GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft

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GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH
                                                  UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN

                                                  GAS
                                                  Bewährter Energieträger mit Zukunft

                                                  FAKTEN || Was ist Erdgas? | Woher kommt das Erdgas? | Wie kommt das Erdgas zu
                                                  uns? | Wie(so) wird Erdgas gespeichert? | Was macht Gas so sicher? | Wo wird Gas
                                                  verwendet? | Wie kommt der Gaspreis zustande?

                                                  HERAUSFORDERUNGEN || Wir brauchen Energie – ausreichend, verlässlich, öko­
                                                  no­misch | Wir brauchen Sicherheit | Wir brauchen Optionen | Wir erwarten Effizienz
                                                  und saubere Umwelt
P.b.b. Verlagspostamt 4020 Linz, GZ 04Z035681 M

                                                  PERSPEKTIVEN || Unkonventionelle Förderung | Umweltfreundliche Erzeugung |
                                                  Neue Speicher, neue Aufgaben | Ungewöhnliche Anwendungen | Fahren mit CNG:
                                                  günstiger und grüner | Fazit: Nicht wegzudenken

                                                  FORUM SPECIAL 6 [2012]
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
Bild: Ruck
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH
                         UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN

FORUMSPECIAL
E N E R G I E T R Ä G E R G A S

                         Editorial
                         Das Wunderbare

                         „Ans Wunderbare reicht heran, wozu man Gas verwenden kann“ – so
                         lautete der Titel einer Werbebroschüre aus Stadtgas-Zeiten, in der
                         durchgängig in Verse gegossen und einprägsam illustriert die Vor-
                         züge und die Mannigfaltigkeit der Einsatzmöglichkeiten in Haus-
                         halt, Industrie und Gewerbe vermittelt wurden.

                         Das Wunderbare von damals wird vom inzwischen Möglichen weit
                         übertroffen. Doch die Aussage scheint aktueller denn je. Techni-
                         scher und technologischer Fortschritt erlauben den Zugriff auf bis-
                         lang unbekannte oder nicht förderbare natürliche Vorkommen,
                         stellen neue Verfahren zur Herstellung bereit, eröffnen ungeahnte
                         Anwendungsbereiche und weisen Gas aufgrund seiner problem­
                         losen Transportier- und Speicherbarkeit die Rolle eines unverzicht-
                         baren Energieträgers im Zusammenspiel mit Erneuerbaren zu.

                         In diesem Kontext ist auch die von ÖVGW und FGW initiierte und ge-
                         tragene Innovationsoffensive Gas Österreich zu sehen, die im kom-
                         menden Jahr anläuft und darauf abzielt, wissenschaftlich fundierte
                         Themenbereiche – von der Einspeisung erneuerbarer Gase bis zum
                         Einsatz neuer Technologien – aufzubereiten und zu kommunizie-
                         ren. Einen Ausblick auf das, so man pathetisch bleiben möchte,
                         „Wunderbare“ auf heutigem Stand bietet bereits das vorliegende
                         Heft, das nicht nur basale Information zu Erdgas zusammenfasst,
                         sondern sein Augenmerk auf das „Gas von morgen“ richtet.

                         Mag. Michael Mock
                         Geschäftsführer FGW / ÖVGW

FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                         3
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
Impressum
FORUM SPECIAL 6 [2012] – Sonderheft des FORUM GAS WASSER WÄRME, Oktober 2012.
Konzept, Recherche und Bildredaktion Helmut Ruck. Text Christian Fell. Fachliche Beratung Wolfgang Ziehengraser. Redaktion H.M. Jobst
FORUM GAS WASSER WÄRME Offizielle Fachzeitschrift des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) und der Ö              ­ sterreichischen Vereinigung für das
Gas- und Wasserfach (ÖVGW). Redaktion Tel.: (01) 548 27 88-24, Fax: (01) 548 27 88-26. Chefredak­tion: Mag. H.M. Jobst, E-Mail: hjobst@forum-gww.at. Redaktionsteam: Mag. Chri-
stian Fell, Mag. Erich Johann Papp, Mag. Helmut Ruck. Verlag und Vertrieb Friedrich VDV, Vereinigte Druckereien- und Verlags-GmbH & Co KG, Wien und Linz. Anzeigenberatung und
Medienkoordination ÖVGW, Mag. Dr. Ute Boccioli, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-26, Fax: (01) 513 15 88-25, E-Mail: boccioli@ovgw.at. Abonnement ÖVGW, 1010
Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-0, E-Mail: office@ovgw.at Preis Einzelheft EUR 7,- Auflage 6.000 Stück.
OFFENLEGUNG NACH DEM MEDIENGESETZ: Medieninhaber und Herausgeber Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW), Österreichische Vereinigung
für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), repräsentiert durch GF Mag. Michael Mock, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-0, E-Mail: office@gaswaerme.at, office@ovgw.at.
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
GAS

                                                                                               INHALT
                         Gas
                         Bewährter Energieträger mit Zukunft

                           3     Editorial

                         		      FAKTEN
                           8     Was ist Erdgas?
                          10     Woher kommt das Erdgas?
                          16     Wie kommt das Erdgas zu uns?
                          22     Wie(so) wird Erdgas gespeichert?
                          26     Was macht Gas so sicher?
                          28     Wo wird Erdgas verwendet?
                          32     Wie kommt der Gaspreis zustande?
                         36 „Gas wird weiterhin eine wichtige Rolle im Energiemix spielen“
                         		 Interview mit Jacques de Jong, CIEP

                         		      HERAUSFORDERUNGEN
                          42     Wir brauchen Energie – ausreichend, verlässlich, ökonomisch
                          44     Wir brauchen Sicherheit
                          46     Wir brauchen Optionen
                          52     Wir erwarten Effizienz und saubere Umwelt
                         56 „Ohne Gas werden die Erneuerbaren nicht durchstarten“
                         		 Interview mit Peter Layr, EVN AG

                         		      PERSPEKTIVEN
                          64     Unkonventionelle Förderung
                         68 „Das ist eine heilige Pflicht“
                         		 Interview mit Herbert Hofstätter, Montanuniversität Leoben
                          74     Umweltfreundliche Erzeugung
                          82     Neue Speicher, neue Aufgaben
                          86     Ungewöhnliche Anwendungen
                          90     Fahren mit CNG: günstiger und grüner

                          96     Fazit: Nicht wegzudenken

FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                    5
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
Foto: Gazprom
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
FAKTEN
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
GAS

                               Was ist Erdgas?
                               Die Natur hat uns vorgemacht, wie man aus den Resten von Pflanzen oder
                               Meereslebewesen einen überaus wertvollen Energieträger erzeugt. Dazu wird
                               kein Sauerstoff, dafür aber Wärme benötigt – und ein wenig Geduld.

                               Meist tief im Erdinneren verborgen, liegt eine           immer tiefer unter Schichten von Sedimenten
                               Ressource, die das Leben an der Oberfläche               und Gestein, dadurch erhöhte sich der Druck
                               nachhaltig verändert und erleichtert hat. Von            wie auch die Temperatur. Unter Luftabschluss
                               der Heizung über den Herd zum Hochofen,                  entstand so in einer Tiefe von rund 2.000 Me-
                               vom Kraftwerk zum Kraftfahrzeug: Sie alle                tern bei einer Wärme von 70 °C vorwiegend
                               werden von einem Naturprodukt angetrieben,               Erdöl (oft lagert das Gas dann oberhalb des
                               dessen Entstehung meist lange zurückliegt.               Felds oder ist im Öl gelöst), in noch größerer
                               Erdgas entstand in warmen Erdzeitaltern vor              Tiefe und bei einer Hitzeentwicklung von min-
                               Jahrmillionen durch den biologischen Abbau               destens 200 °C nur noch Erdgas. Ist es einmal
                               von organischem Material. Meereslebewesen                gefunden, kann es beinahe sofort verwendet
                               sanken zum Grund des Ozeans und gerieten                 werden, wie es ist – deshalb spricht man bei

Geologische Schichtung und                              KONVENTIONELLE ERDGAS-LAGERSTÄTTEN    SCHIEFERGAS             KOHLEFLÖZGAS
Gasvorkommen: Erdgas,
Schiefergas und Kohleflözgas
                               ERDSCHICHTEN
                                            Holozaon
                                          Pfeistozaon
                                              Neogen
                                            Paleogen
                                          Oberkreide
                                         Unterkreide
                                     Ob. Jura/Malm
                                  Mittl. Jura/Dogger
                                      Unt. Jura/Lias
                                               Keuper
                                        Muschelkalk
                                     Buntsandstein

                                          Zechstein

                                         Rotliegend

                                       Oberkarbon
                                       Unterkarbon
                                                                                                                                         Grafik: Archiv Exxon Mobil

8                                                                                                              FORUM SPECIAL 6[2012]
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
GAS

Erdgas auch von einer Primärenergie. In gewis-

                                                  Grafik: shutterstock.com
ser Weise treiben also frühere Algen und Plank-
ton heute unsere Wirtschaft an. Neben der par-
allelen Entstehung zum Erdöl finden sich auch
Vorkommen (z.B. in der Nordsee und den Nie-
derlanden), in denen die Gasbildung mit jener
von Kohle einherging. In diesem Fall entstand
Erdgas vor allem aus Pflanzen des Karbon (vor
rund 300 Millionen Jahren), die sich im Zuge
der sogenannten Inkohlung zuerst in Torf,
dann in Braun- und Steinkohle umwandelten.
Bei diesen chemischen Reaktionen bildete sich
das einfachste Kohlenwasserstoff-Molekül CH4
– besser bekannt als Methan.

