CSS BRIEFING NOTE Sicherheitspolitische Trends 2021 - 2029: Die Post-COVID-19 Welt
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CSS BRIEFING NOTE Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt Zürich, 30. November 2020 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich
Diese Studie ist online verfügbar unter css.ethz.ch/en/publications/other-reports.html ETH-CSS Projektmanagement: Oliver Thränert, Lisa Watanabe Redaktion: Julian Kamasa, Fabien Merz Layout: Miriam Dahinden-Ganzoni © 2020 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich DOI: 10.3929/ethz-b-000453495
Inhalt Einführung: Weltordnung im Wandel 4 Drohnen und Robotik in den Streitkräften 6 Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 8 A Biden Administration as an Opportunity to Renew NATO 11 COVID-19: An Opportunity for China, a Setback for Russia 13 Europäische Verteidigungsbudgets nach COVID-19 15 Post-Brexit: Grossbritannien und Europäische Sicherheitspolitik18 Die EU und die Türkei: Entfremdung trotz Interdependenzen20 The Pandemic Will Fuel Instability in the Maghreb 22 Persistent, but Not Imminent: Nuclear Proliferation Risks in the Middle East 24
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt Einführung: geträumt. Moskau ist zwar an einem leidlichen Funktio- Weltordnung im Wandel nieren der UNO interessiert, da es dort mit seinem stän- digen Sicherheitsratssitz nebst Veto-Macht eine heraus- Oliver Thränert gehobene Stellung einnimmt. Andere, als westlich wahrgenommenen Regelwerke wie die der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), wo Die alte, liberale Weltordnung wankt, aber ihre Konturen die Förderung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit ei- sind noch erkennbar. 75 Jahre nach ihrer Gründung exis- nen wichtigen Platz einnehmen, finden dagegen in der tieren die Vereinten Nationen noch, und noch greifen zu- russischen Hauptstadt kaum noch Unterstützer. Das mindest einige Räder in ihrem komplexen Regelsystem Denken und Handeln wird vielmehr von eigenen Gross- ineinander. Zugleich stellt UNO-Generalsekretär Antonio machtansprüchen dominiert. Mittels geschickt orchest- Guterres indes fest, dass das Verhältnis zwischen den drei rierter Desinformationskampagnen etwa rund um die wichtigsten Mächten USA, Russland und China noch nie vermutlich auf das russische Konto gehenden so dysfunktional gewesen sei wie derzeit. Dies ist umso «Nowitschok»-Giftgasanschläge von Salisbury 2018 und problematischer, als grosse Herausforderungen anstehen. gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawal- Im globalem Massstab vor allem natürlich die Bekämp- ny im Jahr 2020 soll in westlichen Staaten Zwietracht ge- fung der Corona-Pandemie einschliesslich all der nicht zu sät werden. vermeidenden wirtschaftlichen Einschnitte und daraus Weiter im Osten lässt sich China auch durch die wiederum resultierenden gesellschaftlichen Polarisierun- Corona-Krise nicht beirren und hegt seit dem Amtsantritt gen bei gleichzeitiger Schwächung von Staatlichkeit, die seines Präsidenten Xi Jinping ebenfalls offen Gross- wir als Folge der Globalisierung ja ohnehin schon seit eini- machtambitionen. Peking sieht den Westen als im Ab- ger Zeit sehen. Noch ist nicht abzusehen, wann wirksame stieg begriffen und will seine eigenen Werte- und Ord- Impfstoffe zur Verfügung stehen werden und ob ihre Ver- nungsvorstellungen durchsetzen, dabei die existierenden teilung im Sinne der internationalen Zusammenarbeit internationalen Institutionen wie die UNO nutzend. An oder eher eines «Impfstoffnationalismus» erfolgen wird. westliche Normen will es sich keinesfalls anpassen. Im Dann der Klimawandel mit seinen globalen Folgen wie ei- Kern geht es China um den Erfolg seines Modernisie- ner zu erwartenden weiteren Zunahme von Migration. rungskonzepts, das eben nicht auf westlichen Werten be- Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt revolutionieren ruht. Nach innen dominiert demokratisch nicht legiti- und weitreichende gesellschaftliche Folgen haben, die mierte staatliche Kontrolle auf allen Ebenen und unter wiederum in internationalen Spannungen resultieren Nutzung modernster Technologien wie der Gesichtser- können. Sie wird ferner das militärische Handwerk stark kennung; nach aussen wirkt China seinen Nachbarn ge- verändern einschliesslich der Herausforderungen, die genüber zunehmend aggressiv. Seine Missachtung ge- durch Drohnen oder die Automatisierung von Waffensys- troffener Vereinbarungen und des Völkerrechts kann man temen zu gewärtigen sind. In das allgemeine Bewusstsein in Hongkong und im südchinesischen Meer besichtigen. rücken auch wieder die Gefahren einer ungezügelten nu- Nach dem Sieg Joe Bidens im amerikanischen klearen Rüstungsdynamik, dieses Mal unter Einschluss Präsidentschaftswahlkampf bestehen berechtigte Hoff- moderner Technologien wie Cyberfähigkeiten oder Welt- nungen, dass sich die USA wieder aktiv um internationale raumaktivitäten. Sollte Iran doch zur Atommacht werden, Lösungen für die gesamte Palette der anstehenden inter- hätte dies wohl weitreichende Konsequenzen nicht nur nationalen Herausforderungen bemühen. Doch sind von für den Mittleren Osten und einen dort drohenden militä- Joe Biden keine Wunderdinge zu erwarten. Zum einen, rischen Missbrauch bislang friedlicher Atomprogramme, weil die anstehenden internationalen Probleme allesamt sondern für das gesamte nukleare Nichtverbreitungsre- äusserst komplex und vielschichtig sind; zum anderen gime. Die Gefahr des Terrorismus, darunter des islamisti- aber auch, weil die Polarisierung der amerikanischen Ge- schen, ist keineswegs gebannt. Zudem ist die Welt voll von sellschaft fortbesteht und sich Biden daher vornehmlich regionalen Konflikten. Einige befinden sich direkt vor der auf innenpolitische Belange konzentrieren muss. Donald europäischen Haustür wie in der Ukraine, im Kaukasus Trumps Vorwurf der Wahlfälschung fällt bei vielen seiner oder auch im östlichen Mittelmeer. Wähler auf fruchtbaren Boden und wird die Biden-Präsi- Als die Vereinten Nationen ihren fünfzigsten Ge- dentschaft somit stark belasten. Ferner wird sich der neue burtstag feierten, waren westliche Staaten noch voll des Präsident wahrscheinlich nicht auf eine Mehrheit seiner Optimismus. Man war gerade dabei zu helfen, Demokra- demokratischen Partei im US-Senat abstützen können. tie und Rechtstaatlichkeit in den ehemals kommunisti- Schliesslich wird sich gerade Biden im Sinne seiner «Au- schen Staaten zu verankern. Einige vertraten sogar die ssenpolitik für die Mittelklasse» um den Schutz von ame- kühne These, Russland könne eines nicht allzu fernen Ta- rikanischen Arbeitsplätzen kümmern müssen. Dies wie- ges Mitglied von NATO und Europäischer Union werden. derum wird in einer Fortsetzung der Handelsstreitigkeiten Doch heute, 25 Jahre später, ist dieser Traum längst aus- mit China resultieren. Wie überhaupt davon auszugehen 4
