Wunsch Stationäre Versorgung: und - Heft 4 / 2018 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung - MDS
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Heft 4 / 2018 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung Stationäre Versorgung: Wunsch und …
ak tuell Liebe Leserin, lieber Leser, Aktuell wer hierzulande ins Krankenhaus kommt und sta- Die Gute Frage Gespräche am OP-Tisch – wer sagt was ? 1 tionär behandelt werden muss, der sollte sich auf Kurznachrichten 3 eines verlassen können – dass er die bestmögliche Auch das noch Schädliche Schlipse 32 medizinische Versorgung erhält, eine Versorgung nach hohen Qualitätsmaßstäben, gerecht und Titelthema finanzierbar. Stationäre Versorgung: Wunsch und Wirklichkeit 5 Ist das nur ein frommer Wunsch oder gelebte Qualität kommt von Qual 6 Gleicher Preis für gleiche Leistung 8 Wirklichkeit? Wo setzen die Pläne der Gesund- Fallpauschalen: Rechnet sich das? 10 mdk forum Heft 4 /2018 heitspolitik an? Warum bemängelt der Sachver- Aufgaben des MDK Den Blick auf Qualität und Kosten 12 ständigenrat im Gesundheitswesen Über-, Unter- »Nicht nur Dekoration zwischen Arzt und und Fehlversorgung im Krankenhaus? Rechnet Vanillepudding« 14 Damit Beatmung kein Dauerzustand bleibt 16 sich das System der Fallpauschalen? Und welche Urteil des Bundesverfassungsgerichts Fixiert statt frei 18 Aufgaben übernimmt der mdk jetzt und künftig in den Kliniken? Der aktuelle Schwerpunkt ver- sucht eine Annäherung an das umfassende Thema Wissen & Standpunkte Pflegekräfte aus der Ferne 20 der stationären Versorgung. Gesundheitskompetenz Lesen und Schreiben fördern – Daneben berichten wir über die Situation von der Gesundheit zuliebe 22 Patientinnen und Patienten, die dauerhaft beatmet werden müssen. Wir stellen ein Modellprojekt vor, Gesundheit & Pflege bei dem Pflegekräfte aus Vietnam angeworben Mehr Wohnvielfalt im Alter 24 werden, um Menschen in Deutschland zu pflegen. Healing Architecture Mit allen Sinnen gesunden 26 Und wir blicken zurück in die Medizingeschichte – erzählen in dieser und in weiteren Ausgaben Weitblick unseres Magazins, wie historische Entdeckungen Neue Heimat – ein Haus für Senioren in auch heute noch die Gesundheitsversorgung prä- Armenien 28 gen. Den Auftakt bildet ein Beitrag zur künst lichen Befruchtung. Gestern & Heute Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest Ein Baby aus dem Labor 30 und viel Gesundheit und Glück fürs neue Jahr. Ihr Dr. Ulf Sengebusch
die gute frage 1 Gespräche am OP -Tisch – wer sagt was ? mdk forum Heft 4 /2018 Während ein Blinddarm womöglich unkompliziert in 20 Minuten raus ist, gibt es Operationen, die sich über den ganzen Tag hinziehen können. Was geschieht, während der Patient schlafend auf dem Operationstisch liegt? Worüber unterhalten sich Operateure und OP-Team? Dr. Jörg- Andreas Rüggeberg, Vizepräsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e. V., erzählt. Was passiert eigentlich bei einer Standard- Wie kann man sich die Atmosphäre im O P Operation: Wie viele Menschen sind in der Regel im vorstellen? Wovon hängt sie ab? Operationssaal? Wie sieht das übliche OP-Team aus? Und wer übernimmt welche Aufgabe? Am besten lässt sich das mit dem Begriff steril verbinden. Soll ja auch so sein, denn das Wichtigste ist die Vermeidung Das ist in Abhängigkeit des Eingriffs durchaus unter von Infektionen. Das bedingt dann die entsprechende »Ver schiedlich. Klar braucht es immer den Operateur und in der kleidung« der Handelnden, aber auch bestimmte Bewe Regel auch eine Assistenz am Tisch sowie einen Anästhe gungsmuster und nicht zuletzt auch eine gewisse Schweig sisten bei Narkoseeingriffen. Beide Teams brauchen jeder samkeit. Ansonsten ist es ein technikdominierter Arbeits mindestens eine op-Pflegekraft zum Instrumentieren und platz, der zunächst etwas abweisend wirkt, aber in dem Mo ganz wichtig einen sogenannten Springer, der von außen an ment, da der Patient in die Mitte des Raums gebracht wird, reicht. Je größer der Eingriff und vor allem je technisch hö urplötzlich einen Fokus bekommt, auf den sich alles konzen her gerüstet braucht es weitere Assistenzen am Tisch, Tech triert. niker für Herz-Lungen-Maschinen, zur Bedienung von Robo tern, von intraoperativen Bildgebungen wie Röntgen oder Wenn sich eine Operation über Stunden hinzieht, mrt. Also von einer Skatrunde bis zu einer Fußballmann der Gesundheitszustand des Patienten stabil ist und schaft inklusive Bank ist die Bandbreite ziemlich groß. die Situation es zulässt, redet man dann auch schon mal über Wetter, Weltpolitik und Wochenende? Bei einer Operation ist doch jeder Schritt genau Darf gelacht und über Privates geredet werden? festgelegt. Muss man da so konzentriert sein, dass man – wenn überhaupt – nur über die OP und das, Eins vorweg: Unter dem Gesichtspunkt der Minderung was mit ihr im Zusammenhang steht, spricht? Oder des Infektionsrisikos sollte möglichst wenig gesprochen gibt es die berühmten Ein-Wort-Anweisungen werden, jedenfalls nicht direkt in die offene Operationswun »Tupfer! Skalpell! Schere!« nur im Film? de hinein. Aber ein Schweigegebot gibt es deswegen nicht. Je nachdem wird also schon über Dinge außerhalb der eigent Weil die Menschen verschieden sind, sind auch Opera lichen Operation gesprochen. Das hat gar nicht mal was mit tionen individuell unterschiedlich. Deshalb ist volle Konzen der Dauer einer Operation zu tun. Es gibt immer Phasen, in tration extrem wichtig, um auf Abweichungen vom geplan denen eher Routinetätigkeiten ohne großes Risiko anfallen. ten Vorgehen adäquat und vorausschauend reagieren zu Da kann dann schon auch das letzte Bundesligaspiel Thema können. Bei uns ist es wie im Cockpit eines Flugzeugs: Meist sein. Wie schon gesagt, wir sind durchaus vergleichbar mit ist es undramatisch, aber es muss immer die Bereitschaft da Piloten, die auch nicht permanent den Steuerknüppel um sein, auf einen plötzlichen Notfall sofort zu reagieren. Es klammern, aber jederzeit für Notfallsituationen gerüstet bleibt schon Raum für private Gespräche. sind. Aus eigenem Erleben kann ich sagen, dass meine Nar Ein Wort noch zu dem Image des Chirurgen im Film: Ein koseärztin viel geredet hat. Sobald sie still wurde, wusste ich, gutes Team braucht keine Anweisungen, da alle Beteiligten dass es ein Problem gab, und konnte selber reagieren. wissen, was gebraucht wird.