Der Hauptbestandteil von Erdgas ist immer
Methan, doch können je nach Ort und Art der
Entstehung mehr oder weniger große Antei-
le anderer Gase und Wasserdampf enthalten
sein. Erdgas aus der ehemaligen Sowjetunion                                  herstellen – das bekannteste derartige Produkt    Methan (die Kohlenstoff-
beispielsweise tritt schon als beinahe reines                                ist Biogas. Im Prinzip kommen dabei ähnliche      Wasserstoff-Verbindung CH4)
Methan (bis zu 98 %) zutage, während der An-                                 Vorgänge wie beim natürlichen Prozess zur         ist Hauptbestandteil des
                                                                                                                               Erdgases.
teil in Nordseegas um beinahe 10 % geringer                                  Anwendung: Organisches Material wird unter
ausfällt. Die zusätzlichen Bestandteile sind                                 Luftabschluss vergoren, allerdings um einige
oft ebenfalls nützlich: So erhält man etwa das                               Millionen Jahre schneller als am Meeresgrund.
wertvolle Edelgas Helium (Anteil bis zu 7 %)                                 Biogas hat einen niedrigeren Methangehalt als
als Nebenprodukt der Erdgasförderung. Ande-                                  herkömmliches (fossiles), der allerdings in ei-
re Gase können Butan, Ethan, Pentan, Propan                                  nem weiteren Bearbeitungsschritt erhöht wer-
oder Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid                                    den kann – damit ist es dann fit zur Einspei-
sein. Diese Bestandteile werden ebenso in Rei-                               sung ins normale Gasnetz. Es ist auch nicht
nigungsprozessen abgetrennt wie der enthalte-                                „natürlicher“ als Erdgas, allerdings wird es
ne Wasserdampf – man spricht hier auch von                                   aus erneuerbaren („Bio“-)Rohstoffen herge-
„Trocknung“.                                                                 stellt, die entweder ohnehin entsorgt werden
                                                                             müssten oder bei ihrem Wachstum jenes CO2
Das gereinigte Erdgas ist nun nicht, wie man                                 aufnehmen, das sie bei der späteren Verbren-
vielleicht meinen könnte und auch leider öf-                                 nung wieder abgeben: z.B. Gülle, Speisereste,
ters in den Medien kommuniziert wird, hoch                                   Klärschlamm, Öle, Gras und andere Pflanzen.
giftig und extrem explosiv: Der Zündpunkt
liegt deutlich über jenem von Benzin, Erdgas
ist dazu farblos, geruchlos und ungiftig. Den-
                                                                                     Heizwert natürlicher Brennstoffe
noch will man es nicht irrtümlich inhalieren
oder entzünden, daher wird es mit einem Ge-
ruchsstoff odoriert – das ist der vermeintliche                                      Braunkohle         2,2 kWh/kg
„Gasgeruch“.                                                                         Brennholz            4 kWh/kg
                                                                                     Erdgas         10–14 kWh/kg
Neben dem in der Natur vorkommenden Erd-
gas kann man Gleichartiges auch künstlich

FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                                                  9
GAS Bewährter Energieträger mit Zukunft
GA S

                       Woher kommt das Erdgas?
                       Nordamerika und Russland sind weltweit führend in der Produktion, doch auch
                       die heimische Gasförderung durch die Unternehmen OMV und RAG steuert seit
                       vielen Jahren einen beträchtlichen Teil zu unserer Energieversorgung bei.

                       Erdgas kann, muss sich aber nicht zusammen        wichtigeren Sonderfall unkonventioneller La-
                       mit Erdöl bilden. Während allerdings Erdölfel-    gerstätten wird später noch gesondert einge-
                       der kaum ohne Erdgasvorkommen auftreten,          gangen werden.) Die im Meeressediment ent-
                       sind reine Erdgasfelder keine Seltenheit. Der     standenen Gase gilt es natürlich nicht nur in
                       Grund dafür liegt auf der Hand: Das leichte Gas   Gebieten zu suchen, welche heute von Wasser
                       kann viel einfacher durch Ritzen, Spalten und     bedeckt sind. Maßgeblich ist die geologische Si-
                       Poren wandern als Öl. Tektonische Verschie-       tuation und die Ausdehnung der Ozeane längst
                       bungen – wie die Entstehung eines Gebirges        vergangener Erdzeitalter (z.B. das Tethysmeer
                       – konnten ganze Felder über größere Strecken      der Kreidezeit oder das Zechsteinmeer im Perm
                       migrieren lassen. Das klassische oder konven-     vor rund 250 Millionen Jahren). So kann es be-
                       tionelle Vorkommen befindet sich in einer so-     deutende Erdgasvorkommen auch in einem
                       genannten „Erdgasfalle“, das Gas lagert in po-    Binnenland wie Österreich geben.
                       rösem Sediment, welches nach oben von einer
Gazprom-Förderstätte   Decke aus hartem und daher undurchlässigem        Weltweit gesehen werden pro Jahr mehr als
­Zapolyarnoye Feld     Gestein abgeschlossen wird. (Auf den immer        drei Billionen Kubikmeter Erdgas gefördert –

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GAS

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                                    Billionen m3                      78,7   80,0
                               80

                               70

                               60

                               50

                               40

                               30

                               20                              16,8
                                                     14,5
                                             10,8
                               10     7,6

                               0
                                      Sü      No        Af     Pa       Eu       Mi
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                Grafik: FGW

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                                                                           au        sie  en
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                                                       ka

                              zum Vergleich: Der jährliche Gasverbrauch Ös-                    und förderte auch in der jüngsten Vergangen-      Erdgasreserven.
                              terreichs liegt bei weniger als 10 Mrd. m³. Die                  heit durchschnittlich 1,6 Mrd. m³ heimisches      Gemessen an der heutigen
                              größten Produzenten sind mit je ca. 600 Mrd.                     Erdgas pro Jahr.                                  Weltjahres­förderung reichen
                                                                                                                                                 die sicheren Erdgasreserven
                              m³/Jahr die USA und Russland, die einander
                                                                                                                                                 für rd. 60 Jahre; rechnet man
                              in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals an                       Die umfassende Versorgung durch natürliches       die geschätzten Reserven
                              der Spitze der Rangliste abgelöst haben – der-                   Erdgas ist erst seit wenigen Jahrzehnten Rea-     dazu, sind es über 130 Jahre.
                              zeit liegen die Nordamerikaner vorn. Weitere                     lität. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich   (Quelle: bp, Geologische
                              wichtige Förderländer sind Kanada, Iran und                      (zunächst) zur Beleuchtung zwar Gas durch-        ­Bundesanstalt)
                              Katar, gefolgt von Europas wichtigstem Gaspro-                   gesetzt, jedoch eines, das in schmutzigen und
                              duzenten Norwegen. Die mit Abstand größten                       sehr arbeitsintensiven Verfahren aus Kohle ge-
                              konventionellen Gasreserven liegen nach heu-                     wonnen wurde, im Gegensatz zu Erdgas auch
                              tigem Wissensstand in Russland, das für die                      giftig war und nur den halben Heizwert besaß.
                              österreichische und europäische Versorgung                       Generell war es die Kohle, die den Energie-
                              traditionell zentrale Bedeutung hat. Dahinter                    markt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts domi-
                              rangieren einige Länder des Mittleren Ostens.                    nierte.
                              Auch in der Kaspischen Region, in Nordafrika
                              und Nordamerika, in Venezuela, China, Aust-                      Doch waren schon im 19. Jahrhundert Erdgas-
                              ralien, Nigeria, Indonesien und anderen Staa-                    vorkommen – vor allem im Wiener Becken
                              ten werden große Reserven vermutet. Selbst                       – bekannt, die dortigen Funde zählen zu den
                              wenn sich fünf Länder die Hälfte und 15 Länder                   europaweit ersten. Bohrungen an der Stelle des
                              drei Viertel der Erdgasproduktion teilen, gibt                   späteren Ostbahnhofes (1844) und im III. Wie-
                              es kaum ein Gebiet der Erde ohne nennenswer-                     ner Gemeindebezirk (1906) erbrachten „Salz-
                              te Vorräte.                                                      wasser und brennbares Gas“. Auch in Wels
                                                                                               wurde 1891 im Rahmen von Brunnenbohrun-
                              Erdgasförderung in Österreich                                    gen zufällig Erdgas entdeckt und später auch
                                                                                               gefördert. Dennoch beschäftigte man sich da-
                              Österreich bildet da nicht nur keine Ausnah-                     mals noch kaum mit dieser Materie, erst Kriege
Foto: Gazprom

                              me, sondern war sogar ein Vorreiter der euro-                    und Versorgungskrisen schärften das Bewusst-
                              päischen Gasförderung. Bis 1958 deckte unser                     sein um den Wert solcher Ressourcen. Später
                              Land seinen Erdgasbedarf aus eigenen Quellen                     wurde Gas immer öfter im Zusammenhang mit

                              FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                                        11
GAS

Aus der Geschichte der Erd-
gasaufbringung Österreichs:
Bohrarbeiten der RAG (links);
Beginn der Lieferungen
von sibirischem Gas 1968
(rechts).

