Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni

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Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen   # 2 / 2018
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F L E X I B I L I T Ä T Z A H LT                                                                       Carmignac Portfolio Unconstrained Global Bond
                                                                                                       hat insgesamt eine sehr breite Durationsspanne

S I C H AU S .                                                                                         von -4 bis +10 und setzt sie sinnvoll ein. Erfolg auf
                                                                                                       schwierigen Märkten für festverzinsliche Anlagen
                                                                                                       setzt einen wirklich uneingeschränkten Ansatz
D I E M OD IF IZIE RTE DURATION DES FO N DS                                                            voraus. So war der Fonds in der Lage, selbst in
                                                                                                       einem Umfeld steigender Zinsen Performance zu
W U R D E SE IT M I TTE 20 1 6 VON + 9 AUF -1,5
                                                                                                       generieren. Dies wird durch die Nettorendite des
G ES ENKT , UM AUF DIE V ERÄNDERUN G E N                                                               Fonds von 9,57% über einen Zeitraum von zwei
D ES MA RKT ES FÜR FESTV ERZINSLICH E                                                                  Jahren veranschaulicht, während der Referenzindikator*
A N L AGE N ZU REAGIEREN.                                                                              eine Performance von -1,84% verzeichnete.

                                                                                                       Jedoch garantiert die vergangene Wertentwicklung
                                                                                                       natürlich nicht zwangsläufig die zukünftige
                                                                                                       Entwicklung des Fonds, und der Fonds ist mit dem
                                                                                                       Risiko eines Kapitalverlusts verbunden.

                                                                                                       carmignac.ch

                                        *Der Referenzindikator: JP Morgan Global Government Bond Index. Durchschnittliche annualisierte Performance der Anteilsklasse über einen Zeitraum
                                        von fünf Jahren (31.12.2012 bis 31.12.2017): 4,20% (Referenzindikator: 2,21%). Carmignac Portfolio Unconstrained Global Bond A EUR Acc (ISIN-Code:
                                        LU0336083497) ist eine Anteilsklasse des Carmignac Portfolio Unconstrained Global Bond, eines Teilfonds der luxemburgischen SICAV Carmignac
 Niedrigeres Risiko   Höheres Risiko
                                        Portfolio, einer offenen Anlagegesellschaft in Form eines OGAW. Laufende Kosten: 1,2%. Die Wertentwicklungen verstehen sich nach Abzug von Gebühren
 Potenziell                Potenziell
 niedrigerer Ertrag    höherer Ertrag   (mit Ausnahme der Ausgabegebühren, die der Vertriebsstelle in Rechnung gestellt werden). Der Fonds hat andere Anteilsklassen in anderen Währungen.
                                        Die Rendite von Anteilen, die nicht gegen das Währungsrisiko abgesichert sind, kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen.
 1     2      3 4     5    6      7     **SRRI aus den wesentlichen Anlegerinformationen (KIID). Dieser Indikator kann sich im Laufe der Zeit ändern. 1 bedeutet nicht risikolos.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Team vor Ort:
CARMIGNAC SUISSE SA – Talstrasse 65 8001 Zürich Tel: +41 (0)41 560 66 00

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unserem Vertreter in der Schweiz erhältlich, CACEIS (Switzerland) SA, Route de Signy 35, CH-1260 Nyon. In der Schweiz werden die Zahlungsdienste von Crédit Agricole (Schweiz) SA, quai
Général-Guisan 4, 1204 Genf geleistet. Die Wesentlichen Anlegerinformationen sind dem Zeichner vor der Zeichnung auszuhändigen. CARMIGNAC GESTION 24, place Vendôme - 75001
Paris Tél : (+33) 01 42 86 53 35 Vermögensverwaltungsgesellschaft (AMF-Zulassungsnummer GP 97-08 vom 13/03/1997). Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 15.000.000 Euro -
Handelsregister Paris B 349 501 676 CARMIGNAC GESTION LUXEMBOURG City Link - 7, rue de la Chapelle - L-1325 Luxembourg Tel : (+352) 46 70 60 1 Tochtergesellschaft der Carmignac
Gestion. OGAW-Verwaltungsgesellschaft (CSSFZulassung vom 10/06/2013). Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 23.000.000 Euro
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Inhalt                                                                                                                   Editorial

                                                                                                                           Society 4.0
                                                                                                                           Geht es dir manchmal auch so, dass du
                                                                                                                           das Schlagwort «Digitalisierung» nicht
                                                                                                                           mehr hören kannst? Kaum ein Referat,
                                                       Nachrichten
                                                                                                                           kaum eine Tagung oder Vorlesung kommt
                                                       04	Japanische Architektur für HSG                                  heute noch ohne dieses Stichwort aus.
                                                           Learning Center                                                 Einig sind sich die meisten Expertinnen
                                                                                                                           und Experten selten – am ehesten noch
                                                       Dossier
                                                                                                                           in der Beurteilung, dass die Auswirkun-
                                                       06	Barbara Josef: «fasziniert von                                  gen der Digitalisierung kurzfristig häufig
                                                           der Lebendigkeit des Neuen»                                     überschätzt, längerfristig jedoch unter-
                                                                                                                           schätzt werden.
 04
                                                       08	Arbeitswelt wird radikal transformiert
                                                                                                                           Aber unabhängig davon, wie du selbst
                                                       09	Rechtliche Herausforderungen der                                zur Digitalisierung stehst und welche
                                                           Digitalisierung                                                 Auswirkungen die neuen Möglichkeiten
                                                                                                                           auf dich haben werden: Dass sich
                                                       10	Unterwegs in die Zukunft des Arbeitens                          die Arbeitswelt gerade in rasender Ge-
                                                                                                                           schwindigkeit verändert, das stellen wir
                                                       12	Das richtige Essen zu Arbeit 4.0: Gour-                         alle fest. Nach und nach befassen sich
                                                           met-Menüs im Job dank «FELFEL»                                  fast alle wissenschaftlichen Disizplinen
                                                                                                                           mit den neuen Prozessen und Möglich-
 08                                                    Netzwerk
                                                                                                                           keiten bzw. mit den Fragen, wie man die-
                                                       14	Karriere-Event «Mein Ziel:                                      sen begegnen kann.
                                                           Unternehmer/in»
                                                                                                                           In diesem Heft spielen die neuen Ar-
                                                       19	HSG Alumni Seniors Chapter                                      beitsformen, mit denen (gleichzeitig?
                                                                                                                           anschliessend?) auch gesellschaftliche
                                                       20	HSG-Alumna on Tour                                              und soziale Veränderungen verbunden
                                                                                                                           sind, eine wichtige Rolle. Rechtliche
                                                       Chapters & Clubs
                                                                                                                           Auswirkungen sind ebenso ein Thema
                                                       23	Wenn Exoten Elektroautos bauen                                  wie eine HSG-Alumna, die solche Ver-
 19
                                                                                                                           änderungen in Unternehmen begleitet,
                                                       24	Ein junger Club und alte Zigarren                               oder ein Start-up, das der Arbeitswelt 4.0
                                                                                                                           auch eine Verpflegung 4.0 (u.a. mit intel-
                                                       Studentisches Projekt im Porträt
                                                                                                                           ligentem Kühlschrank im Büro) liefern
                                                       25	Neuer Look und neue Geschäftsführerin                           will.
                                                           für den HSG Shop
                                                                                                                           «Lernen 4.0» könnte man vielleicht als
                                                       Rubriken
                                                                                                                           Titel auch über das geplante und nun
                                                       27	HSG in den Medien                                               dank ausgewähltem Projekt in seiner
                                                                                                                           Form bekannte HSG Learning Center
 23
                                                       29	Publikationen                                                   schreiben. Ebenso spannend und be-
                                                                                                                           eindruckend wie das didaktische Kon-
                                                                                                                           zept und die Architektur ist die Höhe
                                                                                                                           der bereits zugesagten Spenden für den
                                                                                                                           Neubau.