die gute frage 2 Stichwort »Patient hört mit«: Eine besondere ist, nämlich eine unverzichtbare Hilfe. Es gelten also wie im Situation ist es doch bestimmt, wenn Patienten wirklichen Leben auch die Grundsätze der Höflichkeit, auch nicht unter Vollnarkose operiert werden und mehr wenn die gegenseitige freundschaftliche Verunglimpfung oder weniger alles mitbekommen, was um sie zwischen op-Team und Anästhesie nach außen grenzwertig herum passiert. Gibt es »Verhaltensregeln« für erscheint. Beide Partner nehmen das aber nicht ernst und solche Fälle? nutzen so etwas auch zum Stressabbau. Nicht vergessen darf man im Übrigen, dass im op auch Grundsätzlich sollte man sich so verhalten, als würde der Ausbildung stattfindet, die naturgemäß ein Mindestmaß an Patient bei vollem Bewusstsein alles mitbekommen. Das ist Kommunikation erfordert. wie im sonstigen Leben eine Grundprämisse, bei der es keine besonderen Verhaltensregeln geben muss. Wenn ich aller In den U S A haben Psychologen untersucht, ob und dings höre, was im öffentlichen Raum, zum Beispiel in Groß wie Konflikte in Operationssälen ausgetragen raumwagen der Bahn so alles ohne jede Diskretion am Handy werden. Sie fanden heraus, dass Konflikte nur einen besprochen wird, frage ich mich, ob das nicht ein allgemei Bruchteil der Kommunikation ausmachen. Wenn, mdk forum Heft 4 /2018 nes Problem der privaten Zurückhaltung ist. dann seien es eher die Männer, die zu Zank neigen, und häufig gingen die Streitigkeiten von der Person Zum Schmunzeln: Wollte schon mal ein Patient mit dem höheren Status aus. Lassen sich diese mitreden? Gibt es eine Anekdote? Ergebnisse Ihrer Erfahrung nach auf deutsche Operationssäle übertragen? Anekdoten gibt es sicher. Bei mir persönlich ist es eher so, dass ich bei Eingriffen in örtlicher Betäubung mit den Pati Wir haben meist gar keine Zeit im op, um uns großartig enten ganz gerne über Privates spreche, um sie ein wenig von zu zanken. Immer steht der Patient im Mittelpunkt, und wie ihren Ängsten abzulenken. schon gesagt, immer hat auch der Operateur die Endverant wortung. Wenn es mal unterschiedliche Meinungen geben An vielen Arbeitsplätzen, an denen mehrere sollte, so werden diese hinterher diskutiert. Im Extremfall, Menschen gemeinsam in einem Raum arbeiten, und das dann auch im Interesse des Patienten, übernimmt gehören diese derselben Hierarchie-Ebene an. Im der Erfahrenere den Eingriff, wenn der Operateur nicht wei O P ist das anders. Wirkt sich das auch auf die terkommt. Das geschieht ohne laute Worte, weil alle wissen, Kommunikation aus? dass es immer und ausschließlich um das Wohl des Patien ten geht. Ist so gar nicht zutreffend. Jedem im op ist klar, dass ein gutes Ergebnis nur im Team möglich ist. Natürlich gibt es Die Fragen stellte Dorothee Buschhaus. einen Endverantwortlichen, der andererseits gut beraten ist, die Anwesenheit weiterer Personen als das zu werten, was sie Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg
ak tuell 3 Pflegepersonal-Stärkungsgesetz Neue MDK-Qualitätsprüfung Pflegende Angehörige tritt zum 1. Januar in Kraft ab Ende 2019 2,5 Millionen Menschen (darunter rund Der Deutsche Bundestag hat am 9. Novem- Der Gesetzgeber hat mit dem Pflegeper 1,65 Millionen Frauen) pflegen Angehörige ber das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sonal-Stärkungsgesetz auch beschlossen, zu Hause. Laut dem Pflegereport 2018 der (PpSG) beschlossen und damit das Sofort- dass ab Oktober 2019 das von Wissen- Barmer sind 185 000 von ihnen kurz davor, programm Pflege umgesetzt. Ab 2019 sollen schaftlern im Auftrag des Pflegequalitäts- die Betreuung einzustellen. Die meisten 13 000 zusätzliche Stellen in der stationären ausschusses entwickelte neue System der wollen nur mit mehr Hilfe weiterpflegen, Altenpflege geschaffen werden. Auch in Qualitätsprüfung und -darstellung für die knapp ein Prozent will dies auf keinen Fall Krankenhäusern ist geplant, Pflegepersonal vollstationäre Altenpflege umzusetzen ist. länger tun. Nach einer repräsentativen aufzustocken und zu refinanzieren. Die Pflegeheime sind dann verpflichtet, Befragung von mehr als 1900 pflegenden Kosten für die Stellen in Pflegeheimen, die sogenannte Ergebnisindikatoren für ihre Angehörigen wünschen sich fast 60 % mdk forum Heft 4 /2018 auf 700 Millionen Euro jährlich geschätzt Bewohnerinnen und Bewohner zu erheben weniger Bürokratie bei der Beantragung von werden, sollen über einen laufenden Zu und an eine noch zu schaffende Daten Leistungen. Nur ein Drittel der pflegenden schuss von der gesetzlichen Krankenver auswertungsstelle zu übermitteln. Die Angehörigen geht arbeiten, jeder Vierte sicherung und durch einen Zuschuss der MDK-Qualitätsprüferinnen und -prüfer aber hat seine Arbeit wegen der Pflege privaten Krankenversicherung getragen werden die Versorgungsqualität in Heimen reduziert oder ganz aufgeben müssen. werden. ab 1. November 2019 nach einem grund Bei 85 % der Befragten bestimmt die Pflege Darüber hinaus wurden auch neue legend neuen Verfahren prüfen. Der MDK tagtäglich das Leben. Die Hälfte von ihnen Leistungen für pflegebedürftige Menschen muss die Regelprüfung in Zukunft einen kümmert sich mehr als zwölf Stunden und ihre Angehörigen beschlossen. So Tag vorher anmelden. Für teilstationäre täglich um die pflegebedürftige Person. erhalten Angehörige einen leichteren Einrichtungen und ambulante Dienste Infos auch unter www.barmer.de Zugang zu medizinischen Rehabilitations- ändert sich an der bisherigen Qualitätsprü- leistungen. Die pflegebedürftige Person fung noch nichts, da die damit verbundenen Operationen im Krankenhaus kann dann gleichzeitig in die Reha-Einrich- wissenschaftlichen Vorarbeiten noch nicht 38 % (7,1 Millionen) der insgesamt 18,9 Mil- tung aufgenommen und dort betreut abgeschlossen sind. Der MDS hat zur neuen lionen Patientinnen und Patienten in werden. Soll der Pflegebedürftige anderwei- Pflegequalitätsprüfung einen ersten allgemeinen Krankenhäusern sind 2017 tig untergebracht werden, so ist von den Fragen- und Antwortenkatalog erarbeitet, auch operiert worden. Laut Angaben des Kranken- und Pflegekassen die Betreuung der unter www.mds-ev.de abrufbar ist. Statistischen Bundesamtes (Destatis) hat zu organisieren. Pflegebedürftige ab sich dieser Wert gegenüber 2016 nicht Pflegegrad 3 und Menschen mit Behinde- Terminservice- und verändert. Gut die Hälfte der Patienten war rungen erhalten künftig einfache Taxifahr- Versorgungsgesetz 60 Jahre und älter. Die meisten Operationen ten zu einer ambulanten Behandlung − die Mit dem Ziel, die Versorgung zu verbessern in dieser Altersgruppe betrafen Eingriffe am Fahrten gelten mit der ärztlichen Verord- und eine schnellere Vergabe von Arztter Darm (261 300), gefolgt von endoskopischen nung als genehmigt. minen für gesetzlich Krankenversicherte Operationen an den Gallengängen (209 100) Mit dem PpSG werden auch Neurege- zu erreichen, hat das Bundeskabinett den und Implantationen einer Endoprothese am lungen für die gesetzliche Krankenversiche- Entwurf des Terminservice- und Versor- Hüftgelenk (199 300). rung geschaffen, so zum Beispiel auch für gungsgesetzes (TSVG) auf den Weg Bei Frauen zwischen 15 und 44 Jahren die Abrechnungsprüfungen, die Kranken- gebracht. Der Gesetzentwurf sieht unter waren Operationen im Zusammenhang mit kassen beim MDK beauftragen können. anderem vor, die Aufgaben der Termin Entbindungen am häufigsten (349 700). Für sie gelten ab Januar kürzere Fristen: servicestellen deutlich zu erweitern und Bei Männern in dieser Altersgruppe wurde Rückleistungsansprüche von Krankenkas- das Mindestsprechstundenangebot der mehrheitlich ein Eingriff an der Nasen sen gegenüber den Krankenhäusern ver niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu muschel vorgenommen (62 800). Bei jähren dann bereits nach zwei und nicht erhöhen. In unterversorgten Gebieten Kindern bis 14 Jahren gehörten das Ein- mehr nach vier Jahren. müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen schneiden des Trommelfells zur Eröffnung künftig eigene Praxen eröffnen oder der Paukenhöhle (34 500) sowie die Versorgungsalternativen anbieten. Außer- Entfernung der Rachenmandeln (34 100) zu dem werden die Krankenkassen verpflich- den häufigsten chirurgischen Eingriffen. tet, spätestens ab 2021 elektronische Patientenakten für ihre Versicherten anzubieten. Das Gesetz soll voraussichtlich zum 1. April 2019 in Kraft treten und ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.
