Sein & Schein in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege - Tag des offenen Denkmals 2021 Sonntag, 12. September
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Sein & Schein in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege Tag des offenen Denkmals® 2021 Sonntag, 12. September augsburg.de/tag-des-offenen-denkmals
Übersicht der Denkmäler | Stadtplan Innenstadt 1 Ev.-Luth. Pfarrkirche St. Anna 25 Perlachturm mit Turamichele Im Annahof 2 Rathausplatz 6 2 Ev.-Luth. Pfarrkirche zu den Barfüßern 26 Schaezlerpalais Barfüßerstraße 8 / Mittlerer Lech 1 Maximilianstraße 46 3 Diözesanmuseum St. Afra 28 Ehemalige Stadtmetzg Kornhausgasse 3–5 Metzgplatz 1 4 Kath. Domkirche Mariä Heimsuchung 27 Alte Schmiede Frauentorstraße 1 Milchberg 16 9 Ehem. Dominikanerklosterkirche 29 Sog. Wieselhaus St. Magdalena Äußeres Pfaffengässchen 23 Dominikanergasse 15 30 Oblatterwall-Turm 16 Ev.-Luth. Pfarrkirche St. Ulrich Riedlerstraße 11 Ulrichsplatz 21 31 Wertachbrucker Tor 17 Kath. Basilika St. Ulrich und Afra Wertachbrucker Tor-Straße 14, Ulrichsplatz 23 Am Backofenwall 18 Hermanfriedhof 32 Zeughaus mit kath. Friedhofskirche St. Michael Zeugplatz 4 Hermanstraße 12 36 Wassertürme am Roten Tor 20 Protestantischer Friedhof Am Roten Tor 1 mit Friedhofskirche 41 Kongresshalle mit Hotelturm Haunstetter Straße 36 und Sporthalle 21 Fuggerei Gögginger Straße 10 Fuggerei 56 Imhofstraße 12 Ulrich-Hofmeier-Straße 30 22 Fuggerhäuser Innenhöfe Maximilianstraße 36, Zeugplatz 7 43 Staats- und Stadtbibliothek Schaezlerstraße 25 23 Ehem. Paritätische St.-Jakobs-Pfründe Mittlerer Lech 5 24 Maximilianmuseum Fuggerplatz 1 Rathausplatz Königsplatz
Für deine Inhalt Neugierde Vorwort 8 Sein & Schein – in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege 10 Sakralbauten17 1 Ev.-Luth. Pfarrkirche 18 10 Kath. Filialkirche 47 St. Anna St. Michael, Pfersee Im Annahof 2 Stadtberger Straße 9 2 Ev.-Luth. Pfarrkirche 21 11 Kath. Pfarrkirche 49 zu den Barfüßern St. Peter und Paul, Barfüßerstraße 8 Inningen Bobinger Straße 58 3 Diözesanmuseum23 St. Afra 12 Ev.-Luth. Pfarrkirche 52 Kornhausgasse 3–5 St. Petrus, Lechhausen Soldnerstraße 38 4 Kath. Domkirche 25 Mariä Heimsuchung 13 Kath. Pfarrkirche 55 Frauentorstraße 1 St. Remigius, Bergheim Hauptstraße 24 5 Kath. Pfarrkirche 29 „Zum Heiligsten Erlöser“, 14 Ehem. Synagoge 57 Göggingen Kriegshaber Wellenburger Straße 58 Ulmer Straße 228 6 Kath. Pfarrkirche 31 15 Ev.-Luth. Kirche 59 St. Georg, Haunstetten St. Thomas, Kriegshaber Bürgermeister-Widmeier-Straße 10 Rockensteinstraße 21 7 Kath. Pfarrkirche 34 16 Ev.-Luth. Pfarrkirche 62 r Kultu St. Georg und Michael, Deine h unser Göggingen St. Ulrich urc Ulrichsplatz 21 lebt d r- Kultu ent. Von-Cobres-Straße 6 17 Kath. Basilika St. Ulrich 64 8 Kath. Pfarrkirche 39 em und Afra engag nswerte Hlgst. Herz Jesu, Pfersee Ulrichsplatz 23 Augsburger Straße 23a e ne leb n. Für ei und Regio 9 Ehemalige42 St a d t Dominikanerklosterkirche St. Magdalena Dominikanergasse 15 Immer an deiner Seite 5
Friedhöfe71 Stadtbefestigung und 109 Besondere Bauaufgaben 139 militärische Anlagen des 19. und 20. Jahrhunderts 18 Hermanfriedhof mit 72 kath. Friedhofskirche 30 Oblatterwall-Turm110 40 Hans-Adlhoch-Schule140 St. Michael Riedlerstraße/ Hans-Adlhoch-Straße 34 Hermanstraße 12 Untere Jakobermauer 41 Kongresshalle143 19 Käß‘sches Mausoleum, 75 31 Wertachbrucker Tor 111 mit Hotelturm und Am Backofenwall 2 Alter Haunstetter Friedhof Sporthalle Bürgermeister-Widmeier-Straße 55 32 Ehem. Zeughaus 113 Göggingerstraße 10 Imhofstraße 12 Zeugplatz 4 20 Protestantischer Friedhof 77 Ulrich-Hofmeier-Straße 30 mit Friedhofskirche 33 Halle 116 der ehem. 116 Haunstetter Straße 36 42 Kurhaus Göggingen 148 Sheridan-Kaserne Klausenberg 6 Karl-Nolan-Straße 2–4 Repräsentationsbauten81 43 Staats- und 150 34 Ehem. Offizierskasino 118 und Bürgerhäuser Stadtbibliothek der Somme-Kaserne Schaezlerstraße 25 Sommestr. 30 21 Fuggerei82 44 Universität Augsburg – 153 Fuggerei 56 Campus Bauten des Augsburger 123 Universitätsstraße 2 22 Fuggerhäuser 86 Wassersystems Maximilianstraße 36/38 23 Ehem. Paritätische 90 35 Ehem. Pulvermühl- Weiterführende Literatur 156 St.-Jakobs-Pfründe schleuse124 Mittlerer Lech 5 Damaschkeplatz Tag des offenen Denkmals® 159 24 Maximilianmuseum93 36 Wassertürme am Fuggerplatz 1 Roten Tor 125 Impressum161 Am Roten Tor 1 25 Perlachturm mit 96 Turamichele 37 Histor. Wasserwerk am Rathausplatz 6 Hochablass128 Am Eiskanal 50 26 Schaezlerpalais mit 99 Deutscher Barockgalerie Weitere Infos unter: augsburg.de/tag-des-offenen-denkmals Maximilianstraße 46 Bauten der 131 Industrialisierung 27 Alte Schmiede 102 Milchberg 16 38 Ehem. städtisches 132 28 Ehemalige Stadtmetzg 104 Gaswerk Metzgplatz 1 August-Wessels-Straße 30 29 Sog. Wieselhaus 106 39 Sog. Glaspalast 135 Äußeres Pfaffengässchen 23 Otto-Lindenmeyer-Straße 30, Beim Glaspalast 1 6 7
Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Denkmalliebhaberinnen und Denkmalliebhaber, wie jedes Jahr im September veranstaltet die Deutsche Stiftung Denk- Besonders erfreulich ist in diesem Jahr die Rekordteilnahme: Beim malschutz auch in diesem Jahr wieder den „Tag des offenen Denkmals®“. diesjähringen „Tag des offenen Denkmals®“ wird das breite Feld des 2021 steht die Veranstaltung unter dem Motto „Sein und Schein – in Themas an 47 Beispielen vorgestellt. Diese Broschüre möchte Ihnen, Geschichte, Architektur und Denkmalpflege.“ liebe Leserinnen und Leser, all diese Denkmäler und ihre Geschichte Es geht um Denkmäler, die mit optischen Täuschungen und Illusionen vorstellen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen! spielen oder auf den ersten Blick nicht viel hermachen, aber auf den zweiten Blick eine außergewöhnliche Erscheinung, eine außergewöhn- liche Geschichte, eine außergewöhnliche Wahrheit preisgeben. Dieser Blick hinter die Fassade macht die Denkmalpflege so spannend und Herzlichst auch so wichtig. Das zeigt auch die Geschichte eines der bekanntesten Augsburger Denkmäler, die Geschichte des Kurhauses Göggingen, das 1886 entstand. Im Jahr 1972 brachte ein Feuer die zu dem Zeitpunkt in Vergessenheit geratene wahre Schönheit des Gebäudes zum Vorschein. Die Katastrophe erwies sich als Segen. Welch Glück, dass das Kurhaus dadurch für uns erhalten blieb. Auch wenn der „Tag des offenen Denkmals®“ in diesem Jahr schon zum Eva Weber Gerd Merkle zweiten Mal nur eingeschränkt begangen werden kann, erscheint er Oberbürgermeisterin Baureferent wichtiger als in normalen Zeiten. Durch die Pandemie wird unsere Auf- merksamkeit stark von der Gegenwart beansprucht. Manch einer hat das Gefühl, dass diese bröckelt wie ein alter Putz. Mehr denn je brauchen wir daher das feste Fundament der Vergangenheit, die in Bauten gegos- sene Beständigkeit, die uns die beruhigende Botschaft vermittelt: Alles kann überstanden werden. Richten wir daher den Blick auf diese Bauten und erkunden das Sein hinter dem Schein. Wer weiß, was wir Wertvol- les entdecken. 8 9
