Goethe war gut - bei der fwwg
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Goethe war gut Zur Geschichte des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft (fwwg) und zu den Herausforderungen der Alumniarbeit Herausgeber Wolfgang A. Eck und Frankfurter Wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Management Publishing Verlag für Managementthemen
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Goethe war gut Zur Geschichte des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft (fwwg) und zu den Herausforderungen der Alumniarbeit. Herausgeber Wolfgang A. Eck und Frankfurter Wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Management Publishing Verlag für Managementthemen 3
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INHALT Inhalt Vorwort Prof. Dr. Andreas Hackethal 7 Kapitel I Unser Alumnat, der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Bernd Spahn: Die Entwicklung des Fachbereichs 10 Wolfgang König: Das House of Finance 25 Olaf Kaltenborn: 100 Jahre Goethe-Universität 31 Kapitel II Die fwwg – Älteste Wirtschafts-Alumniorganisation Deutschlands Interview mit Ulrich Peter Ritter: Bindeglied zwischen Ehemaligen und Fachbereich 36 Michael Kerkloh: Grenzenlose Initiative gefragt 38 Johannes Schulz-Spathelf : Im Gespräch sein und bleiben 40 Frederik Gruissem: Mit Bewusstsein und Pflichtgefühl – Zahlen, Daten, Fakten 42 Kapitel III Die Ehrenmitglieder Das Oswald von Nell-Breuning-Institut über Oswald von Nell-Breuning (1890-1991) 46 Michael Kalthoff-Mahnke über Prof. Dr. Adolph Lowe (1893-1995) 49 Christian Rieck über Prof. Dr. Reinhard Selten 51 Friedrich Suhr über Prof. Dr. Heinrich Rommelfanger 55 Christofer Hattemer über Prof. Dr. Adolf Moxter 57 Wolfgang A. Eck über Prof. Dr. Albrecht Dietz (1926-2012) 59 Michael Kerkloh über Prof. Dr. Ulrich Peter Ritter 61 Claus Ludwig Dieter über Prof. Dr. Heinz Grohmann 62 Wolfgang König über Dr. h.c. Helmut Oswald Maucher 64 Michael Kirschning über Prof. Dr. Bertram Schefold 66 Kapitel IV fwwg und Alumni-Management Steffen Rufenach: Unterstützung der Studierenden: Das Mentorenprogramm 70 Frederik Gruissem: Erfolgsformate der fwwg für Studierende 75 Frederik Gruissem: Unterstützung der Alumni 80 Christian Kramberg: Alumni-Management bedeutet Beziehungsmanagement 83 Unsere Gremien 86 Autoren 88 Kontakt 89 Impressum 90 5
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VORWORT Vorwort Liebe Alumni des Fachbereichs, liebe Freunde, Partner und Förderer, Ihre Frankfurter Wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft, eine der älte- sten ihrer Art in Deutschland und bei weitem die größte Alumni- Vereinigung am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe- Universität, ist 25 Jahre alt geworden. Das ist wahrlich ein schöner Grund zu feiern. Und wie immer bei runden Geburtstagen, ein Grund innezuhal- ten zurück, aber auch nach vorne zu schauen. Im Namen aller Mitglieder des Fachbereichs gratuliere ich als Dekan der fwwg ganz herzlich und würdige das große ehrenamtliche Engagement al- ler Aktiven der fwwg und insbesondere den Einsatz des Vorstands. Die Gründungsväter haben 1988 viel Weitsicht bewiesen, als sie in einer Zeit, in der der organisierte Dialog zwischen Alma Mater und Ehemaligen in Deutschland noch unüblich war, eine Gesellschaft mit genau jenem Ziel aus der Taufe hoben. Über die letzten zweieinhalb Dekaden haben dank der fwwg mehrere Generationen von Studierenden den Kontakt untereinan- der und mit dem Fachbereich in freundschaftlicher Verbundenheit aufrecht erhalten. Viele von Ihnen haben die Entwicklungen am Fachbereich selbst mitver- folgen können. Hervorzuheben sind die Neuorganisation in sieben Abtei- lungen, die Einführung von Bachelor- und