ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg

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ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg
Der Markt
I N         M I T T E L D E U T S C H L A N D
Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer Magdeburg
                                                          9/2018

IHK-Freizeitbarometer 2018

BESUCHERMAGNET

ZOO
ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg
ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg
EDITORIAL

                                                                                                   Foto: Hotel Ratswaage Magdeburg

der Sachsen-Anhalt-Tourismus wächst weiter.       es nicht darum, Trends nur um des Trends we-
Immer mehr Gäste kommen in unser schö-            gen hinterher zu laufen und sich zu verbiegen.
nes Bundesland. Das vergangene Jahr war für       Vielmehr stehen Authentizität und Glaubwür-
das Gastgewerbe in Sachsen-Anhalt mit einem       digkeit im Vordergrund, um nicht die Gäste-
Umsatzwachstum von 5,0 Prozent insgesamt          wünsche aus den Augen zu verlieren. Das ist
ein gutes Jahr. Das bestätigen auch die regel-    sicherlich keine leichte Aufgabe für die Un-
mäßigen IHK-Saisonumfragen.                       ternehmer inmitten des Alltagsgeschäfts mit
                                                  dem stetig steigenden Verwaltungsaufwand.
Das ist die gute Nachricht. Es gibt aber auch     Dennoch gibt es sie, die Unternehmer mit au-
eine andere. Die Branche steht vor großen         ßergewöhnlichen und mutigen Projekten und
Herausforderungen. Wir sprechen über Nach-        Ideen im Marketing, in der Nachwuchsfindung
wuchs- und Fachkräftemangel, über Überalte-       oder Mitarbeiterbindung.
rung, über Konkurrenz durch Kettenhotellerie
vor allem in den Städten – die Liste ist lang.    Seien Sie gewiss: Diesen Herausforderungen
Auf dem Land mussten nicht wenige Gast-           wollen und werden wir uns stellen. Um im
stätten und Pensionsbetriebe bereits aufge-       besten Sinne des Wortes weiterhin gute Gast-
ben. Weitere werden in den nächsten Jahren        geber zu sein.
folgen. Der Hauptgrund ist, dass viele Betrie-
be beim Generationswechsel keinen Nachfolger
finden. Hinzu kommen aufgeschobene Inves-
titionen, die zuweilen schwierige Ertragssitua-
tion der Branche und in nicht wenigen Fällen
auch fehlende zeitgemäße Konzepte.

Die Welt verändert sich. Auch in der Gastrono-
mie und Hotellerie. Wer dauerhaft erfolgreich
bleiben will, muss selbst aktiv sein. Er muss
den Markt und seine Gäste kennen und auf
Trends reagieren. Dazu gehören kreative An-                                                                                          Detlef Dahms
gebote oder zukunftsträchtige Geschäftside-                                                                                          Geschäftsführer des Hotels Ratswaage
en genauso wie ein erfolgversprechender Weg                                                                                          Magdeburg und Vorsitzender des
zur Gewinnung von Fachkräften. Dabei geht                                                                                            Tourismusausschusses der IHK Magdeburg

DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                                                           3
ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg
TITELTHEMA
Foto: watman - Fotolia

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Tourismus und Gastgewerbe im Norden von Sachsen-Anhalt
Kaum Personal, ungünstige Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung. Sieht so die Zukunft von Tourismus und Gastgewerbe in Sachsen-Anhalt aus ?
Unsere Reporter haben sich umgesehen. Sie haben Gastronomen, Hoteliers und Freizeitanbieter in der Altmark und im Harz besucht: Sylvia
Kaiser, Betreiberin und Inhaberin der Pension Forsthaus Georgshöhe, Hotelchef Burghard Bannier (Foto, 2.v.l.) in Arendsee, Hotel-Geschäfts-
führerin Kerstin Nagy in Wernigerode und Christel Zeitz in Immekath, die dort einen Familienbetrieb in vierter Generation führt. Die Reporter
kamen zu - auch für uns - überraschenden Ergebnissen.

   TITELTHEMA                                                        IHK-REGIONAL                                IHK-INTERNATIONAL
18 2025 will Magdeburg                                            26 Führungswechsel bei                      38 Plattform der
   Kulturhauptstadt sein                                             Chocotech in Wernigerode                    Möglichkeiten
                         Wir sprachen mit Tamás Szalay,             Dipl.-Ing. Erhard Hilker, der das auf        Erfahrungen und Kenntnisse
                         Leiter des Bewerbungsbüros                 den Bau von Süßwarenmaschinen                austauschen, Kontakte knüpfen,
                         Magdeburg 2025, über das Wesen             spezialisierte Unternehmen Chocotech         Kooperationen anstoßen, das
                         der Kulturhauptstadt, das Potenzial        seit 2001 führt, geht in den                 ermöglicht die deutsch-schwedische
                         Magdeburgs und Möglichkeiten für           Ruhestand. Dr. Maik Dierks übernimmt         Innovationsplattform German Swedish
                         Unternehmer, die Bewerbung zu              das Ruder.                                   Tech Forum.
                         unterstützen.
                                                                  28 Die ersten Energiescouts                 40 10. Gründungstag des
                                                                     im IHK-Bezirk Magdeburg                     Enterprise Europe Network
23 Größte Zuwächse                                                  2018 gingen 24 Auszubildende                 Die IHK Magdeburg und die
   für Zoos und Tierparks                                           aus elf Unternehmen erstmalig im             tti Technologietransfer und
                         Die Landesarbeitsgemeinschaft der          Rahmen des Projekts »Energie-                Innovationsförderung Magdeburg
                         Industrie- und Handelskammern              Scouts« auf die Suche nach Energie-          GmbH hatten Unternehmen und
                         in Sachsen-Anhalt hat das »IHK-            Einsparpotenzialen in ihren                  Partner eingeladen, anlässlich des
                         Freizeitbarometer Sachsen-Anhalt           Unternehmen und setzten ihre                 10. Jahrestages der Gründung des
                         2018« erstellt. Daran beteiligt            Projektideen um. Nun wurde der               Enterprise Europe Network gemeinsam
                         haben sich gut 200 touristische            Sieger gekürt.                               mit Arne Lietz, Europaabgeordneter
                         Einrichtungen im Land. Wir stellen die                                                  aus Sachsen-Anhalt, über eigene
                         wichtigsten Ergebnisse vor.                 MELDUNGEN                                   Erfahrungen in und mit Europa zu
                                                                                                                 diskutieren.
                                                                  36 Neuigkeiten
                                                                    aus Wirtschaft, Politik und der Region.   41 EU-Blocking-Verordnung
                                                                                                                 in Kraft getreten
                                                                                                                 Am 7. August ist ein erster Teil
                                                                                                                 der unter dem Nuklearabkommen
                                                                                                                 zwischenzeitlich ausgesetzten
                                                                                                                 Sanktionen der USA gegen den Iran
                                                                                                                 wieder in Kraft getreten.

4                                                                                                                       DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18
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BERUFSBILDUNG                              IHK-AKTIV                                   IHK-SERVICE

                                      42                                       51                                            58

Berufsschulstandorte Ausschuss besucht                                                  25 Jahre »Straße
in Sachsen-Anhalt    Stadtwerke Stendal                                                 der Romanik«
Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt            Die Mitglieder des Regionalausschusses      Die »Straße der Romanik« feiert
fordert Politik und Verwaltung im Land      Altmark der IHK Magdeburg trafen sich zu    ihren 25. Geburtstag, und zahlreiche
nachdrücklich zu Bemühungen auf, die        einer Sitzung bei den Stadtwerken Stendal   Ausstellungen und Bauwerke an Saale und
Berufsrahmenbedingungen zu verbessern.      in der Hansestadt.                          Unstrut laden mit speziellen Angeboten ein.

                                      ENERGIESPARSEMINAR                                              Unsere Energiesparseminare
                                      DES MONATS:                                                        sind für Sie kostenlos.

                                                                                                           BITTE VORHER
                                                                                                            ANMELDEN:
                                                                                                          Tel.: 0391 587-2154
                                                                                                          energieseminare@
                                                                                                          sw-magdeburg.de
                        am 26.09.2018, um 18.30 Uhr                                                     www.sw-magdeburg.de
                                                                                                           SWM Kundencenter
 Die Digitalisierung umfasst nicht nur den Produktionsprozess, sondern auch                                Am Alten Theater 1
smarte Lösungen für Energieeinsparung, Heizung und Klimatisierung. Darüber                                  39104 Magdeburg
hinaus finden sie Einsatz bei Systemen der Einbruchsicherheit und des Brand-
       schutzes. Wohin geht der Trend? Welche Modelle sind sinnvoll?                                  PS: Die Anfahrt mit der MVB
                                                                                                     lohnt sich, wir schenken Ihnen
          Referent: Robert Jurrmann, Firma GS Gebäudesysteme und
                                                                                                           das Rückfahrticket.
                        Michael Senner, Firma Hager

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TITELTHEMA

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DIE KLAGE HÖRT
                                      MAN IMMER WIEDER:
                                      kaum Personal, ungünstige
                                      Arbeitszeiten, schlechte
                                      Bezahlung. Sieht so die Zukunft
                                      von Tourismus und Gastgewerbe
                                      in Sachsen-Anhalt aus ?

