Berlins, der      Menschen zweiter Klasse abgestem­         und Schülern individuell nicht
 als «sozialer Brennpunkt» bekannt ist.      pelt, und zwar nicht unbedingt von        gerecht werden zu können.
 Wie haben Sie Ihre Zeit an dieser           einzelnen Lehrkräften – zu denen          Und daraus ergibt sich eine
 Schule erlebt?                              hatten sie teilweise sogar ein gutes      ­feindselige Stimmung?
 Für mich war die Situation nach vor­        Verhältnis –, sondern vom System          Richtig. Die Aggressionen oder die
 herigen acht Jahren an einer musisch        Schule.                                   innere Emigration der Jugendlichen
 orientierten Gesamtschule nahe              Wie meinen Sie das?                       sehe ich als Reaktion auf die Demü­
 Hamburg im Vergleich absurd. In             Ich glaube, dass diese Schülerinnen       tigung, als Versager behandelt zu
 meiner damaligen Wahrnehmung                und Schüler ununterbrochen ver­           werden. Die Lehrkräfte begegnen
 waren an der Berliner Schule 90 Pro­        wundert und gelangweilt sind von          den Jugendlichen in ihrer Hilflosig­
 zent der Jugendlichen «nichtdeut­           der Art und Weise, wie und was sie        keit oft autoritär, was das Gefühl der
 scher Herkunft» und insgesamt die           lernen sollen. Sie wehren sich gegen      Demütigung aber nur noch ver­
 Zustände chaotisch. Mir erschien es         die ständige Bevormundung und die         stärkt. Deren Reaktion darauf –
 so, als ob die Lehrkräfte versuchten        aus ihrer Sicht irrelevanten Lern­        damals an der Brennpunktschule –
 «Schule zu spielen», aber die Jugend­       inhalte, weil sie für sich sowieso kei­   war wiederum, die Lehrkräfte zu
 lichen spielten nicht mehr mit. Das,        ne Chance sehen, in diesem System         beleidigen und zu demütigen, und
 was ich als «Unterricht» bezeichnet         erfolgreich sein zu können. Meiner        so entstand ein Teufelskreis, in dem
 hätte, war nicht möglich. Den               Erfahrung nach empfinden sehr ­viele      alle Beteiligten der Schule ununter­
 Jugendlichen waren Noten egal, sie          Jugendliche die Schulzeit als eine        brochen damit beschäftigt waren,
 verweigerten den Unterricht, tobten         Phase, die sie irgendwie durchhalten      Herabsetzung, Frust und Kränkung
 durch die Gegend, pöbelten sich             müssen, die ihnen aber persönlich         zu kompensieren: sowohl die Schü­
 gegenseitig an und waren kaum               oder gar für ihre Zukunft nicht viel      lerinnen und Schüler als auch die
 ansprechbar. Gewalt lag in der Luft,        bringt. Darunter litten auch die          Lehrerinnen und Lehrer.
Dossier
Es gibt in unserer Arbeit beispiels-       will oder weil ich es – auf das über-
                    weise die «Veto-Regel»: Jede Person        geordnete Ziel bezogen – verantwor-
                    im Raum kann jederzeit «Veto»              ten kann? Wer geliebt werden will,          In der September-Ausgabe 2020
                    sagen und eine Anweisung – ohne            ist im Lehrberuf verloren. Das habe             widmen wir dem Thema
                    Begründung – verweigern. Erst              ich persönlich spätestens in Berlin-­      «Kooperation Schule – Elternhaus»
                    dadurch entsteht der innere Frei-          Neukölln gelernt.                                 ein eigenes Dossier.
                    raum, sich auf Neues und Fremdes           Was wünschen Sie sich für die Schule?
                    einzulassen und sich zu trauen, Risi-      Der Lehrerberuf ist einer der wich-
                    ken einzugehen.                            tigsten Berufe überhaupt. Es ist
                    Das Thema Führungsverantwortung            absurd, dass ausgerechnet Lehrkräf-
                    nimmt in Ihren Büchern viel Raum ein.      te sich überfordert, gefrustet und
                    Der Lehrerberuf erfordert Führungs­        fremdbestimmt fühlen. Sie sollten
                    kompetenz. Das heisst: sowohl die          erkennen, dass unsere Zukunft nicht
                    Fähigkeit, anderen Menschen indi-          unwesentlich von ihrem individuel-
                    viduell und zugewandt zu begegnen          len alltäglichen Handeln abhängt.
                    und sich in andere einzufühlen, als        Lehrkräfte sollten sich nicht länger
                    auch deutlich Grenzen zu setzen und        als Opfer eines Systems begreifen,
                    Entscheidungen zu verantworten,            sondern als die Akteurinnen und
                    die unter Umständen auch mal gros-         Akteure der nächsten relevanten
                    se Widerstände bei den Jugendlichen        Emanzipationsbewegung. Dafür
                    auslösen.                                  sollten wir uns zusammentun und
                    Inwiefern wird man in der Ausbildung       kooperieren, statt einsam jeden Tag
                    darauf vorbereitet?                        das Unmögliche zu versuchen.
Kolumne

