Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5

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Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
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Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH                     5 | 2020

Was Corona mit der Schule macht
Die Erstsprache ins Schulhaus einladen

                                                                              1
Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
Mit Microsoft Surface Geräten
den Unterricht meistern

Um moderne Unterrichtsszenarien erfolg-
reich umzusetzen, benötigen Schülerinnen,
Schüler und Lehrpersonen nebst Kommuni-
kations- und Kollaborationslösungen eben-
falls geeignete Geräte. Diese sollen mobil
und interaktiv genutzt werden können, wie
die Verwendung von Touch und Stift, was ein
natürliches Schreiberlebnis ermöglicht.
Alle Surface Geräte sind leicht, kompakt und
bieten Ihnen zum Unterrichten oder Lernen
eine Vielseitigkeit, die Sie für Ihren Schul-
alltag nutzen können.
Surface Geräte bieten alle Vorteile –
zugeschnitten auf den modernen
Unterricht.

              Surface günstig und flexibel finanzieren:
              Um Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen kurz- oder längerfristig mit Geräten
              auszustatten, stellen wir in Zusammenarbeit mit einem Finanzierungsanbieter attraktive
              Angebote für Surface Geräte zur Verfügung.
              Mehr Informationen auf: https://aka.ms/surface-flexibel-finanzieren

Surface Go                                              Surface Pro 7

Modernes Lernen dank dem perfekten                      Noch mehr Power und Grösse gefällig?
Gerät für den Bildungsbereich                           Surface Pro 7 ist ein ultraleichter und vielseitiger
Surface Go ist unser leichtestes und                    2-in-1-Business-Laptop, der sich Ihrer Arbeits-
kompaktestes Surface Gerät. Es ist                      weise anpasst. Seien Sie für anspruchsvollere
schnell, effizient und verwandelbar und                  Aufgaben gewappnet und erzielen Sie dank
bietet zudem eine starke Akkuleistung                   einem leistungstarken und vielseitigen Gerät
für einen ganzen Schultag.                              bessere Lernergebnisse.

Mehr zur Surface Familie und den Einsatzszenarien
in Schulen finden Sie in unserer Education Broschüre:
https://aka.ms/moderneslernen
Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
5 | 2020
EDITORIAL

                                                      Liebe Leserinnen, liebe Leser

                                                      Ich habe schon als Kind viel gelesen, Bücher waren zu Hause und in der
                                                      Schule omnipräsent. Von dort stammt auch eine sehr schöne Erinnerung
                                                      ans Lesen. Mein Mittelstufenlehrer las uns oft vor: an «Krabat» und an «Die
Ausgabe 5 | 2020 | 5. Mai 2020                        schwarzen Brüder» denke ich gern zurück. Nicht alle haben das Glück,
Zeitschrift des LCH, 165. Jahrgang der
Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerzeitung (SLZ)
                                                      dass ihnen die Tür zur Welt der Geschichten und Bücher geöffnet wird. Für
BILDUNG SCHWEIZ erscheint 11 Mal jährlich             sie und für alle anderen kann das Vorlesen in der Jugendzeit wertvoll sein.
                                                      Was es braucht, damit dies gelingt, und weshalb sich die Bühnenkünstlerin
Impressum
                                                      Patti Basler am Vorlesetag vom 27. Mai als Botschafterin engagiert, lesen
                                                      Sie ab Seite 27.
Herausgeber/Verlag
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer
Schweiz LCH                                           Die Situation rund um das Coronavirus beherrscht die Schlagzeilen. Welche
• Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin
• Franziska Peterhans, Zentralsekretärin              Positionen der LCH beispielsweise bezüglich der Wiederaufnahme des Prä-
• Beat A. Schwendimann, Leiter der Pädagogischen      senzunterrichts vertritt, erfahren Sie unter www.LCH.ch. Die gegenwärtige
  Arbeitsstelle LCH
                                                      Lage zwingt zur Flexibilität. Das gilt auch für die Redaktion von BILDUNG
Zentralsekretariat und Redaktion                      SCHWEIZ. Nicht jeder Artikel kann wie geplant umgesetzt werden. Dafür
Pfingstweidstrasse 16, 8005 Zürich
Telefon 044 315 54 54
                                                      finden neue Themen Platz. Lesen Sie ab Seite 12, wie die jetzige Situation
E-Mail: bildungschweiz@LCH.ch                         das Berufsbild der Lehrperson beeinflusst, welche Rückschlüsse sich für
Internet: www.LCH.ch, www.bildungschweiz.ch
Erreichbar Mo–Do, 8–12 Uhr und 13.30–16.45 Uhr,
                                                      das digitale Lernen ziehen lassen und wie die Schulsozialarbeit ihre Auf-
Fr bis 16 Uhr                                         gabe wahrnimmt. Die Fotoreportage von Roger Wehrli hält ab Seite 19 ver-
                                                      lassene Schulen fest, es erwarten Sie Spieltipps für Kinder zu Hause und
Redaktion
• Belinda Meier (bm), Leitende Redaktorin             ein Beitrag zeigt, wie der Fernunterricht die Beziehung zwischen Lehrper-
• Deborah Conversano (dc), stellvertretende lei-      sonen und ihren Schülerinnen und Schülern beeinflusst.
tende Redaktorin (bis 31.7.2020)
• Maximiliano Wepfer (mw), Redaktor Print/Online
• Anna Walser (aw), Redaktorin Print/Online           BILDUNG SCHWEIZ berichtet auch über zwei Projekte, die eine andere
• Patricia Dickson (pdi), Redaktorin Print/Online
Ständige Mitarbeit: Adrian Albisser (Bildungsnetz),   Beziehung zu den Erstsprachen von Schülerinnen und Schülern schaf-
Claudia Baumberger, Peter Krebs, Marina Lutz          fen. Beim einen spannen Regellehrpersonen verschiedener Stufen mit
(Cartoon), Christian Urech, Roger Wehrli, Christa
Wüthrich, Michael Merker/Christine Zanetti (Schul-    ­denjenigen für den Unterricht für Heimatliche Sprache und Kultur (HSK)
recht)
                                                       zusammen. Beim anderen besuchen Erwachsene als Vertreterinnen und
Abonnemente/Adressen                                   Vertreter einer fremden Sprache einen Kindergarten und zeigen, dass auch
Bestellungen/Adressänderungen:                         diese Sprache ihren Platz in der Schule haben kann. Die Konzepte lassen
Zentralsekretariat LCH, 044 315 54 54,
adressen@LCH.ch                                        sich auch andernorts anwenden (ab Seite 38).
Adressänderungen auch im Internet:
www.bildungschweiz.ch
Für Aktivmitglieder des LCH ist das                   Viel Anwendung oder anders gesagt viel Übung braucht es, um flüssig
Abonnement im Verbandsbeitrag                         schreiben zu lernen. Die Psychomotoriktherapeutin Dora Heimberg kennt
(CHF 74.– pro Jahr) inbegriffen
Jahresabonnement für Nichtmitglieder:                 sich damit bestens aus. Ihr Buch «Bewegen, zeichnen, schreiben» aus dem
Schweiz CHF 108.50, Ausland CHF 183.50                Verlag LCH ist mittlerweile ein Standardwerk. Anlässlich der dritten Auf-
Einzelexemplar CHF 10.25, ab dem 8. Expl.
CHF 7.20 (jeweils plus Porto und MwSt.)               lage spricht sie im Interview ab Seite 30 über den Wert der Handschrift.

Dienstleistungen
Bestellungen/Administration: Zentralsekretariat
                                                      Was haben Würmer mit Schulerfolg zu tun? Was weiss die Wissenschaft
LCH, 044 315 54 54, adressen@LCH.ch                   über den Stress von Lehrpersonen an (regulären) Unterrichtstagen? Wie
Reisedienst: Monika Grau, m.grau@LCH.ch
                                                      können Klimawandel und Klimaschutz altersgerecht thematisiert werden?
Inserate/Druck                                        Was muss bei Videokonferenzen im Schulumfeld beachtet und wozu können
Inserateverkauf: Martin Traber, Fachmedien,           Lehrpersonen punkto Betreuung
Zürichsee Werbe AG, Tel. 044 928 56 09
martin.traber@fachmedien.ch                           angehalten werden? Zu diesen und
Mediadaten: www.bildungschweiz.ch                     weiteren Themen finden Sie eben-
Druck: FO-Zürisee, 8132 Egg ZH
ISSN 1424-6880 Verkaufte Auflage:                     falls Artikel in dieser Ausgabe.
42 199 Exemplare (WEMF/SW-Beglaubigung)

                                                      Ich wünsche Ihnen gute Lektüre!

