Das Limmatfeld - vom Industriegebiet zum Stadtteil
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Jubiläumsbeilage Das Limmatfeld – Neujahrsblatt Dietikon 2019 / Das neue Limmatfeld / 60 Jahre Gemeinderat Dietikon / Jahreschronik 60 Jahre Dietiker Gemeinderat vom Industriegebiet zum Stadtteil 60 Jahre Gemeinderat ISBN 978-3-9524418-5-5 Neujahrsblatt Dietikon 2019 ISSN 2235-4840 Sonderausgabe zum Stadtfest «Dietikon bewegt»
Neujahrsblatt Dietikon 2019 72. Jahrgang Das neue Limmatfeld Helene Arnet, Peter Baumgartner, Arthur Huber, Otto Müller, Thomas Pfann, Esther Pioppini, Elfie Rabenbauer, Franziska Schädel, Emil Soller, Hans Peter Trutmann, Sven Wahrenberger Aus dem «Limmattaler» vom 3.9.1918 Rolf Brönnimann Jahreschronik 2018 von Oktober 2017 bis Juli 2018 Julia Hirzel Beilage: 60 Jahre Gemeinderat Dietikon Brigitte Hospenthal Stadtverein Dietikon Impressum Neujahrsblatt von Dietikon, 2019; 72. Jahrgang Herausgeber: © Stadtverein Dietikon, 2018 Gestaltung: www.bbdesign.ch Druck: Neidhart + Schön Print AG Auflage: 1000 Exemplare, gedruckt auf FSC-Papier ISBN 978-3-9524418-5-5 ISSN 2235 - 4840
004 Inhalt vorwort 005 Vorwort 5 Dietikon bewegt – hin zum Limmatfeld S Das neue Limmatfeld tehe ich mit Gästen auf dem Rapidplatz oder vor dem Der lange Weg zum Limmatfeld Otto Müller 6 Limmattower, stelle ich schnell ein Staunen, aber auch ein Fragen fest. Das Limmatfeld lässt aufhorchen und Weberinnen und Gastarbeiter Sven Wahrenberger 24 bewegt. Wurde die Vision umgesetzt, was bringt der neue Armeeunterkünfte und Bundesbüros Hans Peter Trutmann 30 Stadtteil? Meine ersten Erkenntnisse dazu sind: Geduld haben und die Vision nicht aus den Augen verlieren. Wirklich gewür- Otto Müller Der «Volvo» für die Hausfrau Helene Arnet 36 Präsident Stadtverein digt werden kann das Limmatfeld erst, wenn es auch fertig Dietikon Das geheimnisvolle «Chride-Röösi» Hans Peter Trutmann 38 ist. Aber fürs Erste gefällt es mir! Innerhalb von 14 Jahren entstand ein neuer Stadtteil in Dietikon, aus einem Guss mit dem Rapidplatz als Motoren statt Pferde Hans Peter Trutmann und Emil Soller 44 grosse Mitte und dem Limmattower als Wahrzeichen von Neu-Dietikon. Wer Neu-Dietikon das Gesicht gab Peter Baumgartner 48 Nun soll das Limmatfeld, wenn auch noch nicht ganz fertig, mit einem Stadtfest Wo Eiger, Mönch und Jungfrau grüssen Franziska Schädel 62 eingeweiht werden. Alt- und Neu-Dietikon werden zusammengeführt, gleichsam Von der Antike in die Zukunft Elfie Rabenbauer 64 ein Handschlag zur Begrüssung. Vom 31. August bis zum 2. September 2018 lädt ein Stadtfest die Gäste zur Bewegung ein. «Dietikon bewegt» ist das Motto und meint Wer waren Karl Heid und Mina Hess? Arthur Huber 70 Bewegung im emotionalen wie im körperlichen Sinne. Das Limmatfeld wird kurzfristig Von Vögeln und Menschen Helene Arnet 78 zur Festarena. Und danach? Menschen sollen gerne im Limmatfeld leben, in der Nähe ihre Freizeit verbringen und am vielseitigen Stadtleben teilnehmen. Firmen im Limmatfeld Esther Pioppini 84 Das mit vielen Bildern versehene Neujahrsblatt 2019 ist dem Limmatfeld gewidmet Eine einzige Festhütte Thomas Pfann 90 und hat den Charakter einer Chronik. Sie erfahren, wer Neu-Dietikon das Gesicht gab, Porträts: Wir wohnen hier Franziska Schädel wie sich die Politik für das Limmatfeld einsetzte, wie die Strassen zu ihren Namen 13, 23, 43, 47, 61, 69, 83, 93 kamen, lernen Firmen kennen, die im Limmatfeld tätig sind, und begegnen Menschen, die im Limmatfeld wohnen. Aus dem «Limmattaler» vom 3.9.1918 Rolf Brönnimann 94 Dem Neujahrsblatt beigelegt ist eine Schrift, die sich mit der spannenden Geschichte Jahreschronik 2018 Julia Hirzel 96 des Dietiker Parlaments beschäftigt, das auf 60 Jahre Wirken zurückblicken kann (1958 – 2018). Bisher erschienene Neujahrsblätter 102 Mein grosser Dank geht an die Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge des Unsere Sponsoren 104 Neujahrsblatts. Der Stadtverein 107 Otto Müller, Präsident Stadtverein Dietikon, Alt-Stadtpräsident
Politik 55 Rückblick des Stadtpräsidenten Der lange Weg zum Limmatfeld Als kleiner Junge, der in der Stadt Zürich wohnte, verband ich Dietikon mit den zuverlässigen Rapid- Maschinen und mit Besuchen bei meinem Onkel, der in Dietikon bei eben dieser Maschinenfabrik arbeitete. Bilder: Impressionen von Erich Berchtold
008 Politik 009 Wenn ich mit meinen Eltern im Zug von Verkehr. Ein städtebauliches Konzept und aufstellt, die von der Bauordnung abwei- ten, dass auf dem 87 000 m2 grossen Gebiet Bern oder Basel nach Zürich heimfuhr, Gestaltungsrichtlinien sichern ein einheit- chen können. eine Mischnutzung zur Eingliederung von erinnerte der mächtige Kirchturm der liches Erscheinungsbild und fördern die Am 27. September 2004 wurde die Handels- und Dienstleistungsbetrieben St. Agatha Kirche uns daran, dass es lang- Qualität der Architektur. Das Limmatfeld Öffentlichkeit zum ersten Mal über die sowie Wohnnutzung angestrebt wird. Die sam Zeit für das Zusammensuchen des sollte, so hofften die Beteiligten, Ausdruck Stadtentwicklung im Gebiet Rapid-Dieti- Rede war von 1200 bis 1800 Einwohnerin- Gepäcks war, denn bald kam man im einer nachhaltigen Stadtentwicklung kon informiert. Dies war der Auftakt zur nen und Einwohnern und ca. 1100 bis 1700 Hauptbahnhof Zürich an. werden – und war ein Glücksfall für Umsetzung eines privaten Gestaltungs- Arbeitsplätzen. Als Landmark und Initial- Dietikon. plans, der bis zum 9. November 2004 im projekt wurde der Standort Ecke Heimstras- Unsere kleine Stadt – die Vision Günstig wirkten sich die vorhandenen Bausekretariat der Stadtverwaltung zur se/Überlandstrasse für ein Hochhaus von Heute ragt ein neues Dietiker Wahr- Industriebrachen und vor allem das Vor- Einsicht auflag. bis zu 80 Metern Gebäudehöhe bezeichnet. zeichen in den Himmel: Der Limmat- haben des Rapid-Verwaltungsrats aus, Auszug aus einer Medienmitteilung der Der Gestaltungsplan wurde dem Kanto- tower – markanter Teil des neuen Dietiker das Areal umzunutzen und einen anderen Stadtkanzlei Dietikon vom 27. September nalen Amt für Raumentwicklung (ARE) Stadtteils Limmatfeld– zeigt die Verän- Standort für die sich seit 1947 in Dietikon 2004: Im Gestaltungsplan wurde festgehal- zur Vorprüfung eingereicht und während derung. Nun, was ist geschehen? Aus befindenden Produktionsanlagen zu su- einer Brache entstand innert vierzehn chen. Entscheidend war der Wille der Jahren ein neuer Stadtteil, basierend auf verschiedenen Grundeigentümerinnen einer Vision und einem darauf folgenden und Grundeigentümer, gemeinsam zu Konzept und Plänen. Ich habe diese Zeit planen und nicht jeder für sich alleine. als Stadtpräsident von Dietikon hautnah miterlebt, mich über Fortschritte gefreut Von der Idee zum Gestaltungsplan und über Rückschläge geärgert. Es war Im Jahr 2001 leitete der Verwaltungsrat der ein langer Weg zum Limmatfeld. Firma Rapid Holding AG gemeinsam mit Die Vision war: Wohnen, Arbeiten, Halter Entwicklungen eine Entwicklungs- Erholen sollen verbunden werden, Ein- planung ein, um das Areal mit geeigneten kaufsangebote gleich um die Ecke, beste planerischen Massnahmen und gezieltem Erschliessung durch den öffentlichen Gebietsmarketing in die Zukunft zu füh- ren. Die Rapid M+F Services vergab im Jahre 2002 Studienaufträge an vier Archi- tektur- und Planungsteams. Von einer Jury ausgewählt wurde dann das städtebauliche Gesamtkonzept des Ateliers von Prof. Hans Kollhoff, das sich durch die Idee der Block- randbebauungen und die flexible, etappier- te Umsetzung auszeichnete. Für die pla- So erfuhr die Öffent- nungsrechtliche Sicherstellung waren ein lichkeit am Otto Müller kam als Lehrer nach privater Gestaltungsplan und ein öffent- 27. September Dietikon und wurde 1998 für die lich-rechtlicher Vertrag als Instrumente 2004 das erste FDP in den Stadtrat gewählt. Mal von den vorgesehen. Ein Gestaltungsplan ersetzt Plänen für das Von 2006 bis 2018 war er Stadt- präsident. Seit 2018 präsidiert er in einem genau bestimmten Gebiet die Limmatfeld. den Stadtverein Dietikon. Bau- und Zonenordnung, indem er Regeln
