2019 ÜBERGÄNGE - Kanton Thurgau

Die Seite wird erstellt Tom-Lennard Falk
 
WEITER LESEN
2019 ÜBERGÄNGE - Kanton Thurgau
2 | 2019

 ÜBERGÄNGE
2019 ÜBERGÄNGE - Kanton Thurgau
2   I N HA LT                           Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

            48   Schulhausarchitektur                                                                           Blind Date   54

            		FOKUS: ÜBERGÄNGE                                              		BERUFSBILDUNG

            06 Die Sek gibt die Möglichkeit eines Neuanfangs!               45 Berufs- und Studienberatung
            10 Übergänge in der Schullaufbahn                               46 Berufsbildung
            14 Die Chancen eines Übergangs nutzen

            18 Das Blatt ist weiss beim Übertritt                           		 RUND UM DIE SCHULE
            20 Das Portfolio öffnet Türen
                                                                            47 Rezension
            22 Rituale erleichtern Übergänge
                                                                            48 Schulhausarchitektur
            25 Das Kind annehmen

            30 Übergänge in der frühen Kindheit
                                                                            		KULTUR
            31 Auf dem Cover

            33 Übergänge im Vorschulalter                                   50 kklick
            33 Übergänge als Entwicklungsaufgabe                            51 Historisches Museum
            34 Links & Rechtes                                              52 Naturmuseum
            34 Aufruf: Pausenplatzfotos gesucht

            34 Impressum                                                    		BLIND DATE

                                                                            54 Silvia Gubler trifft Felix Diggelmann
            		VOLKSSCHULE

            35 Schulberatung                                                		SchlussVERSion
            36 Schulentwicklung
                                                                            58 Christoph Sutter

            		PHTG

            40 Forschung

            41 MDZ

            		MITTELSCHULEN                                                                                         2 019
                                                                                                              J uni en
                                                                                                            T      s
            42 Kreuzlingen
                                                                                                        L AT a Pau
                                                                                                      B
            44 AMH
                                                                                                  H UL Them
                                                                                                SC zum
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                  KO LU MN E        3

                                                    Suddenly This Overview … *

                                                               Ruedi Gentsch

Vor der grossen und mutmasslich letzten Veränderung durch-                 kunftsvisionen konkreter und manchmal realistischer. Niedliche
leben wir, wohl übungshalber, deren etliche kleinere. Mit dabei            Stupsnasen krümmen sich konvex und wachsen etwas voreilig.
sind immer Angst und Neugier und zwar in ständig wechseln-                 Dazu kommt das Ausdrücken von Pickeln und merkwürdigen
dem Verhältnis, wobei ich mir bei der ersten Veränderung, dem              Gefühlen. Es ist ein wunderbarer Lebensabschnitt. Zumindest
Übertritt ins öffentliche Leben, nicht so sicher bin. Hat das neue         rückblickend. Während sich die einen im nun folgenden Zyklus
Menschlein da auch schon Angst oder betrifft das nur die Mutter            4 bereits den oft rauen Lüften des Erwerbslebens ausgesetzt
und vor allem den Vater? Neugier kann ich mir gut vorstellen.              sehen, büffeln andere weiter ihre Vokabeln. Aber auch sie spü-
Man will doch mal nachsehen, was da draussen dauernd los                   ren die sich häufig ändernden Druckverhältnisse. Dann wird man
war! Nun befindet sich das Kind im Zyklus 0 und überzeugt                  zwanzig und stellt erfreut fest, dass man immer noch ein Kinds-
seine Umgebung mit begrenzten aber äusserst                                                  kopf ist und die Erwachsenen immer nur so
wirksamen Mitteln davon, dass sich die «Null»                                                getan haben, als wären sie abgeklärt. Der nun
nicht auf seine Wenigkeit bezieht. Der kleine Er-                                            erreichte Zyklus 5 zieht sich im Idealfall dahin
denbürger lernt so eifrig wie nie mehr in seinem                                             und wird deswegen in Abschnitte unterteilt. Auf
späteren Leben und je nach Adresse wird auch                                                 die ungebundene Phase folgt häufig eine lange
schon seine Hochschul-Laufbahn aufgegleist.                                                  gebundene, in die sich viele freiwillig begeben.
Und dann kommt es wieder zu einer Verände-                                                   Und da gibt’s Nachwuchs. Diese Reihenfolge
rung! Der Staat bemächtigt sich des Wesens und                                               ist allerdings nicht zwingend. Man erlebt das
steckt es in den Zyklus 1. Nun erleben die Klei-                                             Grossartigste im Leben überhaupt und träumt
nen Wundersames. Prinzen und Prinzessinnen                                                   von ungestörter Nachtruhe, wobei man sich
sehen sich, wie auch die Hochbegabten, umringt                                               dann während der nachtaktiven Phase der
von ihresgleichen und müssen nachjustieren. Ei-                                              Halbwüchsigen wehmütig an die Zeiten des
nigen eröffnen sich faszinierende neue Lernwel-                                              Zahnens erinnert. Dann fliegen die Kinder aus,
ten, anderen verleiden die ständigen Déjà-vus                                                man entsinnt sich der Partnerschaft, die per-
und sie verlustieren sich träumend oder störend.                                             sönliche Freiheit und das morgendliche Zwi-
Und ehe es sich Kind und Eltern versehen,                                                    cken im Rücken nehmen zu. Schliesslich wird
steht die nächste Veränderung vor der Tür. Im                                                man das, was man nie sein aber immer werden
Zyklus 2 beginnt das Kind zu begreifen, dass es das Tor nicht              wollte: Man wird alt. Der Zyklus 6 bietet, zumindest zu Beginn, un-
unbedingt selbst schiessen muss, um zu gewinnen. Die Peer-                 geahnte Möglichkeiten! Muntere, mit Stöcken bewaffnete Senio-
Gruppe wird wichtiger, die Eltern fühlen sich in eine Sponsoren-           rinnen und Senioren behindern in Rotten den Berufsverkehr
rolle gedrängt – es sei denn, es werde grad ein Pflästerchen               und überschwemmen die einschlägigen Hotspots. Sehr viele
gebraucht. Das Kind beginnt vermehrt auch abstrakt zu den-                 aber finden ihre Zweitberufung auch babysittend, kinderhosen-
ken und möchte Influencer*in oder ganz einfach reich werden.               flickend – wer beherrscht das denn heute noch? – Kolumnen
Das Adjektiv «reich» verknüpfen die Eltern mit den Buchstaben              schreibend oder in Schulklassen assistierend. Das Erkennungs-
G und E. Fürderhin wird vom Kind und von den Lehrpersonen                  merkmal der zweiten, längeren oder kürzeren Phase in diesem
neben dem Möglichen oft auch das Unmögliche gefordert. Und                 Zyklus ist der Rollator. Und dann – siehe oben! Die Wiederho-
dann ist der vierte Übertritt fällig. Im Zyklus 3 werden die Zu-           lung erfolgt in neuer Besetzung.
                                                                                                                                                 Illustration: Ruedi Gentsch

                                             * Aufgeschnappt bei Friedrich Schiller und Fischli/Weiss
4   E D ITO R IA L              Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

                                                      Editorial
                                                      Liebe Leserin, lieber Leser

                                                     K          önnen Sie sich noch erinnern, wie es Ihnen ergangen
                                                                ist, als Sie in den Kindergarten kamen? Oder wie der
                                                                Schritt vom Kindergarten in die Primarschule und dann
                                                      von der Primarschule in die Sek für Sie war? Mir ist vor allem der
                                                      Übergang in die Sek noch in lebhafter, nicht unbedingt ange-
                                                      nehmer Erinnerung. Angefangen hat es schon mit der – heute
                                                      zum Glück abgeschafften – Prüfung. Statt diese im vertrauten
                                                      Rahmen des Quartierschulhauses ablegen zu können, mussten
                                                      wir in ein riesiges, unbekanntes Schulhaus in der Stadt fahren.
                                                      Zwei Jahre später hat sich das Ganze dann bei der Kantiprüfung
                                                      wiederholt. Aber da waren wir schon viel erfahrener und reifer,
                                                      liessen uns von den uns fremden Prüfenden nicht mehr so sehr
                                                      einschüchtern. Wir hatten gelernt, mit den unterschiedlichsten
                      «Übergänge sind                 Lehrertypen und Erwartungen umzugehen. Wie ist es Ihnen er-
                                                      gangen? Konnten Sie sich jeweils schnell an die neuen Gege-
                    anforderungsreich.                benheiten anpassen oder probten Sie den Aufstand? Löste der
                                                      Wechsel von einem System in ein anderes bei Ihnen freudige Er-
                   Oft werden dadurch                 wartung oder eher Ängste und Bedenken aus? Konnten Sie Rich-
                 Entwicklungsprozesse                 tungsentscheide (z.B. Lehre oder Mittelschule) selber steuern
                                                      oder wurden Sie gesteuert? Welche Zwänge, welche Freiheiten
                        angestossen.»                 schränkten Sie ein, brachten Sie weiter?

