"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT

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"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
ARBEITSSICHERHEIT, GESUNDHEITSSCHUTZ UND REHABILITATION                 N° 2 | 2023

                                                       Unterwegs mit dem Motorrad:
                                                       Den Verkehr „lesen“ lernen

                                                       VISION ZERO:
                                                       Die Gefährdungsbeurteilung
                                                       mit Leben füllen

REHA-MANAGEMENT

„WIR LASSEN
NIEMANDEN IM STICH“
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
2   EDITORIAL

                                                    LIEBE LESERINNEN
                                                    UND LESER,

                                         wenn unsere Versicherten           Übrigens: Im Jahr 2021 hat die BGN für Heilbehandlungen
                                       während der Arbeit einen schwe-      insgesamt 176 Millionen Euro ausgegeben, davon 79 Milli-
                                  ren Unfall erleiden oder durch ihre       onen für ambulante und 57 Millionen für stationäre Heilbe-
               Tätigkeit krank werden, lassen wir sie nicht allein. Unser   handlungen. Alle Leistungen, die den Versicherten helfen,
               Reha-Management unterstützt diese Menschen direkt            wieder am Leben teilzuhaben, summierten sich auf insge-
               nach dem Unfall und setzt alles daran, damit sie wieder      samt 17 Millionen Euro.
               gesund werden und bestenfalls an ihren alten Arbeitsplatz
               zurückkehren können. „Reha vor Rente“ ist dabei unser        VISION ZERO: keine Unfälle, kein Leid,
               Grundsatz. Dafür arbeiten bei der BGN bundesweit circa       keine Kosten
                                                    50 Reha-Manage-         Die persönlichen Schicksale nach schweren Unfällen und
                                                    rinnen und -Mana-       die damit verbundenen Kosten führen uns zu einem ande-
       WIR LASSEN NIEMANDEN                         ger im Außendienst      ren wichtigen Thema in dieser Ausgabe von Akzente, näm-
      NACH EINEM ARBEITSUNFALL                      und viele Sachbe-       lich zu der Vision einer Welt, in der es gar keine Unfälle
     UND EINER BERUFSBEDINGTEN                      arbeiterinnen und       und arbeitsbedingten Erkrankungen mehr gibt – und man
          KRANKHEIT ALLEIN.                         Sachbearbeiter in       die dafür nötigen Mittel nicht mehr bräuchte: die VISION
                                                    den Häusern der         ZERO. Wer ihr einen Schritt näher kommen will, muss als
                                                    BGN. Sie kümmern        Erstes potenzielle Gefährdungen in seinem Betrieb auf-
                                                    sich im Rahmen des      spüren und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Wie
               gesamten Reha-Ablaufs um bestmögliche Behandlungs-           eine solche Gefährdungsbeurteilung funktioniert, erklären
               methoden, organisieren und koordinieren das gesamte          wir Ihnen ab Seite 14.
               Heilverfahren und arbeiten eng mit Medizinerinnen und
               Medizinern verschiedener Fachrichtungen, unterschied-        Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
               lichsten Therapeutinnen und Therapeuten, gesetzlichen
               Betreuerinnen und Betreuern und Bevollmächtigten,
               Beschäftigten in Kranken- und Pflegekassen und vielen
               anderen Fachleuten zusammen. Stellvertretend für alle
               unsere engagierten Reha-Managerinnen und -Manager
               begleiten wir ab Seite 4 Alexandra Zapp bei ihrer Arbeit     Martina Hesse-Spötter,
               in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in Murnau und       stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der BGN
               schauen ihr über die Schulter.
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
    BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
                                                                           INHALT                                                                                         3

                                                                                      INHALT
                                                                                              Reha-Management
                                                                                     4        „Wir lassen niemanden im Stich“
                                                             04                      8        Meldungen

                                                                                              Unterwegs mit dem Motorrad
                                                                                     10       Den Verkehr „lesen“ lernen

                                                                                              Neues Angebot zur Gefährdungsbeurteilung
                                                                                     12       Psychische Belastung ermitteln

                                                                                              Der Grundstein der VISION ZERO
                                                                                     14       Die Gefährdungsbeurteilung mit Leben füllen

                                                                                              Leistungen der BGN
                                                                                     18       Arbeitsunfall – was nun?

                                                                                              Räucheranlagen
                                                                                     20       Sicherer Weg nach draußen
                                                            10
                                                                                              Sicherheit und Gesundheit im Kleinbetrieb
                                                                                     22       „Jeder gewinnt!“

                                                                                              Wir für Sie
                                                                                     23       Menschen bei der BGN

                                  18

IMPRESSUM
Herausgegeben von: Berufsgenossenschaft             Administration: Bei Neu-, Um- und Abbestellungen               Verlag: Universum Verlag GmbH, Wiesbaden
Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN),               sowie sonstigen Anfragen wenden Sie sich direkt an
                                                                                                                   Gestaltung: Liebchen+Liebchen GmbH, Frankfurt
­Dynamostraße 7–11, 68165 Mannheim,                 Sybelle Padberg (BGN): sybelle.padberg@bgn.de
 Fon 0621 4456-0, www.bgn.de, info@bgn.de                                                                          Druck: Bonifatius GmbH, Druck – Buch – Verlag,
                                                    Fotos: Adobe Stock: lassedesignen (S. 3, 10), Vergani          Paderborn
Verantwortlich: Jürgen Schulin,
                                                    Fotografia (S. 3, 18), Rido (S. 9, o.), ytemha34 (S. 9, u.),   © BGN 2023 ISSN 0940-9017
Hauptgeschäftsführer der BGN
                                                    vladgrin (S. 14–17), Семен Саливанчук (S. 22, o.), Hunter
                                                                                                                   Nachdrucke erwünscht, aber nur mit schriftlicher
Redaktion: Michael Wanhoff, Dr. Markus Hartmann,    Leader (S. 22, u.), why­frame­shot (S. 23); BGN (S. 2, 24);
                                                                                                                   Genehmigung der Redaktion. In dieser Zeitschrift be-
Martina Kern, Laura König (BGN), Gabriele Albert,   Christian Bäck, BGN (S. 1, 3–7); DGUV (S. 8); Fotostudio       ziehen sich Personenbezeichnungen gleichermaßen
­Stefan Layh (Universum Verlag),                    Thomas, BGN (S. 23); Oliver Rüther, BGN (S. 12–13, 15, 16);    auf alle Geschlechter, auch wenn dies in der Schreib-
 Fon 0621 4456-1517, akzente@bgn.de                 istockphoto: Kutredrig (S. 20); Robert Schlosser (S. 21)       weise nicht immer zum Ausdruck kommt.
Bildredaktion: Giovanna Russo (BGN),
giovanna.russo@bgn.de
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
4   REHABILITATION

                                                                                                              REHA-MANAGEMENT

                                „WIR LASSEN
                         NIEMANDEN IM STICH“
                                          Reha-Managerinnen und -Manager der BGN helfen schwer verletzten
                                  Versicherten nach einem Arbeitsunfall oder bei einer Berufskrankheit, wieder
                                 gesund und arbeitsfähig zu werden. Was dabei alles zu ihren Aufgaben gehört,
                                 wie abwechslungsreich, aber auch wie fordernd dieser Beruf ist, zeigt Akzente
                                          am Beispiel von Alexandra Zapp und dem Versicherten Bruno Pollini.

                                                                                                                            Gabriele Albert

                  U        mfassendes Fachwissen, eine ausgeprägte so­
                           ziale Kompetenz, hohe psychische Belastbarkeit
                   und Resilienz, Flexibilität und eine gute Selbstorganisati-
                                                                                   Kranken- und Pflegekassen, den Verantwortlichen in
                                                                                   den Betrieben und vielen anderen zusammen. „Ja, man
                                                                                   muss schon gerne kommunizieren und sollte Spaß am
                   on: Was sich liest wie die Skillsliste für eine hoch dotierte   Organisieren haben, sonst wird das nichts“, erklärt
                   Führungsposition, sind genau die Kompetenzen, die eine          ­Alexandra Zapp lächelnd. „Mindestens ebenso wich-
                   Reha-Managerin wie Alexandra Zapp braucht. Für die BGN          tig sind neben einem fundierten Fachwissen aber auch
                   steuert und überwacht sie unter anderem den gesamten            ein starkes Durchsetzungsvermögen, die Fähigkeit, mit
                   Heilverfahrensprozess von verletzten Versicherten und ar-       anderen Kulturkreisen umzugehen, sich aber auch ab-
                   beitet dabei eng mit Ärztinnen, Reha-Medizinern, Psycho-        grenzen zu können. Man darf nicht immer mitleiden.“
                   loginnen, unterschiedlichsten Therapeuten, Sozialdiens-         Was sicherlich nicht einfach ist, schließlich bekommt
                   ten der Kliniken, Dolmetschern, gesetzlichen Betreuern          sie auch Fälle mit besonders schweren Verletzungen zu
                   und Bevollmächtigen, Mitarbeitenden in ­Sanitätshäusern,        Gesicht. Die ­reichen von Poly- und ­Schädelhirntraumen
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
                                                                                                      BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
                                                                                                                  REHABILITATION       5

         1 | Wegen starker Schwellungen muss             1
             Bruno Pollini an seiner verletzten
             Hand dauerhaft einen Kompres­sions­
             handschuh tragen.
         2 | Die heutige Untersuchung in der
             BG-Klinik zeigt, wo der Versicherte
             im Heilungsprozess steht und welche
             weiteren Unterstützungsangebote
             nötig sind.
         3 | Mithilfe eines Dynamometers wird
             die Greifkraft von Bruno Pollini fest­
             gestellt.

