Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel

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Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
:: Zeitschrift des Historischen Vereins Herne / Wanne-Eickel e. V. ::

                  Der Bote
        Februar 2023
Schutzgebühr: 4,50 €
                       6. Jahrgang - Nummer 21
                             Februar 2023

 Auch Kohlenhalde diente schon
 mal als Übungshang
 Französische Ruhrbesetzung
 begann 1923 am Kanal
 Erinnerungen an Gerd E. Schug
Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
Die 21. Ausgabe
            Editorial

    Liebe LeserInnen,

    eigentlich sollte die 21. Ausgabe unseres »Boten« ja erst im März erscheinen,
    aber durch den plötzlichen Tod unseres sehr geschätzten Heimatfreundes und
    stellvertretenden Vorsitzenden Gerd E. Schug, hat sich der Vorstand dazu ent-
    schlossen, diese Ausgabe mit einer umfangreichen Würdigung unseres
    »Schweigers« um einige Wochen vorzuziehen.

    Dem Redaktionsteam ist es auch diesmal wieder gelungen, einen sehr informa-
    tiven und umfangreichen Boten, mit vielen Geschichten und Erinnerungen,
    herauszugeben. So stellen wir den Skiclub Herne und den ehemaligen Kinder-
    hort Ursula - einst eine vorbildliche Einrichtung der Zeche Friedrich der Große
    - vor. Wir erinnern aber auch an die Besetzung Hernes, durch die Franzosen
    1923 und werfen einen Blick auf das Inflationsgeld jener Tage. Ein Sodinger,
    der längst in Hamburg lebt, erzählt von seiner Arbeit in Deutschlands wohl be-
    kanntestem Zuchthaus - dem Santa Fu. Etwas entspannter geht es dann mit
    den Berkeler Geschichten und einer stimmungsvollen Erinnerung an die Tanz-
    schule Schmidt-Hutten weiter. 36 Seiten Spannendes, Informatives und Wis-
    senswertes, aus dem Großraum Herne, liegen also vor euch. Am nächsten Bo-
    ten wird schon gearbeitet - versprochen.

    Mit einem herzlichen Glückauf,

    Friedhelm Wessel

                                                            Hier können Sie unsere Arbeit unterstützen:
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               Mathias           Andreas         Gerdi          Wolfram          Dr.Peter
               Grunert            Janik       Kernbach-          Ninka           Piasecki
                                              Tinnemann

                    Anna-Maria          Klaus        Thorsten        Friedhelm
                      Rawe             Schelske      Schmidt          Wessel

2                                                                                    Der Bote im Februar 2023
Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
Inhalt
  Auch Kohlenhalde diente schon mal als Übungshang                                                                              4
  1923: Inflationsgeld der »Vereinigten Herner Kaufmannschaft«                                                                  6
  Französische Ruhrbesetzung begann 1923 am Kanal                                                                               8
  Herner Schwergewicht Duscha gehörte einst zur Box-Elite                                                                     10
  Wir treffen uns bei Tanzschule Schmidt-Hutten!                                                                               11
  31 Jahre lang im berüchtigten Santa Fu                                                                                      14
  Forum 7- Mitbegründer Alf Rolla gestorben                                                                                   15
  »Gott bewahre dieses Haus...!«                                                                                              16
  Das Kinder-Erholungsheim der Stadt Herne, in Stapelage                                                                      18
  Bomben-Jupp hinterm Tresen                                                                                                  20
  Uwe Klein sammelt »Herner Ansichten«                                                                                        20
  Berkeler Geschichten                                                                                                        23
  Kinderhort Ursula, des Steinkohlenbergwerks »Friedrich der Große« AG                                                        24
  Historischer Verein feiert im City Center                                                                                   27
  Corona - Gedenk - Ort                                                                                                       29
  Nachruf für Gerd E. Schug                                                                                                   30
  Von Freunden, Engeln, Rittern und Kammerdienern...                                                                          33
  Neues vom Corona-Gedenkort                                                                                                  34
  Erinnerungen                                                                                                                36

Redaktion: Mathias Grunert, Andreas Janik, Gerdi Kern-            (Etliche Fotos sind oftmals nicht mit dem Namen des Foto-
bach-Tinnemann, Wolfram Ninka, Dr. Peter Piasecki, Anna-          grafen gekennzeichnet, sodass eine Recherche der Bildrechte
Maria Rawe, Thorsten Schmidt, Marcus Schubert, Friedhelm          in vielen Fällen nicht möglich war. Grundsätzlich haben wir
Wessel.                                                           uns darum bemüht, alle Urheberrechte an den veröffentlich-
                                                                  ten Fotos und Dokumenten zu klären. Sollte dies in Einzel-
Lektorat: Anna-Maria Rawe, Patricia Schubert                      fällen nicht gelungen sein, bitten wir, sich mit uns in Verbin-
Verantwortlich für den Inhalt: Thorsten Schmidt                   dung zu setzen.)

Titelbild: Friedhelm Wessel                                       Wir weisen darauf hin, dass das Urheberrecht an den Arti-
                                                                  keln bei den jeweiligen AutorInnen liegt. Verwendung und
Fotos: Seite 4 - 5: Sammlung Friedhelm Wessel - Seite 6 - 7:      Abdruck in anderen Medien, auch auszugsweise, ist nur mit
Sammlung Dr. Peter Piasecki - Seite 8 - 9: Sammlung Fried-        deren ausdrücklicher Zustimmung gestattet. Bei Fragen
helm Wessel - Seite 10: Friedhelm Wessel - Seite 11 - 13:         wenden Sie sich bitte an die Redaktion.
Sammlung Andreas Janik - Seite 14 - 15: Sammlung Fried-
helm Wessel - Seite 16 - 17: Thorsten Schmidt, Friedhelm
Wessel - Seite 18 - 19: Sammlung Wolfram Ninka - Seite 23:        Druck:
Archiv HVH - Seite 24 - 26: Deutsche Linoleum-Werke A.-G
- Seite 27: Stadtarchiv - Seite 28: Marcus Schubert - Seite 29:            Industriehstraße 17, 44628 Herne
Klaus Schelske - Seite 30 - 31: Thorsten Schmidt - Seite 33:
Friedhelm Wessel - Seite 34 - 35: Mathias Grunert, Anna-           Kontakt:
Maria Rawe - Seite 36: Thorsten Schmidt, Friedhelm Wessel          Historischer Verein Herne/Wanne-Eickel e. V.
                                                                   Schillerstraße 18
                                                                   44623 Herne

                                                                   E-Mail: redaktion@hv-her-wan.de
                                                                   Fon: (0 23 23) 1 89 81 87
                                                                   Fax: (0 23 23) 1 89 31 45
Der Bote im Februar 2023                                                                                                            3
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Auch Kohlenhalde diente schon mal als Übungshang
   18 Herner gründeten 1929 den KSC Herne –       umsschriften von 1975 und 2000 hervor, ließen
den Kanu- und Ski-Club, der am neuen Rhein-       sich einige Herner vom einem Halterner
Herne-Kanal ein Domizil fand. Doch 1950           Schreiner anfertigen. Erst später konnte man
trennten sich die Wege der Wassersportler und     Skier auch in heimischen Sportgeschäften er-
der »Brettelfans«. Es waren wiederum 18 Her-      werben.
ner, die am 19. Oktober den Herner Skiclub
gründeten, der wie der KSC, auch heute noch      Zunächst lagen die Wettkampf- und
besteht.                                       Übungsstätten des Herner Skiclubs noch im
                                               Land der 1000 Berge- im Sauerland. Hier fan-
  Unter den 18 Herner Skifans, die vor 73 Jah- den auch die ersten Stadtmeisterschaften statt.
ren den Verein ein Gesicht gaben, gehörten die Später entdeckte Clubmitglieder auch Pisten
»Vereinsikonen« Fritz Anft, Günter Schlaak, und Loipen im Ausland. So beteiligte sich Club-
Paul Gerhard Vahrson und Werner Weidmann.
»Damals hatte mal wohl andere Sorgen, denn
Skifahrer gehörten in unserer Region wohl zu
den Exoten«, erklärte der derzeitige Winter-
sportwart Winfried Plaga.

   Zum ersten Vorsitzenden wählten die Mit-
glieder 1950 Willy Breitkreuz. Es folgten unter
anderem: Walter Poshöfer, Werner Tewes,
Horst Schröder, Fritz Karla, Peter Mazny, Hans
Maschewski, Bernd Nordemann und Gerd
Schrick, der dieses Amt inzwischen seit 1997
umsichtig ausübt.