                                                      Übergänge sind jedenfalls anforderungsreich. Oft werden da-
                                                      durch Entwicklungsprozesse angestossen. Und Unsicherheiten
                                                      oder sogar Krisen sind häufige Begleiterscheinungen. Sie fordern
                                                      nicht nur die Schülerin und den Schüler, sondern auch die Familie,
                                                      die Lehrerin und den Lehrer. Übergänge sind risikobehaftet. Es
                                                      besteht Absturzgefahr, vor allem dann, wenn die Philosophie der
                                                      einen Institution massgeblich von jener der anderen abweicht.
                                                      Dies gilt zum Beispiel beim Übergang von der Volksschule in
                                                      die Sekundarstufe II. Steht in der Volksschule die Integration im
                                                      Vordergrund, greift nun plötzlich das Prinzip Selektion. Betriebe
                                                      entscheiden, ob sie jemanden als Lernenden aufnehmen. Aufnah-
                                                      meprüfungen entscheiden darüber, ob die schulische Laufbahn
                                                      an der Mittelschule fortgesetzt werden kann. Informations- und
                                                      Beratungsangebote, wie sie in diesem SCHULBLATT vorgestellt
                                                      werden, dienen dazu, das Risiko eines Absturzes beim Übergang
                                                      in die nächste Stufe zu reduzieren.

                                                      Wir hoffen, dass dieses SCHULBLATT dazu beiträgt, für die
                                                      Problematik der Übergänge zu sensibilisieren und Möglichkeiten
                                                      aufzeigt, wie Schülerinnen und Schüler in den Phasen des Über-
                                                      gangs begleitet und unterstützt werden können.

                                                      Urs Schwager
                                                      Chef Amt für Mittel- und Hochschulen
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                                  FOKUS      5

                             DANKESCHÖN
                             ANDREA TINA STALDER

                             Die Thurgauer Fotografin Andrea Tina Stalder
                             steuert zum aktuellen Thema eindrückliche
                             optische Übergänge zwischen Land und
                             Wasser, Meer und Himmel bei. Sie fand in
                             ihrem Hobby fantastische Sujets, zumal ihr
                             zufällig der Weltmeister im Kitesurfen vor die
                             Linse glitt. Wir freuen uns ausserordentlich,
                             diese Galerie publizieren zu dürfen und be-
                             danken uns herzlich.

                             Die Künstlerin schreibt dazu: «Kitesurfen ist
                             eine wunderschöne Metapher zu den Über-
                             gängen: Ich darf mich auf etwas Neues
                             einlassen und – auch wenn mal eine Welle
                             kommt – standhaft bleiben oder mich wieder
                             aufrichten. Es gibt mir ein Gefühl von Frei-
                             heit, dass alles möglich sein kann. Ein Kiter
                             will stets höhere Levels erreichen – über sich
                             hinauswachsen. Kiten sehe ich als Motivation
                             für Herausforderungen, Hindernissen entge-
                             genzutreten respektive ganz hoch hinaus zu
                             fliegen!»

                             andreatinastalder.com
6                    FOKUS                                     Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

                                                                           GESPRÄCH

                            Fortsetzung Gespräch                           «Die Sek                                                        Heinrich: Anna, du sagtest im
                                                                                                                                           1. Teil dieses Gesprächs, dass
                            aus dem SCHULBLATT
                                                                           gibt die
                                                                                                                                           ihr unselbstständige Kinder
                            Februar 1 | 2019                                                                                               übernehmt und diese dann als
                            zum Thema «Übergänge»                                                                                          eigenständige junge Erwachsene

                            Sonja Wolf, Arbon
                                                                           Möglichkeit                                                     abgeben würdet. Wie gestaltet ihr
                                                                                                                                           genau diese beiden Übergänge?
                            Klassenlehrerin 3E, unterrichtet
                            Deutsch, Französisch, Englisch
                                                                           eines Neu-                                                      Anna: Wir haben das traditionelle Über-
                                                                                                                                           gabegespräch mit den Sechstklassleh-
                                                                           anfangs!»
                            und Geschichte
                                                                                                                                           rern. Diese sagen uns dann, auf welche
                            Anna Denner, Sulgen                                                                                            Schüler ich besonders zu achten hätte.
                            Klassenlehrerin 1, unterrichtet                                                                                Ich ging raus und fragte mich: Was er-
                            Deutsch, Französisch, Englisch, RZG                                                                            hältst du denn da für eine neue Klasse!?
                                                                           Lehrpersonen der Sekundar-                                      Am ersten Schultag hatten die einen sol-
                            Patrik Vonlanthen, Kreuzlingen
                                                                                                                                           chen Drang, zu zeigen, was sie können!
                            Klassenlehrer 1G, Französisch                  stufe I reflektieren ihr Wirken im                              Kurz vor den Herbstferien nahm ich die
                            und Deutsch, Natur & Technik,
                            Mathematik
                                                                           Zyklus 3. Im 2. Teil zu den                                     Notizen hervor und muss heute sagen,
                                                                           Übertritten.                                                    dass sich vieles positiv entwickelt. Die
                            Robin Brun, Halingen                                                                                           Sek gibt die Möglichkeit eines Neuan-
                            Klassenlehrer 3E, Naturwissen-                                                                                 fangs! Die Schüler dürfen sich neu posi-
                                                                           Moderation: Heinrich Christ
                            schaften und Mathematik                                                                                        tionieren.
                                                                           Aufzeichnung: Urs Zuppinger

                                                                                                                                           Robin: Das ist tatsächlich eine Heraus-
                                                                                                                                           forderung. Sie machen diese Entwick-
                                                                                                                                           lung nämlich in völlig unterschiedlichen
                                                                                                                                           Tempi mit. Die Mädchen sind entschieden
                                                                                                                                           weiter als die Jungs. Manche benötigen
                                                                                                                                           praktisch die gesamte Sekzeit, bis sie
                                                                                                                                           parat für ein Bewerbungsgespräch sind
                                                                                                                                           und sich für sich selber verantwortlich
                                                                                                                                           fühlen. Andere könnten Anfang 2. Klasse
                                                                                                                                           loslegen; die könnten wir gleich schicken.

                                                                                                                                           Patrik: Mir gefällt, sie abzuholen. Ihnen zu
                                                                                                                                           zeigen, dass sie nochmals durchstarten
                                                                                                                                           dürfen. Ihnen soll bewusst sein, dass sie
                                                                                                                                           ok sind, genauso wie sie sind. Wir gehen
                                                                                                                                           miteinander einen neuen Weg, der wohl
                                                                                                                                           ein anderer sein mag, wie wir uns vorge-
                                                                                                                                           stellt haben.

                                                                                                                                           Sonja: Ich mach ja nach einer dritten
                                                                                                                                           Klasse auch einen Neuanfang; da wird
                                                                                                                                           es mir manchmal fast zu viel, wenn mich
                                                                                                                                           die Neuen bestürmen! Aber ich finde die-
                                                                                                                                           sen Enthusiasmus natürlich auch schön.
                                                                                                                                           Gegen Schluss müssen wir schon eher
                                                                                                                                           kämpfen, um die Motivation noch auf-
                                                                                                                                           rechtzuerhalten. Auch dort kommt kurz
                                                                                                          vl. Sonja Wolf und Anna Denner

                                                                                                                                           vor den Sommerferien erneut die Freude
                                                                                                                                           aufs Neue auf. Die ist zwischen allen Zyk-
Bilder: Urs Zuppinger

                                                                                                                                           len also immer wieder da und das ist toll.
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                                                 FOKUS         7

Heinrich: Genau diese Einschnitte nach       Anna: Sie haben wie nicht genügend Zeit
jeweils drei Jahren sind also auch aus der   in diesen drei Jahren. Nach drei Monaten
Sicht unserer Jugendlichen just richtig.     ist der Wunsch ja schon wieder ein an-
                                                                                                                           «Am ersten
                                             derer. Einer meiner Jungs hatte alle zwei
Sonja: … auch für uns Lehrpersonen ist       Wochen eine neue Idee und dies machte                                         Schultag hatten die
das sehr begrüssenswert … !                  es erheblich schwierig, einen Übergang                                        einen solchen Drang,
                                             zu finden, der passt.
                                                                                                                           zu zeigen, was sie
Ist die Berufswahl mit den übrigen           Sonja: Ich finde das alles unheimlich                                         können!»
Übergängen vergleichbar?                     früh. Das ist so schade. Ich kann doch nie-
                                                                                                                           Anna Denner
                                             manden zwingen, sich nun zu entschei-
Robin: Was es trotzdem erschwert, ist        den. Die brauchen ihre Zeit und die Un-
die Berufswahl, die immer früher einsetzt.   terstützung des Elternhauses. Gerade im
Die Kids müssen sich schon in der ersten     G tun sie sich dann schwer. Wir sollten
um den Anschluss kümmern, in der zwei-       die Bedenkzeit individuell anpassen kön-                                 Laufe der Dritten erkennen sie dann, ob
ten sich in Schnupperlehren bewähren         nen. Geht aber nicht. Je früher Lehrstel-                                ihnen zum Beispiel Elektronik behagen
und in der dritten Klasse gilt es, Lehr-     len vergeben werden, desto schlimmer.                                    könnte. Da ist es dann zu spät, weil die
stellen zu nageln. Da appelliere ich an      Der Druck auf die Unentschlossenen                                       Lehrstelle schon fixiert worden ist. Natür-
die Abnehmer. Die Lehrabbrüche liegen        wird umso grösser.                                                       lich ist es nicht für ewig genagelt, dass ich
sicher nicht nur an den Jugendlichen.                                                                                 beim gleichen Beruf bleibe. Stundenplan
Es liegt manchmal auch daran, dass die       Robin: In der 2. Sek sitzen die Schüler                                  und Bedürfnisse sind oft einfach nicht
Lehrstellen so früh vergeben werden und      zum ersten Mal im Technischen Zeichnen,                                  kompatibel. Kurzum, der Übergang ist
die Entscheidungen so früh fallen.           verbringen ihre erste Chemielektion. Im                                  nicht nach drei Jahren, er beginnt schon
                                                                                                                      im ersten Jahr! Das ist belastend für alle.

