Wissenschaft für die Praxis - Mitteilungen der Stiftung für die Wissenschaft Heft 1 Juli 2020
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Herausgeber: Stiftung für die Wissenschaft Geschäftsstelle: Simrockstraße 4, 53113 Bonn Postanschrift: Postfach 14 29, 53004 Bonn Telefon: (02 28) 2 04-57 31 Fax: (02 28) 2 04-57 35 E-Mail: stiftung-wissenschaft@dsgv.de Internet: www.stiftung-wissenschaft.de Verantwortlich: Dr. Klaus Krummrich Redaktion: George Clegg Telefon: (02 28) 2 04-57 31 Fax: (02 28) 2 04-57 35 Gestaltung: weber preprint service, Bonn Die Mitteilungen erscheinen zweimal im Jahr und werden der interessierten Fach- öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt. ISSN 1864-2721 Titelbild: Die Quadriga auf dem Branden- burger Tor wurde 1793 von Johann Gott- fried Schadow entworfen. Ursprünglich sollte die Figur auf dem Wagen die Friedensgöttin Eirene darstellen. Seit ihrer Rückkehr aus Paris 1814 nach dem Sieg gegen Napoleon gilt sie aber als römische Siegesgöttin Viktoria und wurde zu einem Symbol für die deutsche Nation. Im Hinter- grund das Traditionshotel Adlon. Foto: Hotel Adlon Kempinski
Editorial Editorial Kein Zweifel – eigenverantwort- liche finanzielle Zukunftsplanung ist bei einer grundlegend ge- wandelten Zinslandschaft und Einschnitten in die gesetzlichen Vorsorgesysteme existenziell. Von jeher gehört es zum Selbst- verständnis der Sparkassen, die Ersparnisbildung zu fördern und das Bewusstsein für die Not- Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV, wendigkeit der individuellen Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung für die Wissenschaft Vorsorge zu stärken. Ein in der gegangen – mit teilweise kontroversen Ergebnissen. Sparkassen-DNA verankerter So zweifelte eine immer noch viel zitierte Meta-Studie Anspruch, der heute wichtiger ist aus dem Jahr 2014 die Wirkung der Finanzbildung überhaupt an. Dagegen kommt ein aktuelles, von der denn je. Sparkassen-Finanzgruppe gefördertes Forschungspro- jekt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Traditionsreiche Institutionen wie der Beratungsdienst (DIW) zu einer differenzierteren Schlussfolgerung. Geld und Haushalt oder der SparkassenSchulService Danach beeinflusst finanzielle Bildung grundsätzlich belegen so auch den hohen Stellenwert der Finanz- sehr wohl das Absicherungs- und Vorsorgeverhalten bildung im Wertekanon der Finanzgruppe ebenso wie der Menschen positiv. Allerdings bedarf auch nach die vielfältigen Beratungs- und Vorsorgeangebote der dieser Studie der Wirkungsgrad der eingesetzten Sparkassen vor Ort. Sie fördern das Wissen um die Maßnahmen noch weiterer vertiefender Analysen. Bedeutung der Vermögensbildung und der finanziellen Vorsorge von Kindesbeinen an: Angebote, die ange- An die Institute und Institutionen der Sparkassen- sichts immer komplexerer Finanzmärkte auch und Finanzgruppe, deren umfangreiche Aktivitäten im gerade für die private wie gesellschaftliche Zukunfts- Rahmen der Finanzbildung laut Analyse der Berliner sicherung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden Forscher von vielen Menschen sowohl als hilfreich können. empfunden werden, als auch spürbar zum erwünschten Wissenszuwachs beitragen, sendet das Forschungs- Denn an der Notwendigkeit, durch gezielte finanzielle ergebnis eine eindeutige Botschaft: Das aus ihrem Bildung die Grundlagen für ein rationales wirtschaft- traditionellen Selbstverständnis erwachsende Engage- liches Verhalten der Menschen zu legen, besteht kein ment zur Stärkung der eigenverantwortlichen finan- Zweifel. Doch welche Wege führen zu diesem Ziel? ziellen Absicherung und Vorsorge der Menschen trägt Wie wirksam ist Finanzbildung? Wirkt sie überhaupt in Früchte. Dieser Weg, das individuelle Wissen durch dem erhofften und erwünschten Maße? gezielte und qualitativ hochwertige Schulungen und Beratungen weiter zu stärken, bleibt ein unverzicht- Diesen Fragen wurde bereits in der Vergangenheit in barer Baustein zur wirtschaftlichen Bildung und sichert zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen nach- die Teilhabe am modernen Finanz- und Wirtschaftsleben. 3
Inhalt Inhalt EDITORIAL 3 Inhalt 5 Das aktuelle Interview 6 Erhöhte Krisenresistenz durch Regionalität – Als Sparkassen zum Stabilisator wurden In eigener Sache Neuer Name – bewährte Qualität Aus der Forschung 11 Forschungsvorhaben der Stiftung – ein Überblick – Große Themenvielfalt und thematische Bandbreite Institut für Kreditrecht Mainz – Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Anlageentscheidungen in komplexen Märkten – Eine Studie – Finanzbildung auf dem Prüfstand Institutsvielfalt sichert Bankenstabilität – Breit gefächert ist gut gesichert Studie zu Crowdfunding-Modellen in Sparkassen – Imageprojekt oder Finanzierungsmodell mit Ertrag und Zukunft? Regionale Immobilienmärkte und Sparkassen – Preisentwicklung hat keinen Einfluss auf die Kreditrisiken Unternehmensgeschichte 30 Reif fürs Archiv: Engagement für den Umweltschutz schon vor 45 Jahren – Aktion gegen dicke Luft Geschichte des DSGV im Nationalsozialismus erforscht – Anpassung an das Regime Hochschule 33 Hochschule für Finanzwirtschaft & Management – „Das Beste aus zwei Welten wird vereint“ Förderkolleg 35 Spannendes Fachprogramm und reger Austausch – „Klassentreffen“ fand wieder große Resonanz Was wir möchten – was wir erwarten – Impulse setzen und die Zukunft mitgestalten Bundesprecher(in) im Profil Förderprogramm mit zweifachem Nutzen – Wissen vermitteln und den eigenen Horizont erweitern CREDIT and CAPITAL MARKETS – KREDIT und KAPITAL 44 5
Das aktuelle Interview Erhöhte Krisenresistenz durch Regionalität Als Sparkassen zum Stabilisator wurden Ist der Finanzsektor im Fall die weiterhin bestehenden Forschungslücken heraus- gearbeitet.2 einer Krise stabiler, wenn er von verschiedenen Banktypen Kotz: Uns leitet Neugier. Wir wollen einfach wissen, inwieweit Vielfalt – die Industriestruktur des Banken- geprägt ist? Dieser Frage gingen sektors – Einfluss auf den Zugang von KMUs zu Kredi- Professor Dr. Dorothea Schäfer ten hat. Vielfalt könnte auch zu mehr Wettbewerb bei den Konditionen beitragen. Schließlich ist es denkbar und Professor Hans-Helmut Kotz und analytisch naheliegend, dass eine nach Größe, auf den Grund. Wir fragten bei geschäftlichen Schwerpunkten und Verhaltensweisen differenzierte Bankenstruktur zu mehr Stabilität den Wissenschaftlern nach. beiträgt. Es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein: In Ihrem Forschungsprojekt haben Sie „Die Bedeutung von Institutsvielfalt für Bankensektorstabilität und KMU-Finanzierung“ auch unter dem Eindruck der ut Finanzmarktkrise in den Jahren 2007 bis 2014 unter- Hans-Helm Professor ze h n sucht. Welche Intention steht hinter diesem Forschungs- it fast Kotz ist se re n M it glied der ansatz? Jah r d e s Center fo Fakultät s u n d Stud ie European Schäfer: Die Krise hat erhebliche Zweifel geweckt, ob te rr ic h te t jeweils im u n frühere Befunde noch Bestand haben, die für stärker ester im Herbstsem o- nt of Econ konzentrierte Bankensektoren relative Vorteile bezüg- Departme