   Mit Gründung des Skiclubs ging es mit dem
weißen Sport in Herne langsam »bergauf«. So
diente sogar einst eine Kohlenhalde der ehema-
ligen Zeche Shamrock einem Herner Brettelfan
als Übungshang, was einer Herner Zeitung in
jenen Tagen sogar eine Meldung wert war. Die
ersten Skier, so geht aus dem beiden Jubilä-

4
Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
legende Peter Mazny (1938 bis 2011), 1974 ver-  wohl nach Dortmund, wo man in der Westfa-
mutlich als erster Herner, am berühmten Vasa-   lenhalle ein Sechs-Tage-Rennen besuchte. Die
lauf in Schweden. Dieser historische Langlauf   Skifreunde ließen sich nicht lumpen und stifte-
durch das malerische Dalarna, führt über eine   ten sogar einen Preis: Eine Staude Bananen.
Strecke von 85,5 Kilometer. Er startet alljähr- Die gewann der damals sehr bekannte Rad-
lich in Mora am schönen Siljansee und endet     rennfahrer Rudi Altig. Diese und weitere heite-
im einsamen Fjällgebiet von Sälen.              re sowie nachdenkliche Episoden, machen auch
                                                heute noch die Runde, wenn sich die Skiclub-
  Das Vereinsleben der Herner Skifahrer wur- mitglieder treffen.
de jahrzehntelang von außergewöhnlichem
sportlichen und gesellschaftlichen Ereignissen     Peter Mazny, »Mister 10.000 Volt« - auch
geprägt. Neben den Meisterschaften auf den »Gotthilf Fischer des Skiclubs« genannt, führte
Brettern, die im Hochsauerland statt fanden, im Herbst 2000 durch das Jubiläumspro-
während man zum »25.Jährigen« in die Aula gramm. Der Herner Verein feierte diesmal im
der Realschule an der Bismarckstraße, einlud. Kulturzentrum das »50.« mit einem zufünfti-
                          Hier führte 1975 Al- gen Hüttenfest. Mazny, war an diesem Tag
                          fred      Zauskewitz nicht nur Regisseur und Moderator, er trat
                          durch das Pro- auch als Chorleiter in Erscheinung.
                          gramm. Der be-
                          kannte Herner Be-        Inzwischen ist es bei dem 1950 gegründeten
                          rufsschullehrer bril- Verein etwas »ruhiger« geworden. Der Schnee-
                          lierte aber auch fall auf den Hausbergen im Sauerland, wird von
                          während des Pro- Jahr zu Jahr – bedingt durch den Klimawandel
                          gramm mit seiner – weniger. Der Spaß an Sport und Geselligkeit
                          magischen Show.       hat aber nie nachgelassen. So gibt es weiterhin
                                                Museumsbesuche, Kegelabende, Fahrradtou-
                              Im     damaligen ren und Wanderungen. Die Treffen des Ver-
                          Vereinsprogramm: eins, der einst durch »rauschende weiße Feste«
                          Kaminabende, Kar- in Herne für Schlagzeilen sorgte, finden weiter-
                          toffelbratfeste, Au- hin im Urbanushaus, an der Widumerstraße
                          togeschicklichkeits- statt. Hier erinnert sich die Skifamilie gerne an
                          turniere,    Wande- Ausflüge, Meisterschaften und Touren, die bis
                          rungen und Ausflü- nach Winterberg oder Wolkenstein führten.
                          ge. Einer dieser
                          Ausflüge führte Mit-                                Friedhelm Wessel
                          te der 1960er-Jahre

                                                                                               5
Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
1923: Inflationsgeld der »Vereinigten Herner
                      Kaufmannschaft«

    M
           it Beginn des Ersten Weltkriegs     Schub gegeben. Wurden im Februar noch
           wurde in der Stadt Herne sowie in   Geldscheine mit den höchsten Nominalen
           den ehemaligen Ämtern Wanne,        von 10.000 Mark verausgabt, so finden sich
Eickel und Sodingen, Notgeld gedruckt und      im Sommer in Herne bereits Geldscheine
in Umlauf gebracht. Ebenso wie in vielen       im Umlauf mit dem Aufdruck »500 Millio-
Städten und Gemeinden im ganzen Land.          nen Mark«, mit dem Ausgabedatum 1. Au-
Darüber hinaus nahmen auch Unternehmen         gust 1923 und der Unterschrift von Karl
dieses Recht in Anspruch. Zu diesen Unter-     Hölkeskamp, Beigeordneter der Stadt Her-
nehmen gehörten, vor allem seit 1923 auf       ne.
dem Gebiet der heutigen Stadt Herne, die
Bergwerksgesellschaft Hibernia, die Ma-           Ein Anstoß für die Ausgabe von Notgeld
schinenfabrik Baum, die Gewerkschaft des       durch die Herner Kaufmannschaft erfolgte
Steinkohlenbergwerks Friedrich der Große,      über die Mitteilung der Reichsbank Herne
die Gewerkschaft der Zeche Mont-Cenis und      an die Herner Kaufmannschaft, die im Her-
die Vereinigte Kaufmannschaft Herne. Wei-      ner Anzeiger am 21. August 1923, unter der
terhin finden sich in geringer Verausgabung    Überschrift »Annahme sämtlichen Notgel-
Notgeldscheine aus dem Jahre 1923, von der     des«, veröffentlicht wurde. Dabei wurde
Brückenbau A.G., der Zeche von der Heydt       festgestellt: »Die Reichsbank Herne hat der
sowie der Zeche Königsgrube (Magdeburger       hiesigen Kaufmannschaft mitgeteilt, dass
Bergwerks-Aktien-Gesellschaft).                sie und auch das Postamt sämtliches rhei-
                                               nisch-westfälische Notgeld, also auch sol-
   In diesem Beitrag wird auf das am 1. Sep-   ches von den auswärtigen Zechen und Wer-
tember 1923 verausgabte Notgeld der Verei-     ken annehmen. Diese Massnahme bedeutet
nigten Kaufmannschaft Herne zurückge-          eine sehr große Erleichterung im jetzigen
blickt, weil diese Notgeldausgaben, im Ge-     Zahlungsverkehr« (Stadtarchiv Herne,
gensatz etwa zu den von der Stadt Herne        Best. 306).
verausgabten Geldscheinen, wenig bekannt
sind. Die Herner Notgeldscheine etwa der           Um die Dramatik für die Bevölkerung zu
»Ritterleben-Serie«, sind heute noch weit erkennen, die mit der Hyperinflation des
verbreitet und dürften sich in so manchem Jahres 1923 einherging, sollen einige Preise
Herner Haushalt finden lassen.                  für Grundnahrungsmittel entsprechend der
                                                Festsetzung der »Richtpreiskommission«
   Notgeldausgaben sind Zahlungsmittel, von 20. August 1923 (Herner Anzeiger) ge-
die in Krisenzeiten den Mangel an staatli- nannt werden:
chem Geld ausgleichen und etwa von Kom-
munen oder Firmen ausgegeben werden Schmalz                 940.000 Mark pro Pfund
durften. Die Notgeldausgabe seit Beginn des
1. Weltkriegs teilt die Bundesbank heute Speck              850.000 Mark pro Pfund
nach Perioden ein. Die dritte Periode der
Notgeldausgabe begann gegen Ende des Backöl                 1.400.000 Mark pro Liter
Krieges, als der Bedarf an Zahlungsmitteln
sprunghaft angestiegen war. In dieser Phase Weizenmehl 200.000 Mark pro Pfund
sah sich die damalige Reichsbank sogar ver-
anlasst, die Städte ausdrücklich zur Ausgabe Seife          330.000 Mark für 200 Gramm
von Notgeld anzuregen. Die Definition von
Inflationsgeld betrifft schließlich die Veraus-    In diesem Zeitraum hat der »Verein für
gabungen von Geldscheinen und – in gerin- Handel und Gewerbe e. V.«, der in Herne
gerem Umfang – Münzen, in Zeiten schnel- seinen Sitz in der Schulstraße 26 hatte, Not-
ler und starker Geldentwertung (Mitte 1921 geld für 23 Milliarden Mark drucken lassen.
– 1923), als Münzen oder Geldscheine mit Beflügelt durch die Aussage der Reichs-
ungewöhnlich großer Wertangabe bis in den bank, sämtliches rheinisch-westfälische
Billionenbereich in Umlauf kamen.               Notgeld, auch von Zechen und Werken an-
                                                zunehmen, hat die Herner Kaufmannschaft
   1923 hat die Inflation in Deutschland eine am 3. September einen Antrag zur Veraus-
beispiellose Steigerung durchlaufen. Repa- gabung eigenen Notgeldes ‒ zur Verwen-
rationslasten des Staates, als Folge des Ers- dung als Wechselgeld ‒ beim Reichsfinanz-
ten Weltkrieges und die Ruhrbesetzung ha- ministerium gestellt. Als Begründung wird
ben der Inflation bereits in der ersten Hälfte die Wechselgeldnot angeführt. Bereits An-
des Jahres 1923 einen für die Volkswirt- fang September 1923 wurden die gedruck-
schaft und für die Menschen dramatischen ten und mit dem Datum 1. September 1923