010 Politik Politik sechzig Tagen öffentlich aufgelegt. Eben- ma Altlasten im Untergrund noch nicht so wurden die Nachbargemeinden ange- definitiv geklärt ist. Die Stadt übernimmt hört. Aus der öffentlichen Auflage gingen jedoch die Reinigung und den Unterhalt fünf Einwendungen zu vier Punkten ein. des ganzen Platzes. Soweit sie sich auf das Hochhaus und Grüne Sitzinseln und bewegliche farbige den Stadtplatz bezogen, wurden sie nicht Stühle laden zum Sitzen und Verweilen berücksichtigt, da das Hochhaus bewusst ein. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Platz als markantes Zeichen verstanden wurde. aber noch zu wenig belebt, er wirkt teilwei- Nicht zuletzt ermöglicht seine Kompakt- se fast öde und leer. Verschiedene Bespiel- heit die Freiheit des Stadtplatzes. Berück- konzepte wurden ausgearbeitet, manche sichtigt wurde das Anliegen, bei der Be- davon umgesetzt: In der Weihnachtszeit grünung vorwiegend einheimische Bäu- erhellt eine attraktive Beleuchtung die me zu pflanzen. So besteht die Allee an Umgebung und verleiht dem Platz eine der Heimstrasse aus Lindenbäumen. festliche Stimmung. Dreimal bereits wurde Der Gemeinderat der Stadt Dietikon in der Adventszeit ein Eisfeld mit Fondue- stimmte am 12. Mai 2005 dem privaten chalet aufgebaut, Christbäume wurden Gestaltungsplan Limmatfeld zu. verkauft. Seit dem 2. Mai 2018 findet am Mitt- Rapidplatz – die leere Mitte? wochabend ein «Fiirabigmarkt» mit Der Rapidplatz ist einer der grössten Plätze Marktfahrern, Streetfood, Musik und in der Schweiz und der identitätsstiftende Attraktionen statt. Er wird von der Verei- öffentliche Raum des Limmatfelds. An nigung Zentrum Dietikon (VZD) im der Heimstrasse und an seiner nördlichen Auftrag der Stadt organisiert und kommt und südlichen Begrenzung ist er von Ko- bei den Bewohnerinnen und Bewohnern lonnaden (Säulen) umrahmt, die an den des Limmatfelds bisher gut an. Auf der Platz heran- und in ihn hineinführen. Homepage der Zentrumsvereinigung Zur Heimstrasse grenzt eine zweireihige ist zu lesen: «Es weht ein frischer Wind. Alleebaumbepflanzung mit Linden den Angelockt von duftendem Brot, knackigem chaussierten Platz ab, der auf den ande- Obst und kühlendem Bier, drängen sich die ren drei Seiten von modernen Gebäuden Kunden vor den Marktständen. Stimmen- mit qualitativ hochstehender Architektur gewirr und Gelächter schallt über den umfasst wird. Dietiker Rapidplatz, zusammen mit den Es war vorgesehen, dass der von den Gitarrenklängen eines Strassenmusikers. Grundeigentümern finanzierte Platz nach Ein Tagtraum? Keineswegs.» seiner Erstellung in den Besitz der Stadt Über das Stadtfest 2018 hinaus, das der Dietikon übergeht. Die östliche Platz- Einweihung des Limmatfelds gewidmet hälfte ging denn auch ab dem 15. April ist und an dem der Rapidplatz das Festzen- 2012 in das Eigentum der Stadt über, die trum stellt, soll das Motto des Stadtfestes westliche Hälfte gehört aber heute (Mitte «Dietikon bewegt» gelebt werden. Ab 2018) noch der Firma Rapid, da das The- Herbst 2018 laden deshalb von der Stadt
012 Politik Wir Wohnen Hier 061 Politik 013 aufgestellte Fitnessgeräte die Bevölkerung sowie Wohnnutzung angestrebt. In der zur Bewegung ein; ebenso ist ein Kinder- Weisung an das Dietiker Parlament vom spielplatz ein Thema. 24. Januar 2005 war noch zu lesen: Das Ein Nutzungskonzept und ein Regle- Planungsgebiet bietet Platz für ca. 1200 ment sollen den Rahmen für weitere Ak- – 1800 Einwohnerinnen und Einwohner tivitäten auf dem Rapidplatz setzen. Ge- sowie für 1100 – 1700 Arbeitsplätze. lingen kann dies aber nur, wenn Private Es kam anders, denn die Nachfrage nach und die Stadt zusammenarbeiten und die Wohnungen war gross, weniger gefragt Finanzierung sichergestellt ist. Es ist erfreu- waren Büroräume. Die Bestimmungen lich, dass der neu gegründete Quartierverein des Gestaltungsplans sehen aber nur einen Limmatfeld aktiv dabei ist. Ich bin zuver- minimalen Wohnanteil vor, sie setzen Patrizia Illi sichtlich, dass es nicht mehr lange dauert, bis keine Obergrenze. Die Nachfrage steuer- aus dem Rapidplatz ein belebter Raum wird. te das Angebot: mehr Wohnungen, das bedeutet mehr Familien, mehr Kinder. Im Für Patrizia Illi war immer klar: Sie wollte Dietiker Schulverwaltung war sie während Das vergessene Schulhaus Mai 2018 lebten bereits 2111 Personen im da wohnen und bleiben, wo sie aufgewach- einiger Zeit für die Einteilung der Kindergar- Bei der Planung des neuen Stadtteils Limmatfeld und über 200 Wohnungen von sen, die Schulen besucht und ihre Ausbil- tenkinder zuständig. Nachdem der Kinder- Limmatfeld wurde eine Mischnutzung Genossenschaften waren im Bau. dung absolviert hatte. «Dietikon liegt mir garten im Limmatfeld seine Türen geöffnet mit der Eingliederung von Handels-, Diese Entwicklung hat zur Folge, dass am Herzen», sagt die junge Frau. hatte, überzeugte sie sich mit eigenen Augen Dienstleistungs- und Gewerbebetrieben ein Schulhaus für den neuen Stadtteil er- davon, welcher Schulweg für die Kinder der Im Limmatfeld, in einem modernen Wohn- sicherste ist. Heute ist die Dietikerin, die bei block am Rapidplatz, fand sie mit ihrem der Stadt eine Verwaltungslehre absolvierte, Partner vor knapp zwei Jahren die geeignete für das Lehrpersonal eines Schulhauses und Wohnung. Sie schätzt die Nähe zur Limmat, für die Schulfinanzen zuständig. «Mein Ar- den kurzen Arbeitsweg und die Einkaufs- beitsgebiet ist spannend und abwechslungs- möglichkeiten. Und sie mag es modern. reich. Ich habe mit vielen Leuten zu tun und Auch die Anonymität, die sie im Quartier schätze den Kontakt zu den verschiedenen und in ihrem Wohnblock beobachtet, stört Abteilungen der Stadtverwaltung.» Mit einer sie nicht. «Für mich stimmt das so.» Und Weiterbildung zur Fachfrau Schulverwaltung doch freut es sie, dass sich der neue Stadt- will Patrizia Illi den gewählten Weg weiter- teil langsam belebt. Man merke es an den gehen. Den Weg zur Arbeitsstelle unternimmt Leuten auf der Strasse und auf den Bal- sie zu Fuss. «Ich habe kein Auto. Das würde konen. Auch der Feierabendmarkt trage länger in der Garage stehen als anderswo.» dazu bei. «Ich mache meinen Wochenein- kauf wenn immer möglich auf dem Markt. Dass ich dies jetzt nach der Arbeit vor der Haustüre erledigen kann, ist wunderbar.» Da findet sich auch die Gelegenheit zu Franziska Schädel ist Juristin Gesprächen, sei es mit den Marktfahrern und Journalistin und hat für das Neujahrsblatt acht Porträts oder mit Nachbarn. Patrizia Illi kennt ihr und eine Reportage aus dem Wohnquartier gut. Als Mitarbeiterin der Limmattower verfasst.