Impressum                                              Beiträge: Stefano Alghisi, Florian Brodersen, Michael G. Festl,     Roger Tinner, Chefredaktor
Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen           Marco Gerster, Ivo Graffius, Dietmar Grichnik,
(bis 1997: «St.Galler Hochschulnachrichten»)           Marius Hasenböhler-Backes, Tobias Hüberli, Christian König,
ISSN 1422-5980, 15. Jahrgang, Nr. 2/2018 (März 2018)   Katja Tinner, Roger Tinner, Torsten Tomczak.
Auflage: 27 500 Exemplare, erscheint alle 3 Monate     Redaktion: alma, alea iacta ag, Rosenbergstrasse 85,
Herausgeber: HSG Alumni                                CH-9001 St.Gallen, T +41 71 244 66 00, alma@alea-iacta.ch
Verlagsleitung: Stefano Alghisi                        Anzeigen: print-ad kretz gmbh, Tramstrasse 11, Postfach,
Chefredaktion: Roger Tinner                            8708 Männedorf, T +41 44 924 20 70, info@kretzgmbh.ch
Projektleitung/Redaktion: alea iacta ag, St.Gallen     Adressänderungen: HSG Alumni, Dufourstrasse 50,
Gestaltung: Schalter&Walter GmbH, St.Gallen            CH-9000 St.Gallen, T +41 71 224 30 10, alumni@unisg.ch              Zum Titelbild:
Druck: Stämpfli AG, Bern                                                                                                   Möglicherweise wird auch die «alma» in Zukunft vollständig
                                                                                                                           von einem Roboter gestaltet. (Illustration: Florian Brunner)

                                                                                                                                                              01 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
Nachrichten

                                             Christian Belz wird emeritiert

                                             Realist und Generalist
                                             Christian Belz, seit 1989 Ordinarius              in der Praxis, die daher von Natur aus a- bzw.
                                             für Betriebswirtschaftslehre mit be-              interdisziplinär sind, so dass sie von den «Kö-
                                             sonderer Berücksichtigung des Mar-                nigen einer Variable» auch nicht beantwortet
                                             ketings, wird emeritiert. Ein Auszug              werden können. Reales Marketing – wie
                                             aus der Würdigung in «HSG Focus»                  Christian Belz eines seiner zentralen Kon-
                                             von Torsten Tomczak.                              zepte nennt – ist problemorientiert, vielfältig,
Thomas Hansjakob                                                                               breit angelegt, an komplexen und dynami-

verstorben                                   Unter der Leitung von Christian Belz entwi-
                                             ckelte sich das Institut für Marketing an der
                                                                                               schen Kundenprozessen orientiert und offen
                                                                                               für Weiterentwicklungen.
Anfang Jahr ist der Erste St.Galler          HSG zu einer der bedeutendsten Marketing-
Staatsanwalt und HSG-Ehrendok-               Forschungseinrichtungen im deutschsprachi-        Schon in seiner Habilitationsschrift, die den
tor Thomas Hansjakob unerwartet              gen Raum. Daneben engagiert er sich in ver-       programmatischen Titel «Konstruktives
verstorben. Am Dies Academicus               schiedenen Funktionen in der Selbstverwal-        Marketing» trug, durchmisst Christian Belz
2017 hatte ihm die HSG das Ehren-            tung der Universität St.Gallen, unter anderem     die Breite des gesamten Faches, um seinem
doktorat verliehen.                          als Vorstand der Betriebswirtschaftlichen Ab-     wichtigsten Anliegen als Forscher und Leh-
                                             teilung, als akademischer Direktor des Master     rer gerecht werden zu können, nämlich die
Die Universität St.Gallen würdigte mit       in Marketing, Dienstleistungs- und Kommu-         Lernprozesse von Praktikern und Forschern
dem Ehrendoktorat gemäss Laudatio            nikationsmanagement sowie als Präsident der       zu verbinden. Aus dem Verständnis heraus,
«seine ausserordentlichen und langjäh-       Geschäftsleitenden Ausschüsse des Schwei-         dass dies nur möglich sein wird, wenn die
rigen Verdienste um das Recht als Staats-    zerischen Instituts für Klein- und Mittelunter-   akademische Marketingforschung eng mit
anwalt, Forscher und Dozent, insbeson-       nehmen und des Instituts für Systemisches         der Praxis interagiert, entwickelte Christian
dere in den Bereichen des Strafrechts und    Management und Public Governance. Er ist          Belz zahlreiche enorm erfolgreiche Formate
des Strafprozessrechts».                     Mitbegründer und -herausgeber der Fachzeit-       der Kooperation mit Verkaufs- und Marke-
                                             schrift Marketing Review St. Gallen (früher       ting-Führungskräften. So konnte er zusam-
Seit dem Jahr 1988 hatte Thomas Hans-        Thexis). Zudem ist und war Christian Belz in      men mit seinen Mitarbeitenden am Insti­-
jakob die Strafverfolgung im Kanton          zahlreichen Verwaltungsräten tätig.               tut für Marketing richtungsweisende For-
St.Gallen geprägt, wie die Staatskanzlei                                                       schungsergebnisse erzielen, die in rund 70
in ihrem Nachruf schrieb. Zunächst als       Christian Belz hat mit dem Beruf des Marke-       Buchveröffentlichungen der Marketing-
Kantonaler Untersuchungsrichter, seit        tingprofessors an der Universität St.Gallen       Community zugänglich gemacht wurden.
2004 als Leitender Staatsanwalt des          zweifellos seine Berufung gefunden. Mit Lei-
Untersuchungsamtes St.Gallen sorgte er       denschaft, viel Freude und enormer Kompe-         Sowohl wenn es um das Fach als auch um
für eine ebenso konsequente wie rechts-      tenz setzte er sich für die Disziplin Marketing   universitäre Belange geht, zeichnen sich
staatlich korrekte Führung der Strafun-      und für seine HSG ein. Mit Sicherheit ist         Wortmeldungen von Christian Belz dadurch
tersuchungen. Im Juli 2007 wählte ihn die    Christian Belz einer der wahren Generalisten      aus, dass sie originell sind, nicht irgendei-
Regierung zum Ersten Staatsanwalt und        des Faches Marketing. Für ihn entstehen           nem Mainstream folgen, mit einer klaren
übertrug ihm damit die Gesamtverant-         spannende Forschungs­fragen ausschliesslich       Haltung, im Ton aber verbindlich und häufig
wortung für die Staatsanwaltschaft des                                                         humorvoll vorgetragen werden. Dies gilt für
Kantons St.Gallen.                                                                             das persönliche Gespräch, ein Votum im Se-
                                                                                               nat, einen Vortrag im Hörsaal oder einen
Thomas Hansjakobs Verdienste reichen                                                           Beitrag im Rahmen von Praxisprojekten.
weit über den Kanton St.Gallen hinaus.                                                         Neben seinem nahezu enzyklopädischen
Immer wieder führte er auch für andere                                                         Wissen in den Gebieten Marketing und Be-
Kantone oder für die Bundesanwaltschaft                                                        triebswirtschaftslehre ist er auch auf vielen
komplexe Verfahren. Neben seiner straf-                                                        Haupt- und Nebenwegen von Philosophie,
prozessualen Arbeit erfüllte er auch Lehr-                                                     Psychologie, Soziologie und Geschichte un-
aufträge an den Universitäten St.Gallen                                                        terwegs. Christian Belz prägte die Disziplin
und Luzern, engagierte sich in der An-                                                         Marketing an der Universität St.Gallen und
waltsausbildung und zeichnete sich                                                             leistete einen zentralen und wertvollen
durch eine Fülle an wissenschaftlichen                                                         Beitrag für die Entwicklung der School of
Publikationen aus. Besondere Verdienste                                                        Management der Universität St.Gallen.
erwarb er sich als Mitherausgeber des
umfangreichen Kommentars zur Schwei-                                                           Seine Abschiedsvorlesung hält Christian Belz am
zerischen Strafprozessordnung.               Christian Belz.                      (Foto pd)   8. Mai 2018 zum Thema «Essenz im Marketing».