                                      WIR WOLLTEN ES
                                      GENAU WISSEN.
                                      Unsere Reporter haben
                                      sich umgesehen. Sie haben
                                      Gastronomen, Hoteliers und
                                      Freizeitanbieter in der Altmark
                                      und im Harz besucht. Und sie
                                      kamen zu - auch für uns -
                                      überraschenden Ergebnissen.
                                                                        Foto: Frank Drechsler

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TITELTHEMA

WIE
GEHT
DAS                                                    Geschäftsführerin Sylvia Kaiser freut sich, dass sie mit
                                                            ihrem Blockhaus den Nerv der Zeit getroffen hat.

                         Wer in der Pension Forsthaus Georgshöhe unweit des
                    Hexentanzplatzes einchecken möchte, der ist gut beraten, dies
                      rechtzeitig zu tun. Denn während anderswo die tatsächliche
                  Auslastung den Wünschen der Betreiber schon mal hinterherhinkt,
                 sollte man bei Betreiberin und Inhaberin Sylvia Kaiser Anmeldungen
                   mindestens ein halbes Jahr im Voraus tätigen. Eher noch früher.
                      Und das, obwohl die Pension doch eher abseits des üblichen
                             Touristenmainstreams liegt. WIE GEHT DAS?

8                                                                       DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18
ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg
von FRANK DRECHSLER                                  Das kommt bei allen sehr gut an.« Die Trends          Thale. Es wurde ausgebaut, nach und nach

                             D
                                                                                  und aktuellen Themen, die Sylvia Kaiser ver-          entstanden das Harzer Gästehaus, dann das
                                         as Erfolgsrezept ist simpel: Mit zeit-   folgt, gehen immer mit der Modernisierung             Blockhaus im kanadischen Stil. Das Interieur ist
                                         gemäßem Marketing sorgt Sylvia           und gleichzeitigen Veränderungen im tag-              rustikal, aber bei weitem nicht von der Stange.
                                         Kaiser fast immer für ein über Mo-       täglichem Ablauf einher. Digitalisierung und          Die Gäste sollen sich ja wohlfühlen und nach
                                         nate im Voraus ausgelastetes Haus.       Nachhaltigkeit bei hoher Qualität der Ange-           Möglichkeit wiederkommen. Es gibt eine Sau-
                             Facebook, immer mehr aber auch Instagram             bote seien die besten Instrumente, die der            nahütte und einen Grillplatz, mit Feuerstelle,
                             sind die Plattformen, auf die die gelernte Steu-     Gastronomie Wege aus der Krise aufzeigten.            die aber nur benutzt wird, wenn es die Um-
                             erfachgehilfin setzt. »Natürlich machen wir          Gerne dürfen es auch mal ungewöhnliche Ak-            stände und das Wetter erlauben.
                             auch die üblichen Aktionen wie Postkarten,           tionen sein, wie ein gut besuchter Tag der of-          Das erreiche man nur mit Nachhaltigkeit und
                             legen Flyer und Prospekte aus. Das reicht aber       fenen Tür oder aber die Teilnahme der Pensi-          Qualität. So gibt es am reichhaltigen Früh-
                             schon lange nicht mehr und wird angesichts           on an der VOX-Doku-Reihe »Mein himmlisches            stücksbuffet immer auch frische und selbst-
                             der Papierberge von vielen auch gar nicht mehr       Hotel«. Hierbei prüfen Hoteliers und Pensions-        gemachte Marmeladen, Dips und Aufstriche.
                             so wahrgenommen. Man muss sich abheben,              betreiber die jeweils anderen Häuser der Kan-         Dazu hausgebackenes Brot und viele ande-
                             wenn man dauerhaft erfolgreich sein möch-            didaten. »Alles, aber auch wirklich alles wurde       re Leckereien, die einen gesunden Start in
                                                                                                                                                                 den Morgen abrun-
                                                                                                                                                                 den würden. Auch
                                                                                                                                                                 Wild kommt hier mal
                                                                                                                                                                 auf den Tisch. Das al-
                                                                                                                                                                 les hat natürlich auch
                                                                                                                                                                 seinen Preis. Bis heute
                                                                                                                                                                 sei schließlich so eini-
                                                                                                                                                                 ges investiert worden,
                                                                                                                                                                 sagt Sylvia Kaiser. Mit
                                                                                                                                                                 Billigangeboten sei
                                                                                                                                                                 das nicht zu machen.
                                                                                                                                                                 Das Preissegment sei
                                                                                                                                                                 angemessen, aber kei-
                                                                                                                                                                 neswegs zu teuer. Das
                                                                                                                                                                 alles habe nicht nur
                                                                                                                                                                 die Bindung zu den
                                                                                                                                                                 Gästen erhöht, son-
                                                                                                                                                                 dern auch zu einer
                                                                                                                                                                 deutlich höheren Ver-
                                                                                                                                                                 weildauer geführt.
                                                                                                                                                                 Gut eine Woche seien
                                                                                                                                                                 die meisten zu Gast,
                                                                                                                                                                 ein sehr guter Durch-
                                                                                                                                                                 schnitt.
                                                                                                                                                                   Die Modernisierun-
                                                                                                                                                                 gen werden natürlich
                                                                                                                                                                 weitergehen, das steht
Fotos (2): Frank Drechsler

                                                                                                                                                                 für Sylvia Kaiser fest.
                                                                                                                                                                 Stehenbleiben hieße ja
                                                                                                                                                                 Rückschritt. Zunächst
                                                                                                                                                                 aber werde an den
                                                                                                                                                                 kleineren Stellschrau-
                             Rustikal gemütlich sind die Zimmer im Blockhaus eingerichtet, das zur Pension Forsthaus Georgshöhe gehört.
                                                                                                                                                            ben gedreht. Die Dienstplä-
                             te«, erklärt die 49-Jährige. Facebook und In- unter die Lupe genommen und auf Herz und ne stehen seit kurzem nicht mehr auf dem Pa-
                             stagram seien heute die Medien, mit denen Nieren geprüft. Das hat uns sehr viel Aufmerk- pier. Eine App auf dem Smartphone macht‘s
                             man bevorzugt seine Zielgruppe erreichen und samkeit beschert und viele Buchungen.«                        möglich. »So sind wir alle miteinander vernetzt.
                             auf sich aufmerksam machen könne. Hier habe             Übernommen hat Sylvia Kaiser das Anwesen Eine Zettelwirtschaft, bei der schnell mal et-
                             man einen direkten Draht zu seinen poten- im Jahr 2012 von ihren Eltern Helga und Hans- was durcheinander kommen kann, gibt es bei
                             ziellen Kunden. Diese würden als so genann- Jürgen. Diese hatten die alte, ursprüngliche uns nicht mehr. Gebaut werden soll natürlich
                             te Follower alles verfolgen, was sich auf der Georgshöhe, die sich nur wenige hundert Me- auch, aber nach und nach und nach Finanzla-
                             Georgshöhe so tue. Welche Veränderungen es ter von der heutigen Pension befand, als Aus- ge. Und, wenn es die Lage im Handwerk zulas-
                             gebe. Aber auch, was zurzeit umgebaut oder flugslokal bis zur politischen Wende betrieben. se. Lange Wartezeiten seien hier längst allge-
                             erneuert werde. Auch Gutscheine biete sie des Als sich die Gelegenheit ergab, das schmucke genwärtig. Man brauche schon einen langem
                             Öfteren an. Und: »Es wird immer mal wieder Forsthaus, in dem die beiden jetzt und auch Atem, um einen Handwerker zu bekommen.
                             ein nettes Foto gepostet, hier sagen wir ger- Sylvia Kaiser wohnen, zu erwerben, kauften sie Dann könnte man ja das nächste Projekt, ein
                             ne Danke für den Besuch in unserer Pension. das Grundstück samt Gebäude von der Stadt so genanntes Schlaf-Fass realisieren.