016 Politik forderlich ist. Das Problem, das uns bis vertrag betrug der Mindestbruttomietzins heute beschäftigt, ist, dass die Stadt direkt für die ersten zwanzig Jahre Fr. 1 216 012.– im Limmatfeld kein eigenes Grundstück (exkl. Nebenkosten) pro Jahr. Die Stadt besitzt. Die sich in der angrenzenden hatte zudem die Möglichkeit, den Vertrag «Stierenmatt» befindende stadteigene Par- für zwei Mal fünf Jahre zu verlängern. Kein zelle kann zurzeit nicht überbaut werden, Primarschulhaus im traditionellen Sinn, da die planungsrechtlichen Voraussetzun- sondern ein Bildungscluster war vorgese- gen (noch) nicht gegeben sind. Da in der hen mit einer Primarschule, Tagesstruktu- Nachbarschaft ein geschütztes Flachmoor ren für Kinder, Räume für die Erwachse- liegt, sind mit einem Bauprojekt besondere nenbildung und die Vereine. Auflagen verbunden. Am 4. Oktober 2012 wurde der An- Eine extern in Auftrag gegebene Studie trag des Stadtrats im Gemeinderat kon- bestätigte den Schulraumbedarf und prog- trovers diskutiert. Vor allem von linker nostizierte bis ins Jahr 2015 einen Mehr- Seite wurde dem Stadtrat vorgeworfen, bedarf von zehn Klassenzimmern und bis die Schulraumplanung vernachlässigt ins Jahr 2020, unter Einbezug des Niderfelds, zu haben und dass der Mietvertrag für einen solchen von 25 Schulzimmern. die Stadt nicht vorteilhaft sei. Schulraum Mit der Wahl des Limmatfelds für müsse im Eigentum der Stadt sein. Die ein neues Schulhaus könnte nicht nur der Befürworter wiesen auf die Notwen- Bedarf an Klassenzimmern und Gruppen- digkeit von Schulraum hin und auf den räumen abgedeckt, sondern auch dem innovativen Ansatz der Mehrfachnutzung Anspruch der «Schule im Quartier» ge- im Sinne eines «Bildungsclusters». Diese recht werden – ein wesentlicher Standort- Argumentation überzeugte die Mehr- faktor. heit des Parlaments, und so empfahlen Gemeinderat und Stadtrat, der Vorlage Schule «bei Bedarf» zuzustimmen, doch hatte das Volk das Der Stadtrat schlug vor, im Limmatfeld letzte Wort. ein Schulhaus mit zwölf Schulzimmern zu Am 25. November 2012 wurde der mieten. Im Gestaltungsplan ist das Baufeld Mietvertrag mit 1060 Ja- gegenüber 2253 D (Weidenhof) nämlich für die öffentliche Nein-Stimmen bei einer Stimmbeteili- Nutzung vorgesehen. Die Bestimmung gung von 28 Prozent deutlich verworfen. lautet: Schule «bei Bedarf». Die Realisie- Im Nachgang wurde die Schulraum- rung der Überbauung Weidenhof auf dem planung wieder aufgenommen, Ersatz- Baufeld D war ursprünglich auf das Jahr standorte im Limmatfeld evaluiert und 2015 in Aussicht gestellt worden. Das aus verschiedene Gespräche mit Grundeigen- einem Architekturwettbewerb hervorge- tümern geführt. Letztlich erwies sich die gangene Siegerprojekt sah einen Wohn-, stadteigene Parzelle in der Stierenmatt Geschäfts- und Schulkomplex vor, wobei als das am besten geeignete Grundstück. sich die Schulräume im Erd- und im Dort kann aus heutiger Sicht eine 1. Obergeschoss befinden. Gemäss Miet- Schulanlage erstellt werden, die auch
Politik 019 die Anliegen des Moorschutzes berück- Altersstruktur sichtigt. Derzeit ist aber noch keine Bau- 70% reife gegeben, weil der Gestaltungsplan 60% Silbern-Lerzen-Stierenmatt wegen der 50% noch nicht rechtskräftigen kantonalen 40% Moorschutzverordnung sistiert ist. 30% 20% Bevölkerungszusammensetzung 10% Am 15. Mai 2018 lebten im Limmat- 0% 0 – 14 15 – 19 20 – 39 40 – 64 65 – 79 80 und feld 2111 Personen, davon waren 946 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre mehr Jahre weiblich und 1165 männlich. Aufge- Dietikon insgesamt Limmatfeld 2014 Limmatfeld 2017 schlüsselt auf Nationalitäten ergab sich folgende Zusammensetzung: 1076 mit Schweizer Nationalität und 1035 mit Haushaltsgrösse einem ausländischen Hintergrund. Von 50% denen wiederum stammen die meisten 45% aus Deutschland, gefolgt von Italien und 40% Portugal. 35% Es fällt auf, dass 2018 noch wenige 30% Kinder und Jugendliche im Limmatfeld 25% leben, auch wenn die Anzahl leicht zu- 20% genommen hat. Mit der Vollendung der 15% Genossenschaftswohnungen wird die 10% Zahl aber deutlich zunehmen. 5% Passend zur Altersstruktur werden 0% 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 und mehr im Limmatfeld mehr Ein- und Zwei- Personen personenhaushalte gezählt als in ganz Dietikon gesamt Limmatfeld 2014 Limmatfeld 2017 2015 Dietikon. Aufgrund von Haushaltsgrösse und Ins Limmatfeld ziehen derzeit viele junge Paare, Altersstruktur lässt sich schliessen, dass die vielleicht bald eine Familie gründen. das Limmatfeld besonders für jüngere Personen zwischen dem ersten und zweiten Karriereschritt attraktiv ist. Diese Leute, häufig Paare noch ohne Die Herkunft der Neu-Dietiker Kinder, verfügen in der Regel über ein Die Herkunft bestätigt diese These. Viele überdurchschnittliches Haushaltsein- ausländische Staatsbürger wohnen im kommen, beteiligen sich aber weniger Limmatfeld. Der Herkunftsmix deutet am lokalen Leben und sind noch nicht auf eine insgesamt höhere berufliche sesshaft. Ein Wegzug innert weniger Qualifikation hin, unterstreicht aber Jahre ist möglich. gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass
020 Politik Politik viele Bewohnerinnen und Bewohner un- Dietikon (2006 – 2018) war ich bei der terdurchschnittlich lange im Limmatfeld Ausarbeitung des Gestaltungsplans nicht wohnen bleiben werden. direkt beteiligt, hingegen konnte ich die Ein Gegengewicht zur These der ho- bauliche Umsetzung begleiten, die auf dem hen Fluktuation im Limmatfeld könn- Gestaltungsplan als Rahmen basierte. te der Zuwachs an Dietikerinnen und Dietikern darstellen, d.h. Personen aus Noch nicht für alle befriedigend «Alt-Dietikon», die das Limmatfeld als Aus meiner Sicht hätte der Wohnanteil neuen Wohnort wählen. genauer festgelegt werden müssen – nicht nur mit einer prozentualen Untergrenze Die Sicht des Stadtpräsidenten (50 Prozent). Die fehlende Obergrenze hat Von der Planung bis zur baulichen Voll- dazu geführt, dass wesentlich mehr Wohn- endung des Limmatfelds dauerte es vier- raum erstellt wurde als geplant war, weil zehn Jahre. Einem langen Weg der Pla- auf dem Markt eine grosse Nachfrage nach nung folgte ein verhältnismässig kurze Wohnraum bestand. Sollte die Nachfrage Zeit der Realisierung, wurde doch ein aber künftig sinken, besteht die Gefahr von ganz neuer Stadtteil in Dietikon gebaut, leeren Wohnungen. ein Stadtteil aus einem Guss, nach ei- Der höhere Wohnanteil führte zu einer nem einheitlichen Konzept, getragen erhöhten Nachfrage nach Schulräumen. von einer Vision, mit Bauten von hoher Es wurde zwar ein Baufeld bezeichnet, das architektonischer Qualität: Urbaner für eine öffentliche Schulnutzung