Einführung Sein & Schein – in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege „Der Schein trügt“, „Mehr Schein Illusionistische Techniken lassen als Sein“ oder „Die Welt urteilt sich u.a. in Mosaiken, Zeichnungen, nach dem Scheine“ – viele Sprich- Skulpturen, Gemälden, Naturab- wörter greifen das Verhältnis von güssen und in der Architektur fin- Täuschung und Realität auf. Ob den. Hyperrealistische Skulpturen Magie, Historienfilme oder das zeichnen sich etwa durch Techniken Berliner Schloss im Wiederaufbau, wie die Verwendung von Echthaar, in vielen Lebensbereichen werden Glasaugen und besondere Bemalun- wir Teil einer „vorgetäuschten“ gen aus. Selbst Stillleben spielen Wirklichkeit. Doch warum lassen mit unserer Sinneswahrnehmung, wir uns so gerne verzaubern, ver- wie es Plinius der Ältere (23/24 n. blüffen und hinters Licht führen? Chr.) überliefert. So schuf Zeuxis Nicht erst seit Social Media spie- seine bekannten Traubenbilder im len wir mit unserer Wahrnehmung. Wettstreit mit Parrhasios. Auf sei- Was in der Antike beginnt, findet nen Bildern waren die Trauben so in der Kunst und Architektur des realistisch gemalt, dass Vögel diese Barocks seinen Höhepunkt und anpickten. Zeuxis hingegen wurde strahlt bis in die Gegenwart. von dem täuschend echten Vorhang des Parrhasios in die Irre geführt. Denn er versuchte, den Vorhang bei- Der schöne Schein: Täuschung seite zu schieben. Durch perspekti- in den bildenden Künsten vische Raffinessen lässt das soge- nannte Trompe-l’oeil (frz. „Augen- Ob die Nachahmung der Natur, täuschung“) Dargestelltes real er- Sinnestäuschungen im Dekor oder scheinen. In der Architektur führte visuelle Erweiterungen der Archi- allen voran die zentralperspektivi- tektur – immer geht es um das Ver- sche Wand- und Deckenmalerei hältnis von Sein und Schein. So Sinnestäuschungen herbei. brachten verschiedene Epochen wie der Realismus, Barock, Historismus oder die Moderne ihre spezifischen Kontexte, Werke und Interpretationen mit sich. Allegorie auf das Glück des Handels, Kopie des Deckenfreskos von Gottfried Bernhard Göz (1739) im Köpfhaus am Fuggerplatz, Gouache von Karl Nicolai, 1937 Quelle: Kunstsammlungen und Museen Augsburg 10 11
Illusion durch Handwerk: die Beschaffenheit echten Mar- Von Gewölben, Stucco mors nach. Bei der Kalkputztechnik lustro und Quaderputz Stucco lustro ist die typisch mar- morierte Oberfläche des Natur- Im Barock erleben illusionistische steins aufgemalt. Bei der Intarsien- Darstellungsmethoden wie das technik Scagliola färben hingegen Trompe l’oeil einen Höhepunkt: Farbpigmente die aus Gips- und Die Vermischung mehrerer Künste Leimwasser bestehende Masse wie Malerei, Architektur, Skulptur, ein. Stuckmarmor wurde bereits in Musik und Theater sowie das Inte- der Antike hergestellt und kommt resse für das Übernatürliche und aufgrund seiner enormen Strahl- Himmlische brachten eine Vielzahl kraft besonders im Barock vor. an illusionistischen Techniken her- vor. Mit gemalten Scheinarchitek- turen ließen sich Räume visuell er- Orte der Illusion und schein- weitern und vergrößern. Schein- bar unscheinbare Denkmale kuppeln stellten dabei eine Verbin- dung zum göttlichen Himmelreich Theaterbauten mit aufwendig ge- her, vergegenwärtigten Glaubens- fertigten Requisiten, prunkvoll aus- inhalte und konnten damit Mitge- gestattete Schlossanlagen, Licht- fühl auslösen. spieltheater oder Bahnhofkinos: Sie alle vereint die Eigenschaft, Über die Symbolkraft hinaus war Ort oder Attribut der Repräsenta- die Motivation häufig pragmati- tion, Illusion und Inszenierung zu scher: Wie konnten edle Baustoffe sein. An diesen Bauwerken werden Pulvermühlschleuse preiswerter produziert werden? Geschichten erzählt, historische Foto: Ulrich Heiß, Wien Federleichtes Pappmaché diente Stoffe inszeniert, Macht repräsen- so als Stuckersatz und verputztes tiert oder das Auge mit bewegten Fachwerk imitierte durch aufge- Bildern ausgetrickst. Denkmale im Gewand Bauelemente wurden imitiert, neu malte Quader ein sauber gearbei- anderer Bauwerke interpretiert oder als Spolien ent- tetes Steinmauerwerk. Mithilfe von Doch längst nicht alle Denkmale wendet. Den Überlieferungen nach Farben, Putz und Reliefs entstan- lassen sich auf den ersten Blick Eine Epoche mit rückwärtsge- ließ Ende des 8. Jahrhunderts den sogenannte Scheinfassaden, als solche erkennen. Manchmal wandtem Blick: Der Historismus Karl der Große spätantike Spolien die Fenster, Säulen und Gesimse zeigt sich die Bedeutung eines stand ganz im Zeichen der aus den Kaiser-Residenzen Rom vortäuschen konnten. Zu den his- Ortes erst beim genaueren Hin- Wiederbelebung vergangener und Ravenna nach Aachen schaf- torischen Handwerkstechniken der sehen. Denkmale mit einer „au- Baustile. So zitierten Baumeister fen. Die Integration antiker Spolien architektonischen Illusion, gehört genscheinlich“ unscheinbaren im 19. Jahrhundert bewusst die in die Aachener Pfalzkapelle gab neben Quaderputz, Grisaillemale- Fassade sind leicht zu übersehen Stilformen der Renaissance oder dem politischen Anspruch, das Erbe rei, Rustizierung, Holz-Maserung – wie das überputzte Fachwerk- Gotik und verbanden diese zum des römischen Reiches anzutreten, oder Stuckmarmor. Stuckmarmor haus um die Ecke. Teil miteinander. Als Inspirationen Ausdruck. Die Übertragung einzel- ahmt in verschiedenen Techniken dienten Architekturen und Aus- ner Bauelementen kann ebenso der drucksformen anderer Länder. Denkmalpflege dienen. 12 13