                             DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                                       9
ZOO - Der Markt - IHK-Freizeitbarometer 2018 - IHK Magdeburg
TITELTHEMA

              Ausländische Azubis
                bringen ein Stück
                   Mentalität mit
                   von CHRISTIAN WOHLT

                   M
                             alerisch liegt das Flair Ho-   wieder erzählt Hotelchef Burghard
                             tel »Deutsches Haus« am        Bannier seinen staunenden Gäs-
                             »altmärkischen Meer« im        ten von der Zeit, als die Grenze hier
                   gleichnamigen Städtchen Arendsee.        noch das Land teilte. Bewohner und
                   Im Jahr 1838 nach einem Stadt-           Besucher des grenznahen Raumes
                   brand wiederaufgebaut und viele          mussten mit vielen Einschränkun-
                   Jahre lang als Preußische Poststa-       gen und Kontrollen leben. Die BRD
                   tion genutzt, zählt das markante         galt für die Regierenden in der DDR
                   Gebäude zu den wichtigsten tou-          schließlich als feindliches Ausland.
                   ristischen Anziehungspunkten. Das           »Ich hatte immer einen Drang
                   Gewölbe aus dem 15. und 16. Jahr-        nach draußen und bin damals ab-
                   hundert verweist auf eine noch viel      gehauen«, berichtet Bannier. In
                   längere Vergangenheit.                   den Westen türmen und die Fami-
                      Nur wenige Kilometer weiter be-       lie im Stich lassen wollte er nicht.
                   gann einst das Sperrgebiet. Immer        Für drei Jahre wurde daher die

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tschechoslowakische Hauptstadt Prag sein           Leute für meine Branche aus, indirekt profi-         Ein teures Studium kam nicht infrage, und
Wohn- und Arbeitsort. Noch heute schwärmt          tieren wir auch«, sagt der Unternehmer, der in    einen guten Ausbildungsplatz zu finden, ist in
er von der Zeit, die sein Leben bereicherte. »Es   der IHK Magdeburg und dem Fachverband DE-         Sri Lanka fast ein Ding der Unmöglichkeit. In
war mein Wunsch, mich im Ausland zu integ-         HOGA aktiv ist. Die Azubis erlernten bei ihm      Deutschland werden Azubis hingegen hände-
rieren und in der Menge unterzugehen«, sagt        nicht nur ihr Handwerk, sondern brachten an-      ringend gesucht, erst recht in der Gastronomie.
er. Das sei ihm gelungen. »Ich habe ein Stück      dere Sichtweisen und einen Teil ihrer Kultur      Was lag da näher, als den Jungen nach Arend-
Mentalität mitgenommen«, so der Hotelier.          mit. Das führte natürlich auch zu Problemen.      see zu holen? Nicht für immer, das ist beiden
Diese positive Erfahrung des Lebens, Lernen        Größte Hürde bei allen: die Sprache. Diese sei    Seiten klar. Vielleicht wird Rumesh nach der
und Arbeitens im Ausland will er weitergeben.      der Schlüssel, um auf Dauer in Deutschland        Lehre noch ein paar Jahre in der Altmark blei-
                                                   erfolgreich zu sein.                              ben. Irgendwann geht er aber sicher zur Fami-
                                                      Erstaunlich akzentfrei spricht Rumesh Wetht-   lie zurück. »Mit einem guten Beruf hat er eine
  In den Arbeitsalltag einbinden                   himuni deutsch. Der junge Mann aus Sri Lanka      echte Chance, dem in Sri Lanka noch verbreite-
                                                   ist erst seit wenigen Wochen im Land und wird     ten Kastensystem zu entkommen«, so Bannier.
  Mit 20 Beschäftigten, 26 Hotelzimmern, 170       in Arendsee den Beruf eines Kochs erlernen.
Restaurant- und Saalplätzen ist das »Deutsche      Seine guten Sprachkenntnisse hatte er bereits
Haus« eines der wichtigsten Unternehmen der        zu Hause in einem Vorbereitungskurs erwor-          Es gibt noch überkommenes Denken
Region. Bis auf zwei, haben alle Mitarbeiter       ben. Mit dem 22-Jährigen verbindet den Ho-
hier auch ihren Beruf erlernt. Auszubildende       telier mehr als nur ein Chef-Azubi-Verhältnis.       Wer über das »rückständige Ausland« die Nase
aus anderen Ländern gehören seit langem zur        Er ist so etwas wie sein Patensohn.               rümpft, sollte sich an selbige fassen. Auch in
Selbstverständlichkeit. Selbst als sich noch 200      Wie es dazu kam, ist eine der Geschichten,     Deutschland gibt es noch überkommenes Den-
junge Leute auf eine Lehrstelle bewarben, war      die nur das Leben schreiben kann: Mitte der       ken, besonders in den Amtstuben. Wenn Ban-
es Bannier wichtig, junge Menschen aus dem         1990er Jahr verbrachte Bannier mit seiner Frau    nier an die bürokratischen Hürden denkt, die
Ausland in den Arbeitsalltag einzubinden. Da-      einen Urlaub auf der schönen, aber bitterarmen    er überwinden musste, um jungen Menschen
her stellte er auch Vietnamesen, Spanier und       Insel. Dabei freundete er sich mit einem An-      aus dem Ausland eine Ausbildung zu ermög-
Italiener ein.                                     gestellten, einem einfachen Hotelboy, an und      lichen, schüttelt er immer wieder fassungslos
  Obwohl fast alle nach der Ausbildung die         beschloss, dessen Familie zu unterstützen. Er     den Kopf. Er schert aber nicht alle über einen
beschauliche Altmark wieder verließen, hadert      bezahlte dessen Sohn – Rumesh – das Schul-        Kamm. Staatlich geförderte Programme seien
Bannier nicht. Im Hotel- und Gastronomiege-        geld für die Grundschule und ermöglichte ihm      ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die
werbe gehöre der Wechsel dazu. »Ich bilde die      später, das Abitur zu machen.                     IHK sei in diesem Bereich sehr engagiert.

                                                                                                     Ein Pläuschchen auf der Straße gehört
                                                                                                                                                 Foto: Christian Wohlt

                                                                                                     für die Hoteliers Sascha und Burghard
                                                                                                     Bannier sowie Azubi Rumesh dazu.

DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                              11
TITELTHEMA

                                                                  Hotel Am Anger in Wernigerode mit
                                                                  Geschäftsführerin Kerstin Nagy.

       HOTEL-GESCHÄFTSFÜHRERIN KERSTIN NAGY ÜBER DEN FACHKRÄFTEMANGEL IN DER HOTELLERIE

»Wir müssen unseren Mitarbeitern
  auch mal maßgeschneiderte
     Arbeitszeiten anbieten«
          Das Gastgewerbe hat in Sachsen-Anhalt einen hohen Stellenwert.
                Insbesondere im Harz, wo Hotellerie und Gastronomie ein
              wichtiges Bindeglied im touristischen Wirtschaftsgefüge sind.
          Soll das so bleiben, muss künftig an verschiedenen Stellschrauben
          deutlich nachjustiert werden. Kerstin Nagy, Geschäftsführerin im
                 Hotel Am Anger in Wernigerode, weiß auch genau wo.