02 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
Nachrichten

Dieter Euler wird emeritiert                                                                     Hans Christoph Bins-
                                                                                                 wanger verstorben
Grosse Verdienste um HSG                                                                         Hans Christoph Binswanger war
                                                                                                 seit 1957 in Lehre und Forschung
                                                                                                 an der Universität St.Gallen tätig.
Dieter Euler, Ordinarius für Wirt-                                                               Am 18. Januar 2018 ist er verstor-
schaftspädagogik und Bildungsma-                                                                 ben. Ein Nachruf von Ernst Mohr.
nagement, wird emeritiert. Ein Aus-
zug aus der Würdigung in «HSG                                                                    Hans Christoph Binswangers Schaffen
Focus» von Dietmar Grichnik.                                                                     war seiner Wissenschaft, der Volkswirt-
                                                                                                 schaftslehre, stets um Dekaden voraus.
Mit Dieter Euler verlässt ein hochverdienter                                                     Seine Arbeit zu den natürlichen Grund-
Kollege die HSG. Zu den Highlights zählen:                                                       lagen des Wirtschaftens machten ihn
Als Beauftragter des Rektorats für Qualitäts-                                                    zum Doyen der gesamten deutschspra-
management in der Lehre entwickelte er mit                                                       chigen Umweltökonomie. Heute würde
vielen Mitstreitern ein Pilotprojekt, das die                                                    man seinem Werk zur Geldwirtschaft
anfängliche Kleinteiligkeit der HSG-Bolog-                                                       das moderne Etikett der «Behavioral Fi-
na-Reform durch grössere Unterrichtsein-                                                         nance» umhängen. Seit der Finanzkrise
heiten überwinden und gleichzeitig auch die                                                      wieder atemberaubend aktuell ist z.B.
Lernintensität und das kognitive Anspruchs-                                                      seine «Wachstumsspirale», in der er pro-
niveau des Unterrichts generell steigern soll-   Dieter Euler.                      (Foto pd)   gnostizierte, dass bei Nullzinsen die
te. Dieter Euler erwarb sich grosse Verdiens-                                                    Wirtschaft nicht mehr gedacht werden
te um die HSG. Ich denke dabei namentlich        Entwicklung von Bildungssystemen, Bil-          kann, wie man es bis anhin gewohnt war
auch an seine Leitungsfunktion als Vorstand      dungsinstitutionen und Bildungsprozessen.       zu tun. Seine dogmengeschichtliche Aus-
der BWA (heute: School of Mangement) mit         Sein zentraler Ansatz ist, ausgehend von der    einandersetzung mit der Neoklassik
vielen Berufungsverfahren (auch mein eige-       Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse die       machte ihn zu einer Instanz für die alter-
nes) und – ganz besonders – an sein Enga-        Hochschulentwicklung voranzutreiben. Ihm        native Ökonomik.
gement bei den erfolgreichen (Re-)Akkredi-       ging es schon früh um neue Medien, immer
tierungen der HSG. Dieter Euler gestaltete       als Mittel zum Zweck, keiner Mode folgend,      Seinen intellektuellen Stil kann man mit
den wirtschaftspädagogischen Studiengang         nicht für eine neue Didaktik, sondern für ei-   einem Wort beschreiben: authentisch. Er
und entwickelte als Delegierter des Rektorats    nen dosierten Einsatz von Lehrinnovationen.     lebte nicht nur, was er schrieb und lehrte,
das Selbststudium an der HSG weiter. Bis zu      Deep learning statt Bulimie-Lernen war einer    sondern es zeigte sich auch in seinem Tun.
seiner Emeritierung und sogar darüber hin-       seiner Leitsprüche. Sein Hauptwerk «Wirt-       Aufgewachsen in der schweizerisch-deut-
aus zeichnet er für die Akkreditierungen und     schaftsdidaktik» (zusammen mit Angela           schen Boheme am Bodensee war Toleranz
Qualitätsentwicklung verantwortlich, die bei     Hahn) ist ein wirtschaftspädagogisches Stan-    für ihn nie Norm, sondern gelebtes Be-
ihm nicht mit Qualitätssicherung im Sinne        dardwerk. Die hohe Zahl seiner Publikatio-      kenntnis. Nie zeigte seine humorvolle Kri-
einer Verwaltungs­aufgabe verwechselt wer-       nen dokumentiert das Schaffen eines kons-       tik an der wissenschaftlichen Praxis auch
den darf, sondern als moderne Hochschul-         tant hochproduktiven Wissenschaftlers, der      nur einen Hauch Verbissenheit. Seine Nä-
entwicklung.                                     noch im Herbst seiner Karriere zum Heraus-      he zur Kunst zeigte sich in dem, wie er
                                                 geber des neuen Journals «Educational De-       wissenschaftlich argumentierte. Das Göt-
Dieter Euler kam nach einer dualen Ausbil-       sign Research» wurde.                           zenhafte an der Geldwirtschaft fand er
dung als Datenverarbeitungskaufmann über                                                         metaphorisch in der Weltliteratur vorher-
das Fachhochschulstudium der Betriebswirt-       Sein besonderes Engagement zeigt sich           gesagt. Kulturelles Wissen ersetzte für ihn
schaftslehre in Trier zum Studium der Wirt-      auch in der Förderung seiner Doktoranden        Zahlenhuberei. Er war stets mehr als sei-
schaftpädagogik mit anschliessender Promo-       und des wissenschaftlichen Nachwuchses.         ne Arbeit allein, aber seine akademische
tion. Nach der Habiliation (1994) führte ihn     Sein Lebensmittelpunkt in der Rheinmet-         Arbeit war stets ganz er. Hans Christoph
sein Weg über die Friedrich-Alexander-Uni-       ropole Köln und das stete Pendeln nach          Binswanger lehrte und forschte an der
versität Erlangen-Nürnberg (1995-2000) an        St.Gallen hielt ihn nicht davon ab, die Welt    Universität St.Gallen und blieb ihr sein
die Universität St.Gallen. Als Ordinarius für    zu bereisen, um auch in asiatischen Ländern     Leben lang aufs Engste verbunden. Wir
Wirtschaftspädagogik und Bildungsmanage-         wie Vietnam und China seine Expertise der       durften ihn noch bis vor Kurzem in der
ment und Direktor des Instituts für Wirt-        Hochschuldidaktik zu teilen und Entwick-        Bibliothek bei einem Kaffee mitten unter
schaftspädagogik trat er die Nachfolge von       lungsprojekte in der Berufs- und Lehrerbil-     Studierenden an seinen Manuskripten
Rolf Dubs an. Der rote Faden lässt sich schon    dung in Afghanistan, Albanien, Palästina        schreibend treffen. Körperlich vom Alter
in den Anfängen erkennen. So wurde ihm           und Serbien zu unterstützen.                    schon gezeichnet, nahm er bis zuletzt mit
die selbst erfahrene Berufsbildung zum                                                           klarem Geist und leuchtenden Augen am
besonderen Anliegen. Seine didaktische           Seine Abschiedsvorlesung hält Dieter Euler      wissenschaftlichen Leben teil. Im Alter
Forschung zielte von Beginn an auf die Inte-     am 20. März zum Thema «Alles bleibt anders      von 88 Jahren ging ein ökonomischer Hu-
gration von Wissenschaft und praktischer         – Bildung in Zeiten der Digitalisierung».       manist und humaner Ökonom.