a rd e H a rv lich Stabilität und Leistungsfähigkeit finden. Das Ziel mics, beid e, Cambridg University, S e nior bestand unter anderem darin, herauszuarbeiten, ob MA. Er ist zu d e m r sich institutionelle Vielfalt im einheimischen Banken- Frankfurte Fellow am fü r stit u t sektor auf die Stabilität der Banken auswirkt. Leibniz-In ng rktforschu Ein weiteres Ziel, das Hans-Helmut Kotz und ich mit Finanzma ra rp ro - Hono SAFE und rsität Advisor d es der Herausgabe des Bandes „European Banking ss o r a n de r U n iv e u s is t e r Academic n -E xe cu- fe r hina , und No Landscape Between Diversity, Competition and Con- B. Darübe ington DC vor Freiburg i. itu te, W a sh abo n . Z u Global Inst sitos, Liss centration“ verfolgt haben, war es, den Stand der McKinsey l de Depó Bundesba nk, o r d e r Caixa Gera r D eutschen tive Direct n d e s d e n -A n h a lt, Forschung zur Bedeutung von institutioneller Vielfalt M itg lie d des Vorsta de rs a ch en, Sachse war er - remen, Nie chen Giro im Bankensektor aufzuarbeiten, indem wir Wissen- der LZB B t der Deuts der Präsident h re ) C h efvolkswir ll e m zu Fragen schaft und Praxis zu Wort kommen ließen.1 In einem und davo r (15 Ja M a in . E r hat vor a g ra ti o n und ankfurt am chen Inte gemeinsamen Beitrag zum Vierteljahrsheft haben wir zentrale, Fr r Europäis rk tre g u li erung, de überdies die unterschiedlichen Facetten von Vielfalt im Finanzma ffentlicht. olitik verö der Geldp Finanzsystem der Europäischen Union aufgezeigt und 1 Hans-Helmut Kotz und Dorothea Schäfer (Hrsg.), European Ban- king Landscape Between Diversity, Competition and Concentration, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 87, Berlin (2018), frei zu- 2 Hans-Helmut Kotz und Dorothea Schäfer (Hrsg.), Diversity across gänglich über https://elibrary.duncker-humblot.com/journals/id/25/ EU banking sectors: Poorly researched and underappreciated. vol/87/iss/2016/. Ebd., S. 153–179. 6
Das aktuelle Interview t Schäfer is Dorothea kt o rin sd ir e Forschung m ä rk te a In eigener Sache Finanzm und DIW Berlin außerord e n tliche Neuer Name – bewährte Qualität o ri n an der Profess University Die Mitteilungen „Wissenschaft für die Praxis“ Jönköping p in g kennen Sie seit vielen Jahren. Sicher sind Sie – Jönkö a ti o n al Intern erstaunt, warum Sie jetzt ein Heft Nr. 1 in der u si n e ss School B Hand halten. Was ist passiert? s). Ihr (Economic p o rt ra it findet Ku rz Der bisherige Herausgeber, der Verein Wissen- re m Beitrag sich in ih f schaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe, Thema au zu diesem Seite 19. ist zum Ende 2019 aufgelöst worden. Er war seit 1955 die bundesweite Fördereinrichtung der Sparkassen-Finanzgruppe für wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Disziplinen rund um Geld und Kredit. Seine Aufgaben werden nun- mehr durch die neue „Stiftung für die Wissen- Alle verhalten sich gleich, sind „systemisch als Herde“ schaft“ wahrgenommen. Gegründet durch den (Markus Brunnermeier, Princeton). Beispiele dafür sind Verein im Oktober 2019, konnte sie nach Ge- die spanischen Cajas in den 2000ern, die Savings and nehmigung durch die Stiftungsaufsicht ab dem Loan Banks in den USA in den 1980ern oder die 18. Mai 2020 offiziell ihre Aktivitäten aufnehmen. Hedge-Fonds um den LTCM-Unfall herum in 1997/1998. Deshalb tritt sie mit dieser Ausgabe der Mittei- Kurzum, wir haben die Antwort nicht, bevor wir uns die lungen erstmals als Herausgeber in Erscheinung. Daten anschauen. Die Stiftung für die Wissenschaft wird nahtlos an Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine diversifizierte die Förderaktivitäten des Vereins anknüpfen und Bankenlandschaft den Kreditsektor in schwierigen Projekte, Veranstaltungen und Publikationen auf Zeiten stabilisiert. Woraus leiten Sie diese These ab? dem Gebiet des Geld-, Bank- und Börsenwesens Was spricht dafür? fördern. Dabei wird das Spektrum der Disziplinen um die Politik- und Sozialwissenschaften sowie Schäfer: In der empirischen Studie zum Zusammen- Fragen der Digitalisierung erweitert. Auch in der hang zwischen institutioneller Vielfalt im einheimi- historischen Forschung wird sie sich weiter schen Bankensektor und Bankstabilität 3 finden wir engagieren. unter Anwendung etablierter ökonometrischer Schätz- Die Stiftung wird ab 2021 in die Mitgliedschaften methoden einen positiven Zusammenhang. Die des Vereins bei Instituten und Fachgesellschaf- grundsätzliche Überlegung dahinter ist eine im Finanz- ten eintreten und das Institut für Kreditrecht, bereich wohlbekannte Regel, nämlich „Leg nicht alle Mainz, sowie das Forschungszentrum für Spar- Eier in einen Korb“. Übertragen auf das Bankensystem kassenentwicklung, Magdeburg, weiter unter- bedeutet dies, dass das System bei Koexistenz unter- stützen. Die KollegiatInnen des Förderkollegs schiedlicher Banktypen stabiler sein sollte, als wenn es werden nunmehr im Rahmen der Stiftung für die nur einen Banktyp gibt und alle Banken das gleiche Wissenschaft weitergebildet und betreut. machen. In einer Krise ist bei unterschiedlichen Die Kontinuität des Wirkens zeigt sich auch in Banktypen das Risiko der gegenseitigen Ansteckung der Besetzung der Führungsgremien (Kuratorium geringer. Es ist zu erwarten, dass von dieser größeren und Vorstand) sowie des Ausschusses für das Systemrobustheit auch die einzelne Bank profitiert. Förderkolleg. Wissenschaftler wie Vertreter der Diese Hypothese ist die Grundlage der Studie. Praxis können sich mit ihren Fragen und An- regungen an die gleichen Ansprechpartner der Geschäftsstelle wie bisher wenden. 3 Christopher F. Baum, Caterina Forti Grazzini, Dorothea Schäfer, In- Dr. Klaus Krummrich, Geschäftsführender stitutional diversity in European banking sectors and bank stability: A cross-country study, https://www.diw.de/de/diw_01.c.620265.de/ Vorstand der Stiftung für die Wissenschaft publikationen/diskussionspapiere.html. 7
Das aktuelle Interview Kotz: Zunächst operationalisieren wir Vielfalt bzw. erlaubt die Aussage, dass Banken in EU-Ländern mit machen sie messbar. Dann schauen wir auf die Daten, geringer institutioneller Vielfalt im Durchschnitt um herauszufinden, ob es einen und gegebenenfalls weniger stabil waren als Banken in Ländern mit einem welchen Zusammenhang gibt zwischen unserem hohen Grad an institutioneller Vielfalt. Messkonzept und dem Niveau des Wettbewerbs (Marktmacht), der Stabilität des Sektors, den Konditio- Kotz: Was die Kapitalausstattung und die „Entfernung nen des Zugangs zu externen Mitteln und dem Fit (der zum Unfall“ (Z-score) betrifft, haben die Unterschiede Komplementarität) zwischen der Finanzierungsstruktur zwischen den EU-Ländern abgenommen. Zwischen und der Realwirtschaft. Wir finden einiges an vorläufi- 2007 und 2016 sind sie bei den ausfallbedrohten ger Unterstützung für unsere These. Die wird vor allem Krediten allerdings gestiegen. Das dürfte aber mit auch durch die sehr lesenswerten Beiträge der anderen einem von uns nicht berücksichtigten (‚confounding‘) Autoren zum DIW-Vierteljahrsheft gestützt. Faktor zu tun haben: Die gesamtwirtschaftliche