                                                                                                                      Patrik: Je länger ich darüber nachdenke,
                                                                                                                      finde ich es gar nicht so glücklich, dass
                                                                                                                      die Zyklen gerade mal drei Jahre dauern.
                                                                                                                      Wie oft sage ich in Elterngesprächen: Es
                                                                                                                      wäre gut, wenn Ihr Kind noch etwas mehr
                                                                                                                      Zeit zur Verfügung hätte! Es existieren ja
                                                                                                                      Schulsysteme, die ein oder zwei Jahre
                                                                                                                      mehr anhängen.

                                                                                                                      Heinrich: Im Kanton Genf können die
                                                                                                                      Schülerinnen und Schüler künftig freiwillig
                                                                                                                      ein Jahr länger bleiben.

                                                                                                                      Patrik: Mit der Streichung des 10. Schul-
                                                                                                                      jahres in Kreuzlingen kamen schon ähn-
                                                                                                                      liche Ideen auf. Ein G-Schüler kann –
                                                                                                                      bei guten Noten – das vierte Jahr als
                                                                                                                      E-Schüler durchleben. Dies parallel zum
                                                                                                                      Brückenangebot, welches nicht mehr am
                                                                                                                      Ort vorhanden ist.

                                                                                                                      Hilft der neue Lehrplan bei der
                                                                                                                      Gestaltung dieser Übergänge?
                                                                               vl. Patrik Vonlanthen und Robin Brun

                                                                                                                      Robin: Nein. Nein. Überhaupt nicht. Wenn
                                                                                                                      schon, die Lehrmittel! Nehmen wir das
                                                                                                                      neue Mathelehrmittel. Jetzt, nach Jah-
8   FOKUS                                  Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

    ren, hat auch die Mittelstufe dasselbe          tel gibt, schaue ich mir im Lehrplan die     realisiere ich, dass ich dafür gerade mal 9
    Buch. Das hilft, weil die Lernspirale dann      Kompetenzen an und wähle dann das            Lektionen zur Verfügung habe. Wie soll
    sauber anschliesst. Davon profitieren           Entsprechende aus. Mein Grundsatz lau-       das denn gehen, bitteschön? Ich kann
    wir jetzt. Aber seltsam, in welcher Stufe       tet: Das ist mir wichtig, das möchte ich     doch nicht einfach immer sagen: ist mir
    die Lehrmittelentwicklung startet. Die          weitergeben! Ich bin mir von Anfang an       doch egal. Schlussendlich will ich dann
    Abnehmer sagen uns, unsere Schüler              bewusst, dass ich nicht alle Vorgaben er-    mal sagen können: «Der Lehrplan ist eine
    könnten nicht mehr genug Kopfrech-              füllen kann.                                 Hilfe und Stütze für mich» und nicht: «Ir-
    nen. Die Krux: Bereits im zweiten Kapi-                                                      gendwo in der Ecke liegt einer». Wäre
    tel wird im Prinzip der Taschenrechner          Robin: Du kannst dich an dieser gepünk-      doch eine gute Sache. Im Thurgau führten
    gebraucht. Die Anschlüsse sind für mich         telten Linie im Lehrplan auch aufhängen!     sie jetzt noch die Bälkchen ein. Pflichtbe-
    noch nicht gut.                                 Da machst du dich im Beruf schlicht un-      reich. Da sage ich dann: viel Glück!
                                                    glücklich. Das schaffst du nicht! Auch in
    Anna: An den Mittelschulen verlangen            den höheren Niveaus nicht immer. Ich         Sonja: Kommt ja schon auch auf das
    die Dinge an der Aufnahmeprüfung, die           frage mich schon, ob überhaupt jemand        Klientel an. Mit einer Superklasse errei-
    unser Lehrmittel gar nicht abdeckt. Erteile     gefragt wurde, ob dies alles machbar ist.    che ich mehr als mit einer Gruppe aus
    ich nun Zusatzlektionen für Interessierte                                                    einem eher schwierigen Umfeld. Da er-
    oder packe ich es im regulären Unterricht                                                    reiche ich die ominöse gepunktete Linie
    obendrauf? Ein dauerndes Abwägen, weil                                                       wohl nie!
    ich ja den Anschluss ideal gewährleisten
    möchte.                                                «Stundenplan                          Anna: Einverstanden. Nur stellten wir
                                                                                                 eben fest, dass wir so kurz vor Weih-
    Patrik: Eigentlich darf ich meinen Un-                 und Bedürfnisse sind                  nachten seit den Sommerferien gerade
    terricht nicht vom Lehrmittel abhängig                 oft einfach nicht                     mal ein paar reguläre Schulwochen nach
    machen – Kanton und Lehrplan geben                     kompatibel.»                          Stundenplan hatten. Ansonsten Sporttag,
    die Richtung vor. Beim Unterricht merke                                                      Exkursionen. So fehlen auch immer wie-
    ich dann, dass ich die Vorgaben in den                 Robin Brun                            der Lektionen. Vor allem in Fächern, in
    Hintergrund stelle. Wir versuchen die                                                        denen man sonst schon wenig Lektionen
    Kompetenzen in die Jahresplanung auf-                                                        hat, merkt man das extrem. Ich frage mich
    zunehmen. Zu welchem Kapitel passen                                                          auch, wie ich gewisse Kompetenzen am
    die jeweiligen? Es soll ja eine gewisse                                                      Ende der Schulzeit prüfen will. Persönlich-
    Verbindlichkeit aufgebaut werden. Eine          Sonja: Sprach man nicht mal davon,           keitskompetenzen sind allein schon sehr
    ganz schwierige Vorgehensweise. Die             diese Erreichbarkeit zu prüfen?              schwierig.
    Diskrepanz zwischen Lehrplan, Lehrmit-
    tel und unseren Möglichkeiten – jeder           Anna: Da kommt das Stellwerk ins Spiel!      Robin: Geht schon. Nur muss diese dir
    ist Fan von andern Materialien – ist            Das findet ja just zum Zeitpunkt der ge-     auch jemand abnehmen und glauben. Bei
    schwierig.                                      punkteten Linie statt … !                    einer kritischen Äusserung wird’s schon
                                                                                                 schwieriger. Da fühle ich mich dann von
    Robin: Es ist doch einfach zu viel! An sich     Sonja: Für uns E-Lehrer sind vorgängige      gewissen Formularen auch wenig verstan-
    sehe ich super Ansätze im RZG (Räume,           Aufnahmeprüfungen die Referenz, auf          den. Wir diskutieren über Dinge, wo ich
    Zeiten, Gesellschaften), aber es ist doch       die wir uns verlassen können. Dann muss      finde, hätte uns jemand frühzeitig gefragt,
    einfach alles überfrachtet! Zwei Bücher,        ich halt noch Löcher stopfen … Wir orien-    hätten wir dem schon gesagt, dass es so
    wobei eines genügen würde …                     tieren uns daran, was oben verlangt wird.    nicht funktioniert. Am Schluss hat wieder
                                                                                                 jede Schule ihre eigene Gebrauchsanwei-
    Sonja: Du, das ist grundsätzlich in allen       Robin: In Bezug auf den Lehrplan ist         sung wie etwas gelesen und interpretiert
    Fächern so! Ich muss mir fast überall           dies falsch. Wir entscheiden uns tatsäch-    werden muss.
    überlegen, welche Themen ich mir für            lich für das, was für uns machbar ist. Das
    den Unterricht herausnehmen soll. Dort,         kompetenzenfördernde Kleinprojekt im         Anna: Diese Gebrauchsanleitung kannst
    wo es kein obligatorisches Lehrmit-             Lehrmittel begeistert mich zuerst. Danach    du gleich dem Arbeitgeber mitsenden!
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                             FOKUS        9