Konservieren, restaurieren, In Abgrenzung zur Rekonstruktion Ausblick: Wenn 3D-Drucker millimetergenau. Mittels 3D-Druck rekonstruieren? beschreibt die Restaurierung In- Denkmale drucken lassen sich theoretisch Repliken standsetzungen und Wiederherstel- herstellen und ersetzen manuelle Der Umgang mit originaler oder lungen mit dem Ziel, die originale Die Digitalisierung unserer Gesell- Handwerkstechniken. Sein oder verlorengegangener Substanz an Substanz und den Zeugniswert von schaft führt zu neuen Fragestellun- Schein in der Denkmalpflege? und in historischen Bauwerken Bauteilen und Baudenkmalen zu er- gen in der Denkmalpflege. Digitale Restaurierungen, Rekonstruktionen ist ein lebendiger Diskurs in der halten. Mit diesem Anspruch steht Untersuchungsmethoden, Archi- oder 3D-Repliken sind wichtige modernen Denkmalpflege. Etliche die Restaurierung ganz im Zeichen vierungsmöglichkeiten oder die Entwicklungen für die Bewahrung Beispiele von Erhalt, Instandset- des Seins. Visualisierung verlorengegangener unseres kulturellen Erbes und das zung, Wiederaufbau oder Rekon- Zustände: Was in der archäologi- Verständnis unserer historischen struktion bezeugen seit Jahrhun- schen Forschung längst praktiziert Zeugnisse. derten einen äußerst vielfältigen „Sein und Schein“ in der wird, rückt für die Baudenkmal- Umgang – je nach politischem, Denkmalpflege pflege zunehmend in den Fokus. Text: Deutsche Stiftung Denkmalschutz kulturellem und historischem Kon- 3D-Scans erfassen Bauaufnahmen text. Dabei ist die Auseinander- Das vehemente Plädoyer von Georg setzung mit konkreten Maßnah- Dehio – „Konservieren, nicht res- men der historischen Re- oder taurieren“ – hat die Denkmalpflege Teilrekonstruktion ebenso span- in Deutschland über ein Jahrhun- nend für die Auseinandersetzung dert geprägt. Doch hat es heute Weitere Informationen zum bundesweiten Aktionstag: mit unserem Motto „Sein und noch Wirkung? Folgt die Denkmal- tag-des-offenen-denkmals.de Schein“ wie aktuelle Debatten. pflege heute unbeirrt dem Primat Der Totalrekonstruktion steht die der Originalsubstanz, dem Sein? Weitere Informationen zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz: Denkmalpflege häufig kritisch Welche anderen Interessenlagen denkmalschutz.de gegenüber, weil sich Baugeschich- lassen sie von diesem einstmals te nicht nachbauen lässt. Bei der definierten Königsweg abweichen? Rekonstruktion fällt die Entschei- Welche Bedeutung haben Nut- dung daher immer auf eine fiktive zungsveränderungen, wirtschaft- Stilrichtung, die es in einer gewach- licher Druck – oder auch nur man- senen Bausubstanz nicht geben gelndes Interesse der Bürger am würde. Dadurch können denkmal- echten Denkmal? Ersetzen Rekons- relevante Bauelemente, Zeitschich- truktionen lange Verlorenes, lösen ten oder ganze Bauphasen in Ver- moderne Materialien historische gessenheit geraten. Baustoffe ab, verdrängen preiswer- te Fertigteile traditionelles Hand- Als lebendige Zeugnisse jahrhun- werk? Nach Dehio ist die Leistung dertelanger Traditionen der Völ- der Denkmalpflege die Spuren der ker vermitteln die Denkmäler der Geschichte zu bewahren und nicht, Gegenwart eine geistige Botschaft Neues alt aussehen zu lassen. Ist der Vergangenheit (…). Sie [die dieses moderne Verständnis von Menschheit] hat die Verpflichtung, Denkmalschutz heute noch aktuell? ihnen die Denkmäler im ganzen Und sind Denkmalbehörden finan- Reichtum ihrer Authentizität weiter- ziell und personell ausreichend zugeben. ausgestattet, um diesen Anspruch umzusetzen und den Bürgern zu Charta von Venedig, 1964 vermitteln? 14 15
1 Ev.-Luth. Pfarrkirche St. Anna Die Fuggerkapelle schließlich prä- sentiert sich als das „früheste und der Fuggerkapelle war. Der Ent- wurf der Gesamtanlage wird mit vollkommenste Denkmal der Re- Albrecht Dürer in Verbindung ge- Im Annahof 2 naissance auf deutschem Boden“ bracht, als ausführende Baumeis- (Bruno Bushart). Der quadratische ter werden Burkhard Engelberg Ehemalige Karmeliterklosterkirche Raum mit seinem prachtvollen (1447–1512) oder Hans Hieber (um Marmor-Fußboden ist von einem 1470–1522) gehandelt, während Kleeblattgewölbe überspannt. In für die Realisierung der Bildhauer- Architektur und Ausstattung die leicht geknickte Rückwand ein- arbeiten Adolf (um 1460–1524) gelassen sind vier rundbogige, und Hans Daucher (1484–1538) in St. Anna bietet mit ihren zahlrei- Eingefügt in die Predella ist ein ausgesprochen fein gearbeitete Frage kommen. Vielleicht waren chen Anbauten vom Martin-Luther- Tafelbild (um 1531/40) von Lucas Gedenktafeln für Georg, Ulrich und auch Hans Burgkmair d. Ä. und Platz aus ein unregelmäßiges mal- Cranach d. Ä. (1475–1553), das Jakob Fugger, Vergänglichkeitsal- Jörg Breu d. Ä. an Konzeption und erisches Bild. Die dreischiffige, Christus als Kinderfreund zeigt. legorien, den Kampf Simson gegen Ausführung der äußerst anspruchs- basilikal aufgebaute Kirche ist von Ebenfalls von Cranach oder seiner die Philister und die Auferstehung vollen Architektur beteiligt. Ein bei der ehemaligen Klosteranlage um- Werkstatt stammen die hinter Christi zeigend. Die beiden letzten Peter Vischer d. Ä. (1455–1529) schlossen. Der heutige Besucher dem Altar hängenden Porträts Darstellungen gehen auf Entwürfe aus Nürnberg in Auftrag gegebe- betritt St. Anna durch den Kreuz- Martin Luthers (bez. 1529) und Albrecht Dürers (1471–1528) zu- nes Abschlussgitter (1512) wurde gang. Zahlreiche plastische und Kurfürst Johann Friedrichs von rück. Die Epitaphienwand schließt nie in der Kapelle aufgestellt, das gemalte Epitaphien und Grabdenk- Sachsen sowie eine Tafel mit mit einer schmalen Orgeltribüne hölzerne Chorgestühl Adolf Dau- mäler Augsburger Familien aus Maria, dem Christuskind und dem ab. Darüber baut sich das nach der chers 1817 und 1832 bis auf Frag- einem Zeitraum vom 15. bis ins Johannesknaben. Dagegen zeigt Kriegszerstörung 1944 rekonstru- mente zerstört. Der heutige Zu- 18. Jahrhundert bestimmen den die Raumschale des Langhauses ierte, ursprünglich 1512 von Johann stand der Kapelle gibt daher nur Eindruck des von einem Kreuz- reichlich Merkmale des Rokokos von Dobrau gestaltete Orgelge- noch teilweise Aufschluss über das rippengewölbe überspannten wie Rocaillen, Gesimse, Stuck häuse auf. Jörg Breu d. Ä. bemal- „Gesamtkunstwerk“. Raumes. und Fresken. Dieser Teil der Kirche te die großen Orgelflügel mit den ist zudem durch die Gegenüber- Himmelfahrten Christi und Marias, Ehem. Karmeliterklosterkirche St. Anna, Vom Kreuzgang aus gelangt man stellung der Eichenholz-Kanzel die kleinen mit einer Geschichte Ausschnitt aus dem Stadtplan von Augs- zu den als Luther-Gedenkstätte (1682/83) von Heinrich Eichler der Musik. Eine Balustrade auf der burg, Kupferstich von Wolfgang Kilian, 1626 Quelle: Kunstsammlungen und Museen erschlossenen Klosterräumen des (1637–1719) und der reich von sich vier Putten teilweise völlig un- Augsburg 15. Jahrhunderts und in die Kirche. Johann Spillenberger (1628–79) geniert an Kugeln lehnen, trennt Sie zeigt ihre lange Entstehungs- und Isaak Fisches d. Ä. (1638– die Fuggerkapelle vom Langhaus. geschichte anhand baulicher Un- 1706) bebilderten Empore ganz Auf dem Altar stehen Maria, Jo- regelmäßigkeiten