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt ist, dass sich der Konflikt zwischen Peking und Washing- überrascht worden. Die Corona-Pandemie ist nur eines ton eher verstärkt als entspannt. Biden wird wieder die der herausragenden jüngsten Ereignisse. Wohl aber las- Verteidigung demokratischer und freiheitlicher Werte in sen sich gewisse Trends beschreiben – in manchen The- den Vordergrund rücken; und er wird sich um eine bessere menbereichen besser als in anderen. Womit wir bei der Zusammenarbeit mit amerikanischen Verbündeten be- Themenauswahl sind. Nicht alle sicherheitspolitisch rele- mühen, darunter im militärischen Bereich, was wiederum vanten Problemkreise können Berücksichtigung finden. zu Spannungen mit China führen könnte. Auch stellen wir nicht den Anspruch, die Analyse be- In den transatlantischen Beziehungen hingegen stimmter Entwicklungen immer wieder fortzuschreiben. ist mit einer deutlichen Entspannung zu rechnen. Mit ei- Vielmehr haben wir versucht, eine besonders für unsere nem US-Präsidenten Joe Biden gibt es für die Mehrheit Schweizer Leserschaft interessante Auswahl zu treffen. der europäischen Regierungen wieder einen vertrauens- Aktualität, Originalität und am CSS versammelte Kompe- würdigen Ansprechpartner. Dies bedeutet indes nicht, tenz waren wichtige Kriterien. Herausgekommen ist eine dass im amerikanisch-europäischen Verhältnis aus- interessante Mischung. Es geht um (militär-) technologi- schliesslich mit Eitel Sonnenschein zu rechnen ist. Vor al- sche Entwicklungen; die Frage, wie Russland und China lem das Thema der Lastenteilung bei den Verteidigungs- voraussichtlich aus der Corona-Krise hervorgehen wer- ausgaben wird erhalten bleiben. Vor dem Hintergrund den; um verschiedene Aspekte der europäischen Sicher- der durch die Corona-Krise stark angespannten Finanzla- heit und der transatlantischen Beziehungen; um sicher- ge in den allermeisten europäischen NATO-Ländern heitspolitische Trends in den europäischen Nachbarregi- könnte sich die transatlantische Debatte um Verteidi- onen rund um das Mittelmeer einschliesslich der gungslasten sogar zuspitzen. Golf-Region; und schliesslich um die Frage, wie künftige Dabei wären europäische Staaten gut beraten, Impfstoffe dabei helfen werden, die Corona-Pandemie zu sich mehr um ihre eigene Sicherheit zu kümmern. Denn überwinden. nicht nur muss sich der künftige US-Präsident auf die In- nenpolitik fokussieren, sondern da, wo es ihm um inter- nationale Fragen gehen wird, werden Asien und die Her- ausforderungen durch China im Vordergrund stehen, nicht der europäische Schauplatz. Will sich Europa aber wirksam um seine eigene Sicherheit bemühen gilt es nicht nur, die eigenen militärischen Fähigkeiten zu ver- bessern. Der EU-Austritt Grossbritanniens, eine Nuklear- macht und ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrates, macht dieses Vorhaben nicht gerade einfacher. Mindes- tens ebenso wichtig wie der Ausbau der militärischen Fä- higkeiten werden indes Initiativen für die Konfliktlösung in der zwischen der EU und Russland gelegenen Unruhe- zone sein. Auch in der Mittelmeerregion bis hin zum Na- hen und Mittleren Osten werden europäische Stabilisie- rungsbeiträge gefragt sein, nur schon um ein starkes Anwachsen irregulärer Migrationsbewegungen zu ver- meiden. Der Entwicklung der angespannten Beziehun- gen der EU zur Türkei wird in diesem Kontext eine zentra- le Rolle zukommen. Die grösste Herausforderung aber wird die immer gleiche bleiben: Wird es Europa gelingen, stärker mit einer Stimme zu sprechen, als dies in der Ver- gangenheit der Fall war? Zweifel bleiben angebracht. Zu sehr klaffen die Einzelinteressen der EU-Mitglieder wei- terhin auseinander. Dies ist der weltpolitische Hintergrund, vor dem das Center for Security Studies an der ETH Zürich auch in diesem Jahr wieder seinen Bericht zu den sicherheitspoli- tischen Trends der nächsten acht Jahre vorlegt. Aufgrund der Komplexität der weltpolitischen Entwicklungen ver- bietet sich ein auf mehr oder weniger konkrete Vorhersa- gen abzielender Bericht. Zu oft sind wir in den vergange- nen Jahren durch unvorhergesehene Begebenheiten 5
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt Drohnen und Robotik liche technologische Hürden. Dass Schwarmkonzepte im in den Streitkräften eigentlichen Sinne in den nächsten fünf bis zehn Jahren einsatzreif werden, ist zwar nicht gänzlich auszuschlie- Michael Haas / Annabelle Vuille ssen, aber doch zu bezweifeln. Doch selbst ohne funda- mentale technologische Durchbrüche in diesen Berei- chen werden sowohl der Autonomiegrad als auch das Der militärische Einsatz von Drohnen und Robotik hat in Fähigkeitsniveau robotischer Systeme insgesamt stei- den letzten zwei Jahrzehnten massiv an Bedeutung ge- gen. wonnen. Unbemannte oder teilautonome robotische So dürften etwa im Bereich der Materialwissen- Systeme sind heute bereits in den Streitkräften von 95 schaft neue Nanomaterialien die Überlebensfähigkeit Staaten im Einsatz. Sie erfüllen ein breites Spektrum an auch kleinerer Land- und Luftfahrzeuge erhöhen, unter Aufgaben, von der Nachrichtengewinnung und Aufklä- anderem durch neue Möglichkeiten der Tarnung und rung, über die Räumung von Kampfmitteln, Unterstüt- Täuschung (zum Beispiel durch ‘intelligente’ Oberflä- zungsaufgaben im Katastrophenfall, bis hin zur Bekämp- chenbeschichtungen) sowie durch Verbesserungen bei fung des Gegners in einer Vielzahl von Szenarien. Diese der Panzerung (zum Beispiel durch leichtere und hochfes- Trends werden sich im Zeitraum von 2021 bis 2029 nicht te Materialien). Hinzu kommen Fortschritte bei Nano- nur festigen, sondern deutlich verstärken. Gegen Ende technologien. Sie werden etwa die Miniaturisierung von dieser Phase könnte die Konvergenz der rasanten, zivil ge- Sprengköpfen und anderen Wirkmitteln, die Entwicklung triebenen Technologieentwicklung im Rahmen der soge- von intelligenten Mikrosensoren für die Aufklärung und nannten «vierten industriellen Revolution» mit einer alternative Energieversorgungs- oder Antriebsmöglich- wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz für den allge- keiten ermöglichen. Ergänzend wirken können additive genwärtigen Einsatz robotischer Systeme auch militäri- Herstellungsverfahren, zum Beispiel das sogenannte 3D- schen Anwendungen zum endgültigen Durchbruch ver- Printing, die einer schnellen, kostengünstigen und «mo- helfen. Zugleich werden Fortschritte bei den Querschnitt- dularen» Produktion von Drohnen und robotischen Syste- technologien, darunter unter anderem in der Sensorik, men Vorschub leisten werden. Komplett 3D-gedruckte der Navigation, der Wegfindung und des maschinellen Drohnen sind bereits heute in den Streitkräften der USA Lernens sowie deren Übertragung auf den militärischen und Israels im Einsatz. Bereich zu einer Steigerung der gesamthaften Leistungs- Die Entwicklung optional unbemannter Mehr- fähigkeit und militärischen Wirkung dieser Systeme um zweckkampfflugzeuge der nächsten Generation wird sich mindestens eine weitere Grössenordnung führen. aufgrund der extrem hohen Komplexität und der exorbi- Das grösste Disruptionspotenzial ergibt sich dabei tanten Kosten im Vergleich zu spezialisierten robotischen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Bereits heute Systemen dagegen gewohnt harzig gestalten. Im Fahr- sind experimentelle, mit sogenannter «schwacher KI» be- wasser der Corona-Krise dürften stagnierende oder gar fähigte Systeme in der Lage, spezifische Aufgaben wie fallende Verteidigungsbudgets diese Unterscheidung Aufklärung, Überwachung, Bodenangriffe und unterstüt- weiter akzentuieren. Im Ergebnis ist deshalb auch im Fall zende Logistikaufgaben zumindest mit einem begrenz- laufender Entwicklungsprogramme für Kampfflugzeuge ten Grad