                                              Episches
                                              Staubsaugergefecht

                                              A
                                                              uch früher schon schätzte der Sohn es wenig, wenn ich mit
                                                              Staubsauger und Putzlappen anrückte – nicht nur wegen des
                                                              Lärms, sondern auch wegen der damit verknüpften Auffor-
                                                              derung, den Saustall aufzuräumen. Eine Aufgabe, die er erst
                                                              nach ausgefeilten Wortgefechten in Angriff nahm, immer
                                              neue Ausflüchte erfindend, warum das gerade jetzt eine besonders schlech-
                                              te Idee sei, später aber nachgeholt werden könne.
                                                  Aber das gehört der Vergangenheit an. Jüngst verkündete der zum Jüng-
                                              ling herangewachsene Sohn, er werde sein Zimmer von nun an selber put-
                                              zen. Zunächst war ich misstrauisch. Die Strategie liegt auf der Hand: das
Michèle Binswanger                            Zimmer zum eigenen Hoheitsgebiet erklären, um es dann nach Lust und
Die studierte Philosophin ist Journalistin    Laune vergammeln zu lassen. Aber er sagte «Easy Mann» und bewies mir
und Buchautorin. Sie schreibt zu              das Gegenteil: Für einige Wochen räumte er schneller und gründlicher auf
Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier        als jeder andere. Auch den Schrank. Und die Schuhe. Also liess ich mich
Kinder und lebt in Basel.                     auf den Deal ein und überliess ihm vertrauensvoll die Hoheit.

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                                                                    Städte entdecken. Abenteuer erleben.
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Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung
Teilnahmeschluss: 29. September 2019
Doch so stark er angefangen hatte, so stark liess er nach. Ich ahnte Böses,
                         hütete mich aber, das Zimmer genauer zu inspizieren. Obschon er sich in
                         der Testphase als prima Aufräumer erwiesen hatte, schien er jetzt eher wie
                         ich als Teenager: Es gelang mir, sogar während des Aufräumens neues C   ­ haos
                         zu produzieren. Erst viel später entdeckte ich die zen-artige Wirkung, die
                         Putzen auf mich hat, weshalb ich heute eine emsige Hausfrau bin.
                            Eines Tages kroch ich an meinem Putztag mit dem Staubsauger auf dem
                         Wohnzimmerboden herum, da hörte ich einen leisen Ruf aus dem Zimmer.
                         Kein echter Ruf, eher ein Sirenengesang, ein Locken. Der Sohn war beim
                         Vater, hatte zwar wieder einmal versprochen, am Sonntag noch aufzuräumen,
                         aber ob er das auch tun würde? Ich packte meinen Staubsauger und schritt
                         auf das Zimmer zu, mit dem vagen Vorsatz, nur schnell zu gucken. Ich woll-
                         te mich zurückhalten, seine Privatsphäre nicht verletzen. Mit dem Fuss stiess
                         ich die Türe auf, doch der Anblick, der sich mir bot, liess meinen Vorsatz
                         schnell vergessen. Ich packte den Staubsauger wie ein Schwert und meine
                         emsige Hausfrauennatur ging mit mir durch. Ich war nicht mehr zu bremsen.
                            Auf Einzelheiten kann ich diskretionshalber nicht eingehen. Nur so viel:
                         Ich fegte wie ein mit Putzlappen und Holzpolitur bewehrter Hurrikan durch,
                         klopfte hustend Matratzen auf, es war ein episches Staubsaugergefecht. Am
                         Ende liess ich mich erschöpft in eine Ecke fallen, unsicher, ob ich das Rich-
                         tige getan hatte. Ich rief den Sohn an und sagte, dass ich sein Zimmer geputzt
                         habe, weil die vorgefundenen Zustände meiner Hausfrauennatur zu sehr
                         zugesetzt hätten. Er antwortete, wie ein pubertierender männlicher Teenager
                         heute antwortet: «Easy Mann.» Und ich beschloss, es easy zu nehmen.