6                                                                         Der Bote im Februar 2023
Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
versehenen      Notgeld- bei die Textangaben einschließlich
                           scheine verausgabt.       der Wertangaben in schwarz darge-
                                                     stellt sind. Partiell wurden die Wert-
                              Am 12. September er- angaben in grün ergänzt. Alle Geld-
                           hielt die Herner Kauf- scheine wurden im gleichen Größen-
                           mannschaft dann einen format von etwa 10,3 x 8,3 cm er-
                           ablehnenden Bescheid: stellt. Darüber hinaus erhielten die
                           »Die Reichsbank hat mir einzelnen Geldscheine eingestem-
                           zugesagt, Herne bei der pelte fortlaufende Nummerierungen
                           nächsten Sendung mit und jeweils ein prägendes Gestal-
                           Banknoten in kleinen tungselement.
                           Abschnitten zu verse-
                           hen. Ein Anlass zur Aus-     Der Schein zu 20.000 Mark weist
                           gabe Ihres Notgeldes Zahlenbänder mit der Wertangabe
                           liegt daher nicht mehr 20.000, beziehungsweise 20.000
                           vor, und ich ersuche Sie, Mark auf. Bei dem Schein über
                           mit der weiteren Ausga- 50.000 Mark wurde in den Eck-
                           be aufzuhören und die punkten links oben und rechts unten
                           ausgegebenen      Stücke das Symbol »Schlegel und Eisen«
                           unverzüglich wieder ein- aufgenommen. Die Ausgabe über
                           zuziehen« (Stadtarchiv 100.000 Mark weist zentral in grü-
                           Herne, Best. 306). Die- nem Druck das Wappen der Stadt
                           ser Bitte entsprach die Herne auf, welches in der Zeitspan-
                           Herner      Kaufmanns- ne vom 30. Juli 1900 bis zum 30.
                           chaft. Weitere Folgen im November 1937 offiziell Gültigkeit
                           Zusammenhang mit der besaß. Interessant ist schließlich der
                           Verausgabung der Not- 200.000-Mark-Notgeldschein, der
                           geldscheine entstanden als zentrales Bildelement einen sog.
                           für die Kaufleute offen- Herold- oder Merkurstab aufweist.
                           bar nicht.                Dabei bezieht sich der Name auf den
                                                     römischen Gott Merkurius (Mer-
                              Mit dem Datum »Her- kur), als Gott des Handels und des
                           ne, den 1. September Gewerbes. Dieses Zeichen tragen als
                           1923«, wurden insge- Münzzeichen auch verschiedene Eu-
                           samt vier verschiedene romünzen, wie etwa die Luxembur-
                           Notgeldnominale        in gischen Euromünzen, die zwischen
                           Umlauf gebracht, die un- 2004 bis 2009 verausgabt wurden.
                           ter dem Datum der Aus-
                           gabe die Herausgeber         Die Fiskalpolitik der Weimarer
                           benennen: »Vereinigte Reichsregierung befand sich insbe-
                           Kaufmannschaft Herne« sondere seit Anfang 1923 in einem
                           und die Unterschriften Auflösungsprozess, der erst im No-
                           von Albring und Ibing vember 1923 endete, als mit der
                           tragen. Das Notgeld neuen Rentenmark die neue Wäh-
                           wurde ‒ wie durchweg rung eingeführt wurde. Jetzt ent-
                           alle    Notgeldausgaben sprach eine Rentenmark einer Gold-
                           von Zechen oder ande- mark und der Kurs der Goldmark
                           ren Unternehmen ‒ mit war mit dem Dollar verknüpft: 4,20
                           »Gutschein« bezeichnet Goldmark entsprachen 1 Dollar.
                           und es wurde mit den
                           Nominalen        20.000,
                           50.000, 100.000 und
                           200.000 Mark einseitig
                           bedruckt.
                             Die Notgeldscheine
                           der Herner Kaufmanns-
                           chaft wurden auf creme-
                           weißem Papier mit grü-
                           nem Druck gefertigt, wo-                     Dr. Peter Piasecki

Der Bote im Februar 2023                                                                  7
Der Bote - Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel
Französische Ruhrbesetzung begann 1923 am Kanal

Französische Soldaten 1923 auf einem Herner Zechengelände

       M
              ein »Oppa« August war ein kluger       Rhein-Herne-Kanal, sondern auch Bahnhöfe
              Mann. Er wurde am historischen 20.     und Polizeistationen wurden von den franzö-
              April 1889, im saarländischen St.      sisch/belgischen Truppe besetzt. Die Zivilbe-
   Ingbert geboren: Als Jugendlicher verließ er      völkerung widersetzte sich, es kam zu Arbeits-
   seine Heimat und kam ins Revier. Er zog aber      niederlegungen und Anschlägen. Ab dem 7.
   bald den grauen Rock des Kaisers an, kehrte       April 1923 lag ein wichtiger westlicher Teilab-
   verwundet an die Ruhr zurück, sympathisierte      schnitt des Rhein-Herne-Kanals, ab Henri-
   ‒ wie viele Kumpels um 1920 mit den Kommu-        chenburg, plötzlich auf dem Trockenen. Wider-
   nisten, wechselte den Beruf, um der Verfolgung    ständler hatten hier in einer Nacht- und Nebe-
   zu entkommen, um dann, als die Franzosen          laktion einen Kanaldamm gesprengt. Die In-
   1923 das Ruhrgebiet besetzten, die Heimkehr       standsetzung der Abschnitts, mit dem Einlas-
   zu wagen. Er sagte mir mal: »Wenn du auf ei-      sen des Wassers, zog sich über drei Monate hin,
   nem Trottoir mal ein Portemonnaie findest,        weil Arbeitskräfte fehlten. Sie weigerten sich
   dann kaufe dir vom Inhalt eine Flasche Cha-       für die Besatzer zu arbeiten. Die Besatzer ver-
   bau«. Damals, es sind Jahrzehnte her, verstand    suchten mit einer gezielten Anwerbung, Ar-
   ich den (Un)Sinn dieses Satzes, mit vielen aus    beitskräfte zu bekommen. Kräfte aus Polen,
   dem Französischen stammenden Worte, nicht.        Tschechien, Böhmen und Österreich halfen so
   »Oppa« August, der bis ins hohe Rentenalter       den Franzosen bei der Verladung von Kohle
   auffem Pütt malochte, wollte mir wohl damals      und Koks im Land zwischen Ruhr und Em-
   klarmachen, dass Besatzer auch wesentlich un-     scher.
   seren Wortschatz beeinflussten.
                                                    Ende Mai 1923 spitzte sich die Lage in Herne
      Nach dem Endes des 1. Weltkrieges stellte  zu. Vor allem auf den Schachtanlagen Sham-
   um 1922 die Reparationskommission fest:       rock, von der Heydt, Friedrich der Große,
   »Dass Deutsche Reich hat die im Versailler-   Mont-Cenis und Constantin, kam es immer
   Vertrag festgelegten festgeschriebenen Holz-  wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
   und Kohlelieferungen bisher nicht erfüllt.« Sozwischen Arbeitswilligen und radikalen Kom-
   besetzten am 11. Januar 1923 französische und munisten. Auf der Anlage von Shamrock 1/2
   belgische Militäreinheiten das Revier. Vier   starb an diesem denkwürdigen Wochenende
   Tage später erreichte eine Einheit die Schleuse
                                                 der Markenkontrolleur Johannes Schmitz von
   5 in Crange. Die zwei Offiziere und 52 Soldaten
                                                 der Vinckestraße. Es waren auch Verletzte zu
   gehörten dem Regiment 147 an, das von Gene-   beklagen. Weniger dramatisch verliefen an die-
   ral Degoutte befehligt wurde. Ihm unterstan-  sem Maiwochende die Auseinandersetzungen
   den 50 Offiziere und 1.300 Soldaten.          auf den Herner Bergwerken von der Heydt, Ju-
                                                 lia, Constantin und Friedrich der Große. Auch
       Nicht nur wichtige strategische Punkte am hier wollten Radikale arbeitswillige Bergleute