von Autonomie zu erfüllen. In diesem Bereich der 6. Generation (NGF/FCAS, NGAD, Tempest) noch mit sehr aufgabenspezifischer KI-Systeme sind auch im kom- der Beschaffung bemannter Systeme zu rechnen. Abge- menden Jahrzehnt die grössten Fortschritte zu erwarten. sehen davon bleibt ungeklärt, ob diese Projekte für Syste- Dass eine sogenannte «allgemeine KI» noch während der me der 6. Generation im kommenden Jahrzehnt über- beginnenden Dekade eine ausreichende technische oder haupt umsetzbar sein werden. In den USA wird operativ-taktische Reife erreichen kann, scheint dagegen mittlerweile spekuliert, dass die US Air Force stattdessen sehr viel weniger wahrscheinlich. Die Vorstellung, dass auf eine leistungsfähigere Variante eines Mehrzweck- vollautonome luft-, land- oder seegestützte Systeme kampflugs der 5. Generation, zum Beispiel den F-35E, set- ohne menschliche Intervention oder unmittelbare Über- zen könnte. Auch europäische Staaten werden wohl im wachung auf der taktischen Ebene militärische Kern- nächsten Jahrzehnt und darüber hinaus auf solche «Brü- funktionen übernehmen könnten, ist in naher Zukunft ckenlösungen» zurückgreifen müssen. Hier treten neben wenig realistisch. den technischen und finanziellen Hemmnissen ausser- Ähnliches gilt auch für die Erwartung, dass robo- dem altbekannte Schwierigkeiten in der politischen Ab- tische Systeme ohne Detailplanung durch menschliche stützung und Koordination bei der Rüstungsbeschaffung Operateure in intelligenten «Schwärmen» komplexe mi- hinzu. litärische Aufgabenstellungen lösen können werden. Stark an Bedeutung gewinnen wird hingegen das Obwohl viele Staaten – allen voran die USA und China – «human-machine teaming», also die enge taktische Ko- grosse Summen in die Erforschung und Erprobung sol- operation bemannter mit unbemannten System – zum cher Konzepte investieren, bestehen weiterhin beträcht- Beispiel in Form sogenannter «loyal wingman»-Konzepte. 6
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt Eines der weltweit führenden Programme in diesem Be- schen Landoperationen sein werden, ist jedoch reich ist das Airpower Teaming System (ATS) der australi- inzwischen unbestritten. Wann die bevorstehende «UGV schen Luftstreitkräfte. Im Mai 2020 präsentierte Boeing Revolution» im Bereich der Landsysteme zum vollen Australia den ersten Prototypen einer KI-befähigten, Durchbruch kommen wird, bleibt jedoch schwer ab- halb-autonomen «loyal wingman»-Drohne. Sie soll eine schätzbar. Reichweite von über 3500 Kilometern erreichen, flexible Mit Blick auf die Marinesysteme werden sowohl Nutzlasten (Sensoren und Wirkmittel) tragen können, unbemannte Überwasser- als auch Unterwassersysteme und sowohl von Bodenkontrollstationen als auch von an Bedeutung gewinnen. Bereits heute spielen sie in den Kampfflugzeugen aus gesteuert werden können. Ziel ist konzeptuellen Überlegungen vieler nennenswerter See- es, die Missionsvielfalt und das Fähigkeitsspektrum der mächte eine wichtige Rolle. Zu den Aufgabenbereichen Luftwaffe als Ganzes deutlich zu erhöhen. Angedachte gehören die Verminung von Seewegen und die Minen- Aufgaben sind beispielsweise Überwachung und Aufklä- räumung, sowie die grossräumige Seeaufklärung und rung, elektronische Kriegsführung, und die Bekämpfung Seeüberwachung. Ferner können diese unbemannten von Luftabwehrstellungen oder weit entfernten strategi- Marinesysteme als wichtige Kommunikationsknoten für schen Zielen. Laut Boeing soll die Produktion bereits Mit- vernetzte Operationen in dicht verteidigten Räumen ge- te des laufenden Jahrzehnts beginnen. Ähnliche Ziele ver- nutzt werden. Derzeit befinden sich mehrere derartige folgen die USA mit der von Kratos entwickelten Systeme in der Einsatzerprobung, so zum Beispiel das Fe- Stealth-Drohne XQ-58A Valkyrie und der neu konzipier- strumpfschlauchboot «Protector USV» der israelischen ten Skyborg-Drohne. Beide Systeme sollen dank KI-Unter- Kriegsmarine. Ferngesteuerte oder gar autonome Mari- stützung und modularen Nutzlasten künftig komplexe nesysteme – und hier insbesondere die unbemannten Missionen im Zusammenspiel mit anderen bemannten Unterwassersysteme – stehen anderen technischen Her- und unbemannten Einheiten übernehmen können und ausforderungen gegenüber als entsprechende Systeme den Luft- und Seestreitkräften als kostengünstige und für den Luftbereich, weshalb tendenziell ein etwas gerin- «abnutzbare» force multiplier dienen. Mit diesem Fokus geres Entwicklungstempo absehbar ist. Zu rechnen ist im auf «Abnutzbarkeit» schaffen die USA gleichzeitig eine kommenden Jahrzehnt zunächst mit der Einführung ei- neue Klasse von Systemen, die irgendwo zwischen hoch- ner neuen Generation autonomer Minen und kleiner bis wertiger, vernetzter Präzisionsmunition und traditionel- mittlerer Unterstützungsplattformen. Bereits Mitte der len Fähigkeiten im Bereich der Luftmacht anzusiedeln 2020er-Jahre könnten jedoch auch erste grössere und wären. Solche Bestrebungen sind auch in anderen Staa- hochkomplexe Systeme, wie beispielsweise die avisierten ten, wie beispielsweise Japan, Russland und Grossbritan- Medium/Large Unmanned Surface Vehicles der US Mari- nien erkennbar. ne, im Einsatz stehen. Im selben Zeitraum dürften auch Bei den unbemannten Landsystemen (unmanned die mittelfristigen Auswirkungen einer flächendecken- ground vehicles; UGVs) zielen laufende Entwicklungspro- den Aufklärung und Überwachung von Seeräumen auf gramme auf Verbesserungen bei der Kommunikation die seegestützte nukleare Abschreckung besser abschätz- und Führbarkeit sowie Mobilität und Autonomie und auf bar werden. eine weitere Diversifizierung des Einsatzspektrums. Die Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass Schwerpunkte liegen hier weiterhin auf Transport und Drohnen und robotische Systeme, denen ein transforma- Logistik, der Nachrichtengewinnung und Aufklärung so- tives Potenzial für militärische Einsätze zugeschrieben wie auf Eigenschutz, darunter den Konvoischutz und die wird, in den Streitkräften fast aller technologisch fortge- Kampfmittelbeseitigung. Perspektivisch ist davon auszu- schrittenen Länder im kommenden Jahrzehnt erheblich gehen, dass bewaffnete Varianten auch immer öfter in an Bedeutung gewinnen werden. Nicht zuletzt aufgrund Kampfeinsätzen in Erscheinung treten werden. Russland rasanter Fortschritte im Bereich ziviler Querschnittstech- hat bereits 2018 ein solches System mit der Bezeichnung nologien, die eine laufende und markante Verbesserung Uran-9 in Syrien getestet, wenn auch mit gemischten Er- des Leistungs- und Aufgabenspektrums dieser Systeme gebnissen. Auch die USA und China betreiben ambitio- versprechen, wird sich dieser Trend in der zweiten Hälfte nierte Entwicklungsprogramme in diesem Bereich. Die des Jahrzehnts immer weiter beschleunigen. Die gröss- Bandbreite der einsatzfähigen, bewaffneten UGVs dürfte ten Entwicklungssprünge sind zum gegenwärtigen Zeit- bereits Mitte der 2020er-Jahre von leichten und hochmo- punkt im Bereich der Luftsysteme zu erwarten, insbeson- bilen Systemen mit lafettierten Mittelkaliberwaffen, über dere im Rahmen von Einsatzkonzepten des «human-ma- gepanzerte Fahrzeuge mit vollwertigen Geschütztürmen, chine teaming», welche stark an Bedeutung gewinnen bis hin zu unbemannten, mit Lenkwaffen grösserer Reich- werden. Bis Ende der 2020er-Jahre werden jedoch auch weite ausgestatteten «missile trucks» reichen. Auch in robotische Land- und Marinesysteme immer stärker in diesem Technologiebereich bestehen jedoch noch be- militärischen Unterstützungs- und Kampfeinsätzen in Er- trächtliche technische Hürden und taktische Herausfor- scheinung treten und die Kriegführung nachhaltig verän- derungen. Dass UGVs ein Merkmal zukünftiger militäri- dern. 7