und stilistischer dem protestantischen Ritus ver- hannes sowie ein Engel, der den Unterschiede von Raumfassung pflichtet. Dies wird durch das Bild- Leichnam Christi präsentiert. Ein und Ausstattung. Von der gotisch- programm noch unterstrichen. sanft geschwungenes Tuch ver- en Klosterkirche blieb der durch In den Deckenspiegeln ist Christus bindet sie zu einer Einheit. Die Pre- einen Lettnerbogen (1682 erneu- als Prophet (Bergpredigt), als Pries- della ist von Darstellungen der ert) getrennte Chor mit seinem ter (Kreuzigung) und als König Kreuztragung und -abnahme sowie Kreuzrippengewölbe. Dort steht (Jüngstes Gericht) zu sehen, wäh- Christi in der Vorhölle besetzt. Bis ein geschnitzter neugotischer rend die Bilder an der Empore um heute ist unklar, wer der Architekt Altaraufbau (1898) aus der Werk- die Passion kreisen. Daneben weist statt des Leonhard Vogt. Er ist dem das Langhaus einen großen Be- segnenden Christus im Zentrum stand an Tafelbildern vor allem in sowie der Taufe und der Trauung Augsburg tätiger Maler des 16. gewidmet. und 17. Jahrhunderts auf. 18 19
An das „Pantheon“ der Fugger ist im Norden die Heilig-Grab-Kapelle überlieferte, 1890 und 1957/60 restaurierte, a secco ausgeführte Ev.-Luth. Pfarrkirche 2 mit einer Nachbildung des Grabes Christi in Jerusalem gefügt. Süd- Wandmalerei mit parallelperspek- tivischer Scheinarchitektur, der zu den Barfüßern lich des Ostchores schließt sich die Passion Christi, dem Zug der „Hei- Goldschmiedekapelle als separater, ligen Drei Könige“, sowie einem Barfüßerstraße 8 gotischer Raum an. Bemerkens- fragmentarischen „Drachenkampf wert ist die in mehreren Schichten des Heiligen Georgs“ und einem Ehemalige Franziskanerklosterkirche St. Maria (1420–25, um 1485 und um 1620) „Jüngsten Gericht“. Architektur und Ausstattung Geschichte 1321: Die Karmeliter lassen Kirche und 1747–49: Unter der Leitung von Johann Augsburgs einstmals größte protes- rocken Umbau erinnern noch Rund- Kloster errichten. Andreas Schneidmann (1698–1759) tantische Kirche war gemeinsam und darüber liegende Ovalfenster. erfolgt der Umbau des Langhauses. mit St. Max das am stärksten durch Anstelle des Langhauses wurde 1420–25: Konrad und Afra Hirn stiften Johann Michael d. J. (1709–72) und Franz eine Kapelle, die bereits 1429 den Gold- Xaver d. Ä. Feichtmayr (1705–64) stuckieren die Bombardements 1944/45 getrof- ein Innenhof angelegt. Er ist von schmieden überlassen wird. die Raumschale, Johann Georg Bergmüller fene Gotteshaus. Der Wiederaufbau der Kirche, der Rückseite der im 1446: Der Kreuzgang wird errichtet. (1688–1762) liefert die Deckenfresken. verlief hier deshalb in einzigartiger 15. Jahrhundert direkt an das 1460: St. Anna wird durch einen Brand 1944/45: Große Teile der Kirche, darunter Weise: Nur der ehemalige Mönchs- Langhaus angebauten (und nach stark beschädigt, der Chor, die Sakristei auch die Fuggerkapelle, werden durch chor mit polygonalem Schluss wur- dem Krieg erneuerten) Ladenzeile Bombardierung schwer beschädigt, das und die Goldschmiedekapelle bleiben Zerstörte wird im Anschluss rekonstruierend de aufgebaut, sodass diese „Rest- zur Barfüßerstraße, und dem erhalten. Bis 1464 erfolgt der Wiederaufbau. ergänzt. kirche“ im Verhältnis zu ihrer Höhe Kreuzgang mit seinem differenziert 1487–97: Die Anlage wird umgebaut sehr kurz erscheint. An den ba- ausgebildeten Netzrippengewölbe und erweitert. 1961–67 und 1973–74: Die Kirche wird renoviert. Dabei wird der Raumeindruck Um 1506–08: Jörg Regel und Barbara des Kreuzganges stark verändert. Lauginger stiften die Heilig-Grab-Kapelle, die 1598 von Elias Holl erneuert worden 1983: In den Klosterräumen wird sein soll. die „Luther-Stiege“ als Gedenkstätte eingerichtet. 1509–12: Georg, Ulrich und Jakob Fugger stiften die „Fuggerkapelle“. 2007–11: Starke Schäden an der Dach- konstruktion machen eine umfangreiche 1602: Elias Holl (1573–1646) baut den Restaurierung nötig. Turm neu, vielleicht nach Plänen von Joseph Heintz d. Ä. (1564–1609). 2012: Die neu konzipierte Lutherstiege wird eingeweiht. Barfüßerkirche und Barfüßerbrücke, kolorierter Kupferstich von Simon Grimm, 1682 Quelle: Sammlung Franz Häußler 20 21
eingefasst. Das Gedenkbild für Markus Zäch an der Südwand des beiden bildhauerischen Werken ist auch das 1760 im Auftrag von Diözesanmuseum St. Afra 3 Kreuzganges gehört zu den bedeu- Peter Laire durch Johann Samuel tendsten Epitaphien in Augsburg; Birkenfeld (um 1732–69) geschmie- Kornhausgasse 3–5 in den architektonischen Rahmen dete, aus gezierten Ranken zusam- (1617) ist ein verblüffend räumli- mengefügte Chorgitter zu nennen. Ehemalige Umbauung des Domkreuzgangs ches Bronzerelief (um 1611) mit der Die unverputzten Ziegelwände des Geißelung Christi nach Giovanni da Langhauses sind mit Tafelbildern Das direkt hinter dem Dom gelege- Epochen und Gattungen der seit Bologna (1529–1608) eingelassen. des 17. und 18. Jahrhunderts von ne Diözesanmuseum St. Afra hat 1872 bestehenden Sammlung gese- An den Kreuzgang schließen sich Johann Heiss (1640–1704, „Taufe im Jahr 2000 seine Pforten für Be- hen und aus nächster Nähe erlebt die Sakristei und eine Kapelle an. Christi“), Nicola Grassi (1682–1748, sucher geöffnet und präsentiert werden. Hier wird die spannende „Abendmahl“, 2013 beschädigt), seitdem sakrale Kunst aus 17 Jahr- und wechselvolle Geschichte von Im Zweiten Weltkrieg ging insbe- Joachim Sandrart d. Ä. (1606–88, hunderten. Räumlich in das Mu- Kirche und Kunst in und um Augs- sondere der Großteil der hochka- „Jakobs Traum von der Himmels- seum integriert sind der Kapitelsaal burg nachvollziehbar. rätigen Barockfassung verloren. leiter“) und Isaak Fisches d. Ä. (um des Domes aus dem 12. Jahrhun- Nur Einzelstücke erinnern noch 1630–1706, „Gottesdienst im Hof dert sowie die Ulrichskapelle aus an den einst farbenreich inszenier- des Annakollegiums“) gestaltet. dem Jahr 1484. Zusätzlich wurde In der Dauerausstellung bekommen ten Raum, wie die bedeutenden ein ehemaliger Bibliotheksraum Sie nicht nur Informationen über Werke des Bildhauers Georg Petel Die heutige Ziegelsichtigkeit der aus den 1950er Jahren umgenutzt, den Augsburger Dom und die Ge- (1601/02–34). Sein in realistischem Außen- und Innenwände wirkt mit- an den heute der moderne Kubus schichte des Bistums; ein archäo- Inkarnat gefasstes Christkind von telalterlich, ist in Augsburg aber mit großer Glasfront zum Hohen logisches Fenster in der Ulrichs- 1632 zierte ursprünglich den Kan- eine typische Gestaltungsform der Weg anschließt. In diesen teils his- kapelle gibt den Blick frei auf