                                                                                                                          03 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
Nachrichten

HSG Stiftung: Bereits 40 Millionen Schenkungen für Realisierung zugesagt

Japanische Architektur für HSG
Learning Center
Der Sieger des Architekturwettbe-                   Grid – Choices of Tomorrow» den Zuschlag.      Projekte von Tokio bis London
werbs für das HSG Learning Center                   Den Ausschlag für dieses Projekt gaben         Sou Fujimoto (1971) graduierte in Ingeni-
steht mit Sou Fujimoto Architects aus               vor allem die bereits weit entwickelte Um-     eurswissenschaften an der Universität Tokio.
Tokio/Paris fest. Das Projekt «Open                 setzung des didaktischen Konzeptes, die        Er etablierte sein Architekturbüro in Tokio im
Grid – Choices of Tomorrow» über-                   Verträglichkeit mit dem Quartier, die archi-   Jahr 2000 und ist seit 2007 Professor an der
zeugte die Jury aufgrund seiner städ-               tektonische Ambition sowie dessen Wirt-        Kyoto Universität. Weiteren Kreisen wurde er
tebaulichen, architektonischen, di-                 schaftlichkeit.                                bekannt, als er im Jahr 2005 und in den drei
daktischen sowie wirtschaftlichen                                                                  darauffolgenden Jahren den internationalen
Aspekte. Von namhaften Spendern                     Eigenständig und wandelbar                     Nachwuchsarchitekten-Preis, die «Architec-
wurden bereits 40 Mio. Franken für                  Das Projekt mit einer Geschossfläche von       tural Review Awards» gewann. 2008 gewann
die Realisierung zugesichert.                       rund 7000m2 sieht eine Struktur aus meh-       er den prestigeträchtigen «Japanese Institute
                                                    reren Würfeln auf einem Raster (Grid) an-      of Architecture Grande Prize». Im Jahr 2013
Die HSG Stiftung möchte für die Universi-           geordnet vor. Der Bau hat ab Strassenniveau    wurde er als bislang jüngster Architekt ein-
tät St.Gallen ein Learning Center auf dem           der Guisanstrasse abgestufte Höhen von 3.5     geladen, den Sommer-Pavillon der Serpenti-
Rosenberg realisieren. Damit will sie für die       bis maximal 18.5 Metern im Gebäudezent-        ne Gallery in London zu gestalten. Neben
HSG und ihre Studierenden einen Beitrag             rum. Damit nimmt das Gebäude auf die           vielen weiteren Preisen, gewann sein Büro
leisten, um den Herausforderungen der Di-           Kleinteiligkeit des benachbarten Wohnquar-     im Jahr 2015 den Wettbewerb für das inno-
gitalisierung gerecht zu werden und eine            tiers Rücksicht und besticht gleichzeitig      vative Polytechnique Learning Centre der
neue Qualität des Lernens zu ermöglichen.           durch Eigenständigkeit. Die Architektur mit    Paris-Saclay-Universität. Seit 2016 hat das
                                                    begrünten Dachterrassen bettet sich in den     Architekturbüro mit über 30 Mitarbeitenden
Mit dem Abschluss des Architekturwettbe-            von der Landschaft geprägten Rosenberg         neben Tokio auch einen Standort in Paris.
werbs – unter Leitung von Professor Marc            ein. Innen- und Aussenraum sollen durch
Angélil – konnte nun ein Meilenstein er-            Glaselemente verbunden sein. Die Struktur      Ökosystem für Lehr- und Lernkultur
reicht werden. Die Eingaben der acht teil-          des Gebäudes ist zudem so angelegt, dass       Das HSG Learning Center soll eine Denk-
nehmenden Büros wurden nach den Krite-              die Räumlichkeiten immer wieder verändert      und Arbeitsstätte sein, die innovative Arten
rien Architektur und Städtebau, Innovation          werden können – ganz entsprechend den          des Lernens und der Interaktion mit Studie-
der Konzeptumsetzung, Funktionalität,               didaktischen Bedürfnissen. Mit seiner Aus-     renden, Lehrenden und Personen aus der
Nachhaltigkeit sowie Wirtschaftlichkeit be-         richtung und Terrassierung sucht das Projekt   Praxis ermöglicht. Mit dem HSG Learning
wertet. Die 16-köpfige Jury gab letztlich Sou       «Open Grid» auch die Auseinandersetzung        Center will die Universität eine neue Qualität
Fujimoto Architects mit dem Projekt «Open           mit dem historischen Campus der HSG.           des Lernens ermöglichen, um Studierende
                                                                                                   im digitalen Zeitalter bestmöglich für ihre
                                                                                                   späteren beruflichen Tätigkeiten vorzuberei-
                                                                                                   ten. Das HSG Learning Center ist als Öko-
                                                                                                   system für die weitere Entwicklung der Lern-
                                                                                                   und Lehrkultur der HSG gedacht. Unter der
                                                                                                   Leitung von HSG-Professorin Bernadette
                                                                                                   Dilger wurde 2017 eine internationale Best-
                                                                                                   Practice-Analyse zu Learning Centers durch-
                                                                                                   geführt sowie eine erste didaktische Vision
                                                                                                   für das HSG Learning Center entwickelt.

                                                                                                   Finanzierung dank Schenkungen
                                                                                                   Die HSG Stiftung will die Finanzierung voll-
                                                                                                   umfänglich über Schenkungen erzielen und
                                                                                                   sie ist auf gutem Weg. So spricht sie den In-
                                                                                                   itialförderern, die bislang rund 40 Mio. Fran-
                                                                                                   ken zugesichert haben, ihren grossen Dank
                                                                                                   aus; insbesondere Michael Hilti sowie der
Das HSG Learning Center wird zwischen Bibliotheksgebäude und Guisanstrasse entstehen.              Hilti Familienstiftung, Thomas Schmidheiny
                                                                  (c) Sou Fujimoto Architects     und der Wietlisbach Foundation.

04 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
Nachrichten

                                                                                                             50 neue Doktorinnen
                                                                                                             und Doktoren
                                                                                                             Am 19. Februar 2018 hat die Uni-
                                                                                                             versität St.Gallen 50 Doktorate
                                                                                                             verliehen. Rektor Thomas Bieger
                                                                                                             sprach in seiner Rede über persön-
                                                                                                             liche und gesellschaftliche Nach-
                                                                                                             haltigkeit.

                                                                                                             Im Rahmen der Promotionsfeier verlieh
                                                                                                             Rektor Thomas Bieger 50 Urkunden: 26
                                                                                                             wirtschaftswissenschaftliche, 11 sozial-
                                                                                                             wissenschaftliche, 5 rechtswissenschaft-
                                                                                                             liche, 1 staatswissenschaftliches, 5 Doctor
                                                                                                             of Philosophy in Economics and Finance
                                                                                                             sowie 2 Doctor of Philosophy in Finance.

                                                                                                             Meinungen und Standpunkte gefragt
                                                                                                             «Jetzt müssen Sie weniger in die Tiefe for-
                                                                                                             schen», erinnerte Rektor Thomas Bieger
                                                                                                             die neuen Doktorinnen und Doktoren.
                                                                                                             «Sie dürfen sich wieder mit der Breite, den
                                                                                                             integrierten Fragen des Lebens und der
                                                                                                             Gesellschaft befassen.» Auf persönlicher
                                                                                                             Ebene sei die Definition eines eigenen
                                                                                                             Life-Work-Balance-Stils gefragt. Wolle
        Das Projekt von Sou Fujimoto Architects überzeugte die Jury insbesondere mit der weit entwickelten   man in der heutigen digitalisierten Welt
        Umsetzung des didaktischen Konzepts, die Verträglichkeit mit dem Quartier, die architektonische      24 Stunden erreichbar sein und nichts
        Ambition und Wirtschaftlichkeit.                                     (c) Sou Fujimoto Architects
                                                                                                             verpassen? Oder doch früher von der Ar-
                                                                                                             beit nach Hause gehen, auch wenn Kolle-
Initialförderer mit Stand 21.2.2018 sind in          9. März 2018 im ersten Obergeschoss des                 ginnen und Kollegen noch an ihren Pro-
alphabetischer Reihenfolge: Paul Achleitner,         Hauptgebäudes der Universität St.Gallen                 jekten arbeiten? Wichtig dabei sei, den ei-
Raymond J. Bär, François-Xavier de Mall-             besichtigt werden. Die HSG Stiftung und                 genen Stil auch zu kommunizieren und ein
mann, die Diethelm Keller Group, Angela              die Universität St.Gallen werden den regel-             Umfeld zu suchen, zu dem dieser passe.
und Manfred Dirrheimer, Felix Grisard, Mar-          mässigen Austausch mit dem Quartier wei-
tin Haefner, Karl-Erivan W. Haub, die Hilti          terhin pflegen; sei es im direkten Dialog mit           Neben der Definition eigener Werte sol-
Familienstiftung, Michael Hilti, ISC and             den unmittelbaren Anwohnern, Informati-                 len die Promovierten ihre Anliegen, für
St. Gallen Foundation for International Stu-         onsanlässen für das gesamte Quartier sowie              die sie sich für die Gesellschaft einsetzen
dies, Familie Lienhard, Thomas Schmidheiny,          mit der Quartierzeitung der HSG, die ein bis            wollen, definieren. «Natürlich geht es bei
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechten-             zweimal im Jahr verteilt wird.                          Ihnen jetzt zuerst um Karriere und even-
stein sowie die Wietlisbach Foundation.                                                                      tuell um den Familienaufbau», sagte Bie-
Sämtliche Förderer sind auf der Webseite der         Für den benötigten Grundstücksanteil be-                ger. «Aber auch der Beruf kann mehr
HSG Stiftung einsehbar.                              absichtigt der Kanton St.Gallen, der HSG                Sinn ergeben, wenn man ihn mit einem
                                                     Stiftung ein Baurecht zu gewähren. Bis An-              höheren Anliegen kombiniert». Als An-
Für die Erstellung und die Innenausstattung          fang 2019 sollen die Vorbereitungen für die             sporn nannte er die 16 Nachhaltigkeits-
des HSG Learning Centers sind 40 bis 50              Baueingabe abgeschlossen sein. Der Baube-               ziele der Vereinten Nationen (UN). Etwas,
Mio. Franken veranschlagt. Um das Gebäu-             ginn ist auf 2019/20 geplant. Dies mit dem              zu was sich die Promovierten gemäss
de auch in den Folgejahren gemäss dem di-            Ziel, das dringend benötigte Gebäude für                Thomas Bieger sicher festlegen müssten,
daktischen Konzept betreiben zu können,              das Frühlingssemester 2022 in Betrieb zu                sei ihren Standpunkt zur Frage, wie die
geht die HSG Stiftung von weiteren 10 Mio.           nehmen.                                                 Gesellschaft mit der Digitalisierung um-
Franken aus. Gesamthaft zielt die Spenden-                                                                   gehen soll. Er riet ihnen, ihre Position in
Initiative somit auf einen Betrag von rund           hsg-stiftung.ch                                        dieser gesellschaftlichen Frage festzu­
60 Mio. Franken.                                                                                             legen. «Die Gesellschaft braucht Sie –
                                                                                                             als Wissenschaftlerinnen wie auch als
Ausstellung der Projekte                                                                                     politische Wesen mit Ihren Meinungen
Das Siegerprojekt und sämtliche eingereich-                                                                  und Standpunkten.»
ten Architekturprojekte können bis zum