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt Weiterführende Literatur Impfstoffe gegen Ash Rossiter, «Bots on the ground: an impending UGV SARS-CoV-2 revolution in military affairs?» in: Small Wars & Insurgen- Michèle Gemünden cies 31:4 (2020), S. 851 – 873. Reinhard Grünwald / Christoph Kehl, Autonome Waffen- Die Hoffnungen auf ein möglichst baldiges Überwinden systeme, TAB-Arbeitsbericht Nr. 187 (Berlin: Büro für der Covid-19-Pandemie stützen sich ganz besonders auf Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, die Entwicklung von wirksamen Impfstoffen. Eine effekti- Oktober 2020). ve Bekämpfung der Krankheit setzt den fairen und mög- lichst globalen Zugang zu Impfstoffen voraus. Dies ist mit Joseph Trevithick / Tyler Rogoway, «‹B-21s With Air-To-Air medizinischen, finanziellen, logistischen und politischen Capabilities,› Drones, Not 6th Gen Fighters to Dominate Herausforderungen verbunden. Erforderlich ist zunächst Future Air Combat», in: The Drive, 05.09.2020. jedoch die Verfügbarkeit von Impfstoffen, die idealerwei- se für unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen wie Kin- Congressional Research Service, Artificial Intelligence and der, gesunde Erwachsene, Schwangere aber auch Men- National Security, (Washington, D.C.: Congressional schen mit geschwächtem Immunsystem oder erhöhtem Research Service, 26.08.2020). Komplikationsrisiko wirksam und vor allem sicher sind. Zwar sind letztendlich Impfungen als «Gamechanger» Christian Brose, «The New Revolution in Military Affairs: schon bald zu erwarten und erste Erfolgsmeldungen las- War’s Sci-Fi Future», in: Foreign Affairs (Mai/Juni 2019). sen Zulassungen bereits in 2020 realistisch erscheinen, allerdings werden sie nicht zu einem abrupten Ende der Pandemie führen. Die SARS-CoV-2-Pandemie führte zu einem bei- spiellosen wissenschaftlichen Wettbewerb, einen Impf- stoff gegen diesen Erreger zu finden. Die Weltgesund- heitsorganisation (WHO) listet über 200 Forschungspro- jekte auf, von denen 164 noch in der präklinischen Entwicklungsphase untersucht werden (Stand 12. No- vember 2020). 48 Impfstoffkandidaten haben dagegen bereits das Stadium der klinischen Prüfung im Menschen erreicht. Von diesen befinden sich elf in Phase III, der letz- ten klinischen Evaluierungsphase vor einer potenziellen Zulassung. In ihr wird die Schutzwirkung des Impfstoffs an Zehntausenden Freiwilligen getestet. Für drei Projekte laufen parallel dazu bereits rollende Zulassungsverfahren. Bislang ist es nicht gelungen, einen Impfstoff ge- gen Corona-Viren wie SARS oder MERS erfolgreich zu ent- wickeln. Zudem stimmen Berichte über Reinfektionen und die Beobachtung rasch sinkender Antikörper in von Covid-19 Genesenen skeptisch. Auch mutiert das Virus in Tierreservoirs, wenn auch offenbar in nur begrenztem Umfang. Dennoch sollte es grundsätzlich möglich sein, wirksame Impfstoffe zu entwickeln. Möglich ist es jedoch, dass eine Impfung regelmässig, zum Beispiel jährlich auf- gefrischt werden müsste, ähnlich wie bei einer Gripp- eimpfung. Zudem bleibt abzuwarten, wie hoch die Schutzwirkung künftiger Covid-19-Impfstoffe sein wird. Tatsächlich vermelden Hersteller bereits vielversprechen- de Hinweise auf eine hohe Wirksamkeit einzelner Kandi- daten über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen hin- weg, weshalb mit baldigen Notzulassungen der Spitzenreiter zu rechnen ist. Allerdings werden erst mit weiter fortschreitendem Studienverlauf handfestere Da- ten zum Schutz insbesondere auch gefährdeter Bevölke- 8
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt rungsgruppen ein Urteil über die tatsächliche Schutzwir- ten, sind vielfältig. Neben global agierenden, etablierten kung auch vor schweren Verläufen erlauben. Pharmaunternehmen und zahlreichen Universitäten sind Die verfolgten Ansätze zur Entwicklung eines Impf- auch kleinere, wenig bekannte Unternehmen und staatli- stoffs gegen SARS-CoV-2 sind enorm vielfältig. Zum einen che Programme an den Anstrengungen beteiligt. Zudem werden herkömmliche Verfahren wie die Verwendung ab- fliessen in zahlreichen Ländern staatliche Gelder direkt in geschwächter oder inaktivierter Viren angewandt. Zum lokale Entwicklungen. anderen werden modernere Methoden verfolgt. Dazu ge- Mit der grossen Anzahl verschiedenster For- hören vektorbasierte Impfstoffe. Harmlose Viren, die cha- schungsansätze, bereits weit fortgeschrittenen klinischen rakteristische Bausteine des SARS-CoV-2 Virus wie bei- Studien auch in der entscheidenden Phase III und ersten spielsweise das sogenannte «Spike-Protein», Teile davon Erfolgsmeldungen hinsichtlich der Wirksamkeit, ist es zu- oder die entsprechenden genetischen Baupläne enthal- nehmend wahrscheinlich, wenngleich noch nicht gänzlich ten, werden dafür genutzt. Die Viren werden praktisch als sicher, dass in absehbarer Zeit ein Impfstoff gefunden der Erreger verkleidet, gegen den die Impfung schützen wird, der sich als hinreichend wirkungsvoll und umfäng- soll. Oder sie bringen den menschlichen Körper dazu, die lich einsetzbar erweist. Zwar sind bei der Impfstoffent- charakteristischen Bausteine selbst herzustellen, um die wicklung die Erfolgschancen grösser als bei klinischen Stu- gewünschte Immunreaktion auszulösen. Grosse Hoffnun- dien in anderen Behandlungsfeldern, dennoch schaffen es gen wecken auch mRNA-basierte Impfstoffe, die seit Be- etwa fünfzehn Prozent der Projekte aus der letzten Phase ginn der Pandemie viel öffentliche Aufmerksamkeit erhal- der klinischen Entwicklung nicht bis ins Zulassungsverfah- ten. Meldungen über eine hohe Schutzwirkung in ren, in dem nochmals etwa zwölf Prozent scheitern. Erst in Zwischenanalysen bekräftigen die Erwartungen an diese Phase III wird ein Impfstoffkandidat auf seine Wirksamkeit Technologie. Dabei stellt der Körper der geimpften Person untersucht, also ob er eine Ansteckung mit dem Erreger ebenfalls einen solchen für die Immunisierung nötigen verhindern kann. Zwar wurde zur Beschleunigung der Ent- Proteinbaustein mithilfe der in der Impfung enthaltenen wicklung bereits in den vorherigen Phasen nach Zeichen Erbinformation selbst her. Auch wird der Ansatz verfolgt, der entsprechenden notwendigen Immunreaktion ge- die entscheidenden Proteine in Form von virenähnlichen sucht, allerdings vermögen nur Studien mit vielen Tau- Partikeln als Untereinheitenimpfstoffe zu verabreichen. send Freiwilligen zu zeigen, ob sich Geimpfte im Alltag tat- Klassische Impfstofftypen haben den Vorteil etab- sächlich weniger häufig anstecken. Nicht zu vergessen ist lierter Herstellungsverfahren. Diese sind jedoch teilweise auch, dass nur so seltenere Nebenwirkungen entdeckt zeit- und ressourcenaufwändig, wie die Produktion des werden können, die möglicherweise für eine breite An- jährlichen Grippeimpfstoffs in Hühnereiern. Der 2019 zu- wendung nicht tolerierbar wären. Idealerweise sollten ge- gelassene erste Ebola-Impfstoff beruht auf dem Vektor- sunde Erwachsene, aber auch