die zeldeckel. Das ein Jahr früher ent- „Trümmerzeit“ nach dem Zweiten torischen, teils neu geschaffenen darunterliegenden Gebäudefrag- standene Kruzifix stammt aus dem Weltkrieg. Räumen kann eine weitgefächerte mente des karolingischen Doms Heilig-Geist-Spital. Neben diesen Auswahl bedeutender Kunstwerke und der ehemaligen Domkloster- und kunsthandwerklicher Erzeug- anlage. Das Diözesanmuseum ver- nisse aus den verschiedensten wahrt einen umfangreichen Be- Geschichte stand an wertvollen Augsburger 1221: Ein Franziskanerkloster wird am Fuß 1535: Die Klosterkirche wird erstmals Goldschmiedearbeiten aus den des Perlachberges gegründet. protestantisch, endgültig mit dem Verzicht- Bereichen Liturgisches Gerät und brief (1649). Die Klostergebäude werden Reliquiare, von denen die schönsten 1265: Die einschiffige Klosterkirche wird als Jakobspfründe genutzt. geweiht. Werke dauerhaft in der Ausstellung 1723–25: Es erfolgt eine umfangreiche präsentiert werden. Damit nimmt 1398: Durch einen Brand wird der Bau Barockisierung durch Matthias Lotter beschädigt. (*nach 1660) und Johann Georg Bergmüller das Haus zugleich die Funktion 1405–11: Das Gotteshaus wird als sehr (1688–1762). einer Domschatzkammer wahr. große und hohe dreischiffige Basilika mit 1944: Das Langhaus der Kirche wird Besondere Werke, wie die Textilien tiefem Chor neu gebaut. vollständig zerstört, der Chor brennt aus. aus dem 10. Jahrhundert, das ottonische Bronzeportal des Domes oder die Funeralwaffen Kaiser Karls V., sind in ihrer Form ein- malig und stellen kunsthistorische Highlights von internationalem Rang dar. Funeralhelm Kaiser Karls V., 1558/59 Quelle: Foto DMA, Jürgen Bartenschlager 22 23
Kath. Domkirche 4 Mariä Heimsuchung Frauentorstraße 1 Architektur Der Dom ist eine seit Anfang des chors seinen Rang gegenüber dem 11. Jahrhunderts entstandene fünf- stetig erstarkenden Augsburger schiffige Basilika mit Querhaus und Bürgertum zu unterstreichen. Chor im Westen, zwei Seitentürmen Gleichzeitig war er bei der Verwirk- und großem Kathedralchor im Os- lichung der hochfliegenden Pläne ten. Der 1000-jährige ottonische auf Stiftungen der Bürger angewie- Kern des Doms ist die älteste und sen. Heinrich Parlers im Grundriss Gregorsmesse, um 1517/18 Quelle: Foto DMA, Richter+Fink besterhaltene ottonische Kathedra- vorgezeichnete klare Chorlösung le in Deutschland. Das heutige Er- wurde indes nur bis zur Traufhöhe Mit jährlich wechselnden Sonder- Historie und Moderne und zeigen scheinungsbild ist von den gotisch- des Kapellenkranzes beziehungs- ausstellungen leistet das Mu- in besonderer Weise Kontinuitäten en Umbauten im 14. und 15. Jahr- weise der Abseiten des Langcho- seumsteam um Museumsleite- aber auch Umbrüche und Verände- hundert geprägt, doch ist der otto- res umgesetzt. Vermutlich führten rin Melanie Thierbach existenzielle rungen auf. Ein abwechslungsrei- nische Bau noch deutlich sichtbar, Schwierigkeiten während des Baus Beiträge zur Erforschung verschie- ches Begleitprogramm, bestehend vor allem im Inneren, wo die Diens- (der Bischof geriet immer mehr in dener Themen der sakralen Kunst, aus Vorträgen, Konzerten, regel- te des Rippengewölbes im Haupt- Konflikt mit den Bürgern) dann zur die stets überregionale Strahlkraft mäßigen Führungen und museums- schiff vor den massiven Pfeilern aus beinahe provisorischen Ausführung besitzen. Hinzu kommen Ausstel- pädagogischen Angeboten für Jung dem 11. Jahrhundert liegen. des gedrungen proportionierten lungsprojekte mit zeitgenössischen und Alt, wartet auf Sie. Gruppen- und spärlich durchfensterten Künstlern, die sich künstlerisch und Themenführungen können Unter den gotischen Sakralbauten Hochchores. dialogisch mit den Beständen des nach Wunsch jederzeit gebucht Süddeutschlands nimmt die wohl Diözesanmuseums auseinander- werden. seit ca. 1330 vorbereitete Augsbur- Der städtebaulichen Situation des setzen. Im Diözesanmuseum St. ger Ostchoranlage kunsthistorisch in die Straßenachse hineinragen- Afra begegnen sich, sowohl in der Text: Dr. Eva-Maria Bongardt, eine Schlüsselstellung ein. Die aus- den Domes ist die Lage der Haupt- Kunst als auch in der Architektur, Diözesanmuseum St. Afra gesprochen ebenmäßige Gliede- portale seitlich des Ostchores ge- rung in Binnenchor, Chorumgang schuldet. Das Nordportal entstand und Kapellenkranz ist eine verklei- bereits zum Teil 1343, was an der nerte Wiederholung des 1248 be- strengeren Komposition und Figu- gonnenen Kathedralchors am Köl- renbildung sichtbar ist. Im Zentrum ner Dom, denn für den Augsburger der Bilderzählung steht das Ma- Neubau konnte Heinrich Parler d. Ä. rienleben im Tympanon. Gleiches (um 1300–87) gewonnen werden, gilt für das figurenreiche Südpor- der zuvor in Köln tätig gewesen war. tal (ca. 1360–1380), das sich mit Bischof Markward von Randegg, einer tonnengewölbten Vorhalle ein Vertrauter Kaiser Karls IV., hatte zur Stadt hin öffnet. Hier sind die wohl im Sinn, mit der kultivierten Szenen aus dem Leben der Gottes- Architektursprache des Kathedral- mutter mit ihren dicht gedrängten, 24 25
von Baldachinen überfangenen Fi- Peter Hemmels von Andlau (um Marienkapelle guren geradezu überbordend. Über 1420 bis 1501 nachweisbar) ge- dem Portal ist ein streifenartig an- schaffene Marienfenster (nach 1493) Der kreuzförmig ummantelte, über- geordnetes Weltgericht zu sehen. im nördlichen Seitenschiff oder das kuppelte Rundbau steht mit seiner ergreifende Grabmal (um 1303) des in Rosa und Weiß gehaltenen Far- Das basilikale Innere des Domes ist Bischofs Wolfhard von Roth (ge- bigkeit, der Pilastergliederung und von den zwei Chören geprägt, bei- storben 1302). dem zierlichen Bandelwerkstuck de sind mit Schranken abgetrennt, in denkbar größtem Kontrast zum die im Westchor wurden von Burk- Dagegen wurden viele der gemalten Langhaus des Domes. Gabriel de hart Engelberg (1447–1512) virtuos Altartafeln im Langhaus und in den Gabrieli (1671–1747) entwarf die mit Fischblasendekor in Haustein Kapellen erst unter Pankratius von 1720–22 errichtete Kapelle, von geschmückt. Ebenfalls im Westen Dinkel, also im 19. Jahrhundert an- Johann Georg Bergmüller (1688– liegt die Doppelkrypta aus dem 10. gekauft, etwa die Freisinger Heim- 1762) stammen die Fresken. Diese und 11. Jahrhundert. suchung (um 1475), der Knöringer wurden mehrfach erneuert, zuletzt Altar (1484) von Jörg Stocker nach schweren Beschädigungen Bei Restaurierungen kamen über- (1461–1527) und besonders die im Zweiten Weltkrieg. Inmitten des all im Dom Freskenreste zu Tage, vier feinsinnig gestalteten Tafeln