                                                                                2

über ­Rückenmark- und Brandverletzungen bis hin zu
Amputationen und Versicherungsfällen mit psychischen
Traumafolgen. „Selbstverständlich berühren mich sol-                                               3
che Schicksale, aber ich versuche immer, professionell
und mit dem nötigen Abstand das Bestmögliche für die
verletzte Person zu erreichen. Mein Ehrgeiz und der
meiner Kolleginnen und Kollegen: möglichst alle Versi-        Handchirurgen in der BG-Klinik
cherten wieder in einen strukturierten Alltag sowie in        schaffte es in mehreren Operati-
Brot und Arbeit zu bringen.“                                  onen, die Hand samt Nerven wie-
                                                              der so zu rekonstruieren, dass das
Ergebnis gleicht einem Wunder                                 Ergebnis einem Wunder gleicht. Der
Heute trifft sich Alexandra Zapp zum wiederholten Mal         Unfall ist nun ungefähr ein Jahr her und
mit Bruno Pollini (Name von der Redaktion geändert) zu        Bruno Pollini hat im Laufe des Heilverfahrens meh-
einer sogenannten „Heilverfahrenskontrolle“ in der Be-        rere intensive und für ihn sehr anstrengende stationäre
rufsgenossenschaftlichen Klinik in Murnau (BG-Klinik).        und ambulante Rehabilitationsmaßnahmen durchlau-
Mit dabei sind dessen Dol-                                                              fen – alle geplant vom Reha­-
metscherin und der behan-                                                               Management der BGN.
delnde Reha-Mediziner Dr.
                                             ICH KANN SEHR VIEL ­POSITIVES
Michael Zapp, mit dem die                                                               Der Lohn seines eigenen so-
                                                UND GUTES FÜR UNSERE
Reha-Managerin im Privat-                                                               wie des ärztlichen und the-
                                            ­VERSICHERTEN, ABER AUCH FÜR
leben verheiratet ist. Bruno                                                            rapeutischen Engagements:
                                              DIE ARBEITGEBER BEWIRKEN.
Pollini ist 61 Jahre alt und ar-                                                        Er kann seine Hand und die
                                                      Alexandra Zapp
beitete zum Unfallzeitpunkt                                                             Finger wieder bewegen und
als Hausmeister und Maler in                                                            selbst kleinere und filigrane
einem gastronomischen Be-                                                               Gegenstände greifen – natür-
trieb. Bei der Demontage eines alten Speisenaufzugs fiel      lich mit Einschränkungen und unter nachvollziehbaren
das Gegengewicht im Aufzugsschacht nach unten und             Beschwerden. Wie groß seine Defizite aktuell noch ge-
verletzte seine rechte Hand schwer. „Herr Pollini erlitt      nau sind, wo er nun im Heilverfahrensprozess steht, wie
eine schwerste Quetschverletzung mit offenen Fraktu-          man ihn weiter unterstützen kann und welche Zukunfts-
ren und multiplen Abrissverletzungen, also eine subto-        perspektiven er hat, das alles soll die heutige Untersu-
tale Amputation“, erklärt Alexandra Zapp. Ein Team aus        chung klären.
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
6       REHABILITATION

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                                                                                           DIE KOSTEN FÜR DAS
                                                                                       HEILVERFAHREN VON BRUNO
                                                                                     POLLINI BELAUFEN SICH BISLANG
                                                                                        AUF CIRCA 100.000 EURO.

                                                                           Das Ergebnis: Leider ist seit der Entlassung aus der letzten statio-
                                                                           nären Rehabilitation in der BG-Klinik im November 2022 eine Ver-
                                                                           schlechterung eingetreten. „Herr Pollini, wenn Sie regelmäßiger
                                                         5
                                                                           an Ihren ambulanten Therapien teilgenommen hätten und mehr
                                                                           zu Hause üben würden, wäre Ihre Hand insgesamt beweglicher
                                                                           und auch nicht mehr so geschwollen“, erklärt Dr. Michael Zapp
                                                                           mit Nachdruck. Für ihn und seine Frau steht am Ende der circa
                                                                           halbstündigen Untersuchung fest: Der Versicherte benötigt auch
                                                                           weiterhin intensive ambulante Reha-Maßnahmen wie Ergo- und
                                                                           Physiotherapie. Beide weisen ihn eindringlich darauf hin, zukünf-
                                                                           tig die Therapietermine gewissenhaft wahrzunehmen, mehrmals
                                                                           täglich zu Hause Übungen zu machen und die Hand im Alltag
                                                                           einzusetzen. „Wir lassen Sie nicht im Stich, Herr Pollini, aber Sie
                                                                           müssen auch mitmachen und Ihren Teil dazu beitragen, wieder
                                                                           ohne Hilfe in Ihrem Alltag zurechtzukommen“, so die Reha-Ma-
                                                                           nagerin. „Sie wollen doch wieder arbeiten.“
     4 | Reha-Mediziner Dr. Michael Zapp führt im
         Rahmen einer eingehenden Untersuchung
                                                                           Ziel: Rückkehr an den Arbeitsplatz
         einige Tests mit Bruno Pollini durch.
     5 | Wie ein Wunder: Auf den ersten Blick erkennt                     Der Versicherte reibt und knetet derweil immer wieder seine rech-
         man kaum einen Unterschied zwischen                               te verletzte Hand und scheint insgesamt wenig optimistisch auf
         der gesunden linken und der einstmals
         schwerstverletzten rechten Hand.
                                                                           sein weiteres Leben zu blicken. Er wünscht sich zwar, wieder im
                                                                           alten Betrieb arbeiten zu können, weiß aber nicht, ob das rea-
                                                                           listisch ist. Längstens bis zum Ablauf der 78. Woche bekommt
                                                                           er noch Verletztengeld von der BGN. Wie es danach weitergeht,
     Untersuchung klärt Status quo                                         ist für ihn ungewiss. Ein handchirurgisches Gutachten wird die
     Das Ehepaar Zapp ist nicht nur privat, sondern auch beruflich         Grundlage für die genaue Höhe der zu erwartenden Verletzten-
     ein eingespieltes Team, jeder weiß um seine Aufgaben und Zu-          rente darstellen. „Diese wird in seinem Fall jedoch nicht ausrei-
     ständigkeiten. Der Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie,       chen, um den gesamten Lebensunterhalt bestreiten zu können,
     Dr. Michael Zapp, beginnt das Gespräch, fragt nach dem Befin-         und auch deshalb ist es mein Ziel, wieder eine Tätigkeit für ihn
     den Pollinis und fordert den Versicherten auf, seinen Kompressi-      zu finden“, betont Alexandra Zapp. „Dazu muss ich nun zeitnah
     onshandschuh an der rechten Hand auszuziehen, den er wegen            ein Gespräch mit seinem Arbeitgeber führen und prüfen, ob es
     starker Schwellungen ununterbrochen tragen muss. Das gelingt          dort die Möglichkeit einer beruflichen Wiedereingliederung gibt.“
     nur mit einiger Mühe, die Hand sieht gemessen an der Schwe-
     re des Unfalls allerdings erstaunlich gut aus. Jetzt führt der Arzt   Grundsätzlich gilt: Wenn eine Rückkehr an den bisherigen Arbeits-
     im Rahmen einer eingehenden Untersuchung einige Tests durch:          platz aufgrund der Unfallfolgen nicht möglich zu sein scheint, ge-
     Wie beweglich ist die noch immer stark geschwollene Hand bezie-       hört es auch zu den Aufgaben der Reha-Managerin, sich diesen
     hungsweise die einzelnen Finger? Kann der Versicherte nach ei-        genau anzuschauen und eventuell gemeinsam mit der zuständi-
     nem Gegenstand greifen? Welche Kraft kann er dabei aufwenden?         gen Aufsichtsperson zu prüfen, ob ein „leidensgerechter“ Umbau
     Wie steht es um seinen Tastsinn und seine Sensibilität?               helfen könnte, dies doch zu ermöglichen. „Das könnten für einen
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
 BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
   REHABILITATION                                                                                                            7