                                                                                                                                      05 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
President’s Corner                             Porträt

                                               Ehemalige im Porträt

                                               Barbara Josef: «faszi-
                                               niert von der Lebendig-
                                               keit des Neuen»
                                               Von der Primarlehrerin über Stellen               hilft mir das Studium in der jetzigen Phase,
Liebe Alumnae, liebe Alumni                    bei Swiss und als Leiterin Kommuni-               mit der eigenen Firma, fast am meisten, ob-
                                               kation und gesellschaftliches Engage-             wohl es inzwischen schon 15 Jahre her ist.»
Das neue HSG Learning Center (vgl. Arti-       ment bei Microsoft Schweiz: Barbara               Besonders gut brauchen könne sie im beruf-
kel auf der vorangehenden Doppelseite)         Josef, Co-Gründerin von «5to9», hat –             lichen Alltag die an der HSG gelehrte und
ist einen wichtigen Schritt vorangekom-        auch in ihrer eigenen Einschätzung –              gelernte Art und Weise, wie man an Probleme
men: die Jury hat ein Siegerprojekt erkoren,   eine klassische «Zickzack-Karriere»               herangeht und sie strukturiert.
das in idealer Weise verschiedene entschei-    absolviert. Dazu passt auch, dass
dende Anforderungen erfüllt. Es ist einzig-    sie über 10 Jahre nach ihrem HSG-
artig, setzt das zugrundeliegende didakti-     Abschluss das Doktorandenstudium
sche Konzept gekonnt um, überzeugt mit         aufgenommen hat.                                  «An die HSG zu
architektonischer Ambition sowie Wirt-                                                           kommen war für mich
schaftlichkeit und passt hervorragend in       Roger Tinner
den Campus und ins Quartier. Gleichzeitig                                                        «heimkommen».»
kann die HSG Stiftung, die von der Uni-        Als Kind war es ihr grösster Wunsch, Pri-
versität St.Gallen und HSG Alumni ge-          marlehrerin zu werden – also hat sie als
meinsam ins Leben gerufen wurde, bereits       Erstausbildung das Lehrerseminar Kreuz-           Vom Thema zur Firma
jetzt auf Zusagen für Spenden in der Höhe      lingen absolviert und auch zwei Jahre als         Nach BWL-Grundstudium in Zürich und
von 40 Millionen Franken zählen. Das ist       Lehrerin einer 5./6. Doppelklasse im Thur-        Hauptstudium an der HSG war sie unter
hoch erfreulich, und wir freuen uns sehr,      gau gearbeitet. Aber: «Obwohl es eine             anderem bei der Swiss und bei Microsoft
dass unter den gross­zügigen Förderern der     Traumstelle war, machte mich der Gedanke,         Schweiz. Als deren Leiterin Kommunikation
HSG auch diesmal wieder namhafte Alum-         dass ich das die nächsten 45 Jahre machen         und gesellschaftliches Engagement wurde
nae und Alumni sind. Noch sind aber die        würde, nervös», sagt sie in der Rückschau.        sie in der IT- und digitalen Szene – nicht
gegen 60 Millionen, die für den Bau und        Zugleich hatte sie den grossen Wunsch,            zuletzt als eifrige Twitterin – zu einer be-
die Einrichtung dieses Learning Centers        nochmals an die Uni zu gehen. So landete          kannten Persönlichkeit. Bei Microsoft setzte
nötig sind, nicht erreicht.                    sie über das BWL-Grundstudium an der              sie sich sehr stark mit dem Thema «Zukunft
                                               Universität Zürich schliesslich an der HSG.       der Arbeit» auseinander, weil sie neue Tech-
Wir werden voraussichtlich im Rahmen           Während dieser Zeit hat sie auch als Skileh-      nologien nebst dem gesellschaftlichen Wer-
der Internationalen HSG Alumni Kon-            rerin, Flight Attendant, Aushilfslehrerin, etc.   tewandel als «einen der wichtigsten Treiber
ferenz, die im September erstmals an der       gearbeitet und möchte, wie sie sagt, «keine       des aktuellen Umbruchs» sieht.
«alma mater» stattfinden wird, die dafür       dieser Erfahrungen missen.»
vorgesehene Spendenkampagne starten.                                                             Wie es in diesem Feld zur Gründung einer
Ich freue mich, wenn möglichst viele von       In der Rückschau erzählt Barbara Josef, dass      eigenen Firma kam, erzählt sie selbst so:
euch an diesem «Homecoming» teilneh-           sie sich an der Uni Zürich «etwas verloren»       «Ich habe eines Abends bei einem gemütli-
men und sich an der Mitfinanzierung des        gefühlt habe: «Als Ostschweizerin wollte es       chen Abend in der Pizzeria zu meiner besten
neuen HSG Learning Centers beteiligen:         aber mein Kopf nicht zulassen, dass ich direkt    Freundin gesagt, dass man zu diesem Thema
Wir können damit dafür sorgen, dass            an die HSG ging, also führte mich mein ers-       eigentlich eine Firma gründen müsste. An-
künftige Generationen von Studieren-           ter Weg fürs BWL-Studium nach Zürich. An          statt zu lachen, was ich eigentlich erwartet
den das Rüstzeug für späteres erfolgrei-       die HSG zu kommen war für mich daher              hatte, sagte sie nur: Ich bin dabei. Damit war
ches Wirken in Wirtschaft, Verwaltung,         «heimkommen» und gleichzeitig war ich be-         der Grundstein für unsere Firma gelegt. »
Politik und Gesellschaft, in einer zeitge-     eindruckt, wie toll alles organisiert war. Ich
mässen Lernumgebung erhalten.                  habe mich eher wie eine Kundin gefühlt,           Das Unternehmen heisst «5to9 AG» und be-
                                               nicht als Studentin – das ist mir geblieben       gleitet nun Firmen in Veränderungsphasen,
Herzlichst, Euer                               und es hat mich auch motiviert.» Sehr be­         rund um die Themen Digitalisierung und
                                               eindruckt und wohl auch geprägt habe sie          Arbeitskultur. Auf die – vielleicht HSG-
                                               die familiäre respektvolle Atmosphäre und         typische – Frage nach «Vision» und «Missi-
                                               gleichzeitige Weltoffenheit. Auch den Praxis-     on» antwortet sie lachend: «Eine Vision und
Urs Landolf, Präsident HSG Alumni              bezug fand sie sehr gut: «Interessanterweise      Mission haben wir nicht, aber für uns beide

06 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
Porträt

ist ein Thema zentral: wir wollen Dinge ma-
chen, bei denen wir selber ganz viel lernen.»
Und das mit dem Lernen nehmen die bei-
den so ernst, dass sie als «Spätberufene» ak-
tuell an einer Dissertation arbeiten: «Das
zwingt uns quasi, neben dem Lernen in der
Praxis die schönste Form von Lernen, auch
aus wissenschaftlicher Perspektive dran zu
bleiben. Und auch wenn es noch keine aus-
formulierte Vision ist, treibt es uns schon
stark an, dass wir mit unserem Beitrag die
Arbeit und den Alltag von ganz vielen Men-
schen verbessern können, indem wir auch
im digitalen Zeitalter den Menschen in den
Fokus stellen und versuchen, eine Kultur zu
gestalten, wo Menschen auf Augenhöhe zu-
sammenarbeiten.»