Lage war sehr unterschiedlich. Deren Verbesserung und Gilt diese Aussage auch für Zeiten, in denen die Volks- Annäherung hat auch zu einer geringeren Anzahl an wirtschaften nicht im Krisenmodus laufen? notleidenden Krediten geführt. Vor der Covid-19-Krise. Kotz: Wir vermuten dies. Unsere Datenbasis ist für In Deutschland haben wir eine dreiteilige Kreditwirt- einige der Indikatoren allerdings zeitlich zu begrenzt. schaft aus Privatbanken, Sparkassen und Genossen- Man bräuchte Zeitreihen, die über mehrere Zyklen schaftsbanken. Diese institutionelle Vielfalt wirkt sich gehen, am besten auch für viele Länder, also soge- positiv auf die Stabilität der einzelnen Banken aus, nannte Paneldaten. erklären Sie – und das trotz der verstärkten Wettbe- werbssituation. Warum ist das so? „Wer Konzentration Kotz: Es ist für die Kunden – bis zu einem gewissen Maße – gut, wenn Anbieter sich über den Wettbewerb und Uniformität im beschweren. Die Rede vom sich verschärfenden Bankensektor fördert, Wettbewerb war übrigens schon ein Evergreen, bevor ich mich mit den Fragen beschäftigte – und das sind betreibt eine inzwischen fast 40 Jahre. Ein Indikator dafür, dass sich Schönwetterpolitik.“ die Kreditinstitute tatsächlich mehr anstrengen müssen, ist die strukturell sinkende Zinsmarge. Da gibt Prof. Dr. Dorothea Schäfer es allerdings Unterschiede zwischen den EU-Ländern. Frankreich mit einem deutlich höheren Konzentra- Schäfer: Wir haben in der Studie auch für die Nicht- tionsgrad hat ‚bessere‘ Margen. Das gilt auch für krisenjahre einen positiven Effekt auf die Institutsviel- Schweden. In Frankreich gibt es allerdings auch keine falt gefunden, allerdings ist der Zusammenhang dann öffentlichen Sparkassen mehr. Das Drei-Sektoren- weniger robust. Aus unserer Sicht entscheidend ist Modell ist vorteilhaft, weil es die Sektoren anregt, sich aber der Befund zu den Krisenjahren. Er zeigt nämlich, unterschiedlich zu verhalten. dass eine Politik, die Konzentration und Uniformität im Bankensektor fördert, eher eine Schönwetterpolitik ist, Schäfer: In einem Teil der Literatur findet sich der unvereinbar mit Krisenvorsorge und Erhöhung der Befund, dass ein geringerer Preissetzungsspielraum, Resilienz von Banken. Der Aspekt der Krisenvorsorge also ein höherer Wettbewerb, mit Einbußen bei der spielt auch in einigen Beiträgen des gemeinsam Bankstabilität einhergeht. Diesen Zusammenhang herausgegebenen Vierteljahrshefts eine zentrale finden wir auch in unserer Untersuchung. Institutionel- Rolle. le Vielfalt wirkt aber diesem Effekt entgegen und erhöht die Bankstabilität. Besonders Sparkassen und Ihre Untersuchung umfasste geographisch die Banken- Genossenschaftsbanken scheinen in ihren lokalen landschaft im EU-Raum. Konnten Sie dabei signifikante Märkten Vorteile zu haben, die dem scharfen Wettbe- Unterschiede hinsichtlich der Stabilität in Krisenzeiten werb etwas entgegensetzen. feststellen? Sie sprechen auch von der disziplinierenden Wirkung Schäfer: Der gefundene statistisch signifikante Zusam- eines stärkeren Wettbewerbsumfeldes auf die Risiko- menhang zwischen institutioneller Vielfalt und Bank- bereitschaft von Banken. Worauf beruht diese Erkennt- stabilität, besonders für die Krisenjahre 2007–2014, nis? 8
Das aktuelle Interview Schäfer: Zu den Auswirkungen eines stärkeren weitgehend unempfindlich gegenüber dem Liquiditäts- Wettbewerbs auf die Stabilität der Banken gibt es in schwund auf den internationalen Geldmärkten. der Literatur durchaus unterschiedliche Befunde. Ein Strang findet, dass ein wettbewerbsintensives Und hat sich das Ihrer Ansicht nach in der Finanzmarkt- und wenig konzentriertes Bankensystem fragiler ist. krise positiv auch auf die deutsche gesamtwirtschaft- Ein anderer Strang betont, dass stärkerer Wettbewerb liche Situation ausgewirkt? die Kreditvergabe an KMU in einer aufstrebenden Volkswirtschaft erhöhen, die Innovation der Unter- Kotz: Ja. Wir hatten nie ein Kreditklemmen-Problem. nehmen stimulieren und die Effizienz der Banken Aber dafür, dass man damals im Vergleich mit den fördern kann, auch weil die Kreditzinsen niedrig G-20-Staaten vom deutschen Wunder sprach, spielt gehalten werden. Zudem muss bedacht werden, eine Reihe weiterer Gründe eine Rolle: Kurzarbeiter- dass international tätige Großbanken mit impliziten geld zum Beispiel. Die soziale Einbettung ist ein staatlichen Garantien einen Anreiz haben, hohe Risiken Thema, das vor allem Sparkassen interessieren sollte. einzugehen, die zwar in guten Zeiten auch hohe Gewinne sichern, aber in schlechten Zeiten extreme Welche Rolle spielen die doch eher regional agierenden Anfälligkeit bedeuten. Sparkassen und Genossenschaftsbanken in einer diversifizierten Bankenlandschaft? Beeinflusst deren Sie stellen auch die Hypothese auf, dass institutionelle Engagement die Finanzierungsgrundlagen für soge- Vielfalt im Bankensektor für die Wirtschaft gerade in nannte KMU-Firmen? Krisenzeiten als eine Art Versicherungsmechanismus besonders wertvoll ist. Wie ist das zu verstehen? Schäfer: Der Einfluss ist meiner Einschätzung nach groß. Es gibt eine ausführliche Literatur zum Relation- ship-Banking und zu Finanzierungsbeschränkungen. „Institutionelle Vielfalt Firmen mit Hausbankenbeziehung haben demnach eine geringere Wahrscheinlichkeit, finanzierungsbe- ist vorteilhaft, wenn sie schränkt zu sein. Viele Studien haben festgestellt, dass sich in unterschiedlichem eine solche Beziehung vorteilhaft ist für die KMUs. Hausbanken kennen ihre Kunden besser, ihre Produkte Verhalten ausdrückt.“ passen daher besser zu den Firmen, und sie bleiben Prof. Hans-Helmut Kotz mit größerer Wahrscheinlichkeit auch in einer Krise an der Seite ihrer Kunden. Höchstwahrscheinlich gibt es Kotz: Wir sagen: Bilanzpolitik spricht lauter als Mis- auch so etwas wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip: sion-Statements. Die wesentliche Ursache der Welt- Bestimmte Firmen, tendenziell KMUs, passen besser zu finanzkrise waren strukturierte Produkte – undurch- Sparkassen und Genossenschaftsbanken als zu global sichtig, mit wenig Haftungskapital unterlegt. Die waren tätigen Großbanken. Für die USA wurde beispielsweise zu kompliziert für die mittlere Sparkasse und Genos- jüngst festgestellt, dass in der Corona Crise Regional- senschaftsbank und ebenso für die mittlere Privatbank. banken viel besser darin sind als die Großbanken, Zum Glück haben sich damals auch einige größere überlebenswichtige Corona-Förderkredite an ihre Institute zurückgehalten, obwohl das schwer war, Unternehmenskundinnen und -kunden zu vergeben. angesichts der Anforderungen mancher Eigentümer an die Eigenkapitalrendite. Institutionelle Vielfalt ist also Kotz: Ja. Nähe ist wichtig. Sie verringert Kosten der vor allem dann ein Vorteil, wenn sie in unterschied- Distanzüberwindung. Besonders gut ist es, wenn drei lichem Verhalten zum Ausdruck kommt. verschiedene Konkurrenten sich um potentielle Kunden bemühen. Schäfer: Wir finden, dass institutionelle Vielfalt mit einer geringeren Schwankung der Gesamtkapital- Gibt es Anhaltspunkte dafür ob – und, wenn ja, welche – rendite einhergeht, und dieses Ergebnis ist statistisch Institutsgruppe(n) von einer diversifizierten Banken- signifikant. Es gibt außerdem auch anekdotische landschaft besonders profitieren? Evidenz, die zeigt, dass Sparkassen und Genossen- schaftsbanken schon bald nach der Insolvenz von Kotz: Offen gestanden interessiert uns die Frage nicht Lehman Brothers zum Stabilitätsanker wurden. Anders bzw. nur indirekt. Was uns am Ende interessiert ist, was als das Geschäftsmodell der international tätigen mit den Kunden passiert. Bekommen die preiswerte Großbanken war das lokal ausgerichtete Geschäfts- Produkte? Müssen Steuerzahler möglichst selten für modell von Sparkassen und Genossenschaftsbanken systemische Unfälle geradestehen? Natürlich braucht 9