Masterprogrammen, die Grün- dung einer Graduate School und einer Business School, der Umzug auf den Campus Westend und das Wachstum der Fakultät – aktuell hin auf eine Größe von knapp 70 Professorinnen und Professoren. Auch die Zukunft verspricht Dynamik: Wir werden unser Forschungsprofil weiter schärfen, unsere Programme noch mehr auf die Hervorbringung hervorragender Ab- solventen ausrichten und den Wissenstransfer in Politik, Regulierung und Gesellschaft verstärken. Im Namen aller Mitglieder des Fachbereichs lade ich Sie herzlich ein, uns auf dem Weg in die Zukunft wohlwollend zu be- gleiten und mit Ideen und Tatkraft zu unterstützen. Herzlichen Grüße und der fwwg alles Gute für die nächsten 25 Jahre. Prof. Dr. Andreas Hackethal Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften Im März 2015 7
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ALUMNAT Kapitel I Unser Alumnat - der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften 9
ALUMNAT Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften im Wandel Von Prof. Dr. Bernd Spahn Ausgangslage in den 1980er Jahren Die Geschichte des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Frankfur- ter Goethe-Universität während der Studentenunruhen von 1968 und da- nach verlief nicht viel anders als die anderer großer Fachbereiche in der Bundesrepublik, nur etwas stürmischer. Als ich 1980 nach Frankfurt kam, waren die Wunden der Revolte weitgehend verheilt und die Expansions- phase der Hochschulen während der 1970er Jahre beendet. Der Fachbe- reich Ökonomie war nur ein letztes Zeugnis dieser Expansion und wurde als Hinterlassenschaft bald mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaf- ten verschmolzen. Man war zur Tagesordnung übergegangen und diese war – trotz neuer Hochschulgesetze – von Tradition geprägt. Ein Paradig- menwechsel stand in der Hochschulpolitik noch nicht an. Wenn ich den Fachbereich von damals charakterisieren soll, so komme ich an dem Begriff „korporatistisch“ nicht vorbei – trotz oder gerade wegen der ausgeprägten Individualität und hervorragender Einzelleistungen der Kolleginnen und Kollegen. Dies äußerte sich vor allem in der Gremienar- beit: Bei der kollektiven Willensbildung hatte die Stimme jedes Einzelnen gleiches Gewicht. Die entscheidenden Gremien waren umfassend, groß und träge. Repräsentative Gremien wie der Fachbereichsrat wurden ausge- hebelt – schon bei der Wahl, noch mehr bei Beschlussfassung. Die schwer- fälligen Hochschullehrergremien bereiteten die Beschlüsse vor, die in der Regel konsensual gefasst werden mussten. Jeder Einzelne konnte Be- schlüsse verhindern oder verzögern. Die Dekane wurden nach dem Anciennitätsprinzip bestellt und konzen- trierten sich vornehmlich auf anstehende Berufungen oder Bleibeverhand- lungen. Strukturelle Neuerungen wurden von ihnen nicht erwartet. Auch bei Berufungen dominierte der Status Quo. Strukturveränderungen wurden im Vorfeld nicht diskutiert, Umwidmungen von Professuren gab es allen- falls auf Wunsch der Inhaber selbst. Das führte regelmäßig zu Spannungen bei der Ausschreibung volkswirtschaftlicher Stellen, denn der Status Quo forderte Parität zu den betriebswirtschaftlichen, obwohl sich das Verhältnis 10