Es gibt ja noch die Zusammen-                  Zu weiterführenden Schulen habe ich
arbeit mit dem Lehrbetrieb oder                keinen oder kaum Kontakt. Manchmal
weiterführenden Schulen.                       wünschte ich mir da mehr. Ich wüsste                          «Je länger ich darüber
                                               gerne, was sie von uns erwarten. Kürz-
Patrik: Geschieht bei uns wenig. Wir           lich hörte ich doch tatsächlich, dass in der                  nachdenke, finde ich
machen Informationsabende, organisie-          Kanti in der Geschichte nochmals von                          es nicht glücklich, dass
ren Betriebsbesichtigungen und Schnup-         vorne begonnen werde. Na, ja …                                die Zyklen gerade mal
perwochen. Vor Ort bei Besuchen durch
die Lehrperson findet ein Austausch statt.     Robin: Mir ist auch wichtig, dass die Mei-                    drei Jahre dauern.»
Davon fliesst selten was ins gesamte           nungen vom Elternhaus und uns ausei-                          Patrik Vonlanthen
Team. Von einem institutionalisierten Aus-     nanderklaffen. Das bringt den Austausch.
tausch sind wir weit entfernt.
                                               Patrik: Ich muss den Eltern auch ganz
Anna: Ein grosser Austausch zur Sek II         klar melden: Sie, das ist in Ihrer Verant-
findet nicht statt. Zur Berufswelt kaum.       wortung! Zeitweise muss ich mich da                   Anna: Wir haben eine so hohe Fluktua-
Zur Kanti auch kaum.                           auch distanzieren – besonders, wenn ich               tion auf der Primarschule, dass heute die
                                               merke, dass von ihnen keine Akzente ge-               Hälfte der abgebenden Lehrpersonen
Robin: Während der Schnupperwochen             setzt werden. Genauso, wenn die Schüle-               gar nicht mehr hier arbeitet. Dazu hat die
organisieren wir probehalber Prüfungsvor-      rin, der Schüler nicht bereit ist, hier selber        Schulleitung gewechselt. Wir sind tat-
bereitungen. Sich mit den Lehrmeistern         Zeit zu investieren.                                  sächlich wenig im Austausch. Schwierig,
zu treffen ist super. Es wäre sehr berei-                                                            den Austausch so aufrechtzuerhalten.
chernd, mehr Austausch zu pflegen. Mit         Robin: Manchmal müssen wir auch sol-
den Lehrmeistern besonders.                    che Leidensprozesse aushalten, dann                   Robin: Das läuft bei uns flüssig. Nach
                                               nämlich, wenn sowohl Eltern als auch                  einem Vorgespräch gehen wir Seklehrer
Sonja: Ich mache 24 Besuche in der             deren Sprössling zu viel wollen.                      auf Besuch. Es folgt das Übergabege-
Schnupperwoche. Manchmal stehe ich                                                                   spräch. Wer einen speziellen Bedarf er-
im Weg, habe ich wenigstens das Gefühl.                                                              hält, wird ausführlicher besprochen. Wir
                                               Wie ist der Übergang von unten?                       übernehmen die Lernzielanpassungen
                                                                                                     nicht 1:1. Ein Neustart soll drinliegen.
                                               Anna: Momentan ein Riesenchaos. Wir                   Das soll nicht heissen, dass wir die Lern-
                                               haben eine Anmeldeliste erhalten, in der              zielanpassungen nicht ernstnehmen.
     «Dort, wo es kein                         Lernzielanpassungen, Förderungen u.ä.
                                               aufgeführt sind. Jedoch wissen wir nicht,             Sonja: Neustart finde ich ein wichtiges
     obligatorisches Lehr-                     ob es zu Dispensationen gekommen ist.                 und richtiges Stichwort. Ich erhalte auch
     mittel gibt, schaue                       Von jeder Lehrperson haben wir zwar ein               diese Dossiers. Diese verwahre ich bis zu
     ich im Lehrplan die                       Dossier erhalten, da mit Inhalt, dort halt            den Herbstferien sicher in der Schublade;
                                               ohne. Vielleicht liegen Prüfungen bei –               ich möchte nicht voreingenommen sein.
     Kompetenzen an.»                          oder vereinzelte Notizen des Elternge-                Vor den Sommerferien kommen die Klas-
     Sonja Wolf                                sprächs. Wir müssen nun bei jedem ab-                 sen zu uns. Die sehen mich, ich sehe sie.
                                               klären, ob er einen Nachteilsausgleich                Das reicht dann auch mal. Bei auffälligen
                                               respektive eine Dispensation genoss                   Beobachtungen wenden wir uns an die
                                               oder nicht.                                           ehemaligen Lehrer. Wir sind in der Hol-
                                                                                                     schuld. Hier und da läuft es doch tatsäch-
Meistens haben die Lehrbetriebe doch           Patrik: Erst seit zwei Jahren ist die Be-             lich ganz anders wie in der Primarschule.  n
sehr Interesse und zeigen alles. Hand-         gegnung mit der Mittelstufe organisiert.
werkliche Lehren haben ganz andere             Ich erlebte noch, wie die Sechstklassleh-             Herzlichen Dank für das Gespräch!
Präferenzen wie ein Grafikerbüro. Wir la-      rer zu uns bestellt wurden und ihnen vor-
den auch grosse Betriebe zu Präsentati-        geklagt wurde, was sie nicht gut gemacht
onen in die Schule ein. Wird sehr geschätzt.   hätten. Wir sind heute weit weg von dem.
10   FOKUS                          Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

                                                                        HINTERGRUND

                                                                        Übergänge in der
                                                                        Schullaufbahn
                                                                        Normative Schulübergänge prägen den Bildungsver-
                                                                        lauf von Kindern und Jugendlichen.

                                                                        Markus P. Neuenschwander, Pädagogische Hochschule FHNW

                                                                        S       chule und Ausbildung bereiten junge Menschen auf ihre
                                                                                berufliche Laufbahn vor. Der Ausbildungsverlauf wird
                                                                                durch normative Schulübergänge gegliedert wie etwa der
                                                                        Eintritt in die Primarstufe, in die Sekundarstufe I, in die Sekun-
                                                                        darstufe II oder in die Tertiärstufe. Überdies gibt es nicht nor-
                                                                        mative Schulübergänge wie beispielsweise das Repetieren oder
             Prof. Dr. Markus P. Neuenschwander                         das Überspringen eines Schuljahres, die Sonderschulzuteilung,
             ist Leiter des Forschungszentrums                          der Wechsel oder Abbruch einer Ausbildung (zum Beispiel Ab-
             Lernen und Sozialisation, Professor für                    bruch einer Lehre oder des Gymnasiums oder des Studiums).
             Pädagogische Psychologie und Mitglied                      Vor Schulübergängen entwickeln die Schülerinnen und Schüler
             des Instituts für Bildungswissenschaften                   Ziele über ihre Schullaufbahn. Sie werden dabei von ihren Lehr-
             der Universität Basel. Er unterrichtet                     personen und Eltern beraten. Insbesondere beim Übergang in
             Erziehungswissenschaft im Master of                        die Sekundarstufe I und II beeinflussen Lehrpersonen wesentlich
             Educational Sciences der Universität                       den Bildungsverlauf von Kindern und Jugendlichen.
             Basel. Arbeitsschwerpunkte: Übergang
             Schule-Beruf, Selektion, Sozialisation in                  Bildungsorganisation
             Schule und Familie.                                        In den meisten Deutschschweizer Kantonen ist die Sekundar-
                                                                        stufe I in zwei bis fünf Niveaus gegliedert. Dadurch werden
                                                                        Bildungsverläufe früh kanalisiert, wie auch Ergebnisse der
                                                                        Schweizer Langzeitstudie «Wirkungen der Selektion (WiSel)»
                                                                        bestätigen. Leistungen und Leistungserwartungen von Lehrper-
                                                                        sonen und Eltern an die Kinder sagen bereits in der Primarstufe
                                                                        die Bildungsentscheidungen in die Sekundarstufe II vorher. Diese
                                                                        Gliederung in Leistungsniveaus ist international betrachtet ein
                                                                        Sonderfall und in dieser Form nur in der Schweiz, Deutschland
                                                                        und Österreich zu finden. Die meisten europäischen Länder (und
                                                                        auch der Kanton Tessin) führen eine Sekundarstufe I ohne ge-
                                                                        trennte Leistungszüge und ohne Langgymnasium. Stattdessen
                                                                        werden die Schülerinnen und Schüler je nach Fach in Gruppen
                                                                        mit unterschiedlich hohen Anforderungen gefördert. Dadurch ist
                                                                        die Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Ausbildungstypen
                                                                        höher; die Kinder erhalten ein Angebot, das besser zu ihren
                                                                        fachspezifischen Interessen und Fähigkeiten passt. Vor allem
                                                                        erzielen die Schülerinnen und Schüler grössere Leistungsfort-
                                                                        schritte. Zudem entfällt der Zwang zu einer Selektion in starre
                                                                        Leistungsniveaus am Ende der Primarstufe. Damit erhalten alle
                                                                        Kinder gleiche Bildung und die Chancengerechtigkeit nimmt zu.

                                                                        Selektionskriterien, Werte
                                                                        An welchen Werten sollen sich die Übertrittsentscheidungen in
                                                                        die Sekundarstufe I und II orientieren? Manche Expertinnen und
                                                                        Experten argumentieren, dass die leistungsstärksten Kinder in
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                   FOKUS        11