4 Informationspflicht bei Befunden Tattoos entfernen Fiktiv genehmigte Operation Ärzte müssen ihre Patienten über bedroh Mit Lasertechnik Tätowierungen oder auf Kosten der Krankenkasse liche Befunde informieren. Das gilt auch Permanent-Make-up entfernen dürfen in Entscheidet eine Krankenkasse nicht dann, wenn der Behandlungsvertrag Deutschland in Zukunft nur noch Ärztinnen zeitgerecht über einen Antrag auf Haut- beendet wurde und der Patient lange nicht und Ärzte und nicht mehr wie bisher auch straffungsoperation und lehnt sie es ab, im mehr in der Praxis war, hat der Bundes private Kosmetikstudios. Nach einer Nachhinein die fiktiv genehmigte Leistung gerichtshof (bgh) entschieden (Az. VI Entscheidung des Bundesrats im Oktober für ihren Versicherten zu übernehmen, ZR 285 /17). 2018 sollen alle approbierten Ärzte berech- muss sie dem Versicherten die entstande- Im konkreten Fall verlangte ein Mann tigt sein, sofern sie über die entsprechende nen Kosten erstatten. Das gilt auch dann, Schmerzensgeld und Schadensersatz von Fachkunde verfügen. Die Neuregelung soll wenn der Versicherte sich die entsprechen- seiner Hausärztin. Sie hatte ihn wegen Ende 2020 in Kraft treten. Der Regierungs- de Leistung im Ausland selbst beschafft hat, mdk forum Heft 4 /2018 Schmerzen im Bein an einen Facharzt entwurf der Strahlenschutzverordnung sah urteilte das Bundessozialgericht (A z. B 1 überwiesen. Es schloss sich eine op im ursprünglich vor, dass künftig nur Derma KR 1 /18 R). Krankenhaus an, bei der eine Geschwulst in tologen und plastische Chirurgen Tattoos Im konkreten Fall hatte ein Patient bei der Kniekehle entfernt wurde. Dass die per Laser entfernen sollten. Der Bundesrat seiner Krankenkasse beantragt, ihn nach Geschwulst ein bösartiger Tumor war, teilte erweiterte diesen Kreis jedoch. Schätzun- massiver Gewichtsabnahme mit einer die Klinik ausschließlich der Hausärztin mit, gen zufolge ist jeder vierte Deutsche Hautstraffungsoperation an Brust und nicht dem Facharzt. Die Hausärztin sprach tätowiert. Jeder Zehnte ist angeblich Bauch zu versorgen. Die Kasse entschied den Mann eineinhalb Jahre später darauf unzufrieden mit seinem Tattoo. 1,2 Millio- nicht zeitgerecht. In diesen Fällen gilt die an, als dieser nach langer Zeit in anderer nen Menschen, so mutmaßen Experten, Leistung als fiktiv genehmigt. Der Kläger Sache wieder zu ihr kam. Er benötigte nehmen jedes Jahr eine Laserbehandlung ließ sich daraufhin privat in einer Klinik in danach weitere Krankenhausaufenthalte zur Tattoo-Entfernung in Anspruch. der Türkei operieren und zahlte hierfür 4200 und Operationen. Euro. Doch die Kasse verweigerte die Nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Online-Portal zur Übernahme der Kosten. Der Versicherte Düsseldorf die Klage des Patienten Gesundheitsförderung klagte zunächst beim Sozialgericht Gießen. abgewiesen hatte, urteilte der BGH anders. Das GKV-Bündnis für Gesundheit, eine Dieses wies die Klage ab, auch die Berufung Dem Arztbrief, der nur an die Hausärztin gemeinsame Initiative der gesetzlichen beim Hessischen Landessozialgericht wurde ging, habe die Frau unschwer entnehmen Krankenkassen zur Weiterentwicklung und abgelehnt. Zu Unrecht, wie das Bundesso können, dass die Klinik sie irrtümlicher Umsetzung von Gesundheitsförderung und zialgericht (bsg) entschieden hat: Der weise für die behandelnde Ärztin hielt. Prävention in Lebenswelten, informiert ab Kläger habe sich die beantragte Operation Gerade in ihrer koordinierenden Funktion sofort auch online über seine Aktivitäten privatärztlich selbst verschaffen dürfen, als Hausärztin hätte sie laut Urteil die und Schwerpunkte. Unter www.gkv-buend- weil die beklagte Krankenkasse die fingierte Information weitergeben müssen. Das OLG nis.de erhalten insbesondere Fachkräfte aus Genehmigung missachtet und die OP nicht Düsseldorf muss den Fall nun neu verhan- Kitas, Schulen oder kommunalen Lebens- gewährt habe. Der Patient sei nicht ver- deln und entscheiden. welten konkrete Praxishilfen und Informa pflichtet gewesen, sich die fiktiv genehmigte tionen rund um das Engagement der Leistung nur in Deutschland zu verschaffen. Ärztemonitor 2018 gesetzlichen Krankenkassen für gesunde Auch habe er die Bedingungen einer 90 % der Ärztinnen und Ärzte sowie 97 % Lebenswelten. Auslandsversorgung zu Lasten der gesetz der Psychotherapeutinnen und Psycho lichen Krankenversicherung bei der therapeuten sind mit ihrer Arbeit zufrieden. Niedrige Lebenserwartung selbstbeschafften Operation in der Türkei Das ist ein zentrales Ergebnis des Ärzte Wer heute in Deutschland geboren wird, nicht einhalten müssen. monitors 2018. Dabei wurden im Auftrag erreicht ein durchschnittliches Alter von Bei einer rechtswidrigen Leistungsab- der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 80,6 Jahren – und ist somit am jüngsten im lehnung fehle ein innerer Grund, den Kreis und des NAV-Virchow-Bundes rund 11 000 Vergleich zu allen 22 Ländern der WHO- der Leistungserbringer entsprechend niedergelassene Vertragsärzte und Vertrags- Region Westeuropa. Das sagen aktuelle einzuschränken, so das BSG. Auch Ärzte im psychotherapeuten zu ihrer Arbeitssituation Zahlen der WHO-Studie Global Burden of Ausland würden grundsätzlich die Gewähr befragt. 57 % der Befragten bemängelten, Disease 2017. Für Frauen und Männer für eine ordnungsgemäße Leistungserfül- dass sie zu wenig Zeit für die Patienten zur zusammen betrug die Lebenserwartung lung bieten, denn auch sie unterlägen Verfügung hätten. Gleichzeitig habe der nach den Zahlen der Weltgesundheits Sorgfalts- und Schadensersatzpflichten. Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten organisation im Jahr 2017 in Westeuropa im nach der Sprechstunde zugenommen. Auch Durchschnitt 81,9 Jahre. Seit 2005 hat sie seien immer mehr Ärzte angestellt. Viele um fast zwei Jahre zugenommen, in von ihnen wünschten sich eine bessere Deutschland stagnierte sie in den vergange- Work-Life-Balance und arbeiteten daher in nen zehn Jahren weitgehend. Am längsten Teilzeit. Jeder vierte Arzt gab an, schon leben in Europa Männer in der Schweiz mit einmal körperlich angegriffen oder physisch 82,1 Jahren und Frauen in Spanien mit bedroht worden zu sein. 85,8 Jahren.