ALUMNAT der Absolventen in den beiden Fachrichtungen deutlich zu Gunsten der Betriebswirte entwickelt hatte. Auf die Berufungslisten platzierte man möglichst wohl etablierte Bewerber, wenn auch mit geringen Aussichten auf Erfolg, weshalb Lehrstühle oft lange vakant blieben. Die einzelnen Prüfungsfächer entsprachen in der Regel den Widmungen der Professuren. Man sah sich einem breiten Sortiment von Fächern ver- pflichtet, was einer Profilierung des Fachbereichs entgegen stand. Bei Um- widmung einer Professur musste ein neues Fach in die Prüfungsordnung eingefügt und ein altes gestrichen werden. Die Professuren selbst agierten als Monaden, selbst da, wo es zu Institutsbildungen kam. Sicher gab es auch Kooperationen in der Forschung – insbesondere im Rahmen des Son- derforschungsbereichs 3, der zu einer guten, auch internationalen Vernet- zung des Fachbereichs beitrug –, aber diese blieben eher die Ausnahmen. Das breite Angebot an Fächern erschwerte die Orientierung der Studieren- den im Hauptstudium und verhinderte die Profilierung des Fachbereichs als Ganzem. Die Einzelprofile waren vielseitig und nicht selten exzellent, aber ausschließlich mit der Persönlichkeit der Wissenschaffenden selbst verbunden. Die Ressourcen für zentrale Einrichtungen des Fachbereichs waren auf Routinen ausgelegt und erlaubten kaum besondere, über Lehre und For- schung hinausgehende Aktivitäten – etwa zur Betreuung von Studierenden, zum systematischen Ausbau von Auslandskontakten oder Partnerschaften – geschweige denn wettbewerbsorientierte Maßnahmen zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern, zum Einwerben von Stiftungsmitteln für den Ausbau von Forschungskapazitäten oder die Attraktion potenter, entwick- lungsfähiger Studierender. Die Notwendigkeit der Positionierung des Fachbereichs als solcher (oder spezifischer: eines Fachbereich-Marketings) wurde noch nicht gesehen. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung Deutschlands war der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften noch reform- unfähig oder -unwillig. Veränderte Stimmungslage in den 1990er-Jahren Die Zeit nach der Wiedervereinigung wandelte die Stimmung auch im aka- demischen Umfeld – allgemein und für den Fachbereich im Besonderen. Universität und Wirtschaft, die sich seit den Studentenunruhen voneinan- der abgeschottet hatten, begannen vorsichtig aufeinander zuzugehen. Die Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität wurde neu belebt und prominente Frankfurter an die Universität gebunden. Die Stadt Frankfurt erklärte sich schließlich bereit, auf den Straßen Hinweis- schilder zur Universität anzubringen, was zuvor auf taube Ohren gestoßen war. All dies sind bleibende Verdienste von Hartwig Kelm als Universi- tätspräsident. Dennoch blieben die Universität und der Fachbereich im ge- 11
ALUMNAT sellschaftlichen Gedächtnis zunächst noch immer mit Bildern aus dem Jahr 1968 verbunden und das Ansehen als akademische Ausbildungsstätte lag bestenfalls im Mittelfeld. Auch der Fachbereich öffnete sich und baute wichtige Brücken zur Wirt- schaft, insbesondere über seine Lehrbeauftragen und Honorarprofessoren. Die jüngeren Kollegen hatten deutlich weniger Berührungsängste mit der Wirtschaft als die älteren. Schon im Jahre 1988 war die Frankfurter Wirt- schaftswissenschaftliche Gesellschaft (fwwg) gegründet worden, die bei ihrem 25-jährigen Jubiläum im Jahre 2013 mit über 1.250 Mitgliedern auf allen Ebenen der Wirtschaft und Wissenschaft das internationale Netzwerk der Absolventen des Fachbereichs bildet. Jüngere Kollegen brachten wert- volle wissenschaftliche Beziehungen zum Ausland ein. Erstmals bahnten sich auch institutionelle Auslandskontakte an, die freilich zunächst von ein- zelnen Hochschullehrern getragen wurden und im Kollegium zu heftigen Debatten über deren Zweck führten. So lange diese Kontakte keine zusätz- lichen Ressourcen verbrauchten, ließ man die Initiatoren freilich gewähren. Das European Credit Transfer System (ECTS) wurde zunächst abgelehnt, zumindest argwöhnisch beäugt, aber nach heftigen Debatten mit dem Stu- diendekan schließlich akzeptiert, und so nahm der Fachbereich als einer der ersten in Deutschland schon während der Erprobungs-Phase (ab 1989) am ECTS teil, das sich im Rahmen der späteren