das anforderungsreichste Schulniveau übertreten sollen (sog.  Wenn Arbeitgeber eine Stelle vergeben, stellen sie in der Regel
Meritokratie). Das heisst, nicht der familiäre Hintergrund soll
                                                              eine Persönlichkeit ein, nicht eine bestimmte Fachkompetenz
über die Zuweisung in ein Schulniveau entscheiden, sondern    (Persönlichkeitsprinzip). Im Lehrplan 21 ist festgehalten, dass
die Leistung. Frühere Studien belegen, dass Kinder optimal ler-
                                                              das Ausmass an familiärer Unterstützung kein Selektionskri-
nen und sich entwickeln, wenn sie in einem für sie passenden  terium ist. Aus der Perspektive der Chancengerechtigkeit soll
schulischen Umfeld Förderung erfahren. Andere Expertinnen     nicht die familiäre Herkunft, sondern allein die Motivation und
und Experten fordern, dass Schülerinnen und Schüler in das fürdie Leistung des Kindes über seine Schullaufbahn entscheiden.
sie passende Schulniveau zugeordnet werden sollen, so dass    Auch wenn Akademikereltern mit mehr Nachdruck die Zuwei-
neben der Leistung auch die Lernhaltung, die Persönlichkeit und
                                                              sung ihres Kindes in das Gymnasium einfordern als etwa Ar-
die Motivation in den Selektionsentscheid                                          beitereltern, ist eine Berücksichtigung der
berücksichtigt werden. In vielen Kantonen                                          familiären Herkunft auf den Selektionsent-
der Schweiz wird dieses zweite normative                                           scheid aus der Perspektive der Chancen-
Modell umgesetzt.                                                                  gerechtigkeit abzulehnen. In diesem Sinn
                                                 «Zentral ist, dass                sollten prognostische Urteile über Kinder –
Zusammenfassend werden drei verschie-            alle Kinder unab-                 in Übereinstimmung mit dem Lehrplan 21 –
dene Selektionsnormen unterschieden, mit                                           unabhängig vom Ausmass der familiären
denen die Schülerinnen und Schüler kon-
                                                 hängig von ihrer                  Unterstützung gefällt werden.
frontiert werden: (1) In der Schule stützen        familiären Herkunft
Lehrpersonen ihre Selektionsentscheidung           gleich gefördert und               Herausforderungen und
in die Sekundarstufe I und in das Gymna-                                              Unterstützung beim Übertritt in die
sium vor allem auf Noten ab (Leistungs-
                                                   beurteilt werden.»                 Sekundarstufe I
prinzip). (2) Viele Eltern entwickeln einen                                           Früher wurden Schulübergänge als Be-
Entwurf einer möglichen Schullaufbahn für                                             lastung für die Schülerinnen und Schüler
ihr Kind, gestützt auf Interaktionen in der                                           charakterisiert. So müssen sie sich beim
Familie, abgestimmt auf Beobachtungen und die schulischen       Übergang in die Sekundarstufe I dem Druck des Selektions-
Leistungen des Kindes, jedoch auch aufgrund eigener biogra-     verfahrens stellen. Sie werden bewertet und einem Schulniveau
fischer Erfahrungen. Eltern wünschen Schulkontexte, die zu      zugeordnet. In dieser Situation resultiert der Druck typischer-
ihren Erwartungen sowie zu ihrem Kind passen. Sie fällen ent-   weise aus Erwartungen von Eltern und Lehrpersonen. Jugend-
sprechende Schullaufbahnentscheidungen (Passungsprinzip).       liche fühlen untereinander kaum Konkurrenz oder Rivalität, sie
(3) In Abgrenzung dazu stehen im Lehrstellenmarkt (Übertritt    unterstützen sich vielmehr gegenseitig. Nach dem Schulüber-
in die Berufsbildung) neben den Signalen zur kognitiven Leis-   tritt müssen sich die Kinder auf neue Lehrpersonen mit ihren
tungsfähigkeit einer Person (Schulabschluss, Noten) vor allem   Erwartungen und Regeln einstellen, was im Vorfeld Angst oder
die Leistungsmotivation, das Sozialverhalten und die Selbstkom- Unsicherheit auslösen kann. Zudem sind sie nach dem Übertritt
petenzen im Zentrum. Personen werden im Lehrstellenmarkt        mit anonymeren Unterrichtssituationen mit Fachgruppenlehrper-
nicht nach den gleichen Kriterien ausgewählt wie in der Schule. sonen konfrontiert, die im Unterschied zur Primarstufe typischer-

Anzeige

   Die Katze.
   Unser wildes Haustier
   bis 27. Oktober 2019
   Naturmuseum Thurgau / Frauenfeld
   Di–Fr 14–17 Uhr / Sa–So 13–17 Uhr
   naturmuseum.tg.ch
12   FOKUS   Schulblatt Thurgau 2 • April 2019
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                   FOKUS        13

weise höheres Gewicht auf die Vermittlung von Fachinhalten als   Handlungsoptionen von Schulen im Berufswahlprozess
auf die persönliche Beziehung legen. Nicht zuletzt müssen sich   Schulen initiieren im 7. Schuljahr den Berufswahlprozess und
die Jugendlichen in einer neuen Schulklasse eine Position er-    kommunizieren den Jugendlichen und Eltern, dass sie sich
arbeiten, erhalten je nach Schulniveau eine neue (höhere oder    rechtzeitig mit der Berufsorientierung beschäftigen müssen
tiefere) Leistungsposition in der Klasse, was den Selbstwert der (sog. Berufswahlfahrplan). Viele Schulen haben ein Konzept
Kinder stark beeinflusst. Wenn Kinder in ein Schulniveau mit     der Berufsorientierung entwickelt. Es bewährt sich in grösseren
hohen Anforderungen übertreten, sinken im Durchschnitt die       Schulen, eine Ansprech- und Koordinationsperson für Berufs-
Noten und der Selbstwert. Wenn sie hingegen in ein Schulniveau   orientierung zu bestimmen, die in einer Zwischenstellung von
mit tiefen Anforderungen übertreten, steigen                                           Berufsberatung und Klassenlehrperson
sie. Neuere Studien zeigen, dass Schul-                                                schulspezifische Fragen zur Berufsorien-
übergänge für die Kinder zwar eine He-                                                 tierung klären kann. Lehrpersonen haben
rausforderung darstellen, sie jedoch in der                                            zahlreiche Möglichkeiten, die Schülerinnen
Regel gut meistern. Dazu tragen vorberei-          «Im Lehrplan 21                     und Schüler im Berufswahlprozess zu un-
tende Massnahmen der Primar- und Se-               ist festgehalten, dass              terstützen. Sie können (a) die Jugendlichen
kundarschulen bei. So können die Kinder                                                im Rahmen des Unterrichts fördern, indem
an manchen Orten in einem Schnupper-
                                                   das Ausmass an                      sie ihnen zum Beispiel zeigen, wie eine Be-
halbtag vor dem Übertritt die neue Schule          familiärer Unterstüt-               werbung optimalerweise verfasst wird, ein
besuchen und sich orientieren. Es gibt Ab-         zung kein Selektions-               Vorstellungsgespräch üben oder den Ab-
sprachen zwischen den abgebenden Pri-                                                  lauf des Berufswahlprozesses vorstellen.
marlehrpersonen und den aufnehmenden
                                                   kriterium ist.»                     Lehrpersonen (b) können auch Aktivitäten
Sekundarlehrpersonen, die den Übergang                                                 ausserhalb des Unterrichts anregen, zum
vereinfachen. In manchen Schulen werden                                                Beispiel den Besuch des Berufsinforma-
die Schüler vor dem Übertritt nach ihren                                               tionszentrums (BIZ) oder von Anlässen zur
Freundschaften befragt, so dass befreundete Kinder möglichst     Berufswahl (Berufsausbildungsmesse, Betriebsbesichtigungen).
in die gleiche Klasse zugeteilt werden. Zudem gibt es Sekundar-  Analysen (c) zur Wirksamkeit der schulischen Berufsorientie-
schulen, die versuchen, durch Einführungstage oder -wochen die   rung zeigten, dass im Vergleich dazu eine individuelle Begleitung
Sozialisationsprozesse in Klassen zu begünstigen und die Kinder  der Lehrperson von Schülerinnen und Schülern mit verzögerter
rasch mit der neuen Schulsituation vertraut zu machen.           Berufswahl bzw. ohne Elternunterstützung am wirksamsten ist.
                                                                 Wenn Lehrpersonen für Jugendliche in Risikosituationen eine
Herausforderungen beim Übertritt in die                          Vertrauensperson werden und sie in diesem Prozess begleiten,
Sekundarstufe II: Gymnasium und Berufslehre                      finden sich nachweislich Wirkungen auf einen erfolgreichen
Beim Übertritt in die Sekundarstufe II überlappen sich verschie- Übertritt in die Berufsbildung. Lehrpersonen können und müs-
dene Herausforderungen: Die Jugendlichen, die ins Gymnasium,     sen diese Begleitung nicht bei allen Jugendlichen einer Klasse
in die Fachmittelschule oder in eine andere allgemeinbildende    übernehmen, sondern nur bei einzelnen Jugendlichen in Risiko-
Schule übertreten wollen, müssen die geforderten Leistungen      situationen.
zeigen, um in den gewünschten Ausbildungsgang übertreten
zu können. Wenn sich die Jugendlichen für die Berufsbildung      Schlussfolgerungen
interessieren, sind sie mit der Berufswahl und Regeln der Lehr-  Schulübergänge bilden markante Ereignisse in Schullaufbahnen
stellenselektion konfrontiert. Sie müssen aus einer Vielzahl von von Kindern und Weichenstellungen auf dem Weg in den
Berufsausbildungen die für sie passendste wählen und sich für    Beruf. Sie erhalten daher von den Eltern und Kindern hohe
eine Lehrstelle bewerben. Beim Übertritt in die Berufsmaturi-    Aufmerksamkeit. Lehrpersonen beeinflussen aufgrund ihrer
tätsschule sind sie zusätzlich zu den Herausforderungen der      Schülerbeurteilungen vor Übergängen die Schullaufbahn ent-
Berufswahl mit Leistungsanforderungen konfrontiert. Obwohl       scheidend. Entsprechend nachvollziehbar ist die Forderung im
die Jugendlichen die Ausbildung auf Sekundarstufe II selber      Lehrplan 21, die formative, summative und prognostische Schü-
wählen, brauchen sie dabei grosse Unterstützung. Für die Ju-     lerbeurteilung zu reflektieren (vgl. SCALA-Ansatz, fhnw.ch/
gendlichen sind die wichtigsten Unterstützungsquellen die El-    ph/scala). Zentral ist, dass alle Kinder unabhängig von ihrer
tern, gefolgt von der Lehrperson, Freunden, Verwandten und       familiären Herkunft gleich gefördert und beurteilt werden. Mehr
der Berufsberatung. So zeigen Daten des WiSel-Projekts, dass     noch: Jugendliche ohne Elternunterstützung brauchen im Be-
Jugendliche in 53  Prozent der Fälle das gleiche Berufsfeld wie  rufswahlprozess eine individuelle Begleitung, so dass sie direkt
ihr berufliches Vorbild wählen. Als berufliches Vorbild werden   nach dem 9. Schuljahr in die Berufsbildung übertreten können.
in 38  Prozent der Fälle die Eltern und in 32  Prozent der Fälle Lehrpersonen brauchen Entlastung, dass sie diese individuelle
weitere Verwandte genannt.                                       Begleitung leisten können.  n
14   FOKUS                                       Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

     ZYKLUS 3

     Die
     Chancen eines
     Übergangs
                                                          Z         wischen der aufnehmenden und
                                                                    der abgebenden Situation liegt
                                                                    in der Sekundarschule Romans-
                                                          horn noch ein Übergang in ein anderes
                                                          Schulhaus zu anderen Lehrpersonen. Die
                                                                                                         oder Schlusssitzung durch. Diese Sit-
                                                                                                         zung symbolisiert die definitive Übergabe
                                                                                                         oder Übernahme der Schülerinnen und
                                                                                                         Schüler. Wir bedanken uns für die guten
                                                                                                         Dokumentationen. Schwierigkeiten mit

     nutzen                                               jeweils Verantwortlichen äussern sich hier.    Einzelnen werden ebenfalls angespro-
                                                                                                         chen und hinterfragt.