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                                                                                                                                                   Foto: OMV
                                Foto: RAG

                                            der Suche nach Erdöl gefunden, die schon in         tief gebohrt. Nun setzte auch in Österreich die
                                            der Donaumonarchie durchaus ernsthaft be-           Mechanisierung ein. Bei Oberlaa erbohrte die
                                            trieben worden war. Der ersten erfolgreichen        amerikanische Firma „Eurogasco“ ein kleine-
                                            Erdölbohrung im Wiener Becken 1914 in ­Gbely        res Gasfeld, in den Jahren 1934–36 flossen aus
                                            (heute Slowakei) ging ein Erdgasfund voran.         diesem Feld über eine vier Kilometer lange
                                                                                                Leitung 25 Millionen Kubikmeter Erdgas zum
                                            Ein neuer Abschnitt begann in den Dreißiger-        Gaswerk Simmering. 1935 wurde die Rohöl-Ge-
                                            jahren, als man modernere Methoden und              winnungs-Aktiengesellschaft (RAG) durch die
                                            Geräte zur Öl- und Erdgasaufsuchung anwen-          Vorläufer der heutigen Konzerne Exxon Mobil
                                            den konnte, denn bis dahin wurde hierzulan-         und Royal Dutch/Shell gegründet und betätigte
                                            de noch per Hand und daher auch nicht allzu         sich zunächst im Wiener Becken – mit verbes-

                                                           Erdgasgewinnung I                                  Erdgasgewinnung II

                                              Der Bohrmeißel (meist Rollenmeißel mit              Erdgas erreicht die Oberfläche mit einem Druck
                                              gezähnten Rädern) ist oft mit Diamanten be-         von mehreren 100 bar. Bis zu 99 % des För-
                                              stückt und wird senkrecht in die Tiefe geführt.     dergases können weiter verwendet werden. Je
                                              Während er das Gestein zerkleinert, befördert       mehr eine Lagerstätte ausgefördert ist, desto
                                              eine Spülvorrichtung dieses sofort nach oben.       geringer wird mit dem Druck auch der Anteil
                                              Das Bohrloch hat anfangs den größten Durch-         an nutzbarem Gas. Wenn der natürliche Druck
                                              messer von rund 70 cm und wird in der Tiefe         nicht mehr ausreicht, kommen Spezialkom-
                                              schmäler. Damit es nicht einstürzt, kleidet man     pressoren zum Einsatz.
                                              es mit Stahlrohr aus und dichtet dieses außen
                                              mit Zement ab. Sicherheitsschieber (Preven-         Zunächst gelangt das Gas über eine Hoch-
                                              ter) in regelmäßigen Abständen verhindern           druckleitung in die Aufbereitungsanlage, wo es
                                              unkontrollierten Gasaustritt. Ist die Bohrung       gereinigt und getrocknet wird. Danach kann es
                                              erfolgreich, wird eine Förderanlage errichtet.      ins Leitungsnetz eingespeist werden.

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GAS

                                                                                                    3D-Projektionsraum.
                                                                                                    Mit Hilfe der 3D-Seismik
                                                                                                    lassen sich auch Erdgaslager-
                                                                                                    stätten auffinden.

serter Technik: Neben neuartigen Bohrmeißeln       gieversorgers EVN steht und sich zunehmend
setzte man erstmals Bohrtürme aus Stahl ein.       auch in Osteuropa betätigt, trug 2010 immerhin
1958 wurde ein erster Liefervertrag der RAG        13 % der heimischen Erdgasförderung bei.
mit der niederösterreichischen Ferngasgesell-
schaft NIOGAS abgeschlossen, der Gaslieferun-      Moderne Exploration
gen aus den Feldern in Zistersdorf zum Inhalt
hatte. Seit Mitte der 1950er-Jahre waren in den    Ist die Schichtung des Untergrunds nicht be-
Bundesländern Niederösterreich, Steiermark,        kannt, können Bilder aus der Luft helfen, Se-
Oberösterreich und später Salzburg Ferngas-        dimentbecken zu erkennen, dann erfolgt die
gesellschaften entstanden, die Nachfrage nach      Prüfung des Gesteins vor Ort.
dem sauberen und praktischen Erdgas stieg be-
reits stark. Dies war nicht zuletzt auch ein Re-   In den 1980ern und 1990ern wurde die Seismik
sultat des technischen Fortschritts: Zuvor eher    zur zentralen Technologie für das Aufspüren
ein Nebenprodukt der Ölförderung, konnte           von Bodenschätzen. 3D Seismik kommt in Ös-
Erdgas dank neuer Technologie nun auch ge-         terreich seit 1992 großflächig zum Einsatz und
zielt gesucht werden.                              hilft mit, neue Gebiete zu entdecken oder be-
                                                   stehende Felder auszuweiten. Dabei werden
Die Erschließung eines Felds im oberösterrei-      Spezialfahrzeuge ausgeschickt, die das Ex-
chischen Voitsdorf (ab 1963) war nicht nur für     plorationsgebiet abfahren und Schallwellen
die Ölförderung ein dramatischer Erfolg, sie       aussenden. Letztere werden von unterschied-
brachte auch das Erdgasgeschäft als echtes         lichen Gesteinsschichten verschieden reflek-
zweites Standbein für die RAG – inzwischen ist     tiert, die Reflexionen von „Geofonen“ an der
es freilich zusammen mit der Gasspeicherung        Oberfläche aufgefangen. Die so gesammelten
das erste, die Gassonden befinden sich heute       großen Datenmengen werden anschließend
fast ausschließlich in Oberösterreich und Salz-    von Hochleistungscomputern verarbeitet und
burg. Die Firma, die mittlerweile mehrheitlich     in grafische, dreidimensional anmutende Dar-
im Besitz des niederösterreichischen Ener-         stellungen der oberen Erdkruste verwandelt.

FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                       13
GAS
Foto: Wintershall

                                                                                                                                                          Foto: Statoil
                    Produktionsanlage in Sibirien   Ob man tatsächlich fündig wird, zeigt sich frei-   schon bald war durch die sprunghafte Ent-
                    (links)                         lich erst bei einer Probebohrung.                  wicklung auf dem Gassektor absehbar, dass die
                    Statoil- Erdgasförderplatt-                                                        heimischen Vorkommen nicht mehr lange aus-
                    form „Troll A“, die größte in   Mit dem Einsatz solcher Technologien konnte        reichen würden. Die Ferngasgesellschaften der
                    der Nordsee (rechts)            sich die OMV, die 87 % der heimischen Gas-         Bundesländer traten also mit dem Wunsch an
                                                    förderung (2010) beisteuert, auf die optimale      die ÖMV heran, sie möge auch Importmöglich-
                                                    Ausförderung von Erdöl- und Erdgasfeldern          keiten prüfen. Die Mitte der 1960er-Jahre inten-
                                                    spezialisieren. Ihre Geschichte geht auf die       sivierte Suche nach Erdgas für österreichische
                                                    Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg zurück:       Verbraucher gestaltete sich äußerst zäh und
                                                    Durch die im Herbst 1945 gegründete Sowjeti-       barg zahlreiche Rückschläge. Doch machte der
                                                    sche Mineralölverwaltung (SMV) wurden ein          erste Gaslieferungsvertrag mit der Sowjetuni-
                                                    Jahrzehnt lang die ostösterreichischen Erdgas-     on, an dem man einige Jahre lang gearbeitet
                                                    und vor allem Erdölvorkommen ausgebeutet.          und verhandelt hatte, die ÖMV endgültig zum
                                                    Immerhin war Österreich am Ende des Kriegs         internationalen Player. Durch den am 4. Juni
                                                    dank der Lager im Wiener Becken der zweit-         1968 unterzeichneten Vertrag wurde Neuland
                                                    größte Ölproduzent Europas. Auch der Vor-          beschritten: Es war das erste derartige Abkom-
                                                    läufer der Raffinerie Schwechat wurde von der      men der Sowjetunion mit einem westlichen Un-
                                                    SMV übernommen. Nach Abschluss des Staats-         ternehmen, andere europäische Staaten über-
                                                    vertrags ging die SMV in den Besitz der nun-       nahmen das österreichische Modell später. Bis
                                                    mehr wieder souveränen Republik über und           in die Gegenwart folgten immer neue und grö-
                                                    wurde 1956 zur Österreichischen Mineralölver-      ßere Abschlüsse mit der UdSSR bzw. heute der
                                                    waltung AG (ÖMV, seit 1995: OMV).                  russischen Gazexport (Gazprom), dazu kamen
                                                                                                       nach der Entdeckung des Troll-Felds Lieferver-
                                                    Importe – Neues Gas für Österreich                 träge mit Norwegen.