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 6 Qualität kommt von Qual mdk forum Heft 4 /2018 Aus Sicht vieler Kliniken ist die Debatte um Qualitätssicherungsmaßnahmen vor allem ein Instrument, Standorte in Bedrängnis zu bringen. Entsprechend verhärtet sind bei dem Thema inzwischen die Fronten, die Selbstverwaltung gerät an ihre Grenzen. Immerhin: Die Qualitäts offensive Krankenhaus kommt voran, wenn auch nur schleppend. vor langeweile fürchtet sich Prof. Dr. Elisabeth Pott, seit Euro im Jahr 1991 auf knapp 88 Milliarden Euro in 2016. Kri Juli unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesaus tiker des deutschen Kliniksystems sehen diese deutlich stei schusses (g-ba), nicht. »Die Herausforderungen beim Aus genden Zahlen nicht in einem wirklichen medizinischen Be bau der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung«, sagt darf begründet, sondern vor allem im Anliegen der Betreiber, sie, »sind weiterhin so umfangreich und komplex, dass der möglichst viele Fälle und damit Zuweisungen zu generieren. g-ba in der laufenden Legislaturperiode sehr gut damit be In der Folge werde zu viel operiert, und viel zu selten ambu schäftigt ist«. Qualitätssicherung (qs) ist ihr Thema. Es lant. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit nimmt in der Gesundheitspolitik der zurückliegenden Jahre und Entwicklung (oecd) etwa konstatierte 2014 einen im in immer mehr Raum ein, entsprechend steigt die Frequenz der ternationalen Vergleich niedrigen Stand ambulanter Opera Arbeitsaufträge an den g-ba. Vor allem die Kliniken stehen tionen in Deutschland. dabei im Mittelpunkt. Doch hinter der Qualitätsdebatte steht häufig eine viel grundsätzlichere Erst einmal wird es teurer Zu viele Kliniken, zu Fragestellung: Gibt es in Deutschland viele Behandlungen, zu viele Kliniken, die für unzureichende Das für die Kliniklandschaft prägendste Gesetzesprojekt zu hohe Kosten Leistungen zu viel Geld bekommen? der vergangenen Jahre war zweifelsohne das Krankenhaus Entsprechend reserviert reagiert man strukturgesetz (khsg), das 2016 auf den Weg gebracht wurde daher bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (dkg) und den g-ba beauftragte, die sogenannte »Qualitätsoffensi inzwischen auf Qualitätsdebatten, während die Kassenärzt ve Krankenhaus« umzusetzen. Doch auch das khsg führte liche Bundesvereinigung (kbv) und der Spitzenverband der zunächst erst einmal zu steigenden Kosten. Laut Berech Gesetzlichen Krankenversicherungen (gkv-sv) immer ener nungen des Bundesgesundheitsministeriums fallen dieses gischer auf Strukturreformen drängen. Diese drei Akteure im Jahr 2,2 Milliarden Euro zusätzlich an, nächstes Jahr 2,4 Milli g-ba zusammenzubringen dürfte zu den »Herausforderun arden und 2020 sogar 2,5 Milliarden Euro. 90 % davon tragen gen« gehören, von denen Elisabeth Pott spricht. die gkv-Beitragszahler. Allerdings erhoffe man sich auch, so heißt es im Gesetz, eine Verringerung von Eingriffen, was die Mehr Behandlungen in weniger Kliniken Kostensteigerung etwas dämpfen könnte. Doch bis davon et was zu spüren ist, dürfte es noch dauern. Die Kliniken haben in der Debatte einen wichtigen Punkt: Einen Großteil der Aufgaben hat der g-ba bereits umge Sie werden seit den frühen 90er Jahren kontinuierlich weni setzt. So liegen die Indikatoren für Qualitätsabschläge und ger, aktuell gibt es 1942. Auch die Verweildauer ist seitdem -zuschläge vor, die aber noch auf Anwendung warten. Und um etwa die Hälfte gesunken, auf mittlerweile 7,3 Tage. Al auch den ersten Bericht über die Ergebnisse von planungs lerdings ist die Zahl der Krankenhausbehandlungen laut Sta relevanten Qualitätsindikatoren hat der g-ba Ende Oktober tistischem Bundesamt seit 1991 um mehr als 30 % auf aktuell veröffentlicht. »Es bleibt nun abzuwarten, wie die Lan 19,4 Millionen gestiegen. Doch schlägt sich die sinkende desplanungsbehörden mit diesen Ergebnissen umgehen«, Zahl der Kliniken nicht in Einsparungen nieder. Laut Berech meint Elisabeth Pott. Soll heißen: Die Länder müssten dann nungen des Ersatzkassenverbandes stiegen die Kosten für auch den Mut haben, schlechte Häuser vom Netz zu nehmen, die stationäre Versorgung von umgerechnet 37 Milliarden mit dem Risiko, Kommunen (und Wähler) damit in helle Auf
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 7 regung zu versetzen. Bislang gibt es Qualitätsergebnisse nur Besonderen Handlungsbedarf gibt es demnach unter an für gynäkologische Operationen, Geburtshilfe und Mamma derem in der Geburtshilfe, bei Hüftendoprothesen und vor chirurgie, aufbereitet in Form von schwer verdaulichen Ex allem auch bei der Dekubitusprophylaxe. Die Deutsche Kran cel-Tabellen. Das zum g-ba gehörende Institut für Qualität kenhausgesellschaft (dkg) schloss aus dem Bericht, der nur und Transparenz im Gesundheitswesen (iqtig) werde aber, in 168 von 271 Indikationen keinen Handlungsbedarf kon so Pott, in Kürze beauftragt, ein »Qualitätsportal zu entwi statierte, indes, dass die Kliniken eine »herausragende Qua ckeln«, bei dem »besonderes Augenmerk auf allgemeinver lität« ablieferten. ständliche Informationen« gelegt werde. Gute Aussichten? Regional statt sektoral Mehr Qualität, mehr Personal und bessere Arbeitsbedin Ein grundsätzliches Problem für die Qualitätssicherung gungen – auch mit dem Pflegepersonal-Stär kungsgesetz sieht Prof. Dr. Matthias Schrappe in der Trennung des ambu (ppsg) soll künftig vieles besser werden. Es verspricht eine mdk forum Heft 4 /2018 lanten und stationären Sektors. Für Schrappe, der an der Uni bessere Personalausstattung und besse Köln unter anderem das Thema Patientensicherheit lehrt re Arbeitsbedingungen in der Kranken- Mehr Qualität und Mitglied des Sachverständigenrats Gesundheit war, gilt und Altenpflege und zielt damit auf die für Patienten es vielmehr, »die Qualität der regional organisierten Versor Behebung des Fachkräftemangels und gung zum Mittelpunkt zu machen«, zum Beispiel in Ärztenet die Qualitätsverbesserung der pflegerischen Versorgung. Die zen. »Hier spielt die Musik der zukünftigen Versorgungsstruk Verbesserung der Pflege am Krankenbett für Patienten und turen. Die Qualitätsfrage muss hier ihren Schwerpunkt set Pflegende ist ein richtiges und wichtiges Anliegen des Geset zen.