modernisierten Studienpro- gramme durchsetzen wird. Auch das größere Umfeld für die Hochschulen begann sich zu verändern, nicht so sehr durch die lästigen, regelmäßig wiederkehrenden, aber in alten Paradigmen verhafteten Änderungen von Gesetzen und Ordnungen, son- dern durch wichtige Entwicklungen auf europäischer Ebene. Etwa Mitte der 1990er Jahre startete der Prozess der Vereinheitlichung von Studien- gängen, der von Europarat und UNESCO vorbereitet wurde und 1998 zur Sorbonne-Erklärung führte, die schon ein Jahr später den Bologna-Prozess angestoßen haben sollte. Auch trat jetzt der Gedanke eines Wettbewerbs der Institutionen in Forschung und Lehre in den Vordergrund. Der lange ideologisch geächtete Begriff der „Exzellenz“ wurde jetzt nicht nur wieder hoffähig, sondern sollte schon bald mit stolzen Initiativen zur substantiellen Forschungsförderung verbunden werden. In diesem Umfeld begann in Frankfurt eine ernsthafte und tiefgreifende Diskussion über die künftige Positionierung des Fachbereichs – zumal ein Generationenwechsel im Ge- lehrtenkörper absehbar war. Zusätzlich kam massiver Druck von außen, insbesondere von der hessi- schen Landesregierung. Die Budgets der Universität wurden gestrafft, es kam zu Haushaltssperren und Neuberufungen wurden blockiert – insbeson- dere bei der Ausschreibung volkswirtschaftlicher Stellen. Man stellte den Fachbereichen ganz allgemein die Frage nach ihrer künftigen Struktur und forderte Strukturpläne als Voraussetzung für die Normalisierung der Finan- 12
ALUMNAT zierung. Das warf auch im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften die Fra- ge nach seiner künftigen Rolle in einem sich ändernden Umfeld auf und führte zur vorsichtigen Entwicklung konkreterer Reformvorstellungen. Am 6. Mai 1998 konnte der Dekan dem Fachbereichsrat ein erstes Strate- giepapier vorlegen. Als zentrale Punkte wurden die Auseinandersetzung mit dem Wettbewerb zwischen den wirtschaftswissenschaftlichen Fachbe- reichen, eine Schwerpunktbildung zur Profilierung des Fachbereichs und die Einführung neuer Studiengänge (Bachelor und Master) aufgeführt. Später wurden spezifischere Punkte wie die Umwidmung von Professuren, die Evaluierung von Lehrveranstaltungen, der Frauenförderungsplan oder ein Konzept für die Personalentwicklung hinzugefügt. Der Erste Strukturplan 1998/99 Eine erste Lesung des Strukturplans fand am 23. Dezember 1998 im Fach- bereichsrat statt, und am 17. Februar 1999 wurde der Erste Strukturplan verabschiedet. Das Strategiekonzept war nun vollends umgesetzt – aller- dings um wesentliche Punkte erweitert. An erster Stelle im Zielekanon stand die Qualitätssteigerung in Forschung und Lehre. Neuerungen im Plan waren eine Reduktion des Lehrangebots auf Kernkompetenzen und die Einrichtung von Studienschwerpunkten im Hauptstudium mit verantwortlichen Sprechern, das Bekenntnis zur Interna- tionalisierung, die Verpflichtung zur Erhöhung der Attraktivität für den wissenschaftlichen Nachwuchs, die Förderung von Frauen und Personal- entwicklung sowie der Anstoß für die Einrichtung neuer Studiengänge – von Bachelor- und Master-Studiengängen. Zur Stärkung von Forschung und Lehre wurde eine Reihe von Einzelmaß- nahmen gebündelt und systematisch dargestellt, die sich zur Festigung der Wettbewerbsposition des Fachbereich als kritisch erwiesen hatten. Diese wurden anlässlich eines Dies Academicus am 15. April 1999 in der Aula der Universität, am „Tag der Lehre“ (30. April 1999) im Hörsaal VI sowie in einer Informationsveranstaltung des Dekans im Mai 1999 einer breiteren Öffentlichkeit und insbesondere den Studierenden vorgestellt. Über die neuen Studiengänge hinaus wurde, im Vorgriff auf die später ein- zurichtenden Ph.D.-Studiengänge, ein Graduiertenkolleg „Finanzwirtschaft und monetäre Ökonomie“ konzipiert, dessen Finanzierung von der DFG erwartet wurde, was schließlich auch gelang. Und der Prädekan Isermann nahm am 10. und 11. Februar 1999 Gespräche mit Vertretern der New York University (NYU) über eine mögliche Kooperation im Rahmen eines neu einzurichtenden Executive-Master-Programms auf. Im Zusammenhang mit dem Ersten Strukturplan realisierte der Fachbereich auch ein Konzept 13