                                                    In den Folgejahren schlossen die Landesgesell-     Inland konstant – Import steigt
                                                    schaften Verträge mit der ÖMV über die Liefe-
                                                    rung von Inlandgas ab (Wiener Stadtwerke und       Während sich die Inlandsproduktion von Erd-
                                                    NIOGAS 1957, Steirische Ferngas 1958). Doch        gas laut Statistik Austria seit 1970 nicht we-

                    14                                                                                                         FORUM SPECIAL 6[2012]
GAS

                                                                                                                   Bohranlage der RAG
   Foto: RAG

               sentlich veränderte, hat sich die in Form von   Gasfördersonden, das Erdölgas aus 595 Ölför-
               Gas importierte Energiemenge bis 2005 etwa      dersonden in einem rund 5.000 km² großen Ge-
               verzehnfacht. 2009 betrug die österreichische   biet nördlich von Wien, vor allem im Weinvier-      Erdgasaufbringung in
               Inlandsproduktion 1,58 Milliarden m³, davon     tel und im Marchfeld. Gemeinsam decken OMV          Österreich: Entwicklung
               1,33 Milliarden m³ (84 %) Erdgas und 250 Mil-   und RAG mehr als ein Zehntel des jährlichen         der Importe und Inlands-
                                                                                                                   förderung 1990–2011 und
               lionen m³ Erdölgas (ein Nebenprodukt bei der    österreichischen Erdgasbedarfs ab, 80 Prozent
                                                                                                                   Zusammensetzung 2011
               Ölförderung). Der Anteil der OMV – heute Ös-    der Fördermengen stammen aus dem Wie-
               terreichs umsatzstärkstes Unternehmen – am      ner Becken, 20 Prozent aus der so genannten         (Quelle: FVMI, Geologische
                                                                                                                   Bundesanstalt)
               heimischen Fördervolumen stammt aus 79          Molasse­zone.

               10
                           3
                      Mrd. m                                                                                            Norwegen
                9                                                                    GUS-Staaten
                          Importe                                                                                 12%
                8
                          Inlandsförderung
                7

                6

                5                                                                                                             24%       andere
                                                                                            49%            2011
                4

                3

                2
                                                                                                                    15%
                1
Grafik: FGW

               0                                                                                                          Inland
                    1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

               FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                         15
GAS

      Wie kommt das Erdgas zu uns?
      Im Normalfall fließt Gas unsichtbar über tausende von Kilometern in Leitungen
      auf dem Meeresboden oder unter der Erde. Seine besonderen physikalischen
      Eigenschaften erlauben aber auch den Transport per Schiff, auf der Schiene
      oder Straße.

      Nachdem das natürliche Gas von Sandteil-          der Ostsee verlegt werden. Jeder der beiden Lei-
      chen und Spuren anderer Gase gereinigt und        tungsstränge hat eine Kapazität von 27,5 Mrd.
      getrocknet wurde, kann es in das Gasnetz ein-     m³ Erdgas pro Jahr, der erste wurde bereits im
      gespeist werden. Das meiste Gas wird in unter-    November 2011 in Betrieb genommen. Nach der
      irdischen Rohrleitungen transportiert, manch-     Fertigstellung des zweiten Strangs Ende 2012
      mal allerdings auch unter Wasser.                 wird die Nord Stream jährlich 55 Mrd. m³ Gas
                                                        nach Westeuropa transportieren – wenn es
      Unter Wasser                                      nach den Planern geht, für mindestens ein hal-
                                                        bes Jahrhundert.
      Seit rund 20 Jahren kann aus dem 1979 ent-
      deckten norwegischen Troll-Feld gefördert         Auf dem Wasser
      werden, das rund 100 Kilometer westlich von
      Bergen liegt – also mitten im Ozean. Das Gas      Erdgas weist eine physikalische Besonderheit
      wird auf zahlreichen Bohrinseln – nach er-        auf: Bei -162 °C wird es flüssig und ist dann –
      folgreicher Bohrung Förderplattformen ge-         ohne unter Druck zu stehen – um das 600-Fa-
      nannt – produziert, darunter der „Sea Troll“.     che verdichtet. Ein einziger Kubikmeter des
      Es brauchte zehn Schlepper und zehn Tage,         solcherart verflüssigten Gases (Liquefied Natu-
      um das größte je von Menschen bewegte Bau-        ral Gas oder LNG) entspricht dann also 600 m³
      werk (die Gesamthöhe vom Meeresboden bis          Erdgas in seinem normalen Aggregatzustand.
      zur Mastspitze beträgt 472 Meter) 1995 an sein
      Ziel zu befördern. Das in der Nordsee geförder-   Verflüssigung ist fraglos eine gute Möglich-
      te Gas gelangt über Unterwasser-Pipelines an      keit, Erdgas zu vertretbaren Kosten über wei-
      die europäischen Küsten, um dort in das „nor-     te Strecken zu transportieren, etwa wenn der
      male“ Netz eingespeist zu werden.                 Empfänger nicht an ein Pipeline-Netz ange-
                                                        schlossen ist. Der Energiehunger von indust-
      Eine wichtige Verbindung von russischem Pro-      riell expandierenden oder entwickelten, aber
      duktionsgebiet und westeuropäischen Abneh-        geografisch „ungünstig“ gelegenen Staaten
      mern wurde mit der Nord Stream-Leitung ge-        wie Japan oder Taiwan hat diese zu typischen
      schaffen. Sie hat eine Länge von 1.224 km und     LNG-Zielgebieten gemacht. Der zurzeit wich-
      sollte einen Zugang zum europäischen Gas-         tigste LNG-Exporteur ist Katar, aber auch Staa-
      netz eröffnen, der nicht durch Transitländer      ten wie Algerien, Indonesien, Nigeria oder die
      verwehrt oder behindert werden kann. Dazu         Karibikinsel Trinidad haben größere Verflüs-
      musste die Pipeline allerdings auf dem Boden      sigungskapazitäten. Wenn das Erdgas einmal

16                                                                              FORUM SPECIAL 6[2012]
GAS

                   Erdasfeld

                   Wichtige Erdgaspipeline
                   in Betrieb
                   in Bau, projektiert oder geplant

                   LNG-Terminals
                   in Betrieb
                   in Bau
Grafik: FGW

              seine Leitungsgebundenheit verloren hat,         lagen sanken aufgrund neuer Technologien. In       Die wichtigsten Pipelines im
              kann es theoretisch auf der Schiene oder Stra-   den vergangenen zwei Jahrzehnten wuchs der         europäischen Erdgasnetz
              ße transportiert werden, besonders wichtig ist   LNG-Anteil am weltweiten Gashandel auf etwa        (Quelle: EUROGAS, ENTSOG)
              allerdings die Verschiffung. Ein durchschnitt-   ein Viertel an. In Europa spielt diese Art des
              licher LNG-Tanker nimmt heute genügend Gas       Transports eine untergeordnete, doch wach-
              auf, um rund 42.000 Haushalte für ein Jahr zu    sende Rolle. So stieg der Beitrag von LNG zum
              versorgen. Mit zunehmender Größe der Schiffe     Beschaffungsmix der EU innerhalb der letzten
              nahmen die Transportkosten ab, auch die Kos-     zehn Jahre von sechs auf 15 %. Das flüssige Erd-
              ten für die Errichtung der entsprechenden An-    gas wird an sogenannte Terminals verschifft –

              FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                        17
GAS

Gelbe Hütchen (Flugmarker,
die den Hubschrauberpi-
loten bei Kontrollflügen
zur Orientierung dienen),
kennzeichnen den Verlauf der
unterirdischen Gas-Pipelines.