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von FRANK DRECHSLER

G
           eht es um gepflegte Gastlichkeit,         der Mitarbeiter im Unternehmen ein genau             oder gegen einen Beruf wird im Elternhaus
           dann steht der Harz ganz oben in          so entscheidender Aspekt. Es sei für alle Mit-       getroffen, also müssen wir uns dort bewer-
           der Gunst der Touristen. Das nörd-        arbeiter wichtig, in was für einem Umfeld sie        ben. Ein wirksames Zusammenspiel zwischen
           lichste Mittelgebirge ist für viele       tagtäglich ihrer Arbeit nachgingen. Vertrau-         Bildungspolitik, Branchenverbänden wie DE-
Nordlichter, Hauptstädter und Bewohner der           en und Wertschätzung seien von sehr großer           HOGA sowie der IHK kann uns dabei helfen.«
naheliegender Ballungszentren die allererste         Bedeutung. Und auch der Wohlfühlgedanke              Das Hotel am Anger in Wernigerode steht seit
Adresse. Millionen Gäste kommen jährlich hier-       dürfe nicht außer Acht gelassen werden. »Die         über 20 Jahren bei Einheimischen wie Tou-
her, besuchen Land und Leute. Sie fahren mit         Work-Life-Balance muss einfach stimmen. Wir          risten gleichermaßen hoch in der Gunst. 40
der Schmalspurbahn, kraxeln auf Harzer Ber-          müssen unseren Mitarbeitern auch mal maß-            Zimmer mit 85 Betten stehen zur Verfügung.
ge und besichtigen die vielen Highlights, mit        geschneiderte Arbeitszeiten anbieten. Nicht          Große Teile des Komplexes, zu dem auch ein
denen die Region tausendfach aufwartet. Dass         irgendwelche Konstrukte, bei denen jemand            eigenständig geführtes Café gehört, bildeten
das auch hungrig und durstig macht, ist klar.        vormittags drei Stunden arbeitet, dann nach          früher einmal einen mittelalterlichen Bauern-
Also schnell mal eingekehrt und eine der re-         Haus gehen kann und am späteren Nachmit-             hof. Mitte der 1990er Jahre wurde hier auf-
gionalen Spezialitäten bestellt. Fertig. So ein-     tag dann nochmal für fünf Stunden kommt.             wändig saniert und umgebaut. Inhaber Uwe
fach ist das. So einfach? Nun ja, nicht mehr         Das macht heute niemand mehr mit und ist             Steinmann und seine Familie hatten 1994 als
so ganz. Auch im Harz schwebt der Fachkräf-          daher auch nicht mehr zu vermitteln. Dann            Erbengemeinschaft das alte Bauerngehöft ge-
temangel wie ein Damoklesschwert über der            doch lieber gleich mitarbeiter- beziehungswei-       kauft, es zu einem Hotel umgebaut und 1996
ganzen Region. Gaststätten und Hotels su-            se familienfreundliche Dienstpläne erstellen.        eröffnet. Seitdem führt Kerstin Nagy das Haus
chen händeringend gut ausgebildetes Personal.        Da haben doch alle etwas davon«, ist sich die        als Geschäftsführerin. Gemeinsam mit zehn
Auch in Sachsen-Anhalts Touristenhochburg            Wernigeröderin, die Sprachen und Tourismus           Mitarbeitern sorgt sie für einen reibungslosen
bedarf es gut ausgebildeter Fachkräfte, um den       studiert hat, sicher. Worte wie Fluktuation und      Ablauf. Die Wernigeröderin hat Sprachen und
derzeitigen Qualitätsstandard in unzähligen          Krankenstand würden dann deutlich weniger            Tourismus studiert und beherrscht ihr Fach.
kleineren und größeren Gastronomiebetrieben          im alltäglichen Sprachgebrauch auftauchen.           Die 56-Jährige liebt den Harz, seine Bewohner
aufrechtzuerhalten. Fachkräftemangel ist auch                                                             und freut sich über die Touristen, von denen
hier der Begriff, welcher immer öfter zur Spra-                                                           viele, die hier einmal gebucht haben, gerne
che kommt. Das Thema wird mehr als ernst               Aufstiegschancen klar aufzeigen                    immer wieder hierher kommen. »Seit Anfang
genommen. Fast schon ein bisschen zu spät.                                                                an steht bei uns, wie in vielen anderen Häu-
   Gastwirtschaften werden aber gebraucht.             Allerdings hake es auch an anderer Stel-           sern unserer Branche auch, natürlich der Gast
Sie sind nicht nur für den Tourismus, sondern        le. Es muß uns gelingen, das Interesse für           im Mittelpunkt. Und das ist auch gut so. Wir
auch für das gesellschaftliche Leben vielerorts      die Branche bereits im Elternhaus und in             verstehen uns als Dienstleister, der den Gästen
unentbehrlich. Ein wichtiger Wirtschaftsfak-         der Schule zu wecken, um die Vielfalt der            möglichst entspannte Stunden, Tage oder Wo-
tor sind sie sowieso. Aktuell stehen aber nicht      Ausbildungsberufe und die Aufstiegschan-             chen bereitet. Damit das so bleibt, müssen wir
wenige davon vor dem Aus. Unternehmen fin-           cen klar aufzuzeigen. Die Entscheidung für           als Unternehmen überzeugen.«
den keine Mitarbeiter, haben Nachfolgeprob-
leme oder stehen vor anderen Herausforde-
rungen. Die gute Nachricht aber ist: Es gibt
sie, die Wege, die für viele aus der Krise füh-
ren könnten.
   »Zu lange wurde nach dem Prinzip Das-
wird-schon-oder-eben-nicht verfahren. Dass
das nicht funktioniert, sehen wir ja jetzt. Wir
müssen die Branche und damit unsere Qua-
litäten einfach wieder stärker vermitteln«, er-
klärt Kerstin Nagy. Ein Geheimrezept habe sie
natürlich auch nicht und könne auch keines
aus der Tasche zaubern. Fest steht für sie aber,
dass sich über die Jahre ein echtes Imagepro-
blem aufgebaut habe, dass nun wieder gera-
de gerückt werden müsse. »Jobs im Gaststät-
tenbereich sind sehr viel besser, als ihr Ruf. Mit
einer guten Ausbildung können junge Men-
schen auf der ganzen Welt Erfahrungen sam-
meln und mit ihrem Wissen und Erlerntem bei
ihrer Rückkehr in ihre Heimat diese deutlich
bereichern. Genügend Beispiele dafür belegen
das eindrucksvoll. Welche andere Branche kann
                                                                                                                                                                Fotos: Frank Drechsler

das schon?«
   Wichtig, und darauf legt Kerstin Nagy beson-
deren Wert, sei aber die Summe aller Faktoren,
die nur gemeinsam zum Ziel führten. Anstän-
dige Bezahlung sei das Eine. Das Wohlfühlen          Das Luisen-Café am Hotel Am Anger in Wernigerode ist eine der ersten Adressen in der Stadt am Harz.

DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                                        13
TITELTHEMA

In vierter
Generation
                                                          »Ich habe
Familienbetrieb
                                                     lebenslänglich
von CHRISTIAN WOHLT

W
                eit ist der Weg nach Immekath. In
                der herrlichen Weite der Altmark
                liegt das Dorf mit dem lieblichen
                Namen ganz im Westen. Abgeschie-
den, kurz vor dem Grenzgebiet, stand hier die Zeit
jahrzehntelang still. Gott sei Dank. So hat dieser
Fleck seinen ursprünglichen Charme bewahrt. Auch
heute tobt hier nicht unbedingt das Leben. Der
Ort hat sich herausgeputzt, ist lebenswert. Neun
Vereine gibt es, und zum Karneval geht es rund.
Mittendrin, genau gegenüber der Kirche, ist noch
immer der Dorfkrug, so wie es sich gehört. Seit
1805 kehren hier hungrige und durstige Gäste ein.
   Die Namen wechselten, doch die Inhaberfami-
lie ist seit 1928 die selbe. Inzwischen mehr als
60 Jahre lang ist der »Gasthof zu den Linden« in
weiblicher Hand. »Bei uns erben die Frauen das
Geschäft«, sagt Christel Zeitz, die die Verantwor-
tung von ihren Eltern Ilse und Willi Weber über-
nahm. Ehemann Hans-Jürgen kam ein paar Jah-
re später dazu. Beide sind Quereinsteiger, wie es
die vorigen Inhaber auch waren. Eigentlich woll-
te Christel den Betrieb nicht übernehmen. »Ich bin
hier groß geworden, und als meine Eltern in den
Ruhestand gingen, konnte ich es nicht mit anse-
hen, dass das Haus geschlossen wird.« Sie wuss-
te: »Wenn ich es nicht mache, macht es keiner.«
Das war 1989, als noch niemand ahnte, dass aus
dem abgeschiedenen Grenzdorf bald ein Durch-
gangsort Richtung Westen wird.

 Erste Bundeskegelbahn in der Region

  Die Wende veränderte fast alles. Viele Leute zo-
gen weg. Die Idee von einem Eiscafé blieb ein
Traum. Und zu Mittag wollten die meisten lie-
ber Fastfood, Immerhin hielten die Stammkun-
den zur Stange. Zeitz´s wussten: Investieren oder
sterben. So bauten sie eine moderne Kegelbahn
in die frühere Scheune, die erste Bundeskegelbahn
in der Region. Später kam ein großzügiger Saal
für Feiern dazu. Das zog und hielt das Unterneh-
men nicht nur über Wasser, sondern brachte ein
gut gehendes Geschäft. Ein Großteil des Dorfle-
bens spielt sich dort ab. Immerhin hat Immekath
mit seinen knapp 500 Einwohnern neun Verei-           Gastlichkeit in der Familie: Stephanie Schwerin über-
ne. Nur der alte Gastraum mit seinen Holztischen      nahm die Geschäftsführung von ihren Eltern Christel
und Stühlen sowie dem mächtigen Tresen erinnert       und Hans-Hügen Zeitz.
noch an früher. Ganz bewusst wird die Tradition

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hier
gebucht«

                                                      hier bewahrt. Das Geschäft läuft gut. Die Kredi-
                                                      te sind abbezahlt.
                                                         Beste Zeit, die Verantwortung wieder in jün-
                                                      gere Hände zu geben. Seit rund einem Jahr hat
                                                      Tochter Stefanie nun offiziell das Sagen im Haus.
                                                      Der Name wechselte, sie ist verheiratet und heißt
                                                      Schwerin. Ihr Mann arbeitet in Wolfsburg. Der Ge-
                                                      nerationswechsel ist erstaunlich ähnlich gelaufen.
                                                      Nicht nur, dass wieder die Frau das Ruder führt.
                                                      Mutter Christel war 28 Jahre alt, als sie den Be-
                                                      trieb übernahm. Tochter Stefanie ist jetzt 30. Die
                                                      berufliche Selbständigkeit war auch nicht unbe-
                                                      dingt ihr erster Herzenswunsch. Ihr älterer Bruder
                                                      ging beruflich schon eigene Wege. »Ich wusste erst
                                                      nicht so richtig, was ich werden will, wollte etwas
                                                      mit Tieren oder Menschen machen«, erinnert sie
                                                      sich. Das Gastgewerbe war ihr ja irgendwie in die
                                                      Wiege gelegt. So erlernte sie in Arendsee den Be-
                                                      ruf einer Hotelfachfrau.