« qs sei in Deutschland noch immer viel zu »technisch zes, findet auch der gkv-Spitzenverband. Allerdings würden angelegt«. Statt Endergebnisse wie Mortalität und Komplika zentrale Probleme der stationären Versorgung damit nicht tionsraten zu erheben, sollte patientenorientiert gemessen angegangen. Dazu zählen aus Sicht des gkv-sv eine nicht werden – ob also etwa kontinuierliche Arzt-Patienten-Kon funktionierende Krankenhaus planung, die ungenügende takte stattfänden oder Arztbriefe zeitig Investitionsfinanzierung der Länder sowie die im internatio Mehr Personal genug verschickt würden. »Qualitäts nalen Vergleich sehr hohen stationären Verweildauern und für die Pflege sicherung richtet sich aus historischen Fallzahlen. Der gkv-sv betont, dass der spürbare Mangel an Gründen viel zu sehr auf die operative Pflegekräften im Kontrast zu der Tatsache stehe, dass die Akutmedizin«, beklagt Schrappe. Zahl der Beschäftigten in der Krankenpflege in Deutschland Tatsächlich gibt es erst seit 2016 im Qualitätsreport des weit über dem eu-Durchschnitt liege, sowohl was das Ver iqtig ein sektorenübergreifendes qs-Verfahren, und zwar hältnis an der Bevölkerung als auch die Wachstumsrate be im Bereich der Herzkatheter. 2017 kam ein zweites hinzu, trifft. hier geht es um die Vermeidung nosokomialer Infektionen. Um sich dem eu-Schnitt anzunähern – wo es fast aus Der Report für das Jahr 2017 wurde gerade veröffentlicht, für nahmslos mehr Pflegekräfte pro Klinikpatient gibt und eine Trendfeststellung bei der sektorenübergreifenden qs durchgehend weniger Krankenhausbetten pro Einwohner –, ist es deshalb noch viel zu früh. kommt man hierzulande an einer deutlichen Ausdünnung Von der Qualität der stationären Versorgung – hier gibt es der Kliniklandschaft nicht vorbei. Das würde wohl nicht nur 24 qs-Verfahren – zeigt der Bericht ein durchwachsenes Bild: den Beitragszahlern nützen, sondern auch den Patienten. Thomas Trappe ist Journalist und Buchautor. Einer seiner Themenschwerpunkte ist die Gesundheitspolitik. trappe.tt@gmail.com
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 8 Gleicher Preis für gleiche Leistung mdk forum Heft 4 /2018 780 Seiten umfasst das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwick- lung im Gesundheitswesen mit dem Titel »Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversor- gung«. Der Befund: Nach wie vor gibt es sowohl Unter-, Über- als auch Fehlversorgung in der medizinischen Versorgung. zu den altfällen gehört die Integrierte Versorgung, die Rechenexempel Fallpauschalen die Sachverständigen seit gut 20 Jahren anmahnen. Die Fort schritte seien minimal, beklagen sie. Noch immer gebe es Deutliche Worte findet der svr auch für das Fallpauscha eine unsichtbare hohe Mauer zwischen Kliniken und Praxen. lensystem. Die Gutachter kritisieren falsche Anreize zur Ihr Vorschlag: Krankenhäuser, Krankenkassen und Ärzte Mengenausweitung. Ihr Vorschlag: Kleine Kliniken auf dem sollten sich auf einen Katalog ambulanter Leistungen eini Land sollten mit Pauschalen für die Vorhaltung bedarfsnot gen, die, unabhängig vom Ort des Eingriffs, ambulant und wendiger Leistungen und Uniklinken für die Vorhaltung stationär gleich vergütet werden. Um die Verluste der Klini hoch spezialisierter Medizin honoriert werden. Vor mengen- ken klein zu halten, sollten die »Preise« anfangs über dem anfälligen Operationen, die für Kliniken besonders attraktiv Einheitlichen Bewertungsmaßstab (ebm) liegen. sind, sollte immer erst die Zweitmeinung eines anderen Arz tes eingeholt werden. Zu wenig Kooperation, zu viele Kliniken Das Gutachten widmet sich außerdem der Notfallversor gung, die auch nach Ansicht des svr nicht bedarfsgerecht or Enttäuscht äußern sich die Gutachter auch über den ganisiert ist. Ihr Vorschlag: eine bundeseinheitliche Ruf ustand der 2012 eingeführten Ambulanten Spezialfachärzt Z nummer und eine »Notfallversorgung aus einer Hand« mit lichen Versorgung (asv), die die sektorenübergreifende Ko Integrierten Leitstellen und Integrierten Notfallzentren an operation von Klinikärzten und niedergelassenen Fachärz ausgewählten Krankenhäusern, die gemeinsam von Kassen ten im Bereich schwerer und seltener Erkrankungen exem ärztlicher Vereinigung und Krankenhaus getragen werden. plarisch voranbringen sollte. Sie kritisieren bürokratische Antragsverfahren und eine negative Grundstimmung bei Arzt- und Klinik-Verbänden, die dazu geführt habe, dass es nach wie vor keine asv-Gebührenordnung gibt und bislang nur acht der ursprünglich geplanten 25 Krankheiten vom Ge meinsamen Bundesausschuss definiert wurden. Das Fazit des Gutachtens: »Gut konzipiert, aber schlecht umgesetzt.« Unverdrossen hält der Sachverständigenrat (svr) außer dem an seinem Urteil fest, dass es zu viele Krankenhäuser gibt. Die Idee der Gutachter: Der Strukturfonds, der 2015 ein geführt wurde, sollte die Schließung kleiner Häuser mit Still legungsprämien forcieren. Die Finanzierung des Struktur fonds will der svr komplett dem Steuerzahler übertragen. An stelle des Gesundheitsfonds soll sich der Bund, zusätzlich zu den Ländern, beteiligen und im Gegenzug Mitsprache bei der Krankenhausplanung bekommen. Anstelle der Länder, die ohnehin säumige Zahler sind, sollen die Krankenkassen die Betriebs- und Investitionskosten übernehmen.
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 9 Inter view mit Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, zwischen Berlin und Brandenburg) und bei der forum Sie fordern vom Gesetzgeber Vorsitzender des Sachverständigenrats zur hoch spezialisierten Versorgung (etwa bei neue Spielregeln für die sektorenübergreifen- Begutachtung der Entwicklung im Gesund- Transplantationen oder Zentren für seltene de Versorgung, die so gestaltet sind, dass nie- heitswesen Erkrankungen) wäre mehr Abstimmung für dergelassene Ärzte und Kliniken die Zusam- alle Beteiligten ein Vorteil. menarbeit nicht mehr blockieren können. Wie forum Hätten Sie etwas gegen die fol- forum Auch die Krankenkassen sollen müssen diese Regeln aussehen? gende saloppe Zusammenfassung (eines bei der Klinikfinanzierung (Investitionen) Gerlach Am Beispiel der Ambulanten Teils) des SVR-Gutachtens: Es gibt noch im- mehr Verantwortung und mehr Macht (über Spezialfachärztlichen Versorgung konnte man mer zu viele Krankenhäuser. Außerdem wird Einzelverträge) bekommen. Erwarten Sie da- beobachten, wie es nicht funktioniert. Hier zu oft einzig aus Kostengründen operiert. Die durch rigorosere Schließungen? haben sich die Selbstverwaltungspartner, zum Konkurrenz zwischen Praxen und Kliniken Gerlach Wir schlagen – statt der jetzt, Teil aus Angst vor der eigenen Courage, ge- blockiert zudem jegliche Reformen. durch zu niedrige Investitionsquoten, bereits genseitig blockiert. Wenn jetzt aber zum Bei- Ferdinand M. Gerlach Das ist sehr