ALUMNAT zur Betreuung von Studienanfängern durch Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer und er erarbeitete Richtlinien für die kumulative Habilita- tion, die am 10.2.1999 vom Fachbereichsrat adoptiert wurden. Letztere können als ein erster Schritt zur Förderung des wissenschaftlichen Nach- wuchses, insbesondere von Wissenschaftlerinnen, gesehen werden. Als die Politik die Möglichkeit der Einrichtung von Juniorprofessuren schaffte und ab 2001 durch Kostenübernahme für die Sachausstattung auf Bundesebene förderte, war der Fachbereich einer der ersten, der diese Möglichkeiten er- probte. Es wäre aber zu kurz gegriffen, den Kern der Reformen des Fachbereichs nur in den vorgenannten Punkten zu sehen. Das Kollegium und damit der Fachbereich adoptierten zunehmend – auch unter dem Einfluss eines sich beschleunigenden Generationenwechsels – ein neues Paradigma der Fach- bereichspolitik mit neuen Akzenten auf der Profilierung der Institution, In- ternationalisierung und dem Wettbewerb in Forschung und Lehre. Die Zeit zwischen den Strukturplänen Am 20. Dezember 2000 besuchte der Universitätspräsident den Fachbe- reichsrat, um über die Entwicklungsperspektiven der Universität in einem sich ändernden Umfeld zu sprechen. Er beschwörte den „Umbruch im Wis- senschaftssektor“ und den sich verstärkenden Wettbewerb um finanzielle Ressourcen und um exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Staat könne nur noch die Grundversorgung für Forschung und Lehre finanzieren, was das Einwerben von Drittmitteln erforderlich mache. Es komme nun auf die organisatorische Stärkung der Innovations- und Ent- scheidungsfähigkeit der Institutionen an – bei einem schlankeren Manage- ment der Universitätsverwaltung und einer Konzentration der Mittel auf die Fachbereiche. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Fachbereich Wirtschaftswis- senschaften bereits vieles von dem realisiert, was sich langsam als neues Paradigma für die Hochschulpolitik herausbildete. Aber die Vorreiterrolle des Fachbereichs erlaubte keine Sonderstellung: Der Präsident forderte von allen Fachbereichen, auch von den Wirtschafts- wissenschaften, weitergehende eigene „Zukunftsvisionen“ zu entwickeln, die dem Anspruch der Zeit gerecht würden. Nur so könne er künftig im Rahmen von Zielvereinbarungen die notwendigen Mittel für Exzellenz in Forschung und Lehre bereitstellen. Sondermittel sollten nur noch im Rah- men konkreter Programme und Projekte zugewiesen werden. Ein zweiter Strukturplan kündigte sich an. Zu den Zukunftsperspektiven der Universität gehörte zu jener Zeit auch der Ausbau des Campus Westend. Sehr rasch bekundete der Fachbereich sei- nen Anspruch darauf, als erster in einen Neubau auf dem Poelzig-Gelände 14
ALUMNAT umziehen zu können. Aber der Fachbereichsrat betonte zugleich auch, dass dieser Anspruch durch die Entwicklung konkreter Reformvorstellungen erhärtet werden müsse. Diese Politik des Fachbereichs war schließlich auch erfolgreich. Am 11. Juni 2001 legte Reinhard Schmidt als Prädekan eine „Profilskizze“ vor, die in ihrem Kapitel III („Übergreifende Forschung“) auf die Notwen- digkeit stärkerer Forschungskooperationen hinweist. Der Funke der Schwerpunktbildung sprang jetzt von der Lehre auf die Forschung über. Als Beispiele führte der Prädekan bereits bestehende