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zur Niederlegung der Arbeit zwingen.            Bergarbeiter und 8.000 Eisenbahner die Pro-
                                                bleme lösen. Gleichzeitig sorgten die Besatzer
    In Sodingen hatte man sich dagegen ent- für eine Ausweisung streikender Eisenbahner.
schlossen, die Kumpels über eine geplante Ar- In Wanne-Eickel waren 217 Eisenbahner, zu
beitsniederlegung abstimmen zu lassen. Doch denen 86 Familien gehörten, davon betroffen.
das Ansinnen eskalierte, Steine wurde gewor-
fen, Knüppel geschwungen, Schüsse fielen,          Vor allem die polenstämmige Bevölkerung
denn die anwesenden 12 Polizisten standen wurde nun mit großem Argwohn beäugt, weil
plötzlich einer Übermacht von mehreren Tau- Polen im 1. Weltkrieg ein Bündnispartner des
send Demonstranten gegenüber.                   Erzfeindes Frankreich war. So sympathisierten
                                                viele Polen mit den Besatzern, und wurden so
    Die Französischen Besatzer, so der Anzeiger zu Verrätern, wie es in den Chroniken der Pfar-
für Herne und Sodingen vom 28. Mai 1923, ver- reien St. Marien in Baukau und St. Josef in
hielten sich jedoch neutral. Die Polizisten Horsthausen belegt ist.
wehrten die wütende Menge ab, Schüsse fielen,
zwei Tote – Hermann Wehmann und Sofie Ka-          Viele Polenstämmige verließen in dieser Zeit
lupnie – nebst 14 Verletzten blieben auf dem Herne, um in Frankreich eine neue Heimat und
Zechenplatz von Mont-Cenis zurück. Als Flüch- Arbeit zu finden. Die Einwohnerzahl in Herne
tende in das Lager der Franzosen, dass sich auf und Wanne-Eickel sank bis 1925, dem Abzugs-
dem Gelände des Schulhofes an der Max-Wiet- jahr der Besatzer, in beiden Kommunen um
hoff-Straße befand, Schutz suchen wollten, etwa 8.000 Einwohner. Etliche Abgewanderte
wurden sie jedoch vehement zurückgedrängt.      kehrten aber nach 1925 enttäuscht in die dop-
                                                pelte Kanalstadt zurück.
    Am 23. Juli 1923 besetzten französische Mi-
litäreinheiten auch die Zeche Unser Fritz, wor-    Die Lage im Revier blieb angespannt. Es
auf die gesamte Belegschaft mit einem General- herrschte eine Lebensmittelknappheit. Daher
streik reagierte. Sieben Tage später trafen auf sahen sich die Franzosen wohl genötigt, eigene
dem Pütt 90 französische, italienische, polni- Lebensmittelversorsogungsstellen einzurich-
sche und deutsche Arbeitskräfte ein, die im ten. So berichteten unter anderem die »Breis-
Auftrag der Besatzer die vorhandenen Koksvor- gauer Nachrichten« aus Herne und Bochum.
räte verluden. Die französischen Militärs ka- Hier wird am 19. April 1923 von der Beschlag-
men daher auf die Idee, in Polen weitere Ar- nahmung mehrerer Kohlelastwagen und der
beitskräfte für den Bergbau und die Eisenbahn Eröffnung von zwei Lebensmittelverkaufsstel-
zu werben. So berichtete die »Wanne-Eickeler- len in Herne berichtet.
Zeitung«, in ihrer Ausgabe vom 23. Juli 1923,
von diesem Vorhaben. Demnach sollten 25.000        Wer sich in diesen Jahren den Anordnungen

Der Bote im Februar 2023                                                                      9
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der Besatzer widersetzte, bekam die ganze Här-     tember 1923, also neun Monate nach dem Ein-
    te der Regierenden zu spüren. Verhaftungen         zug der Franzosen ins Revier, kam es in der da-
    waren daher an der Tagesordnung. Unter ande-       maligen Gaststätte »Hindenburg« an der
    rem nahmen die Franzosen in Herne Assessor         Bahnhofstraße, zu einer Vereinsgründung.
    Heinz Morsbach fest, der damals für die Berg-      Etwa 100 Herner waren der Einladung in den
    werksgesellschaft Hibernia tätig war. Auf          Saal der Gaststätte an der Ecke Bahnhof-/Man-
    Druck des in Deutschland zuständigen italieni-     teufelstraße gefolgt. Zum 1. Vorsitzenden wähl-
    schen Nuntius Eugenio Pacelli (der später          ten die Mitglieder des neugegründeten
    Papst Pius XII.) wurde der 31-Jährige jedoch       Schwimmvereins Neptun, Alfred Klewin. Weil
    bald wieder freigelassen.                          der junge Verein noch über kein eigenes
                                                       Schwimmbad verfügte, wich man vorüberge-
       Die Unruhen im Revier setzten sich jedoch       hend nach Gelsenkirchen aus. Der erste offiziel-
    bis zum Abzug der Besatzungstruppen im Juli /      le Wettkampf des SV Neptun, der viele Zu-
    August 1925 fort. Im Mai 1924 kam es so im         schauer anlockte, fand ein Jahr später im
    heimischen Bergbau zu einer weiteren Arbeits-      Rhein-Herne-Kanal statt. Später verfügte der
    niederlegung, weil die Kumpels aufgefordert        SV Neptun über ein eigenes Bad, im Schatten
    wurden, ihre Arbeitszeiten zu verlängern.          der ehemaligen Zeche Mont-Cenis (zwischen
                                                       Uhlenbruch und Castroper Straße). Auch die
       Der bekannte Herner Autor Jan Zweyer ver-       Herner Radsportler traten 1923 wohl kräftig in
    mittelt mit seinem in Herne/Bochum spielen-        die Pedale. So rief der Herner Radsportverein
    den Kriminalroman »Franzosenliebchen« ein          »Zugvogel« zur Teilnahme an der Vereinsmeis-
    eindrucksvolles Bild jener Tage.                   terschaft auf. Das Rennen, an dem etwa 21 Ak-
                                                       tive teilnahmen, wurde vermutlich auf der
          Vereinsgründung und Meisterschaft            Bahnhofstraße gestartet. Vereinsmeister 1923
                                                       wurde Karl Mroseck. »Zugvogel« Herne gehör-
       Obwohl die französisch-/belgischen Besat-       te damals auch dem Bund Deutscher Radfahrer
    zer weitgehend den Ton angaben, ging das Ver-      an. Über weitere Aktivitäten der radelnden
    einsleben wohl weiter. Vermutlich interessier-     »Zugvögel« ist leider nichts mehr überliefert.
    ten sich die Besatzer wohl mehr für Zechen,
    Werke und das Transportwesen? Am 21. Sep-                                       Friedhelm Wessel

           Herner Schwergewicht Duscha gehörte einst zur
                            Box-Elite

                              M
                                       ehrere Jahre    Boxfans das Spektakel im Ring. Den Faust-
                                       lang verdien-   kampf gegen den aus Toulouse stammenden
                                       te der Herner   Emile Vidal (1930 bis 2015) sahen damals, im
                            Albert Duscha sein Geld    Pariser Palais de Sport, sogar 12.000 Zuschau-
                            als Profiboxer. Seinen     er. 1964 reiste der Herner sogar nach Schwe-
                            ersten Kampf bestritt      den, um hier gegen die amerikanische Boxle-
                            der damals 19-Jährige      gende Floyd Ray Patterson (1935 bis 2006) an-
                            am 10. Juni 1955, in der   zutreten. Gegen den US-Amerikaner hatte der
                            Dortmunder Westfalen-      Schwergewichtler aus der Kanalstadt in Sunds-
                            halle. Weitere 40 Pro-     vall aber keine Chance. Patterson schlug ihn
                            fikämpfe sollten bis       KO. Boxerische Weggefährten Duschas waren
                            1968 folgen. Albert Du-    in jenen Tagen unter anderem: Erich Schöpp-
                            scha, der von 1936 bis     ner, Hans Kalbfell und Hans-Werner »Butje«
                            2009 lebte, reiste einst   Wohlers. Seinen letzten Faustkampf bestritt
                            für seinen Beruf durch     der Herner 1968; sein Gegner war der Krefelder
                            halb Europa. Duscha        Burghard Lembke.
                            stand in Italien, Schwe-
Albert Duscha               den, den Niederlanden,        Herne zählte jahrzehntelang zur Hochburg
                            Luxemburg,        Frank-   des deutschen Boxsports. Faustkämpfer, wie:
    reich, Spanien und Belgien im Ring. Bei diesen     Neusel, Stengel, Scheiba, Salewski, Andresen,
    Schwergewichtskämpfen musste sich der Her-         Flachert, Sosznitza, Hendrix und Weimer
    ner Profi gegen einst so bekannte Faustkämpfer     schrieben einst Sportgeschichte. Sie starteten
    wie Ray Patterson, Emile Vidal, Heinz Lemm         entweder für den BSC 22, den BSK Herne-Ost
    und Burghard Lembke auseinandersetzen. So          oder für SW Unser Fritz.
    verfolgten 1956, als Duscha und Heinz Lemm
    in Dortmund aufeinandertrafen, rund 10.000                                      Friedhelm Wessel

     10                                                                              Der Bote im Februar 2023
Wir treffen uns bei Tanzschule Schmidt-Hutten!