bestehenden »schleichenden« Monistik – eine spiel ein Katalog von ambulant erbringbaren pointiert formuliert, aber im Kern durchaus »differenzierte Monistik« vor, bei der Kran- Leistungen mit festen Hybridpreisen definiert mdk forum Heft 4 /2018 richtig. kenkassen kollektiv kontrahieren würden. Ein- würde, die unabhängig vom Ort der Leistungs- forum Was tun? Sie wollen die Schlie- zelverträge mit über 100 zum Teil sehr klei- erbringung gleich hoch sind, würden wir mit ßung kleinerer Häuser über den Strukturfonds nen Krankenkassen sind weder sinnvoll noch größeren Schritten vorankommen. Andere forcieren. Was sagen Sie zu dem Einwurf von praktikabel. Wir erwarten, dass – zusammen Regelungsbereiche wie eine integrierte Be- DKG-Präsident Gaß, es gebe zwar regionale mit einer an Qualitäts- und Zugänglichkeits- darfsplanung benötigen mehr Zeit und Ener- Überkapazitäten, aber immer mehr Patienten? kriterien orientierten Rahmenplanung – dann gie. Gerlach Vorweg, kleinere Krankenhäu- eine Konzentration auf leistungsstarke Klini- forum War die Einführung der Fallpau- ser im ländlichen Raum wollen wir, soweit ken erfolgen würde und kleine, nicht bedarfs- schalen ein Fehler? diese bedarfsnotwendig sind, keineswegs notwendige Kliniken geschlossen oder umge- Gerlach Nein. Ihre heutige Ausgestal- schließen. Es geht um nicht bedarfsnotwen- wandelt werden können. tung erfordert allerdings dringend Korrektu- dige Krankenhäuser. Diese liegen zumeist in forum Nordrhein-Westfalen hat bereits ren. Die DRGs haben zu mehr Transparenz ge- Ballungszentren und haben oft eine geringe angekündigt, dass man die Aufgabe der Da- führt, sind inzwischen aber von einem eigent- Betriebsgröße. Für die Qualität der Versor- seinsvorsorge nicht abgeben werde. Haben lich beabsichtigten Pauschalsystem zu einem gung wäre ein Abbau von zweifellos vorhan- Sie Signale aus anderen Ländern? umfassenden Einzelleistungssystem mit zu denen Überkapazitäten und eine Konzentra- Gerlach Diesen Reflex nehmen wir auch starken Mengenanreizen geworden. Von 2003 tion auf Zentren mit hoher Expertise besser. in anderen Ländern wahr. Wobei wir die Vor- bis heute hat sich ihre Zahl auf aktuell 1292 Auch im internationalen Vergleich wird deut- haltung notwendiger, aber im DRG-System DRG s fast verdoppelt. Das DRG-System muss lich, dass Deutschland zu viele Klinken hat, in nicht wirtschaftlich erbringbarer Angebote also neu ausgerichtet und in seinem zu ho- denen, bezogen auf die Bevölkerung, sehr beziehungsweise eine Daseinsvorsorge, etwa hen Gewicht für die Klinikfinanzierung stär- viele, zum Teil auch unnötige Eingriffe ausge- im Rahmen der Notfallversorgung, sehr ge- ker begrenzt werden. führt werden. nau im Blick haben und hier keinen Wider- forum Was versprechen Sie sich von ei- spruch zu unseren Vorschlägen erkennen ner stärkeren Rolle des Bundes bei der Kran- können. kenhausplanung? forum Die Integrierte Versorgung ist ein Gerlach Der Bund könnte eine koordi- Dauerbrenner. Sie ist erwünscht, aber wird nierende Rolle einnehmen. Insbesondere in nicht umgesetzt. Ist die ewige Blockade nicht bundeslandübergreifenden Regionen (etwa ermüdend? Gerlach Ja, in der Tat geht es hier viel zu langsam voran. Es ist aber erfreulich, dass die negativen Folgen der strikten sektoralen Tren- nung in Deutschland zunehmend erkannt werden und die Politik gegensteuern will. Mehrere Vereinbarungen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, unter anderem die Ein- setzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, zielen auf eine Überwindung der Mauer zwi- schen den Sektoren. Es gibt also noch Hoff- nung. Gabi Stief hat viele Jahre als Hauptstadt- korrespondentin für die Hannoversche Allgemeine Zeitung geschrieben und arbeitet als freie Journalistin in Hannover. gabi-stief@gmx.de
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 10 Fallpauschalen: Rechnet sich das? mdk forum Heft 4 /2018 Lege artis – nach den Regeln der ärztlichen Kunst mögen Mediziner praktizieren. Von den Re- geln der Marktwirtschaft ist nicht die Rede. Zunehmend wächst aber der Vorwurf, Behandlun- gen im Krankenhaus orientieren sich eher an ökonomischen Anreizen als am Patientenwohl. Großen Anteil daran habe das DRG-System. Lag die durchschnittliche Verweildauer eines Krankenhaus aufenthaltes 2005 noch bei 8,6 Tagen, ist das Niveau mehr als 10 Jahre später in 2017 auf 7,3 Tage gesunken, meldet das Statistische Bundesamt. Allerdings gehe diese Entwicklung nicht ursächlich auf das drg-System zurück, so die langjäh rige Forschungsgruppe um Prof. Dr. Norbert Roeder von der Uniklinik Münster. Die Verkürzung der Verweildauern wurde laut seinen Analysen mehr durch den medizinischen Fort schritt als durch die Fallpauschalen getrieben und habe schon vor 2004 begonnen. Allgemein sprechen die Experten der drg-Research-Gruppe dem System aber zu, es sei besser als sein Ruf. Die beobachtende Begleitforschung hat bis heute keine Hinweise ergeben, dass die Fallpauschalen die Qualität der Versorgung in relevanten Punkten verschlechtert hat. leistungen im krankenhaus werden hierzulande seit Ökonomisierung der Medizin? fast 15 Jahren als Fallpauschalen und Zusatzentgelte vergü tet. Die Krankenkassen zahlen nicht mehr pro Tag für beleg Die mit den Fallpauschalen auf die Krankenhäuser über te Betten, sondern nur noch für Leistungspakete – Fallgrup tragene Kostenverantwortung wird jedoch zunehmend mo pen, die sich aus einzelnen Diagnosen und Leistungsschlüs niert. In der öffentlichen Diskussion manifestiert sich der seln nach dem System der Diagnosis Related Groups (DRG s) Eindruck, Wettbewerb und Kosteneffizienz stünden über zusammensetzen. Damit wird die Behandlung jeder Krank dem Patientenwohl. Dies stützt eine qualitative Studie der heit genormt. Die diagnosebasierte Eingruppierung beruht Universität Bremen aus dem vergangenen Jahr. Eine Befra auf der Erkenntnis, dass 80 % aller Krankheiten vergleichbar gung in deutschen Krankenhäusern ergab, dass mitunter un therapiert werden. nötige Eingriffe empfohlen werden. Patienten würden ohne medizinischen Grund im Krankenhaus behandelt. In Inter DRG-System besser als sein Ruf ? views und Diskussionen gaben die befragten Ärzte und Kli nikgeschäftsführer an, dass Entscheidungen über Aufnah Das drg-System ist prospektiv. Es legt die Vergütungshö me, Behandlungsart und Entlassung eines Patienten ohne he fest, bevor die Leistung erbracht wird. Damit liegt das Kos Kostendruck häufig anders ausfallen würden. Hieraus erklä tenrisiko bei den Krankenhäusern. Das schafft den Anreiz, ren sich womöglich auch medizinisch nicht begründbare Zu die Kosten der Behandlung so gering wie möglich zu halten, nahmen bestimmter Operationen oder fragwürdige regiona zum Beispiel über eine möglichst kurze Verweildauer. Tages gleiche Pflegesätze verleiteten vor Einführung der Fallpau Mandy Paraskewopulos-Ostwald ist Referentin schalen zu möglichst langen Aufenthalten und führten im Fachbereich Personal / Recht / Kommunikation internationalen Vergleich zu extrem langen Verweildauern. beim MDK Sachsen-Anhalt. mandy.paraskewopulos@mdk-san.de