Ein «neues» Change Management
Der Fokus von Barbara Josefs Tätigkeit ist
Change Management und Change Commu-
nication, wobei sie «das alte Verständnis von
Change Management, wie es in den 90-er
Jahren geprägt wurde», absolut nicht teilt.
Eigentlich müsste es aus ihrer Sicht «Parti-
cipation Mangement» heissen, denn: «Es
geht nicht um die Manipulation der Betei-
ligten, sondern die Frage, wie es gelingt, ge-
meinsam die neue Situation auszuhandeln
und zu gestalten. » Was die Tätigkeiten be-                   HSG-Alumna Barbara Josef, Co-Gründerin von «5to9».   (Bild Hans Stuhrmann)
trifft, so sieht bei ihr jeder Tag anders aus:
«Ich habe einen guten Mix aus Projekten,
die mehrere Monate dauern, und einmali-          jekt zu lenken und sicherzustellen, dass sich      Im Gespräch über die HSG fällt ihr zum
gen Veranstaltungen, wo ich einfach einen        durch die Veränderung die Situation für alle       Schluss noch ein Statement ein, das sich an
Impuls gebe, ein Referat halte oder einen        Beteiligten verbessert, ist eine sehr schöne       die Studierenden richtet: «Ich möchte noch
Workshop leite.                                  und befriedigende Aufgabe.»                        ungefragt ein Kompliment loswerden. Ich
                                                                                                    unterrichte öfters an Universitäten und
                                                 Auf die Frage nach den spannenden Mo-              Fachhochschulen zum Thema «neue Ar-
«Ich habe jeden Tag ei-                          menten in ihrem Job sagt sie (und als Spe-
                                                 zialistin für neue Arbeitsformen nimmt man
                                                                                                    beitswelten». Die Studierenden der HSG
                                                                                                    stellen dabei immer die spannendsten
nen neuen Job, kein Tag                          ihr das auch ab): «Ich habe jeden Tag einen        Fragen und setzen sich am fundiertesten
gleicht dem anderen.»                            neuen Job – kein Tag gleicht dem anderen.
                                                 Dadurch lerne ich momentan so viel, wie
                                                                                                    mit dem Thema auseinander. Wenn ich mir
                                                                                                    diese Generation anschaue, mache ich mir
                                                 noch nie im Leben. Eigentlich ist es fast ein      keine Sorgen um die Zukunft unserer Wirt-
                                                 bezahltes Studium.» Dennoch hatte und hat          schaft.» Ein Schlusswort, dem man in einer
Die konkreten Aufgaben, die sie für Kunden       sie vom Studium «on the job» offensichtlich        Alumni-Zeitschrift nichts hinzuzufügen
löst, hängen ganz vom Projekt und den Be-        noch nicht genug, und das brachte sie ab           braucht.
dürfnissen der Kunden ab. Meistens geht es       2014 wieder in einen engen Bezug zur «alma
«um Situationen, die die Kunden zum ersten       mater»: «Ich habe mir einen Traum erfüllt          5to9.ch
und vielleicht einzigen Mal erleben, zum         und mich vor rund drei Jahren fürs Dokto-
Beispiel den Bezug eines neuen Hauptsitzes       randenstudium eingeschrieben. Für mich
mit neuem Arbeitskonzept.» Weil die Kun-         war es sehr spannend, nach 12 Jahren zu-
den diese Kompetenzen nicht intern haben,        rück an die HSG zu kommen. Mich hat es             Auftritt am Mentoring-Jahrestreffen 2018
ziehen sie Leute wie Barbara Josef bei, die      sehr beeindruckt, wie sich die Organisation        HSG-Alumna Barbara Josef tritt am
schon öfters ähnliche Situationen begleitet      verändert hat in dieser Zeit. Ich finde, die       Mentoring-Jahrestreffen am 19. April
haben. Und was gefällt ihr daran besonders?      HSG hat viel mehr Bodenhaftung als zu              um 18.30 Uhr an der HSG auf. An der
«Neue Situationen sind immer von viel            meiner Zeit. Vermutlich hat diese Wahrneh-         englischsprachigen Veranstaltung spricht
Hoffnung und einer grossen Lebendigkeit          mung aber auch damit zu tun, dass ich etwas        sie zum Thema «Brave new world of work».
begleitet – diese Energie positiv auf das Pro-   an Reife und Erfahrung gewonnen habe.»

                                                                                                                                07 alma 2 / 2018
Alma - Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen - HSG Alumni
Dossier

Moralisches Denken und die Arbeit im Zweiten Maschinenzeitalter

Arbeitswelt wird radikal transformiert
Das Zweite Maschinenzeitalter wird
unsere Arbeitswelt radikal transfor-
mieren. Normativ betrachtet sollte
man jedoch nicht nur vor den Gefah-
ren warnen, sondern auch die Chan-
cen sehen.

Michael G. Festl*

Wir stehen heute am Beginn des Zweiten
Maschinenzeitalters. Während das Erste
Maschinenzeitalter die Nachfrage nach phy-
sischer Arbeitskraft reduzierte, dafür aber
die Nachfrage nach geistiger Tätigkeit er-
höhte und dabei alles in allem mehr Men-
schen zu Lohn und Brot brachte, wird das
Zweite Maschinenzeitalter die Nachfrage
nach geistiger Arbeitskraft drastisch zurück-                                                                                        (Foto pd)
fahren, ohne dies durch andere Tätigkeiten
zu kompensieren. So dürfte die Nachfrage
nach menschlicher Arbeitskraft, wenn schon        sichtigen, dass es in der Lage ist, diese Werte,   Philosophie muss Zweites Maschinen-
nicht nach maschineller, bereits in den           Wünsche und Ideale zu verändern, ja, zu er-        zeitalter kritisch begleiten
nächsten Jahren signifikant sinken. Dies zu-      weitern. Technologische Fortschritte erhöhen       Das Zweite Maschinenzeitalter ist folglich
mindest erwarten führende Experten auf            unsere Mittel, dafür was wir tun können. Da-       nicht nur als ein Prozess zu betrachten, der
diesem Gebiet, wie Erik Brynjolfsson, An-         bei erweitern sie aber auch, was wir uns wün-      die normativen Kategorien, die wir heute
drew McAfee und Martin Ford.                      schen können. Beides ist nicht zu trennen,         haben, in Frage stellt, sondern auch als Mo-
                                                  eine Einsicht, die in der heutigen Moralphi­       tor dieser Kategorien selbst. In jedem Fall
Damoklesschwert über bestimmten                   losophie oft vergessen wird und die ich,           bringt es nichts, sich mittels altbewährter
Berufsgruppen                                     anknüpfend an die Philosophie des Amerika-         Werte kategorial gegen dieses Zeitalter zu
Damit schwebt von nun an auch ein Damo-           nischen Pragmatismus, stärken möchte.              stellen. Dies nicht nur, weil dies angesichts
klesschwert über Berufsgruppen, die sich                                                             der Wucht des Zweiten Maschinenzeitalters
ihrer Jobs ebenso wie ihres ökonomischen          Neue technische Mittel können                      ungefähr so sinnvoll ist wie der Glaube,
Erfolgs bis anhin sicher sein konnten: Steu-      moralische Ideale ändern                           dass sich die Niagarafälle stillstellen lassen,
erberater, Richter, Journalisten, Ärzte, Leh-     So kann etwa die Möglichkeit, Malaria ein-         indem man einen Waschbeckenstöpsel in
rer, ja sogar Professoren müssen fürchten,        zudämmen, das Ziel liefern, bestimmte Be-          den Niagara River wirft. Es ist auch deshalb
durch Maschinen zumindest teilweise er-           reiche der Erde für Menschen zugänglich zu         nicht sinnvoll, weil wir uns damit von vorn-
setzt zu werden. Da Mitglieder dieser Be-         machen, ein Impfstoff gegen AIDS kann uns          herein die Chance nehmen, uns neue, viel-
rufsgruppen in der Regel starke Investments       dazu bewegen, unsere Sexualmoral zu über-          leicht sogar bessere moralische Ideale an-
in ihre Berufe getätigt haben, etwa in Form       denken, neue Möglichkeiten künstlicher Be-         zueignen. Folglich kommt es für die Philo-
von Ausbildungsjahren und Studiengebüh-           fruchtung können dazu führen, dass wir den         sophie darauf an, dieses Zeitalter kritisch
ren, ist zu erwarten, dass sie sich gegen ihre    Wert des Lebens, Elternschaft und andere           zu begleiten, und das heisst, es sowohl in
Ersetzung durch Maschinen massiv zur              moralische Kategorien anpassen, biologi-           Hinblick auf die moralischen Ziele, die wir
Wehr setzen werden. Im Zweiten Maschi-            sches Human Enhancement kann das Prinzip           heute haben, zu durchdenken, wie auch in
nenzeitalter ist mit gesellschaftlichen Ver-      der Meritokratie modifizieren usw. Vielleicht      Bezug auf die moralischen Ziele, wie sie sich
werfungen zu rechnen.                             werden wir am Ende zu dem Schluss kom-             eingedenk unserer neuen Möglichkeiten
                                                  men, dass wir, etwa im letzten Fall, trotzdem      verändern. Darin besteht meines Erachtens
Sich auf Basis dieser potenziell negativen Kon-   an unseren bisherigen Vorstellungen von Me-        die Aufgabe einer richtig verstandenen mo-
sequenzen für manche Menschen, vielleicht         ritokratie festhalten wollen und die neuen         ralischen Theorie.
auch für uns selbst, nun moralisch gegen das      Möglichkeiten, die sich durch Human En-
Zweite Maschinenzeitalter zu stellen, er-         hancement bieten, ablehnen. Doch wir dür-          * PD Dr. Michael G. Festl ist Ständiger Dozent
scheint mir falsch. Wir dürfen dieses Zeitalter   fen nicht von vornherein ausschliessen, dass       für Philosophie an der School of Humanities and
nicht nur als etwas sehen, das Werte, Wünsche     sich mit neuen technischen Mitteln auch un-        Social Sciences (SHSS-HSG) der Universität
und Ideale durchkreuzt, sondern auch berück-      sere Ziele, unsere moralischen Ideale ändern.      St.Gallen.