   S
          o, oder so ähnlich, hatten sich Generati-   Die Tanzschule Schmidt-Hutten bittet mit
          onen von jungen Frauen und Männern          dem WDR 4 zur Tanzparty mit dem Tanzor-
          zwischen 1978 und 2012 verabredet.          chester Hugo Strasser, am 20. April 1985, ins
                                                      KUZ. Oben v.l.n.r.: Martin Klinger, Christian
   Auch der Schreiber dieser Zeilen hatte seine       Pilgrim, Frank Stanke, Martin Kaczor, Jörg
Zeit bei »Schmutten« auf der Bahnhofstraße            Dobberstein, Andreas Janik, unten: Birgit
1970/1972. Ganze Jahrgänge der Alt-Herner             Rennebaum, Christa und Manfred Schmidt-
Schulen tummelten sich zu Tango, Jive, Walzer         Hutten, Ute Dräger, Ulrike Berndt, Birgit
oder Cha Cha Cha, in den Kursen. Dienstags            Bussmann, Detlef Durchholz.
oder donnerstags, in zwei Zeiten bis 21 Uhr, um
dann von den »Erwachsenen« abgelöst zu wer- schluss mit dem letzten Lied: Dem Quickstepp
den.                                              »Feierabend«, von Peter Alexander, aufzubre-
                                                  chen. Auf den umliegenden Straßen standen
   Diese durften auch regelmäßig samstags zu die Papas und Mamas mit ihren Autos. Man
ihren Tanzabenden ran. Unvergessen war für ging zu Fuß oder die Fahrräder fuhren in Grup-
viele das Oktoberfest, mit hausgemachtem Sau- pen von Tanzschülern nach Hause.
erkraut und Würstchen. Aber auch die Karne-
valsfeste – heute einfach legendär.                  Wer nach zwei Anfängerkursen noch mehr
                                                  Standard und Latein wollte, konnte – wie auch
   Die Jugend tummelte sich sonntags zwi- heute noch in ADTV Tanzschulen üblich –
schen 18 und 21 Uhr zur Disco. Kleiner Eintritt Bronze, Silber und Gold belegen. Und als das
und nur mit Tanz Pass. Man wollte dazugehö- Sahnehäubchen wurde dann der Goldstar be-
ren.                                              ziehungsweise »Super Goldstar«; in drei Rän-
                                                  gen mit ★, ★★ und ★★★. Ach ja, bei voller
   Strikt durchgeplant das Ganze: Bis 20 Uhr Punktzahl, geprüft wurde von auswärtigen
aktuelles aus den Tanzsport-Charts von Hugo Tanzlehrern, gab es einen Gong.
Strasser, Günther Noris und weiteren tanzba-
ren Hits, abgeschlossen mit dem Welthit »Love        Der Abschlussball fand natürlich im Kultur-
is in the Air«, von John Paul Young, einem zentrum statt! Großer Auftritt der Tanz-Elevin-
Samba, mit 3:22 Minuten besonders lang.           nen und Eleven zur Anfangspolonäse ... Alles
                                                  Walzer. Vorne weg, der Chef und eine der Tanz-
   Dann folgte die Hitparade. Wer es vergessen lehrerinnen. Es spielten immer Livekapellen.
hatte: Auf der Eintrittskarte gab es drei Favori- Leider sind mir nur »Die Nachtfalter« in Erin-
tenfelder zum Ausfüllen mit den temporären nerung geblieben. Ihr »Wir machen jetzt ’ne
Lieblingshits. Man konnte zum Ende des Pause, setzt Euch« ist unvergesslich. Und was
Abends einem Preis; anfangs eine Single (-plat- machten wir in so mancher Pause? Wir gingen
te), später eine CD, gewinnen.                    ins Restaurant und bestellten bei Herrn Plisch-
                                                  ka eine Zwiebelsuppe. Was waren wir erwach-
   Dann folgten noch einige Tänze, um zum Ab- sen, damals.

Der Bote im Februar 2023                                                                       11
1986 feierte das Otto-Hahn-Gymnasium             Der Zugang zur Tanzschule war lange Zeit
   sein 20-jähriges Bestehen. Die tanzenden         ein dunkler Durchgang, links von Tassos La-
   Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen     den. Eine Treppe hinauf und schon lagen zwei
   12 und 13 baten Manni Schmidt-Hutten, für        Garderoben links vom »Büro«. Zwei Stufen
   den bevorstehenden Festball eine Tanz-Perfor-    nach rechts hinauf ging es zum Durchgang in
   manz einzustudieren. Daraus entwickelte sich     den Saal 2 mit »Kuschelecken«. Auch die WCs
   rasch eine Standart-Formationsgruppe, gefolgt    gab es hier.
   von einer jüngeren Schulübergreifenden Latein
   Formation. In den nächsten Jahren gehörten         Im größeren Saal 1 befanden sich die Theke
   Proben und Auftritte zum Lebensalltag. Der      und die Plattenanlage für die benötigte Musik.
   Berufliche Weg veränderte zwar die Zusam-       Hier drehte sich der Plattenteller und später die
   mensetzung, aber der Kern blieb.                CD Anlage. Bei den Discos war dies zu meiner
                                                   Zeit der Spielraum der Discjockeys Frank Stan-
      Wir wollen auch den Tanzsportverein Rot- ke »Stanky« und Jörg Doberstein »Dobby«.
   Weiß Herne e. V. nicht vergessen. Dieser wurde
   im September 1979 gegründet und endgültig          Einige schafften es bis hinein ins »Team«.
   am 16. Dezember 2001 aufgelöst. Bis zu seinem Als eifrige Barakteure, Saaldienstleistende, Bü-
   beruflichen Ausscheiden wurde dieser von rohelfer (hatte ich nur einmal machen dürfen)
   »Häuptling Silberlocke«, Manfred »Manni« und »Vortänzer« – offiziell Tanzlehrerassis-
   Schmidt-Hutten, jeden Sonntag, zwischen tent! Die Mädels bei Manni & »Mini«, damali-
   16:00 Uhr und 17:30 Uhr, trainiert und so eini- ger Spitzname des Sohnes Frank, die Jungs bei
   ge Tanzpaare durften und konnten Turnier tan- »Tina«, Mini-Tina und Eva Kretz.
   zen. Heike Seidel & Ötte Böttcher, Birgit Buss-
   mann & Detlef Durchholz, Eva Thimm & Erich         Bescheiden gebe ich zu, dass das Vortanzen
   Scharpenberg, Susanne Swoboda & Bernhard bei den Erwachsenen am meisten Spaß ge-
   Bolinius, Ute Dräger & Charly Bitter, … . Wer macht hat. Ich habe heute noch Kontakt zu ei-
   wollte nicht so tanzen wie diese.               nigen der damaligen Kurs Teilnehmern.

                                                       Verschiedene Teams wechselten sich in den
                                                    Jahren ab. Ich hatte das Vergnügen unter ande-
                                                    rem mit Martin Kaczor, Kiki Umberg, Christian
Ball des Otto-Hahn-Gymnasiums am 21. Septem-        Pilgrim, Birgit Rennebaum, Martin Klinger,
ber 1985. V.l.n.r.: Claudia Ehemann, Thomas         Dirk Pieper, vielen der schon oben genannten
Witt, Stefanie Kalinowski, Guido Pieper, Rainer     und Andrea Nahodil, zusammen ein Team bil-
Haarmann, Sonja Wörmann, Uwe Plöger, Su-            den zu dürfen.
sanne Kaiser, Inga Wegner, Andreas Janik.
Aus den Tanzpaaren entwickelten sich              Geschafft, erste Reihe, v.l.n.r.: Eva Kretz, Man-
manchmal mehr als nur sportliche Interessen.         fred Schmidt-Hutten, ?, Susanne Rottmann,
Pilgrims, Böttcher, Durchholz, Scharpenberg,         Kerstin Haak, Andreas Janik, Uwe Plöger, Mo-
Bolinius … sind verheiratet, wie ich seit mehr       nika Grey, Sabine Freiwald, Martin Klinger,
als 26 Jahren mit meiner Andrea Nahodil.             Thomas Hocevar.
»Schmutten« sei Dank. Wir sind bestimmt
nicht die Einzigen, da bin ich mir ganz sicher.  mit seiner damaligen Frau und nach einer er-
                                                 folgreichen Tanzlaufbahn 1963, seine eigene
   In den rund 10 Jahren meiner aktiven Zeit, Tanzschule an der Oberen Münsterstraße, in
habe ich viele Menschen getroffen und kennen- Castrop-Rauxel. 1978 übernahm er zusätzlich
lernen dürfen. Meine besten Freunde hab ich in Herne die alteingesessene Tanzschule Diel-
hier gefunden. Und wenn sich auch die Lebens- Funkenberg an der Stammstraße 46. Die Verle-
wege auseinander dividierten, so ist mein lang- gung der Schule in die Räume der alten Schau-
jährigster Freund aus damaliger Zeit - Thomas burg an der Bahnhofstraße erfolgte alsbald. Mit
Witt - heute Domkapitular und Pfarrer in und seiner später geschiedenen Frau hatte er zwei
um Paderborn und damals ein begabter Tänzer. Kinder. Frank, der 1995 die Castroper Tanz-
                                                 schule übernahm und Martina »Tina«, die Her-
   Noch heute trifft man den einen oder ande- ne bis Ende Dezember 2012 führte.
ren wieder. Man kennt sich halt von Schmidt-
Hutten.                                             Manfred Schmidt-Hutten übersiedelte mit
                                                 seiner Christa nach Winterberg-Siedlinghau-
   Sie lesen hier meine ganz persönlichen Erin- sen und starb leider schon nach wenigen Jah-
nerungen. Haben Sie auch welche? Schreiben ren, im September 2002.
Sie uns einfach mal. Wir freuen uns auf Ihre Er-
innerungen.                                         Aus der Tanzschule Schmidt-Hutten kamen
                                                 das Ehepaar Wiemers nach Herne, um – in
   Und ganz aktuell: Im November 2022 wurde Konkurrenz – Ihre eigene Tanzschule zu er-
eine ehemalige Tanz-Elevin Schmidt-Huttens öffnen. Seit 2014 ist die »Tanzschule Tanz-
Weltmeisterin im Discofox: Nadine Schulze. pott«, vom Let’s Dance erprobten Sergiy
Herzlichen Glückwunsch.                          Plyuta, in den Räumen an der Bahnhofstraße
                                                 ansässig.
   1933 gründet Fred »Schmidt-Hutten« in
Pankow eine Tanzschule. Sein im selben Jahr         Gehen Sie tanzen! Denn Tanzen verbindet!
geborener Enkel Manfred Schmidt-Hutten
übersiedelt nach Westdeutschland und gründet                                        Andreas Janik