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 11 le Versorgungsunterschiede bei einzelnen Leistungen. Die Zeit für ein neues System? Entfernung der Gaumenmandeln bei Kindern und Jugendli chen beispielsweise ist die häufigste Leistung der hno-Ab Jüngst eröffnete der Leiter des Instituts für das Entgelt teilungen in Deutschland. Die vollstationäre Operation wird system im Krankenhaus (inek) Frank Heimig seine Ausfüh je nach Wohnort unterschiedlich oft durchgeführt. Der Fak rungen zur g-drg Weiterentwicklung 2019 mit den Worten: tencheck Mandeloperation der Bertelsmann Stiftung 2013 »Kritisieren Sie das drg-System, solange Sie es noch haben.« hat Unterschiede bei den op-Zahlen bis zum Achtfachen Schließlich hat die Große Koalition mit der Ausgliederung festgestellt. Die verfügbaren Daten lassen es jedoch bisher der Pflegekosten aus den Fallpauschalen jüngst erheblich nicht zu, solche Versorgungsunterschiede in einen direkten ins System eingegriffen. Ausreichend sei das nicht, so der Zusammenhang mit dem drg-System zu bringen. Varianzen Marburger Bund. Die gewerkschaftliche, gesundheits- und können auch durch fehlende Leitlinien oder bestehende Ver berufspolitische Interessenvertretung aller angestellten und sorgungsstrukturen bedingt sein. Einigkeit findet sich in al beamteten Ärzte in Deutschland fordert aktuell eine grund len Diskussionen um die aktuelle Vergütungssystematik legende Reform der Fallpauschalenvergütung, denn der be aber darüber, dass die Schere zwischen Über- und Unterver triebswirtschaftliche Druck fördere schlechte Arbeitsbedin mdk forum Heft 4 /2018 sorgung durch erlösorientierte Fehlanreize weiter aufklappt. gungen und den Abbau von Personal zulasten der Patienten Die Wahl des Behandlungsverfahrens nach ökonomi versorgung. Eine gänzliche Abwendung von Fallpauschalen schen und nicht nach medizinischen Kriterien spielt nach lehnt ein Großteil der Akteure im Gesundheitswesen aller Einschätzung vieler Experten auch in der Geburtshilfe eine dings ab. Der gkv-Spitzenverband beispielsweise sieht eher große Rolle. Vereinfacht gesagt gilt: Je komplizierter eine Ge die Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung kri burt desto höher die Vergütung. Eine komplikationslose na tisch. Klar scheint bei aller Diskussion lediglich eines: Frei türliche Entbindung ist wirtschaftlich nicht unbedingt das von Fehlanreizen ist kein Vergütungssystem. Bleibt also die beste Los einer Klinik. Unweigerlich drängt sich der Ver Frage nach einer Alternative, die vor allem jenen zugute dacht auf, dass der Anstieg von operativen Eingriffen in der kommt, die es zu schützen gilt: den Patienten. Geburtshilfe kein Zufall ist. Jede dritte Frau in Deutschland bringt ihr Kind mittlerweile per Kaiserschnitt zur Welt. Prof. Dr. Reinhard Busse, Professor für Management Wo müsste eine Reform ansetzen? im Gesundheitswesen an der TU Berlin Wir sollten unsere Krankenhausversorgung komplett neu aus- richten. Orientierungspunkte sind für mich: Bettenabbau um 40 %, oran krankt die stationäre Versorgung W aber alle Betten in vernünftig ausgestatteten Krankenhäusern, Re- in Deutschland? duktion der Fallzahlen um 30 %, Verbesserung der Personal-Patien- Zuallererst krankt sie an der hohen Krankenhaus- und Betten- ten-Relation um 50 % und damit eine spürbare Qualitätsverbesse- dichte, die mit vielen kleinsten und kleinen Krankenhäusern und rung (de facto ein Beibehalten des heutigen klinischen Personals, häufig unzureichender medizintechnischer und personeller Aus- aber für weniger Patienten bzw. Patiententage). Wenn das zu radi- stattung zu steigenden Fallzahlen und drei zusammenhängenden kal klingt: Wir würden uns gerade mal in Richtung heutiger EU15- Problemen führt: zu viele Patienten, die oft in personell und tech- Schnitt bewegen. Schweden, Norwegen, Spanien oder Dänemark nisch nicht adäquat ausgestatteten Krankenhäusern behandelt hätten immer noch weniger Fälle und eine bessere Pflegekraft-Pa- werden, wobei das Betreuungsverhältnis Personal pro Patient sehr tienten-Relation. Auch das Gegenargument, dass dies die Versor- niedrig ist. Zwar ist inzwischen bekannt, dass Deutschland beson- gung auf dem Land gefährden würde, zieht nicht: Viele der zu ders viele akute Krankenhausbetten hat, weniger bekannt ist aller- schließenden Krankenhäuser sind in Ballungszentren. dings, dass der Bettenabbau in der Vergangenheit bei uns weniger stark war als anderswo. Dadurch hat sich der Abstand zum EU15- rauchen wir (dafür) ein neues B Mittelwert von + 45 % auf + 65 % vergrößert. 2017 verfügten von den Finanzierungssystem? 1329 akuten Plan-Krankenhäusern 61 % über keine Koronarangio- Jedes Vergütungssystem hat Vor- und Nachteile, insofern er- graphie, 31 % über keinen Computer-Tomographen und 19 % hatten scheint eine komplette Umstellung nicht zielführend. Aber es gibt kein einziges Intensivbett. Wie Patienten in diesen Häusern diag- viele änderungsbedürftige Punkte. Zum Beispiel ist es für Kranken- nostiziert und therapiert werden, bleibt ein Rätsel. Diskutiert wer- häuser finanziell zu attraktiv, Patienten aus den Notaufnahmen den sollte auch, warum steigende Fallzahlen (+ 30 % in 20 Jahren) stationär aufzunehmen – die Notaufnahmen sollten also über Bud- aufgrund von Demografie, neuen Behandlungsmethoden und Pa gets finanziert werden. Und für Kurzlieger bräuchten wir 24- oder tientenerwartungen für gerechtfertigt gehalten werden, obwohl sie 48-Stunden-Beobachtungs-DRGs mit Relativgewichten von zum im gleichen Zeitraum im EU15-Schnitt konstant geblieben sind (in Beispiel 0,1 und 0,2. Eine weitergehende stationäre Behandlung Dänemark sind sie sogar um 30 % gesunken). Die hierzulande nied- müsste dann der MDK regelhaft überprüfen. rige Personalausstattung pro Patient, insbesondere beim Pflege- personal, wird vor allem durch die hohen Fallzahlen erklärt, wäh- rend wir pro Kopf der Bevölkerung mehr Pflegekräfte im Kranken- haus haben als zum Beispiel die Niederlande.