ausge- Wohnraum in verdichteter Bauweise, schieden war, doch befindet es sich nicht verkehrstechnisch gut erschlossen, mit im Eigentum der Stadt. Das heute fehlende Erholungsräumen vor der Haustür – Schulhaus führt dazu, dass das Limmatfeld unsere kleine Stadt. für Familien weniger interessant ist. Mit Die Menschen leben gerne hier, dem Schulhaus in der angrenzenden Stie- schätzen die nahen Einkaufsmöglich- renmatt kann erst in acht bis zehn Jahren keiten und die gute Erschliessung durch gerechnet werden. Die Stadt sorgt zwar für den öffentlichen Verkehr. Trotzdem zumutbare Provisorien für die Kinder aus stellt sich die Frage: Kann ein neuer, dem Limmatfeld, doch ist die Situation für nicht historisch gewachsener Stadtteil alle Beteiligten nicht befriedigend. Heimat sein? Oder bleibt er ein Ort der Anonymität, ohne Identität? Die Zukunft Aus Fehlern lernen wird zeigen, ob Alt- und Neu-Dietikon Wir haben aus den Fehlern gelernt: Der zusammenwachsen. Ich bin überzeugt: Stadtrat scheidet im neuen Stadtteil Nider- Beide können voneinander profitieren. feld, der zwischen Dietikon und Sprei- Es stellt sich auch die Frage, was würde tenbach liegt und ab ca. 2024 baureif sein man heute aufgrund der Erfahrungen wird, von Anfang an Land für eine Schul- anders machen? Politisch, bei der Planung anlage aus. Auch einzelne Regelungen im und Gestaltung. Als Stadtpräsident von öffentlich-rechtlichen Vertrag wurden zu
022 Politik Wir Wohnen Hier 023 wenig klar formuliert und sind daher bis Geduld haben, abwarten und die Vision heute hängig. So bestimmt der Vertrag, nicht aus den Augen verlieren. Wirk- dass der Strassenraum nach Vollendung lich gewürdigt werden kann der neue ins Eigentum der Stadt übergeht. Der Stadtteil erst, wenn er auch fertig ist. Erst Stadtrat versteht mit Strassenraum die dann ist die gewünschte Bevölkerungs- eigentliche Fahrbahn und den Raum für durchmischung da: ein Altersheim mit die Parkplätze. Die Entwicklungsfirma Pflegeplätzen, eine Altersresidenz, Fa- legt jedoch den Vertrag so aus, dass die milienwohnungen, Lofts, die exklusiven Parkplätze nicht ins Eigentum der Stadt Eigentumswohnungen im Limmattower. übergehen, sondern nur die befahrbare Erst nach der Vollendung ist auch die Fläche der Strasse in der Mitte. Diese Kundschaft für die Detaillisten und An- noch nicht gelöste Thematik führt dazu, bieter von Dienstleistungen vorhanden. Larissa Merkli dass der Stadtrat die Parkplatzbewirt- Dannzumal sind die Menschen da, die schaftung noch nicht vornehmen konnte. den Rapidplatz als Raum und Aktivitäten Dies ist für die Bewohnerschaft wenig wie den «Fiirabigmarkt» schätzen. Noch steht die eine oder andere Karton- aber die Mieten waren ihr dann doch zu hoch. verständlich. Die Auslegung dieser Ver- schachtel herum und wartet darauf, ent- Larissa Merkli arbeitet in Zürich als Perso- tragsbestimmung wird wohl auf gericht- Zu schnell abgeschrieben sorgt zu werden. Larissa Merkli hat ihre neue nal-Assistentin bei Franz Carl Weber, ist dort lichem Weg erfolgen. Meine Gäste auf dem Rapidplatz fragen Wohnung im Limmatfeld erst vor Kurzem zuständig für die administrativen Abläufe Letztlich stellt sich für mich auch die mich auch, wie steuerkräftig die Bewohne- bezogen. von Eintritten und Austritten, Arbeitszeug- Frage, ob die Dichte einzelner Bauten nicht rinnen und die Bewohner im Limmatfeld nissen, Krankheiten, Unfällen oder BVG- zu hoch ist. Die Hofsituation zwischen den sind. Eine Analyse zeigt, dass die durch- Hier will sie bleiben, denn hier fühlt sie sich An- und -Abmeldungen. Ein Job der ihr gut Gebäuden ist aus meiner Sicht an manchen schnittliche Steuerkraft pro Person leicht wohl und absolut sicher. Lebendig sei das gefällt. Und hin und wieder kauft sie für ihr Orten sehr eng. Mir scheint: Etwas weniger höher ist als im restlichen Dietikon. Dazu Quartier, sagt sie. Das ist ihr wichtig, weil sie kleines Patenkind Spielzeug. Die guten Zug- dicht wäre wünschenswert gewesen, auch kommt, dass im Limmatfeld viele Doppel- alleine wohnt. Aufgewachsen in Spreitenbach verbindungen in die Stadt und den nahe ge- wenn dafür der Rapidplatz als leere Mitte verdiener leben, was für die Stadtkasse von und Wettingen, zog es sie und ihren damaligen legenen Bahnhof schätzt Larissa Merkli sehr. mit entsprechendem Freiraum kleiner Vorteil ist. Freund ins Limmatfeld, als sie eine gemein- «Genau sieben Minuten sind es zu Fuss. Ich geworden wäre. Auch diese Einsicht fliesst Viel zu schnell wurde das Limmatfeld same Wohnung suchten. Der Lage wegen und hab die Zeit gestoppt, damit ich nicht zu früh in das städtebauliche Konzept Niderfeld von einigen gar abgeschrieben, insbe- weil ihre Familien in der Nähe wohnen. Aber aus dem Haus gehe», lacht sie. Ihre Freizeit ein, bei dem die Blockrandüberbauungen sondere, nachdem die ersten Detaillisten wie es so kommen kann: Die Beziehung ging verbringt die 27-Jährige allerdings lieber in wesentlich grosszügigere Innenhöfe erhal- und Gastrobetriebe, die Pionierfunktion auseinander und Larissa Merkli war erneut auf Zürich. Aber wenn sie einmal nicht weit weg ten werden. hatten, wieder weggezogen waren. Anzei- Wohnungssuche. Dass diese wieder im Lim- will, dann gehts an die Limmat zum Baden chen verdichten sich nun aber, dass der matfeld sein musste, war für die junge Frau oder Joggen. Und weil eine neue Wohnung Das Limmatfeld – ein persönliches Fazit neue Stadtteil als «unsere kleine Stadt» klar. «Es lebt sich gut hier. Es gibt eine Migros, auch eingerichtet sein will, ist Larissa Merkli Stehe ich mit Gästen auf dem Rapid- zum belebten Lebensraum wird, denn einen Lidl und sonntags hat sogar das kleine froh, dass viele Firmen ganz in ihrer Nähe platz oder vor dem Limmattower, stelle Menschen engagieren sich im Quartier- Geschäft eines Türken geöffnet.» Optimal sei angesiedelt sind – Mediamarkt, Fust und Lipo ich schnell ein Staunen, aber auch ein verein, Detaillisten berichten über einen das, wenn einem als Raucherin die Zigaretten zum Beispiel. Am Stadtfest, da wird sie aber Fragen fest. Das Limmatfeld lässt auf- positiven Geschäftsverlauf, Mieter und ausgehen. Sitzt sie abends auf dem Balkon, sicher da sein und bis in die frühen Morgen- horchen und bewegt. Wurde die Vision Mieterinnen erzählen ganz einfach, dass hört sie die Musik der Nachbarn und kann stunden mitfeiern. Den Plan habe sie bereits umgesetzt, was bringt der neue Stadtteil es ihnen im Limmatfeld gefällt. Mir – ihnen beim Grillieren zusehen. Eine Wohnung studiert. «Von meinem Balkon aus kann ich Dietikon? Meine erste Erkenntnis ist: unterm Strich – auch. im Limmattower hätte sie schon auch gereizt, sogar eine der grossen Bühnen sehen.»