                                                                                    Ein Herz und zwei Seelen. Verschieden und nahe sein
                                                                                               mit Sina Bardill und Christof Arn, 21. – 22. 9.
                                                                               Jedes Wort wirkt. Mit bewusster Sprache den Beziehungs-
                                                                                               alltag gestalten mit Eva Woodtli, 11. – 13.10.
                                                                              Das 2 x 1 der Liebe und die Grundregeln der Paarkommunika-
                                                                               tion mit Hans-Peter Dür und Melanie Bischofberger, 2. – 3. 11.
                                                                                  Informationen und weitere Kurse: www.klosterkappel.ch
                                                                                   Kloster Kappel, 8926 Kappel am Albis, Tel. 044 764 88 30

                                                                                      Schalten Sie hier
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                                            Winterthur und Pfäffikon (SZ).

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Doppelrolle:
Thomas Minder
leitet die Schule
in Eschlikon,
die seine Kinder
besuchen.
Monatsinterview

«Das Schulzimmer der Zukunft
    ist eine Mischung aus
Wohnzimmer und Werkraum»
                            Seit dem 1. August ist Thomas Minder der oberste Schulleiter
                        der Deutschschweiz. Der Thurgauer über akuten Schulleitermangel,
                          ­Quereinsteiger im Lehrberuf und sein Ziel, grösseren Einfluss auf
                                                die Politik zu nehmen.
                                  Interview: Evelin Hartmann und Nik Niethammer Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo

         Wer sich am Bahnhof Eschlikon verab-         kommen noch betriebswirtschaft­             Probleme mit dem Mädchen. Welche
         redet, findet sich schnell. Nur wenige       liche Aspekte hinzu und Führungs-           Aufgabe kommt Ihnen als Schulleiter
         Fahrgäste steigen aus dem Zug. Tho-          kompetenzen.                                zu?
         mas Minder winkt seinen Besuchern zu,        Würden wir Ihre Kollegen fragen, was        Meine Aufgabe bestünde darin, ein
         führt sie zum nahe gelegenen Park-           Sie als Schulleiter auszeichnet, welche     Netzwerk aufzubauen, damit es nicht
         platz. «Wir führen das Gespräch am           Antwort bekämen wir?                        zur Eskalation kommt. Vor allem auf
         besten in der Schulverwaltung. Das ist       Ich bin einer, der sein Kollegium           der Belastungsseite der Lehrperso-
         nicht weit», sagt der neue Präsident         unterstützt, ein offenes Ohr für die        nen. Denn obwohl die Situation
         des Dachverbands Schulleiterinnen und        Anliegen der Lehrpersonen hat.              unheimlich belastend ist, sollen sie
         Schulleiter VSLCH. Dort angekommen           Einer, der dazu stehen kann, wenn           gesund ihre Arbeit machen können.
         staunen Fotografin und Journalisten          er Fehler gemacht hat und das               Auch wenn das bei uns im Schulhaus
         nicht schlecht: Thomas Minders               Gespräch sucht.                             sehr selten vorkommt: Es gibt diese
         Arbeitsort ist eine 130 Jahre alte ele-                                                  Kinder, die einfach ausflippen. Und
         gante Villa mit toskanischen Formen                                                      das ist für Lehrpersonen extrem
         und aufwändigem Dekor. Nach einer
         kurzen Besichtigungsrunde kann das
                                                        «Eine Lehrperson                          anspruchs­voll.
                                                                                                  Verstehen Sie sich als eine Art
         Interview beginnen.                            ­s oll auch in einer                      Schlichtungsstelle?