Der Bote im Februar 2023                                                                       13
31 Jahre lang im berüchtigten Santa Fu

Helmut Mayer vor dem Eingang zu Santa Fu

       A
           ls Helmut Mayer 1965 seine Sachen        erinnert sich Helmut Mayer noch sehr gut,
           packte, um in Norddeutschland seinen     obwohl der Ausbrecherkönig aus Sicherheits-
           Dienst bei der Bundeswehr anzutre-       gründen, nur wenige Monate in Santa Fu blieb.
  ten, dachte der Sodinger noch nicht daran, dass
  er einmal den größten Teil seines Lebens im          Der gebürtige Sodinger wurde in seiner
  berüchtigten Zuchthaus von Hamburg-Fuhls-         Dienstzeit in Fuhlsbüttel einmal selbst von
  büttel verbringen würde. Von 1973 bis 2004        einem »schweren Jungen« als Geisel genom-
  war der 1944 in Sodingen geborene Helmut          men. Er hatte sich aus Rasierklingen eine Waffe
  Mayer nämlich als Justizvollzugsbeamter in        gebastelt und den Justizvollzugsbeamten damit
  Santa Fu tätig.                                   bedroht. Nach zwei Stunden gab der Schwer-
                                                    verbrecher, nach Verhandlungen mit einem
     In Hamburg absolvierte der Herner              Diakon, auf. Als Grund für die Geiselnahme gab
  zunächst 1965 seine Grundausbildung bei der       der Zuchthäusler Verbesserungen der Haftbe-
  Bundeswehr. In dieser Zeit lernte er auch seine   dingungen an. Danach gab es auch eine Verän-
  spätere Frau kennen. Es folgte ein kurzer         derung für die Insassen von Santa Fu. Es gab
  Standortwechsel nach Husum. Doch hier blieb       keine Rasierklingen mehr, wer sich unbedingt
  er nicht lange. Der junge Berufssoldat kehrte an  nass rasieren wollte, erhielt die neuartigen,
  die Elbe und zu seiner Verlobten Brigitte         ungefährlichen Einmalrasierer.
  zurück. Acht Jahre versah er in der Hafenstadt
  seinen Dienst in einer Instandsetzungskompa-        Der Sodinger von der Uhlandstraße ist stolz
  nie in Rahlstedt. Danach bewarb sich der Fami- darauf, den »Blauen«, wie die Hamburger
  lienvater für den Vollzugsdienst und wurde Justizbeamten auch genannt werden, angehört
  angenommen.                                      zu haben. Doch in Uniform hat ihn seine
                                                   Familie nie gesehen, denn die blieb aus nahelie-
     Seit dieser Zeit wohnt die Familie Mayer genden Gründen nach dem Dienst immer im
  auch im Schatten des bereits 1879 erbauten Spind von Santa Fu. Zu groß war die Angst, von
  Zuchthauses von Fuhlsbüttel. Während seiner schweren Jungs außerhalb der schützenden
  langen Dienstzeit in Santa Fu hat Helmut Mauern des Zuchthauses entführt zu werden.
  Mayer so manchen bekannten Häftling
  kennengelernt. In der Abteilung; ihr gehörten       Auch heute noch pflegt Helmut Mayer,
  zeitweise 270 schwere Jungs an, saßen unter dessen Vater einst als Steiger auf der Zeche
  anderem der bekannte Ausbrecherkönig und Mont-Cenis tätig war, rege Kontakte mit
  Polizistenmörder von Bottrop, Alfred Lecki ehemaligen Schul- und Jugendfreunden, rund
  (1938 bis 2000), der St. Pauli-Killer Mucki um das ehemalige Denkmal. Und wenn er seine
  Pinzner (1947 bis 1986) und Mitglieder der alte Heimat besucht, trifft er sich gerne mit
  RAF, wie Dellwo, Rössner und Tauber.             alten Bekannten und erzählt Geschichten von
                                                   Schulte im Dorf, der Kreidler-Gang und den
     Besonders an Alfred Lecki, der 1969 legendären Kirmesbesuchen. Aber auch an die
  während einer Flucht einen Polizisten erschoss, Besuche im legendären Stadtion Glück Auf,

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oder an Pöhlrunden auf dem ehemaligen Mark-                              Gerd Harpers gehörte damals zu den Lieb-
platz am Bunker erinnert sich der Sodinger                            lingsspieler von Helmut Mayer. »Eines Tages,
gerne. »Einmal war Rot-Weiß Essen zu Gast in                          ich pöhlte gerade mit Freunden auf dem Platz
     1957 wurde
Sodingen.      Nach dem in derSpieldamaligen
                                      stiegen alleGaststätte
                                                        Rotwei-        hatte.
                                                                      vor   demAlsBunker,
                                                                                   Knappe tauchte
                                                                                              gehörte Harpers
                                                                                                       der Sodinger    dem
                                                                                                                  auf und
  »Wieschermühle«           an
ßen, unter ihnen der legendäre    der   Schillerstraße/Ost-
                                              Boss Rahn, in            Piepenfritz-Förderrevier    an, war  hier auch
                                                                      zeigte uns ein paar Tricks. Wenig später beglei- zeit-
  bachBus.
den      der Ich
              FC Herne
                   wollte gegründet.
                             aber unbedingt  »Eigentlich
                                                     ein Auto- hät-    weise
                                                                      tete  erals
                                                                               unsAnschläger   an einem Blindschacht
                                                                                     in den Gysenberg.      Dort, auf der tä-
  te der  Verein    aber   FC   Uhlenbruch
gramm. Doch der Boss öffnete das Busfenster       heißen     müs-      tig, Nach  sieben  Jahren  wechselte   er den
                                                                      großen Wiese, kickte er ebenfalls mit uns. Nach Beruf
  sen«,
und       lacht»Kannst
      fragte:     Theo Jost,Du mirder eine
                                         jahrzehntelang
                                              Bockwurst am      für    – er wurde
                                                                      etwa          Maschinenführer
                                                                             20 Minuten                 bei dersich
                                                                                             verabschiedetet    bekannten
                                                                                                                     Gerdi
  den   Herner    Fußballverein        die
Würstchenstand holen«, Helmut Meier sagte   Stiefel    schnürte,       Herner    Firma    Benkert.   Als  Gewerkschaftler
                                                                      von uns und fuhr mit dem Fahrrad nach
  »denn von
natürlich        den 11
              sofort   zu.Mitgliedern
                            »Hier hastder    Dudamaligen
                                                   eine Mark,1.        vertrat der
                                                                      Gerthe,   wo ergelernte   Bergmann
                                                                                         ja wohnte.         hier lange
                                                                                                      Gearbeitet    hat erals
  Mannschaft       stammten        acht
gibt mir aber deine Mütze, dann kannst     aus    dem     Umfelddu     Betriebsrat  –  und  Vorsitzender  – die Interessen
                                                                      damals wohl bei der Herner Stadtverwaltung.
  der  Straße   ›Im  Uhlenbruch‹         –  etliche
schneller laufen«, meinte der Essener Kicker.          dieser   Ki-    der Mitarbeiterschaft.
                                                                      Sein  Arbeitsplatz befandVor   20inJahren
                                                                                                  sich            ging erim
                                                                                                          jenen Tagen      in
  cker    waren    sogar    Bergleute,
Helmut tauschte das Markstück gegen die       sie   fuhren      auf    den   Ruhestand.    Fotos,  Wimpel,   Ehrennadeln
                                                                      Sodinger Amtshaus«, erinnert sich der Sodin-
  Mont-Cenis
Mütze             oder Piepenfritz
          und rannte,                     ein.«
                            um die gewünschte              Bock-       undder
                                                                      ger,  Ehrenurkunden
                                                                                aber schon seiterinnern  den einst
                                                                                                  Jahrzehnten       begeis-
                                                                                                                 in Fuhls-
     Dabei,    so erinnert    sich
wurst zu besorgen. Nach der Rückkehrder   1938 in Hernezum Bus  ge-    terten  Kicker,
                                                                      büttel lebt.      der noch  nie ein Bundesligaspiel
  borene    FCer,   ging   der    Verein
erhielt der junge Sodinger von Boss Rahn die wohl    aus    einem      hautnah miterlebt hat, an seiner glorreiche und
  Kegelclub
Mütze,          hervor,Trinkgeld
           ein dickes      der auf der undBahn         der Gast-
                                              als Belohnung            erlebnisreiche Zeit beim FC 57.
  stätte  Fuhrmann       (später    Bosk/Goethe-Eck)
noch ein Autogramm des bekannten 54er-WM-                        an
  der   Ecke     Mont-Cenis-/Goethe-Straße
Spielers obendrauf.                                        in   die                                    Friedhelm Wessel
  Vollen warf. Vermutlich vom damals in Herne
  grassierenden Fußballfieber, ausgelöst durch
             Forum 7- Mitbegründer Alf Rolla gestorben
  den SV Sodingen und Westfalia Herne –
  schlüpften die Uhlenbrucher Kegelbrüder in
  Trikots und     trafen
                      Alf sich
                            Rollazuseit
                                      Heimspielen         auf der