                                                      Deborah Conversano
                                                      Stellvertretende leitende
                                                      Redaktorin
                                                                                             Redaktorin Deborah Conversano mit einem Lieblingsbuch
                                                                                             aus der Jugendzeit. Foto: Eleni Kougionis

                                                                                                                                                     3
Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
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                8   Dieses Jahr findet die
                Delegiertenversammlung LCH
                auf schriftlichem Weg und in
                elektronischer Form statt.

                                        19    Gespenstische Leere:
                                        Fotograf Roger Wehrli hat
                                        verlassene Schulhäuser in
                                        der Region Baden (AG)
                                        besucht.

                                                         12     Schulen
                                                          gehen kreativ
                                                          und engagiert
                                                          mit der Corona-
                                                          krise um.

                          38   Ein Projekt zur Sprachförderung
                          schafft auf der Kindergartenstufe
                          mehr Raum für die Erstsprache der
                          Kinder.

    27    Das Vorlesen bringt
    Vorteile nicht nur für
    Kinder, sondern auch für
    Jugendliche.
                                        Fotos auf diesen Seiten: Roger Wehrli, Roger
                                        Wehrli, Roger Wehrli, iStock/wildpixel,
                                        © SIKJM / Gabi Vogt

                                        Titelbild: Lehrpersonen unterrichten zurzeit
                                        vor «leeren Rängen». Foto: Roger Wehrli

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Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
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INHALT

                                              AKTUELL | AUS DEM LCH

                                          6 Wie Corona Schule fordert und fördert
                                          7 Klarheit zu den Abschlüssen auf der Sekundarstufe II
                                          8 LCH fordert geordnete Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts
                                          9 Logopädie gehört nicht nur zur Bildung

                                              CORONA

                                         12 Eine Berufung im Bann der Viruskrise
                                         15 Lernen trotz und durch Corona
                                         17 Schulsozialarbeit – notwendiger denn je
                                         19 Das Schulhaus ist verlassen
                                         22 Spielen in Zeiten von Corona
                                         23 Sichtbar ist nur ein kleiner Ausschnitt

                                              LESEN UND SCHREIBEN

                                         27 Vorlesen kennt keine Altersgrenze
                                         29 Interview mit Patti Basler: «Lest!»
                                         30 Kritzeln, damit das Schreiben klappt

                                              PÄDAGOGIK | BILDUNGSFORSCHUNG

                                         32 Dann ist der Wurm drin!
                                         36 Klimawandel fassbar machen
                                         38 Von der Gleichberechtigung der Sprachen
                                         40 Wie Migrationssprachen den Unterricht bereichern
                                         42 Stress im Berufsalltag von Lehrpersonen

                                              RUBRIKEN

                                          3   IMPRESSUM
                                         11   SWISSDIDAC
                                         44   SCHULRECHT
                                         47   BILDUNGSNETZ
                                         48   BÜCHER UND MEDIEN
                                         49   VERLAG LCH
                                         52   BILDUNGSMARKT
                                         55   3 FRAGEN AN ... | BILDUNG SCHWEIZ demnächst
GROUPS.SWISS
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                                                   stockphoto©vicnt

                                                                                                 Groups AG . Spitzackerstrasse 19
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Wie Corona Schule fordert und fördert
Mit dem Schul-Barometer sammeln Wissenschaftler Daten zur aktuellen Situation an
Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Stephan Gerhard Huber von der
Pädagogischen Hochschule Zug berichtet über erste Erkenntnisse und Schwierigkeiten,
welche die Schulen gemeinsam angehen müssen.

Die Coronakrise hat weitrei-     zum Beispiel Unterschiede
chende Auswirkungen auf          hinsichtlich guten Unterrich-
nahezu alle gesellschaftli-      tens beziehungsweise der
chen Bereiche. An den Schu-      Ausgestaltung von Lehr-
len findet seit Mitte März       Lern-Arrangements sowie
kein Präsenzunterricht mehr      Unterschiede hinsichtlich
statt. In dieser Situation       der Kooperation innerhalb
wurden für das Schul-Baro-       der Fachschaften, Jahr-
meter bisher über 7100 Per-      gangs- und Stufenteams
sonen befragt, darunter          und in Gesamtkollegien. Die
Schulleitungen, Lehrperso-       Ungleichheiten könnten sich
nen und weitere Mitarbei-        über die Zeit vergrössern,
tende, Eltern sowie Schüle-      wenn es den Schulen nicht
rinnen und Schüler. Auch         gelingt, sich auf gemeinsa-
Vertreterinnen und Vertreter     mes Handeln und damit auf
der Schulaufsicht, der           Mindest- und Regelstan-
Schulverwaltung und des          dards zu einigen.
Unterstützungssystems
wurden befragt. Nun liegen       Herausforderung
erste, ausgewählte Ergeb-        für Benachteiligte
nisse vor.                       In der Konsequenz zeigen
                                                                  Das selbstbestimmte Lernen gefällt manchen Schülerinnen und Schülern
                                 sich grosse Herausforderun-
                                                                  ganz gut. Andere haben Mühe, sden Tag zu strukturieren. Foto: SchuBa
Chance für die Digitalisie-      gen hinsichtlich Bildungsge-
rung im Bildungskontext          rechtigkeit und Chancen-
Die Schulschliessung stellt      gleichheit. «Bildungsver-        grösser wird die Schere am            resultieren grosse Unter-
für alle Akteure im Bildungs-    lierer» in der aktuellen Situ-   Ende sein.» Schulen haben             schiede in der täglichen
und Schulkontext eine sehr       ation sind wahrscheinlich        hier eine grosse Aufgabe im           Lernzeit dieser beiden
grosse Herausforderung dar.      Schülerinnen und Schüler         Bemühen um eine Kompen-               Gruppen. Die Anstrengun-
Die aktuelle Situation lässt     aus sozioökonomisch              sation des Schereneffekts             gen, diese Defizite zu kom-
aber auch eine Chance er-        benachteiligten Elternhäu-       bei den Schülerinnen und              pensieren, werden sehr
kennen. Diese betrifft etwa      sern. Schulen mit einem          Schülern.                             bedeutsam sein.
den Bereich der Digitalisie-     hohen Anteil solcher Kinder
rung, der aufgrund der vor-      und Jugendlicher stehen vor      Situation für Schüler                 Grosses Lob an die
liegenden Notwendigkeit          besonders grossen Heraus-        und Schülerinnen                      Lehrpersonen
einen enormen Aufschwung         forderungen. Gründe für die      Bei den Befunden zu den               In den Befunden des Schul-
erlebt. Lernen mit und durch     Unterschiede und einen           Schülerinnen und Schülern             Barometers zeigt sich zudem
Technologie sowie über           möglichen Schereneffekt          fallen zwei Gruppen auf: Die          eine hohe Wertschätzung
Technologie ist gefragt. Digi-   sind sicherlich verschiedene     einen finden es gut, selbst-          und Anerkennung gegenüber
talisierung könnte ein Mehr      Merkmale, die zusammen-          bestimmter in ihrem eigenen           der Institution Schule und
an Differenzierung ermögli-      spielen. Dazu gehören tech-      Lerntempo und -rhythmus               der Arbeit der Lehrpersonen,
chen. Dieses Potenzial liesse    nische Bedingungen wie           zu arbeiten. Sie lernen nach          gerade auch von den Eltern-
sich jetzt und in einer nächs-   schlechte Ausstattung mit        eigenen Aussagen jetzt                häusern. Die Arbeit der Leh-
ten Phase verstärkt nutzen.      Geräten und aktueller Soft-      effektiver und kommen gut             rerinnen und Lehrer ist in
                                 ware, geringe zeitliche und      mit der Situation zurecht.            dieser Zeit Gold wert.
Gemeinsam gegen                  emotionale Ressourcen der        Die anderen haben Proble-
den Schereneffekt                Eltern oder der Geschwister      me, unter anderem im Hin-             Stephan Gerhard Huber,
Insgesamt liegt die Vermu-       sowie die räumliche Situa­       blick auf die Strukturierung          Pädagogische Hochschule
tung nahe, dass es einen         tion zu Hause, wenn zum          ihres Tages, ihrer Aufgaben           Zug
Schereneffekt gibt bei           Beispiel viele Personen auf      und ihrer Motivation. Daraus
Eltern, Schülerinnen und         engem Raum leben. Genauer
Schülern sowie innerhalb         zu analysieren und zu disku-
und zwischen Schulen. Das        tieren sind die «elterliche
Team des Schul-Barometers        Lehrerrolle» und die diesbe-
geht davon aus, dass sich in     züglichen Erwartungen der        SCHUL-BAROMETER
Krisensituationen verschie-      Schule. Eine Lehrperson for-
dene Schulqualitäten deutli-     mulierte es in der Umfrage       Aktuelle Befunde, Medienberichte, Empfehlungen digitaler
cher auswirken und sich vor-     so: «Je mehr wir im Home-        Medien, Tools und Werkzeuge sowie Publikationen, der Bericht
handene Abstufungen noch         schooling von den Eltern-        und eine Sammlung mit nützlichen Links zum Thema «Digitalisie-
vergrössern. Dies betrifft       häusern erwarten, desto          rung und Schule» sind zu finden unter: www.schul-barometer.net

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Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
5 | 2020
AKTUELL

Klarheit zu den Abschlüssen
auf der Sekundarstufe II
Die Coronapandemie beeinflusst auch die Abschlüsse auf der Sekundarstufe II.
Während für die Lehrabschlüsse eine schweizweit abgestimmte Lösung gefunden
wurde, liegt die Verantwortung für die Maturitätsprüfungen bei den einzelnen
Kantonen.