024 Geschichte 025 Baumwollweberei Boller & Syz Weberinnen und Gastarbeiter Die Industrialisierung in Dietikon ist untrennbar mit der Geschichte der «Baumwollweberei Boller & Syz» verbunden. Sie wurde 1857 im Grien beim heutigen Limmatfeld gegründet und bestand bis ins Jahr 1935. Damit gehört sie zu den ältesten Betrieben Ortsmuseum Dietikon WIR 3.2, Bild 1516 überhaupt in unserer Stadt, und sie war lange Zeit auch die grösste und wirtschaftlich bedeutendste Arbeit- geberin in der Umgebung. Die Weberei Syz um 1920. Oben der Fabrikkanal mit Kraftwerk. Die Gründung der Weberei Dietikon der bedeutende Textilfabrikant Johann Um den wirtschaftlichen und technischen Heinrich Boller-Zangger (1821 – 1877) dazu ein Turbinenhaus und den Betrieb Fortschritt zu fördern, veröffentlichte die günstige Gelegenheit. einer Baumwollweberei errichten zu die Gemeinde Dietikon im Jahre 1856 Johann Heinrich Boller stammte aus dürfen. Mit Beschluss vom 14. März 1857 ein verlockendes Angebot: Es wurde Uster und arbeitete im väterlichen Unter- wurde dem Antrag stattgegeben. Durch versprochen, einem jeden Fabrikanten, nehmen als Tuchhändler und Seidenver- die Aushebung des Fabrikkanals an einem der bereit war, ein Wasserwerk an der leger. Am 19. Oktober 1856 stellte er das seitlichen Flussarm der Limmat entstand Sven Wahrenberger ist Kommissions- Limmat zu errichten, das entsprechende Gesuch an den Regierungsrat des Kan- die Grien-Insel, auf der Boller sogleich das mitglied für Heimatkunde im Ortsmuseum Bauland sowie einige Hundert Quad- tons Zürich, im Grien bei der Limmat in Wasserwerk errichten liess. Dietikon. An der Universität Zürich hat er kürzlich seine Masterarbeit in Alter ratmeter Umschwung um die künftigen Dietikon einen sogenannten «Wuhr» – das Im Anschluss an dieses erste Maschi- Geschichte erfolgreich abgeschlossen. Gebäulichkeiten zu schenken. Da ergriff heisst einen Kanal für die Wasserzufuhr –, nenhaus wurde 1860 auf dem Festland
026 Geschichte (Flurbezeichnung: «Jm Hanfland») mit dem Bau der Weberei begonnen, welche schon 1862 fertiggestellt und in Betrieb Ortsmuseum Dietikon, GDE 4.2, Bild 4427 Ortsmuseum Dietikon WIR 3.2, Bild 26103 genommen werden konnte. Zur Zeit der frühen Industrialisierung im Limmattal war die «Baumwollweberei Boller» die mit Abstand grösste Arbeit- geberin in der Umgebung von Dietikon. Sie bestand zu Beginn aus einem Giebel- bau und vier Fabrikhallen. Dort waren insgesamt 230 mechanische Webstühle Links: Idyllische Ansicht der Kosthäuser in der Grünau. installiert, welche über ein Vorwerk mit von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Im Winter Gemeinde Dietikon zu generieren begann; Postkarte, ca. 1900 der Transmissionswelle verbunden und war man auf das spärliche Licht einer dieses neuartige Elektrizitätswerk ging Rechts: Das Mädchenheim der Weberei an der heutigen durch die Wasserkraft des Turbinenhauses über den Webstühlen angebrachten, oft 1908 an die EKZ über. Das Unternehmen Heimstrasse 21 beherbergte zeitweise bis zu 40 Mädchen. Postkarte um 1920 angetrieben wurden. Rund 150 Arbeits- rauchenden Petrollampe angewiesen. Zur florierte, doch wurden auch die Arbeits- kräfte wurden damals von der Weberei Mittagspause hin durften die Frauen ihren verhältnisse in der Weberei deutlich härter: Boller beschäftigt, wobei es sich mehrheit- Arbeitsplatz schon einige Zeit vor 12:00 Um 1892 wurde Direktor Zangger, heitskontrolle: Die Glocke wurde im No- lich um Frauen und deren erwachsene Uhr verlassen, weil viele von ihnen Zuhau- gleichzeitig Wirt zum Restaurant «Schlüs- vember 1892 auf dem First des neu er- Töchter aus der Region handelte. se das Essen für ihre Familie zubereiten sel», durch Gustav Stamm aus Schaff- bauten Magazins in ein kleines Türmchen Fabriziert wurden zunächst Calicot- mussten. Jungen Müttern war es erlaubt, hausen ersetzt. Dieser führte ein strenges gehängt. Von diesem Schopfdach aus und Cretonne-Baumwolltücher in ein- ihre Kinder mit in die Weberei zu nehmen, Regiment. Als Erstes ordnete Stamm an, musste sie der «Weberei-Sigrist» morgens facher Leinwandbindung. Seit den wo diese z.T. kleinere Hilfsarbeiten für die dass Kindern der Zutritt in die Weberei und nachmittags jeweils fünf Minuten 1890er-Jahren Weberinnen und Weber verrichteten. ab sofort zu verweigern sei, was zwar vor Arbeitsbeginn – später zwei Minuten Johann Heinrich Boller-Zangger (1821 – 1877) vermochte aufgrund der Unfallgefahr und anderer davor – läuten. Beim letzten Glockenschlag die Weberei Das Unternehmen floriert, die Arbeit gesundheitlicher Nachteile zu begrüssen verschloss der Aufseher das Gatter zum Dietikon dank wird härter war. Doch gab es damals keine Einrichtun- Fabrikareal. Wer von den Weberinnen und der Anschaf- Im Jahre 1882 wurde die Weberei von gen zur Unterbringung der Fabrikkinder, Webern zu spät ankam, wurde ausgesperrt, fung von neuen Johann Heinrich Bollers Sohn, Arnold Bol- weshalb diese von nun an tagsüber meist bis die Kontrolle in der Werkhalle vorüber Schaftmaschi- ler-Schinz (1841 – 1926) übernommen und sich selbst überlassen waren. Das vorzeitige war, und wurde dann mit einer Geldbusse nen auch kom- wesentlich vergrössert. Die Fabrikanlage Verlassen des Arbeitsplatzes wurde auch bestraft. plexere Muster wurde um sieben Shedhallen erweitert, die nicht mehr toleriert. Dafür wurde die auf Bei dem geringen Verdienst war bei herzustellen. Zahl der Webstühle wurde auf 550 Stück anderthalb Stunden verlängerte Mittags- den Arbeiterinnen und Arbeitern dieses Die Arbeits- verdoppelt und die Arbeiterzahl stieg auf pause um 11:30 Uhr eingeführt, wogegen Bussensystem verhasst; zumal die Aufseher zeit betrug elf etwa 250 Personen. Als Pionierleistung liess dann zur Kompensation erst um 18:30 Uhr auch die Webereien genau kontrollierten Stunden am Boller 1888 im Wasserwerk einen Gleichstrom- Feierabend war. Es gab aber noch mehr und für etwaige Mängel im Gewebe eben- Stadtarchiv Uster Signatur PA056 Tag, und dauer- generator einbauen, um den wachsenden Neuerungen: War das Fabrikareal bisher falls Bussen erteilten. Diese Abzüge fielen te von 6:00 Uhr Energiebedarf der Weberei zu decken. offen und frei zugänglich, wurde es nun stark ins Gewicht, wenn man bedenkt, bis 12:00 Uhr Sechs Jahre später wurde ein von der We- eingezäunt. dass eine Weberin auf zwei Stühlen damals morgens und berei unabhängiges zweites Turbinenhaus Hinzu kam die Fabrikglocke und, mit rund 18 bis 21 Franken am vierzehntägigen nachmittags errichtet, wo Boller Wechselstrom für die ihr verbunden, eine strenge Anwesen- Zahltag erhielt.