Das aktuelle Interview es dazu Kreditinstitute, die ihre Kosten rausholen plus war es zum Beispiel nicht nachvollzierbar, dass der eines normalen Gewinns. Aber nicht mehr. DSGV Anfang der 2000er ehrgeizige RoE-Ziele formu- lierte, die übrigens im Mittel natürlich unerreicht Lassen sich aus den Ergebnissen Ihres Forschungs- blieben. Das galt auch für die intensiven Bemühungen, projektes wirtschaftliche bzw. wirtschaftspolitische Baseler Regeln, die explizit für international tätige Handlungsempfehlungen ableiten? Banken gedacht waren, auf lokale Institute zu übertra- gen. Die US-Regulierer, die in Basel am Tisch saßen, Schäfer: Die Handlungsempfehlung, die wir geben ist dachten an Regeln für maximal 20 Institute – und ganz klar: Achtet auf institutionelle Vielfalt im Banken- setzten diese nie um. Dass heute ‚Proportionalität‘ sektor und vermeidet Regulierungen und Politiken, die gefordert wird, ist also ein Gewinn. Die Vor- und diese institutionelle Vielfalt beschädigen. Nachteile eines Systems mit hohem Anteil Banken, solche die ‚normale‘ (durchhaltbare) Renditeanforde- Kotz: Es lassen sich zunächst bankpolitische Schluss- rungen verfolgen, erweisen sich darin, inwiefern diese folgerungen ziehen. Öffentliche Banken haben einen den Kunden dienen. anderen Auftrag als privatwirtschaftliche Institute, die – völlig legitim – nach hohem Gewinn streben. Für mich Wir bedanken uns herzlich für dieses Gespräch. Weiterführende Literatur: Ayadi, R., Llewellyn, D., Schmidt, R., Arbak, E. & de Groen, W. (2009), „Investigating diversity in the banking sector in Europe: The performance and role of savings banks“. Centre for European Policy Studies (CEPS), Brussels. Baum, C. F., Schäfer, D. & Talavera, O. (2011), „The impact of the financial system’s structure on firms’ financial constraints“, Journal of International Money and Finance 30(4), 678–691. Beck, T., Jonghe, O. D. & Schepens, G. (2013), „Bank competition and stability: Cross-country heterogenei- ty“, Journal of Financial Intermediation 22(2), 218–244. Brown, L. & Greenbaum, R. T. (2017), „The role of industrial diversity in economic resilience: An empirical examination across 35 years“, Urban Studies 54(6), 1347–1366. De Nederlandsche Bank N.V. (2015), „Perspective on the structure of the Dutch banking sector“, DNB Study. Haldane, A. (2009), „Rethinking the financial network“, BIS Review 53/2009. Gischer, H. & Ilchmann, C. (2018). „Banking Sector Diversity and Socioeconomic Structure: Criteria for Matching Pairs,“ Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 87(4), 39–54. Goetz, M. R. (2018), „Competition and bank stability“, Journal of Financial Intermediation 35, 57–69. Guerry, N. & Wallmeier, M. (2017), „Valuation of diversified banks: New evidence“, Journal of Banking & Finance 80, 203–214. Haldane, A. G. & May, R. M. (2011), „Systemic risk in banking ecosystems.“, Nature 469(7330), 351–5. Köhler, M. (2015), „Which banks are more risky? the impact of business models on bank stability“, Journal of Financial Stability 16, 195–212. Kotz, H.-H. u. Schmidt. R. (2016) Corporate Governance of Banks – A German Alternative to the Standard Model, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, H. 6/2016, S. 427–444 Langfield, S. & Pagano, M. (2016), „Bank bias in Europe: effects on systemic risk and growth“, Economic Policy 31(85), 51–106. Schaeck, K., Wolfe, S. & Cihàk, M. (2009), „Are competitive banking systems more stable?“, Journal of Money, Credit and Banking 41(4), 711–734. Shannon, C. E. (1948), „A mathematical theory of communica- tion“, The Bell System Technical Journal 27(July), 379–423. Sierminska, E.M., Silber, J. (2019), „The diversity of household assets holdings in the United States in 2007 and 2009: measurement and determinants.” Rev Econ Household (2019). 10
Aus der Forschung Forschungsvorhaben der Stiftung – ein Überblick Große Themenvielfalt und thematische Bandbreite Die Übersicht auf den nachfolgenden Seiten gibt Auskunft über die aktuell geförderten und kürzlich abgeschlossenen Forschungs- vorhaben des Vereins Wissenschaftsförderung der Sparkassen- Finanzgruppe e. V., des Vorläufers der Stiftung für die Wissenschaft. Kennzeichnend für alle beschriebenen Forschungsvorhaben ist eine große thematische Bandbreite sowie ein unterschiedlicher Praxis- oder Theoriebezug. Gemeinsam ist allen Forschungsprojekten, dass sie aktuelle Themen der Geld- und Finanzwirtschaft wie auch des Sparkassenwesens auf wissenschaftlicher Grundlage analysieren, auf ihre Wirkungsrelevanz untersuchen und damit wichtige Finger- zeige für eine aktive Zukunftsgestaltung geben können. 11
Aus der Forschung Thema Projektverantwortlicher Untersuchungsziel Stand des Projekts Zur Entstehung Erforschung der Herausforderungen, Optio- Abschluss der modernen nen, Diskussionen und der schließlich gewähl- voraussichtlich Sparkasse in der ten Lösungen in dieser kreditwirtschaftlich und Ende 2020 Nachkriegszeit ordnungspolitisch grundlegenden Phase in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik (Sammelband mit Beiträgen mehrerer Autoren) Prof. Dr. Günther Schulz, Universität Bonn (Koordination) Finanzielle Bildung: Ziel des von Prof. Menkhoff vorgeschlagenen Abschluss November Maßnahmen, Projekts ist es, zu untersuchen, wie finanzielle 2019 Erfahrungen, Bildung effektiver gestaltet werden kann. Evaluierung und Für die Sparkassen-Finanzgruppe mit dem Ausblick Auftrag, die finanzielle Bildung zu unterstützen ist dies ein bedeutendes Thema. Prof. Dr. Lukas Menk- hoff, DIW und Humboldt Universität Berlin Niedrigzinspolitik Die Untersuchung über Japan soll die Grund- Abschluss und Sparkultur in lage für vergleichende Analysen über Deutsch- voraussichtlich Japan: Implika- land und Europa sein, um die Auswirkungen Mitte 2020 tionen für die der Nullzinspolitik der EZB auf das Sparverhal- deutsche und ten und die Funktionsweise des Bankensys- europäische tems zu prognostizieren. Die Untersuchungen Wirtschaftspolitik Prof. Dr. Gunter Schnabl, führen zu wirtschaftspolitischen Empfehlungen Universität Leipzig für die zukünftige Ausgestaltung der europäi- schen Geldpolitik. Physische und Mit diesem Projekt wurde eine Problemstellung Broschüre in Produktion digitale Erreichbar- aufgegriffen, die für die Sparkassen-Finanz- keit von Finanz- gruppe auf absehbare Zeit von strategischem dienstleistungen in Belang ist. Der Nutzen dieser Untersuchung Deutschland unter liegt darin, dass die Sparkassen mehr Transpa- Berücksichtigung renz über die Versorgungsqualität in ihrer quantitativer und Prof. Dr. Alexander Region erhalten. Außerdem wird deutlicher, qualitativer Ver- Conrad, inwieweit physische und digitale Kanäle sorgungsaspekte Hochschule für nachhal- Zugang zu Finanzdienstleistungen anbieten. tige Entwicklung Eberswalde Die Bedeutung von Wissenschaftliche Forschungen zum Banken- Abschluss Herbst 2019 Institutsvielfalt für wettbewerb und zur Hausbankbeziehung legen Publikation in DIW Bankensektor- die Schlussfolgerung nahe, dass Stabilität im Vierteljahreshefte zur stabilisierung und Bankensektor und Verfügbarkeit von KMU- Wirtschaftsforschung KMU-Finanzierung Finanzierung miteinander korrespondieren. 