                                                                                                                                    Foto: OMV
                                wie etwa den GATE-Terminal in Rotterdam, an        ren mit Durchmessern von 200 bis 1400 mm
                                dem auch österreichische Unternehmen betei-        statt, hie und da unterbrochen von einer Ver-
                                ligt sind. Dort wird das LNG wieder erwärmt        dichterstation, die für die Aufrechterhaltung
                                (regasifiziert) und in das europäische Leitungs-   des nötigen Drucks sorgt. Die Verlegung auf
                                system eingespeist.                                land- und forstwirtschaftlichen Flächen ist
                                                                                   prinzipiell kein Problem: Beim Eingraben der
                                Unterirdisch                                       Leitung wird die obere Humusschicht sorg-
                                                                                   fältig zur Seite geschoben und vom restlichen
                                Im Normalfall allerdings verläuft der Trans-       ausgehobenen Erdreich getrennt. Sind die Roh-
                                portweg unter der Erde: Von der Nordsee bis        re verlegt und mit Erde bedeckt, wird der Hu-
                                zum Mittelmeer, vom Atlantik bis Sibirien          mus wieder aufgetragen, und die Vegetation an
                                liegt ein System von Rohrleitungen mit einer       der Oberfläche kann sich schnell regenerieren.
                                Gesamtlänge von rund 190.000 Kilometern            Damit überhaupt erkennbar ist, wo sich die
                                vergraben – Fernreiserouten für Erdgas, die        Pipeline befindet, sind in gewissen Abständen
                                ebenso großteils unsichtbar bleiben wie das        sogenannte Flugmarker mit gelben Hütchen
                                österreichische Inlandsnetz mit einer Gesamt-      angebracht, sie dienen auch den Hubschrau-
                                länge von mehr als 30.000 km. Das für Öster-       berpiloten zur Orientierung, wenn die Trasse
                                reich bestimmte russische Erdgas reist so mit      aus der Luft kontrolliert wird.
                                einer Geschwindigkeit von etwa 8 Metern pro
                                Sekunde oder fast 30 km/h sechs Tage lang von      Aufgrund laufender Wartung und Reinigung
                                den Förderstätten Westsibiriens bis zur Erdgas-    haben solche Gasleitungen eine sehr lange
                                Drehscheibe in Baumgarten an der March.            Lebensdauer und müssen meist nur erneu-
                                                                                   ert werden, wenn aufgrund der großen Nach-
                                In Österreich findet dieser umweltschonende        frage mehr Transportkapazitäten nötig sind.
                                Transport in kunststoffummantelten Stahlroh-       Die wichtigsten Pipelines des Landes sind die

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GAS
Grafik: AGGM

               384 Kilometer lange Trans-Austria-Gasleitung     ∙∙ March-Baumgarten-Gasleitung (MAB):             Erdgasinfrastruktur in
               (TAG) von Baumgarten an die italienische            Slowakei                                       Österreich
               Grenze nach Arnoldstein in Kärnten und die       ∙∙ Hungaria-Austria-Gasleitung (HAG):             (Quelle: AGGM)
               245 Kilometer lange West-Austria-Gasleitung         ­Ungarn
               von Baumgarten an die Grenze von Bayern und      ∙∙ Kittsee-Petrzalka-Gasleitung (KIP):
               Oberösterreich. Von dort soll die derzeit ge-        ­Slowakei
               plante Tauerngasleitung 290 km in Richtung       ∙∙ Penta-West-Gasleitung (PW) Deutschland,
               Süden führen und ab 2017 die Versorgung von           Frankreich, in West-Ost-Richtung Zentral-
               Kärnten verbessern.                                   europa
                                                                ∙∙ Süd-Ost-Leitung (SOL): Italien, Slowenien,
               In Baumgarten treffen zahlreiche für die euro-        Kroatien
               päische Versorgung zentrale Pipelines aufein-
               ander, durch die jährlich 57 Milliarden Kubik-   Gas, das an der Erdgas-Drehscheibe Baum-
               meter Erdgas transportiert werden.               garten ankommt, muss gespeichert bzw. ins
                                                                In- oder Ausland weitergeleitet werden. Die
               Die wichtigsten Transitleitungen (Gesamtlän-     Verteilung übernimmt eine hochmoderne Dis-
               ge: rund 2.000 km) innerhalb Österreichs und     patching-Zentrale der Gas Connect Austria, von
               ihre Versorgungsgebiete sind:                    wo aus die Pipelines landesweit gesteuert wer-
                                                                den können. Da das österreichische Netz na-
               ∙∙ Trans-Austria-Gasleitung (TAG): Österreich,   türlich wichtiger Bestandteil der europäischen
                  Italien, Slowenien, Kroatien                  Gasversorgung ist, steht dieses Zentrum mit
               ∙∙ West-Austria-Gasleitung (WAG): Österreich,    vergleichbaren Einrichtungen in Mailand, Es-
                  Deutschland, Frankreich, in West-Ost-Rich-    sen, Berlin, Kassel, Paris, Moskau, Nitra (SVK)
                  tung Zentraleuropa                            und Stavanger (N) in ständigem Austausch.

               FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                       19
GAS

                                      Ordnung im Netz
      Mit 1. 1. 2013 wird die österreichische Gaswirt-   ten gebucht werden, so ist im neuen Marktmo-
      schaft entsprechend den Bestimmungen des           dell nur noch das Buchen von Kapazitäten an
      GWG 2011 neu geordnet, in dessen Mittelpunkt       den Entry- und Exitpunkten erforderlich. Eine
      die Bilanzgruppen und die durch diese vertre-      Einlieferung an einem Entry-Punkt kann un-
      tenen Kunden stehen.                               abhängig von der Entnahme an den Exit-Punk-
                                                         ten getätigt werden und vice versa. Dies wird
      Das neue Marktmodell teilt die bisherigen Re-      dadurch ermöglicht, dass alle Gastransporte
      gelzonen in sogenannte Marktgebiete, wobei         durch das Marktgebiet von MGM und VGM ko-
      das Marktgebiet Ost auch über Fernleitungen        ordiniert und nötigenfalls auch aktiv in Balan-
      (früher als Transitleitungen bezeichnet) ver-      ce gehalten werden.
      fügt. Die Verteilergebiete im jeweiligen Markt-
      gebiet umfassen die Verteilerleitungsanlagen.      Der neu geschaffene Virtuelle Handels-Punkt
                                                         (VHP) dient dabei als zentraler Handelsplatz
      Verantwortlich für die Koordinierung der Netz-     im Marktgebiet für alle Bilanzgruppen sowie
      steuerung im Marktgebiet ist ein Marktgebiets-     insbesondere für MGM und VGM zur Beschaf-
      manager (MGM) im Zusammenwirken mit dem            fung der nötigen Gasmengen, damit das Ge-
      Verteilergebietsmanager (VGM). Beiden obliegt      samtsystem in Balance gehalten werden kann.
      neben anderen Pflichten auch die Erstellung        Die Administration des VHP (wie etwa die elek-
      von einheitlichen Berechnungschemata zur Er-       tronische Protokollierung und Abrechnung der
      mittlung und Ausweisung von Kapazitäten an         Energiemengen) sowie der Betrieb der Gasbör-
      Einspeise- (Entry-) und Ausspeise- (Exit-)punk-    se am VHP sind einem Betreiber überantwor-
      ten und die Koordination des Ausbaus und der       tet, der die organisatorische Infrastruktur und
      Instandhaltung der Fern- und Verteilerleitun-      kommerzielle Dienstleistungen zur Abwick-
      gen. Neben diesen eher technisch dominierten       lung der Handelsgeschäfte bereitstellt.
      Aufgaben hat der MGM auch die im Marktge-
      biet Ost tätigen Bilanzgruppen zu verwalten.       Ein Versorger kann in Zukunft Gas entweder
      Jeder Kunde ist entweder direkt oder indirekt      über einen Entry-Punkt importieren oder am
      (über seinen Versorger) Mitglied einer Bilanz-     VHP kaufen und von dort ins Verteilergebiet
      gruppe. Wer nicht Mitglied ist, kann im Markt-     zur Versorgung seiner Endkunden einliefern.
      gebiet Ost weder Gas kaufen, noch verkaufen,       Er kann die Kunden aber auch mit Gas aus ein-
      transportieren oder an Endkunden liefern. In       heimischer Produktion oder durch Entnahme
      den Marktgebieten Tirol und Vorarlberg behielt     aus Speichern versorgen. Welche Quellen er
      der Bilanzgruppenkoordinator (BKO) die Rolle,      in welchem Ausmaß nutzt, obliegt alleine dem
      Bilanzgruppen zu verwalten.                        Versorger.

      Vollkommen neu ist auch das Transportregime.       Im Verteilergebiet bucht und verwaltet der Ver-
      Mussten bisher auf Fernleitungen – heute Teil      teilergebietsmanager die Ein- und Ausspeise-
      des Marktgebiets – Kapazitäten auf festen Rou-     kapazitäten zwischen den Fernleitungs- und

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GAS

                                                                                                                                                                                                                                 Ordnung im Netz.
                                                                                                                                                                                                                                 Schematische Darstellung
                                                                                                                                                                                                                                 der Informationsflüsse
                                                                  AT I O N                                                                                                     AE- AN
                                                  Z   INF
                                                            ORM                                                                                  EX POST CLEARIN
                                                                                                                                                                G
                                                                                                                                                                                        GEBO
                                                                                                                                                                                            T (M
                                                                                                                                                                                                   ERIT
                                                                                                                                                                                                                                 zwischen den Marktteil-
                                               AN
                                        BI
                                           L
                                                                                                                                           BEZ
                                                                                                                                                 UGS
                                                                                                                                                                                                          ORD
                                                                                                                                                                                                                ER
                                                                                                                                                                                                                     LI S
                                                                                                                                                                                                                                 nehmern
                                   TE                                                                                                                  MEN                                                                  T)
                               N                                                                                                                             GEN
                         A

                                                                                                                                      EI
                                                                                                                                        N-
                        EX

                                                                                                                                          /A
                                                                                                                                            US                                    PRODUKTION
                                                                                    IT                                                        SP
                                                                                  EX                                                            EI
                                                                          R  Y/                                                                   CH
                                                                                                                                                    ER
                                                                     E NT                                                                             N
                                                                                            EN
                                                                                         NG