Kinder, Schwangere, Ältere verfahren, wohingegen noch kein mRNA-basierter Impf- oder Immungeschwächte möglichst sicher geimpft wer- stoff zugelassen ist. Letztere beiden sogenannten den können. Das Risiko schwerer Nebenwirkungen muss «Plattformverfahren» zeichnen sich durch die Möglich- deutlich geringer als das Komplikationsrisiko einer mögli- keit, den Ansatz modifizieren und für einen anderen Erre- chen Erkrankung sein. Dementsprechend ist zu erwarten, ger anpassen zu können, aus. Sie erlauben die rasche Ent- dass von den sich derzeit im Endspurt der Entwicklung be- wicklung eines Impfstoffkandidaten basierend auf in der findlichen Impfstoffkandidaten einige in diesem Stadium Gensequenz des Erregers enthaltenen Informationen aus dem Rennen ausscheiden werden oder sich in der Zu- und sind so auch für potenzielle zukünftige Ausbrüche lassung folgenden Beobachtung zumindest für bestimm- neuartiger Krankheiten attraktiv. So konnte bei ihrer Ent- te Gruppen noch als weniger geeignet herausstellen. wicklung auch auf die Erfahrung mit entsprechenden Sollte sich nur ein einziger Impfstoff als wirksam Kandidaten für Vektorimpfstoffe gegen Ebola oder die oder zumindest deutlich wirksamer als konkurrierende Coronaviren SARS und MERS aufgebaut werden. mRNA- herausstellen, kann der Hersteller aufgrund seines Mono- basierte Impfstoffe dagegen werden durch in-vitro Tran- pols den Preis sehr hoch ansetzen. Auch stellte sich die Fra- skription – das Umschreiben von DNA in RNA – herge- ge des Zugangs zum Impfstoff. Zwangsläufig wären die stellt. Produktionsanlagen sind dadurch prinzipiell Produktionskapazitäten angesichts des enormen weltwei- flexibel und schnell umrüstbar für die Herstellung unter- ten Bedarfs zunächst nicht ausreichend, auch wenn diese schiedlicher Impfstoffe. derzeit bereits vorab ausgebaut werden. Dementspre- Der Zeitgewinn durch die Nutzung vorhandener chend ist nicht auszuschliessen, dass die ersten Impfdo- Plattformen hat Vektor- und mRNA-basierte Impfstoffe sen vor allem in denjenigen Ländern zur Verfügung stehen mit an die Spitze des Wettlaufs gebracht. In den derzeit werden, die entsprechend hohe Preise zu zahlen bereit laufenden Phase III Studien sind vier Vektorimpfstoffe und in der Lage sind. Bei einer besonders knappen Verfüg- und zwei mRNA-Impfstoffe neben vier, die auf inaktivier- barkeit würde es politisch auch für solche Länder schwie- ten Viren beruhen und einem Untereinheitenimpfstoff. rig sein, ihre versprochene Unterstützung für ärmere Regi- Auch die Akteure, die an der Impfstoffentwicklung arbei- onen aufrechtzuerhalten und diesen einen Anteil der Do- 9
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt sen zur Verfügung zu stellen, während zugleich noch nicht politischen Druck erfolgen. Russland und China lassen genügend Kapazität für die Impfung der kritischsten Per- Zweifel daran aufkommen, ob sie sich an diese Vorgabe sonengruppen im eigenen Land bereitstünde. halten und sind mit der (limitierten) Zulassung erster Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es zur Zulassung Impfstoffe vor Abschluss der klinischen Studien vorge- mehrerer Impfstoffe unterschiedlicher Typen zum etwa prescht. Impfgegner, darunter auch in westlichen Indust- gleichen Zeitpunkt kommt. Dabei wird die erste Generati- rieländern, dürfte dieses Vorgehen in ihrer Skepsis eher on solcher Impfstoffe vermutlich noch nicht optimal sein bestärken und somit eine hohe Impfrate erschweren. und keinen hundertprozentigen Schutz bieten. Zwar wer- Unbestritten sind die Kontraproduktivität von den bereits hohe Wirksamkeiten berichtet, eine Korrektur Impfnationalismus und Dominanzbestrebungen einzel- nach unten bei breiterer Anwendung wäre jedoch nicht ner Länder oder Firmen und die Notwendigkeit der globa- überraschend. Die WHO gibt mit einer Verringerung des len Verteilung, sobald ein sicherer Impfstoff verfügbar ist. Ansteckungsrisikos um 50 Prozent als Minimalkriterium ei- Insgesamt 172 Länder sind Teil der COVAX-Initiative. Sie nen niedrigen Schwellenwert vor. Eine vollständige Ma- investiert in verschiedene vielversprechende Impfstoff- sernimpfung bietet im Vergleich einen Schutz von mehr als projekte und strebt die Verteilung in ärmeren Ländern 97 Prozent. Inwiefern ein Impfstoff wirksam ist, ist im Fall unterstützt durch reichere an. So wird das Risiko auch für von Covid-19 aufgrund dessen Eigenschaften schwierig zu die wohlhabenderen Nationen gestreut und gleichzeitig bestimmen. In vielen Fällen verläuft die Erkrankung mild angestrebt, ausreichend Dosen für gefährdete Personen oder gar symptomfrei. Die Interpretation der Schutzwir- in allen Mitgliedsländern zur Verfügung zu stellen. Dies kung einer Impfung hängt also auch von der Wahl des klini- soll die Dominanz einzelner Nationen verhindern. Für die schen Endpunktes ab. Es ist fraglich, ob sterilisierende Im- nächsten Jahre entscheidend wird sein, ob es gelingt, die munität erreichbar ist. Durch eine Impfung erreichbare Initiative in nachhaltige Strukturen zu überführen, um mildere oder symptomfreie Verläufe mögen besonders für erneute Ausbrüche zu verhindern. Die nötige Infrastruk- Risikopatienten ein attraktives Ziel sein. Das Risiko der Wei- tur für die logistische globale Verteilung von Impfstoffen, terverbreitung des Virus wäre dadurch indes nicht gebannt. die teilweise Lagertemperaturen von -70° C benötigen, Auch würden solche Impfungen für Bevölkerungsgruppen wird auch langfristig eine Herausforderung bleiben. Dies mit mutmasslich mildem Verlauf kaum einen Mehrwert betrifft insbesondere Regionen mit schlechter Gesund- bieten, was sowohl Einfluss auf Impfempfehlung und -be- heitsversorgung und politischer Instabilität. reitschaft haben würde. Wahrscheinlich ist daher auch, Covid-19-Impfungen werden in den kommenden dass sich je nach Bevölkerungsgruppe unterschiedliche Jahren eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der gegen- Impfstofftypen als geeignet herausstellen werden. wärtigen Pandemie spielen. Für unterschiedliche Perso- Prioritär geimpft werden dürften zunächst Perso- nengruppen mögen sich unterschiedliche Ansätze als die nen mit besonders hohem Risiko für einen schweren Ver- wirksamsten herausstellen. Wichtig werden dann tragfä- lauf sowie solche, die einem hohen Ansteckungsrisiko hige Strukturen auf medizinischer, logistischer, finanziel- ausgesetzt sind, wie beispielsweise das Gesundheitsper- ler und politischer Ebene sein, die langfristig den welt- sonal. Die restliche Bevölkerung bliebe noch empfänglich weiten Zugang sicherstellen. für die Erkrankung, insbesondere solange Impfstoffdosen limitiert verfügbar sind. Langfristig ist zu erwarten, dass eine Covid-19-Impfung regelmässig aufgefrischt werden Weiterführende Literatur muss. Gleichzeitig wird auch bei der Verabreichung wei- terer Impfstoffgenerationen, sofern diese einen höheren Malik Peiris / Gabriel M. Leung, «What can we expect Schutz bieten können, auch eine sehr hohe Impfrate für from first-generation COVID-19 vaccines?», in: die Erreichung von Herdenimmunität nötig sein. Daher 396:10261 Lancet (2020), S. 1467 – 1469 wird es auch langfristig strategisch wichtig bleiben, wo welcher Impfstoff produziert wird, im besten Fall auch lo- Debby van Riel / Emmie de Wit, «Next-generation kal. Dabei wird auch von Bedeutung sein, Impfskepsis vaccine platforms for COVID-19», in: Nature Materials 19 frühzeitig zu begegnen, um die erforderliche Durchimp- (2020), S. 810 – 812. fung halten zu können. Zahlreiche Länder haben sich bereits in frühen National Academies of Sciences, Engineering, and Entwicklungsphasen vorab Impfdosen bei Herstellern ge- Medicine, Framework for Equitable Allocation of sichert und hoffen darauf, dass sie auf das richtige Pferd COVID-19 Vaccine (Washington, DC: The National gesetzt haben. Letztendlich entscheiden nationale Be- Academies Press, 2020). hörden über die Zulassung und über allfällige Impfemp- fehlungen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. BAG / EKIF, Kriterien für die Evaluation neuer Impfstoffe Gerade im Hinblick auf die langfristige Impfbeteiligung zur Erarbeitung gesamtschweizerischer Empfehlungen, müssen Zulassungen dabei unabhängig von jeglichem 25.02.2004. 10