4/2018 sowie anderen Dieser Zusammenhang wird hier näher Zeitschriften Prof. Dr. Dorothea betrachtet. Schäfer, DIW, Berlin „Der ‘Tone from In dieser empirischen Studie werden situative Abschluss the Top’: Eine Faktoren ebenso wie individuelle Dispositionen voraussichtlich empirische Analyse von Vorständen (z. B. Rollenverständnis, Mitte 2020 der Risikokultur in Haftungsregelungen etc.) berücksichtigt. Sparkassen“ Darüber hinaus werden Risikofelder betrachtet, die in einer angemessenen Risk Governance Prof. Dr. Arnd Wiede- mit zu bedenken sind. Dazu gehören: Reputa- mann (l.) / tions-, Demografie-, Globalisierungs-, Digitali- Prof. Dr. Volker Stein, sierungs- oder Ökologieherausforderungen. Universität Siegen 12
Aus der Forschung Thema Projektverantwortlicher Untersuchungsziel Stand des Projekts Robo Advice oder Bei der Anwendung von Robo Advice bzw. Auto- Abschluss persönliche matisierung der Anlageentscheidung wird voraussichtlich Finanzberatung: vermutet, dass systematische Fehler von Ende 2020 Auswirkungen auf Anlegern eher ausgeschlossen werden können Verhaltensanoma- als bei einer persönlichen Beratung. Dies ist lien bei Entschei- jedoch von der Forschung bisher nicht explizit dungen privater Prof. Dr. Wolfgang untersucht worden. Ebenfalls nicht untersucht Anleger Breuer, RWTH Aachen wurde bisher die Frage, ob im Rahmen eines Robo Advice-Prozesses unter Umständen andere systematische Fehler auftreten können. Prof. Dr. Claudia Breuer, Hochschule für Finanzwirtschaft & Management Crowdfunding und Gruppe Innovations- Als Finanzierungsalternative nähern sich einige Abschluss November Kreditfinanzierung finanzierung deutsche Kreditinstitute beispielsweise über 2019 Fraunhofer IMW, Leipzig Forschungsprojekte, Kooperationen mit Als Broschüre publiziert etablierten Crowdfunding-Anbietern oder eigene Crowdfunding-Plattformen bereits dem partizipativen Finanzierungsinstrument Crowdfunding. Das Projekt beschreibt das Finanzierungsinstrument und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten einschließlich Kooperationschancen. Projektleiter Jens Rockel, Dr. Robin Bürger Stand: 01. Mai 2020 Institut für Kreditrecht Mainz Johannes Gutenberg-Universität, Wallstraße 11, 55122 Mainz www.institut-kreditrecht.de Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abt. B Rechtswissenschaft Band 213 Christoph Roggemann Zivilrechtlicher Anlegerschutz bei bedingten Pflichtwandel- und Herabschreibungsanleihen Zugleich ein Beitrag zur Harmonisierung des Gläubigerschutzes in der Europäischen Bankenunion unter Berücksichtigung eines Vergleiches mit dem US-amerikanischen und dem schweizerischen Recht Band 214 Sebastian Vollmer Bearbeitungsentgelte im Darlehnsrecht Eine Analyse unter Berücksichtigung grundlegender Fragen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen 13
Aus der Forschung Anlageentscheidungen in komplexen Märkten – Eine Studie Finanzbildung auf dem Prüfstand Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will. Der richtige Umgang mit dem Geld will erlernt sein. Doch wirkt finanzielle Bildung auch? Dieser Frage gingen die Forscher des DIW auf den Grund. Foto: Sparkassen- Bilderwelt Finanzielle Bildung wird immer Altersvorsorge individuell geeigneten Anlageformen auszuwählen (vgl. Lusardi und Mitchell, 2014). wichtiger. Aber wirkt sie auch? Und wenn ja, wie intensiv? Als Reaktion darauf wird, nicht nur in Deutschland, zunehmend in finanzielle Bildung investiert, sowohl an Das Deutsche Institut für Schulen als auch außerhalb, in vielfältiger Form auch Wirtschaftsforschung (DIW) geht durch die Sparkassen. Diesen Maßnahmen steht aber häufig eine unzureichende Wirkungsevaluierung diesen Fragen auf den Grund. gegenüber, so dass die Effektivität finanzieller Bildung unklar und umstritten bleibt. Folglich wird die Sinn- Das Thema finanzielle Bildung, also die Kompetenz, haftigkeit finanzieller Bildung von einigen Kritikern sachgerechte Finanzentscheidungen zu treffen, hat in fundamental in Frage gestellt. den vergangenen zehn Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Denn auf der Grundlage eines häufig sehr Während die DIW-Studie auf all diese Fragen eingeht, begrenzten Wissens und Verständnisses für finanzielle konzentriert sich dieser Abriss auf die wachsende Zusammenhänge in der Bevölkerung treffen viele Bedeutung finanzieller Bildung sowie auf neuere Menschen suboptimale Anlageentscheidungen, so zum Ergebnisse, die eine klare und erwünschte Wirkung von Beispiel, wenn es darum geht, die für ihre private finanzieller Bildung zeigen. 14
Aus der Forschung Steigende Bedeutung von Finanzentscheidungen ist Leiter d er Die Autore n: Menkhoff Dr. Lukas chaft a m D IW Finanzielle Bildung wird immer wichtiger, weil Weltwirts Abteilung ss o r für Volksw irt- u n d P ro fe Finanzentscheidungen bedeutsamer werden. Be rl in Humb o ld t- re an der Dies kann auf acht Ursachen zurückgeführt schaftsleh e rlin . Er ist zud em rs itä t zu B g s Univ e rtenkoll e werden, die hier in zwei Gruppen gebündelt es Graduie Mitglied d and D e ve lo p- werden. Und zwar sind dies zum einen langfris- balization 1723 ‚Glo a n n o ve r) und ttingen, H tige gesellschaftliche Trends und zum anderen ment‘ (Gö 0 ‚Rationa lity and T R R 1 9 ). politische Entscheidungen. des SFB en erlin , B on‘ (Münch Competiti u nkt e si nd sschwerp Forschung zmärkte u nd nale Finan Gesellschaftswandel intern a ti o Entwicklu n g . S e in e finanzielle a . publiziert im ein wichtiger Faktor Arbeiten si n d u . nance, Jo u rn a l of tu re , Jo urnal of Fi u rn a l o f o f Econ omic Litera n a n ci a l Studies, Jo n e y and Zu den gesellschaftlichen Trends zählen folgende Journal eview of Fi tional Mo ncia l Eco nomics, R Jo u rn a l of Interna Ursachen. Fina mics und nal Econo Internatio or niorprofess Finance. iser ist Ju 1. In den Jahrzehnten ab den 1950er Jahren sind Dr. Tim Ka sc h a ft u n d aftswissen für Wirtsch n der zum einen die Vermögen mit dem lang anhalten- ft s didaktik a Wirtscha le nz- La ndau und t Ko b den Wachstumsprozess angestiegen, zum anderen Universitä M it a rbeiter de r se n sc h aftlicher s D IW hat die Ausdifferenzierung des Finanzsystems zu w is chaft d e Weltwirts einem besonders großen Wachstum der Anlagen Abteilung rt e Wirtschaft / stu d ie Berlin. Er ik /N o rd a merika- und Kredite geführt, das nochmals über die nomina- d Anglist Politik un lbrechts- len Steigerungen der volkswirtschaftlichen Wert- a n d e r Christian-A nisti k nd an der e rs it ä t zu Kiel u Honolulu, schöpfung hinausgeht. Aus beiden Gründen sind U n iv fi c U niversity, P a ci Finanzentscheidungen bedeutsamer geworden. Hawaii t er zu den S A . A kt uell forsch n im HI, U rventione n von Inte mein- Wirkunge n A ll g e 2. Die Menschen sind im Durchschnitt nicht nur ic h d e r finanzielle Bere ndern. wohlhabender geworden, sondern leben auch länger, s- u n d S chwellenlä ic kl u n g Entw wobei sich die Phase der Nichterwerbstätigkeit ganz bildung in besonders verlängert hat. Das aber führt zu Absiche- rungsproblemen für das Alter. 