028 Geschichte 029 Unterkunft für die Arbeiter Drittel stammten die Arbeiterfamilien schaftskrise nach dem Börsenkrach von be, als grösste Arbeitgeberin und überdies Die Grösse der «Baumwollweberei Boller» aus benachbarten Ländern, vor allem aus 1929 sorgte für erhebliche und unlösbare als erstes elektrisches Kraftwerk dem Dorf mit ihren rund 250 Arbeitnehmerinnen Italien, aber auch aus Deutschland. Das im Probleme. Gerade in der Textilindustrie Dietikon einen bedeutenden Sprung nach und Arbeitnehmern führte dazu, dass Jahr 1903 von Syz erbaute Mädchenheim kam es vielerorts zur zeitweisen oder völli- vorn, in die Moderne, ermöglicht hat: Die die Leute seit den 1880er-Jahren immer in Dietikon entstand im Rahmen dieses gen Stilllegung von vielen Unternehmen; «Baumwollweberei Boller & Syz» bewegte häufiger von ausserhalb der Gemeinde Zustroms, sozusagen als Erweiterung der von 1929 bis 1936 verringerte sich ihre wahrhaftig die Geschichte von Dietikon. Dietikon kamen. Aus diesem Grund Kosthäuser: Es wurde von Ordensschwes- Zahl um mehr als ein Viertel. Die erwarb Boller Bürgergemeindeland in der tern des Klosters Menzingen ZG geleitet «Weberei Syz & Co.» musste im Febru- Grünau und liess bis 1899 für das in sei- und war als sichere Unterkunft für minder- ar 1935 aus wirtschaftlichen Gründen nem Unternehmen beschäftigte Personal jährige Mädchen gedacht, die sich mit endgültig aufgegeben werden: Die gesamte Bibliografie ¬ Archiv des Ortsmuseums Dietikon. eine Wohnkolonie aus 7 Zweifamilien- einer 2-jährigen Anstellung in der Weberei Belegschaft wurde entlassen und etliches ¬ Bürgi, Markus: Boller, Heinrich, in: Historisches und 2 Mehrfamilienhäusern errichten. In die Aussteuer und Mitgift für eine spätere Maschinenmaterial nach Glattfelden an Lexikon der Schweiz, 8.11.2002. [Stand: 22. März 2018]. ortsfremde Fabriklerfamilien in grösserer hatte das Ende des Webereibetriebs auch ¬ Fritzsche, Bruno/Lemmenmeister, Max: Auf dem Weg zu einer städtischen Industrie- Zahl in Dietikon an, welche vor dem Ers- Schwere Zeiten und Schliessung die Aufhebung des Mädchenheims zur gesellschaft 1870 – 1910, in: Flüeler, Niklaus/ ten Weltkrieg hauptsächlich noch aus dem Normalerweise lebten zwischen dreissig Folge. Die Werkhallen blieben jahrelang Flüeler-Grauwiler Marianne (Hg.): Geschichte des Kantons Zürich 3, Zürich 1995, S. 158–241. Zürcher Oberland stammten. und vierzig Mädchen in dem Heim. Viele unbenutzt. Bei Ausbruch des Zweiten ¬ Grau, Jakob: Um das Dietikoner Webereiglöggli, Um noch mehr günstige Arbeitskräfte von ihnen kamen aus Oberitalien, weshalb Weltkriegs bezog das Schweizer Militär die in: Grob, Paul (Hg.): Limmattaler Heimat-Jahrbuch zu erhalten, investierte der neue Firmen- das Mädchenheim im Dietiker Volksmund Fabrik und auch das Mädchenheim und 2, Dietikon 1955, S. 56–59. besitzer John Syz-Schindler (1859 – 1939) auch bald «Asilo Italiano» genannt wurde. nutzte ihre Räumlichkeiten als Truppen- ¬ Härri, Marianne: Syz, John, in: Historisches um 1903 zusätzlich in den Bau eines Mäd- Für Unterkunft und Verpflegung hatten unterkunft. Lexikon der Schweiz, 28.3.2012. [Stand: 22. März 2018]. chenheims unweit des Fabrikareals an der die Mädchen selber finanziell aufzukom- Im Oktober 1940 erwarb die Leicht- ¬ Heid, Karl: Die Grünau im Wandel der Zeit, in: heutigen Heimstrasse 21. Syz war bereits men, was sie täglich zwischen achtzig und Isolierbaustoff produzierende Firma Rapid Hauszeitung 10, 1967, S. 14–18. 1890 als Teilhaber in die Weberei Boller Rappen und einem Franken kostete. In «Durisol AG» die Weberei und die Krei- ¬ Koch, Hans (Hg.): Dietikon in Wort und Bild, eingestiegen. Der in New York gebürtige ihrer arbeitsfreien Zeit wurden sie von deproduzentin Rosa Zgraggen verlegte Dietikon 1921. Unternehmer war in Zürich aufgewachsen, den Nonnen in Handarbeit, Haushalts- die «Signa AG» um 1942, welche sie 10 ¬ König, Mario/Kurz, Daniel/Sutter, Eva: Wirt- schaftsdepression und gesellschaftliche Unrast, sein Schwiegervater war der reiche Zürcher führung und sogar in allgemeinbildenden Jahre zuvor in Fischenthal ZH im Oberen in: Flüeler, Niklaus/Flüeler-Grauwiler Marianne Seidenfabrikant Kaspar Schindler-Escher Fächern unterrichtet. Ausgang hatten die Tösstal gegründet hatte, in das Mädchen- (Hg.): Geschichte des Kantons Zürich 3, Zürich 1995, S. 310–329. (1828 – 1902). Bereits nach 10-jähriger jungen Frauen keinen. Nur am Sonntag heim. Nach dem Umzug, respektive der ¬ Lengwiler, Martin/Lengwiler, Urs/Rothenbüh- Tätigkeit in Dietikon wurde John Syz um gingen sie unter der Obhut der gestrengen Stilllegung dieser beiden Firmen standen ler, Verena/Stromer, Markus: Dietikon. Stadtluft 1900 Alleininhaber der Weberei Dietikon, Ordensschwestern ins Dorf und besuchten jedoch sowohl die ehemalige Weberei als und Dorfgeist. Von den Anfängen bis zur Gegen- und benannte sie 1901 in «Weberei Syz & zusammen die Messe. Anschliessend durf- auch das einstige Mädchenheim schon wart, Zürich 2003. Co.» um. ten sie einen gemeinsamen Spaziergang wieder leer. So wurden schliesslich beide ¬ Stadtarchiv & Kläui Bibliothek Uster, Nachlass Familie Zangger. machen. Manchmal verliebten sich einige Gebäulichkeiten in den Jahren 1983 und ¬ Trutmann, Hans Peter: Ein kleines stilles Das «Asilo Italiano» der Mädchen während dieser Ausflüge 1984 abgebrochen. Leuchten aus Dietikon, in: Neujahrsblatt von Zuwanderer aus dem Ausland bildeten seit und entschlossen sich, hier in Dietikon zu Als geschichtsträchtiger Betrieb mag Dietikon 68, 2015, S. 5–169. dem Wirtschaftsaufschwung der 1890er- bleiben. die Weberei zwar schon lange aufgehört ¬ Wiederkehr, Max: Die Elektrizität in Dietikon, in: Neujahrsblatt von Dietikon 49, 1996, S. 98-103. Jahre im gesamten Kanton Zürich ein Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg haben zu existieren. Doch zweifelsohne ¬ Wüger, Hans: 100 Jahre Wasserkraftnutzung immer wichtiger werdendes Element der überstand die Weberei trotz schlechter darf von ihr gesagt werden, dass sie als ei- der Limmat in Dietikon, in: Neujahrsblatt von fabrikdörflichen Gesellschaft. Bis zu einem Geschäftsjahre. Erst die grosse Weltwirt- ner der frühesten industrialisierten Betrie- Dietikon 14, 1961, S. 2–18.