                                                                            BEISPIELE FÜR DIE AUFGABEN VON
                                                                          REHA-MANAGERINNEN UND -MANAGERN

                                                                       • Prüfen, ob die Zuständigkeit der BG gegeben ist
                                                                         und die Voraussetzungen für das Vorliegen eines
                                                                         Arbeitsunfalls erfüllt sind
                                                                       • zeitnahe, umfassende Beratung des Versicherten
                                                                         und gegebenenfalls der Angehörigen nach einem
                                                                         Arbeitsunfall oder beim Vorliegen einer Berufs-
                                                                         krankheit
                                                                       • Steuerung, Überwachung und Optimierung des
                                                                         gesamten Heilverfahrens durch Teilnahme an Heil-
                                                                         verfahrenskontrollgesprächen in den Kliniken oder
                                                                         Ambulanzen der Kranken­häuser, Abstimmungsge-
                                                                         spräche mit den behandelnden D-Ärzten, Führen
                                                                         von Abschlussgesprächen nach stationären Heilver-
                                                                         fahren und Verfassen von Reha-Plänen (Kernstück
       ALS REHA-MANAGERIN BRAUCHE ICH
                                                                         der gemeinsamen Arbeit mit dem Versicherten)
       EIN BREITES NETZWERK. ICH ARBEITE
                                                                       • dafür Sorge tragen, dass die Versicherten notwen-
         MIT DEN UNTERSCHIEDLICHSTEN
                                                                         dige Therapien und Hilfsmittel umgehend erhalten,
      BERUFEN UND MENSCHEN ZUSAMMEN.
                                                                         aber auch wahrnehmen und mitwirken
                         Alexandra Zapp
                                                                       • sich darum kümmern, dass Leistungen wie Ver-
                                                                         letztengeld, Haushaltshilfe und Pflegegeld oder
                                                                         Kleider- und Wäscheverschleißgeld zeitnah gewährt
                                                                         und festgestellt werden
                                                                       • Feststellung von Leistungen zur Teilhabe am
Beschäftigten mit Verletzungen an der Wirbelsäule zum Beispiel           ­Arbeitsleben, Führen von BEM-Gesprächen, lei-
der Einbau von Hebe- und Tragehilfen oder besonderen Stehhil-            densgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen im
fen sein.“ Sind auch diese Möglichkeiten ausgeschöpft oder nicht         Betrieb, innerbetriebliche Umsetzungen, betrieb-
zielführend, prüft Alexandra Zapp weitere Optionen: Ist eine in-         sinterne Qualifizierungen, Fortbildungen, aber
nerbetriebliche Umsetzung, gegebenenfalls mit kleineren Quali-           auch die Bewilligung einer Umschulung als letzte
fizierungen, denkbar? Welche Kenntnisse und Fertigkeiten bringt          Maßnahme für eine Integration auf dem ersten
der Versicherte mit? Welche Schul- und Berufsausbildung wurde            Arbeitsmarkt
absolviert? Wo liegen die Neigungen, was strebt der Versicherte        • Prüfen der Notwendigkeit von Wohnungshilfe und
an, wie motiviert ist er? Muss vielleicht sogar an eine berufliche       Kfz-Hilfe
Neuorientierung im Rahmen einer Umschulung gedacht werden?             • Unterbringungen im Pflegeheim oder Werkstatt für
                                                                         Menschen mit Behinderung
Hilfe, solange es nötig ist                                            • Feststellung persönlicher Budgets und sozialer
„Ich werde den Kontakt zu Herrn Pollini – genauso wie bei meinen         Teilhabeleistungen
anderen Versicherten mit schweren und langwierigen Verletzun-          • nachgehende Betreuung von schwerstverletzten
gen – so lange halten, bis das Heilverfahren abgeschlossen ist,          Versicherten mit einer Minderung der Erwerbsfähig-
er hoffentlich wieder eine Tätigkeit gefunden hat und seine Rente        keit (MdE) ab 80 Prozent, die ­mindestens einmal
festgestellt und bewilligt wurde“, erklärt die Reha-Managerin und        pro Jahr zu Hause besucht werden
händigt dem Versicherten seinen neuen Reha-Plan aus, den alle
Beteiligten an Ort und Stelle unterschreiben. Vor ihr liegt noch ein
langer Tag mit vielen weiteren Terminen. 
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
8   MELDUNGEN

     FACHSYMPOSIUM „MASCHINEN- UND ANLAGENSICHERHEIT“

     SICH AUSTAUSCHEN UND NETWORKEN
                                                              Das Fachsymposium „Maschinen- und Anlagensicher-
                                                              heit“ ist eine Informations- und Networking-Plattform für
                                                              Maschinenhersteller und Betreiber aus den Bereichen
                                                              der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Die Traditions-
                                                              veranstaltung findet am 25. und 26.04.2023 im BGN-Aus-
                                                              bildungszentrum in Reinhardsbrunn statt und wiederholt
                                                              sich in diesem Jahr zum 19. Mal. Das Themenspektrum um-
                                                              fasst branchenrelevante fachliche und rechtliche Themen.
                                                              Download des diesjährigen Programms sowie der Teil­
                                                              nahmebedingungen und des Anmeldeformulars unter:
                                                                   www.dguv.de, Webcode: d139391

                                                                                                           NEUE DGUV REGEL

                        FLÜSSIGGAS RICHTIG VERWENDEN
                                 Flüssiggas wird in vielen BGN-Mitglieds­       Sie beinhaltet umfangreiche Informationen zu
                                 unternehmen eingesetzt – entsprechend          Aufstellung, Dichtheitskontrolle, Betrieb und
                                 ist ein fachgerechter Umgang damit und         Prüfung von Flüssiggasanlagen. Auch für Auf-
                                  mit den unterschiedlichen Flüssiggas­         sichtspersonen der Unfallversicherungsträger,
                                  anlagen entscheidend, um die Sicherheit       staatlichen Aufsichtsbehörden sowie zur Prü-
                                   und ­Gesundheit der Beschäftigten im Be-     fung befähigte Personen für Flüssiggasanlagen
                                   trieb sicherzustellen.                       bietet die neue Regel wertvolle Hilfestellungen.

                                    Die neue branchenübergreifende DGUV
                                    Regel 110-010 „Verwendung von Flüs-
                                     siggas“, an deren Erstellung die BGN
                                     maßgeblich beteiligt war, unterstützt
                                      die Betriebe dabei, staatliche Arbeits-                Download der neuen Regel
                                      schutzvorschriften wie die Betriebs-                       www.bgn.de, Shortlink: 1905
                                       sicherheitsverordnung, weitere ver-                   Wissen kompakt: Flüssiggas- und
                                       bindliche gesetzliche Regelungen,                     Erdgasanlagen

                                       DGUV Vorschriften sowie einschlä-                         www.bgn.de, Shortlink: 754

                                        gige Normen konkret umzusetzen.
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
 BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
MELDUNGEN                                                                                                                           9

                                                                                                 BERUFSWAHL UND ALLERGIE

                                                        ÄRZTLICHE BERATUNG
                                                      FÜR ZUKÜNFTIGE AZUBIS
                                                                                 weit diese ­Vor­erkrankungen bei der Berufswahl
                                                                                 berücksichtigt werden sollten. Das gilt insbe-
                                                                                 sondere für Be­rufe mit luftgetragener Allergen­
                                                                                 exposition – beispielsweise Mehl-, Enzym- und
                               Was tun, wenn in jungen Jahren die gesundheit-    Getreidestäuben – oder mit hautbelastenden
                               lichen Voraussetzungen und der Wunschberuf        Tätigkeiten. Was sollten Betroffene tun? Müs-
                               nicht zusammenzupassen scheinen: Aus der          sen sie ihre Berufspläne aufgeben? Bei der
                                                   Traum? Für Jugendliche mit    Beantwortung dieser Fragen bietet die BGN
                                                   allergischen Atemwegs­        Unterstützung an: Eine individuelle ärztliche
                                                   erkrankungen wie Heu­         Berufsberatung für angehende Auszubildende,
Für Terminvereinbarungen wenden Sie sich bitte     schnupfen und ­
                                                                 A sthma         Erziehungsberechtigte oder Unternehmer hilft
an den BGN-Gesundheitsschutz in Mannheim:
                                                   bronchiale oder mit Haut­     dabei, die richtige Karriereentscheidung zu tref-
   Telefon: 0621 4456-3109
                                                   erkrankungen stellt sich      fen. Die Beratung kann je nach Wunsch persön-
   Mail: gs_praevention_mannheim@bgn.de
                                                   die Frage, ob und inwie-      lich oder telefonisch erfolgen.