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt A Biden Administration hanced risk of Chinese espionage and disruption associ- as an Opportunity to ated with Chinese providers. The Trump administration persuaded the governments of the UK, the Czech Repub- Renew NATO lic, Estonia, Latvia, Poland, and Romania to reject Chinese 5G by questioning the viability of future transatlantic in- Henrik Larsen telligence sharing and military planning in the event of Chinese 5G being rolled out in their countries. In sum, al- though Trump left the Alliance in a state bereft of policy Most European countries welcome Joseph Biden’s project- dialogue, he did approve and push for a number of im- ed victory in the US presidential election as an opportuni- portant initiatives. ty to rebuild the transatlantic relationship after four years of estrangement induced by the Trump administration. However, Biden’s narrow victory shows that he will not The Difference Biden Can Make simply be able to “repair” what President Donald Trump “destroyed”. Moreover, Europe also bears a responsibility It is important to be precise about the areas in which for NATO’s revitalization. One increasingly important fac- President-elect Biden would strengthen NATO against tor that could be key in bringing both sides of the Atlantic the backdrop of four years of the Trump presidency. In closer together is Europe’s adaptation to a rising China. style, Biden promises coordination with allies instead of a transactional approach; US multilateral leadership in- stead of bilateral deals; and long-term cooperation based Trump’s Impact on NATO on common values rather than short-term transactions. Biden could also put US diplomacy back in the hands of Predicting the impact of a Biden presidency requires an genuine professionals, marking a distinct difference from accurate assessment of the state in which Trump leaves Trump’s suspicion of the Washington foreign policy es- the transatlantic relationship. Trump, as US Commander- tablishment. In substance, Biden would give emphatic in-Chief, wavered a great deal when it came to NATO’s Ar- support to the need to revive the transatlantic relation- ticle 5 commitments that are premised on the notion of ship and reinstate the US’ unambiguous commitment to an attack on one being an attack on all. The US President Article 5. His administration would also place greater em- even went so far as to speculate about pulling out of the phasis on NATO as an enduring alliance based on the Alliance. This shocked European governments. As a result, shared liberal-democratic values that glue it together they began to increase their defense spending – some- and shape its approach to the outside world. thing that even Russia’s annexation of Crimea could not In addition, Biden’s understanding of the chal- bring about. At the same time, a debate about European lenges that Russia and China pose are more in line with strategic autonomy gained traction, mostly supported by the focus of European countries on a rules-based order France. Trump had a divisive effect on NATO by cozying up and liberal values. Biden believes in a strong NATO to de- to national-conservative governments like those in the ter Moscow, but he distinguishes himself from Trump in UK and Poland that meet the target of spending two per- calling for the expansion of NATO’s capacities to fight cent of GDP on defense, which the allies formally prom- Russia’s weaponized corruption, disinformation, and cy- ised to meet at the Wales Summit in 2014. Trump showed ber theft. The Democrat narrative about the need to con- open disdain for allies allegedly freeriding on the Ameri- tain Russia’s disinformation campaigns is more in line can taxpayer. His “transactional”, business-like treatment with most European capitals’ perception of Russia as a of NATO allies left little or no room for investment in challenge to open societies, increasing the prospect of transatlantic dialogue. closer cooperation with European states to prevent any However, Trump’s flamboyant rhetoric needs to be attempt to meddle in Western politics. Moreover, Biden assessed against the actual policy initiatives that were wishes to extend the New START agreement as a means undertaken during his time in office. The Trump adminis- of anchoring US-Russian strategic stability, as well as a tration reinforced NATO’s deterrence in response to Rus- starting point to negotiate new arms control accords. Yet, sia’s aggression in Ukraine; it supplied Ukraine with le- as Trump has, Biden will insist, albeit more diplomatically, thal weapons, which departed from the Obama that China joins nuclear arms control efforts. Increasing administration’s actions; and it continued NATO enlarge- transparency and dialogue to prevent arms dynamics ment by agreeing to the accession of Montenegro in from spiraling out of control would certainly be in Eu- 2017 and North Macedonia in 2020. Trump also moved rope’s interest. NATO on China. The High-Level meeting in London in However, countering the rise of China is more ur- 2019 in particular highlighted the need for resilient and gent than the challenge posed by Russia, which has much secure telecommunications systems (5G), given the en- less geo-economic power and merely opportunistically 11
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt meddles in Western politics. Since the coronavirus crisis, fend off disinformation and other kinds of disruptive ac- concerns about China’s technological edge in sectors sen- tivities in response to Russia’s intensification of influence sitive to national security and resilience have mounted. campaigns since 2014. When it comes to the dangers of 5G remains at the forefront of the policy discussions Chinese espionage and disruptive capacity, European about China as a tech challenge, which extends further countries seem to be navigating around Chinese 5G, to technologies that are inherently dual-use in nature which suggests that they will maintain their trustworthi- (e.g. artificial intelligence, quantum computing, drones, ness for continued military cooperation and intelligence and satellites). Compared to his predecessor, Biden al- sharing with Washington. However, given the rapidity of most certainly will be more conducive to the emergence technological developments, it is important to safeguard of a transatlantic consensus on how to counter China’s tech independence in other