08 alma 2 / 2018
Dossier

Rechtliche Herausforderungen der Digitalisierung

«Flexibilität darf nicht zu Beliebigkeit
führen»
Die Digitalisierung ermöglicht die zeit-                                                              Überwachung, weil mehr Daten erhoben
liche und örtliche Flexibilisierung der                                                               werden können, das ist richtig. Gleichzeitig
Arbeit. Welche rechtlichen Herausfor-                                                                 können die Daten aber auch besser geschützt
derungen sind damit verbunden? Ein                                                                    werden. Früher konnte man nicht verhin-
Gespräch mit Prof. em. Dr. Dr. h.c. Tho-                                                              dern, dass etwa die gesamte HR-Abteilung
mas Geiser*, Experte für Arbeitsrecht                                                                 praktisch die vollständigen Personalakten
an der Universität St.Gallen.                                                                         einsehen konnte. Heute lassen sich Zugriffe
                                                                                                      spezifisch regeln – zum Beispiel nur auf die
Thomas Geiser, Sie haben bereits 1995                                                                 Absenzen von Mitarbeitenden ohne gleich-
einen Artikel über «Neue Arbeitsformen                                                                zeitigen Zugriff auf die Gründe der Absenz
– Flexible Arbeitszeiten, Job-Sharing,                                                                zu haben. Durch eine spezifischere Überwa-
Computer-Arbeitsplätze» veröffentlicht.                                                               chung gibt es also weniger «Kollateralschä-
Was sind heute, über zwanzig Jahre                                                                    den». Trotzdem muss sich die Arbeitgeberin
später, die zentralen Diskussionen beim                                                               oder der Arbeitgeber immer auch die Frage
Thema Arbeit?                                                                                         stellen, ob sie oder er ein relevantes Interes-
Thomas Geiser: Die Arbeitsverhältnisse wer-                                                           se an mehr Überwachung hat.
den kürzer, Menschen wechseln die Arbeits-
stellen häufiger als früher und haben oft auch                                                        Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
mehrere Anstellungen gleichzeitig. Hier be-      Thomas Geiser.                                       nehmern scheint die Skepsis in Bezug
rühren sich Arbeitsvertragsrecht und Sozial-                                                          auf Überwachung plausibel. Warum
versicherungsrecht. Viele unbefristete Ar-       lung, die sehr widersprüchlich ist. Dass ich         gilt das auch für ein Unternehmen?
beitsverhältnisse sind zu klein und sind des-    jederzeit arbeiten kann und nicht darauf an-         Alles, was ein Unternehmen weiss oder wis-
halb nicht in der sozialen Sicherung. Ich bin    gewiesen bin, permanent am gleichen Ort zu           sen könnte, kann grundsätzlich als Wissen
der Meinung, dass alle Arbeitsverhältnisse       sein, heisst ja gerade, dass ich nicht ständig       angerechnet werden. Wer beispielsweise eine
sozialversicherungsmässig gleichbehandelt        erreichbar sein muss. Wenn der Chef um Mit-          Belästigung am Arbeitsplatz filmt, muss im
werden sollten. Dieses Problem muss drin-        ternacht eine E-Mail schreibt, kann der oder         Konfliktfall erklären, warum man nicht ein-
gend wieder auf die Agenda.                      die Mitarbeitende sie am nächsten Morgen             geschritten ist. Er kann folglich ein Interesse
                                                 lesen und beantworten. Vor Ort erreichbar            daran haben, dass das nicht gefilmt wird, so
«Computer-Arbeitsplätze» gehören                 müsste man also nur in kürzeren, kanalisier-         dass er es gar nicht wissen kann. Noch wich-
mittlerweile zum Arbeitsalltag.                  ten Zeiten sein. Alles andere ist eigentlich         tiger ist aber ein weiterer Aspekt: die Vertrau-
Welche Herausforderungen stellt die              Desorganisation.                                     enskultur in einem Unternehmen. Dies ist
Digitalisierung heute an die Arbeit?                                                                  ein besonderes Anliegen meiner Kollegin
Digitalisierung ist mehr als die blosse Arbeit   Besteht in der Flexibilität nicht die                Antoinette Weibel. Man darf nicht vergessen,
mit digitalen Geräten. Dies führt zwar dazu,     Gefahr, dass man zu viel arbeitet?                   dass mindestens 90 Prozent aller Arbeitsver-
dass es bestimmte Berufe in Zukunft nicht        Derzeit wird viel über maximale Arbeitszeiten        hältnisse problemlos verlaufen. Arbeitneh-
mehr geben wird, aber diese Entwicklung ist      diskutiert. Es gibt hier eine Vielzahl von ein-      mer und Arbeitgeber können sich ja mit gu-
nicht neu. Eine wenig beachtete, massive Ver-    schränkenden Vorschriften. Das Gesetz kennt          tem Grund vertrauen, weil sie sich gegensei-
änderung durch die Digitalisierung ist die In-   aber auch viele Ausnahmen. Gerade diese ma-          tig ausgesucht haben. Der Staat kann aber
ternationalisierung. Es ist heute möglich, in    chen die Regelung sehr kompliziert. Fest steht       nicht einfach allen Unternehmen trauen. Er
Indien für eine Bank in Zürich zu arbeiten.      aber auch, dass der Staat einen Rahmen setzen        hat sie ja nicht ausgesucht!
Die nationale Regelung des Arbeitsrechts         muss. Flexibilität darf nicht zu Beliebigkeit füh-   
wird zugunsten von internationalen Rege-         ren. Die Frage bleibt, was wirklich zum Arbeit-      Interview: Marco Gerster
lungen an Bedeutung verlieren. Selbst in der     nehmerschutz beiträgt. Die Intensität der Ar-
EU ist Arbeitsrecht noch weitgehend natio-       beit kann unter Umständen belastender sein           * Prof. em. Dr. Dr. h.c. Thomas Geiser ist Pro-
nales und nicht europäisches Recht.              als die zeitliche Ausdehnung, sie lässt sich aber    fessor für Privat- und Handelsrecht am For-
                                                 schwerer messen und kontrollieren.                   schungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten
Die Digitalisierung ermöglicht ja nicht                                                               (FAA-HSG) der Universität St.Gallen. Am 19.
nur eine ortsungebundene Arbeits­                «Kontrolle» ist nicht nur positiv, sie               Dezember 2017 hielt Thomas Geiser seine Ab-
weise, sondern auch eine zeitliche Fle-          kann leicht als unverhältnismässige                  schiedsvorlesung zum Thema «Braucht es in der
xibilität. Das sehen viele kritisch.             Überwachung interpretiert werden.                    Schweiz eine Lockerung oder Verschärfung des
Das ist in der Tat eine spannende Entwick-       Die Digitalisierung ermöglicht eine grössere         Arbeitnehmerschutzes?».