     FAQs IM REHA-BEREICH

     BETRIEBSAUSFLUG
    Täglich erreichen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter   ­Betrieb organisiert beziehungsweise
    der BGN vielfältige Fragen rund um das Thema Reha-       durchgeführt werden, damit es sich
    bilitation. Wir stellen Ihnen die Themen vor, die am     um eine betriebliche Veranstaltung
    häufigsten nachgefragt werden. Dieses Mal geht es        handelt. Weitere Voraussetzungen für den
    darum, ob die Beschäftigten bei einer betrieblichen      gesetzlichen Versicherungsschutz: Teilnahme der
    Veranstaltung unter Versicherungsschutz stehen.          Betriebsleitung oder einer Vertretung und das Offen­
                                                             stehen der Veranstaltung für alle Beschäftigten. Ziel
    Frage: Wir haben einen Betriebsausflug unternom-         muss sein, das Betriebsklima zu stärken und die
    men. Auf dem Weg vom Bus zur Sommerrodelbahn             ­Verbundenheit der Beschäftigten untereinander zu
    bin ich gestolpert und hingefallen. Beim Versuch,        fördern. Ver­sicherungsschutz besteht auch, wenn
    mich aufzufangen, habe ich mir den Arm gebrochen.        ­wegen der Größe eines Unternehmens betriebliche
    Ist das über die BGN versichert?                         Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen Abtei-
                                                             lungen organisiert werden.
    Antwort: Betriebsausflüge und -feiern sind dann ver-
    sichert, wenn sie der „Pflege der Verbundenheit“ der     Treffen all diese Punkte nicht zu, zum Beispiel bei einer
    Beschäftigten untereinander oder zwischen Betriebs-      privat organisierten Geburtsfeier in den betrieblichen
    leitung und Belegschaft dienen. Sie müssen vom           Räumlichkeiten, besteht kein Versicherungsschutz.
"WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH" - REHA-MANAGEMENT
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
10   MOBILITÄT

                                                    UNTERWEGS MIT DEM MOTORRAD

                                          DEN VERKEHR
                                         „LESEN“ LERNEN

                    Es ist Frühling und die Herzen aller Motorradfahrerinnen und -fahrer schlagen höher.
                    Endlich wieder das Bike anmelden und damit zur Arbeit fahren. Leider ist hier das Risiko
                    für einen schweren Unfall ungleich höher als bei jeder anderen Form der Mobilität.
                    Es gibt aber durchaus Tipps, die das eigene Fahren sicherer machen.

                        Joachim Fuß

                   D        a gibt es nichts zu beschönigen oder zu ver-
                            harmlosen: Bikerinnen und Biker leben gefähr-
                    licher als andere Verkehrsteilnehmer. Von den 77 zwi-
                                                                                zu der mit Motorrädern erbrachten Kilometerleistung (nur
                                                                                circa 1,7 Prozent der Pkw-Fahrleistung) und zum Anteil
                                                                                an den zugelassenen Fahrzeugen (nämlich 4,7 Millio­nen
                    schen 2018 und 2020 bei Straßenverkehrsunfällen auf         Krafträder gegenüber 47 Millionen Pkw). Sprich: Im Ver-
                    Arbeits- und Dienstwegen getöteten BGN-Versicherten         gleich zu Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern gibt es deutlich
                    waren zehn, also etwa jeder Achte, mit einem Motorrad       weniger Biker, die zudem weniger weit fahren, dafür aber
                    unterwegs. Dabei wird das Motorrad in der Regel eher        sehr viel mehr und schlimmere Unfälle haben (­Quelle­für
                    für den Weg von oder zur Arbeit genutzt und weniger als     die Zahlenangaben 2021: Kraftfahrt-Bundesamt).
                    Fahrzeug für Dienstwege. Alle tödlichen Motorradunfälle
                    in der BGN-Statistik ereigneten sich im Frühling und Som-   Geschwindigkeit anpassen
                    mer und ausschließlich auf Bundes- oder Landstraßen.        Circa ein Drittel (31 Prozent) der Motorradunfälle sind
                    Die Anzahl der getöteten Fahrerinnen und Fahrer in der      sogenannte Alleinunfälle, die also ohne einen direkten
                    BGN-Statistik steht in einem deutlichen Missverhältnis      Unfallgegner passieren. Bei diesen Unfällen spielen
 BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
   MOBILITÄT                                                                                                                           11

                                                                                   Sich passiv schützen
                   CIRCA EIN DRITTEL ALLER MOTORRAD-                               Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verlangt nur
                 UNFÄLLE PASSIEREN OHNE EINEN DIREKTEN                             einen „geeigneten“ Schutzhelm. Man sollte aber
                    UNFALLGEGNER – HAUPTURSACHEN:                                  zusätzlich darauf achten, dass er die Norm ECE-
                  UNANGEPASSTE GESCHWINDIGKEIT UND                                 22/05 oder besser die deutlich anspruchsvollere
                  MANGELNDE FAHRZEUGBEHERRSCHUNG.                                  Nachfolgenorm ECE-22/06 erfüllt, um einen opti-
                                                                                   malen Kopfschutz zu erreichen. Außer dem Helm
                                                                                   schreibt die StVO keine Schutzkleidung für Motor-
                                                                                   radfahrende vor. Jeder verantwortungsvolle Biker
                                                                                   wird sich aber mit einer qualitativ hochwertigen
zwei oft ineinandergreifende Faktoren eine bedeutende Rolle:         Bekleidung schützen wollen. Neben der klassischen Lederkom-
unangepasste Geschwindigkeit und mangelnde Fahrzeugbe-               bi, die immer noch für einen sehr guten Abriebschutz steht, gibt
herrschung. Angepasste Geschwindigkeit bedeutet nicht nur,           es inzwischen auch textile Materialien, die einen hohen Schutz
die zulässige Höchstgeschwindigkeit einzuhalten, sondern die-        bieten. Bei Motorradjacken sorgen Protektoren an Schultern,
se weiter zu reduzieren, sobald die Verkehrsverhältnisse, das        Ellenbogen und eventuell auch am Rücken für einen besseren
Wetter und der Straßenzustand dies erfordern. Wohl bei keinem        Aufprallschutz. Auch bei den Hosen sind ein guter Abriebschutz
anderen Verkehrsmittel spielt die Fahrzeugbeherrschung eine so       und eine Ausstattung mit Protektoren ratsam. Biker-Stiefel
große Rolle wie beim Motorradfahren. Die bestandene Fahrprü-         oder zumindest den Knöchel bedeckende Kurzstiefel oder Bi-
fung belegt allenfalls Grundfertigkeiten, die keinesfalls genügen,   ker-Sneaker sowie Handschuhe runden eine optimale Schutz-
um fahrphysikalische Grenzsituationen oder Notfallreaktionen         ausstattung ab. Seit 2020 definiert die EU-Normenreihe 17092
zu beherrschen. Fahranfänger sollten sich deshalb vorsichtig an      den Schutzgrad von Motorradbekleidung. Diese Klassifizierung
eine bessere Fahrfertigkeit herantasten und frühzeitig über die      reicht von AAA bis C, wobei nur die Klassen AAA bis A e
                                                                                                                           ­ inen
Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining nachdenken. Aber          angemessenen Mindestschutz garantieren. Die Schutzklasse
auch für „alte Hasen“ gibt es Aufbau- oder Intensivtrainings, die    steht häufig in den eingenähten Etiketten der Bekleidung. Zu-
an bestimmte fahrerische Voraussetzungen geknüpft werden.            nehmend werden auch sogenannte Airbag-Jacken angeboten,
Sofern es sich dabei um vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat         die den Aufprallschutz nochmals verbessern. Allerdings weisen
(DVR) zertifizierte Trainings handelt, werden diese durch die BGN    Unfallforscher darauf hin, dass bei einer Aufprallgeschwindig-
mit 75 Euro bezuschusst.                                             keit ab 50 Stundenkilometer keine verfügbare Schutzkleidung –
                                                                     so gut und teuer sie auch gewesen ist – schwerste Verletzungen
Verhalten der anderen antizipieren                                   verhindern kann. 
Die Kollisionen zwischen Motorrad und anderen Fahrzeugen er-
eignen sich oft im Zusammenhang mit Vorfahrtsmissachtungen
beim Kreuzen oder beim Ein- und Abbiegen. Durch vorausschau-
endes und defensives Fahren lassen sich solche Unfallszenarien
deutlich reduzieren. Für Motorradfahrende ist es noch wichtiger
                                                                                        WEITERE INFORMATIONEN
als für andere Verkehrsteilnehmende, den Verkehr „lesen“ zu ler-
                                                                          Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. (DVR) und Institut
nen, das heißt das Verhalten anderer vorwegzunehmen und ein-              für Zweiradsicherheit (ifz):
zukalkulieren. Dies setzt allerdings eine gute Selbsteinschätzung         Motorradfahren – gut und sicher. Bonn, Essen, 2021.
und -reflexion sowie viel Erfahrung voraus. Insbesondere muss                 www.ifz.de/publikationen/broschuren/