Nach dem Beschluss der           Duales System gestärkt            men prüfe, sei nur die logi-      stellt dafür dem Bundesrat
Schweizerischen Konferenz        Christoph Thomann, Präsi-         sche Folge. «Damit wurde          den Antrag, dies in einer Not-
der kantonalen Erziehungs-       dent von BCH, Berufsbildung       früh ein eindeutiges Signal       verordnung zu regeln. Jene
direktoren (EDK) vom 1. April    Schweiz, begrüsst den Ent-        für den dualen Bildungsweg        Kantone, die auf schriftliche
2020 blieben Fragen offen zu     scheid des Bundesrats zu          gesendet», zeigt sich Zingg       Prüfungen verzichten, sollen
den Abschlüssen auf der          den Lehrabschlussprüfun-          erleichtert. Er fordert aber      stattdessen auf die Erfah-
Sekundarstufe II. Am Spit-       gen: «Er schafft Klarheit,        eine verstärkte Mithilfe der      rungsnoten abstützen.
zentreffen vom 9. April haben    damit die Lernenden das eid-      Kantone für die Integration in
sich dann Bund, Kantone und      genössische Fähigkeitszeug-       den Arbeitsmarkt von              Der Verein Schweizerischer
Sozialpartner auf eine           nis ohne Verzögerung erhal-       Jugendlichen, die ohne direk-     Gymnasiallehrerinnen und
schweizweit abgestimmte          ten, ohne dass eine Präsenz       te Anschlusslösung aus der        Gymnasiallehrer (VSG) hält
Lösung geeinigt, um den rund     in der Schule erforderlich ist.   Sekundarstufe I austreten.        die grosse Autonomie von
75 000 Lehrabgängerinnen         So können sie sich rechtzei-                                        Schulen und Kantonen für
und -abgängern in diesem         tig in den Arbeitsmarkt ein-      Verzicht auf Prüfungen            eine wichtige Stütze des Bil-
Jahr ihren Berufsabschluss       gliedern. Es ist zu hoffen,       Am 1. April hatte die EDK         dungssystems. Er ist sich
zu ermöglichen. Für die Prü-     dass sich die Kantone ein-        auch beschlossen, dass die        auch bewusst, dass die je
fung der praktischen Arbeit      heitlich an diese Regelung        Absolventinnen und Absol-         nach Kanton unterschiedli-
wird pro berufliche Grundbil-    halten.» Samuel Zingg, Vize-      venten von Gymnasien sowie        chen Folgen der Pandemie
dung eine schweizweit            präsident LCH und Präsident       Fach- und Berufsmittelschu-       auch unterschiedliche Mass-
durchführbare Variante           Stufenkommission Zyklus 3,        len ihre Abschlusszeugnisse       nahmen erfordern. «Wir
gewählt. Die schulischen         ergänzt, dass der Entscheid       rechtzeitig erhalten sollen,      bedauern es aber, dass die
Abschlussprüfungen finden        Lehrstellen in diesem Jahr        die sie zur Aufnahme einer        EDK nicht rechtzeitig einen
nicht statt. Stattdessen zäh-    erst ermögliche: «Wenn die        tertiären Ausbildung berech-      gesamtschweizerischen
len hier die Erfahrungsnoten.    Lernenden noch ein weiteres       tigen. Nun entschied sie am       Kompromiss finden konnte,
Ein Thema des Spitzentref-       Jahr auf ihren Abschluss hät-     21. April, in allen Abschluss-    welcher der Forderung nach
fens war auch die zurzeit        ten warten müssen, hätte          jahrgängen auf mündliche          einer Gleichwertigkeit der
erschwerte Rekrutierung von      dies unter Umständen neue         Prüfungen zu verzichten.          Schweizer Matur Genüge
Lernenden. Zu diesem Zweck       Lehrstellen verhindert.» Dass     Zudem sollen die Kantone          getan und die Chancenge-
wurde eine Arbeitsgruppe         der Bundesrat nun auch bei        auf die Durchführung der          rechtigkeit gewahrt hätte»,
eingesetzt, die Lösungen         der Besetzung von Lehrstel-       schriftlichen Prüfungen ver-      erklärt VSG-Präsident Lucius
erarbeiten soll.                 len Unterstützungsmassnah-        zichten können. Die EDK           Hartmann. (mw)

GYMNASIALE MATURITÄT             tätsanerkennungsregle-            breite Vernehmlassung vor-        gestaltung der Fächer und
                                 ments (MAR) und die Rege-         gesehen ist. Allerdings gibt er   der Fächeranteile gemäss
Weiterentwicklung                lung von Zuständigkeiten und      zu bedenken, dass der Zeit-       Art. 9 und 11 MAR Klarheit
notwendig                        Kompetenzen im Bereich            plan für das gesamte Projekt      besteht. Zentral ist, dass die
                                 Qualität. Die Genehmigung         sehr ehrgeizig ist. Dies gilt     Lehrpersonen weiterhin über
Ende Oktober 2019 haben die      der Resultate durch die EDK       insbesondere für die Erstel-      genügend Handlungsspiel-
Schweizerische Konferenz         und den Bund ist für Oktober      lung des RLP, für den der ers-    raum zur Gestaltung ihres
der kantonalen Erziehungs-       2022 vorgesehen, sodass der       te Entwurf bis Ende 2020 vor-     Unterrichts verfügen. Denn
direktoren (EDK) und der         Unterricht mit den neuen          gesehen ist. Der VSG warnt        so stellen sie auch künftig
Bund beschlossen, den Pro-       Vorgaben im Sommer 2023           davor, dass man durch den         eine hohe Qualität der gym-
zess zur Weiterentwicklung       beginnen kann.                    grossen Zeitdruck die Dis-        nasialen Bildung sicher.
der gymnasialen Maturität zu                                       kussion über die Inhalte nicht
starten. Grundlage dafür ist     Die Sicht der Gymnasial-          in der notwendigen Tiefe füh-     Lucius Hartmann
das Mandat, das der Vor-         lehrpersonen                      ren kann. Man riskiert da-
stand der EDK am 30. Januar      Der Verein Schweizerischer        durch, die Akzeptanz bei den
2020 genehmigt hat und           Gymnasiallehrerinnen und          Lehrpersonen zu verlieren.        Weiter im Netz
damit auch die Projektorga-      Gymnasiallehrer (VSG) ist                                           www.edk.ch/dyn/12475.php –
nisation. Vorgesehen sind        überzeugt, dass nun der rich-     Überdies ist eine Definition      Beschluss und Mandat der
vier Teilprojekte: die Überar-   tige Zeitpunkt für eine Über-     unklarer Begriffe für ein ziel-   EDK
beitung des Rahmenlehr-          arbeitung des RLP und des         führendes Vorgehen unum-          www.edk.ch/dyn/13723.php –
plans (RLP), die Umsetzung       MAR gekommen ist. Er ist          gänglich. Zuletzt kann aus        Maturitätsanerkennungs­
der Mindestdauer von vier        erfreut, dass er seit Beginn in   Sicht des VSG die konkrete        reglement
Jahren für das Gymnasium,        den verschiedenen Gremien         Ausarbeitung des RLP erst         www.edk.ch/dyn/11661.php –
die Überprüfung des Maturi-      beteiligt ist und dass eine       beginnen, wenn über die Aus-      Rahmenlehrplan

                                                                                                                                  7
Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
5 | 2020
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LCH fordert geordnete Wiederaufnahme
des Präsenzunterrichts
Der Bundesrat hat am 16. April 2020 beschlossen, dass öffentliche Schulen am 11. Mai
den Präsenzunterricht wieder aufnehmen dürfen. Der LCH begrüsst dies grundsätz-
lich, stellt jedoch einige Forderungen.