         Herr Minder, was macht einen guten
                                                          sehr ­b elastenden                      Es gibt Situationen, in denen ich
                                                                                                  mich mit Eltern und Lehrpersonen
         Schulleiter aus?                                ­S ituation gesund                       an einen Tisch setze. Dann höre ich
         Ganz einfach, der- oder diejenige
         muss die eierlegende Wollmilchsau
                                                       ihre Arbeit machen                         den Eltern zu und nehme ihre Anlie-
                                                                                                  gen auf, aber ich fühle mich eher der
         sein. Nein, im Ernst, Gesprächsfüh-                   können.»                           Organisation Schule verpflichtet. Ich
         rung, Geduld, Empathie, Konflikt­                                                        kenne die Lehrpersonen und ihre
         lösefähigkeit sind wichtige Eigen-                                                       Stärken und Schwächen, und wenn
         schaften eines Schulleiters. Darüber         Sagen wir, an Ihre Schule kommt eine        Eltern Kritik anbringen, dann geht
         hinaus muss er oder sie sich auch            neue Schülerin, mit der es an ihrer         es oft um etwas, woran wir sowieso
         abgrenzen können, Probleme nicht             vorhergehenden Schule schwierig war.        schon arbeiten. Es wäre unprofessi-
         zu sehr an sich heranlassen. Dann            Auch die neuen Lehrpersonen haben           onell, dies öffentlich zu kom- >>>