in einer Pre-Crash-Situation hinsichtlich der Entscheidung zwi-           Institut für Zweiradsicherheit (ifz):
                                                                          Easy Cruisen – entspannt mit dem Motorrad unterwegs
schen Ausweichen und Bremsen (oder beidem) eine Kompetenz
                                                                              https://kurzelinks.de/Easy_Cruisen
aufgebaut werden, die eine sekundenschnelle Entscheidung und
                                                                          Institut für Zweiradsicherheit (ifz):
eine souveräne Fahrtechnik umfasst. Dies alles braucht Zeit und
                                                                          Das kleine Erste-Hilfe-Einmaleins
Übung. Auch hier empfehlen sich wiederholte und aufbauende
                                                                              www.ifz.de/produkt/das-kleine-erste-hilfe-einmaleins/
Fahrtrainings.
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
12     PRÄVENTION

      NEUES ANGEBOT ZUR GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG

      PSYCHISCHE BELASTUNG
      ERMITTELN

      Die BGN bietet ihren Mitgliedsbetrieben mit mehr als 50 Beschäftigten
      ab sofort einen Online-Fragebogen zur Ermittlung der arbeitsbedingten
      psychischen Belastung im Betrieb an – inklusive Auswertung und Vor­schlägen
      für die weiteren Schritte bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung.

        Stefan Keller, Susan Kutschbach

                     S        eit 2013 muss laut Arbeitsschutzgesetz bei der
                              Gefährdungsbeurteilung auch die arbeitsbe-
                      dingte psychische Belastung der Beschäftigten berück-
                                                                                mit dem Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechni-
                                                                                schen Dienst der BGN (ASD*BGN) ihren Mitgliedsbetrie-
                                                                                ben mit mehr als 50 Beschäftigten die Möglichkeit an,
                      sichtigt werden. Der erste Schritt – nach dem Festlegen   eine Online-Beschäftigtenbefragung zur Ermittlung der
                      der zu beurteilenden Tätigkeiten beziehungsweise Ar-      arbeitsbedingten psychischen Belastung im Rahmen
                      beitsbereiche – ist dabei die Ermittlung der arbeits-     der Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Für kleinere
                      bedingten psychischen Belastung. Dazu gibt es ver-        Betriebe ist eine Auswertung der Befragungsergebnisse
                      schiedene Methoden, die einzeln oder in Kombination       aufgrund des Datenschutzes nicht zulässig.
                      eingesetzt werden können: Neben dem sogenannten Be-
                      obachtungsinterview gibt es Analyseworkshops und die      Im Vorfeld alle ins Boot holen
                      Möglichkeit der schriftlichen Beschäftigtenbefragung.     Bei der Planung der Befragung im Betrieb ist es wichtig,
                      Letztere eignet sich insbesondere für größere Betriebe.   im Vorfeld alle wichtigen Personen und Gremien (betrieb-
                                                                                liche Interessenvertretung, Fachkraft für Arbeitssicher-
                      Auf die Branche zugeschnitten                             heit, Betriebsarzt/Betriebsärztin etc.) und vor allem die
                      Die BGN hat für die Beobachtungsinterviews vier bran-     Beschäftigten zu informieren. Betriebe, die sich für das
                      chenspezifische Beurteilungshilfen entwickelt (Gastge-    Modellprojekt anmelden, bekommen dann einen indi-
                      werbe, Backgewerbe, Fleischwirtschaft sowie Nahrungs-     viduellen Link zugeschickt, den sie ihren Beschäftigten
                      mittelherstellung und Getränkeindustrie) und stellt für   in einem vorab definierten Zeitraum zur Verfügung stel-
                      die Analyseworkshops Materialien zu den Instrumenten      len können. Mit diesem Link gelangt man zu Fragen, die
                      Arbeitssituationsanalyse und Ideen-Treffen zur Verfü-     sich auf die Arbeitsbedingungen im jeweiligen Betrieb
                      gung. Ein Instrument zur Methode der schriftlichen Be-    beziehen. Diese Fragen stammen aus dem MOLA-Frage-
                      schäftigtenbefragung fehlte bisher im Produktportfolio    bogen, der von der Unfallversicherung Bund und Bahn
                      der BGN – doch diese Lücke wurde jetzt geschlossen: In    (UVB) entwickelt wurde. MOLA ist die Abkürzung für die
                      einem neuen Modellprojekt bietet die BGN gemeinsam        Bereiche Menschen, Organisationskultur, Leistung und
 BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
   PRÄVENTION                                                                                                                        13

Arbeitsgestaltung. Der Fragebogen erfüllt die Anforde-     Mit den aus diesem Modellprojekt gewonnenen Er-
rungen der Leitlinie „Beratung und Überwachung bei psy-    kenntnissen soll zukünftig das Angebot der BGN zur
chischer Belastung am Arbeitsplatz“ der Gemeinsamen        Unterstützung der Betriebe bei der Durchführung der
Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Interessierte      Gefährdungsbeurteilung arbeitsbedingter psychischer
Betriebe können im Vorfeld einen Musterfragebogen und      Belastung weiter verbessert werden. Dazu fließen die
das Datenschutzkonzept sowie eine Musterauswertung         Daten in einen Gesamtdatensatz ein, der zur Ermittlung
zur Ansicht anfordern.                                     branchenspezifischer Kennwerte dienen soll.

Das Besondere am neuen Angebot: Die BGN übernimmt
die Auswertung der Befragungsergebnisse und stellt je-
dem Betrieb einen detaillierten Ergebnisbericht zur je-
weils eigenen Befragung zur Verfügung. In diesem Ergeb-
nisbericht erhalten die Betriebe neben der Darstellung                               TEILNAHMEBEDINGUNGEN
der arbeitsbedingten psychischen Belastung in den ein-                 Teilnehmen können alle BGN-Mitgliedsbetriebe mit mehr als
zelnen Arbeitsbereichen des Betriebs (z. B. P
                                            ­ roduktion,               50 Beschäftigten, die im Rahmen einer vollständigen Gefähr-
                                                                       dungsbeurteilung die arbeitsbedingte psychische Belastung
Verkauf, Service, Küche) im Vergleich zum Gesamtbetrieb
                                                                       ihrer Beschäftigten ermitteln wollen.
auch Tipps für das weitere Vorgehen im Prozess der Ge-                 Informationen zum Projekt und Kontaktdaten für Fragen
fährdungsbeurteilung. Ein weiterer Vorteil der Teilnahme               finden Sie auf unserer Themenseite in der Rubrik Beschäftig-
                                                                       tenbefragung:
am Projekt ist neben der Unterstützung bei der Ermitt-
lung arbeitsbedingter psychischer Belastung die Aner-                     www.bgn.de, Shortlink: 1520
                                                                       Sie wollen sich direkt anmelden oder haben noch Fragen?
kennung mit 10 Prämienpunkten beim BGN-Prämienver-
                                                                       Mailen Sie uns:
fahren in der Rubrik Modellprojekte.
                                                                          MOLA@bgn.de
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14     ARBEITSSCHUTZ

      DER GRUNDSTEIN DER VISION ZERO

      DIE GEFÄHRDUNGS-
      BEURTEILUNG MIT
      LEBEN FÜLLEN
      Die VISION ZERO ist die Vision einer Welt ohne Arbeitsunfälle
      und arbeitsbedingte Erkrankungen. Das würde bedeuten:
      keinen Personalausfall, gut funktionierende Prozesse und
      Abläufe, weniger Störungen und Stillstände, gesunde,
      zufriedene und motivierte Beschäftigte. Wer wünscht sich das
      nicht? Der erste Schritt dazu ist die Gefährdungsbeurteilung als
      gelebtes Instrument für einen besseren Arbeitsschutz.