Am 11. Mai 2020 sollen die       wie die Distanzregeln und         gewohnten Normalbetrieb          Koordinierte Lösungen
öffentlichen Schulen in der      Hygienevorschriften einge-        zurückgekehrt werden kann.       Für Zeugnisse und Ab-
Schweiz den Präsenzunter-        halten werden. Überdies for-      Der Verband betont auch,         schlussprüfungen wünscht
richt wieder aufnehmen dür-      dert der LCH, dass Kinder, die    dass Präsenzunterricht und       sich der LCH koordinierte und
fen. Dies hat der Bundesrat      selbst zur Risikogruppe ge-       Fernunterricht nicht parallel    landesweite Lösungen statt
am 16. April bekanntgegeben.     hören oder mit einem Fami­        umgesetzt werden können.         kantonaler Sonderlösungen.
Der Dachverband Lehrerin-        lienmitglied aus einer Risiko-    Dies übersteige die Ressour-     Insbesondere für Abschluss-
nen und Lehrer Schweiz           gruppe zusammenleben,             cen der Schule. Zentralpräsi-    klassen auf den Sekundar-
(LCH) begrüsst diesen Ent-       dispensiert werden können.        dentin Dagmar Rösler beton-      stufen I und II verlangt er
scheid in seiner Medienmit-      Für den Präsenzunterricht in      te gegenüber den Medien          tragbare Anschlusslösungen.
teilung vom 21. April. Für den   Klassen von vulnerablen           mehrfach, dass die Chancen-      Es sei nun Aufgabe der EDK,
LCH ist allerdings wichtig,      Lehrpersonen fordert der          gerechtigkeit in dieser Situa-   in Zusammenarbeit mit den
dass einige Punkte vorab         LCH praktikable Lösungen.         tion leide. Deshalb fordert      Kantonen, den Berufsverbän-
geklärt werden.                                                    der LCH nun gezielte Unter-      den der Lehrpersonen und
                                 Chancengerechtigkeit              stützungsmassnahmen für          Schulleitungen sowie Fach-
Gesundheit ist wichtig           wahren                            Schülerinnen und Schüler         personen koordinierte
Unter anderem soll die           Bezüglich Neugestaltung des       mit besonderen Bedürfnis-        Lösungen mit möglichst ein-
Gesundheit von Schülerinnen      Präsenzunterrichts ist es         sen. Des Weiteren wünscht er     heitlichen Richtlinien zu ent-
und Schülern, Lehrpersonen       dem LCH ein Anliegen, dass        sich zusätzliche Ressourcen      wickeln. (pd/aw)
und Eltern nach wie vor          die Bedingungen für die Wie-      und Unterstützung für die
oberste Priorität haben. Hier-   deraufnahme der Realität in       jüngsten Schülerinnen und        Weiter im Netz
für fordert der LCH ein pra-     der Schule Rechnung tragen.       Schüler, um diese wieder an      www.LCH.ch > News > Medien-
xistaugliches Schutzkonzept.     Dabei dürfe nicht erwartet        den Schulbetrieb zu              mitteilungen > Medienmittei-
Dieses soll konkret regeln,      werden, dass nahtlos zum          gewöhnen.                        lung vom 21.04.2020

VERSAMMLUNGSVERBOT               ge an die Delegiertenver-         fungskommission und weite-       geführt, kann sie nicht
                                 sammlung (DV) zu stellen.         re ständige Kommissionen,        öffentlich stattfinden.
PrK und DV LCH                   Stimmberechtigte Mitglieder       Mitglieder des Stiftungsrats
finden schriftlich               der PrK sind die Präsidentin-     der Solidaritäts- und Ausbil-    Laut Rechtsexperte Michael
                                 nen und Präsidenten der Mit-      dungsstiftung. Zudem kann        Merker hält die COVID-
statt                            gliedsorganisationen.             sie ständige Kommissionen        19-Verordung 2 jedoch eine
Die Präsidentenkonferenz         Kantonalsek­tionen werden         einsetzen. Die DV beschliesst    Sondervorschrift für Ver-
und die Delegiertenver-          zusätzlich durch ein weiteres     zudem über Rechnung, Bud-        sammlungen von Gesell-
sammlung sind wichtige           Mitglied vertreten. Auch die      get und Agenda des LCH.          schaften bereit, damit die
Organe des Dachverbands          Präsidentinnen und Präsi-                                          Teilnehmerinnen und Teil-
Lehrerinnen und Lehrer           denten von assoziierten           Sonderregelung für               nehmer ihre Rechte unter
Schweiz (LCH). Doch nun gilt     Organisationen und die GL         COVID-19                         Einhaltung der Vorgaben des
aufgrund des Coronavirus ein     LCH sind stimmberechtigt.         Unterdessen hat der Bundes-      BAG wahrnehmen können.
Versammlungsverbot. Wie          Neben der Führung des LCH         rat zwar eine schrittweise       Der LCH kann damit anord-
können die Beschlüsse die-       und der Vorbereitung der DV       Lockerung der Massnahmen         nen, dass die Teilnehmenden
ser beiden Organe dennoch        genehmigt die PrK unter           angekündigt. Die GL LCH          ihre Rechte ausschliesslich
gefällt werden?                  anderem die Reglemente für        befand dennoch, dass die DV      auf schriftlichem Weg oder in
                                 den Solidaritätsfonds und für     vom 13. Juni 2020 unter Ein-     elektronischer Form ausüben
Vorbereitung der DV              verschiedene Kommissionen.        haltung der Social-Distan-       können. Die Anordnung muss
Nachdem der Bundesrat am                                           cing-Regeln nicht wie            spätestens vier Tage vor der
13. März 2020 ein Versamm-       DV: Oberstes Organ des LCH        gewohnt stattfinden kann.        Veranstaltung schriftlich
lungsverbot verhängt hatte,      Die DV wiederum ist das           Die räumlichen Verhältnisse      mitgeteilt oder elektronisch
beschloss die Geschäftslei-      oberste Organ des LCH. Auch       im Veranstaltungslokal           veröffentlicht werden (Art. 6a
tung LCH (GL LCH), die Präsi-    sie setzt sich aus Vertreterin-   würden dies nicht zulassen.      COVID-19-Verordnung 2).
dentenkonferenz (PrK) vom        nen und Vertretern der Mit-       Rechtlich ist die GL LCH aber    Genau dies hat der LCH mit
25. April 2020 auf schriftli-    gliedsorganisationen zusam-       eingeschränkt. Gemäss Sta-       dem Vorversand vom 23. April
chem Weg durchzuführen.          men. Die DV tagt einmal im        tuten ist die DV LCH nämlich     2020 getan.
Die PrK ist das strategische     Jahr und beschliesst die          für Verbandsmitglieder
Führungsorgan des LCH. Sie       ordentlichen Jahresgeschäf-       öffentlich. Wird die DV auf      Anna Walser
wird von der GL LCH einberu-     te. Sie wählt ausserdem die       schriftlichem Weg oder in
fen und hat das Recht, Anträ-    GL LCH, die Rechnungsprü-         elektronischer Form durch-

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Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
5 | 2020
AUS DEM LCH

Logopädie gehört nicht
nur zur Bildung
Bérénice Wisard ist seit 2018 Präsidentin des Deutschschweizer Logopädinnen-
und Logopädenverbands (DLV). Ein Anliegen brennt ihr seither besonders unter den
Nägeln. Dieses möchte sie unter anderem mittels Social Media angehen.