                                                                                                                              SEN
                                                                                       RU

                                                                                                                                  ROGNO

                                                                                                                                                                               E
                                                                                                                   UNG
                                                                                   IE

                                                                                                                                                                             ÄN
                                                                                                                                                 SPEICHER
                                                                                  IN

                                                                                                                                                                           PL
                                                                               M

                                                                                                                    ORG
                                                                              NO

                                                                                                                                                                        HR
                                                                                                                                   SLP-P
                                                                                                                     ERS

                                                                                                                                                                       -FA
                                                                                                                                                     LÄNE

                                                                                                                                                                      EN
                                                                                                                             NV
                              / EXIT

                                                                                                                                                                   PP
                                                                                                    ERS

                                                                                                                         NDE

                                                                                                                                                     AHRP

                                                                                                                                                                                                      TE
                                                                                                                                                                  RU

                                                                                                                                                                                                          ER
                                                             EN
                                                                                                                            KU
                                                                                                  ORD

                                                                                                                                                                 ZG

                                                        NG
                             ENTRY

                                                                                                                                                                                                             SW
                                                                                                                                                 BG-F
                                                                                                                             END

                                                                                                                                                             AN

                                                      RU

                                                                                                                                                                                                    G
                                                                                                                                                                                                     IN
                                                   E

                                                                                                                                                                                                           ES
                                                NI
                                                                                                                                                            BIL

                                                                                                                                                                                T
                                           MI

                                                                                                                                                                                                      AR

                                                                                                                                                                                                                M
                                        NO                                                                                                                                   EN

                                                                                                                                                                                                          LE
                                                                                                                                                                           M
                                                                                                                                                                        GE

                                                                                                                                                                                                              C
                                                                                                                                                                      NA

                                                                                                                                                                                                           B-
                                                                                                                                                                   A

                                                                                                                                                                                                               N
                                                                                                                                                                  M
                                                  BG-NOMINIERUNGEN                                                                                            TZ
                                                                                                                                                            NE
                                   BG-AUSGLEICHS ORDERS                                                         AE-ORDERS                                   BILANZGRUPPEN-FAHRPLÄNE
                                                                                                                                                                  MERIT ORDER LIST
Grafik: AGGM

                                                                                       B G - FA H R P L Ä N E

               Verteilernetzen, um den Versorgern dort einen                                                                 wie bisher durch den Bilanzgruppenkoordina-
               unterbrechungsfreien Übertritt bieten zu kön-                                                                 tor (ex-post). Eine grobe schematische Darstel-
               nen. Er steuert auch den Gasfluss und ist für                                                                 lung der Informationsflüsse zeigt obige Grafik.
               die Druckhaltung im Verteilergebiet verant-
               wortlich.                                                                                                     Neu ist auch das Tarifsystem, das ebenfalls am
                                                                                                                             1. 1. 2013 in Kraft treten soll und mit dem eine
               Zwischen den genannten Marktteilnehmern                                                                       umfassende Neuverteilung der Kapazitätsrech-
               (Marktgebietsmanager, Verteilergebietsmana-                                                                   te verbunden ist. Bis dahin werden die Kosten
               ger, Fernleitungsnetzbetreiber, Verteilernetz-                                                                des Fernleitungs- und des Verteilernetzes über
               betreiber, Bilanzgruppen, VHP) erfolgt zur                                                                    die Netztarife den Konsumenten verrechnet.
               Abwicklung der Gasflüsse ein streng formali-
               sierter und automatisierter Datenaustausch.                                                                   Ab 1. 1. 2013 müssen die Versorger an den Ein-
               Die Zuordnung der Gasflüsse zu den einzel-                                                                    und Ausspeisepunkten Gebühren entrichten
               nen Teilnehmern sowie der Inanspruchnahme                                                                     (Entry-, Exit-Fees), womit ein Teil der Netzkos-
               von Ausgleichsenergie zum Ausgleich von Un-                                                                   ten nicht mehr in den Netztarifen abgegolten,
               gleichgewichten erfolgt für die beabsichtigten                                                                sondern mit dem Preis für das Gas verrechnet
               Ein- und Ausspeisungen durch den MGM (ex-                                                                     wird. Die Kosten der jeweiligen Verteilernetze
               ante), die Zuordnung der tatsächlichen Anlie-                                                                 werden so wie bisher den daran angeschlosse-
               ferungen und Verbräuche sowie dabei aufge-                                                                    nen Endkunden nach Arbeit und Leistung ver-
               tretenen allfälligen Ungleichgewichten erfolgt                                                                rechnet.

               FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                                                                                                                                       21
GAS

                                   Wie(so) wird Erdgas gespeichert?
                                   Erneuerbare Energie, saisonale Schwankungen, Vorsorge gegen Lieferschwierigkei-
                                   ten – Gasspeicherung wird immer wichtiger. Auch in Österreich, wo hervorragende
                                   Voraussetzungen dafür bestehen.

                                   Viele Gründe sprechen dafür, einen Erdgas-                   wenn das Gas günstig ist; später ist man we-
                                   vorrat anzulegen: Zunächst erhöht die Spei-                  niger auf teure Zukäufe angewiesen und kann
                                   cherung die Versorgungssicherheit, sollte es                 flexibler auf die Marktentwicklung reagieren.
                                   einmal zu Lieferproblemen kommen. Neben
                                   diesem eher seltenen Fall tritt ein anderer                  In der Regel wird im Sommer mehrheitlich
                                   immer wieder ein: Der Bedarf an Erdgas ist                   eingespeichert, im Winter per Saldo ausge-
                                   ebensowenig gleichmäßig gegeben wie der                      speichert. Noch größer wird der Bedarf nach
                                   Strom- oder Heizbedarf. Um also für Spitzen im               Speicherung im Hinblick auf die Zunahme des
                                   Verbrauch und saisonale Schwankungen bes-                    Anteils von erneuerbarer Energie an der Strom-
                                   ser gerüstet zu sein, speichert man ein. Dazu                erzeugung: Wenn der Wind die Windräder und
                                   kommt der Faktor der Wirtschaftlichkeit, denn                die Sonne die Fotovoltaik-Anlagen im Stich
                                   auch der Preis ist nicht immer gleich. So kön-               lässt, braucht es einen Ausgleich, auf den man
                                   nen im besten Fall die Lager gefüllt werden,                 sich wirklich verlassen kann.

Erdgasspeicher als Instru-
ment zur Abdeckung von
Spitzenverbrauch und zum
                                                              Einspeicherung
Ausgleich saisonaler Schwan-
kungen. Einlieferung ins Netz
vs. Abgabe an Kunden
                                Speicherverwendung

                                                                               Ausspeicherung
                                                                 Juni
                                                     Jänner

                                                                                  Dezember

                                                                                                                Erdgasimporte und Produktion
                                                                                                                                                 Grafik: FGW

                                                                                                                Lieferungen an Industriekunden
                                                                                                                Lieferungen an Haushaltskunden

22                                                                                                                      FORUM SPECIAL 6[2012]
GAS
Foto: RAG

            Österreich nimmt eine internationale Spitzen-    moderne Gasspeicherung mittlerweile weitge-      Erdgasspeicher Haidach
            position ein, was die Speicherung – gemessen     hend unsichtbar statt – nämlich unterirdisch.
            am Jahresverbrauch – betrifft. Hierzulande       Eine Variante davon sind Kavernenspeicher,
            sind bereits Speicher mit einer Kapazität von    welche etwa in ausgeförderten Salzstöcken
            rund sieben Milliarden Kubikmetern Erdgas        eingerichtet werden. Diese Hohlräume kön-
            in Betrieb, weitere Projekte befinden sich im    nen sich in Tiefen von bis zu 2.500 m befinden
            Entwicklungsstadium. Etwa drei Viertel des ös-   und werden beispielsweise in Deutschland
            terreichischen Jahresbedarfs stehen auf Abruf    verwendet. Dort – in Gronau/Epe (Nordrhein-
            bereit.                                          Westfalen) – befindet sich die weltweit größte
                                                             Anlage dieser Art. Auch die OMV Gas Storage
            Zurück zum Ursprung                              Germany errichtet derzeit einen Kavernenspei-
                                                             cher im deutsch-niederländischen Grenzgebiet
            Viele werden sich noch an die früher nicht aus   bei Etzel. In Frankreich benutzt man besonders
            dem Stadtbild moderner Metropolen wegzu-         Aquiferspeicher, in denen Wasser in Lagerstät-
            denkenden „Gasometer“ erinnern, die lange        ten durch Erdgas ersetzt wird.
            Zeit gleichbedeutend mit Gasspeicherung wa-
            ren. Wenngleich es sie immer noch vereinzelt     In Österreich kommen aufgrund hervorra-
            gibt (z.B. zwei Kugelgasbehälter in der Wiener   gender geologischer Voraussetzungen andere
            Leopoldau), spielen sie heute eine unterge-      Methoden der Untertagespeicherung zur An-
            ordnete Rolle. Wie der Gastransport findet die   wendung: Beim sogenannten Porenspeicher

            FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                     23
GAS