5. Die individuelle finanzielle Altersabsicherung ist zu 3. Die Ausbildungszeiten haben sich mit längeren einem immer wichtigeren Thema geworden, weil – Schulzeiten und erhöhter Quote an Studierenden deutlich sichtbar auch in Deutschland – der Bedarf an verlängert. Ausbildung jedoch ist eine Investition mit privater Vorsorge steigt. Das aber erfordert ein entsprechenden Finanzierungsaspekten, selbst wenn ausgeprägteres Verständnis für finanzielle Zusammen- in Deutschland – anders als beispielsweise in den USA hänge und Abläufe. – die direkten Studiengebühren eine untergeordnete Rolle spielen. 6. Infolge der Nullzins-Geldpolitik der Europäischen Zentralbank in den zurückliegenden zehn Jahren sind 4. Schließlich führen technologische Neuerungen zu bei Immobilienfinanzierungen – vornehmlich in Bal- einer zunehmenden Komplexität angebotener Pro- lungsräumen – die Kreditvolumina stark angewach- dukte. Folglich ist das Universum der Anlage- und sen. Diese inzwischen sehr hohen Volumina stellen ein Verschuldungsformen inzwischen fast unüberschaubar. hohes Risikopotenzial dar, sollte es wieder zu einem Finanzumfeld mit steigenden Zinssätzen kommen. Politik übt immer 7. Darüber hinaus sorgt die Liberalisierung der Finanz- mehr Einfluss aus märkte für neue Anlageangebote und -formen, die nicht immer einfach zu verstehen sind. So erschließt Folgende politische Entscheidungen haben zu einer sich zum Beispiel die Risikoreduktion durch Internatio- zunehmenden Bedeutung von fundierten Finanzent- nalisierung der Anlagen vielen auf ihre Altersvorsorge scheidungen maßgeblich beigetragen: bedachten Menschen kaum oder nur schwer. 15
Aus der Forschung 8. Als eine weitere Konsequenz aus der Finanzmarkt- barer Kriterien die vorliegende Evidenz quantitativ Liberalisierung ist das Angebot von riskanteren und bewerten. teureren Konsumentenkrediten angewachsen, was Kreditnehmer häufiger als früher in finanzielle Proble- me bringen kann. Finanzielle Bildung im Forscherstreit Nationale Strategien für Die erste Metaanalyse in der Literatur (Fernandes et die finanzielle Bildung al., 2014) kommt gleich zu einem negativen Urteil über die Wirksamkeit finanzieller Bildungsmaßnah- Während die steigende Bedeutung von Finanz- men, und hat damit die weitere Richtung der Diskus- entscheidungen grundsätzlich unstrittig ist, unter- sion stark beeinflusst. Am schwersten wiegt in dieser scheiden sich die Reaktionen darauf allerdings. Die Analyse der Befund, dass die Effektivität von Finanz- Verantwortlichen in den meisten OECD-Ländern bildung dann zurückgeht und letztlich verschwindet, reagieren auf diese Herausforderung, indem sie wenn man methodisch exakt evaluiert. Höchste An- nationale Strategien für die finanzielle Bildung ihrer sprüche an die Methode stellt zurzeit das Verfahren Bevölkerung entwerfen oder bereits entworfen haben. randomisierter, kontrollierter Studien (RCTs, dies steht Deutschland zählt bislang zu den wenigen Ländern, für Randomized Controlled Trials) und sofern Fernan- in denen noch keine entsprechende nationale Strate- des et al., 2014 nur auf Studien mit dieser Methode gie initiiert worden ist. Hier liegt der Schwerpunkt abstellen, zeigt sich Finanzbildung in ihrem Sample als vielmehr auf der Integration finanzieller Bildung in wirkungslos. entsprechende Schulfächer, seltener dagegen wird ein eigenes Schulfach für die finanzielle Bildung einge- führt. Zudem gibt es punktuelle oder anlassbezogene Effektivität wurde Maßnahmen. präziser messbar Hinzu kommt, dass es vielfältige kritische und auch An diesem frühen, negativen Urteil setzt unsere Studie ablehnende Stimmen zur Strategie der finanziellen an, die die Metastudie von Kaiser und Menkhoff Bildung gibt. Vielmehr werden dann dafür eine strikte (2017) in einfacherer Form aufnimmt und erweitert. Als Regulierung der Märkte gefordert oder Maßnahmen wichtigste Neuerung aktualisieren wir die berücksich- des Verbraucherschutzes vorgeschlagen. Auch ein um tigten Studien im Vergleich zu Fernandes et al. (2014). den Aspekt der finanziellen Bildung erweiterter Mathe- Wir können damit in einer rapide wachsenden Literatur matik-Unterricht oder eine umfassende politisch-öko- aktuelle Studien aus drei zusätzlichen Jahren berück- nomische Bildung im Schulkanon werden vorgeschla- sichtigen, die als RCTs durchgeführt wurden; damit gen; teilweise wird sogar die finanzielle Bildung ganz wird die Menge an solchen Studien mehr als verdrei- generell als ohnehin wirkungslos abgelehnt. Eine solch facht und erlaubt eine präzisere Schätzung der Effekte. generelle Ablehnung ist insofern sehr weitreichend, Ist finanzielle Bildung dann wirksam? Tatsächlich weil dies allen Maßnahmen zur finanziellen Bildung die ergibt sich nun für die Gruppe der RCTs im Durch- Grundlage entzieht. Diesen Sachverhalt prüft die schnitt eine deutlich erhöhte Effektivität im Vergleich Studie mittels Metaanalysen, die anhand nachvollzieh- zu Fernandes et al. (2014). Ferner steigt die Präzision Was die globale Finanzwelt bewegt Der inhaltliche Schwerpunkt der Abteilung Weltwirtschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) liegt auf ausgewählten finanzwirtschaftlichen Fragen der Weltwirtschaft. In diesem Sinne bearbeitet die Abteilung zwei Leitthemen vorwiegend empirisch: Zum einen werden internationale Finanzmärkte hinsichtlich ihrer volkswirtschaftli- chen Funktionalität untersucht; dies umfasst auch entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Finanzströme beeinflussen. Zum anderen wird der Beitrag finanzieller Entwicklung zum Ziel eines „Shared Growth“, also des gemeinsamen Wachstums, in den Entwicklungs- und Schwellenländern analysiert. 16