Die Logopädie sei mit dem Klischee             Studie lanciert.» Zurück kam eine Stich-              passiert eigentlich mit ihren Kolleginnen
behaftet, dass dort hauptsächlich das feh-     probe mit Daten von 16 000 Schülerinnen               und Kollegen, die freischaffend tätig sind
lerhafte Sch oder Lispeln behandelt werde.     und Schülern und damit die Erkenntnis,                und möglicherweise kein Taggeld erhalten?
«Dabei ist Logopädie so viel mehr!», sagt      dass sich die Versorgungslage entgegen                Hierfür habe der DLV einen Solidaritäts-
Bérénice Wisard. Die Präsidentin des           den Erwartungen einiger Kantone durch-                fonds eingerichtet, der an der kommenden
Deutschschweizer Logopädinnen- und             aus statistisch festhalten lässt.                     DV genehmigt werden soll, so Wisard. Es
Logopädenverbands (DLV) spricht von               Auch die Studierenden der Logopädie                ist womöglich diese Art von Unterstützung,
Lehrpersonen, die unter Heiserkeit lei-        sind dem DLV wichtig. «Wir versuchen                  die viele Mitglieder des DLV schätzen.
den oder vom vielen Reden ihre Stimme          schon länger, die Studierenden besser                 Bérénice Wisard schätzt ihrerseits den Ein-
verloren haben. Oder Personen, die einen       einzubinden. An der letztjährigen DV, der             satz des Dachverbands Lehrerinnen und
Schlaganfall erlitten haben und nun nicht      Delegiertenversammlung, haben wir ent-                Lehrer Schweiz (LCH). Als Präsidentin des
mehr schlucken können. Bérénice Wisard         schieden, sie als Passivmitglieder aufzu-             DLV ist Wisard automatisch Mitglied der
ist zu 20 Prozent vom DLV angestellt. Ein      nehmen.» Da die Studierenden schon mit                DV LCH. Dort pflegt sie den gegenseitigen
Aspekt ihrer Arbeit als Präsidentin ist das    ähnlichen Fragen konfrontiert sind wie die            Austausch und das Networking. «Dadurch,
Betreuen der Social-Media-Kanäle des           ausgebildeten Mitglieder, sei die Zusam-              dass der DLV durch unser Mitglied Kath-
DLV. Sie ist überzeugt, dass diese Aufgabe     menarbeit für beide Seiten von Vorteil, ist           rin Schrott in der Sonderpädagogischen
bald auf mehrere Personen verteilt werden      Wisard überzeugt. Sie berichtet ausserdem             Kommission des LCH vertreten ist, erhal-
muss. Die Followerzahlen wachsen näm-          von einem wichtigen Meilenstein: Der                  ten wir einen guten Einblick und eine wich-
lich stetig, wie sie erfreut berichtet. Dies   DLV hat es geschafft, die Schluckstörun-              tige Möglichkeit der Mitsprache im LCH»,
führt zu Mehrarbeit und bedeutet auch,         gen im Krankenkassenleistungskatalog zu               sagt Wisard, die seit 2009 als Logopädin
dass sie die Social-Media-Betreuung bald       verankern.                                            arbeitet. Seither ist sie Mitglied des DLV
nicht mehr allein stemmen kann. Weshalb                                                              und setzt sich für die Logopädinnen und
ist es so wichtig, dass der DLV auf Social     Gegenseitige Wertschätzung                            Logopäden ein. «Es ist solch ein toller Job
Media vertreten ist? «Wir möchten die          «Es freut mich auch, dass unsere Mit-                 und das müssen alle in der Welt wissen»,
Vielfalt, die Breite der Logopädie aufzeigen   gliederzahlen steigen», erzählt Wisard                sagt Wisard, die in ihrer Freizeit ein grosser
und bekannter machen. Es wird oft verges-      und folgert daraus, dass die Logopädin-               Hockeyfan und politisch aktiv ist.
sen, dass Logopädinnen und Logopäden           nen und Logopäden mit der Arbeit des
nicht nur in der Schule tätig sind», bedau-    DLV zufrieden sind. Sie selbst arbeitet in            Anna Walser
ert Wisard. «Sie arbeiten auch im Spital       einem 54-Prozent-Pensum als Logopädin.
oder in Kliniken, freischaffend im Vor-        In Zeiten von Corona bietet sie allerdings
schulbereich oder gar mit Babys», ergänzt      Beratungen und Therapien via Telefon                  DER DLV
sie. Das Ziel der Bekanntmachung verfolgt      und Video an. Die betroffenen Schüle-
                                                                                                     Der Deutschschweizer Logopädinnen- und
der DLV gemeinsam mit Deutschland,             rinnen und Schüler werden ferntherapiert.             Logopädenverband (DLV) wurde 1985
Österreich und Liechtenstein. Dafür haben      Dadurch stellen sich für die Logopädin-               gegründet. Seit 2016 ist er Fachverbands-
sie am 6. März 2020, dem Tag der Logo-         nen und Logopäden neue Fragen: Wie                    mitglied des LCH. Der DLV zählt 2300 Mit-
pädie, gemeinsam eine Kampagne lanciert.       können sie den Datenschutz gewährleis-                glieder, wovon ein Viertel im medizini-
Das Resultat in der Schweiz: verschiedene      ten, wenn sie ihre Beratungen über Skype,             schen Bereich und der Rest im (Vor-)
Zeitungsartikel und zwei Fernsehbeiträge       Zoom oder Whatsapp führen? Und was                    Schulbereich tätig ist.
zum Thema.

Einsatz in vielen Bereichen
Ein weiteres grosses Thema für den DLV
ist die logopädische Versorgungslage. Es
gebe nämlich keine nationale statistische
Erfassung in der Schweiz, die aufzeigt, wer
aus welchem Grund wie viel Logopädie
benötigt. «Wir versuchen schon seit Jahren
die Kantone dazu zu bringen, eine Statistik
zu führen. Derzeit machen dies nur fünf
Kantone», ergänzt Wisard. Da der DLV
nicht länger warten wollte, hat er die Zügel
nun selbst in die Hand genommen. «In
Zusammenarbeit mit einer Fachfrau haben
wir ein statistisches Formular entwickelt
und mit unseren Kantonalsektionen eine
                                               Bérénice Wisard zeigt ein Plakat, das im Rahmen einer Kampagne entstanden ist, mit der die Vielfalt der
                                               Logopädie bekannter gemacht werden soll. Bild: Irene Buss

                                                                                                                                                    9
Was Corona mit der Schule macht Die Erstsprache ins Schulhaus einladen - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 5
FLUCHT                                                          DAS DIGITALE
                                                                  LEHRMITTEL

                                Das Lernmodul soll Schülerinnen und Schülern helfen,
                                mit der komplexen Problematik «Flucht» umzugehen.
                                Das digitale Lehrmittel kann einerseits im Online-Unterricht
                                eingesetzt werden; andererseits beinhaltet es Gruppen- und
                                Einzelaufgaben, die auch im direkten Austausch bearbeitet
                                werden können. www.flucht-fuir.ch/schule

                                                                                               impulse

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5 | 2020
SWISSDIDAC

Swissdidac 2020 – Digitalisierung
und die Schule von morgen
Die Austausch- und Weiterbildungsplattform Swissdidac Bern 2020 findet vom 4. bis
6. November 2020 statt. Trends und Tools für den digitalen Unterricht stehen im Vordergrund.
Bei Standaktivitäten und bei den Keynotes wird Wert gelegt auf den direkten Praxisbezug.

2020 ist ein einschneidendes Jahr für                  Tagesfokus zugeschnitten. Die drei The-                  voranzutreiben und die Kinder auf die Ent-
Lehrpersonen und Schulleitende. Am                     mentage sind:                                            wicklung in Wirtschaft und Gesellschaft
13. März verkündete Bundesrat Alain Ber-               • Die Schule von morgen am Mittwoch,                     vorzubereiten.
set das Verbot von Präsenzunterricht und                  4. November 2020
die Umstellung auf Fernunterricht. Die                 • Fernunterricht und Lockdown am                         Tablet Day an der Swissdidac Bern
Bildungsstätten gerieten in den Fokus der                 Donnerstag, 5. November 2020                          Um die Tagesthemen zu vertiefen und auch
Medien und rasch wurde Good Practice                   • Digitalisierung an Schulen am Freitag,                 praktisch anzuwenden, bieten die Ausstel-
definiert. Diese Veränderungen und Erfah-                  6. November 2020                                     lenden den Besucherinnen und Besuchern
rungen werden nicht spurlos an uns vor-                Welche Fähigkeiten werden wir in den                     diverse Aktivitäten an den Ständen. Hier
beigehen. Einige Trends erreichen so den               kommenden Jahren vermehrt benöti-                        findet der Austausch mit Expertinnen und
Durchbruch und die Digitalisierung wird                gen, um in einer digitalen und sich rasant               Experten statt und neue Inspirationen und
zu den grossen Gewinnern gehören.                      entwickelnden Welt zu bestehen? Der                      Inputs locken an jeder Ecke.
   Auch bei der Swissdidac Bern haben                  Thementag zur Schule von morgen geht                        Neu finden zudem die renommierten
die Umstände Spuren hinterlassen. Das                  auf diese Frage ein. Der ehemalige Chief                 Tablet Days parallel zur Swissdidac Bern
Format «Messe» ist direkt von den                      Technology Officer von IBM und Autor                     statt. Diese zeigen die Möglichkeiten digi-
Massnahmen betroffen. Und gerade als                   Gunter Dueck gibt in seiner Keynote einen                taler Medien für den Bildungsbereich. Die
die Schulen schweizweit auf Fernunter-                 Vorgeschmack auf die Zukunft der Schule.                 Tablet Days trumpfen mit praxisorien-
richt umstellen mussten, befand sich das                  Um der aktuellen Situation gerecht zu                 tierten Workshops sowie horizonterwei-
Rahmenprogramm der Swissdidac Bern                     werden, ist dem Fernunterricht und Lock-                 ternden Netzwerken auf. Der Besuch der
in der Konzeptionsphase. Um auf diese                  down ein ganzer Tag gewidmet. Die mor-                   Swissdidac Bern ist im Tablet-Days-Ticket
aussergewöhnliche Situation einzugehen,                gendliche Keynote lädt dazu ein, bei der                 inbegriffen. Die Swissdidac Bern will auch
wurde das Programm kurzerhand ange-                    Betrachtung dieser historischen Situation                Raum bieten für Begegnungen. Lehrper-
passt, nicht zuletzt, um den grossen Einsatz           verschiedene Perspektiven einzunehmen.                   sonen, Schulleitende und Verantwortliche
aller Beteiligten zu honorieren.                       Dazu gehören die Sichtweisen der Politik,                aus Gemeinden und Politik sollen von
                                                       sowohl national als auch kantonal, die der               Austausch und Weiterbildung profitieren.
Interaktive Thementage                                 Schulleitenden, Lehrpersonen und Schü-
Das Rahmenprogramm der Swissdidac                      lerinnen und Schüler.                                    Anna Wellmeyer, Bereichsleiterin
Bern umfasst drei Thementage. Eine pas-                   Der Lockdown macht auf einen Schlag                   Bildung BERNEXPO
sende Keynote, also ein Fachvortrag zum                klar, dass die Digitalisierung an Schulen
Thema, macht jeweils den Auftakt zu den                immer wichtiger wird. Der dritte Themen-
einzelnen Tagen. Auch die Aktivitäten an               tag fokussiert auf die generelle Herausfor-              Weiter im Netz
den Ständen sind mehrheitlich auf den                  derung für die Schulen, die Digitalisierung              www.swissdidac-bern.ch