prachtvollen, durch Freiherr von neben romanischen Mäanderfrie- des Weingartener Altars (1493) von Pollheim 1720 gestifteten Altarauf- sen auch gemalte, mit Symbolen Hans Holbein d. Ä.. Ebenfalls nicht baus mit der Gloriole des Hl. Geis- durchsetzte Ranken, die die Schluss- für den Dom, sondern für die tes fand eine steinerne, wundertäti- steine mit ihren Prophetendarstel- Dominikanerkirche St. Magdalena ge Madonna des 14. Jahrhunderts Dom zu Augsburg, Ausschnitt aus dem lungen und Stifterwappen rahmen. geschaffen, war Georg Petels auf einem Sockel mit Mondsichel Stadtplan von Augsburg, Kupferstich von Jüngste Untersuchungen ergaben (1601/02–34) in frappierender Aufstellung. Wolfgang Kilian, 1626 sogar, dass über den gotischen Ge- Lebensnähe ausgearbeitete Ecce Quelle: Kunstsammlungen und Museen Augsburg wölben noch Reste der 1000-jähri- Homo-Figur (1630–31). Während Domkreuzgang gen ottonischen Bemalung vorhan- Christoph Ambergers (1500–61/62) den sind. Hochaltarretabel von 1554 nun- Bei der Gotisierung des ottoni- wurde der Kreuzgang als Grabstät- mehr in die Wolfgangskapelle im schen Domes wurde der Südflügel te der Domgeistlichkeit aber auch Als hochrangigste Kirche Augs- Ostchorkranz verbannt ist, wurde des Kreuzganges zum Seitenschiff von adeligen Laien und Patriziern burgs wurde der Dom immer be- der aktuelle Hauptaltar in zwei umgebaut. Die dreiflügelige Anlage genutzt. Über die Jahrhunderte sonders reich ausgestattet, wobei Etappen (1962 und 1985) von wurde seit 1470 durch Hans von okkupierten 423 teils äußerst an- Zerstörungen oder Reformen in Josef Henselmann (1898–1987) Hildesheim, seit 1488 unter Betei- spruchsvoll gestaltete Grabplat- der Liturgie stetig Veränderungen geschaffen. Die monumentale, ligung Burkhart Engelbergs umge- ten und Epitaphien die Böden und bedingten. Aus der Zeit vor dem archaisch wirkende Bronzegruppe baut. Bis heute präsentiert sich der Wände. Teilweise wurden sie im Bildersturm (1537) blieben nur ein- besteht aus einem von den zwölf Domkreuzgang mit Sterngewölben Bildersturm beschädigt. An den zelne Relikte, darunter die Prophe- Aposteln getragenen Kruzifix um- und Maßwerkfenstern in seinem Kreuzgang schließt sich die kleine tenfenster (11. oder 12. Jahrhun- ringt von Moses und Abraham, 1510 vollendeten spätgotischen kreuzrippengewölbte Katharinen- dert) im Langhaus, das Bronze- die den Thron für das Evangeliar Erscheinungsbild. Nur ein kleiner kapelle an. Sie ist mit einem fein portal (11. Jahrhundert), das große flankierten, sowie von Jesaja, Teil wurde im 18. Jahrhundert ver- gestalteten steinernen Altarblock Thron-Salomonis-Fenster (1330/40) Ezechiel und David links, Esther, ändert. Seit dem 13. Jahrhundert (1564) ausgestattet. im südlichen Arm des Westquer- Daniel und Johannes dem Täufer hauses, das von der Werkstatt rechts. 26 27
Geschichte Kath. Pfarrkirche „Zum Heiligsten 5 um 930: Nach Beschädigungen bei einem Ungarneinfall lässt Bischof Ulrich den 1609: Elias Holl bewahrt den Südturm durch Bau eines massiven Stützpfeilers Erlöser“, Göggingen karolingischen Dom wiederherstellen. vor dem Einsturz. ab 995: Nachdem der Dom eingestürzt 1610: Heinrich von Knörringen führt den Wellenburger Straße 58 ist, wird ein neues Gotteshaus, eine drei- römischen Ritus ein. schiffige romanische Pfeilerbasilika mit Unterstützung von Kaiserin Adelheid, der 1655–81: Unter Sigmund Franz von Öster- Gemahlin Ottos I. erbaut. reich und Johann Christoph von Freiberg Architektur erfolgt eine barocke Neuausstattung. um 1006: Vollendung des ottonisch- romanischen Doms. Begräbnis der 1720–22/1731–34: Die Marienkapelle Kirche, Werktagskirche, Pfarrhaus blockartigen Altar kommen weitere und ihr Gegenstück, die Johann-Nepomuk- Bischöfe Luitold, Gebhard und Siegfried. Kapelle werden angebaut. und Pfarrsaal sind um einen zen- pointiert gesetzte gestalterische 1065: Domweihe durch Bischof Embrico. tralen Platz gruppiert, der sich zur Akzente wie die große Schutz- 1803: Mit der Säkularisierung wird das 1321 (oder 1331)–43: Der Kustos Konrad Hochstift Augsburg aufgelöst. Wellenburger Straße öffnet. Die mantelmadonna an der Nordwand von Randegg gibt mehrere Umbauten in Anordnung der Bauten erfolgte auf und die Orgelempore, die das 1808/09: Die Johann-Nepomuk-Kapelle, Auftrag, unter anderem werden die Seiten- die Johanneskirche und die Finstere Grad einem Kreissegment – eine Grund- Segmentmotiv wieder aufnimmt. schiffe verbreitert, die Apsis neu gebaut werden abgebrochen, der Platz vor dem form, mit der sich Thomas Wechs Waren die Fenster mit ihrer Bogen- und der Dom mit gotischen Kreuzrippen- gewölben eingewölbt. Dom freigeräumt. sen. beim Entwerfen seiner Kir- gliederung früher weiß, so ent- 1852–63: Die Bischöfe Petrus von Richartz chenbauten immer wieder beschäf- stand durch die farbigen Scheiben 1356: Unter Bischof Markwart von Randegg wird der Grundstein für einen neuen Ost- (1783–1855) und Pankratius von Dinkel tigte. Sein Sohn verwirkliche die- von Georg Bernhard ein kräftiger chor gelegt der 1431 von Bischof und Kardi- (1811–1894) betreiben eine Regotisierung ses Gestaltungsmotiv bei der Erlö- Akzent, der heute die farbliche Re- nal Petrus von Schaumberg geweiht wird. des Domes. serkirche besonders konsequent, duktion auf Weiß, Grau und Natur- 17.01.1537: Im Bildersturm wird die 1934: Die Innenausstattung wird purifiziert. wodurch er die Lage im Zwickel holz durchbricht. Domkirche verwüstet; zerstört wird u. a. 1944/45: Teile des Domes, v. a. Marienkapelle von Wertach und Wellenburger Jedes der Fenster ist einem Themen- der Hochaltar (1510) Hans Holbeins d. Ä. und Kreuzgang erleiden Beschädigungen (1465–1524). Straße optimal nutzen konnte. Alle kreis gewidmet, auf den einzelne durch Bombenwirkung. Bauten des Pfarrzentrums weisen Symbole hindeuten. Zu sehen sind 1548: Nach dem Restitutionsedikt Kaiser 1970–71: Der Ostchor wird umgestaltet. Karls V. kehren Bischof und Domkapitel eine asketische Wandgliederung, die „Erschaffung der Welt“ mit der nach zehnjährigem Exil nach Augsburg 1977–84: Im Dom finden umfassende eine klare Linienführung und prä- Hand Gottes, den Elementen, Adam, zurück. Restaurierungsarbeiten statt. Die Krypten zise, meist asymmetrisch gesetzte Eva und der Schlange, der „Zug werden restauriert und für die Öffentlich- ab 1579: Die Bischöfe Johann Otto von keit zugänglich gemacht. Details auf, wodurch ein Eindruck durch das Rote Meer“ mit Mose und Gemmingen und Heinrich von Knörringen großer Ruhe hervorgerufen wird. einer Taube, ferner die „Aufersteh- lassen das Gotteshaus neu ausstatten. Die Kirche mit ihrem abseits ste- ung“ mit Engeln, dem Grab Christi, henden, rechteckigen „Campa- nile“ liegt wie ein Tortenstück in Pfarrkirche „Zum Heiligsten Erlöser“ Foto: Barbara Freihalter der Landschaft. Jede ihrer drei Fronten weist ein Portal auf, an der geschwungenen Platzseite sind die traditionellen Motive Rundfenster und Tympanon-Relief mit Weltge- richtsdarstellung aufgegriffen. Das Innere ist ganz auf den ange- hobenen Altarbereich in der Spitze ausgerichtet, der durch die großen Südfenster effektvoll beleuchtet wird. Zu dem derart inszenierten, 28 29