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 201939
>>> mentieren. Und nur weil               Psychologen, aber auch die Peers             beim Einkaufen. Fällt es in diesem Fall
                   Eltern in dieser Sache nichts weiter      und deren Eltern.                            schwerer, sich abzugrenzen?
                   von mir hören, heisst das nicht, dass     Und das tun Eltern zu wenig?                 Es ist auch eine Chance, wenn man
                   wir intern nicht daran arbeiten.          Grundsätzlich machen es die meis-            in einer kleineren Gemeinde, in der
                    Ist der Beruf des Schulleiters           ten Eltern sehr gut. Es gibt aber Müt-       man lebt, arbeitet. Aber ja, meine
                    im ­Vergleich zu früheren Zeiten         ter und Väter, die dieses Unterstüt-         Frau hat sicher lernen müssen, sich
                    anspruchsvoller geworden?                zungsnetz nicht oder zu wenig in             abzugrenzen. Als ich die Stelle als
                    Im Bereich Kommunikation mit             Anspruch nehmen, die regen sich
                    Sicherheit. Die Geschwindigkeit, mit     lediglich gemeinsam mit anderen
                    der sich Nachrichten verbreiten,         Eltern auf.
                    nimmt zu, ebenso wie die Taktung.
                    Eltern hören ein Gerücht und tau-
                                                             Welche Instanzen können Schulleiter
                                                             um Unterstützung beziehungsweise
                                                                                                          «Wenn es Probleme
                    schen sich darüber mit anderen           Hilfe bitten?                                   gibt, sollten die
                    Eltern via Whatsapp aus.
                    Eltern sind heute besser vernetzt.
                                                             Ich nutze beispielsweise das kollegi-
                                                             ale Netzwerk bestehend aus anderen
                                                                                                            ­E ltern das ganze
                    Aber diese Vernetzung nutzen sie         Schulleitern, hole Meinungen ein                Unterstützungs­
                    nicht, um ihre Kinder besser zu
                    begleiten.
                                                             oder erkundige mich nach Fachper-
                                                             sonen. Die Anlaufstelle für Schullei-
                                                                                                           system der Schule
                    Wie meinen Sie das?                      ter ist in der Regel der Präsident des               nutzen.»
                    Ich halte es in dieser Sache mit dem     kantonalen Schulleiterverbandes.
                    israelischen Psychologen Haim            Dieser verschickt die Anfragen via
                    Omer, der sagt: Wenn es Probleme         Mail an sein Netzwerk und bittet um
                    mit dem Kind gibt, sollten Mütter        Rückmeldung an den Absender.                 Schulleiter angetreten habe, waren
                    und Väter das ganze Unterstützungs-      Sie führen eine Primarschule in einer        meine Kinder noch klein. Jetzt gehen
                    system nutzen, das die Institution       eher ländlich geprägten Region. Man          sie in die Schule, und die Eltern
                    Schule anbietet, Lehrpersonen,           kennt sich aus Vereinen, Ihre Frau           ­meiner Schüler kennen mich auch
                    Schulleiter, Schulsozialarbeiter und     trifft Väter oder Mütter Ihrer Schüler        als Vater. Das macht einen mensch-
                                                                                                           licher und entspannt die Situation
                                                                                                           um einiges.
                                                                                                          Ihre Kinder gehen in die Schule, an der
                                                                                                          Sie Schulleiter sind?
   Thomas Minder über …                         sätzlich würde ich Hausaufgaben stark
                                                                                                          Ja, ich wollte nicht, dass meine Kin-
                                                reduzieren oder abschaffen.
                                                                                                          der anders behandelt werden. Auch
   … Noten
                                                                                                          wenn es für die Lehrpersonen nicht
   Ich würde Noten wirklich gerne               … einen späteren Schulbeginn
                                                                                                          immer ganz einfach ist. So haben sie
   abschaffen. Aber ich weiss nicht genau       Das würde in der Oberstufe wirklich
                                                                                                          mich als Chef und Vater im Nacken.
   wie. Es braucht ein Monitoring-System,       Sinn ergeben, doch wo hängt man die
                                                                                                          Seit dem 1. August sind Sie Präsident
   etwas Motivierendes, bei dem auch der        Zeit an?
                                                                                                          des Verbands Schulleiterinnen und
   Schüler sieht, ich habe etwas gut
                                                                                                          Schulleiter Schweiz. Dafür haben
   gemacht. Aber die klassische Noten-          … das digitale Klassenzimmer
                                                                                                          Sie Ihr Pensum als Schulleiter auf
   gebung scheint mir nicht der richtige        Der Umgang mit neuen Medien ist allge-
                                                                                                          60 Prozent reduziert.
   Weg: Da baut der Lehrer eine Beziehung       meinbildend. Wir müssen dafür sorgen,
                                                                                                          Bisher hatte ich zwei Schulstandorte
   auf, dann gibt er eine schlechte Note        dass auch die Kinder damit in
                                                                                                          unter mir, einen konnte ich an einen
   und kappt sie wieder. Denn das Kind          Berührung kommen, deren Eltern zu
                                                                                                          jüngeren Kollegen abgeben. Er war
   fragt sich sofort: Gibt er mir schlechte     Hause nicht so gut mit digitalen Geräten
                                                                                                          mein Wunschkandidat für den Pos-
   Noten, weil er mich nicht gern hat?          ausgestattet sind. Aber digitale Schule
                                                                                                          ten. Es ist nicht selbstverständlich,
                                                heisst nicht, dass man möglichst viele
                                                                                                          eine Schulleitungsposition aus den
   … Hausaufgaben                               digitale Geräte einsetzt. Computational
                                                                                                          eigenen Reihen besetzen zu können.
   Der empirische Nutzen von Hausauf-           Thinking geht auch auf Papier. Der
                                                                                                          Sie spielen auf den Schulleitermangel
   gaben ist nicht erwiesen. Also kann man      zukünftige Erwachsene, der bei uns jetzt
                                                                                                          an.
   sie auch abschaffen. Es gibt Themen,         Schüler ist, bewegt sich gut in der digi-
                                                                                                          Der meiner Meinung nach noch gra-
   bei denen es nicht schlecht ist, wenn        talen Welt, wenn er genug Erfahrungen
                                                                                                          vierender ist als der Lehrermangel.
   man sie daheim anschaut. Aber Grund-         in der analogen Welt gesammelt hat.
                                                                                                          Ich finde es nicht glücklich, wenn
                                                                                                          «nur» von einem qualitativen Man-