                                                          ÜBERGANG AUS DEM ZYKLUS 2                      Das ist der Abschluss eines langen Pro-
                                                                                                         zesses und wird mit einem Apéro besie-
     Gleich drei Übergänge sind an
                                                          Andreas: Den ersten Kontakt mit unseren        gelt. Eingeladen sind auch die aktuellen
     der Sekundarschule Romanshorn                        Neuen haben wir vor Schuljahresbeginn          Sechstklasslehrpersonen mit den Schu-
     im Zyklus 3 zu bewältigen.                           während der beliebten Schnupperlektion.        lischen Heilpädagogen und Sozialarbei-
                                                                                                         tenden. So sind allfällige Schwerpunkte
     Aufgezeichnet von Urs Zuppinger                      Markus: Anlässlich dieser Schnupperlek-        oder Korrekturen für den kommenden
                                                          tion stellen sich Schulleitung, Verwaltung,    Jahrgang möglich. Bereits Mitte Januar
                                                          Hauswarte und einzelne Lehrpersonen            informieren wir die Eltern der momen-
                                                          vor. Es ist uns wichtig, dass die zukünf-      tanen Sechstklässler. Zu diesem Zeit-
     Markus Villiger, Schulleiter Zyklus 3
                                                          tigen Sekundarschülerinnen und -schüler        punkt laufen ja im Zyklus 2 die Einzelge-
     Andreas Rutishauser, Teamleiter 1./2. Sek            die Sek als Teil der Volksschule erleben       spräche, parallel einher gehen die provi-
                                                          und Ansprechpersonen kennenlernen.             sorischen Zuteilungen ins E und G –
     Jürg Marolf, Teamleiter 3. Sek                       Ein Rundgang durch die Schulanlagen            welche definitiv bis zu den Frühlingsfe-
                                                          und Spezialzimmer sowie einige Informa-        rien eingereicht werden.
     Frank Baumann, Teamleiter 3. Sek
                                                          tionen zu Klasseneinteilung und erstem
                                                          Sekundarschultag beschliessen dieses           Andreas: Unser Elternabend ist immer
                                                          erste Beschnuppern.                            sehr gut besucht.

                                                          Andreas: Da sehe ich glänzende Kin-            Markus: Da werden Schwellen und Hür-
                                                          deraugen aber auch Widerstand. Also            den abgebaut. Die Mütter und Väter mer-
                                                          eine grosse Vielfalt.                          ken, dass wir ein Teil der Volksschule sind
                                                                                                         und die Lehrpersonen den wichtigsten
                                                          Frank: Tatsächlich sehen wir bereits im        Part dabei ausüben. Es wird ihnen be-
                                                          Singsaal, wer auffällt …                       wusst, dass es im Zyklus 3 vermehrt um
                                                                                                         die nachschulische Zukunft ihres Kindes
                                                          Andreas: So wie sie sind, sind sie …           geht. Den beschriebenen Prozess haben
                                                                                                         wir nun schon mehrmals durchgespielt.
                                                          Frank: Weil wir mit zwei Schulanlagen          Er ist Standard. Ein Standard, der gut
                                                          sehr dezentral sind, teilen wir alle Sechst-   ankommt.
                                                          klässlerinnen und Sechstklässler in drei
                                                          grosse Gruppen und führen sie durch alle       Andreas: Entscheidend ist ja dann der
                                                          verschlungenen Wege, damit sie unsere          eigentliche Start: dauernder Zimmerwech-
                                                          Schulanlage kennenlernen.                      sel, verschiedene Lehrpersonen – Stress!
                                                                                                         Ich finde es spannend, wie die Einzelnen
                                                          Markus: Der ganze Übergang in den              damit umgehen. Für die einen ist das
                                                          Zyklus 3 beginnt in dem Moment, in             mega cool und andere reagieren doch
                                                          dem alle Schulleitungen miteinander die        eher zögerlich, ängstlich. Darf ich dies
                                                          Timeline erstellen, wie der Übergang           und das? Ja, ich sage manchmal: Ihr geht
                                                          Primar-Sek gestaltet wird. Ein Rückblick       doch heute nicht zum ersten Mal in die
                                                          ins letzte Jahr ermöglicht eine Qualitäts-     Schule! Ihr wisst doch, wie man ein Heft
                                                          sicherung. Gewisse Elemente müssen             öffnet … Andererseits sind sie extrem mo-
                                                          abgeglichen werden. Mit den ehema-             tiviert und neugierig. Es ist mein Job, dass
                                                          ligen Sechstklasslehrpersonen führen           diese Lernfreude erhalten bleibt. Kommen
                                                          wir Ende November eine Übergabe-               sie gerne, habe ich gut unterrichtet.
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                           FOKUS        15

                                                                                             Jürg Marolf
                                                                   er, Markus Villiger und
                                               Andreas Rutishaus
                         vl. Frank Baumann ,

VORINFORMATIONEN                                     lange ich schon, dass alle sich schluss-                     formationen greife ich wenn notwendig
                                                     endlich durch die Akten arbeiten und sich                    zurück. Tauchen Turbulenzen im Eltern-
Andreas: Über gesundheitliche Beson-                 bewusst sind, dass wir jederzeit auf die                     haus auf, ist dazu wenig verschriftlicht.
derheiten möchte ich unbedingt informiert            Erfahrungen und Erkenntnisse unserer
sein. Ich muss Kenntnis von Allergien                Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen                       Frank: Markus, du sagst immer so schön:
haben, zumal wir in der vierten Woche ins            können. Rückmeldungen schätzen die                           «Ihr habt eine weisse Leinwand und wir
Lager gehen. Ansonsten nehme ich die                                                                              geben euch die Stifte in die Hand. Jetzt
Mädchen und Buben als carte blanche                                                                               liegt es an euch Harmonie oder Chaos zu
in Empfang. Fällt mir etwas auf, kann ich                                                                         veranstalten.» Ich bin einverstanden mit
nachblättern oder nachfragen.                                                                                     der carte blanche, bei Einzelnen ist ein
                                                          «Es soll tatsächlich                                    Austausch vorangegangener Massnah-
Markus: Ein Übergang soll ja auch eine                    ein Neuanfang                                           men aber ein Muss. Es soll tatsächlich ein
Verbesserung von unliebsamen Situa-                                                                               Neuanfang ermöglicht werden – so, dass
tionen sein. Die Möglichkeiten und Chan-
                                                          ermöglicht werden.»                                     die Jugendlichen nicht gefangen bleiben
cen bei einem Übertritt sollte man pa-                    Frank Baumann                                           in ihrer Vergangenheit.
cken! Von jedem Kind erhalten wir neben
dem Laufbahnblatt ein fünfseitiges                                                                                Andreas: Mich erstaunen die Unter-
Dossier von den Primarlehrerpersonen.                                                                             schiede im Selbstmanagement schon
Leistungsmässige und soziale Aspekte                                                                              sehr. Wie organisiere ich mich? Wie halte
kommen darin vor. Ich bin klar der Mei-              Kolleginnen und Kollegen aus dem Zyk-                        ich Übersicht und Ordnung? Die einen
nung, dass wir diese Schriftstücke zu                lus 2. Ihre Erkenntnisse und ihr Urteil                      hängen bös in den Seilen, andere haben
würdigen und zu lesen haben. Ich stu-                sollen auch Beachtung finden. Wir müs-                       das sofort im Griff. Es macht die Jugend-
diere selbst sämtliche vor den definitiven           sen ja wirklich nicht in allem bei Null                      lichen schon müde, sich dauernd auf
Klasseneinteilungen und verlange dies                anfangen. Problemstellungen sollen wir                       neue Leute und neue Lerngruppen ein-
auch von Schulsozialarbeiter, Schulischer            nicht pflegen, aber dort dranbleiben.                        zustellen. Auf die langen Tage übrigens
Heilpädagogin und der Lehrperson für                                                                              auch. Und die häufigen Zimmerwechsel.
Deutsch als Zweitsprache. Die zukünf-                Andreas: Froh bin ich um Schulsozial-                        Dazwischen liegen mannigfaltige Kon-
tigen 1. Sek-Lehrpersonen sind in dieser             arbeit und SHP. Beide tauschten sich im                      taktmöglichkeiten – da ein Ellbogen-
Periode ja noch im Abgabestress und                  Vorfeld mit ihren Kolleginnen und Kolle-                     stoss, dort ein Schäkern – und diese
werden von uns beliefert. Danach ver-                gen der Primarschule aus. Auf diese In-                      Erlebnisse kommen mit ins Schulzimmer.
16   FOKUS                                   Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