critical areas, such as quan- rise as an illiberal power. This may not only be a question tum computing and artificial intelligence that will under- of his foreign policy style, but also of his qualitatively dif- pin national military capabilities, too. Europeans have ferent threat perception vis-à-vis China. made progress in strengthening the coordination of in- Whereas Trump views China as a geo-economic vestment screening and the coronavirus crisis has given threat and sought to decouple the US and Chinese econo- further impetus to efforts to strengthen export controls. mies from one another, Biden emphasizes China as a However, the extent to which European states and the EU threat to the values that bind Western countries togeth- will be able to stimulate innovation within sectors rele- er. The latter’s approach is thus linked to the notion of a vant to future critical infrastructure remains to be seen. A “liberal order” – something that Trump emphatically re- Biden administration would certainly be more tolerant of jected in favor of “America First”. This compels Biden to EU efforts to strengthen its own technological ecosystem understand transatlantic security as something broader than a second Trump administration would be. Ultimate- than military expenditure. While NATO is unlikely to proj- ly, transatlantic cooperation on the matter comes down ect force in the Asia-Pacific, it has a natural role to fulfill to shared values: despite different rules for data privacy as a transatlantic forum for discussions of technological and regulations, the US and the EU clearly have a differ- independence from China. The importance of NATO’s ent approach to the challenges of digitalization than that commitment to the resilience of societies (Article 3) can- of China, which enhances the chances of them finding not be stressed enough if trust between allies, as well as common ground. exchange of intelligence and joint military planning, is to European countries cannot avoid the perpetual endure. If a Biden administration were to give a reasoned question of whether they are willing to shoulder a bigger specification of which sectors (other than 5G) Europe burden of European defense. The rise of China will inevi- ought to decouple from China, it may be more conducive tably draw US resources to Asia, which means that calls to a transatlantic consensus on the increasingly perti- for European allies to contribute more for the defense of nent question of how to shift global supply chains. their own continent will continue. NATO’s post-Crimea forward presence notwithstanding, Russia still enjoys a regional conventional advantage in the Baltics and Po- Europe’s Responsibilities land and could present the Alliance with faits accomplis. To make this option less attractive to Moscow, Europe In any event, a Biden presidency must not be seen in iso- needs to invest in additional deployable military assets. lation from the polarization of the US society, which in However, judging by the long history of US defense guar- many ways is the result of globalization. Trump was clev- antees, this will depend on the extent to which a Biden er enough to use this polarization to come to power. Even administration is willing to pressure European allies to do Biden’s projected victory was based on the promise of a so. Unlike his predecessor, Biden is likely to be less hostile “foreign policy for the middle class”, namely one that fo- towards European autonomous military capabilities un- cuses on domestic investments such as infrastructure der Permanent Structured Cooperation (PESCO) and such and research and development as a precondition to be a developments as a means of improving transatlantic bur- globally competitive country. Biden’s focus on the linkage den sharing. The EU’s allocation of 9 billion EUR for the between domestic and foreign policy means that he European Defense Fund for 2021 – 27 is a modest step needs to show that allies will not be allowed to freeride forward in this regard. A US “green light” could see this under his presidency. Although a Biden administration development advance further, although it would have to will not be as obsessed with numerical defense spending address Eastern European allies’ aversion to common de- as the Trump administration was, its rediscovery of NA- fense without US involvement. The allocation of the rela- TO’s relevance depends on the European allies’ invest- tively modest budgets for the implementation of a “Mili- ment in transatlantic security. tary Schengen”, which is designed to facilitate the free It is noteworthy that Europeans have strength- movement of military units and assets throughout Eu- ened their individual and collective ability to identify and rope, may be a first step. The removal of bureaucratic bar- 12
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt riers and improvement of infrastructure for the swift de- COVID-19: An ployment of military personnel and equipment eastward would be a relatively easy way for the EU to prove its add- Opportunity for China, ed value in strengthening deterrence. a Setback for Russia In short, a Biden administration provides NATO with the opportunity to find a new raison d’être informed Brian G. Carlson by the need to adapt to the challenge that China poses to open societies. Most European allies are likely to reach agreement with the US on 5G and also seem to take seri- In any assessment of the coronavirus pandemic’s likely ously the need to get ahead of China with regards to oth- consequences for the international order, China and Rus- er emerging technologies. Whether European states will sia deserve special attention. From the standpoint of invest in deployable military capabilities is more uncer- Western countries aiming to maintain and strengthen a tain, though, and will depend on the extent to which a rules-based international order, the two countries pose Biden administration is willing to tolerate the “easy-rid- daunting challenges. The US views them as its main com- ing” that European allies have enjoyed for so long. petitors. Several of the major European countries main- tain fraught relations with Russia and increasingly view the rise of China as a challenge, especially since the out- Further reading break of the pandemic. Future historians may look back at this period as a turning point in world history that pro- John Andreas Olsen, “Future NATO: Adapting to New duced winners and losers. Ironically, despite being the Realities,” RUSI Whitehall Papers, April 2020. source of the virus, China may emerge, at least in relative terms, as a winner. Russia is likely to be a loser, judging by Joseph R. Biden/Michael Carpenter, “How to Stand Up to the toll that the virus has taken on public health, the do- the Kremlin,” Foreign Affairs, (January/February 2018). mestic economy, and the state budget. Joseph R. Biden, “Why America Must Lead Again. Rescuing U.S. Foreign Policy after Trump,” Foreign Affairs China: In Crisis, both Danger (March/April 2020). and Opportunity Julianne Smith et al., “Charting a Transatlantic Course to For China, the coronavirus pandemic has had obvious Address China,” Center for a New American Security negatives consequences, but has also created some po- (October 2020). tential opportunities (see