Blumen, drei Kreuzen und den Buch- staben JHS (Jesus hominum Sal- Kath. Pfarrkirche St. Georg, 6 vator = Jesus der Erlöser der Men- schen), der „Gang nach Emmaus“ Haunstetten mit den beiden Jüngern und dem Lamm und schließlich „Pfingsten“ Bürgermeister-Widmeier-Straße 10 mit Maria im Flammenkreuz. Die nach Außen durch einen auf- Geschichte gesetzten, offenen Glockenturm markierte Werktagskirche ist im Die katholische Pfarrkirche St. vielleicht der Kern des Langhau- Innern ganz von Hilda Sandtners Georg liegt mitten im alten Dorf- ses. Unter Abt Willibald Popp Wandteppichen bestimmt, die in kern von Haunstetten. Zusammen (1653–1735) von St. Ulrich und stark abstrahierter Form das Lei- mit dem ehemaligen Pfarrhof und Afra in Augsburg entstand der den Christi, die Herrlichkeit Gottes dem im 19. Jahrhundert abgetra- Neubau des Langhauses, die Er- sowie das Kreuz des Erlösers zei- genen Schloss bildete die Kirche höhung des Chores sowie die gen. Auch die Werktagskirche ist das ursprüngliche Ortszentrum. Errichtung des Turmoberteils. Im – allerdings bereits seit ihrer Errich- Sie ist im ehemaligen Friedhof ge- Zuge dieser Barockisierung wur- Pfarrkirche „Zum Heiligsten Erlöser“ tung – mit einem Farbfenster von Foto: Barbara Freihalter legen, dessen noch erhaltenen den die Blendbögen sowie das Georg Bernhard versehen. Mauern mit Stichbogenblenden Satteldach des Turmes abgetragen. aus dem 17./18. Jahrhundert Diese Erneuerungen werden Jo- stammen. Im Kern ist St. Georg hann Paulus zugeschrieben und Geschichte auf Ende des 15./Anfang des 16. 1730 vollendet. 1886/88 wird die 1952: Da die Einwohnerzahl Göggingens 1961: Am 4. November feiert die Gemeinde Jahrhunderts zu datieren. Aus die- Kirche nach Westen um zwei Joche stark ansteigt, werden erste Überlegungen die Einweihung der Kirche durch Joseph ser Zeit stammen der Chor, der verlängert und die Ausstattung für den Bau einer zweiten Pfarrkirche in Freundorfer. quadratische Turmunterbau und sowie Teile der Ausmalung erneuert. der Schafweidsiedlung angestellt. Johann Nepomuk Bertele, der Pfarrer von St. Georg 1969: Eine neue Orgel der Firma Sandtner und Michael, sowie der damalige Kaplan wird eingeweiht. und spätere Pfarrer der Erlöserkirche, 1976: Hilda Sandtner (1919–2006) webt drei Joseph Spengler, sind mit den Planungen Wandbehänge für die Werktagskirche. betraut. 1984 und 1986: Die Kirche wird saniert. Im 1956: Ein Grundstück am westlichen Altarraum werden neue Farbglasfenster von Wertachufer kann günstig von der Georg Bernhard (geboren 1929) eingesetzt. Ackermann-Nähfadenfabrik erworben werden. 2011–2012: Das Pfarrzentrum wird renoviert und verkleinert. Im Garten des Pfarrhauses 1959: Am 8. August legt Bischof Joseph entsteht eine Wohnanlage. Freundorfer den Grundstein für die neue, von Thomas Wechs jun. und Thomas Wechs sen. (1893–1970) entworfene Pfarrkirche. Pfarrkirche St. Georg, Innenaufnahme, Ende 1930er Jahre Quelle: Sammlung Franz Häußler 30 31
Kern spätmittelalterliche Turm mit Stuck eine Steigerung durch die Die Hauptbilder der beiden anderen oktogonalem Obergeschoss und Konzentration und Verdichtung Joche „Anbetung der Könige und Zwiebelhaube empor. Die Westseite der Motive. Bereits im Gurt des Hirten“ sowie „Hl. Cäcilie“ stammen ist mit einem Schweifgiebel und Vor- Triumphbogens ist ein anderer, 1887 von Bonifaz Locher; die seitli- zeichen neubarock gestaltet. Auch freierer Stil bemerkbar. chen Embleme von Heel. der runde Treppenturm auf der Süd- seite stammt aus dieser Bauphase. Die Decken- und Wandfresken Das Kruzifix im Chor wird auf An- Das ursprünglich vierachsige Lang- schuf 1730 Johann Georg Wolker, fang des 18. Jahrhunderts datiert, haus und der Chor werden durch der seine Ausbildung bei Johann die zwei seitlich daneben ange- das der flächigen Wand und Decke Georg Bergmüller erhielt. Im Chor brachten schwebenden Engel, ehe- vorgelegte Gliederungsgerüst rhyth- befinden sich zentral die Darstel- mals Altarfiguren, auf das zweite misch belebt, reliefiert und als zen- lungen „Gottvater“ und „Mariä Him- Viertel des 18. Jahrhunderts. Die tralisierende Räume ausgebildet. melfahrt“. In den Zwickeln sind Muttergottes südlich neben dem Über den mittleren Pilastern der brei- die vier Evangelisten sowie an der Chorbogen entstand im dritten ten Joche sind hochovale Bildfelder Nordwand der hl. Willibald als Viertel des 17. Jahrhunderts. Die angebracht. Seitlich der Wandpfei- Bauherr (mit den Zügen von Abt Apostelfiguren in den Wandnischen ler sind in den Langhauswänden Willibald Popp?) und gegenüber des Langhauses schuf 1888/89 rundbogige Muschelnischen über die hl. Walburga abgebildet. Die Karl Fischer. Ebenfalls aus dieser Konsolen eingelassen. Wandmedaillons des Langhauses Zeit stammt das bemerkenswerte stellen die Heiligen Ulrich und Laiengestühl in Neurenaissancefor- Afra dar. men von Andreas Käsbohrer 1886. Ausstattung Die Büsten des hl. Ulrich und eines Die Deckenbilder im Langhaus Bischofs mit Hostie, ehemals an der Der Kircheninnenraum ist mit ein- sind aus unterschiedlichen Zeiten Westwand des Langhauses ange- em flachen Stichkappengewölbe und von unterschiedlichen Künst- bracht, werden in die zweite Hälfte überfangen und mit vorzüglichem, lern geschaffen. Die Darstellungen des 18. Jahrhunderts datiert. leicht getöntem Stuck in feinem „Hl.-Geist-Taube“ und „Sieg des Régencedekor vielleicht von Franz Christentums“ in den Schmaljochen Xaver Feichtmayr d. Ä. gestaltet. sowie die Kirchenväter in den Zwi- Pfarrkirche St. Georg, Hochaltar, um 1900 Im Chor sind die Stuckarbeiten ele- ckeln (1997 neu gemalt) werden um Quelle: Kulturkreis Haunstetten ganter und reicher ausgeführt, im 1730 Johann Heel zugeschrieben. Langhaus in der Art des Andreas Die Deckenbilder im Langhaus Hainz kräftiger und großformiger. werden 1964/66 übertüncht, bei Über dem Chorbogen befindet sich der umfassenden Restaurierung eine Inschriftenkartusche mit Chro- 1995–97 werden sie wieder frei- nogramm (1730); seitlich sind die gelegt. Wappen des Klosters St. Ulrich und Afra und des Abts Willibald Popp angebracht. Die Ausgestaltung des Architektur Innenraumes ist für die Entwick- lungsgeschichte des Stucks eine Dem Saalbau ist im Osten ein wichtige Dekoration. Vom Lang- eingezogener, dreiseitig geschlos- haus mit seinem architekturbezoge- sener Chor mit spätgotischen nen, großflächigen Laub- und Ban- Strebepfeilern angegliedert. Im delwerk zum Chor mit seinem fein- nördlichen Winkel ragt der im gliedrigen Gitteraufbau erfährt der 32 33