Schematische Darstellung
eines Porenspeichers

Erdgasspeicher 7Fields,                            Grafik: OMV
Anlagendetail
                                                      Foto: RAG

24                         FORUM SPECIAL 6[2012]
GAS

                                          Einspeicher-   Entnahme-   Arbeitsgas- Anteil am       OMV ERDGASSPEICHER
                                              rate          rate      volumen gesamten
                                                                                                 RAG ERDGASSPEICHER
                                             m3/h          m3/h       Mio. m3    Arbeitsgas-
                                                                                  volumen        RAG JOINT VENTURE ERDGASSPEICHER

              Schönkirchen                  650.000       960.000      1.780       23,9 %
              OMV                                                                                                                           SCHÖNKIRCHEN
                                                                                                                                    WAG     TALLESBRUNN
              Tallesbrunn                   125.000       160.000        400        5,4 %
              OMV                                                                                  PENTA            HAAG
                                                                                                   WEST
              Thann                          115.000      130.000        250        3,4 %               PUCHKIRCHEN
              OMV
                                                                                                    HAIDACH
              Puchkirchen/Haag              520.000       520.000      1.100       14,8 %                                                                         HAG
              RAG                                                                                             HAIDACH 5
              Aigelsbrunn                    50.000        50.000        100        1,3 %                                 THANN
              RAG                                                                                         AIGELSBRUNN
                                                                                               7FIELDS
              Haidach 5                      20.000        20.000         16        0,2 %
              RAG

              Haidach                     1.100.000      1.100.000     2.640       35,4 %                                                     TAG
              RAG/Wingas/Gazprom Export

              7Fields                       405.030        607.000     1.165       15,6 %
Grafik: FGW

              RAG/E.ON Gas Storage

              Österreich gesamt           2.985.030      3.547.000     7.451       100 %                                                     SOL

              werden die unterirdischen Hohlräume ehema-                         cher mit 100 Mio. m³ Arbeitsgasvolumen – wird            Erdgasspeicheranlagen und
              liger Gaslagerstätten wiederverwendet. Diese                       derzeit eine Machbarkeitsstudie durchgeführt.            Speicherkapazitäten in Öster-
              muss man sich jedoch anders vorstellen als                                                                                  reich (Stand: 31. 12. 2011)
              Höhlen oder Kavernen. Vielmehr handelt es                          RAG                                                      (Quellen: E-Control; GSE,
              sich dabei um Schichten porösen Gesteins, die                                                                               www.gie.eu.com, FGW)
              das Gas ähnlich aufsaugen und speichern, wie                       Die Lagerung von Öl war bereits seit längerer
              Schwämme dies mit Flüssigkeiten tun. So wird                       Zeit Teil der Geschäftstätigkeit der RAG, ab 1982
              das Erdgas mit einem Druck von 100–120 bar                         kamen auch Erdgasspeicher in größerem Um-
              dorthin gepumpt, wo es früher auch über Jahr-                      fang dazu. In diesem Jahr ging der Speicher
              millionen auf natürliche Weise gelagert war.                       Puchkirchen mit einer Kapazität von (nach
                                                                                 dem Vollausbau 2010) 1,1 Mrd. m3 in Betrieb.
              OMV                                                                Ein noch viel größerer Speicher ist 2005–2007
                                                                                 in Haidach an der Grenze zwischen Salzburg
              Die OMV betreibt bereits seit den 1970er-Jahren                    und Oberösterreich entstanden. Die RAG er-
              Gasspeicher in Österreich, sie befinden sich in                    richtete diesen zweitgrößten Speicher Mitteleu-
              Thann (an der Grenze zwischen Oberösterreich                       ropas in einem Joint Venture mit der russischen
              und Niederösterreich) sowie Schönkirchen                           Gazprom export und der deutschen WINGAS.
              und Tallesbrunn unweit des Gasknotenpunkts                         Ebenfalls im Verbund mit einem deutschen
              Baumgarten an der March. Diese Speicher ha-                        Partner, der EGS (E.ON Gas Storage), wurde der
              ben eine Kapazität von insgesamt 2,43 Mrd. m³,                     Speicher 7Fields gebaut. Wie der Name bereits
              die demnächst noch erheblich vergrößert wer-                       andeutet, handelt es sich dabei (einzigartig in
              den soll. Das Projekt Schönkirchen-Tief wird                       Europa) um einen Zusammenschluss mehrerer
              in zwei Ausbaustufen realisiert: ab 2014 mit ei-                   ehemaliger Gasfelder in Salzburg und Oberös-
              nem Arbeitsgasvolumen von 900 Mio. m³, 2018                        terreich, die über Leitungen mit einer gemein-
              folgt eine Erweiterung um 700 Mio. m³. Für ein                     samen Sammel- und Messstation verbunden
              weiteres Speicherprojekt (16. TH) in der Nähe                      sind. Mittlerweile ist die Gasspeicherung zum
              von Baumgarten – einen Hochleistungsspei-                          wichtigsten Geschäftsfeld der RAG geworden.

              FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                                                  25
GAS

      Was macht Gas so sicher?
      Ständige Wartung und Kontrolle durch die Netzbetreiber sind das Um und
      Auf einer sicheren Gasversorgung. Dazu kontrolliert eine unabhängige Stelle
      die Kontrollore und sorgt dafür, dass auch immer der letzte Stand der Technik
      angewendet wird.

      In den Köpfen vieler Menschen spukt immer         gerichtet. Selbstverständlich steht rund um die
      noch das Gespenst vom giftigen und extrem         Uhr ein Bereitschaftsdienst zur Verfügung, der
      leicht entflammbaren Gas. Dabei liegt der         im Fall einer Störung innerhalb kürzester Zeit
      Zündpunkt von Erdgas (600 °C) genau genom-        eingreifen kann. Doch auch wenn keine Fehl-
      men sogar fast doppelt so hoch als der des tat-   funktion auftritt, werden laufend Wartungen
      sächlich hochgiftigen Benzins (360 °C). Eine      und Inspektionen durchgeführt: Die Trassen
      andere Art Gas war wohl einmal toxisch: Zu        der Pipelines werden mit Fahrzeugen abge-
      Beginn des 20. Jahrhunderts gab es zahlreiche     fahren, aus der Luft per Helikopter kontrolliert
      Todesfälle durch Vergiftung, die wohl für das     und einmal pro Jahr sogar von Anfang bis Ende
      gefährliche Image gesorgt haben. Das Stadt-       abgegangen.
      gas von damals wurde jedoch künstlich aus
      Kohle erzeugt und enthielt eine große Menge       Eine besonders intelligente Lösung wurde für
      an gefährlichem Kohlenmonoxid. Chemisch           die Untersuchung des Innenlebens der Rohr-
      gesehen hat es fast nichts mit dem heute ver-     leitungen gefunden: An beiden Enden der
      wendeten natürlichen Erdgas zu tun, das aus       einzelnen Pipeline-Abschnitte sind Schleusen
      reinem Methan besteht und ungiftig ist. (Un-      installiert, die sogenannte „Molche“ aufneh-
      fälle, von denen man heute erfährt, gesche-       men können. Diese haben etwa die Form ei-
      hen auf Grund schlecht gewarteter Endgeräte;      nes Zylinders und bestehen aus Gruppen von
      dabei ist Todesursache nicht eine Gasvergif-      Scheiben, die für den jeweiligen Rohrdurch-
      tung, sondern Sauerstoffmangel.) Freilich soll    messer „maßgeschneidert“ werden. In einem
      Erdgas dennoch nicht eingeatmet werden und        ersten Schritt schieben „Reinigungsmolche“
      ist – zum Glück für einen Brennstoff – brenn-     Verunreinigungen und eventuell angefallene
      bar, daher unternehmen die Gasversorger und       Flüssigkeit bis zur nächstgelegenen Schleuse,
      Netzbetreiber große Anstrengungen, das Netz       wobei sie vom Gasdruck angetrieben werden.
      sicher zu erhalten.                               In der Folge kommt ein „intelligenter“ Inspek-
                                                        tionsmolch zum Einsatz, der sehr empfindliche
      Kontrolle innen und außen                         Sensoren besitzt und damit die Innenwand der
                                                        Pipeline auf kleinste Schäden hin untersucht.
      Die großen Leitungssysteme unserer Gasver-        Dazu wird die Rohrwand magnetisiert, der
      sorgung werden heute vollautomatisch gesteu-      Molch registriert selbst kleinste Verzerrungen
      ert und die Steuerung wiederum überwacht.         im Magnetfeld, während er mit 3,5 Metern pro
      Entlang der Netze sind Wartungszentren ein-       Sekunde vorbeigleitet. Aufgrund dieser Ergeb-

26                                                                              FORUM SPECIAL 6[2012]
GAS

                                                                                                                                       Sicherheit beim Transport
                                                                                                                                       und in der Anwendung:
                                                                                                                                       Inspektions-Molch (links)
                                                                                                                                       und Gasgerätewartung
                                                                                                                                       (rechts)