CSS Analyses No. 267). On the one hand, the downsides have been apparent. The novel coronavirus originated in the Chinese city of Wuhan, cre- ating an immediate public health crisis within China be- fore spreading to the rest of the world. China’s first-quar- ter GDP plummeted by 6.8 percent compared to the same period one year earlier, threatening the economic growth and social stability on which the Chinese Communist Par- ty depends, along with nationalism, for its legitimacy. Of- ficial mishandling of the early stages of the outbreak, in- cluding efforts by local officials in Wuhan to silence whistleblowers, provoked outrage among the public and harsh critiques from some prominent citizens, including party members. China’s failure to contain the virus within its own borders, coupled with its efforts to deflect blame for the pandemic and even to claim credit for its response, tarnished China’s image around the world. China’s rela- tions with the US deteriorated rapidly, and its relations with Europe also soured. On the other hand, the coronavirus pandemic has delivered certain benefits to China, presenting Chinese leaders with opportunities to pursue their interests. Chi- na appears to have contained the virus successfully, with official statistics indicating far lower case and death tolls 13
Sicherheitspolitische Trends 2021 – 2029: Die Post- COVID-19 Welt than in many other countries. Even if official statistics sig- cern among other countries. Perhaps most worrying, from nificantly undercount the true figures, the return of China’s viewpoint, was the growing activity of the “Quad,” largely normal life, interrupted by occasional outbreaks encompassing the US, Japan, India, and Australia. In the that draw a rapid response from the government, indi- years immediately preceding the pandemic, Chinese lead- cates successful containment. This has resulted in a rapid ers may have perceived that they had a window of oppor- economic rebound, with China’s central bank now pro- tunity to act before Chinese economic growth rates de- jecting GDP growth of two percent this year. With many clined further and international opposition became even countries still struggling to contain the virus and the In- more consolidated. The pandemic may have strengthened ternational Monetary Fund predicting negative global this trend, causing international views of China to become growth for 2020, China’s performance allows its leaders increasingly negative but also increasing China’s room for to claim the superiority of their authoritarian political maneuver while other countries remain distracted. system over those of the Western democracies. Despite several high-profile cases this year in which prominent dissidents have sharply criticized Xi Jinping’s leadership, Russia: Further Strain on the System the party’s grip on power appears to remain steady. Since the pandemic began, China has also acted Russia has suffered greatly from the coronavirus pandem- with increasing assertiveness along its periphery. China ic, though it is hardly alone in this respect. The total num- has increased patrols in the East China Sea to assert its ber of recorded cases in Russia is the fourth-highest in the claim to islands controlled by Japan, dispatched air and world. Although Russia’s official statistics show that the naval forces close to Taiwan’s shores with increased regu- number of domestic coronavirus deaths lags behind that larity, backed its claims to dominance over the South Chi- of many other countries, this figure is widely believed to na Sea with growing confidence, imposed a national se- understate the actual number by a significant margin. curity law in Hong Kong in order to weaken that city’s The economic slowdown resulting from the coro- democratic forces, and engaged in skirmishes with Indian navirus pandemic, especially the collapse in world oil pric- forces along the two countries’ Himalayan frontier that es, hit the Russian economy hard. The World Bank projects turned deadly in June. In each case, China’s actions were that Russia’s GDP will decline by 6 percent in 2020. This a continuation of previous policies, but China may have slowdown has forced changes in Russia’s budget priorities. perceived the pandemic, a period when other countries Next year, for the first time since 2014, Russian govern- were distracted, as an opportunity to press its claims ment expenditures to support the economy will exceed with increased forcefulness. the budget for the armed forces, which will be cut by 5 per- In order to assess the pandemic’s impact on Chi- cent. The surge of domestic spending, which will require na’s role in the international system, it is necessary to significant borrowing, is designed to bolster the economy consider the broader context. The pandemic adds new and people’s standard of living in advance of next year’s short-term trends to existing long- and medium-term parliamentary elections. Moreover, Russia has been forced trends. The long-term trend is the rise of China, which to delay the completion of a 25.7 trillion ruble package of has imbued China’s leaders with growing confidence. The state spending by six years. This package, which includes medium-term trend, however, is the appearance of fac- 13 national projects in areas such as infrastructure, educa- tors that complicate China’s rise, producing anxiety tion, and health care, was previously scheduled to be com- among China’s leaders. These factors include a slowdown pleted by 2024, but the deadline is now 2030. in China’s economic growth rate, growing concern among All of these factors have caused domestic political other countries about the implications of China’s rise, challenges for Russian President Vladimir Putin, whose and nascent efforts by some of those countries to hedge approval rating dipped below 60 percent during the against China’s growing power. spring before returning to a pre-coronavirus level of China’s increasing assertiveness in recent years around 66 percent by August. The pandemic forced Putin most likely results from the combination of confidence to delay a scheduled referendum on constitutional chal- and anxiety that these trends have produced. The coun- lenges until July, but voters ultimately approved the try’s growing power gave its leaders the confidence to act changes, which allow Putin to remain as president until with increasing assertiveness in the international arena, 2036. Other events not directly related to the pandemic, especially following the 2008 financial crisis and to an including a sustained anti-government protest move- even greater extent under Xi’s leadership, beginning in ment in the Far Eastern city of Khabarovsk and the poi- 2012. At almost the same time, however, new develop- soning of opposition leader Alexei Navalny, also created ments aroused concern among China’s leaders. After de- domestic political tension in Russia. cades of double-digit annual increases in GDP, economic The budget constraints resulting from the pan- growth slowed considerably, falling to 6.1 percent by 2019. demic, especially the cuts in military spending, could lim- China’s growing power and ambitions also aroused con- it Russia’s foreign policy options to some extent. In recent 14
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