S t a t i o n ä r e V e r so r g u n g : W u n s c h & W i r k l i c h k e i t 12 Aufgaben des MDK Den Blick auf Qualität und Kosten mdk forum Heft 4 /2018 Bei der Krankenhausversorgung hat der MDK zwei Aufgaben, die sich zu widersprechen schei- nen: Er prüft Rechnungen hinsichtlich einer korrekten Abrechnung und er kontrolliert Qualität. Bei fehlender Systemkenntnis könnte man vermuten, dass damit bestenfalls die beste Behand- lungsqualität fürs wenigste Geld erreicht werden soll. Doch diese Rechnung geht nicht auf. krankenhausbehandlungen werden in Deutschland In Zahlen – am Beispiel seit 2004 mit einer einheitlichen Pauschale für vergleichbare Behandlungsfälle vergütet: Jedes Krankenhaus erhält zum Dass all dies nicht ausreicht, um die korrekte Abrech Beispiel für eine Blinddarmentfernung ohne Komplikatio nung von Krankenhausbehandlungen sicherzustellen, son nen denselben Preis (Fallpauschale). Die Höhe dieser Preise / dern die Überprüfung der Rechnungen durch den mdk not Erlöse wird aus einer großen repräsentativen Stichprobe von wendig ist, zeigt der Blick in die Zahlen: Im Jahr 2017 hat der zurückliegenden Behandlungsfällen und deren dokumen mdk insgesamt 2,8 Millionen Einzelfälle aus dem Bereich tierten Kosten ermittelt. Diese Erlöse entsprechen daher Krankenhausleistungen bearbeitet. Dabei geht es überwie nicht dem Wunschdenken der Kostenträger, sondern der Re gend um die Überprüfung von Abrechnungen. Aber auch Fra alität in der Leistungserbringung. gen danach, ob die stationäre Behandlung eines Patienten überhaupt erforderlich war, ob die Verweildauer angemes Richtig (ab)gerechnet? sen war und ob die Kodierung der gestellten Diagnosen und der erbrachten Leistungen korrekt war, muss der mdk be Welche Fallpauschale im konkreten Fall abgerechnet antworten. Die Abrechnungsprüfungen zeigen, dass in jeder wird, ermitteln die Krankenhäuser über die Verschlüsse zweiten geprüften Rechnung Korrekturbedarf gesehen wird. lung / Kodierung von Diagnosen und Behandlungsprozedu Das reduziert den Rechnungsbetrag um durchschnittlich ren. Dabei gelten die Regeln der Fallpauschalenverein 1000 Euro. barung (fpv) und der Deutschen Kodierrichtlinien (dkr). Korrekturbedarf ergibt sich in der Regel in vier Bereichen: Die Einhaltung dieser Regeln schützt die Krankenkassen Das sind neben fehlerhaften Mengenangaben – zum Beispiel und ihre Mitglieder vor ungerechtfertigten Ausgaben und von Beatmungsstunden oder teuren Medikamenten – auch die Krankenhäuser untereinander vor unwirtschaftliche Fallführungen. So werden häufig Patien Rechnet sich das? Vorteilsnahmen von Mitbewerbern auf ten, bei denen ein kleiner operativer Eingriff durchgeführt dem nicht unkomplizierten Kranken werden soll (z. B. op bei Leistenbruch), bereits einen Tag vor hausmarkt. Somit müssten alle Seiten ein Interesse an kor der op stationär aufgenommen, ohne dass dies medizinisch rekten Krankenhausabrechnungen haben. Umso mehr er erforderlich ist. Nicht selten werden auch die Kodierricht staunt es, dass die Abrechnungsprüfung von der Kranken linien missachtet, insbesondere bei sogenannten konkurrie hausseite immer wieder in Misskredit gebracht und verur renden Hauptdiagnosen. Zum Beispiel bei einem Patienten teilt wird. mit Hirnblutung und Kieferbruch: Wurde die Hirnblutung Bei der Prüfung der korrekten Abrechnung von Kranken per Computertomografie zwar diagnostiziert, war aber klein hausleistungen geht es um die Frage, ob die von der Selbst und musste nicht behandelt werden, während der Kiefer verwaltung konsentierten Abrechnungsregeln eingehalten bruch aufwendig operiert wurde, dann ist der Kieferbruch werden; es geht nicht um einen Preisfindungsprozess. Die die Hauptdiagnose, die Hirnblutung die Nebendiagnose. Abrechnungsregeln sind bekannt, ebenso das Wirtschaft Würden beide Diagnosen bei der Abrechnung vertauscht, lichkeitsgebot des §12 sgb v als Verpflichtung für alle am wäre die Rechnung deutlich höher. Schließlich finden die System Beteiligten. mdk-Prüfer viele andere Fehler, zum Beispiel schwere aller gische Hautreaktionen, die als Verbrennung kodiert werden,
mdk forum Heft 4 /2018 13 kleine operative Eingriffe, die mit falschem Prozedurenkode Entwicklung sinnvoller und funktionierender Qualitätssiche als große Operationen abgerechnet werden, Medikamente, rungsmaßnahmen beteiligt. die der Patient nie bekam. Die besondere Wertschätzung dieser g-ba-Qualitäts- Die mdk-Prüfungen sollen bundesweit nach gleichen Richtlinien durch Politik und Gesetzgeber wurde Ende 2015 Maßstäben erfolgen. Daher erarbeitet die Sozialmedizini durch mehrere Regelungen im Krankenhausstrukturgesetz sche Expertengruppe »Vergütung und Abrechnung« der (khsg) deutlich. Das Gesetz will die Krankenhausplanung mdk-Gemeinschaft (seg 4) unter anderem Begutachtungs und die Vergütung stationärer Leistungen stärker daran bin anleitungen und -hilfen sowie die öffentlich zugänglichen den, dass die Kliniken bestimmte Qualitätsanforderungen seg 4-Kodierempfehlungen. erfüllen. Beschlossen wurde, die Kontrollen der Richtlinien durch den mdk zu fördern und Konsequenzen bei Nichtein Qualität auf dem Prüfstand haltungen von Qualitätsanforderungen einzuführen. Qualitätsrichtlinien des g-ba für die Krankenhäuser gibt Auch Qualitätsnormen bedürfen Kontrollen, um ihre es schon lange. Auch mdk-Prüfungen in Kliniken finden be durchgängige Einhaltung zu gewährleisten – leider, wobei reits heute statt, jedoch in unterschiedlicher Intensität in der Begriff der Qualitätsnorm in der Krankenhausbehand den Bundesländern und ohne gesetzliche Verpflichtung. lung nicht durchgehend klar definiert ist. Der Anspruch auf Neu ist, dass die mdk-Qualitätskontrollen zukünftig bun eine qualitativ hochwertige Krankenbehandlung wird be desweit auf einer einheitlichen gesetz reits in den Berufsordnungen der beteiligten Berufsgruppen lichen Grundlage durchgeführt werden Auch Qualität formuliert. Die Erarbeitung von Behandlungsleitlinien dient können, wenn Krankenhäuser bestimm wird geprüft diesem Ziel ebenso wie die vielfältigen Aus-, Fort- und Wei te Auffälligkeiten in den Qualitätsas terbildungsmaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte sowie für pekten aufweisen. Wollen Kliniken bestimmte Behandlun Pflegende. gen durchführen, zum Beispiel in der Kinderonkologie, müs Bestimmte Leistungen dürfen nur dann zu Lasten der sen sie Mindeststandards zu Anzahl und Qualifikation des gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn Personals sowie technischer Ausstattung erfüllen. Gibt es definierte Qualitätskriterien eingehalten werden. Während konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie solche oder andere sich im ambulanten Bereich die Kassenärztlichen Vereini Qualitätsanforderungen des g-ba nicht einhalten, kann der gungen um die Einhaltung von Qualitätsnormen kümmern, mdk von den gesetzlichen Krankenkassen, vom g-ba oder werden nur im Krankenhausbereich die Qualitätskriterien von Qualitätssicherungsgremien auf Bundes- und Landes durch die Kostenträger geprüft – konkret durch einen Prüf ebene den Auftrag erhalten, zu prüfen. auftrag der Krankenkasse an den mdk. Verstößt ein Krankenhaus gegen die Qualitätsvorgaben, Sind Qualitätsnormen in Komplexkodes des Operatio müssen Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung ergriffen nen- und Prozedurenschlüssels (ops) definiert, kann ihre werden. Andernfalls drohen Konsequenzen wie zum Beispiel Einhaltung nicht grundsätzlich geprüft werden, da bis heute die Minderung der Vergütung. eine gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Die mdk-Qualitätskontrollen werden das Aufgabenspek trum des mdk auf einem für die Versicherten relevanten Ge Mit hoher fachlicher Expertise biet erweitern. Eine hochwertige Qualität der medizinischen Versorgung wird nicht weiterhin nur postuliertes Ziel aller Wesentlicher Normgeber für Qualität im deutschen Ge Systembeteiligten sein, sondern sich zunehmend auch ge sundheitswesen ist der Gemeinsame Bundesausschuss (g-ba), prüft darstellen oder – wo nötig – sanktionieren lassen. der Qualitäts-Richtlinien für alle Leistungsbereiche des Ge sundheitswesens erarbeitet und beschließt. Die »Bank« der gkv wird hierbei vom Kompetenz-Centrum Qualitätssiche rung und Qualitätsmanagement (kcq) der mdk-Gemein Dr. Annette Busley schaft beraten und unterstützt. Somit sind mdk-Experten leitet den Bereich »Medizinische nicht nur an der Kontrolle, sondern auch maßgeblich an der Versorgung« beim MDS. a.busley@mds-ev.de
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