7 Kath. Pfarrkirche St. Georg und Michael, Göggingen Von-Cobres-Straße 6 Geschichte Die fünf unteren Geschosse des und die Wandgliederung verändert Turms stammen wohl aus der zwei- wurde. Die bis dahin beibehaltenen ten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Seitenaltäre wurden 1775 neu er- Der romanische Bau wurde in der richtet. Gegen Ende des 19. Jahr- zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hunderts erhielt der Kirchenbau um zwei weitere Geschosse erhöht. 1881 eine neue Ausmalung sowie Das bisherige Satteldach wurde in 1887/88 einen neuen Hochaltar. diesem Zuge durch einen Spitzhelm Dabei handelte es sich um einen über vier Giebeln ersetzt. Diese Form Ziboriums- bzw. Baldachinaltar, der Turmbedachung kann man bis einen auf vier Säulen gestützten, heute noch an manchen Kirchen im offenen Kuppelbau mit einem ein- Lechfeld finden. Die heutige Zwie- gestellten großen Kruzifix. 1928 belhaube wurde 1735/36 nach Plä- schließlich fand eine Rebarockisie- nen des fürstbischöflichen Hofbau- rung statt aus der der Hochaltar, meisters Franz Kleinhans (1699– die Stuckkanzel sowie die heute 1776) durch den Baumeister Joseph nicht mehr vorhandenen Decken- Meitinger und den Zimmermeister fresken stammen. Als Reaktion Georg Höck errichtet. Nachdem der auf die stark wachsende Gemeinde bisherige Kirchenbau den Anforde- wurde das Langhaus 1925/26 nach rungen nicht mehr genügte, wurden Plänen von Michael Kurz um zwei 1713 der Chor und das Langhaus Joche nach Westen verlängert und neu erbaut. Bei der Wiedereinwei- eine Vorhalle angebaut. Im Zuge des hung am 17. Oktober 1713 erhielt zweiten Vatikanischen Konzils wur- die Kirche neben dem bisherigen de die historische Kirchenausstat- Patron Georg ihren zweiten Patron tung wie Chorgestühl, Kinderstühle St. Michael. 1756/57 erfolgte eine und Kommuniongitter entfernt so- Umgestaltung des Innenbaus, bei wie die Skulpturen reduziert und der dem bestehenden Stuck neue schließlich auch 1962 die Fresken Akzente im Rokoko hinzugefügt übertüncht. St. Georg und Michael ohne Erweiterung, vor 1925 Quelle: Archiv der Pfarrei St. Georg und Michael 34
Architektur Die Pfarrkirche St. Georg und Im Inneren erfährt der Saalbau eine Michael liegt etwas zurückgesetzt Wandgliederung durch flache Pi- zwischen den beiden Nordsüd- laster mit schwingendem Gebälk und Ostwest-Hauptverkehrsachsen und Rokokokartuschen. Über eine Göggingens, ursprünglich von Hohlkehle mit Medaillons wird zu einem 1875 aufgelassenen Friedhof einer Spiegeldecke übergeleitet. umgeben. Der Kirchenbau präsen- Dabei ist die Hohlkehle optisch von tiert sich im Äußeren betont schlicht. der Decke kaum geschieden. Sie Dem einschiffigen Langhaus ist im wird nur unten durch das deutlich Osten der eingezogene, dreiseitig trennende, sehr schlanke Gesims geschlossene Chor mit zwei Ach- begrenzt. Das Gesims springt über sen vorgelagert. Lediglich die hoh- den Pilastern kräftig hervor und en Rundbogenfenster sowie die schwingt über den Fenstern bogen- 1925 entstandenen seitlichen Vor- artig nach oben aus. An diesen häuser und der Kanzelaufgang glie- Schwüngen sind mittig rosa Stuck- dern den Baukörper. Nach Westen kartuschen angebracht. Teilweise wurde das Langhaus zur gleichen entstanden diese gestalterischen Zeit um zwei Joche und die Vorhal- Elemente im Zuge einer Umgestal- le erweitert. tung im Rokoko 1756/57. Die Wand- und Deckengestaltung des Lang- St. Georg und Michael, Innenraum mit Hochaltar von 1887/88 Der schlanke hohe Turm im nörd- hauses wird auch im Chor übernom- Quelle: Archiv der Pfarrei St. Georg und Michael lichen Chorwinkel bildet einen Ak- men. Den bemerkenswerten Stuck zent. Er hat sieben querrechteckige mit Blattwedel, Blütenrispen, Kar- Ausstattung mittelalterliche Geschosse, von tuschen und Engelsköpfe in grau denen die unteren fünf Geschosse und rosa Tönen sowie die leeren Die Ausstattung der Kirche stammt sition ein eigenständiges Werk, mit Rundbogenfriesen und Deut- Deckenspiegel schuf 1713 Matthias teilweise noch aus dem 18. Jahrhun- das nur allgemeine Anklänge an schem Band, das sechste Geschoss Lotter. Der Stuck über dem Chor- dert. Spätere, im 19. Jahrhundert barocke Beispiele aufweist. Die seit- mit einem spätgotischen Kleeblatt- bogen entstand 1756/57 im Zuge hinzugekommene bzw. veränderte lichen Figuren des hl. Georg als bogenfries gegliedert ist. Im sieb- der Umgestaltungsphase. Die Stuk- Elemente wie der Hochaltar wurden römischer Soldat mit Lanze (links) ten Geschoss sind die ehemaligen katuren in der westlichen Erweite- schließlich im Zuge der Rebarocki- und des hl. Michael mit Schild und Schallarkaden nun vermauert. rung schuf 1926 Xaver Reitmaier. sierung 1928/29 ausgetauscht. Flammenschwert (rechts) schuf 1735/36 schließlich erhielt der Turm 1929 der Bildhauer Joseph Konrad seinen originellen Oberbau. Über Insgesamt präsentiert sich der Der Hochaltar in seinen Rokoko- aus Reicholzried im Oberallgäu. einem sockelartigen Zwischenge- Bau als heller, geräumiger, in sei- formen kann als Meisterwerk der In ihrer Haltung folgen sie barocken schoss setzt ein hochschwingen- ner Wirkung leichter Raum. Dieser Rebarockisierung gelten. Er wurde Vorbildern. der, deutlich zurückgezogener Acht- Grundtypus eines Kirchenraumes 1928 von dem Babenhausener eckaufsatz mit brillenförmig aus- gelangte über den Allgäuer Bau- Kunstschreiner Anton Hörmann Die beiden Spätrokoko-Seitenaltäre laufendem Gesims und geschweif- meister Johann Jakob Herkommer geschaffen und orientiert sich fertigte 1775 der einheimische ter Haube an. In dem Aufsatz sind (1652–1717) aus dem Veneto nach in Stil und Farbgebung deutlich an Schreiner Philipp Jakob Einsle an. das Glocken- und Uhrengeschoss Schwaben. den Seitenaltären. Das Altarblatt Er wurde auch mit den beiden untergebracht. stellt die „Geburt Christi“ dar und Figurenpaaren beauftragt, betraute entstand 1929 von Otto Hämmerle. jedoch einen Bildhauer damit. Es ist in Farbgebung und Kompo- 36 37
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