Kooperationen zwi- schen einzelnen Professuren an, so etwa die zwischen der „Informationswirtschaft“ und dem „Wertschöpfungsmanagement“ (e- commerce) oder zwischen „Geld und Währung“ und „Finanzen“ im Rah- men des Graduiertenkollegs und mit dem Center for Financial Studies (CFS). Auch fachbereichsübergreifende Forschungskooperationen wurden in Erwägung gezogen, etwa ein Zentrum „Mathematik und Finanzen“ oder Kooperationen mit Vertretern der Rechtswissenschaft und der Gesell- schaftswissenschaften. Auch ein mögliches Kompetenzzentrum mit der EZB und der Deutschen Bundesbank wurde angedacht. Der Gedanke von Forschungsschwerpunkten stand dem traditionellen Mo- nadenkonzept freilich diametral entgegen und setzte sich daher nur sehr langsam und gegen erhebliche Widerstände durch. Dennoch entstanden schon bald bemerkenswerte Zeugnisse institutioneller Forschungskoopera- tion am Fachbereich, nicht nur durch die Schaffung des CFS, sondern auch durch die Gründung des interfakultativen Wilhelm-Merton-Zentrums für europäische Integration und internationale Wirtschaftsordnung, das eine von der DFG geförderte Forschergruppe aufnahm. Um die Mitte des Jahres 2003 bewarb sich der Fachbereich – nach einer Vorauswahl unter 27 Insti- tutionen und in Konkurrenz zu Bonn und Mannheim – erfolgreich um drei von der Stiftung „Geld und Währung“ finanzierte Stiftungsprofessuren, die in ein interdisziplinäres Institute for Monetary and Financial Stability ein- gebunden wurden . Institutionelle Gründungen zur Forschungskooperation dieser Art waren wichtige Wegbereiter der später am Fachbereich zu bildenden Forschungs- abteilungen oder Departments. Aber darüber hinaus gelang es dem Fachbe- reich, eine Reihe zusätzlicher Stiftungsprofessuren einzuwerben, die kon- zeptionell den Forschungsschwerpunkten zugeordnet wurden. Zielvereinbarungen An Stelle einer administrativ gelenkten Förderung von Forschung und Leh- re trat zu Beginn des Jahrhunderts zunehmend die auf vertragsrechtlichen Analogien beruhende Zielvereinbarung zwischen dem Hessischen Ministe- rium für Wissenschaft und Kunst und der Universität auf der einen und 15
ALUMNAT zwischen der Universität und den Fachbereichen auf der anderen Seite. Der Dekan Schmidt legte einen ersten Entwurf für eine solche Vereinbarung mit dem Präsidium nach Leistungsbereichen vor, der vom Fachbereichsrat am 15. Mai 2002 beraten wurde. Im Leistungsbereich Lehre und Studium wurde die generelle Umstellung der Diplomstudiengänge auf Bachelor- und Master-Studiengänge angespro- chen und ein erster Master-Studiengang „Master in Quantitative Econo- mics“ als Pilotvorhaben angekündigt. Nach dem sich abzeichnenden Schei- tern des damals bestehenden Bachelors wies das Papier zu Recht auf die Notwendigkeit hin, solche Studiengänge flächendeckend und in Abstim- mung mit anderen deutschsprachigen Wirtschaftsfakultäten einzuführen. Des Weiteren wurde ein „Executive-Education“-Programm als Weiterbil- dungsangebot des Fachbereichs in Aussicht gestellt. Es sollte auch neue didaktische Formen erproben („case studies“) und den Transfer von for- schungsrelevanten Fragen aus der Praxis in den Fachbereich begünstigen. Was die schon bestehende Evaluierung der Lehrveranstaltungen anging, so sollte diese auf alle Veranstaltungen ausgeweitet und zur Qualitätssiche- rung eingesetzt werden. Im Leistungsbereich Forschung wurden der Ausbau des forschungsorien- tierten Graduiertenstudiums angekündigt und die Weichen für ein volles Ph.D.