                                                                                                                  Foto: Wien Energie
Foto: EVN

            nisse finden Reparaturen – sollten sie nötig        Umweltstandards überprüft. Neben den we-
            sein – effektiv und punktgenau an der richtigen     sentlich strengeren österreichischen Kriteri-
            Stelle statt.                                       en zur Verleihung der ÖVGW-Qualitätsmarke
                                                                übernimmt die Vereinigung auch die Prüfung,
            Zertifizierung                                      ob Produkte der EU-Gasgeräterichtlinie ent-
                                                                sprechen und vergibt dafür das CE-Zeichen,
            Während sich die Gasnetzbetreiber im Normal-        das die Zulassung eines Gasgeräts für den eu-
            fall selbst um die Überwachung und regelmä-         ropäischen Binnenmarkt bedeutet.
            ßige Wartung von Leitungen und anderen An-
            lagen kümmern, nimmt sich darüber hinaus in
            einer so sensiblen Materie wie der Gasversor-
                                                                           Die Österreichische Vereinigung
            gung auch eine unabhängige Instanz der Qua-
                                                                         für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW)
            litätssicherung an: Die Österreichische Verei-
            nigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW)
                                                                  Seit ihrer Gründung im Jahr 1881 ist die ÖVGW
            führt als staatlich anerkannte Stelle Zertifizie-     ein zentraler Ansprechpartner für die Branche. Ein
            rungen durch – Prüfverfahren, an denen die            gemeinsames Ziel ist, dass Gesetze in der Pra-
            meisten heimischen Gasnetzbetreiber (auch             xis funktionieren. So wird auch versucht, durch
            die größten Versorger von Wien, Linz, Graz und        Stellungnahmen in diesem Sinne Einfluss auf die
            Salzburg sowie die niederösterreichische EVN)         Gesetzgebung zu nehmen. Innerhalb der ÖVGW
                                                                  werden technische Fragen erörtert, die Auswirkungen
            mitwirken.
                                                                  der neuesten Erkenntnisse auf die Gaswirtschaft
                                                                  bewertet und Richtlinien erarbeitet. Eine Grundlage
            Zertifiziert können Personen oder gesamte Un-         davon stellen etwa Expertentreffen oder die Vergabe
            ternehmen werden und damit ihre besondere             von Forschungsaufträgen dar.
            Befähigung zur Durchführung bestimmter Auf-           Die verbindlichen Regeln der Vereinigung ermög-
            gaben nachweisen. Dabei ist bei Qualität und          lichen einen einheitlichen hohen technischen
            Sicherheit natürlich immer der aktuelle Stand         Standard im Umgang mit Erdgas. Das gesammelte
                                                                  Know-how wird in Form von Kursen, Tagungen und
            der Technik zu beachten. Ein wichtiges Gebiet
                                                                  Fachveranstaltungen weitergegeben. Besonders
            ist das Testen von Materialien, die in der Gas-       wichtig sind die regelmäßigen, praxisbezogenen
            versorgung, Gasverteilung oder Gasanwen-              Schulungen für die Beschäftigten der Unternehmen
            dung zum Einsatz kommen. Ihre Lebensdauer             – vom Spezialkurs über Gebrechensbehebung zur
            wird ebenso erprobt wie die Zuverlässigkeit,          Ausbildung zum Kunststoffrohrleger oder zur „sach-
            weiters die Einhaltung der österreichischen           kundigen Person“ im Umgang mit Erdgasautos.

            FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                                                 27
GAS

                              Wo wird Erdgas verwendet?
                              Es gibt fast nichts, das es nicht gibt, wenn es um die Einsatzmöglichkeiten von
                              Erdgas geht. Der Appetit nach dem wertvollen Rohstoff ist allerdings in man-
                              chen zentralen Wirtschaftsbereichen besonders groß.

                              Im Haushalt                                        mal das früher problematische (und toxische)
                                                                                 Stadtgas mittlerweile längst (in Wien seit der
                              Zunächst denkt man bei der Verwendung von          Umstellung in den 1970-er Jahren) durch das si-
                              Erdgas meist an das eigene Zuhause. In den         chere und ungiftige Erdgas ersetzt ist. Dennoch
                              Anfängen der Gasnutzung noch vor allem zur         beträgt der gesamte Verbrauch der österrei-
                              Beleuchtung eingesetzt, folgten später die         chischen Haushalte nur rund ein Sechstel des
                              Warmwasserbereitung, der Gasherd und natür-        jährlichen Erdgasbedarfs, darin sind auch noch
                              lich die Gasheizung, die sich in den 1960er-Jah-   sämtliche Anwendungen in der Landwirtschaft
                              ren endgültig durchsetzte. Durch den extremen      eingeschlossen. In Wirklichkeit wird also nur
                              Boom erreichte man etwa in Wien bereits 1964       eine relativ geringe Menge in privaten Woh-
                              eine Nachfrage nach Gasmengen, die zwar            nungen konsumiert – eine große sorgt für das
                              noch produziert, aber durch die damals man-        Funktionieren heimischer Industriebetriebe.
                              gelnden Rohrkapazitäten nicht mehr in alle
                              Wohngebiete transportiert werden konnten.          In der Industrie

                              Alle drei Hauptanwendungen erfreuen sich           Den größten Anteil (38 %) am Verbrauch hat
                              auch heute nach wie vor großer Beliebtheit, zu-    heute der produzierende Sektor – die Industrie

Erdgas im Haushalt: Kochen,
Warmwasserbereitung und
Heizung
                                                                                                                                   Fotos: shutterstock.com

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GAS

                                                                                          Erdgas in der Praxis

                     benötigt Erdgas als Produktionsenergie, zur Er-       • Industrie: Prozesswärme, Rohstoff, Energieerzeu-
                                                                             gung
                     zeugung von Strom, Kälte, Dampf, Warmwas-
                     ser oder auch zur Beheizung von Werkshallen.          • Kraftwerke: Stromerzeugung, Wärmeproduktion
                     Es hat als effizienter und schadstoffarmer Ener-      • Heizwerke: Wärmeproduktion für Nah- und Fern-
                     gieträger entscheidende Vorteile: So eignet es          wärme, Energie für Fernkälte
                     sich speziell für hohe Prozesstemperaturen            • Gewerbe: Produktions- und Raumwärme, Warm-
                     und automatisierte Produktionsabläufe, kann             wasser, Klimatisierung
                     optimal geregelt werden und verbrennt bei             • Haushalt: Kochen, Heizen, Warmwasser, Mini-
                     sehr hohen Wirkungsgraden, nutzt also den               Kraftwerke zur Stromerzeugung
                     Energieinhalt zu einem besonders großen Teil.         • Landwirtschaft: Düngemittelproduktion
                                                                           • Verkehr: Treibstoff für Autos, Busse, LKW, Schiffe
                     Auf Oberösterreich allein entfällt rund ein
                     Fünftel des österreichischen Erdgasverbrauchs
                     – mehr als die Hälfte davon wird von den dor-
                     tigen leistungsstarken Industriebetrieben zur      Härtevorgänge, zur Nachverbrennung COH2-
                     Produktion benötigt. Der Bedarf von Unter-         haltiger Abgase aus Eisenöfen, zur Schrotter-
                     nehmen wie der Voestalpine Stahl GmbH ist          wärmung und zum Aufheizen beziehungsweise
                     beachtlich: Konjunkturelle Hochphasen kön-         Warmhalten von Gießpfannen ein. Die Glas-
                     nen einen Konsum von mehr als 250 Millio-          industrie schmilzt und die Keramikindustrie
                     nen m3 pro Jahr für die Energieerzeugung, die      brennt ihre Rohstoffe – angefeuert von Erdgas.
                     Stahlproduktion sowie in den Warm- und Kalt-       Infrarot-Trocknungsanlagen aus dem High-
                     walzwerken mit sich bringen. Dank Erdgas las-      tech-Bereich der Papierindustrie werden damit
                     sen sich bestimmte Abläufe in der Produktion       betrieben, auch das Schmelzen des Gemen-
                     überhaupt erst realisieren oder zumindest op-      ges oder Abflämmen von Glasbeschichtungen
                     timieren: beispielsweise Trocknungsprozesse.       funktioniert mit Gas am besten. Nicht zuletzt
                     Die Abgaswärme kann man hier mit Hilfe von         ist es mit dem saubersten fossilen Brennstoff
                     Wärmerückgewinnung nutzbringend für weite-         auch einfacher, geltende Emissionsvorschrif-
                     re Arbeitsprozesse einsetzen.                      ten einzuhalten.

                     Die steirische Stahlindustrie setzt Energie aus    Weitere wichtige Einsatzgebiete liegen in der
                     Erdgas für Glüh- und Wärmeprozesse sowie für       industriellen Energieerzeugung – so zum Bei-

                                                                                                                                                      Erdgas zur Erzeugung von
                                                                                                                                                      Prozesswärme und als
                                                                                                                                                      Rohstoff in der ­industriellen
                                                                                                                                                      Produktion
                                                                                                                             Foto: shutterstock.com
Foto: E.ON Ruhrgas

                     FORUM SPECIAL 6 [2012]                                                                                                                                      29
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