Aus der Forschung Die finanzielle Bildung breiter Bevölkerungsschichten genießt in der Sparkassen-Finanzgruppe traditionell einen hohen Stellenwert. National und international widmen sich der Beratungsdienst Geld und Haushalt, der Sparkassen-Schulservice sowie die Sparkassenstiftung für Internationale Kooperation dieser immer wichtiger werdenden Herausforderung. der Schätzung, so dass der Effekt auch statistisch klar schiedlich wirken und bisher nicht genügend Studien signifikant wird. Damit ist der aktuelle Befund eindeu- vorliegen, um die Erfolgsbedingungen detailliert tig: finanzielle Bildung ist auch unter den strengsten beurteilen zu können. Es bleibt also noch viel zu methodischen Anforderungen wirksam. Dieser Befund forschen, bevor man wirklich sagen kann, worauf es hält übrigens auch dann stand, wenn man nur finan- genau ankommt und welche Formate für welche zielle Bildungsmaßnahmen in Schulen auswertet Zielgruppen unter welchen Umständen am besten (Kaiser und Menkhoff 2019). geeignet sind. Immerhin lautet aber die gute Nachricht für die Spar- Engagement der kassen, dass ihr oft großes Engagement im Rahmen Sparkassen lohnt der finanziellen Bildung nicht nur subjektiv als hilfreich empfunden wird, sondern vermutlich auch zu den Allerdings gehört auch zum empirischen Befund, dass erwünschten Wissenszuwächsen und Verhaltensände- die Maßnahmen zur finanziellen Bildung sehr unter- rungen beiträgt. Weiterführende Literatur: Fernandes, D., Lynch, Jr., J.G. und Netemeyer, R.G. (2014). Financial literacy, financial education, and downstream financial behaviors. Management Science, 60(8): 1861–1883. Kaiser, T. und Menkhoff, L. (2017). Does financial education impact financial behavior, and if so, when? World Bank Economic Review, 31, 611–630. Kaiser, T. und L. Menkhoff (2019). Financial education in schools: A meta-analysis of experimental studies. Economics of Education Review, forthcoming. Lusardi, A. und Mitchell, O.S. (2014). The economic importance of financial literacy: Theory and evidence. Journal of Economic Literature, 52(1): 5–44. 17
Aus der Forschung Institutsvielfalt sichert Bankenstabilität Breit gefächert ist gut gesichert Autorin: orothea Prof. Dr. D it rstellte m Schäfer e er u n g d Unterstütz Eine von Vielfalt und unter- Wissensch aftsförde- - parkassen schiedlichen Geschäftsmodellen rung der S . ppe e.V Finanzgru leiterin im geprägte Bankenlandschaft zeigt als Pro je kt in es Rahmen e rojektes sich vor allem in Krisenzeiten Forsch un g s p „Die die Studie stabiler, so das Ergebnis eines Bedeutu n g vie von lfalt für Inst itu ts Forschungsprojektes. Bankense kt orstabili- U-Finan- tät und KM zierung“. Die Corona-Krise erinnert erneut daran, dass wider- stands- und leistungsfähige Finanz- und Banksysteme von essenzieller Bedeutung sind. Die Frage, welche Lege nicht alle Eier institutionelle Struktur Banken widerstandsfähig macht, ist wichtiger denn je. Trotzdem gibt es kaum in einen Korb quantitative Evidenz über die Rolle von institutioneller Vielfalt für die Stabilität von Banken.1 Die Debatte wird Das Hauptziel der Studie liegt darin, datengestützt weiterhin beherrscht von der Frage, ob sich marktba- folgender Frage nachzugehen: Sind Banken in einer sierte Finanzsysteme nach 2008 schneller erholt haben Krise stabiler oder weniger stabil, wenn im heimischen als bankbasierte (Beck, Demirgüc-Kunt & Singer 2013, Bankensektor institutionelle Vielfalt herrscht? Über- Gambacorta et al. 2014, Langfield & Pagano 2016). trägt man die bekannte Regel „Lege nicht alle Eier in Wenn in der EU institutionelle Vielfalt gefordert wird, einen Korb“ auf das Bankensystem, ist zu erwarten, dann nur in Bezug auf ein Mehr an Marktelementen in dass das System bei Koexistenz unterschiedlicher den Finanzsystemen. Der Bankensektor ist in den Banktypen stabiler ist, als wenn es nur einen Banktyp EU-Mitgliedstaaten der wichtigste Teil des Finanzsys- gibt und damit die Leistung des Sektors in Gänze von tems und die zentrale Finanzierungsquelle für KMU, der Leistungsfähigkeit dieses Banktyps abhängt. Trifft die etwa 99 Prozent aller EU-Unternehmen ausmachen das herrschende Geschäftsmodell ein Schock, sind alle (European Banking Authority 2016). Die Fokussierung Banken im System gleichzeitig und in gleicher Weise auf markt- versus bankbasierte Finanzsysteme greift bedroht (Haldane 2009, Haldane & May 2011, De daher zu kurz. Nederlandsche Bank N.V. 2015). Die Koexistenz unterschiedlicher Typen verringert in der Krise das Risiko von gegenseitiger Ansteckung und Stabilitätsverlust. Von der Robustheit eines diversifi- 1 Die ersten Studien zum Zusammenhang zwischen institutioneller zierten Systems sollte folglich nicht nur das Gesamt- Vielfalt und Resilienz in der Großen Finanzkrise stammt von Ayadi, system, sondern auch die einzelne Bank profitieren. Llewellyn, Schmidt, Arbak & de Groen (2009). Die wissenschaftliche Debatte um bank- versus marktbasierte Finanzsysteme hat eine lange Tradition, siehe z. B. auch Baum, Schäfer & Talavera (2011) Dies ist die Kernthese der Studie. Wir erwarten, dass und Levine (2002). Banken stabiler sind, wenn das zugehörige Bankensys- 18
Aus der Forschung tem eine höhere institutionelle Vielfalt besitzt. Für die Zur Kalibrierung der Hauptvariable Institutionelle Untersuchung greifen wir auf eine Stichprobe von Vielfalt greifen wir auf den Shannon Index zurück Banken aus 22 EU-Mitgliedstaaten zurück. Der Beob- (Shannon 1948), einem etablierten Entropiemaß, das achtungszeitraum umfasst die Jahre 1998 bis 20142 als Indikator für ökologische Vielfalt bekannt geworden und knapp 39.000 Datenpunkte. Von besonderem ist. Auch im ökonomischen Kontext wird das Vielfalts- Interesse sind die Jahre 2007 bis 2014. Sie markieren maß zunehmend populärer.3 Ausgehend von der den Zeitraum von Finanz- und Wirtschaftskrise sowie traditionellen Dreiteilung des Bankensystems in den ersten Höhepunkt der Verschuldungskrise im Genossenschaftsbanken, Geschäftsbanken und Spar- Euro-Raum. Um den Effekt der Bankenvielfalt zu kassen wird der Index auf Basis der aggregierten identifizieren, wenden wir etablierte Verfahren zur Bilanzsummen der drei Bankengruppen berechnet. Schätzung von Paneldatensätzen an (Beck, Jonghe & Je gleicher die jeweiligen Marktanteile der drei Ban- Schepens 2013, Hawkins & Baum 2014). Die Kalibrie- kengruppen verteilt sind, desto größer ist der Index- rung des Indikators für die Bankstabilität und der wert. Um die Robustheit der Befunde zu testen, greifen Modellaufbau, insbesondere die Auswahl der Kontroll- wir zusätzlich auf den Gini-Simpson-Diversitätsindex variablen im Schätzmodell orientieren sich weitgehend zurück (Simpson 1949).4 an der Literatur zu Bankwettbewerb und -stabilität (z. B. Schaeck, Wolfe & Cihàk 2009, Schäfer, Siliverstovs & Terberger 2010, Köhler 2015). Wie allgemein üblich, Einfluss von Vielfalt messen wir die Stabilität einer Bank mit dem Z-Score (z. B. Leroy & Lucotte 2017, Goetz 2018.). auf Preisfestsetzung Neben dem vermuteten stabilitätserhöhenden Effekt Zur Autorin von Institutioneller Vielfalt, steht noch ein zweiter Wirkungskanal im Raum. Der Zusammenhang zwischen Dorothea Schäfer ist Forschungsdirektorin Finanz- Vielfalt und Stabilität könnte auch durch den Wettbe- märkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsfor- werb vermittelt werden. In der Tat wird in der Literatur schung (DIW Berlin) und außerordentliche Profes- oft hohe Vielfalt mit starker Wettbewerbsintensität sorin an der Jönköping University – Jönköping gleichgesetzt. Das kann, muss aber nicht so sein. International Business School (Economics). Dort hält Bekanntlich ist der Preissetzungsspielraum der einzel- sie Lehrveranstaltungen in den Bereichen Corporate nen Bank bei