-Studium nach amerikanischem Muster gestellt. Das bestehende An- gebot in Money and Finance (Graduiertenkolleg) sollte auf weitere Schwerpunkte ausgedehnt werden. Obwohl der Fachbereich die Zahl der Habilitationen und der Promotionen seit dem Ersten Strukturplan bereits deutlich steigern konnte, wurde angestrebt, dieses Niveau quantitativ zu halten und qualitativ auszubauen. Die Qualität der Forschungsergebnisse wurde und wird dabei an Publikationen in international renommierten Zeit- schriften gemessen. Hierzu hieß es in dem Entwurf lapidar: „Der Fachbe- reich plant eine Steigerung dieser Zielgröße.“ Im Leistungsbereich Internationalisierung wurde der quantitative und quali- tativ gesicherte Ausbau von Hochschulpartnerschaften als Ziel genannt. Hierzu sollte der Status Quo überprüft und für jede Kooperation ein Part- nerschaftsbeauftragter oder eine -beauftragte benannt werden. Die aus eige- ner Initiative entstandene und seit 2003 in Kooperation mit der Fachhoch- schule Frankfurt durchgeführte International Summer School (ISU) zu „Economics, Business and Finance – European Perspectives“ sollte ergeb- nisoffen als Modell für mögliche Formen des Projekts weiter entwickelt werden. Das Papier hob unter anderem die Notwendigkeit zu stärkerer in- ternationaler Mobilität der Studierenden hervor und versprach eine Steige- rung des Angebots an englischsprachigen Lehrveranstaltungen. Auch der Leistungsbereich „Central Services“ des Fachbereichs wurde angespro- chen. In diesem Bereich zeigte sich die Notwendigkeit einer stärkeren Pro- 16
ALUMNAT fessionalisierung, die zum Teil auch durch die Neuerung der Fachbereichs- politik bedingt war, etwa die organisatorische und personelle Neugestal- tung des Prüfungsamts (Anmeldung via Internet, Verwaltung von Kredit- punkten, curriculare Weiterentwicklungen), die logistische Unterstützung der Hochschulpartnerschaften oder die Professionalisierung des EDV- Service im Fachbereich. Von einer Professionalisierung des Dekanats selbst war zunächst noch keine Rede. Der Zweite Strukturplan 2003/04 Die Bedingungen für den Zweiten Strukturplan des Fachbereichs waren ungleich günstiger als für den Ersten. Während früher noch große mentale Barrieren überwunden werden mussten, war die Diskussion jetzt im Fluss, und eine Reihe von engagierten Dekanen hatte bereits wichtige strategi- sche Zielgrößen umgesetzt oder weiter entwickelt. In den sich jetzt häufen- den Rankings von Fachbereichen wurden die Erfolge des Fachbereichs be- reits deutlich. Aber die Modernisierung des Fachbereichs erforderte weite- re Schritte. Obwohl ein Bachelor-Programm gerade erst anlief, kündigte der Studiendekan Ohse am 10. Dezember 2003 bereits ein neues Konzept für Bachelor- und Master-Studiengänge an, das sich in die entstehende Bo- logna-Landschaft besser einfügen sollte. Nach einer personellen Umstrukturierung des Dekanats im Januar 2004 wurde eine klare Regelung von Verantwortlichkeiten vorgenommen, die sich in der Organisationsstruktur des Fachbereichs bis heute wiederfindet. Der Fachbereichsrat bildete verschiedene Komitees, Ausschüsse oder Kommissionen. Die Dekane trafen funktionelle Absprachen. Zentrale Auf- gaben wurden neu gegliedert und ein beratendes Kuratorium aus Vertre- tern von Wirtschaft, Politik und Verwaltung gebildet. Die Professuren sollten jetzt in Abteilungen integriert werden, die zwar der Struktur der Curricula nachgebildet waren, aber auch den Auftrag zu einer engeren Forschungskooperation erhielten. Die Abteilungen sollten mit ei- genen Ressourcen ausgestattet werden. Sie wurden über das Strategieko- mitee und den Vertrauensrat mit dem Dekanat verzahnt. Strategische Ent- scheidungen sollten nicht einseitig von den Dekanen, sondern in Abstim- mung mit den Abteilungen für den Fachbereichsrat vorbereitet werden. Am 11. Februar 2004 verabschiedete der Fachbereichsrat die „Eckdaten zur künftigen Struktur des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften: Emp- fehlungen der Strategiekommission“. Im Juli trat die Reform in Kraft. Neben der Strukturierung zentraler Aufgabenbereiche des Dekanats und der Bildung eines Kuratoriums (Advisory Board) mit 14 Vertretern der Wirtschaft kam es nunmehr zur formalen Errichtung der forschungsorien- 17