        Jörg Bergmann

                     B        etriebe, die sich mit allen Kräften um die Gesund-
                              heit ihrer Beschäftigten kümmern und in denen
                      es keine Unfälle gibt, sind attraktive Arbeitgeber. Doch
                                                                                   Dokumentation bezeichnet man als Gefährdungsbeur-
                                                                                   teilung. Diese zu erstellen, ist nach dem Arbeitsschutz-
                                                                                   gesetz seit mehr als einem Vierteljahrhundert gesetzlich
                      wie erreicht man dieses Ziel, dem durchaus ein Hauch         vorgeschrieben – doch in der Praxis hat es längst nicht
                      von Utopie anhaftet? Die BGN schlägt vor, sich dazu mit      jeder Betrieb geschafft, diese Verpflichtung auch umzu-
                      sechs zentralen Aspekten der Betriebsführung ausei­          setzen. Und oft sind die Dokumentationen, die man dazu
                      nanderzusetzen – den Bausteinen der VISION ZERO. Eine        in den Unternehmen vorfindet, nicht vollständig, nicht
                      überaus wichtige Rolle kommt dabei der Gefährdungsbe-        aussagekräftig oder nicht wirklich nützlich. Mit einer vor-
                      urteilung zu, sie ist das Fundament der VISION ZERO.         gefertigten Checkliste oder einem Gefährdungskatalog
                                                                                   allein lässt sich die VISION ZERO nicht realisieren, und
                      Wo gibt es Gefährdungen und Belastungen?                     auch so manch verlockende schlanke und smarte Lösung
                      „Null Unfälle – gesund arbeiten“ geht natürlich nur,         „to go“, die eine rasche Erledigung der lästigen Verpflich-
                      wenn für alle Arbeitsplätze und Tätigkeiten im Betrieb       tungen verspricht, weist nicht in die richtige Richtung.
                      bekannt ist, welche Gefährdungen und Belastungen es          Stattdessen sollte es immer darum gehen, sich seriös
                      dort gibt. Anschließend müssen geeignete Schutzmaß-          mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Unternehmen
                      nahmen festgelegt und konsequent umgesetzt werden.           auseinanderzusetzen und dabei die Verbesserung von
                      Den damit verbundenen Prozess und die zugehörige             Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten im
                                                                                   Blick zu haben.

                                                                                   Welche Arbeitsplätze haben wir?
                                                                                   „Aller Anfang ist schwer“, das zeigen die Gespräche und
                                                                                   Diskussionen mit den Verantwortlichen in den Betrieben.
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   ARBEITSSCHUTZ                                                                                                                             15

Teilweise scheitert die Gefährdungsbeurteilung schon          Arbeitsabläufe analysieren
daran, dass man im Unternehmen nicht weiß, wie man            Im nächsten Schritt geht es darum, sich die
die Aufgabe überhaupt anpacken soll. Zudem fehlt im be-       Arbeitsabläufe genauer anzuschauen und
trieblichen Alltag eigentlich immer die Zeit „für so etwas“   festzustellen, welche Gefährdungen und Be-
und ein echter Nutzen wird auch nicht gesehen, stattdes-      lastungen für die Mitarbeitenden damit ver-
sen sinnloser bürokratischer Aufwand unterstellt. Wie         bunden sind. Eine gute Gefährdungsbeurtei-
also beginnen? Am besten erfasst man zunächst, welche         lung orientiert sich immer an den betrieblichen
Arten von Arbeitsplätzen es im Betrieb überhaupt gibt.        Prozessen und Arbeitsabläufen. Wenig zweckmäßig
Denn die Beurteilung muss nicht für jeden Beschäftig-         ist es, die Gefährdungsermittlung durch einen Einzel-
ten einzeln gemacht werden, sondern „je nach Art der          kämpfer erledigen zu lassen, der hinter verschlossenen
Tätigkeiten“, und nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes gilt     Türen an seinem PC sitzt und dort in einer Tabelle Häk-
bekanntlich: „Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist        chen setzt. Leichter und vor allem besser geht die Be-
die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit     urteilung in einem Team, das sich aus der Fachkraft für
ausreichend.“                                                 Arbeitssicherheit, der Betriebsärztin oder dem Betriebs-
                                                              arzt, dem oder der Bereichsvorgesetzten und ausge-
Beispiel: In einer handwerklich geprägten Bäckerei            wählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie – falls
lassen sich rasch die Arbeitsbereiche „Teigmacherei“,         im Betrieb vorhanden – einem Mitglied des Betriebsrats
„Teigaufbereitung“, „Backen“, „Versand“ und „Verkauf“         zusammensetzen kann. Mit dieser Besetzung ist sicher-
voneinander abgrenzen. Sie bilden die sogenannten             gestellt, dass sowohl die Kenntnisse der Abläufe vor Ort
„Betrachtungseinheiten“. Ob eine noch feinere Unter-          als auch die sicherheitstechnische und die arbeitsme-
teilung erforderlich ist oder ob diese fünf Arbeitsplatz-     dizinische Fachkunde in die Beurteilung einfließen. Ge-
typen ausreichen, zeigt sich in den folgenden Schritten       schmacksache bleibt, ob man zur Unterstützung auch
der ­Beurteilung.                                             vorbereitete Beurteilungshilfen, Risiko-Ampeln oder

                                                                                                                         Eine Gefährdungs­
                                                                                                                         beurteilung orien­
                                                                                                                         tiert sich immer
                                                                                                                         an den konkreten
                                                                                                                         betrieblichen Ge­
                                                                                                                         gebenheiten und
                                                                                                                         Arbeitsabläufen.
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16      ARBEITSSCHUTZ

                        Check-up-Tools nutzt. Nach Erfahrung der BGN können          Beispiel: Für den oben genannten Arbeitsplatz „Anla-
                        lange und sperrige Listen oder umfangreiche Algorith-        genbedienung Kartonierung“ erweist sich die Störungs-
                        men manchmal sogar hinderlich sein und das freie Den-        beseitigung als besonders problematisch. Eine effektive
                        ken blockieren. Unverzichtbar ist aber der Einsatz des       Prävention setzt deshalb dort an. Das Beurteilungsteam
                        gesunden Sachverstands der Beurteilenden, der in Ver-        legt fest, dass vordringlich Störungen durch geeigne-
                        bindung mit dem Praxiswissen und der Erfahrung aller         te Maßnahmen minimiert werden sollen, zum Beispiel
                        Beteiligten eigentlich immer sehr gute Ergebnisse liefert.   durch die optimierte Einstellung der Maschine durch ei-
                                                                                     nen Techniker. Im Hinblick auf die Lärmgefährdung sind
                        Beispiel: Für den Arbeitsplatz „Anlagenbedienung Kar-        zunächst technische Lärmminderungsmaßnahmen zu
                        tonierung“ in einem Nahrungsmittelbetrieb identifiziert      betrachten, bevor als letztes geeignetes Mittel die Ver-
                        das Beurteilungsteam folgende Gefährdungen: Schnitt-         wendung von Gehörschutz infrage kommt.
                        verletzungen an den Kartonzuschnitten beim Nach-
                        legen und bei der Störungsbeseitigung, Abrutschen            Wer macht was bis wann?
                        oder Umknicken beim Zugang zu schwer erreichbaren            Zum Abschluss der Beurteilung ist zu überlegen, wer
                        ­Störungsstellen an der Maschine, Gehörgefährdung            was bis wann macht und wie die Wirksamkeit der Maß-
                        durch Lärm, psychische Belastung durch Zeitdruck bei         nahmen überprüft wird. Damit die Maßnahmen auch
                        der Beseitigung auftretender Störungen, Fußverletzun-        tatsächlich umgesetzt werden, müssen Zuständigkeiten
                        gen bei Transporttätigkeiten mit Gabelhubwagen.              und Termine konkret benannt werden, was in der Praxis
                                                                                     leider oft unterbleibt. Hier ist aber die ohnehin gesetz-
                                                                                     lich geforderte Dokumentation der Beurteilung extrem
                                                                                     hilfreich, denn mit der Verschriftlichung von gefundenen
                                                                                     Gefährdungen, festgelegten Maßnahmen und Maßnah-
                                                                                     menüberprüfung wird die nötige Verbindlichkeit herge-
                                                                                     stellt. In der Form der Dokumentation sind die Betriebe
      Bei der Gefähr­                                                                völlig frei, die BGN empfiehlt in ihrer „Handlungsanlei-
      dungsbeurtei­
                                                                                     tung Betriebliche Gefährdungsbeurteilung“ (ASI 10.0)
      lung kommt es
      maßgeblich auf                                                                 dafür die Nutzung einer schlichten Tabelle (Anhang 2.2),
      einen gesunden                                                                 ergänzt um ein Deckblatt (Anhang 2.1).
      Sachverstand
      gepaart mit
      ­Praxiswissen                                                                  Wünschenswert: Teil der DNA
       und Erfahrung
       an.                                                                           Der gesamte Prozess der Gefährdungsbeurteilung muss
                                                                                     natürlich entsprechend organisiert sein – hier ist zu-
                                                                                     nächst einmal das Management gefordert. Die Unter-
                        Sorgfältig statt „quick and dirty“                           nehmensleitung entscheidet ja, wie die Beurteilungen
                        Für jede ermittelte Gefährdung werden jetzt geeigne-         durchgeführt werden, von welchen Personen und mit
                        te Maßnahmen diskutiert und festgelegt. Dabei gilt der       welchen Hilfsmitteln. Sie stellt die Ressourcen bereit
                        Grundsatz, dass Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen        und schaut auf die termingerechte Durchführung. Ent-
                        sind und kollektiv wirkende technische und organisatori-     scheidend für den Erfolg ist, dass die oberste Leitung
                        sche Maßnahmen Vorrang haben vor individuellen Maß-          deutlich macht, dass ihr die Erstellung der Gefährdungs-
                        nahmen wie persönlicher Schutzausrüstung oder Hin-           beurteilungen wichtig ist und dass sie das Thema dann
                        weisen zum sicheren Verhalten. Explizit gewarnt sei hier     auch über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet,
                        vor „Quick and dirty“-Lösungen, mit denen oft nur eine       die Agierenden motiviert und sich die
                        Scheinsicherheit erreicht wird, beispielsweise durch das     Ergebnisse der Beurteilungen in
                        Anbringen von Warnschildern oder das Aushängen einer         regelmäßigen Abständen vor-
                        Betriebsanweisung. Denn das Ziel der Gefährdungsbeur-        legen lässt. Denn mit der Ge-
                        teilung ist nicht, alle Felder in einem vorbereiteten For-   fährdungsbeurteilung erhält
                        mular auszufüllen, sondern es geht um eine tatsächliche      man ein zentrales Instrument
                        Risikominimierung im Sinne der VISION ZERO.                  zum Steuern und Lenken von
                                                                                     Risiken, das idealerweise ein Teil
                                                                                     der DNA des Unternehmens wird.
 BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
   ARBEITSSCHUTZ                                                                                                                     17