     Frank: Bei uns in der Dritten haben wir          wissen, was diesbezüglich bereits getätigt     selbe Leier. Selten hat jemand Probleme
     oft fünf Lektionen nacheinander. Da ist          worden ist … Lebenslauf … Schnupper-           mit dem Wechsel von der 2. in die 3. Sek.
     es ein Reifezeichen, ob einer durchhält.         lehre … Über die Sommerferien planen
     Hier sind sie meist schnell im neuen Fach        wir die ersten Standortgespräche. In der       Markus: Im World-Café fragen wir je-
     drin, kennen den Anschluss noch vom              ersten Schulwoche finden diese mit den         weils, wer die ehemalige Lehrperson aus
     letzten Mal.                                     Eltern täglich zwischen 17:00 Uhr und          der 1. und/oder 2. Sek vermissen würde.
                                                      22:00 Uhr statt. Innerhalb der parallel lie-   Es gibt dabei beide Aussagen. Auf den
     Markus: Alle wollen es doch gut machen!          genden Profile wechseln vielleicht sechs       Projektunterricht (siehe SCHULBLATT 6 |
     Sehen wir es positiv.                            bis sieben. Markus erwähnt jeweils, dass       2018) freuen sich alle, auch wenn ihn die
                                                      die Jugendlichen doch bitte ihre verblei-      einen vorerst als Belastung empfinden.
                                                                                                     Plötzlich sind Termine einzuhalten! Wir
     ÜBERGANG INNERHALB                                                                              üben wichtige Prozesse für die nach-
     DES ZYKLUS                                                                                      schulische Zukunft ein – bspw. Planung
                                                                                                     oder Abgabefristen bei Diplom- oder
     Markus: Nach der 2. Sek gehen doch                      «Wirklich als                           Selbstvertiefungsarbeiten. Wir haben die
     viele – bei uns im Umfang einer Klasse –                positiv erachte ich,                    Idee des offenen Lernhauses.
     an die Kanti. Weiter kam die Erkenntnis,
                                                             dass die Drittklässler
     dass wir uns auch im schulischen Be-                                                            Ab 7:00 Uhr ist ein Ankommen möglich.
     reich in der 3. Sek vermehrt nach aussen                unter sich bleiben;                     Diese halbe Stunde zu Beginn des Tages
     wenden sollten. Wir wechseln bei diesem                 Machtkämpfe gegen-                      ist betreut. Der Masterstundenplan be-
     Übergang sowohl Team wie auch Schul-                                                            ginnt um halb acht und endet um 16:00 Uhr.
                                                             über den Erstseklern
     haus. (siehe SCHULBLATT 1 | 2019, Sei-                                                          Es folgt dann die obligatorische Aufga-
     ten 19 ff.) Eigentlich geht es von Neuem                entfallen.»                             benstunde, betreut von sechs Lehrper-
     los. Unsere Erfahrungen damit sind sehr                                                         sonen. Vor allem Schülerinnen finden im
                                                             Jürg Marolf
     erstaunlich und vor allem positiv.                                                              Anschluss sogar, sie würden jetzt noch
                                                                                                     dies schöner schreiben und jenes Ar-
     Andreas: In der 2. Sek spüre ich genau,                                                         beitsblatt verzieren. Sie dürfen ungeniert
     dass ihnen dieser Schritt sehr bewusst                                                          bis acht oder halb neun bleiben. Das hat
     ist, nochmals neu zu starten. Es hat damit       benden neun Wochen Ferien gut für Be-          mit Vertrauen zu tun. Der Mittwochnach-
     zu tun, dass die Schüler bei uns wissen,         rufserkundungen und Schnupperlehren            mittag ist weiterhin frei.
     dass es anders wird …                            verwenden mögen. Im November kann es
                                                      trotzdem vorkommen, dass wir auf Feld          Frank: Ja, die Schüler bleiben über die
     Frank: … eine eigentliche Aufbruchstim-          Eins zurückkehren müssen. Wirklich als         Niveaus querbeet. Es entstehen Grup-
     mung!                                            positiv erachte ich, dass die Drittklässler    penbildungen über den ganzen Jahrgang
                                                      unter sich bleiben. Machtkämpfe gegen-         hinweg. Es ist ein gegenseitiges Helfen.
     Jürg: Auch dieser Übergang ist institu-          über den Erstseklern entfallen. Zudem
     tionalisiert: Im Januar die Elterninforma-       finden sie für Nachfragen ihre Lehrper-        Jürg: Sie sind überhaupt lieber in einem
     tion zur 3. Sek und im Frühling sagen wir        sonen unter einem Dach. Das schafft            Raum, in dem es acht statt nur zwei
     den Klassen, wie das mit den jeweiligen          Individualität, alle haben die selben Be-      Leute hat … ! Ab 18:00 Uhr folgt ein Zu-
     Profilen läuft. Ebenfalls im März gibt’s das     dürfnisse, sind vertieft in ihre Projekt-      sammenrücken. Sie schauen, wo es noch
     World-Café der Dritten mit ihren Eltern          arbeit.                                        Licht hat und finden sich dann wieder bei
     wie sie das letzte Schuljahr erleben. Mo-                                                       einer Klassenlehrperson.
     mentan sind die 2. Sekler wegen der Bau-         Frank: Die 3. Sekler sind ausgespro-
     erei bei uns im Reckholdernschulhaus.            chen stolz darauf, im «oberen» Schulhaus       Frank: Nun merken sie, wie sinnvoll
     Sie sind aber wie abgekoppelt. Der Über-         zu sein. Innerhalb des Schulhauses ent-        Lerngruppen sind. Ich checkte das üb-
     gang ist nicht einmal so anders als aus          fallen die Hierarchien: Jemand aus der         rigens erst an der Kanti! Es braucht als
     der 6. Klasse in die Sekundarschule. Wir         Kleinklasse arbeitet mit jemandem aus          Auskunftsperson nicht immer Lehrer; das
     erfahren sehr viel von unseren Kollegen.         dem E zusammen, genauso, wie sich              funktioniert auch untereinander. Das ist
     Kurz vor oder während der ersten Som-            E- und G-Schüler mischen. Die Eltern           befruchtend, aus meiner Sicht eine posi-
     merferienwoche führen wir ausgiebige             zweifelten anfänglich: Weshalb werden          tive Entwicklung.
     Gespräche über jeden einzelnen Schüler,          ausgerechnet jetzt die Zelte neu aufge-
     jede Schülerin. Gerade auch über deren           stellt? Es gibt einfach eine erneute Ini-      Jürg: Dank der Projektarbeit werden
     Berufswahl sind wir bestens informiert,          tialzündung und es ist nicht mehr die-         Einzelgespräche viel häufiger. Die Dritt-
Schulblatt Thurgau 2 • April 2019                           FOKUS        17