   O
             bwohl                          Jahrzehnten         in
  legendären     Hippenwiese        am    Stadtgarten.
             den Rheinmetropolen Düsseldorf und
     Im Oktober       1957 riss
             Köln lebte,      stießsein
                                     Theo     Jost, der
                                          Kontakt            zuvor
                                                        in seine
  jahrelang    für Schüler-     und   Jugendteams
Geburtsstadt Herne nie ab. Am 19. November                 des  SV
  Sodingen      gekickt   hatte,   zu   dem
2022 ist der Autor, Journalist und Mitbegrün-  neuen      Verein.
  »Hier
der   des waren      wir alle
            legendären            Freunde, kannten
                            Krankenhausfunks              Forumuns
  gut«,   verriet  Jost,   der   in  der   Stammelf
7, nach langer Krankheit, im Alter von 69 Jah-             des  FC
  57  den    Posten    des   linken    Läufers
ren, in Köln gestorben. Alf Rolla stammte aus       übernahm.
  »Unser Vorstopper
Sodingen.       Sein Vaterwar      Heinz Rezepka,
                                arbeitete     als Bergmann  der ja
  1965   beim    Grubenunglück         auf   Mont-Cenis
auf der dortigen Zeche Mont-Cenis. Unweit sei-                  mit
  acht   weiteren    Bergleuten      sein
nes Elternhauses befand sich einst die Trink-Leben     ließ«,   er-
  zählt  Jost   weiter,  der   noch    fast
halle, die von SVS-Legende Hännes Adamik be- alle   Namen      sei-
  ner Mitspieler
trieben    wurde. Hierkennt:     Paul Leister,
                             lauschte     der junge  Willi    Her-
                                                          Sodin-
  schaft,   Werner    Fröschke,      Urich
ger früher den Gesprächen der dortigen         Kubiak,      Fried-
  helm Alhorn,die
Stammgäste,         Karl-Heinz
                       sich meistRezepka
                                      um denund         Paul Re-
                                                   heimischen
Fußball drehten. Nach dem Schulbesuchsich
  zepka.   »Bei   Paul   Rezepka      handelte       es         um
                                                           absol-
  den    Bruder     des   tödlich      Verunglückten
vierte Alf Rolla zunächst eine Ausbildung bei                  und     Zu den Lieblingsinterviewpartner des Herners
  Karl-Heinz
Krupp,      um war
                 dannein    Vetter
                          1972,    einder   beiden Brüder«,
                                          Volontariat       beim       Alf Rolla (rechts) gehörte einst der »Weltstar«
Verlag Lensing-Wolff in Dortmundso
  erläutert    Theo    Jost,   der   später,      zu erzählt
                                                      absolvie-  er    Freddy Quinn, der mehrmals im damaligen Stu-
  weiter,   auch   mit   dem     erst   kürzlich
ren. Danach wurde er von den Ruhr Nachrich-           verstorbe-       dio an der Albert-Klein-Straße zu Gast war.
  nenals
ten     Grubenwehrmann
          Redakteur übernommen    Otto Wenzek,
                                             und war   derineben-
                                                              ver-
  falls 1965   zum   großen     MC-Retterteam
schiedenen Lokalredaktionen tätig.                       gehörte,     hausfunkes Forum 7. 25 Jahre lang moderierte
  inSchon
     einer Mannschaft
             als Junge wusste spielte.
                                     Rolla, was er einmal             er hier wöchentlich verschiedene Sendungen,
     An   seine  Zeit  beim
werden wollte: RundfunksprecherSV Sodingenoder    erinnert
                                                         Redak-sich   dafür reiste der gebürtige Sodinger sogar ein-
  der   Zeitzeuge     von     der   Kirchstraße
teur bei einem Sender. Bis es soweit war, dauer-        ebenfalls     mal in der Woche, aus seiner Wahlheimat Köln,
tegerne.
    es aber»Hännes
              noch einige Adamik
                              Jahre.hatNachuns       manchmal
                                                seiner    Tages-      an.
  trainiert,  und   Anton     Rengel     war
zeitungsära wechselte der Herner in die Bildre-der   Jugendlei-           Als Ruheständler widmete sich Alf Rolla da-
  ter. Auch
daktion        an Hans
            nach   Essen.Artin
                             Später erinnre
                                        erfolgteichein
                                                     mich     ganz
                                                          Wech-       nach verstärkt der Schriftstellerei. So veröffent-
  gut,   der  war   aber    besonders       streng«,
sel zu einer Illustrierten nach Düsseldorf, um             erzählt    lichte er 1999 den ersten deutschen Online-Kri-
  Jost endlich
dann     weiter, für
                   derRadio
                         sogarLuxemburg
                                  das legendäre          Vorrun-
                                                  zu arbeiten.        mi. Er stellte »Abgebrüht« kostenlos ins Netz.
  denspiel    um   die  Deutsche      Meisterschaft
Danach gab es erneut ein Wechsel zur Bildzei-               gegen     Weitere neun Bücher folgten. So »Die Eintags-
  Kaiserslautern      am    22.   Mai    1955
tung. Diesmal ging es aber an den Rhein. In      in  Gelsenkir-       fliege«, »Alles außer Erotik«, »Kommse anne
  chen miterleben
Düsseldorf              durfte. in Köln übernahm er
                 und später                                           Bude«, »Gehse auffe Kirmes«, »Mord ist keine
Leitungsaufgaben und berichtetehatte
     »Unsere      Jugendmannschaft                       Freikar-
                                                  von kleinen         Lösung« und »Hasse schon gesehen?«. An sei-
und größeren Ereignissen aus den beidenBörnig
  ten.  Mit   dem    Zug   ging    es  ab   Bahnhof           gro-    ner Beisetzung, auf dem Friedhof an der Wies-
  nach Schalke,
ßen                    wo wir zusammen
          NRW-Rheinmetropolen.                         mit etwa
                                                  Krankheits-         cherstraße beteiligten sich auch etliche Ehema-
  60.000 ging
bedingt      FansAlfdasRolla
                         2:2 indannder Kampfbahn
                                         Mitte der 1990er- Glück-     lige des Forum 7-Teams, darunter Gründer
  auf   hautnah     miterlebten«,
Jahre in den Vorruhestand.               erzählt     Theo     Jost,   Claus Schmidberg.
  der   1953   eine  bergmännische           Ausbildung
    Rolla gehörte in Herne, ab 1971, zu den Mit-                auf
  der   Zeche    Friedrich     der   Große
begründern des einst sehr bekannten Kranken-   1/2    begonnen                                         Friedhelm Wessel

 Der Bote im Februar 2023                                                                                                  15
Das Backhaus auf dem Hof Werth in Börnig

                      »Gott bewahre dieses Haus...!«

     Z
           wischen Altenhöfen und Baukau, So-           Heute weist die offizielle Denkmalliste der
           dingen und Crange war einst Bauern-       Stadt 17 Objekte auf. Doch der Schein trügt,
           land. Fachwerkbauten mit den oft          denn im Laufe der vergangenen Jahre wurden
   kunstvollen Giebeln und geschnitzten Tennen-      Fachwerkgebäude aus Crange, Sodingen und
   balken prägten jahrhundertelang die Bauern-       Oestrich erfasst. Fast alle Gebäude, die Decker
   schaften, die langsam zu einer Großstadt zu-      1927 noch beschrieb, sind verschwunden.
   sammenwuchsen. Viele dieser alten Häuser
   mussten der neuen Zeit weichen. So auch wohl         So stand einst ein Fachwerkgebäude auf der
   eines der ältesten Herner Gebäude, das 1753 an    Kirchhofstraße. Es handelte sich um ein Rest-
   der Rottbruchstraße 2 entstand. Die Eheleute      gebäude des alten Bergelmannschen Hofes, aus
   Heinrich Port und Anna Schefer zogen dort         den Jahren 1789 bis 1821. Der Hof musste in
   nach ihrer Hochzeit ein. Doch dieses und weite-   den 1960er-Jahren, aus planungstechnischen
   re 21 Gebäude aus der Zeit von 1753 bis 1880,     Gründen, aus dem Herner Ortskern verschwin-
   die der Herner Chronist Johannes Decker 1927      den. So gab es in der alten Ortsmitte rund um
   noch ausführlich beschrieb, sind verschwun-       die neue evangelische Kirche noch bis in die
   den.                                              1960er-Jahre etliche alte Fachwerkhäuser im