030 Geschichte 031 Die Baustoff-Firma Durisol Armeeunterkünfte und Bundesbüros Text: Hans Peter Trutmann Durisol-Bauten aus Dietikon standen sowohl im Heute denkt man beim Betrachten von alten Durisol-Bauten oft an die japanische kalten Grönland als auch im heissen Sudan. Die Bauweise. Eine Erinnerung an die Bauten der Durisol Dietikon stellt die Ex-Libris- Fabrik am Limmatkanal war in den 1950er-Jahren Fassade an der Grünaustrasse dar. Seit vielen Jahren hat dieses Konstruktions- landesweit eines der führenden Unternehmen modell jedoch bei uns in ästhetischer Hin- der Baustoffbranche. sicht an Prestige eingebüsst. Zu Beginn der Geschichte dieser bedeutenden Dietiker Firma steht ein findiger Holländer, dem es gelang, einen Baustoff herzustellen, der leicht und stabil zugleich, nicht zu teuer, aber doch beständig war. Leichtbaustoff aus Holzabfällen Es war ein altes Anliegen, über einen Bau- stoff zu verfügen, der statische Festigkeit aufweist und gegen Kälte, Hitze, Feuchtig- keit und Schall isoliert. 1932 meldete der Holländer Richard Handl ein Verfahren zur Herstellung eines Leichtbaustoffs aus Holzabfällen und Zement als Patent an. Dieser Baustoff bestand im Wesentlichen aus Zement als Bindemittel und aus je nach Land verschiedenen Grundstoffen (z.B. Hobelspäne, Schwartenholz, Abfälle aus Zuckerrohr, Spanischnüssli-Schalen). Das Produkt war wärmeisolierend, schallschluckend und frostsicher. Es haftete an Beton, band mit Verputz und war mit Säge und Beil bearbeitbar. Der Baustoff stellte also eine Verwertung von teilweise Weder Pyramiden aus dem alten Ägypten noch die Fundamente des Limmattowers sondern ein riesiges Durisol-Lager in den 1950er-Jahren. In Dietikon wurden bis 1969 in erster Linie Mauer- Fotos: ZVG steine mit hoher Isolation und guter Tragfähig- keit hergestellt.
032 Geschichte Geschichte 057 minderwertigem Material dar. Zwar war Die Herren Schnell und Bosshard über- Dietikon über den obersten Chef tuschelten, er nicht billiger als andere Baustoffe, er nahmen die Aktien der Thermisol und sprachen sie vom «Ogüst» (Auguste). erlaubte aber ein rasches Bauen zu jeder diese begann 1939 mit der Fabrikation des Jahreszeit und eignete sich vor allem für neuartigen Werkstoffs. Die eingeschlos- Baustoff für Armee und Bund leichte Konstruktionen. 1937 erwarben der senen Luftporen wurden dabei durch Die Schweizer Armee benötigte ab 1939 ETH-Architekt Alex Bosshard und der ver- isolierende Holzfasern ersetzt. Wichtig dringend zusätzliche Unterkünfte und August Schnell und Josef Wietlisbach mögende Zürcher Bankier August Schnell für die Entwicklung der Durisol-Produkte wetterfeste Lagerräume. Auch die Bun- (Dietikon/Geroldswil) (1897 – 1996) das alleinige Verwertungs- war von Beginn an die fachliche Beratung desverwaltung trat als Grossbestellerin recht des Patents Handl. durch den ETH-Ingenieur Friedrich Häus- für Büroräume auf, z.B. 1942 im Marzili- Durisol-Platzmeister Adolf Huber-Hümbeli ler, Spezialist für Holzzement. quartier in Bern. Die Durisol schaffte es (sog. Elefanten-Huber) blickt wohlwollend Durus plus solum gleich Durisol Im November 1940 wurde das Grund- immer wieder, innert drei Monaten einen auf einen Küchengehilfen hinunter. Damit kommen wir nach Dietikon, doch kapital auf 400 000 Franken verdoppelt und Komplex von 300 Büros schlüsselfertig noch nicht ins Limmatfeld. Im März eine neue Firmenbezeichnung beschlos- aufzustellen. Auch die Landwirtschaft 1938 wurde an der Schöneggstrasse 32, sen: Durisol AG für Leichtbaustoffe. Beim machte vom neuen Bauprodukt gerne für also westlich der damaligen Diplolith- Namen handelt es sich um eine lateinische Lagerräume Gebrauch. und Cementsteinfabrik, im Volksmund Wortkombination: durus (hart) und solum Nach dem Zweiten Weltkrieg lief der «Korki» genannt (heute Siedlung «Dörfli»), (Grund, Boden). Betrieb am Limmatkanal mit der Herstellung eine kleine Firma namens Thermisol AG von Durisol-Mauersteinen und Leichtbau- Leichtbaustoffe eröffnet. Man stellte dort Unter der Fuchtel von «Ogüst» platten für Wohnbauten auf Hochtouren. Porenbeton her. Gründer waren Josef Die seit 1860 bestehende Weberei Bol- Auch für den Bau von Schulhäusern, Turn- Meier-Blattmer und Arthur Kormann. ler&Syz musste 1935 aus wirtschaftlichen hallen und Industriebauten kamen viele Auf- Verwaltungsratspräsident war Arnold Gründen stillgelegt werden. 1939 kauften träge nach Dietikon. Grösse und Gewicht der Rutishauser und als Geschäftsführer wirkte Schnell und Bosshard für ihre Firma Plattenelemente waren so, dass sie von zwei Werner Affolter. Geschäftszwecke laut Durisol das 50 000 Quadratmeter um- Männern getragen und eingebaut werden Handelsregister waren der Erwerb von fassende Areal der Weberei am Lim- konnten. Die Herstellung war weder hochin- Patenten und Verfahren des Baufachs, matkanal (Fabrikstrasse 20). Der Preis dustriell noch kapitalintensiv. Die Elemente Verwertung durch Verkauf, Lizenzabgabe betrug 596 000 Franken, also etwa waren leicht zu montieren und somit auch oder Selbstherstellung. 12 Franken pro Quadratmeter. Das Ge- für Übergangslösungen geeignet. lände lag abseits der lokalen Verkehrs- Während der Bausaison waren in den und Spazierwege. Fünfzigerjahren täglich bis zu zehn Last- Bald hatte August Schnell als Delegier- wagen für die Durisol im Einsatz. Sie fuhren ter des Verwaltungsrats und Direktor das am Morgen mit den Mauersteinen zu den grosse Sagen in der Firma. Er gefiel sich vielen Baustellen in der ganzen Schweiz und in der Rolle eines jovialen und oft unbere- sammelten auf dem Rückweg bei grossen aus Dietikon und dem übrigen Limmattal chenbaren Patrons, gönnte sich keine Ferien Sägereien Hobelspäne und Schwarten ein. konnten sich über viele Aufträge von der Hans Peter Trutmann ist in Dietikon und duzte das Personal nach Lust und Nach Kriegsende trafen bei der Durisol Durisol erfreuen. aufgewachsen. Der promovierter Jurist Laune. Finanzspezialist Schnell war auch zudem viele Bestellungen aus dem Ausland war in leitender Stellung beim Kanto- nalen Strassenverkehrsamt tätig. Seit ein Freund der schönen Künste und des ein. Die Firma wurde zusätzlich mit Perso- «Elefanten-Huber» in Aktion Jahrzehnten beschäftigt er sich intensiv feinen Essens. So war er häufiger Gast in der nal und Einrichtungen für eine vollständige Die mündlichen Anordnungen von Platz- mit der Geschichte Dietikons. «Krone». Wenn die 150 Mitarbeitenden in Schlosserei ausgerüstet. Unterakkordanten chef Adolf Huber-Hümbeli (Vater von alt