                                                        Gastgewerbe in die Wiege gelegt

                                                         »Sie ist damit die erste in dem Gewerbe Ausge-
                                                      bildete in der Familie«, freut sich Christel Zeitz.
                                                      Wie auch schon bei der vorigen Generation da-
                                                      mals, helfen die Eltern weiterhin tatkräftig mit und
                                                      unterstützen Stefanie bei der Betreuung ihrer bei-
                                                      den Kinder. Beide Familien wohnen getrennt, aber
                                                      unter einem Dach. Ans Aufhören denken die Älte-
                                                      ren noch lange nicht. »Ich habe hier lebensläng-
                                                      lich gebucht«, schmunzelt Christel Zeitz. Ohne die
                                                      Vorteile, die ein Familienbetrieb bietet, wäre die
                                                      Weiterführung des Unternehmens wohl nicht ge-
                                                      glückt. Der Beruf ist bei den jungen Leuten nicht
                                                      mehr sonderlich attraktiv. Es sei heute schwierig
                                      Foto: ctpress

                                                      für das Gastgewebe geeignete Leute zu finden.
                                                      Aus Stefanies Berufsschulklasse ist inzwischen kei-
                                                      ner mehr in der Branche tätig.

DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                    15
TITELTHEMA

  Küchenspione im
  Elb-Havel-Winkel
      gesichtet                                Fischsuppe aus der Fischerstube Warnau

    Eine Imagekampagne in Kooperation der      von JENNY FREIER

                                               »H
                                                            ier jib´s doch nüscht - nur Würz-
  Hansestadt Havelberg, der Verbandsgemeinde                fleisch, Toast Hawaii und so." Das
                                                            musste man sich gelegentlich von
           Elbe-Havel-Land und der             Einheimischen anhören bei der Frage nach den
                                               kulinarischen Besonderheiten in der Region im
    LEADER-Aktionsgruppe Elb-Havel-Winkel      schönen Nordosten Sachsen-Anhalts. Aber was
                                               wird eigentlich wirklich im Elb-Havel-Winkel
                                               aufgetischt?
                                                  Mit dieser Frage starteten Björn Gäde (LEA-
                                               DER-Manager LAG Elb-Havel-Winkel), Mari-
                                               na Heinrich (Kultur- und Tourismusbeauftrage
                                               Hansestadt Havelberg) und Jenny Freier (Tou-
                                               rismusmanagerin Verbandsgemeinde Elbe-Ha-
                                               vel-Land) Anfang des Jahres die Blogger-Akti-
                                               on »Küchenspione im Elb-Havel-Winkel«. Unter
                                               dem Leitthema "Genuss" wird jeden Monat ab-
                                               wechselnd bei Profi- und Hobbyköchen in die
                                               Pfannen und Töpfe zwischen Elbe und Havel
                                               geschaut. »Von traditionsreichen Gerichten wie
                                               Berheé oder Bierfisch bis hin zu modernen Re-
                                               zepten mit regionalen Produkten wie dem Wa-
                                               gyu-Burger oder der Spargel-Quiche ist alles
                                               dabei, was das Herz begehrt und die Region
                                               ausmacht«, berichtet die Touristikerin Marina
                                               Heinrich. Darüber hinaus werden zu den Ter-
                                               minen touristische Highlights und Projekte in
                                               der Region besucht.
                                                  Bei ihren Entdeckungstouren werden die
                                               Küchenspione nicht nur von der »Havelberger
                                               Volksstimme« begleitet, sondern auch abwech-
                                               selnd von Food-, Lifestyle- oder Reise-Blog-
                                               gern aus ganz Deutschland. Diese berichten
                                               in den digitalen Medien über ihre Erlebnisse
                                               im Elb-Havel-Winkel und werben damit online
                                               für das ländliche Reiseziel. Follower können
                                               anhand der verschiedenen Blogbeiträge und
                                               den Berichten bei Facebook, Instagram, Twit-
                                               ter & Co. unter #elbhavelwinkel, #küchenspio-
                                               ne oder #havelberg die Reise der drei Küchen-
                                               spione verfolgen und sich kulinarisch sowie
                                               für den nächsten Ausflug inspirieren lassen.
                                                  »Viele Akteure aus der Region haben sich
                                               bis dato intensiv an der Umsetzung des Pro-
                                               jektes beteiligt. Die interkommunale Koope-
                                               ration von zwei Gemeinden und einer Loka-
Küchenspione zu Gast bei Heike Schweitzer.     len Aktionsgruppe ist landesweit einmalig«, so

16                                                          DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18
Offene Gärten in der Altmark: Landgartenidyll bei der Familie Rose

LEADER-Manager Björn Gäde. Seit dem Start
der Aktion konnten bereits acht Kochtermine
mit sieben verschiedenen Bloggern erfolgreich
realisiert werden. Einige fanden das Projekt
so spannend, dass sie zu Wiederholungstä-
tern wurden. In den digitalen Medien stößt
das Projekt auf sehr positive Resonanz. Insbe-
sondere auf Instagram wurde eine hohe Follo-
wer-Rate beobachtet, auch Sätze wie "Da muss
ich unbedingt mal hin" sind bereits zu lesen.
  Mit der Imagekampagne für das Jahr 2018
werden nicht nur die Menschen im Elb-Havel-
Winkel für die Besonderheiten und Projekte
der Region sensibilisiert, auch werden insbe-
                                                   Gastgeberin Sabine Schulze in der Fischerstube Warnau
sondere potenzielle Besucher auf die Destina-
tion aufmerksam gemacht. Viele junge Famili-
en und Paare legen mittlerweile einen hohen
Wert auf Nachhaltigkeit in Bezug auf regiona-
le Produkte und saisonale Gerichte. Demnach
wird neben der vorherrschenden Zielgruppe der
sog. »Best Ager« auch ein jüngeres Publikum
mit der Kampagne angesprochen.
  Es ist eine innovative und kreative Idee, mit
dem Themenschwerpunkt "Genuss" bei po-
tenziellen Besuchern online Interesse für die
Region zu wecken und die Marke Elb-Havel-
Winkel nach innen wie außen positiv zu stär-
ken. Das Projekt zeigt auf, wie kleine ländliche
Kommunen mit viel Engagement die moder-
nen Kommunikationstechnologien und Social-
Media-Kanäle erfolgreich nutzen können und
                                                   Vier Küchenspione im Elb-Havel-Winkel
in Kooperation sich auf dem digitalen Markt
einen Raum schaffen. Daher hat das Projekt
es auf die Bewerberliste zum Tourismuspreis
Sachsen-Anhalt VORREiTER 2018 geschafft.
  Als Abschluss der Aktion werden die Kü-
chenspione am Ende des Jahres ihre Ergeb-
nisse noch einmal zusammenfassen. Geplant
sind ein Jahreskalender 2019 sowie ein kleines
Heft mit Bildern und Rezepten zu den ausge-
wählten zwölf Gerichten.
  Sie haben Appetit bekommen und können
nicht bis zum Ende des Jahres warten? Auf
www.elbhavelwinkel.com unter der Rubrik Ser-
vice – Küchenspione finden Sie regelmäßig das
Rezept des Monats sowie Links zu den Beiträ-
gen der Küchenspion-Blogger.                       Gastgeber Marcus Wagener von der Gaststätte Stadt Braunschweig in Hohengöhren