                                              GRUNDSÄTZLICHER ABLAUF DER GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG

                                              „Betrachtungseinheiten“ (Arbeitsplätze/Tätigkeiten im Betrieb) festlegen

                                              Anschließend für jede Betrachtungseinheit:
                                              • Gefährdungen und Belastungen ermitteln
                                              • Maßnahmen festlegen (inkl. „Wer macht was bis wann?“)
                                              • Maßnahmen durchführen
                                              • Dokumentation der Ergebnisse, Steuern und Lenken der Risiken
                                              • Wirksamkeit überprüfen
                                              • Gefährdungsbeurteilung ggf. anpassen

Das bedeutet auch, dass die Beurteilungen lebendig bleiben und    Die Gefährdungsbeurteilung ist kein Selbstzweck und keine
bei bestimmten Anlässen aktuell gehalten werden müssen, etwa      ­bürokratische Auflage des Gesetzgebers an die Arbeitgeberin-
bei Veränderungen betrieblicher Abläufe und Technologien oder     nen und Arbeitgeber. Versteht man sie als lebendiges Instrument
bei Änderungen rechtlicher Vorgaben. Insbesondere sollten Un-     und nicht als eine Sammlung seelenloser Dokumente, dann
fälle, Beinahe-Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen stets     ­fördert sie das Wohl der Beschäftigten, aber auch die Leistungs-
Anstoß sein, um die bestehende Gefährdungsbeurteilung auf         fähigkeit, die Betriebs- und die Rechtssicherheit des Unterneh-
den Prüfstand zu stellen: Wurden die Gefährdungen vollständig     mens. Bei dieser weitreichenden Zielsetzung versteht es sich,
und richtig ermittelt? Sind die festgelegten Schutzmaßnahmen      dass die Gefährdungsbeurteilung nicht nur als Instrument für
tatsächlich geeignet und ausreichend? Und wurden diese Maß-       die Expertinnen und Experten im Arbeitsschutz gedacht ist, son-
nahmen auch konsequent umgesetzt? Auf diese Weise kommt ein       dern vielmehr für alle Führungskräfte und ­Mitarbeitenden.
kontinuierlicher Verbesserungsprozess im Arbeitsschutz in Gang,   Kommunikation und Beteiligung
der wie ein Katalysator für die VISION ZERO wirkt.                sind die Schlüsselfaktoren für
                                                                  Verständ­nis, Akzeptanz und
Andere VISION-ZERO-Bausteine anpacken                             gelebten Arbeitsschutz so-
Mit einer funktionierenden Gefährdungsbeurteilung ist es leicht    wie die Basis für ein gutes
möglich, auch die anderen VISION-ZERO-Bausteine anzupa-           ­Betriebsklima. 
cken. Für die Vorgesetzten des Betriebs etwa ist die Gefähr-
dungsbeurteilung ein unverzichtbares Instrument, um den Ar-
beitsschutz in ihrem Zuständigkeitsbereich zu gestalten und zu
fördern, zum Beispiel durch Unterweisungen, Anweisungen und
Schulungen sowie durch Anerkennung bei sicherem Verhalten
und Korrekturhinweise bei unsicherem Verhalten. Damit werden
wichtige Aspekte der Bausteine „Sicher und gesund führen“ und
„Beschäftigte unterweisen und qualifizieren“ abgedeckt. Aus
den im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Maß-
nahmen ergeben sich außerdem dezidierte Verhaltensregeln für                             Mehr zur VISION ZERO allgemein

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ganz im Sinne des Bau-                                 www.bgn.de/vision-zero
steins „Ziele formulieren, Regeln aufstellen und durchsetzen“.                           Mehr zu den einzelnen Bausteinen
Und „Gemeinsam aus Fehlern lernen“ gelingt unter anderem                                      ww.bgn.de/vision-zero/die-vision-
                                                                                             w
durch die regelmäßige Wirksamkeitsprüfung und Anpassung                                      und-ihre-umsetzung

der ­Gefährdungsbeurteilung.                                                             Handlungshilfen der BGN zur
                                                                                         ­Gefährdungsbeurteilung
                                                                                             www.bgn.de, Shortlink: 1525
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
18   REHABILITATION

                   LEISTUNGEN DER BGN

                    ARBEITSUNFALL –
                    WAS NUN?
                    Nach einem schweren Arbeitsunfall oder einer anerkannten Berufskrankheit sind
                    BGN-Versicherte umfangreich abgesichert. In den letzten zwei Ausgaben von Akzente
                    stellten wir die Heilbehandlung vor und die Leistungen, die eine Rückkehr ins
                    normale Leben ermöglichen. Dieses Mal geht es um die finanzielle Unterstützung
                    sowie Leistungen bei Pflegebedürftigkeit.

                        Martina Kern

                    A        uch in diesem dritten Teil unserer kurzen Serie
                             spinnen wir das fiktive Beispiel um die Bäckerei-
                    fachverkäuferin Ingrid S. weiter, die seit einem Arbeits-
                                                                                 für notwendige Umbauten das weitere Zusammenleben
                                                                                 mit ihrer Familie im eigenen Haus. Mithilfe einer Umschu-
                                                                                 lung und der Kooperation mit ihrem Arbeitgeber konnte
                    unfall querschnittsgelähmt ist. Wir berichteten bereits,     sie außerdem durch einen Arbeitsplatzwechsel auf einen
                    dass sie direkt nach dem folgenschweren Unfall in einer      Bürojob im alten Betrieb umsatteln. Bleibt jetzt die Fra-
                    BG-Klinik stationär versorgt und mit welch umfassenden       ge, welche Pflege- und welche Geldleistungen ­Ingrid S.
                    Leistungen sie im Heilverfahren seitens der BGN unter-       erhält.
                    stützt wurde. Danach ermöglichte die BGN ihr durch da-
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    REHABILITATION                                                                                                                        19

           BEI EINEM RENTENANSPRUCH
            BESTEHT DIE MÖGLICHKEIT,
            SICH DIESEN IN FORM EINER
            ABFINDUNG AUSZAHLEN ZU
                     LASSEN.