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Monatsinterview

gel gesprochen wird – anstatt von          Was ist zu tun?                          Wie stehen Sie zu Quereinsteigern?        Die Beziehung
einem grundsätzlichen Lehrer-              Die Ausbildung attraktiver zu            Natürlich wäre es einfacher, wenn         zwischen
beziehungsweise Schulleitermangel.         machen, genügt nicht, respektive es      eine Lehrperson, die das System           Lehrperson und
Das bedeutet ja, dass mit dem letzten      ist der falsche Ansatz. Der Job des      kennt, zum Schulleiter wird. Doch         Schüler ist für
Aufgebot Stellen besetzt werden, und       Schulleiters müsste attrak­tiver sein.   wichtiger ist es, eine Person zu wäh-     Schulleiter
das ist keine gute Ausgangslage für                                                 len, die eine Leidenschaft für Men-       Minder die Basis
eine Schulgemeinde, die die ideale                                                  schen hat. Es ist ein geflügeltes Wort,   des Unterrichts.
Person finden und nicht die letzte                  «Es gibt                        aber es ist so: Eine Lehrperson wie
verfügbare nehmen muss.                                                             auch ein Schulleiter muss Menschen
Warum fehlen geeignete Schulleiter?            ­L ehrpersonen,                      mögen, sonst ist man am falschen
Ist die Position nicht attraktiv?             die können nicht                      Ort. Es gibt Lehrpersonen, wenn
Es ist eine einsame Rolle. Ich bin                                                  auch wenige, die können nicht mit
bis vor einem Jahr der Vorgesetzte             mit Menschen.                        Menschen, die sind dummerweise
von 50 Personen gewesen. Das ist                  Die sind im                       im falschen Beruf gelandet. Als
unheimlich anspruchsvoll. Jeder Ein-                                                Schulleiter muss man dafür brennen,
zelne hat Anliegen an seinen Chef,            falschen Beruf.»                      gute Situationen zu schaffen, mit den
dazu kommt die Kommunikation mit                                                    Menschen, die dort arbeiten, für die
den Eltern und der Schulbehörde.                                                    Kinder, die zu uns kommen.
Kaum ein Schulleiter bewältigt seinen      Ein Faktor wäre dabei sicher, den        Verstehen Sie Lehrpersonen, die Mühe
Job in einem Vollzeitpensum, viele         Schulleitern für die anfallenden Auf-    mit Quereinsteigern haben?
unterrichten nebenher. Die Pensen          gaben genügend Zeit zu verschaffen.      Natürlich. Sie meinen, der- oder die-
sind oft zu knapp bemessen.                Da ist die Politik gefordert.            jenige habe kein Verständnis >>>