großem Wettbewerb gering. Wenn Finance und Banking Regulation ab. Schäfer ist unterschiedliche Banktypen jedoch unterschiedliche diplomierte Volkswirtin (LMU München) und hat sich lokale Märkte bedienen und dort jeweils eine starke in Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Marktstellung haben, kann große Vielfalt durchaus mit Berlin habilitiert. Sie ist seit 2008 Chefredakteurin einem beträchtlichen Spielraum bei der Preissetzung und Mitherausgeberin der „Vierteljahrshefte zur einhergehen. Wirtschaftsforschung“. Seit Anfang 2019 ist sie Editor-in-Chief der „Eurasian Economic Review“, Um den Vielfalts- vom Wettbewerbseffekt zu trennen, einer Zeitschrift mit Schwerpunkt Finanzökonomie wird der Lerner Index als bankindividuelles Wettbe- und Angewandte Makroökonomie. Seit September werbsmaß und Kontrollvariable (Lerner 1934, Gischer, 2019 leitet sie das Team des DIW Berlin im XPRESS Müller & Richter 2015) in das empirische Schätzmodell Konsortium. XPRESS ist ein EU-Horizont 2020 Projekt aufgenommen. Eine weitere wichtige Kontrollvariable zur Unterstützung des öffentlichen Beschaffungs- ist das Nichtzinseinkommen. Wie in der Literatur wesens mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen KMU und dem öffentlichen Sektor bei der Einführung erneuerbarer Energien in Regionen zu verbessern, 3 Analysen zur Beschäftigungswirkung einer großen Vielfalt von In- dustriezweigen in Gebietskörperschaften (z. B. Brown & Greenbaum https://www.xpress-h2020.eu/. Die Arbeits- und 2017) oder zur Diversifikation in Finanzportfolios (Sierminska & Sil- Forschungsgebiete von Schäfer sind: Finanzmarkt- ber 2019) haben den Index auch im ökonomischen Kontext populär krise und -regulierung, Green Finance, Finanzie- gemacht. 4 Dieser Index ist eng verwandt mit dem als Konzentrationsmaß all- rungsbeschränkungen, Start-up- und Innovations- seits bekannten Herfindahl-Index. Intuitiv wird von einem Vielfalts- finanzierung, Finanzmarkt und Gender. indikator erwartet, dass ein steigender Index auch höhere Vielfalt signalisiert. Dieser intuitiven Erwartung entspricht der Herfindahl- Index nicht. Er wird umso kleiner je ähnlicher die Marktanteile sind. Der Gini-Simpson Index indes wird mit zunehmend ähnlichen Marktanteilen der drei Bankengruppen größer (Michie & Oughton 2 Die Stichprobe stammt aus der Bankscope-Datenbank, zum Um- 2013). Zur Messung von institutioneller Vielfalt vergleiche auch gang mit der Datenbank vgl. Duprey, T. & Lè, M. (2016). Gischer und Ilchmann (2018). 19
Aus der Forschung üblich, verwenden wir das Nichtzinseinkommen als Die statistische Analyse des Zusammenhangs zwischen Indikator für das Ausmaß der bank-internen Diversifi- institutioneller Vielfalt und Volatilität der Gesamtren- kation (z.B Guerry & Wallmeier 2017). Neben weiteren dite (Return on Assets) liefert zudem eine plausible bankindividuellen Charakteristiken enthält das Schätz- Erklärung für den positiven Zusammenhang zwischen modell auch eine Reihe von Länderkennzahlen.5 Vielfalt und Stabilität. Für den Krisenzeitraum lässt sich ein signifikant negativer Effekt des Vielfaltsindikators Unser Hauptinteresse gilt der Frage nach der Wirkung auf die Schwankungsbreite der Gesamtrendite (ROA) von institutioneller Vielfalt auf die Bankstabilität im feststellen. Dieser Glättungseffekt erhöht den Z-Score. Falle einer Krise. Der Befund ist hier für den Krisenzeit- raum 2007 bis 2014 recht eindeutig: Je höher der Shannon-Index (= Vielfalt), desto höher ist der Z-Score Mehr Uniformität ist (= Bankstabilität). Der Koeffizient des Shannon-Index ist statistisch hoch signifikant. Statistische Signifikanz, der falsche Ansatz wenn auch nur schwach, ergibt sich im Krisenzeitraum auch für den zweiten Vielfaltsindikator (Gini-Simpson Nimmt man den gesamten Beobachtungszeitraum Index), so dass der positive Zusammenhang zwischen 1998 bis 2014 in den Blick, bleibt der statistisch institutioneller Vielfalt und Bankstabilität als robust signifikant positive Zusammenhang zwischen Bank- gelten kann. stabilität und Vielfalt nur für den Shannon Index erhalten, nicht jedoch für den alternativen Gini-Simp- son Index. Bankinterne Diversifikation ist sowohl im Regionalbanken als Gesamtsample als auch speziell für den Krisenzeitraum negativ mit der Bankstabilität verknüpft, ebenso wie Stabilitätsanker ein starkes Wachstum der Bankbilanzsumme. Noch ein weiteres Ergebnis aus der Literatur wird durch unsere In Deutschland deckt sich dieser Befund zudem mit der Schätzung bestätigt: ein höherer Lerner-Index beein- anekdotischen Evidenz aus jener Zeit, wonach Spar- flusst die Bankstabilität signifikant positiv (z. B. Beck, kassen und Genossenschaftsbanken schon bald nach Jonghe & Schepens 2013, Berger, Klapper & Turk-Ariss der Lehmann-Insolvenz zum Stabilitätsanker wurden. 2008). Für weitere Schätzbefunde sei auf das DIW Anders als das Geschäftsmodell der international Diskussionspapier verwiesen Institutional diversity in tätigen Großbanken zeigte sich das lokal ausgerichtete European banking sectors and bank stability: A Geschäftsmodell von Sparkassen und Genossen- cross-country study (Christopher F. Baum, Caterina schaftsbanken als weitgehend unempfindlich gegen- Forti Grazzini, Dorothea Schäfer). über dem Liquiditätsschwund auf den internationalen Geldmärkten. An dieser Stelle sei auf das ebenfalls im Die Studie ergänzt die Literatur zur Struktur von Rahmen des Forschungsprojektes entstandene DIW Finanzsystemen in mehrfacher Hinsicht. Es wird Vierteljahrsheft zur Wirtschaftsforschung European gezeigt, dass institutionelle Vielfalt im Bankensektor banking landscape between diversity, competition ein wichtiges Strukturmerkmal ist. Erstmals wird and concentration (Hrsg.: Hans-Helmut Kotz und quantitative Evidenz zur Frage geliefert, wie in der Dorothea Schäfer) hingewiesen, das einen hervor- großen Finanzkrise institutionelle Vielfalt und Bank- ragenden Überblick darüber gibt, was wir über institu- stabilität zusammenhingen. Dabei legen unsere tionelle Bankenvielfalt wissen, wo die wesentlichen Befunde nahe, dass der Erhalt institutioneller Vielfalt Forschungsdefizite liegen und welche wirtschaftspoli- Krisen- und Resilienzvorsorge ist. Konzentration und tische Dimension dem Thema zukommt.6 mehr Uniformität in den EU-Bankensystemen sind der falsche Weg. 5 Diese Daten stammen von der Global Financial Development Data- base der Weltbank. 6 Hans-Helmut Kotz und Dorothea Schäfer (Herausgeber), European Die Notwendigkeit von mehr Forschung zum Themengebiet Institu- Banking Landscape Between Diversity, Competition and Concent- tionelle Vielfalt zeigt insbesondere der Beitrag: Kotz, Hans-Helmut ration, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 87, Duncker und und Schäfer, Dorothea (Hrsg.), Diversity across EU banking sectors: Humblot (2018), frei zugänglich über https://elibrary.duncker-hum- Poorly researched and underappreciated. Vierteljahrsheft zur Wirt- blot.com/journals/id/25/vol/87/iss/2016/. schaftsforschung 87 (4), 153–179. Duncker und Humblot 2018. 20
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