Die Austausch- und Bildungsplattform Swissdidac findet alle zwei Jahre statt. Dieses Jahr steht die Digitalisierung im Fokus. Grafik: zVg

                                                                                                                                                       11
STEHSATZ | STEHSATZ
                                                                                    RUBRIK

Eine Berufung im Bann
der Viruskrise
Text:              Plötzlich waren die Schulen zu. Der Coronapandemie sind die
Patricia Dickson
                   Lehrerinnen und Lehrer mit Kreativität und Engagement entgegen-
Foto:              getreten. Doch die Situation zehrt selbst an den Hartgesottensten.
iStock/Ridofranz
                   Sie zeigt jedoch auch die Stärken des Berufsstandes auf.

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5 | 2020
CORONA

Früher war im Dorf klar: Der Herr Lehrer ist eine respek­         lung auf Fernunterricht und Homeoffice bedeutet für die
table Autorität aus gutem Haus, die Wissen vermittelt und         Lehrpersonen grossen Stress.» Denn: Bei ihnen kommen zu
beim Nachwuchs für Zucht und Ordnung sorgt. Zum Glück             den familiären Sorgen, wie fehlende Betreuung der eigenen
ging der Beruf mit der Zeit, mit der Vielfalt der Gesellschaft
wurde auch der Berufsalltag vielfältiger. Unterdessen spricht     «Gerade Lehrerinnen und Lehrer muss
man von Lehrpersonen, und Pädagogische Hochschulen
bereiten wissenschaftlich und praktisch auf die Herausfor­        man mehr darauf aufmerksam machen,
derungen des Schulalltags vor. Für Lehrpersonen gilt wie          besser zu sich zu schauen.»
für alle anderen das lebenslange Lernen: didaktisch, pädago­
gisch, technologisch und nicht zuletzt zwischenmenschlich.        Kinder oder Familienmitglieder in der Risikogruppe, die
   Man ist versucht zu sagen: Frau Lehrerin und Herr              Sorge um ihre Schülerinnen und Schüler. Nicht alle haben
Lehrer sind jedem Szenario gewachsen. Auf das jedoch,             daheim die nötige Infrastruktur, nicht überall genügt die
was das Coronavirus unserer Gesellschaft jetzt beschert,          Unterstützung der Eltern. Das heisst für Lehrpersonen:
waren selbst die souveränsten Lehrerinnen und Lehrer nicht        mehr telefonieren, chatten oder mailen und allgemein mehr
vorbereitet: «So eine Situation hatten wir noch nie. Von          Aufwand, um ansatzweise den Kontakt aufrechtzuerhalten.
einem Tag auf den anderen haben sich die ganze Unter­
richtsvorbereitung und die Betreuung der Schülerinnen und         Eine Bereicherung, die belastet
Schüler verändert», fasst Dagmar Rösler, Zentralpräsiden­         Es ist die Beziehungsarbeit, die den Lehrberuf derzeit mehr
tin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz              belastet als üblich. Um diese Belastung auszuhalten, braucht
(LCH), den ersten Schock zusammen, als der Bundesrat              es eine schützende Distanz. Für Lehrpersonen sei dies
am 13. März 2020 landesweit den Präsenzunterricht an              besonders schwierig, weil sie sich für das Wohl ihrer Schü­
Schulen aussetzte und kurz darauf eine «ausserordentliche         lerinnen und Schüler verantwortlich fühlen, sagt Conrad.
Situation», also den Notstand, verkündete.                        Darum geschehe es schnell, dass sie vergessen, zu sich
                                                                  selbst Sorge zu tragen. «Gerade Lehrerinnen und Lehrer
Ärmel hoch und angepackt                                          muss man mehr darauf aufmerksam machen, besser zu
Der Schock bewirkte bei der Schweizer Lehrerschaft den­           sich zu schauen.»
noch keinen Stillstand. Im Gegenteil. «Die Lehrerinnen und           Kurzfristig sei es ausserdem wichtig, sich den Perfek­
Lehrer haben sehr engagiert und unkompliziert reagiert»,          tionismus abzugewöhnen und Prioritäten zu setzen. «Zum
sagt Rösler. Innert kürzester Zeit erhielten Schülerinnen         Beispiel indem sie gezielt jene Kinder unterstützen, die mit
und Schüler ihre Hausaufgaben – via Mail, Post, manchmal          dem Fernunterricht gerade besonders Mühe haben.» Die
sogar per Velo. Auch Thomas Minder, Schulleiter und               Arbeit als Lehrerin oder Lehrer bleibe ob all der Sorgen
                                                                  und der Verantwortung eine schöne Arbeit, ist Conrad
«Wo die Teams zuvor schon gut                                     überzeugt: «Die Beziehungsarbeit mit den Kindern macht
                                                                  den Lehrberuf gerade so bereichernd.» Wenn man etwas
funktioniert haben, können sie                                    bewirken kann, sei die Zufriedenheit dafür umso grösser,
sich jetzt auf gegenseitige                                       aller Belastung zum Trotz.

Unterstützung verlassen.»                                         Auch Lehrpersonen brauchen Struktur
                                                                  Corona hat viele ins Homeoffice verbannt. Für Lehrerinnen
Präsident des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter          und Lehrer gelten dort die gleichen Tipps wie für andere
Schweiz (VSLCH), spricht seinen Lehrpersonen ein grosses          Berufe: auf eine klare Tagesstruktur achten, den Arbeits­
Lob aus: «Das Team war sensationell. Alle haben die Ärmel         platz angenehm einrichten, regelmässige Pausen einhalten
hochgekrempelt und angepackt.»                                    und wenn möglich Berufliches und Privates räumlich tren­
  Wie wichtig Teamarbeit in Ausnahmesituationen wie               nen. Ein entscheidender Faktor in der Ausnahmesituation
dieser ist, bestätigt Cornelia Conrad. Sie leitet die Abteilung   ist die Schulleitung. Schon im normalen Schulbetrieb spielt
Gesunde Schulen der Schweizerischen Gesundsheitsstiftung          sie eine wesentliche Rolle, während der Krise erst recht.
Radix. «Wo die Teams zuvor schon gut funktioniert haben,          «Schulleitende können in unsicheren Zeiten Orientierung,
können sie sich jetzt auf gegenseitige Unterstützung verlas­      Zuversicht und Unterstützung bieten», sagt Conrad. Neben
sen.» Sie gibt jedoch zu bedenken: «Die plötzliche Umstel­        Struktur und Kommunikation gehöre auch das Wohlbe­