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi   September 201941
>>> für ihre Situation, weil er oder     oder ein Kommunikationskonzept,       grossen Tisch zusammenkommt
sie das System nicht kennt. Ich selbst   zur Unterstützung der kantonalen      und gemeinsam produktiv wird.
bin als Sekundarlehrer Schulleiter       Bildungsarbeit erarbeiten. Darüber    Dann sind Sie ein Befürworter von
auf Kindergarten- und Primarstufe        hinaus möchte ich den Schulleiter-    jahrgangsübergreifenden Klassen und
geworden. Mir ist man anfangs auch       dachverband und seine Arbeit          individualisiertem Unterricht?
mit Skepsis begegnet.                    bekannter machen. Unserem Land        Schule wird sich dahingehend ver-
Haben Sie Fehler gemacht?                fehlt eine Vorstellung davon, wie     ändern. Davon bin ich überzeugt.
Ja, ich glaube aber nicht zu gravie-     Schule in Zukunft aussehen soll.      Das preussisch geprägte Schulsys-
rende. Für den Kindergarten habe         Dahingehend möchte ich Einfluss       tem, der Lehrer als Autoritätsperson
ich einmal einen Fragebogen ent-         nehmen auf die politischen Verant-    vorne an der Tafel, der seinen Schü-
worfen, auf dem die Schülerinnen         wortlichen und Verbände.              lern Wissen eintrichtert, ist passé.
und Schüler ankreuzen sollten: «trifft                                         Diese Vorstellung überfordert einige
zu», «trifft manchmal zu», «trifft gar                                         Lehrpersonen.
nicht zu». Die Kindergartenlehr­                                               Und ich kann diese Kollegen auch
person hat mich darauf aufmerksam         «Der Schweiz fehlt                   verstehen. Aber es geht nicht darum,
gemacht, dass die Kinder das noch                                              jedem einzelnen Schüler, jeder ein-
gar nicht verstehen. Sie arbeite auf       eine Vorstellung                    zelnen Schülerin sofort ein passen-
dieser Stufe mit Smileys. Als Quer-         ­d avon, wie die                   des Programm zu bieten, sondern
einsteiger macht man vielleicht zwei                                           vielmehr darum, zuzulassen, dass
bis drei Anfängerfehler, doch wenn        Schule in Zukunft                    die Kinder und Jugendlichen selbst
man selbst grossmütig ist und sein          aussehen soll.»                    etwas kreieren. Manche Kinder wer-
Umfeld einem grossmütig begegnet,                                              den das sehr gut und eigenverant-
schafft man das miteinander.                                                   wortlich leisten können, andere
Was werden die grossen Themen Ihrer                                            werden dabei stärker begleitet wer-
Amtszeit als VSLCH-Präsident sein?       Wie stellen Sie sich die Schule der   den müssen. Und dafür braucht es
Zum einen habe ich es mir zum Ziel       Zukunft vor?                          gute Lehrpersonen, sie sich als Moti-
gesetzt, eine bessere Vernetzung der     In meiner Vorstellung wird das per-   vator beziehungsweise Coach ver-
einzelnen kantonalen Schulleiterver-     fekte Schulzimmer eine Mischung       stehen sollten. Die Zeiten, in denen
bände voranzutreiben. Zum anderen        aus Wohnzimmer, Werkraum und          die Kinder aufgestanden und
will ich Tools, wie Positionspapiere     Küche – ein Ort, wo man an einem      strammgestanden sind, weil die

                                                                                            Zur Person

                                                                                           Die Fritz+Fränzi-Redaktoren Evelin
                                                                                           Hartmann und Nik Niethammer sprachen
                                                                                           mit Thomas Minder. Der heute 43-Jährige
                                                                                           begann nach der Matur ein Studium der
                                                                                           Ingenieurwissenschaften und arbeitete
                                                                                           danach als Flug­begleiter bei der Swissair,
                                                                                           bevor er in St. Gallen das Studium als
                                                                                           Sekundar­lehrer phil II. abschloss und Lehrer
                                                                                           wurde. Seit 12 Jahren leitet Thomas Minder
                                                                                           die Volksschulgemeinde Eschlikon auf Stufe
                                                                                           Kindergarten und Primarschule, viereinhalb
                                                                                           Jahre lang präsidierte er den Thurgauer
                                                                                           Verband der Schulleitenden VSLTG. Seit
                                                                                           August ist er Präsident des Verbands
                                                                                           VSLCH, in dem rund 2200 Schulleiterinnen
                                                                                           und Schulleiter organisiert sind. Thomas
                                                                                           Minder ist verheiratet und Vater dreier
                                                                                           Kinder im Alter von 11 bis 14 Jahren.

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