                                                                nach, wie stark das körperliche und geistige Leistungs-
                                                                vermögen beeinträchtigt ist und wie sehr dadurch die
                                                                Arbeitsmöglichkeiten gemindert sind. Ein vollständiger
                                                                Verlust entspricht einer MdE von 100 Prozent und führt zu
                                                                einer Vollrente. Die Höhe der Rente hängt nicht nur vom
                                                                Grad der MdE ab, sondern auch vom Arbeitsverdienst
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit                              der letzten zwölf Kalendermonate (sogenannter Jahres-
Für Versicherte, die infolge eines Arbeitsunfalls oder ei-      arbeitsverdienst – JAV).
ner Berufskrankheit pflegebedürftig sind, wird Pflege-
geld gezahlt, eine Pflegekraft gestellt oder Heimpflege         Nachdem Ingrid S. sechs Wochen lang nach ihrem Unfall
gewährt. Pflegebedürftig ist, wer für die gewöhnlichen          die Lohnfortzahlung von ihrem Arbeitgeber bekommen
und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im All-            hatte, erhielt sie danach Verletztengeld von der BGN. Es
tag erhebliche Hilfe braucht. Ziel der Pflegeleistungen         gleicht das ausfallende Einkommen aus und stellt den
ist, dass die Versicherten ein möglichst eigenständiges         Lebensunterhalt sicher. Nach 17 Monaten schloss sich
und selbstbestimmtes Leben führen können. Die Versi-            dann nahtlos die Zahlung von Übergangsgeld während
cherten entscheiden nach Möglichkeit selbst, wie und            der Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation an.
auf welche Weise sie die benötigte Pflege in Anspruch
nehmen. Für den Ehemann von Ingrid S. stand von An-             Im Fall von Ingrid S. wurde zur Prüfung eines Rentenan-
fang an fest, dass er die Pflege seiner Frau in den eige-       spruchs frühzeitig der JAV ermittelt und eine ärztliche Be-
nen vier Wänden übernehmen möchte. Daher wurde er               gutachtung in die Wege geleitet. So konnte beizeiten die
bereits während der stationären Behandlung aktiv in ihre        Rente mit einer MdE von 100 Prozent von der BGN festge-
Pflege eingebunden. Wichtig zu wissen: Als Pflegeperson         stellt und der Frau bereits während des Übergangsgelds
ist er gesetzlich unfallversichert. Seine Frau erhält Pflege-   ausgezahlt werden. Konkret bedeutet das für Ingrid S.
geld, das sich nach dem Ausmaß ihrer Hilflosigkeit und          ­Folgendes: Die Vollrente beträgt zwei Drittel ihres JAV. Die-
dem dadurch bedingten Umfang der notwendigen Hilfe              ser liegt bei 23.688 Euro. Daraus ergibt sich eine Monats­
richtet.                                                        rente von 1.316 Euro. Die Rentenzahlung wird zukünftig
                                                                regelmäßig an die Lohnentwicklung angepasst.
Minderung der Erwerbsfähigkeit entscheidend
Während der medizinischen und/oder beruflichen Reha-
bilitation sind die Versicherten durch das Verletztengeld
beziehungsweise Übergangsgeld finanziell abgesichert.
Bleibt trotz Rehabilitationsmaßnahmen ein dauerhafter                          Weitere Informationen zu den Leistungen der BGN bezüglich
gesundheitlicher Schaden bestehen, haben sie einen                             Heilbehandlung, beruflicher und sozialer Rehabilitation,
                                                                               Pflege und Geldleistungen
Rentenanspruch. Voraussetzung ist, dass die Minderung
                                                                                   www.bgn.de, Shortlink: 1058
der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 26. Woche hinaus
mindestens 20 Prozent beträgt. Die MdE richtet sich da-
BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
20     SICHER ARBEITEN

                                                                                     1

      RÄUCHERANLAGEN

      SICHERER WEG NACH DRAUSSEN

                                                     In der Fleischwirtschaft sind Räucheranlagen unverzichtbar,
                                                     um Wurst-, Fleisch- oder Geflügelprodukte zu veredeln.
                                                     Dass Beschäftigte diesen Arbeitsplatz jederzeit sicher
                                                     verlassen können, ist lebenswichtig – das gilt auch für
                                                     Multifunktionsanlagen zum Räuchern, Kochen und Backen.

                                                         Robert Schlosser

                     D        as Herzstück jeder Räucheranlage besteht aus
                              einer oder mehreren Räucherkammern. Sind
                      diese begehbar, müssen Beschäftigte sie jederzeit ver-
                                                                                  • Die Türen von begehbaren Räucherkammern müssen
                                                                                    sich von innen, auch im verriegelten Zustand, jeder-
                                                                                    zeit mit leichten Handgriffen öffnen lassen.
                      lassen können – beispielsweise wenn sich jemand hier        • Die Vorrichtung zum Öffnen der Tür von innen muss
                      unbemerkt aufhält, während die Kammer von außen               leicht zugänglich und gut sichtbar sein.
                      verschlossen und in Betrieb gesetzt wird. Schon wenige      • Dafür ist eine Beleuchtung sinnvoll. Bei Räucherkam-
                      ­Minuten im Inneren einer aktivierten Räucherkammer           mern mit einer Tiefe von mehr als fünf Metern sind
                      können tödliche Folgen haben.                                 Beleuchtungseinrichtungen vorgeschrieben, bei klei-
                                                                                    neren Kammern werden sie aus Präventionsgründen
                      Leicht zugänglich und gut beleuchtet                          empfohlen.
                      Wie Räucherkammern ausgerüstet sein müssen, damit           • Damit die Öffnungseinrichtung gut und sicher gegrif-
                      Personen sie jederzeit verlassen können, ist in der euro-     fen werden kann, sollten Verschmutzungen vermie-
                      päischen Normung und im Arbeitsschutzregelwerk fest-          den werden, ansonsten könnte man beim Greifen
                      geschrieben:                                                  abrutschen.
                                                                                                             BGN AKZENTE | N° 2 | 2023
                                                                                                                      SICHER ARBEITEN       21

        SCHON WENIGE MINUTEN
                                                                    2
         IM INNEREN EINER AKTI-
       VIERTEN RÄUCHERKAMMER
         KÖNNEN TÖDLICH SEIN.

                                             1 | Begehbare Räucherkammern
                                                 muss man jederzeit verlassen
                                                 können.
                                             2 | Mit diesem Öffnungshebel kann man die
                                                 Tür der Räucherkammer von innen mit leichten
                                                 Handgriffen öffnen – auch im verriegelten Zustand.

• In Räucherkammern, bei denen all diese Maßnah-            Gefährdungsbeurteilung
  men für ein sicheres Verlassen nicht ausreichen, oder     Die Kontrollintervalle ergeben sich aus der betrieblichen
  wenn Antriebe beziehungsweise angetriebene Teile in       Gefährdungsbeurteilung (Empfehlung: arbeitstäglich).
  der Kammer vorhanden sind (z. B. bei automatisierter      Im Rahmen der regelmäßigen Arbeitsschutzunterwei-
  Bestückung der Räucherkammer mit den Räucher-             sung (mindestens einmal jährlich) der Beschäftigten ist
  wagen), muss zusätzlich eine Not-Halt-Einrichtung         das Verlassen einer geschlossenen Räucherkammer, ein-
  in der Kammer vorhanden sein. Eine übliche Ausfüh-        schließlich einer praktischen Übung, ein Kernelement.
  rungsform ist eine Reißleine, die über die komplette      Die Beschäftigten müssen die notwendigen Handgriffe,
  Seitenwand der Kammer gespannt ist.                       die zum Öffnen der Kammer nötig sind, sofort und intuitiv
                                                            abrufen können.
Regelmäßig prüfen
Die Betreiberin oder der Betreiber ist dafür verantwort-    Sicherheit dank Nachrüstung
lich, dass Räucheranlagen und ihre Sicherheitseinrich-      Generell gilt: Räucherkammern ohne funktionsfähige in-
tungen nach Vorgabe des Herstellers, mindestens jedoch      nen liegende Öffnungseinrichtung dürfen nicht in Betrieb
halbjährlich, durch eine zur Prüfung befähigte Person für   genommen beziehungsweise müssen stillgelegt werden.
Räucheranlagen (z. B. vom Anlagenhersteller oder einem      Das kommt einer Lebensversicherung für das Bedienper-
spezialisierten Wartungsunternehmen) geprüft werden.        sonal gleich. Alle tödlichen Arbeitsunfälle in Räucherkam-
                                                            mern hatten ihre Ursache in nicht einsatzbereiten Öff-
Zusätzlich sind das Vorhandensein, die einfache Zu-         nungseinrichtungen. Die
gänglichkeit und die Leichtgängigkeit der Öffnungsein-      gute Nachricht ist: In vielen
richtung Bestandteil der regelmäßigen betrieblichen         dieser Fälle ist eine Nach-
Kon­trollen der Räucherkammer, deren Ergebnis doku-         rüstung oder Reparatur                    Norm DIN EN 15861 „Räucheranlagen“,
                                                                                                      kostenpflichtiger Bezug über
mentiert wird.                                              durch den Hersteller oder
                                                                                                         www.beuth.de
                                                            spezialisierte Wartungsun-
                                                            ternehmen möglich. 
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