Der Klutenhof in Börnig                                          Torbalken am heutigen Hof Schulte-G
Der Hof Borg in Börnig

          Bereich der Schmiedestraße, am Alten Kirch-       Als Heimatforscher Decker 1927 auf Spuren-
          platz, im Bereich Wiescherstraße/Steinweg und suche ging, fand er auch Gebäude, die es heute
          an der Düngelstraße.                           noch gibt. So die Hofstelle Drögenkamp, gebaut
                                                         um 1852, an der Hertener Straße und eine sel-
             Dort, wo sich einst der städtische Fuhrpark tene Hofstelle aus dem Jahre 1879, an der
          befand, ließen 1804 die Eheleute Johann Dün- Wiescherstraße. Erhalten blieb ein Teil des
          gelmann und Klara Kremer ihr Haus bauen, Bauernhofes Werth, in Börnig aus dem Jahre
          das 1927 noch von Johann Decker beschrieben 1744. Es ist Teil einer Hofanlage, die einst aus
          wurde. Die Tennenbalkeninschrift lautete: Haupthaus, Torhaus, Backhaus, Dörrhaus,
          »Gott bewahre dieses Haus vor Wasser und Stallgebäuden und Obstgarten bestand. Weite-
          und Brand und auch das ganze Vaterland«. re in Crange, Baukau, Holthau-
          Die Stadtverwaltung ließ das Bauwerk aus sen und Börnig.
          Platzgründen später abreißen. Ebenfalls ver-
          schwunden ist ein vermutlich historisch einma-
          ligen Gebäude, das sich einst auf dem Gelände
          der ehemaligen Zeche von der Heydt befanden.
          In dem Fachwerkhaus, um 1880 erbaut, lebte
          Maschinenfahrsteiger Wiechert.
                                                                                       Friedhelm Wessel

Göcking             Dorf Crange                    Auf dem Hof Werth in Börnig
Das Kinder-Erholungsheim der Stadt Herne,
                      in Stapelage

  N
          ach ausgiebiger Recherche im Inter-      pflegung in der Einrichtung war für die frühen
          net, landete ich bei wiki.hv-her-wan.    fünfziger Jahre sehr gut. Neben Frühstück,
          de. Beim »Buddeln« in meinem per-        Mittag- und Abendessen; inclusive des Löffels
sönlichen Archiv kam mir die Idee, einen Arti-     Lebertrans, gab es dann auch noch an manchen
kel über das Erholungsheim der Stadt Herne zu      Nachmittagen ein Stückchen Kuchen, mit einer
schreiben, denn in den Jahren 1952 und 1954        Tasse Milch oder einem Schlückchen »Mucke-
war ich dort für jeweils sechs Wochen Kinder-      fuck« Lindes, als Milchkaffee.
gast.
                                                      Unsere Schlafräume mit vier Betten (zwei
   Es ist das Jahr 1951, ich war damals 9 Jahre    Doppelbetten), befanden sich im Anbau hinter
alt und in der dritten Jungenklasse der ev.        dem Haupthaus, im Dachgeschoss. Die Sanitär-
Volksschule an der Schulstraße. Eine Untersu-      einrichtungen, Wasch- und Toilettenräume,
chung durch den Schularzt ergab, dass ich für      eine Etage tiefer.
mein Alter untergewichtig war. Meine Mutter
schaltete das städtische Gesundheitsamt ein           Bei guten Wetterverhältnissen gingen wir als
und meldetet mich für eine sechswöchige Erho-      Gruppe durch den Ort sowie durch Wiese, Wald
lung in der Einrichtung in Stapelage an. Die Be-   und Feld. Zum Spielen war auch die große Gar-
stätigung kam dann für das Jahr 1952. Es war       tenfläche hinter dem Speisesaal da. Langeweile
etwas ganz Neues für mich, denn Ferien- oder       kam jedenfalls nicht auf, denn dafür sorgten die
Erholungsreisen waren in unserer Familie zu        uns liebevoll umsorgenden »Frolleins«.
dieser Zeit kein Thema. Wir waren froh, ein
»Dach über dem Kopf« zu haben und dass die            Die sechs Wochen Erholung näherten sich
Versorgung mit einfachen Lebensmitteln durch       dem Ende und alle Kinder wurden wieder ge-
Kauf, aber auch durch Selbstversorgung aus ei-     wogen. Ich hatte ein Erfolgserlebnis, denn in
nem Gartengrundstück, funktionierte, das mei-      der Heimzeit hatte ich drei Kilogramm zuge-
nen Eltern von der Hibernia AG, beziehungs-        legt.
weise der Zeche Shamrock I/II gepachtet hat-
ten. Dort wuchsen die gängigen Gemüsesorten.          Kurz berichten möchte ich auch von einem
In einem kleinen Stall wurden Hühner und Ka-       Aufenthalt in einem Kindererholungsheim in
ninchen gehalten.                                  Bad Rothenfelde, im Jahr 1952, das von der Fa-
                                                   milienbetreuung der Hibernia AG, beziehungs-
  Nun zurück zum Erholungsheim. Das Ge-            weise Shamrock I/II betrieben wurde. Hier war
bäude lag ganz idyllisch in der Ortsmitte und      die Verpflegung absolut unter Standard. Meist
unweit des Gebäudes stand die evangelische         gab es Bohnengerichte, mit verholzten Schoten
Kirche, umsäumt von großen Bäumen. Die Ver-        und zum Nachtisch »verschrumpeltes Obst«.

 Gruppenfoto in Rothenfelde
Außenansicht 2022

   Wurde der Teller nicht geleert, kam der Essens-     Auf dem Gruppenfoto im Gymnastikraum
   rest abends wieder auf den Tisch.                 des Heimes sind die ganze »Stamm-Besat-
                                                     zung« des Heimes und wir Kinder zu sehen.
      Es herrschte ein Schreckensregiment. So zog Unter anderem auch das liebe Fräulein Pryhs,
   der Heimleiter in Schaftstiefeln und mit einer aber auch ein Mädel, Gerda St., in die ich mich
   Gerte bewaffnet, zu Beginn der Mittagsruhe als Pubertierender »verknallte«. Da sie fast
   durch die Schlafräume, um uns Kinder zum zwei Jahre älter war als ich, blieb es nur beim
   Schlafen anzuhalten. Die Heimbibliothek war freundlichen Zuwinken, bei der Verabschie-
   überhaupt nicht kindergerecht ausgestattet. dung. Sollte es Gerda heute noch geben, dann
   Erst einige Jahre später kam mir die Erleuch- herzliche Grüße von mir.
   tung, dass der Bücherbestand aus der NS-Zeit
   stammen musste. An eine Broschüre kann ich          Im November 2022 wollte ich meine Erinne-
   mich bestens erinnern, da dort das MG 42, das rungen noch einmal auffrischen und fuhr spon-
   Maschinengewehr der »Deutschen Wehr- tan von Hannover nach Stapelage. Der Anblick
   macht« ausführlich beschrieben wurde. An- des Heimes war doch sehr trostlos, weil die
   strengend war auch das Badeprogramm im So- Durchgangsstraßen Währentruper Str., Stape-
   lebadhaus. In den Holzbadewannen ging es lager Str. nach Hörste und Müssen fast an die
   rein und raus und in Windeseile. Dieser Auf- Haustür des Gebäudes reichte. Von der einsti-
   enthalt in Bad Rothenfelde machte sich auch gen Idylle, den gepflegten Grundstücken und
   bei der Gewichtskontrolle bemerkbar, denn den angrenzenden landwirtschaftlichen Gebäu-
   nach den sechs Wochen hatte ich ein Kilo abge- den, war nicht viel wiedererkennbar und so
   nommen.                                           fuhr ich doch etwas enttäuscht nach Hannover
                                                     zurück.
      Es war das Jahr 1953. Mein besonderer
   Wunsch an meine Mutter war, mich doch noch
   einmal für eine Erholung in Stapelage anzumel-
   den. Es klappte tatsächlich ein Jahr später, dass
   ich zwölfjährig dort noch einmal sechs Wochen
   verbringen durfte. Wieder erlebte ich eine
   schöne Zeit, mit Waldspaziergängen und Wan-
   derungen, die bis an die verbotene Zone »Sen-
   ne« führten, dem Truppenübungsplatz. Unsere
   Gruppenleiterin war die junge Erzieherin Fräu-
   lein Pryhs (?), die uns Jungen zwischen 11 und
   14 Jahren doch einige Abenteuer erleben ließ.
   Dieser Spaß machte sich auch auf meine Kon-
   stitution bemerkbar, denn ich konnte eine Zu-
   nahme von fast vier Kilogramm vermelden.                                         Wolfram Ninka

   Der Bote im Februar 2023                                                                    19
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