                                                                                                                                    09 alma 2 / 2018
Dossier

Projekt «DigitalWork@HSG»

Unterwegs in die Zukunft des Arbeitens

Die Universität St.Gallen möchte nicht          gefunden werden: Wie und wo werden              setzten Massnahmen sowie eine Empfeh-
nur in Lehre und Forschung, sondern             künftig Daten gespeichert? Wie werden In-       lung für mögliche künftige Weiterentwick-
auch als Arbeitgeberin fit für eine di-         halte über eine (intelligente) Suche gefun-     lungen.
gitale Zukunft sein. Das Projekt «Digi-         den? Wie kann die Zusammenarbeit (Kol-
talWork@HSG» soll aufzeigen, wohin              laboration) in Teams und in Projekten besser    Google: Der Unterschied liegt nicht im
die Reise gehen könnte.                         digital unterstützt werden? Und welche For-     Gratis-Essen
                                                men der internen Kommunikation können           Im Vergleich zu vielen Hochschulen sind Fir-
Marius Hasenböhler-Backes                       die soziale Interaktion und den Wissensaus-     men wie Microsoft und Google bereits in ei-
                                                tausch über Organisationseinheiten hinweg       ner möglichen Zukunft des Arbeitens ange-
Die Digitalisierung macht auch vor Univer-      erhöhen?                                        kommen. Dies zeigte kürzlich ein Besuch an
sitäten nicht halt. Die HSG nimmt diese He-                                                     deren Schweizer Unternehmenssitzen in
rausforderung mit einer Digitalisierungsstra-   Bedürfnisse und Ambitionen klären               Wallisellen und Zürich. Auf den ersten Blick
tegie in mehreren Schritten und auf mehre-      Das Projekt befindet sich derzeit in der ers-   fällt beim grössten Entwicklungsstandort von
ren Ebenen an, beispielsweise mit einem         ten Phase. Gemeinsam mit einer internati-       Google ausserhalb der USA die unvergleich-
Zertifikatsprogramm auf Bachelor-Stufe u.a.     onalen Agentur, die den Prozess begleitet,      liche Infrastruktur für die Mitarbeitenden auf.
zu den Grundlagen des Programmierens, der       werden Workshops, Interviews und eine           Diverse Themen-Restaurants bieten gratis
Ausschreibung neuer Lehrstühle von Big Da-      Online-Umfrage bei Angehörigen der Uni-         Frühstück, Mittag- und Abendessen, Rutsch-
ta bis hin zu künstlicher Intelligenz sowie     versität aus Rektorat, Akademia, Weiterbil-     bahn und Feuerwehrstangen verbinden für
dem Aufbau eines Studienschwerpunkts, der       dung sowie Verwaltung und Services durch-       besonders Eilige die einzelnen Etagen. Tisch-
Informatik und Wirtschaft verbindet. Letzte-    geführt. Dies, um ein Bild über den aktuellen   tennis, Tischfussball, Playstation und Massa-
res benötigt die Zustimmung des St.Galler       Stand sowie die Erwartungen an einen mo-        geraum sorgen für Erholung im anstrengen-
Stimmvolks zur IT-Bildungsoffensive.            dernen universitären Arbeitgeber zu erhal-      den Programmieralltag und Waschauto­
                                                ten. Danach werden die eruierten Themen         maten, Kino-Club und Band-Proberaum
Von Dokumentation bis Kollaboration             gemäss den Bedürfnissen der Organisation        verwischen die Grenzen zwischen Arbeit und
Diese Aktivitäten zielen auf neue Schwer-       und ihrer Mitarbeitenden sowie anhand der       Freizeit.
punkte und Angebote in Lehre und For-           Ambitionen der Institution priorisiert und
schung. Wie soll jedoch in Zukunft an der       daraus eine Roadmap abgeleitet. In einer        Erst auf den zweiten Blick – via Live-Video-
HSG gearbeitet werden? Um diese Kernfra-        zweiten Phase sollen in Pilotprojekten die      Schaltung nach London – ist zu erfahren,
ge zu beantworten, wurde ein Projekt mit        passenden digitalen Werkzeuge und Platt-        wie auch an einer Universität digitaler zu-
dem Namen DigitalWork@HSG gestartet.            formen getestet und danach schrittweise         sammengearbeitet werden könnte. Der
Im Auftrag der Universitätsleitung soll eine    implementiert werden. Zu dieser Phase ge-       zugeschaltete Brian erklärt im schönstem
langfristige Perspektive für folgende Fragen    hört letztlich auch eine Analyse der umge-      nordirischen Dialekt das Programmpaket

10 alma 2 / 2018
Dossier

«G Suite for Education» mit weltweit bereits          Microsoft Schweiz. Die Programme und Apps       Rolle. So gibt es am Hauptsitz von Microsoft
70 Mio. aktiven Nutzern. Es wird Hochschu-            des Office 365-Pakets sind wie bei Google für   derzeit 19 verschiedene Raumtypen: vom
len und damit Studierenden, Faculty und               Universitäten gratis bzw. zu Sonderkonditi-     Grossraumbüro über Zonen für konzentrier-
Mitarbeitenden gratis angeboten. Für Brian            onen erhältlich und würden die HSG auf ei-      tes Arbeiten bis hin zu Co-Working-Spaces
ist es somit ganz normal, dass er gleichzeitig        ne neue Stufe der digitalen Zusammenarbeit      und Räumlichkeiten im Start-up-Charakter.
mit anderen in «Realtime» an Dokumenten               heben. Erstaunt hört man beispielsweise, wie    Neben Technologie und Infrastruktur scheint
in der Cloud arbeitet, ein E-Mail-Programm            weit fortgeschritten der Einsatz von OneNo-     jedoch eines noch entscheidender: der Wille,
verwendet, das mit künstlicher Intelligenz            te in den Mittelschulen bereits ist und dass    mit der Digitalisierung auch seine Unterneh-
 je nach Inhalt u.a. mögliche Adressaten emp-         dieses Programm auch Anwendungen für die        menskultur zu verändern. Wieviel Freiraum
fiehlt und dass er gerade von zu Hause via            Lehre an Hochschulen bietet. Beeindruckend      braucht es für den Einzelnen, wieviel physi-
«Google Hangouts» mit den Besuchern aus               ist auch die Vorführung des «Microsoft Sur-     sche Präsenz am Arbeitsplatz ist für die Team-
St.Gallen spricht. Dass sein Notebook mitten          face Hub»: Der 84-Zoll-Bildschirm lässt sich    kultur notwendig? Wie wird in einer digitalen
in der Arbeit den Geist aufgeben könnte,              per Stift oder Touch bedienen, ist für Video-   Welt Leistung gemessen? Wie müssen die
macht ihm auch keine Sorgen. Dann würde               konferenzen und als Whiteboard gedacht          Arbeitswelten der Zukunft aussehen, damit
er einfach von seinem Tablet oder Smartpho-           und umfasst diverse Office-Anwendungen.         der Mensch noch einen Mehrwert zur Ma-
ne aus mit allen noch immer im Browser ge-            Dieser gigantische Bildschirm könnte mit sei-   schine hat? – Alle diese Fragen wird «Digi-
öffneten Programmen weiterarbeiten. Nach              nen Funktionalitäten sowohl in der Team-        talWork@HSG» auf Anhieb nicht beantwor-
90 Minuten sind Führung und Präsentation              und Projektarbeit als auch in der Lehre ein-    ten können. Denn es ist auch für die HSG
bereits vorbei. Beeindruckt hat weniger die           gesetzt werden.                                 eine Reise in eine mögliche Zukunft der
hippe Arbeitsumgebung als vielmehr die Tat-                                                           Arbeit. Eine Reise, die mit diesem Projekt
sache, wie weit hier digital und weltumspan-          Der Besuch in Wallisellen zeigt eines jedoch    begonnen hat.
nend zusammengearbeitet wird und wie                  deutlich auf: die Entwicklung hin zu einem
selbstverständlich dies für alle ist.                 modernen, digitalen Arbeitgeber ist ein Pro-
                                                      zess, der Jahre dauern wird. So begann die
Microsoft: Wandel der Unternehmens-                   Reise bei Microsoft Schweiz vor rund zehn
kultur ist entscheidend                               Jahren. Und nicht nur die zur Tätigkeit pas-
Weitere wichtige Erkenntnisse bringt der              sende Technologie ist wichtig, sondern auch
Austausch mit dem Education Team von                  die Büro-Infrastruktur spielt eine tragende

                                                                                Das gesamte Dossier
                                                                                jetzt im HSG Focus

                                                              1/2018            Das gesamte Dossier zum Thema
                                                                                jetzt im HSG Focus, dem digitalen
                                                                                Magazin der Universität St.Gallen.
                                                                                Download als App für Tablets und
                                                                                Smartphones. Lesen Sie HSG Focus
                                                                                online: www.magazin.hsgfocus.ch
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