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TITELTHEMA

Magdeburg will Kulturhauptstadt
Europas 2025 werden
 Im September ist es endlich soweit: In Berlin findet der Auftakt                     Magdeburg will Kulturhauptstadt Europas wer-
                                                                                      den. Was macht eine Kulturhauptstadt aus?
 des Wettbewerbsverfahrens um den Titel »Kulturhauptstadt
                                                                                        Der Titel »Kulturhauptstadt Europas« ist kein Preis,
 Europas 2025« statt. In diesem Jahr werden eine deutsche und eine                      den eine Stadt beispielsweise für ihre traditions-
                                                                                        reiche Vergangenheit, herausragenden Kulturein-
 slowenische Stadt diesen Titel tragen dürfen. Bis September 2019
                                                                                        richtungen oder ein historisches Stadtzentrum be-
 muss voraussichtlich dafür ein umfangreiches Bewerbungsbuch                            kommt, sondern ein Stipendium. Ein Stipendium,
                                                                                        um innovative Ideen umzusetzen, wie sich die Stadt
 verfasst werden. Nach einer Vorauswahl kommen nur noch wenige
                                                                                        mit ihren ganz spezifischen Potenzialen und He-
 Bewerberstädte in eine zweite Runde und haben bis Mitte 2020 Zeit,                     rausforderungen kulturell nachhaltig entwickeln
                                                                                        kann. In Magdeburg schlummert da ein riesiges
 ein zweites Bewerbungsbuch zu schreiben. Ende 2020 fällt schließlich
                                                                                        Potenzial. Die Stadt befindet sich im Aufbruch –
 die Entscheidung, wer Kulturhauptstadt Europas 2025 wird. Die Stadt,                   und die Bewerbung kann diesen Prozess beschleu-
                                                                                        nigen und mit neuen Elementen ergänzen. Dabei
 die den Titel bekommt, entwickelt bis zum Hauptstadtjahr 2025
                                                                                        lautet die Kernfrage: Was kann Magdeburg von Eu-
 ein aus hunderten Einzelprojekten bestehendes Gesamtprogramm.                          ropa lernen – und, umgekehrt, was kann Europa
                                                                                        von Magdeburg lernen? Wir nehmen die traditions-
 Wir sprachen mit Tamás Szalay, Leiter des Bewerbungsbüros
                                                                                        reiche und wechselhafte Geschichte der Stadt, die
 Magdeburg 2025, über das Wesen der Kulturhauptstadt, das Potenzial                     immer auch in enger Beziehung zu Europa stand,
                                                                                        zum Ausgangspunkt, ein zukunftsgewandtes, eu-
 Magdeburgs und Möglichkeiten, die Bewerbung zu unterstützen.
                                                                                        ropäisches Projekt zu konzipieren.

     Tamás Szalay …
     … ist als Leiter des Bewerbungsbüros 2016 nach Magdeburg gekommen. Vor
     acht Jahren hat er bereits die ungarische Stadt Pécs als Kulturhauptstadt Eu-
     ropas 2010 begleitet. Der Literaturwissenschaftler hatte die Bewerbung sei-
     ner Heimatstadt ab 2006 mitgestaltet und schließlich die Durchführung des
     Kulturhauptstadtjahrs als künstlerischer und kultureller Direktor geführt. Das
     Thema Kulturhauptstadt Europas ließ ihn auch danach nicht los: Er ist Mitbe-
     gründer des informellen Kulturhauptstadtnetzwerkes, welches als Austausch-
     plattform zwischen Akteuren von bereits gekürten Kulturhauptstädten dient.
     Bevor er nach Magdeburg kam, war er Delegierter des Europarates und Mit-
     glied des offiziellen Kulturhauptstadt-Gremiums der Europäischen Union, des
     »Monitoring and Advisory Panels«, das ausgewählte Kulturhauptstädte in den
     fünf Jahren der Vorbereitungszeit bis zum Kulturhauptstadtjahr begleitet.
                                                                                                                                                Foto: Felix Paulin

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Warum bewirbt sich Magde-               mit dem Magdeburger Stadt-            darüber hinaus würden wir uns        Definitiv. Durch die intensiven,
burg als Kulturhauptstadt?              recht; aber auch in der Digita-       wünschen, dass jedes Unter-          interdisziplinären Gespräche und
Welche Erwartungen werden               lisierung und dem offenen Zu-         nehmen individuelle Wege zur         gemeinsam konzipierten Projek-
in die Bewerbung gesetzt?               gang zu Informationen; dem            Kultur – egal, ob Hoch-, Sub-        te stößt bereits die Bewerbungs-
  Bei der Bewerbung geht es             industriellen Erbe und der in-        oder Soziokultur – findet und        phase strukturelle und mentale
  nicht nur darum, 2025 ein             novativen Industrie; und nicht        damit an uns herantritt. Natür-      Entwicklungen in der Stadt an.
  großes Festival zu veranstalten       zuletzt in der Vielfalt unse-         lich wird in der Bewerbung auch      Das Thema Kultur ist wesent-
  und ganz Europa zu Gast zu            rer Gesellschaft und der Natur.       nach Geld gefragt. Wir müssen        lich präsenter geworden, wo-
  haben – das ist nur die Ober-         Diese Themen setzen wir in in-        tabellarisch aufzählen, wie viel     von letztendlich die ganze Stadt
  fläche. Kulturhauptstadt zu           ternationale Projekte und ein         Geld die Stadt, der Bund und         profitiert. Die Stadt hat z.B. be-
  sein ist ein komplexes Projekt,       schlüssiges Konzept um, dem           das Land zur Verfügung stel-         gonnen, den Etat für Kulturför-
  das vor allem auf Nachhaltig-         wir den Leitgedanken »Verant-         len – und wir müssen auch ein-       derung deutlich zu erhöhen. Pa-
  keit zielt. Es geht in Magdeburg      wortung!« voranstellen. Mehr          schätzen, wie groß die Bereit-       rallel zur Bewerbung wird die
  um die Stärkung des kulturel-         kann zu diesem Zeitpunkt aber         schaft zum Sponsoring ist. Es ist    Kulturcharta Magdeburgs, die
  len und kreativen Sektors, um         nicht veröffentlicht werden – es      zwar unüblich, Sponsoring ohne       die Weichen bis 2030 stellt, wei-
  interdisziplinäres Denken und         gibt schließlich Konkurrenten.        ganz konkrete Inhalte zuzusa-        tergeschrieben und viele Ideen
  die Entwicklung neuer Verzah-       Wer kann sich (wie) an der              gen – aber das Großprojekt Kul-      der Bewerbung werden in diesen
  nungen zwischen der Kultur,         Bewerbung beteiligen?                   turhauptstadt funktioniert eben      Prozess einfließen. Auch der Be-
  dem Sozialbereich, der Wirt-          Die Bewerbung ist kein Projekt        etwas anders. Deshalb kommen         kanntheitsgrad der Stadt erhöht
  schaft und der Stadtentwick-          Einzelner, sondern bestenfalls        wir in den nächsten Monaten          sich durch die Bewerbung: Sie
  lung. Dabei ist es sehr wichtig,      einer ganzen Stadt. Die ersten        auf die Vertreter der Wirtschaft     erhält bundesweit mehr Präsenz
  möglichst viele Menschen ak-          Schritte der Bewerbung kamen          zu, um über Möglichkeiten des        in den Medien und erscheint
  tiv einzubinden – auch diejeni-       in Magdeburg aus der Bevölke-         Sponsorings zu diskutieren.          (wieder) auf der europäischen
  gen, die bisher wenige Berüh-         rung: Etwa 70 Menschen aus          Wäre die Bewerbung als Kul-            Kulturkarte. Auch wenn Mag-
  rungspunkte mit Kultur hatten.        der Kulturszene erarbeiteten eh-    turhauptstadt auch dann                deburg den Titel nicht verlie-
  Durch neu entstehende Koope-          renamtlich in fünf thematischen     sinnvoll, wenn es am Ende              hen bekommt, wird die Stadt
  rationen in die Region hinein,        Kulturbeiräten erste konzeptio-     nicht klappen sollte?                  von dieser Dynamik profitieren.
  aber auch auf nationaler und          nelle Gedanken, die unsere der-
  europäischer Ebene, kann Mag-         zeitige Arbeit sehr unterstützen.                                                            ANZEIGE
  deburg ein neues Image erhal-         Seit Bestehen des Bewerbungs-
  ten und international bekann-         büros halten wir den Kontakt zu
  ter werden. Letztendlich dient        den Akteuren und Bürgern der
  aber alles den Magdeburgern,          Stadt: durch unzählige bilatera-
  die hoffentlich nach 2025 mit         le Gespräche, durch regelmäßi-
  gestärktem Stolz und Zufrie-          ge öffentliche Veranstaltungen
  denheit Bürger ihrer lebens-          wie die Kulturgespräche im Ku-
  werten Stadt sind.                    bus 2025 oder Workshops oder
Jede Bewerberstadt muss ihre            durch unsere Umfrage. Zudem
ganz individuellen Themen fin-          haben wir ein Community-Lo-
den. Worauf setzt Magdeburg,            go kreiert, das jeder verwenden
und wie unterscheidet sich die          kann, um seine Unterstützung
Stadt von anderen Bewerbern?            der Bewerbung zu zeigen. Die
  Eine Bewerbung besteht in der         Möglichkeiten der Beteiligung         Ihr Experte für
  Regel nicht nur aus einem The-
  ma, sondern aus mehreren, wel-
                                        erhöht sich dann stark, wenn
                                        wir den Titel gewonnen haben:
                                                                              Büro- und Hallenbau
  che sich aus den Charakteris-         Dann wird es z.B. einen öffent-
  tika einer Stadt ableiten. Dem        lichen Aufruf zur Einreichung
                                                                                                              5 gute Gründe:
  Konzept voraus geht eine in-          von Projekten und Programm-
  tensive Recherche und zahllo-         punkten für 2025 geben und            „Mit den Experten zu                Schlüsselfertig
  se Gespräche mit Akteuren und         ein Volunteer-Programm auf-           bauen hat sich aus-
  Bürgern der Stadt. Schon al-          gebaut werden.                                                            Feste Termine & Preise
                                                                              gezahlt: Nachhaltig,
  lein deshalb gibt es kein Pa-       Wie können speziell die Un-
                                                                              termingerecht &                     Regionaler Partner
  tentrezept. In Magdeburg ha-        ternehmer unterstützen, damit
                                                                              schlüsselfertig!“
  ben wir unsere Geschichte als       die Bewerbung erfolgreich ist?                                              Erstklassige Qualität
                                                                                            Bauherren Runge
  Ausgangspunkt benutzt und             Die Verzahnung von Kultur
  auf ihr Potenzial für konkrete        und Wirtschaft ist ein wichti-                                            Modern und nachhaltig
  Zukunftsvisionen hin befragt.         ger Punkt der Bewerbung. Die
  Besonderes Potenzial sehen            eindeutigste Annäherung bie-
  wir z.B. in Themen wie Leer-          tet hier die Kreativwirtschaft,
  stellen, Brüche, Identität; das       die eine große Rolle in der           info@grote.de . www.grote.de . 0391/725170
  humanistische Erbe Magdeburgs         Bewerbung spielt. Aber auch

DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                               19
TITELTHEMA

Wie Phönix aus der Asche
von FRANK DRECHSLER

Sie waren nie selber
dort. Und doch ist
Neuseeland für den
Weg, den Maik und
Stefan Berke mit
ihrem gemeinsamen
Unternehmen seit sieben
Jahren beschreiten,
dafür entscheidend
verantwortlich.
Zumindest die
Berichte über das
Land. Die hätten
ihnen gezeigt, dass
behutsamer Tourismus
und wirtschaftliche
Interessen im Einklang
mit der Natur auch
in sensiblem Terrain
möglich sind. Und auch
im ländlichen Raum,
wie dem Oberharz. Mit
ihrer Firma Harzdrenalin
verfolgen sie genau
dieses Ziel.

20                         DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18
V
                                     or zehn Jahren hätte wohl nie-           habe. Gesagt, getan. An einen touristischen          langen Seil hinuntersausen. »Alle wollten flie-
                                     mand gedacht, dass zwei Ober-            Hotspot dachten damals beide natürlich noch          gen. Die Mega-Zipline ist nach wie vor ein Rie-
                                     harzer Jungs, Seiteneinsteiger im        nicht. Ein so genannter Canyon-Swing sollte          senspaß, daran hat sich bis heute nichs geän-
                                     Tourismusgeschäft noch dazu, die-        es zunächst sein, der an der Rappbodetalsper-        dert. Wenn man sich denn hinunter traut«,
                         se Branche einmal richtig aufmischen würden.         re den touristischen Geschäftsstart bilden soll-     schmunzelt Maik.
                         Ein paar Segways auf dem Hof, mehr gab es            te. Das Bauvorhaben stellte sich als zu kom-           2013 war Harzdrenalin bereits so bekannt,
                         anfangs nicht, als die beiden gebürtigen Wer-        pliziert und zu teuer heraus und wurde in der        dass das Schützen des Markennamens nur fol-
                         nigeröder ihren großen Traum an den Start            ursprünglichen Version zunächst auf Eis ge-          gerichtig war. Mitarbeiter wurden eingestellt,
                         brachten. Damals noch als Zwei-Mann-Un-              legt. So ging es erst einmal mit elf Segways         an Ablaufplänen gefeilt. Und da die Harzdre-
                         ternehmen. Das und vieles andere mehr hat            los. 2011 war das. »Das war wie bei allen an-        naliner wegen des Besucheransturmes regel-
                         sich grundlegend verändert. Harzdrenalin ist         deren Startups, die so wie wir anfingen, so.         mäßig auch an Grenzen stießen, wurde ein
                         längst zum wirtschaftlichen Schwergewicht der        Zehn Geräte musste man bezahlen, den elf-            Buchungssystem eingeführt. Das sorgt seit-
                         Branche avanciert. Und hat sich zu Sachsen-          ten Segway gab es gratis dazu«, erinnert sich        dem für Entspannung und regelt alle Anfra-
                         Anhalts größter Erfolgsnummer entwickelt,            Maik. Bei ihrem mickrigen Startkapital ein An-       gen. Im letzten Jahr ließen die Berkes dann
                         die noch lange nicht zu Ende ist. So viel sei        gebot, dem sie nicht widerstehen konnten. Die        Geniestreich Teil vier und fünf folgen: TitanRT
                         schon mal verraten. Aber von vorn.                   ersten Touren wurden ausgearbeitet, Strecken         heißt die allerneueste Attraktion. Eine Hän-
                           Jahrelang waren Maik, der Dachdeckermeis-          festgelegt. Einige davon sind noch immer im          gebrücke und zudem noch noch die längs-
                         ter, und sein Bruder, der Tischler Stefan, be-       Programm. Die nach Rübeland und Thale wa-            te ihrer Art auf der ganzen Welt, weil sie in
                         ruflich auf Achse. Sie hatten gut zu tun. Und        ren und sind sehr beliebt und werden mit am          der Mitte über einen Pendelsprung verfügt.
                         waren dank ihrer handwerklichen Fähigkeiten          meisten nachgefragt. Absoluter Renner aber ist       Im Mai 2017 wurden diese neuen Attrakti-
                         von ihrem Wohnort Elbingerode aus landauf,           die »Gulaschkanonen-Tour« von Elbingerode            onen eröffnet, der Ansturm ist seitdem un-
                         landab sehr gefragt. Vor allem als Experten für      aus nach Drei Annen Hohne. Sie ist auch heu-         gebrochen. »Wir haben unsere ursprüngli-
                         alle mit Schiefer zu beschlagende Häuserwän-         te noch die meistgebuchte und ist die allerers-      che Idee eines Canyon-Swings damit dann
                         de und -fassaden oder -dächer. Ein Knochen-          te überhaupt, die angeboten wurde. Zeitgleich        doch noch verwirklicht. Wenn auch in et-
                         job. Kein Wunder also, dass der Wunsch, sich         zum sich entwickelnden Segwaygeschäft setz-          was abgewandelter Form«, freut sich Stefan.
                         vielleicht auch mal auf touristischem Terrain        ten die Brüder ihre zweite Idee um und bauten        Neben den Attraktionen wurde auch in die In-
                         zu versuchen, bei beiden während ihrer »Wan-         schon an der Megazipline, eröffneten aber zu-        frastruktur investiert. Auf dem firmeneigenen
                         derjahre« schon sehr früh aufkam. »Wir wollten       nächst im Mai 2012 das so genante Wallrun-           Parkplatz wird eine gastronomische Grundver-
                         beruflich auch einfach mal was anderes aus-          ning. Hier können Mutige waagerecht an der           sorgung angeboten. Genau dort, wo auch das
                         probieren. Wir waren ja noch jung und hatten         Staumauer der Talsperre Wendefurth herunter-         Besucherzentrum gebaut wurde. Und auf ei-
                         den Harz ja direkt vor der Tür«, erklärt Stefan.     laufen. Ein halbes Jahr später wurde dann die        nem Spielplatz können sich Kinder austoben.
                         Vielleicht lasse sich damit etwas machen, was        Eröffnung der Megazipline gefeiert. Hier kann        Alles in allem eine wirklich runde Sache und
                         noch kein anderer vor ihnen hier ausprobiert         man seitdem an einem genau einen Kilometer           mit Alleinstellungsmerkmal versehen.
Fotos: Frank Drechsler

                         Die Brüder Maik und Stefan Berke (l.) haben mit Harzdrenalin ihren Traum vom florierenden Tourismusunternehmen erfolgreich umgesetzt.