                                                                                                                           13
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finden in den Aufgabenbereich der Schulleiterinnen und                            Technologie – nicht ohne Zwischenmenschliches
Schulleiter: nach dem Befinden fragen, wenn nötig eine                            Engagement und Freiheit sind denn auch jene Werte, mit
Zwangspause verordnen. Denn man kann sich nur um                                  denen Lehrerinnen und Lehrer im Alltag ausserordentliche
andere kümmern, solange es einem selbst gut geht.                                 Situationen meistern. Nach dieser Krise kann die digitale
   Zu Pausen rät Thomas Minder seinen Lehrerinnen und                             Transformation den Beruf allerdings nachhaltig verändern.
Lehrern immer wieder. Aber: «Ob sie solche Ratschläge                             In Sachen technologische Kommunikation ist innerhalb
annehmen, hängt stark von der Persönlichkeit der jeweili­                         weniger Wochen viel geschehen, auf dem die Schulen nun
gen Lehrperson ab.» Ihm sei es wichtig, einen strukturellen                       aufbauen können. Auf den Umgang mit Technologie werde
                                                                                  wohl in Zukunft ein weiterer Ausbildungsschwerpunkt für
«Nicht alle Lehrpersonen sind im                                                  angehende Lehrpersonen gesetzt, sagt Dagmar Rösler.
                                                                                      So hilfreich diese Lösungen sind, so schmerzhaft wird
Alltag gut organisiert. Sie haben                                                 jetzt jedoch der Wert des persönlichen Austauschs bewusst.
bei ihren Aufgaben viel Gestaltungsfreiheit,                                      Darin liege die grosse Stärke des Berufsstandes, ist Rösler
                                                                                  überzeugt: «Jetzt sehen wir, wie wichtig der direkte Kontakt
die ihnen erlaubt, etwas undiszipliniert                                          ist, wenn Lehrpersonen die Reaktionen der Schülerinnen
zu sein.»                                                                         und Schüler unmittelbar miterleben.» Dieser Meinung ist
                                                                                  auch Thomas Minder. Er wagt die Vorhersage, dass künftig
Rahmen zu schaffen, der seinen Lehrerinnen und Lehrern                            das soziale Lernen noch stärker gepflegt werde. «Das ist
Halt bietet. «Nicht alle sind im Alltag gut organisiert. Sie                      gerade in einer digitalen Welt sehr wichtig.» ■
haben bei ihren Aufgaben viel Gestaltungsfreiheit, die ihnen
erlaubt, etwas undiszipliniert zu sein», sagt Minder. Unter
normalen Umständen schaffen Semesterplan und feste                                Weiter im Netz
Zeiten im Klassenzimmer eine solide Struktur, die nun im                          www.radix.ch/gesundzuhause

Homeoffice fehlt. Hier sind derzeit umso mehr die Schul­
leitenden gefordert.

Die Coronakrise hat dem Schulsystem eine digitale Schnell-Transformation verpasst. So wichtig dieser digitale Lernprozess langfristig ist, so wichtig bleiben im
Berufsalltag weiterhin das soziale Lernen und der persönliche Austausch. Foto: iStock/skynesher

14
5 | 2020
CORONA

Lernen trotz und durch
Corona
Plötzlich ganz ohne Präsenz unterrichten: Das Coronavirus fordert Schulen,
Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler heraus. Digitale Medien spielen in der
Bewältigung der Situation eine Hauptrolle. Wird davon etwas bleiben?

Die Massnahmen des Bundesrats vom                  und zum grossen Teil orts- und zeit-               Fragen, weshalb und mit welchem Ziel
Freitag, 13. März 2020, trafen viele Schu­         unabhängiges Lernen ermöglicht.                    digitale Medien überhaupt eingesetzt wer­
len unerwartet. Von einem Tag auf den           • Dies ist vor allem auch nicht «Lernen               den sollen, wiederholten sich praktisch
anderen mussten alle Schulstufen einen             mit digitalen Medien», das auf einen               alle Diskussionen der letzten zwanzig
Unterricht komplett ohne Präsenz organi­           ausgewogenen Mix von analogen und                  Jahre – ziemlich hektisch und notgedrun­
sieren. Wer nicht Taschen mit Unterrichts­         digitalen Medien setzt und die physi­              gen oft mit Leuten, die sich bislang eher
material bei jeder Familie vorbeibringen           sche Präsenz didaktisch sinnvoll nutzt.            wenig mit dem Digitalen in der Bildung
und nach einer Woche die Ergebnisse wie­        Die aktuelle Situation ist somit zumindest            beschäftigt hatten. Dabei haben sich auch
der abholen wollte, setzte die verfügbaren      für den deutschsprachigen Raum absolut                alte Erkenntnisse bestätigt, die wenig mit
digitalen Werkzeuge ein oder versuchte,         neu und die gemachten Erfahrungen lassen              digitalen Medien zu tun haben.
rasch welche zu organisieren.                   sich nicht eins zu eins auf den normalen
    Entsprechend gross war das Informa­         Unterricht übertragen.                                Die Bedeutung der Schule
tionsbedürfnis: Die von der PH Schwyz                                                                 Kaum konnten die Schülerinnen und
ins Leben gerufene Website www.Lernen­          Corona befeuert alte Diskussionen                     Schüler nicht mehr zur Schule gehen,
TrotzCorona.ch verzeichnete in den ersten       Im ersten Monat des Verbots von Prä­                  sahen Expertinnen und Experten die
14 Tagen eine Viertelmillion Seitenaufrufe.     senzunterricht liess sich die Entwick­                Chancengerechtigkeit gefährdet, da nicht
Viele Lehrerinnen und Lehrer wuchsen in         lung digitaler Medien im Schulumfeld in               alle Familien zu Hause über die gleichen
dieser Zeit digital über sich hinaus und                                                              Förderungsmöglichkeiten für ihre Kinder
schafften, was sie sich noch vor Kur­                                                                 verfügten. Die Krise verdeutlicht damit
zem nicht zugetraut hätten: eine Video­
                                                «Die aktuelle Situation hat                           die wichtige gesellschaftliche Funktion der
konferenz mit der ganzen Klasse führen,         deutlich gezeigt, dass ohne                           Schule. Dies gilt auch – und das hat sich
Arbeitsaufträge für eine ganze Woche auf        eine funktionierende Infra-                           während der Schulschliessungen ebenfalls
einer Website zur Verfügung stellen oder                                                              gezeigt – bezüglich Medienkompetenz. Im
Arbeiten von Schülerinnen und Schülern          struktur auch die schönsten                           digitalen Bereich kommt der Schule die
digital in Empfang nehmen und individu­         didaktischen Konzepte Theo-                           wichtige Aufgabe zu, alle Schülerinnen
elle digitale Rückmeldungen geben.                                                                    und Schüler zu mündigen Bürgerinnen
    Bald waren begeisterte Stimmen zu           rie bleiben.»                                         und Bürgern zu erziehen.
hören, die Coronakrise hätte die Digitali­
sierung in Schulen stärker vorangetrieben       komprimierter Form beobachten. Von                    Die Bedeutung des direkten Austauschs
als sämtliche Digitalisierungsbemühungen        Ausstattungs- und Supportfragen bis zur               Bald nach Beginn der Schulschliessungen
der letzten Jahre. Stimmt dies tatsäch­         Datenschutzthematik und zu allgemeinen                war sowohl von Lehrpersonen als auch
lich? Gibt es bereits Erkenntnisse, die uns
bezüglich Digitalisierung auch im norma­
len Unterricht helfen könnten?

Notfall-Fernunterricht und nicht
«Lernen mit digitalen Medien»
Vor allzu schnellen Schlüssen gilt es festzu­
halten, dass das Unterrichten während des
Lockdowns in verschiedenster Hinsicht
einzigartig und nur bedingt mit unserem
normalen Schulalltag vergleichbar ist.
Während dieser Zeit müssen Lehrperso­
nen Schülerinnen und Schüler unterrichten,
die ausschliesslich zu Hause und nie im
Schulzimmer sind:

• Dies ist nicht Homeschooling, bei
  dem Eltern die Kinder zu Hause
  unterrichten. Im Gegenteil: Die Eltern
  sind zwar anwesend, aber oft absor­
  biert durch Homeoffice und/oder
  existenzielle Ängste in der Krise.
• Dies ist kein normaler Fernunterricht,
  der von langer Hand geplant wird
                                                Schulen, die bereits über eine 1:1-Ausstattung verfügten, waren für den Notfall-Fernunterricht nicht
                                                nur in Bezug auf die Infrastruktur besser gerüstet. Illustration: iStock/Wavebreakmedia

                                                                                                                                                       15
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von Schülerinnen und Schülern zu lesen,
die den direkten Kontakt vermissten. Auch
dies ist eine Erfahrung, die das Fernlehren
seit Jahrzehnten begleitet. Vielleicht geht
es den Schülerinnen und Schülern nach
dieser Erfahrung gleich wie vielen Studie­
renden vor über zehn Jahren: Sie haben
aufgrund erster Blended-Learning-Module
die Präsenzphasen stärker schätzen gelernt.