034 Geschichte Geschichte Die Durisol um 1953 mit den beiden Lagerplätzen. Die Produktion der Bauelemente fand in der grossen Halle der ehemaligen Weberei statt. Unten die 1951 an der Überlandstrasse erstellte Turissa-Nähmaschinenfabrik Gemeinderat Walter Huber-Zuber) waren AG. Am rechten Ufer des auf dem ganzen Areal gut hörbar und Limmatkanals steht das EKZ. wurden genau befolgt. Bei Gegenwind Die vielen sonnigen Schreber- gärten sind schon längst schwang er sich sofort missmutig auf das verschwunden. Militärfahrrad und gab die Aufträge an Ort und Stelle durch. Seine gewaltigen körperlichen Kräfte führten in Dietikon zum Übernamen «Elefanten-Huber». Er produziert. Ab 1968 stand der war deshalb am freien Samstagnachmittag Verkaufsschlager Duripanel im für das lokale Transportgeschäft Hürzeler Mittelpunkt, Platten aus Holz ein begehrter Zügelmann. und Zement, im Format Die älteren Dietiker Buben rissen sich 100 × 300 cm und 9 bis 40 mm in den Fünfzigerjahren um die Möglichkeit, dick. während der Ferien bei der Durisol Hand anzulegen, betrug doch der Stundenlohn Konkurrenz mit Villmergen drei Franken. Und eine ganze Reihe von 1963 war das Areal am Lim- Dietikern stellten ihre Arbeitskraft für matkanal für die Produktion längere oder kürzere Zeit der Durisol zur zu klein geworden, sodass Verfügung, so z.B. Vizedirektor Emil man die Durisol Villmergen Manser, Platzmeister Adolf Huber-Hüm- AG gründete. Die Inbetrieb- beli, Josef Wietlisbach als Chef der Schrei- nahme erfolgte 1964. Allein die Westschweiz stand in Renens VD. «Ogüst» Schnell zog sich 1978 aus der nerei und Betriebsleiter, Finanzchef August die Fabrikhalle umfasste 10 000 m2, dazu Verschiedene Vertreter und Fachberater Firma Durisol zurück. Schelbert-Oeschger, die für den Vertrieb kamen noch die Nebengebäude. Der waren über die ganze Schweiz verteilt. Im Dezember 1980 verursachte ein zuständigen Prokuristen Fritz llli und Rein- dortige Gemeinderat war verärgert, weil Im Vordergrund stand in Villmergen die Brand in der Dietiker Fabrikationshalle hard Handschin, Architekt Gottfried Hünig, seine Forderung, den Sitz der Firma von Produktion von Betonziegeln. einen Millionenschaden. Damals beschäf- Josef Bollhalder (Spedition und Dispositi- Dietikon nach Villmergen zu verlegen, tigte die Durisol in Dietikon nur noch etwa on), Hans Wagner (Werkmeister Duripa- nicht erfüllt wurde. Da die neuen Anlagen Schmidheinys «Eternit» greift 1978 zu dreissig Personen. Die noch von der alten nel), Alfred Menzi (Labor), Paul Hubatka einen weitgehend vollautomatisierten Be- Im Jahre 1978 erwarb die von der Indus- Weberei stammende grosse Halle wurde (zuständig für die Westschweiz), Walter trieb ermöglichten, konnte bei gleichblei- triellenfamilie Schmidheiny dominierte im Frühjahr 1983 abgebrochen und die Lochinger von der «Schmiedstube», der nie bender Produktionsmenge die technische Firma Eternit AG in Niederurnen die Ak- Produktion völlig eingestellt. Das war das verzagende Maschinenspezialist Karl (Car- Belegschaft stark reduziert werden. tien der Durisol Dietikon und Villmergen. endgültige Ende der Dursiol in Dietikon. lo) Meier und der 1959 aus dem Unterwallis Die Verwaltungsabteilung der Durisol Direktor und Mehrheitsaktionär Schnell Ende 1989 übernahm die 1964 in Würen- kommende Germain Mittaz. Ein kaufmän- wurde 1966 von Dietikon nach Villmer- hatte zwar zuvor immer wieder verkündet, lingen gegründete Montana Bausysteme nischer Lehrling bei der Durisol war Röbi gen verlegt, was die Ortsansässigen gar dem Baustoffmonopolisten Schmidheiny AG die Durisol Villmergen AG. Sie hat Zimmermann von der Getränkefirma. nicht freute. Um 1970 beschäftigten die verkaufe er dann aber gar nie. Doch als ihren Standort an der Durisolstrasse in In Dietikon stellte man bis 1969 in ers- beiden Betriebe in Dietikon und Villmer- Schnells Sohn mehr Interesse für das Villmergen. ter Linie Durisol-Mauersteine mit hoher gen zusammen mit ihren ausländischen Studium der Kunstgeschichte zeigte als für Isolation und guter Tragfähigkeit her. Ferner Lizenznehmern 350 Personen. Diverse die Leitung eines industriellen Betriebs, Dank wurden Decken-, Dach- und Isolierplatten Montagegruppen waren im ganzen Land musste der Vater widerwillig seinen Ent- Ich danke Josef Wietlisbach, Hans Wagner, (auch im Grossformat) für Industriebauten unterwegs. Die Koordinationsstelle für schluss ändern und die Aktien verkaufen. Germain Mittaz und Alfred Menzi für Auskünfte.
036 Geschichte 037 Turissa-Nähmaschine Der «Volvo» für die Hausfrau Von 1951 bis 1967 wurden Sportwaffen herstellte. Ein inter- im Dietiker Limmatfeld, neben essante Kombination: Jagdgeweh- re für den Mann, Nähmaschinen dem heutigen Limmattower, Näh- für die Frau. maschinen produziert. Die erste Turissa, eben dieser «Volvo», war eine robuste Maschi- Bild: Lutz Lehning, www.naehmaschinenverzeichnis.de Text: Helene Arnet ne in Beige-Braun, die geradeaus, Nicht einfach Nähmaschinen: Der rückwärts und Zickzack nähen konnte. «Volvo der Nähmaschinen», wie Die Turissa Automatic war einfach zu Liebhaber das erste Modell, die Turis- bedienen, pflegeleicht, geschätzt wurde sa Automatic, bezeichnen. Die Firma auch ihr gleichmässig schönes Stich- Turissa hatte ihren Ursprung in der bild. Der Absatz war anfänglich Stickereifabrik Brütsch & Co mit Sitz in gut, auch weil sie verhältnismässig St. Gallen. Sie geriet um 1930 aufgrund billig war: 1958 kostete eine Turissa der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten Ultramatic, die nun auch eine ganze und wurde von der Firma Fritz Gegauf Reihe Zierstiche beherrschte, 640 in Steckborn übernommen. Für diese Franken, die vergleichbare Bernina Firma konstruierte der Tüftler Wilhelm 890 Franken. Heute würde man Brütsch die erste Haushaltnähmaschine, von Dumpingpreisen sprechen. die 1932 unter dem Namen Bernina Kl 105 auf den Markt kam. Hochwertige Ware, niedriger Brütsch arbeitete für Gegauf/Berni- Preis na, führte aber gleichzeitig eine eigene Um 1962 kam die Turissa Swissmatic Firma weiter. Nach dessen Tod im Jahr auf den Markt. Sie hatte eine Wahl- Eine Turissa Swissmatic mit Dietiker 1943 und einer Übergangszeit übernahm scheibe, war schablonengesteuert, Wappen, die zwischen 1962 und 1967 in Dietikon produziert wurde. der zweite Mann der Schwiegertochter verfügte über sechzehn Programme des Firmengründers, Otto Müller, den und war mit einem Dietiker Wäpp- Betrieb. Er verstand sich als Konkur- chen versehen. Ein Sammler von alten renzunternehmen zu Gegauf/Bernina, Nähmaschinen schreibt über die Turissa Das Geschäftsmodell, hochwertige Ware PS: benannte 1951 Brütsch & Co in Turis- Swissmatic auf der Website «naehmaschi- zu niedrigen Preisen anzubieten, funktio- Bernina, vormals Fritz Gegauf AG, pro- sa-Nähmaschinenfabrik um und zog mit nenverzeichnis.de», von der viele Infor- nierte nicht lange. 1967 wurde die Nähma- duziert bis heute Haushaltnähmaschinen. der Produktion nach Dietikon. Ganz mationen dieses Textes stammen: «Die schinenproduktion in Dietikon eingestellt, In Steckborn und in Lamphun (Thailand). eigenständig war die Firma allerdings gesamte Mechanik ist perfekt und fein das Fabrikgebäude, das bis zur Überbau- Sie beschäftigt gut 1000 Mitarbeiterinnen nicht. Sie wurde als Tochterunternehmen gearbeitet, sie funktioniert sehr leichtgän- ung Limmathof noch stand, wurde von der und Mitarbeiter, 270 davon in Steckborn, der Hämmerli Lenzburg geführt, die gig und leise.» Firma Rapid gekauft. und beliefert weltweit achtzig Märkte.
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