                         DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                                   21
Auch von diesem neuesten Berke-Projekt pro-       Mitarbeiter sowie Sozial- und Diensträume na-      im Tourismusmanagement abschließen soll.
fitiert nicht nur Harzdreanlin selbst, sondern    türlich eine wesentliche Rolle. Zunehmend im-        Zurzeit tüfteln die Harzdrenalin-Macher üb-
erneut eine ganze Region. Und das Kreis- und      mer mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt fungierten       rigens schon wieder an einem neuen Projekt.
Ländergrenzen übergreifend. Die Übernach-         privates Wohnhaus der Berkes, Hof und Scheu-       Die Pläne liegen bereits in der Schublade. Bis
tungszahlen der Harzgäste sind gestiegen, die     ne im Ortskern Elbingerodes als Firmenzent-        2021 soll es umgesetzt werden. »Es wird ein
Verweildauer ebenso. Pensionen und Hoteli-        rale. Von hier aus starteten auch die Segway-      Kracher, dass kann ich schon mal verraten.
ers bestätigen, dass ein Besuch der Harzdre-      touren. Hierher kamen alle Mitarbeiter, hier       Und, das es diese neue Attraktion kein zwei-
naliner mittlerweile als feste Größe auf der      fanden die Meetings und Besprechungen statt.       tes Mal auf der Welt gibt, auch. Mehr aber
Wunschliste sehr vieler Gäste steht. Das Rund-    »Wir haben manches Mal im Regen stehend            noch nicht«, gibt sich Stefan geheimnisvoll.
herum-Sorglos-Freizeit-Paket kommt an. Nicht      unsere Touren besprochen. Das war natürlich        Kein Geheimnis ist hingegen, das bis dahin
nur bei so genannten Adrenalin-Junkies, son-      auf Dauer kein Zustand«, blickt Maik zurück.       auch der gesamte Standort umgekrempelt und
dern gleichermaßen auch bei Semi-Aktivurlau-        Die Möglichkeit, in ein nach der politischen     auf den allerneusten Stand gebracht werden
bern. Alle kommen hier auf ihre Kosten. Man       Wende erst neu gebautes, mittlerweile aber         wird. »Auch gastronomisch wird sich einiges
kann sicherlich ohne zu übertreiben sagen,        aufgegebenes Firmengrundstück in einem Ge-         ändern«, ergänzt Maik. Übrigens, ganz fest im
dass Harzdrenalin mittlerweile das touristische   werbegebiet umziehen zu können, kam da ge-         Blick haben die Berke-Brüder auch zahlreiche
Schwergewicht im Harz ist und einen nicht         rade recht. Hier ist nun alles optimal. Auch für   Vereine und Institutionen in ihrer Region, die
unerheblichen Wirtschaftsfaktor dazu darstellt.   die Möglichkeit, ausbilden zu können. Die Vo-      sie unterstützen. Gleich mehreren Sportverei-
   Um alles, was zum Geschäftsbetrieb ge-         raussetzungen dafür sind gegeben. Da Maik          nen, gerne auch mal der Feuerwehr, greifen sie
hört, dauerhaft reibungslos händeln zu kön-       einen Meisterbrief im Handwerk in der Ta-          unter die Arme. Als fördernde Mitglieder treten
nen, mussten sich die Brüder allerdings drin-     sche hat, darf natürlich auch ausgebildet wer-     sie jetzt auch noch dem Harzklub-Zweigverein
gend etwas einfallen lassen. Denn mittlerweile    den. Eine Bewerberin beginnt im September          Elbingerode bei. »Wir wollen, dass unsere Ver-
gehörten schon 30 Mitarbeiter zum Harzdre-        die Lehre zur Kauffrau für Büromanagement.         eine in der Stadt bestehen bleiben. Eine star-
nalin-Team. Hier spielen neben der Buchung        Eine zweite wird zur Kauffrau für Touristik und    ke Gemeinschaft bildet das Rückgrat einer je-
von Anfragen auch Dinge wie Wartung von           Freizeit ausgebildet, die dann ihr duales Stu-     den Kommune. Und das soll auch so bleiben.
Fahrzeugen und Equipment, Parkplätze für          dium über die Hochschule Harz zum Bachelor         Dafür muss man aber etwas tun.«

22
Zoos und Tierparks
haben die größten Zuwächse
IHK-Freizeitbarometer Sachsen-Anhalt 2018

S
      achsen-Anhalts Freizeiteinrichtungen ha-                 Besuchermagnet Harz                      oder Museen und Ausstellungen, die mit neu-
      ben im Jahr 2017 die Zehn-Millionen-                                                              en Ausstellungsformaten punkten konnten.
      Grenze geknackt. Sie zählten insgesamt            Trotz des Sonderereignisses bleibt der Harz     Jeder vierte nannte neue Produkte oder Son-
10,8 Millionen Besucher, das sind acht Prozent        Touristenmagnet Nummer Eins in Sach-              deraktionen wie Sonderausstellungen oder das
mehr als im Jahr zuvor. Luther, neue Attrak-          sen-Anhalt. Mit rund 4,7 Millionen Be-            Asisi-Panorama.
tionen, die ungetrübte Konsumfreude sowie             suchern 2017 stehen die Freizeitangebo-
der sich verfestigende Trend zu (Kurz-)Rei-           te in dieser Region für fast die Hälfte des
sen oder Ausflügen in die nähere Umgebung             Landeswerts. Zum Vergleich: In die Re-              Weiteres Wachstum erwartet
machten es möglich. Die Branche rechnet mit           gion Halle, Saale-Unstrut reisten rund
weiterem Wachstum und investiert. Das sind            2,4 Millionen Touristen, nach Anhalt-Dessau-        »Die Branche rechnet auch nach dem Luther-
die wichtigsten Ergebnisse des von der Landes-        Wittenberg gut 2,1 Millionen. Dabei fällt auf,    jahr mit Wachstum, zumal für Sachsen-Anhalt
arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Han-           dass rund ein Drittel der Harzbesucher von        das 25-jährige Jubiläum der Straße der Roma-
delskammern in Sachsen-Anhalt (LAG) erstell-          weiter her kommt und mehr als 300 Kilome-         nik einen weiteren Höhepunkt darstellt«, so
ten »IHK-Freizeitbarometers Sachsen-Anhalt            ter dorthin fährt.                                Detlef Dahms, Vorsitzender des Tourismusaus-
2018«. Die LAG hatte dafür gut 500 touristi-            Für die gute Saison hat laut Umfrage nicht      schusses der IHK Magdeburg. 37 Prozent der
sche Einrichtungen im Land befragt, mehr als          nur das Reformationsjubiläum, sondern auch        Befragten erwarten 2018 mehr Besucher, nur
200 haben geantwortet.                                das Wetter gesorgt – das sagen 30 Prozent der     acht Prozent hingegen weniger als im vergan-
   Das Freizeitbarometer beleuchtet deren Ent-        Befragten. Das gute Wetter dürfte jedenfalls      genen Jahr. Das Investitionsumfeld ist günstig.
wicklung und die Resonanz bei den Besuchern.          mit dafür verantwortlich sein, dass vor allem     Für 2018 plant jede dritte Freizeiteinrichtung,
»Damit geben wir der Branche ein Instrument           die Zoologischen Gärten und Tierparks einen       die Investitionen zu erhöhen. Hauptmotive
an die Hand, das es ermöglicht, Entscheidun-          Besucherzuwachs von immerhin 21 Prozent           sind Modernisierung und Qualitätsverbesse-
gen zur Infrastrukturentwicklung und zielge-          verzeichnen konnten. Sehr gefragt waren zu-       rung oder neue Attraktionen beziehungswei-
richtete Marketingmaßnahmen umzusetzen«,              dem besondere Attraktionen wie der Eisleber       se Erweiterungen. Eine überdurchschnittlich
so Michael Pirl, Vizepräsident und Vorsitzen-         Wiesenmarkt, Harzkristall in Derenburg oder       große Investitionssteigerung planen Bäder und
der des Tourismusausschusses der IHK Halle-           der Golfpark Hufeisensee in Halle (Saale) sowie   Thermen, die touristischen Schienen- und Seil-
Dessau. Ein Blick auf die Übernachtungszahlen         Seilbahnen, Bergwerks- und Ausflugsbahnen         bahnen oder die Theater und Bühnen.
zeigt, dass – angesichts des Reformationsju-                                                                                            Torsten Scheer
biläums wenig überraschend – in erster Linie
die Region Anhalt-Dessau-Wittenberg zwei-
stellige Zuwächse verzeichnen konnte (plus
11,3 Prozent). Aber auch die Regionen Halle,
Saale-Unstrut (plus 4,8 Prozent), Magdeburg,
Elbe-Börde-Heide (plus 4,2 Prozent) und der
Harz (plus 2,7 Prozent) konnten punkten. Le-
diglich die Altmark vermeldete mit einem Mi-
nus von 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr
einen leichten Übernachtungsrückgang.

                    Der Vorsitzende des Tourismus-
                   ausschusses der IHK Magdeburg
                    Detlef Dahms (l.) und Michael
                                                       Foto: IHK Halle-Dessau/Michael Deutsch

                  Pirl, Vorsitzender des Tourismus-
                 ausschusses der IHK Halle-Dessau
                  mit dem Freizeitbarometer 2018
                           an der Marina/Goitzsche

DER MARKT IN MITTELDEUTSCHLAND 9/18                                                                                                                 23
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