klässler/innen schätzen es, wenn wir uns      Qualität der Kontaktaufnahme, ob per-                 Markus: Dieser Weg in die digitale Welt
um sie einzeln kümmern. Sie taxieren          sönlich, digital oder analog, stimmt. Dies            ist bei uns auch ein Übergang.
sehr gut, wer ihnen von uns in welchem        schulen wir bewusst. Wir setzen dafür ein
Bereich am besten helfen kann. Für die        Officepaket eines grossen Anbieters ein.
Semesterarbeiten wählen einzig sie ihre                                                             IN DIE BERUFSWELT
Betreuung.                                    Frank: Tja, da bin ich in meinem Unter-               ENTLASSEN
                                              richt noch zurückhaltend und setze das
                                              Tablet hauptsächlich zu Recherchezwe-                 Markus: Bei den innerschulischen Über-
BERÜHRUNG MIT DER                             cken ein. Die Jungen arbeiten ja mit den              gängen sind wir weit besser aufgegleist
DIGITALEN WELT                                Maschinen ohne Hemmungen. In der                      als danach Richtung Beruf. Wenn ich
                                              Kommunikation dagegen ziehe ich es vor,               ehrlich bin, übergeben wir die 3. Klasse
Markus: Ich bin jetzt Vater eines Dritt-      etwas direkt zu sagen. Ich käme mir blöd              am Schluss einfach. Von aussen gibt es
sekschülers. Der Tagesablauf verändert        vor, reinzukommen und meiner Klasse zu                wenige Rückmeldungen oder Referenz-
sich auch zu Hause. Schulisch und von         sagen, sie fänden den heutigen Auftrag                nachfragen. Wir gaben schon Briefe mit
den Hobbies erwartete ich bis anhin, dass     in der Cloud. So kann ich auch umge-                  Aufforderungen mit, uns doch zu sagen,
es immer etwa in gleicher Art und Weise       hend erste Fragen klären.                             wo’s noch hapert, welche Unterstützung
weitergehen würde. Jetzt ist es irgendwie                                                           wir noch leisten könnten. Nix da. Jetzt
anders: Die Schülerinnen und Schüler blei-    Jürg: Unsere Schüler sind sich den Um-                könnten wir enttäuscht sein. Aber viel-
ben länger weg, haben aber ihren Job bei      gang mit Mails überhaupt nicht gewohnt.               leicht braucht es dies einfach nicht. Wenn
der Heimkehr erledigt. Also können sie        Sie versenden wohl digital Bewerbungen                wir aber von einem Scheitern hören, fra-
nach der Schule unbelasteter ins Training.    und beklagen sich nach einer Woche,                   gen wir uns schon, was wir besser hätten
                                              dass sie noch nichts gehört hätten. Ja                machen können.
Unser Sohn meinte sogar, er würde gerne       hast du denn mal in deine Mailbox ge-
länger in der Schule bleiben, leider müsse    guckt? Ähm, Mailbox?                                  Jürg: Viele Rückmeldungen erhalten wir
er aber ins Training … so geben wir Eltern                                                          von Ehemaligen, die uns sehr häufig be-
auch die Verantwortung leichter ab. Oft       Andreas: In der 1. Sek gibt es viele, die             suchen. Ist am 1. November Feiertag in
werden wir gefragt, weshalb wir dieses        nicht über Mail verkehren.                            St. Gallen, stehen bestimmt acht Leute
Unterrichtsprinzip nicht in die anderen                                                             da. Abends kommen sie heute noch in
Jahrgänge kopieren. Sich selber in einem      Markus: Nicht? Das erstaunt mich jetzt.               Aufgabenstunden, tauschen sich aus.
Projekt zu führen, braucht eine gewisse
Reife. Ich bin der Meinung, dass diese        Andreas: Fragen zu Terminen und Haus-                 Markus: Es kommen doch nur die, die
neue Herausforderung für das spätere          aufgaben gelangen häufig auf digitalem                erfolgreich sind …
berufliche oder schulische Lernen in der      Weg zu mir. Diese Kommunikation läuft
3. Sek richtig angesiedelt ist.               aber im Schulzimmer. Mir aus nichtigem                Frank: Nein, du, auch solche, die nach
                                              Grund eine WhatsApp zu schreiben un-                  abgebrochenen Lehren wieder neue
Jürg: Wir sind auch klar der Meinung,         terband ich: Ihr seid nicht meine Kolle-              Stellen suchen.
dass unsere Schülerinnen und Schüler          gen. Mit diesen kommuniziere ich über
sich in der digitalen Welt zurechtfinden      WhatsApp. Die Sache war damit erledigt.               Jürg: Stimmt, eine Schülerin fiel aus der
sollten. Sie müssen mit den Geräten um-                                                             FMS und fragte mich, ob ich ihr bei der
zugehen lernen; so organisiere ich uns auf    Jürg: Im English-Lehrmittel geht’s um                 Bewerbung helfen würde. Manchmal
der Cloud OneDrive, andere über One-          Blogs. Statt sich einen solchen einzurich-            staune ich schon, wie aus einem «Stiften-
Note. Das ist bei uns nicht typisch für die   ten, bevorzugten viele, Post-it-Zettelchen            mangel» heraus augenfällig überforderte
3.  S ek. Das geschieht in den anderen        ans Fenster zu kleben. So könnten noch                Junge eingestellt werden.
beiden Klassen ebenfalls.                     andere Interessierte ihre Mitteilungen
                                              lesen. Auch andere lechzen dauernd nach               Markus: Wir sagen am zweitletzten
Markus: Schülerinnen und Schüler, wel-        Papier. Ich finde es sehr wichtig, sich be-           Schultag immer: Meldet euch, wenn ihr
che in meinem Büro mit Lehrmeistern           wusst zu werden, womit ich am besten ar-              Hilfe braucht!  n
Kontakt aufnehmen, fragen jeweils, ob         beite. Dies befreit sie natürlich nicht davon,
die Bewerbung auch per Email zugestellt       alles zu beherrschen. Die Kiste bleibt Mit-           Herzlichen Dank für eure
werden kann. Wichtig ist uns, dass die        tel zum Zweck und ist nicht der Inhalt.               Ausführungen!
18   FOKUS                                 Schulblatt Thurgau 2 • April 2019

     ZYKLUS 3 | ELTERNSICHT

     «Das Blatt ist weiss
     beim Übertritt»
     Frau Allmen* ist Mutter von drei Söhnen und er-                           sollten sich vielleicht mal an ihre eigene Pubertät erinnern! Als
     zählt von ihren sehr unterschiedlichen Erfahrungen                        Vorbereitung auf den Wechsel gibt es im Zyklus 2 ein jährliches
                                                                               Elterngespräch. Da erfahren wir schon früh, wo die Lehrperson
     mit den Übertritten in den Zyklus 3.                                      unser Kind sieht, in welche Richtung es läuft. Die Kinder sind
                                                                               bei den Gesprächen mit dabei. So meinte eine Lehrerin mal zu
     Aufgezeichnet von Urs Zuppinger                                           einem meiner Söhne: «Arbeitest du weiterhin so schludderig, tu
                                                                               ich dich nicht ins E – egal welche Noten du ablieferst.» Das geht

     B
                                                                               für mich gar nicht. Kriterium sind doch die Noten und vor allem
             ereits in der Mittelstufe – erst schleichend, dann ab 5.          die kognitiven Fähigkeiten. Es dürfte auch den Lehrern bekannt
             Klasse sehr konkret – teilen die Lehrer ihre Schüler in           sein, dass gerade Knaben es nicht so mit dem Schönschreiben
             E- und G-Schüler/innen ein. Als Mutter spürte ich bei             haben. Mein Sohn war damals ziemlich eingeschüchtert.
     meinen Jungs, dass dadurch ein gewisser Druck entsteht. Die
     Kinder werden schon recht früh in eine Schublade gesteckt. Wie   Der Übergang
     wohl viele Eltern waren wir überzeugt, unsere Söhne schaffen     Mir persönlich fehlt teilweise an der Sek jene Unterstützung
     das obere Niveau.                                                bzw. Begleitung, die wir auf der Mittelstufe kennen lernten. Im
                                                                      Zyklus 3 müssen die Kinder zack innerhalb von ein paar Wo-
     Erwartungen von oben                                             chen einen Wahnsinnssprung vollführen, werden urplötzlich zu
     Die Sekundarlehrpersonen laden die Kolleginnen und Kollegen      jungen Erwachsenen. Es wird enorm viel von ihnen erwartet, aus
     des Zyklus 2 zu einer Information ein, wo sie ihnen kundtun, was schulischer Sicht und auch von ihrem Verhalten her. Mit zwölf ist
     sie erwarten. Handkehrum wollen sie jedoch über die Neuein-      man noch ein Kind – Knaben sowieso. Kurzum, die Kinder wer-
     tretenden nichts wissen. Die persönlichen                                             den nicht umfassend abgeholt. Meine drei
     Befindlichkeiten oder Bedürfnisse der                                                 Söhne waren alle gute Primarschüler. Alle
     Schüler sind nicht von Interesse. Das kann                                            gingen jedoch eine bis eine halbe Note
     von Vorteil sein, wenn jemand wieder bei                                              runter im ersten Semester Oberstufe. Da
     Null starten darf. Das Blatt ist weiss beim         «Als Erziehende muss              ist es dann spannend: Kriegt mein Kind die
     Übertritt! Ein echter Austausch existiert                                             Kurve wieder?
     meiner Meinung nach nicht, jener Aus-
                                                         es uns doch wichtig
     tausch nämlich, der vom Kindergarten her            sein, die Stärken der             Unser Jüngster
     vorbildlich entwickelt wird. Stets müssen           Kinder hervorzuheben              Das mit den Vorinformationen hat schon
     die Erwartungen von oben erfüllt werden.                                              zwei Seiten: Einerseits sollen alle diesel-
     Ein Austausch wäre meiner Meinung nach
                                                         und zu festigen.»                 ben Chancen haben, das ist gut so. Ande-
     wichtig. Ein Mangel besteht für mich darin,                                           rerseits hätten wir uns bei offenen Ohren
     dass hauptsächlich die Klassenlehrper-                                                vielleicht viel Ärger ersparen können. Bei
     sonen des Zyklus 2 und nicht auch die                                                 besonderen Bedürfnissen sollten die Lehr-
     Fachlehrer anwesend sind. Französisch zählt ja und dann gehört   personen vorab schon Bescheid wissen. Remo*, unser Jüngster,
     die Fachlehrperson aus dem Zyklus 2 einfach hin! Da werden       ist ein ADHS-Kind. Er freute sich sehr auf die Sek, um endlich
     nämlich schon früh zwei Leistungsgruppen gebildet.               auch zu den Grossen zählen zu dürfen. Trotz seiner Schwie-
                                                                      rigkeiten schaffte er das E. Der neue Klassenlehrer wollte an-
     Früher Druck                                                     fangs von seiner Vorgeschichte gar nichts wissen. Wir wurden
     Was mich als Mutter emotional enorm hinhält, ist dieser ständige da schnell proaktiv und wollten ihn unbedingt informieren. Das
     Druck ab der Mittelstufe, und der zieht sich hoch. Das haben     wurde dann auch nötig, weil Remo ziemlich schnell abrutschte,
     mir meine älteren Söhne auch so bestätigt. Gerade in dieser      nicht nur schulisch. Er leistete sich Dinge, für die er zu Recht
     entscheidenden Entwicklungsphase, besonders in der Puber-        bestraft wurde. Wie ich merkte, dass bei Remo etwas schief-
     tät, haben die Jungen mit verschiedensten Baustellen zu kämp-    läuft? Mit den Anrufen der Lehrer! Remo war zuhause ständig
     fen. In dieser Zeit werden bekanntlich auch die Eltern doof. Da  missmutig und sagte bloss: «Ich bin nur noch schlecht!» Remo
     komme ich als Mutter dann in die Zwickmühle: Muss ich jetzt      hat Mühe, sich zu organisieren, er ist oft unvorbereitet und er-
     Druck aufbauen oder eher rausnehmen? Es ist einfach schwer       ledigt seine Aufgaben nicht. So kann es ja nicht gelingen. Zum
     für die Jugendlichen, für alles von aussen aufmerksam zu sein,   Glück konnten wir einige Probleme mit Hilfe unserer Ärztin und
     wenn sie mit sich selber genug zu tun haben. Manche Lehrer       dem Schulleiter in einem gemeinsamen Gespräch auffangen.
Sie können auch lesen