Funktionierende Infrastruktur und
notwendige Anwendungskompetenzen
Seit Jahren wird zu Recht betont, dass Inf­
rastruktur nicht das Wichtigste sei beim
Lernen mit digitalen Medien. Die aktuelle
Situation hat aber ebenfalls deutlich gezeigt,

«Wer dank Unterricht in
‹Medien und Informatik›
schon etwas über die unter-                      Wer Schlüsse aus dem Notfall-Fernunterricht ziehen möchte, sollte beachten, dass diese Phase nur
schiedlichen Grössen verschie-                   begrenzt mit dem normalen Schulalltag zu tun hat. Foto: iStock/Fabio Principe

dener Dateitypen gelernt hatte,                  Einige Schülerinnen und Schüler mussten              Und nach der Krise?
kam vermutlich nicht auf die                     erkennen, wie wichtig die vielbeschwo­              Den beiden eben gestellten Fragen gilt es in
                                                 rene Lesekompetenz nun für das alltägli­            abgewandelter Form auch nach der Krise
Idee, das selbst erstellte,                      che Arbeiten war. Wer die zur Verfügung             nachzugehen: Was ist die Aufgabe von
megabyteschwere Video per                        gestellten Aufträge und Anleitungen nicht           Schule in einer digitalen Welt und wie las­
                                                 oder nur ungenau las oder sich im Internet          sen sich digitale Medien sinnvoll nutzen?
Mail verschicken zu wollen.»                     nicht selbst Hilfe suchen konnte, war über          Während des Lockdowns fehlte die Zeit
                                                 kurz oder lang aufgeschmissen. Während              für langes Planen und Reflektieren und es
dass ohne eine funktionierende Infrastruk­       des Verbots von Präsenzunterricht bewie­            stand oft die Technik im Vordergrund –
tur auch die schönsten didaktischen Kon­         sen plötzlich auch abstrakte Konzepte der           danach sollten wir mit der notwendigen
zepte Theorie bleiben. Schulen, die bereits      Informatik Alltagstauglichkeit. Wer dank            Ruhe und Gelassenheit die grundlegenden
vor der Pandemie über 1:1-Ausstattungen          Unterricht in «Medien und Informatik»               Fragen des Lernens in einer digitalen Welt
verfügten, waren nun klar im Vorteil –           schon etwas über die unterschiedlichen              in der Breite klären.
nicht nur in Bezug auf die Infrastruktur.        Grössen verschiedener Dateitypen gelernt
                                                 hatte, kam vermutlich nicht auf die Idee,            Beat Döbeli Honegger
Nicht nur Informatik-, sondern auch              das selbst erstellte, megabyteschwere
Lesekompetenz ist gefragt                        Video per Mail verschicken zu wollen.
In Schulen mit 1:1-Ausstattung konnten                                                                Der Autor
                                                                                                      Beat Döbeli Honegger ist Leiter des Instituts
sowohl Lehrpersonen als auch Schülerin­          Didaktik: Die Vielfalt macht’s!
                                                                                                      für Medien und Schule der Pädagogischen
nen und Schüler einigermassen effizient          Didaktisch ist es schwieriger, Erkenntnisse          Hochschule Schwyz und Mitinitiant der
mit dem digitalen Fernunterricht starten.        aus dem Notfall-Fernunterricht in den nor­           Website www.lernentrotzcorona.ch
Wie die Geräte benutzt und wo die Daten          malen Unterrichtsalltag zu übernehmen,
mit welchen Namen abgelegt werden kön­           da sich die Rahmenbedingungen unter­
nen und über welche Kanäle kommuniziert          scheiden. Umgekehrt zeigte sich jedoch
werden kann, war ihnen bereits bekannt.          bald, dass eine digitale Kopie des bisheri­
An anderen Schulen zeigten sich elemen­          gen Unterrichts kaum möglich war. Somit
tare Lücken in der Anwendungskompe­              stellten sich sowohl Fragen nach fernun­
tenz. Hier ist vermutlich der grösste Schub      terrichtstauglichen Vermittlungsmethoden
in Sachen Digitalisierung zu verzeichnen.        als auch die allgemeinere Frage, was denn
Im Krisenmodus hat sich die allgemeine           überhaupt Aufgabe der Schule in der aktu­
Anwendungskompetenz massiv verbessert.           ellen Situation sei.

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5 | 2020
CORONA

Schulsozialarbeit –
notwendiger denn je
Durch das Verbot von Präsenzunterricht mussten auch die Schulsozialarbeitenden ihre Arbeit auf
digitale Kanäle verlagern. Obwohl der fehlende direkte Kontakt Einschränkungen mit sich bringt,
erfüllen sie weiterhin ihre Aufgabe, Eltern, Schülerinnen und Schüler zu beraten und zu unterstützen.

Wenige Tage nach den Schulschliessun-               Beratung offiziell abgesegnet                       Beratungsdienste offiziell unterstützt und
gen erhielten die Eltern schulpflichtiger           Ähnlich präsentiert sich die Lage an der            getragen wird.» Dies bestätigt Nadine
Kinder und Jugendlicher der Zürcher                 Schule von Dorothee Miyoshi, Mitglied               Ciamberlano, die ihre Massnahme mit
Gemeinde Uitikon ein Schreiben von der              der Geschäftsleitung LCH und Schulische             der Schulleitung abgesprochen hat und
Schulsozial­ arbeiterin Nadine Ciamber-             Heilpädagogin. Dort bietet die Schulso-             im regen Austausch mit allen Fachper-
lano. Darin bot sie Eltern, Schülerinnen            zialarbeiterin eine telefonische Beratung           sonen an der Schule steht. «Uns sind der
und Schülern Beratungsgespräche per                 an und sie hat auch die Schülerinnen und            Teamgedanke und das gemeinsame Han-
Mail, SMS oder Telefon als Alternative zu                                                               deln als Schule ein grosses Anliegen.» Als
persönlichen Gesprächen an. «Aufgrund                                                                   Schulsozialarbeiterin wolle sie den Puls
der weitreichenden Konsequenzen des                 «Auch mit dem Verbot von                            der Schule fühlen und herausfinden, in
Lockdowns befürchtete ich einen zuneh-              Präsenzunterricht besteht                           welchen Bereichen sie Schulleitung, Lehr-
menden Unterstützungsbedarf», erklärt                                                                   personen, Schülerinnen und Schüler sowie
die Schulsozialarbeiterin, die in einem             nach wie vor Unterstützungs-                        ihre Eltern unterstützen könne.
60-Prozent-Pensum an der Schule Uitikon             bedarf bei vielfältigen
tätig ist. Martina Good und Yves Tappert,                                                               Individuelle Lösungen sind gefragt
Mitglieder des Vorstandes des Schulso-              Themen, mit denen die Schul-                        In den ersten Wochen des Lockdowns
zialarbeitsverbandes (SSAV), begrüssen              sozialarbeit vertraut ist, jetzt                    beschränkten sich die Beratungen Ciam-
Ciamberlanos Engagement. «Auch mit                                                                      berlanos vorwiegend auf Personen, die
dem Verbot von Präsenzunterricht besteht
                                                    vielleicht umso mehr.»                              bereits vorher die Schulsozialarbeit auf-
nach wie vor Unterstützungsbedarf bei                                                                   gesucht hatten. Bislang haben sich zwei,
vielfältigen Themen, mit denen die Schul-           Schüler kontaktiert, mit denen sie vor der          drei Personen gemeldet, mit denen sie vor-
sozialarbeit vertraut ist, jetzt vielleicht         Schulschliessung zu tun hatte, um den               her nicht in Kontakt stand. «Einige Eltern
umso mehr», betonen die Co-Präsidentin              aktuellen Unterstützungsbedarf abzu-                sind es nicht gewohnt, an der Schule um
und der Verantwortliche für das Ressort             schätzen. Miyoshi unterstreicht: «Wichtig           Unterstützung zu bitten», gibt sie zu beden-
Qualitätsmanagement.                                scheint mir, dass die Weiterführung der             ken. «Somit wirkt die Kontaktaufnahme

Da sich Jugendliche mit Beratungen am Telefon schwertun, setzen die Schulsozialarbeitenden für den Kontakt mit ihnen während der Coronapandemie
vorwiegend auf Whatsapp. Foto: SSAV

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