ALUMNAT tierten Abteilungen mit eigener Ressourcenverwaltung unter Leitung einer Direktorin beziehungsweise eines Direktors, deren Leitgedanke die Ko- operation zwischen den Professuren war und bleibt. Der Fachbereich ge- wann damit ein klares Profil. Mit der Abteilung Management und Ange- wandte Mikroökonomie (MM) gelang ihm zudem der Brückenschlag zwi- schen Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Forschung und Lehre. Aber auch die Studienschwerpunkte wurden noch einmal überprüft und im Hinblick auf die neu zu schaffenden modularen Bachelor- und Master- Studiengänge getestet. An diesem Prozess der Innovation beteiligte sich der Fachbereich an vorderster Front. Der Wechsel von den Diplom- Studiengängen zu den neuen Studiengängen erforderte nicht zuletzt kom- plexe Übergangsregelungen. Auch die Wirtschaftssprachen wurden umstrukturiert und jetzt mit Gebüh- ren belegt. Dies erlaubte eine effektivere Ressourcenplanung, kleinere Ar- beitsgruppen und die Ausweitung des Angebots, zunächst um das Fach Wirtschaftschinesisch, später um „Interkulturelle Kompetenz: Japan“. Die Wirtschaftssprachen Englisch, Französisch und Spanisch wurden auf An- trag als Zusatzfächer wählbar. Schließlich stellte der Strukturplan auch die Weichen für die eigenständi- gen, noch zu entwickelnden Ph.D.-Programme nach dem sogenannten Y- Modell. AACSB-Akkreditierung des Fachbereichs Die Diskussion um den Zweiten Strukturplan wurde begünstigt von der bevorstehenden Begutachtung des Fachbereichs durch die AACSB im Rahmen eines Antrags auf Akkreditierung. Die AACSB-Standards, insbe- sondere die Notwendigkeit, jeweils die „Mission“ des Fachbereichs und aller seiner Einheiten zu definieren, erwiesen sich bei der Umsetzung von Reformen als äußerst hilfreich. Die jeweiligen missions wurden dem Fach- bereichsrat am 23. Februar 2004 vorgelegt. Auch war eine Reihe von kon- kreten Maßnahmen zwingend erforderlich geworden, um den hohen AACSB-Standards zu genügen, so zum Beispiel die stringentere und ziel- führende neue Organisationsstruktur des Fachbereichs und die Professio- nalisierung seiner zentralen Dienste. Nachholbedarf gab es insbesondere bei den student services, die an ameri- kanischen Universitäten stark ausgebaut sind, freilich dort auch von den Studierenden selbst durch Gebühren finanziert werden. Dies erforderte es bei den knappen Haushaltsmitteln des Fachbereichs, auf die gesteuerte Selbstorganisation der Studierenden zu setzen. Dies gelang in vorzüglicher Weise durch die Schaffung von SSIX und die Einbeziehung von bereits 18
ALUMNAT vorhandenen Initiativen wie Selbstlerngruppen oder das (zusammen mit SSIX und CampuService) seinerzeit neu aufgebaute fremdfinanzierte Care- er Center. Begünstigt wurde die Evaluierung auch durch eine Vielzahl von neuen, wenn auch teilweise noch schwebenden Initiativen einzelner Hochschul- lehrer, die mit einem Mal „wie Pilze aus der Erde sprossen“. So legte bei- spielsweise Kollege Binder am 19. Mai 2004 die Eckpunkte für ein Promo- tionsstudium am Fachbereich vor, das später auch realisiert wurde. Der Fachbereichsrat verabschiedete am 14.7.2004 die Prüfungsordnung für ein erstes Master-Programm, das des Master of Quantitative Economics, das auf eine Initiative der Kollegen Hujer und Fitzenberger zurückgeht. Zugleich war die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge in vollem Gange. Am 14. Juli 2004 wurden dem Fachbereich vom Studiende- kan Ohse die Eckdaten für das Bachelor-Studium vorgelegt, und ab Win- tersemester 2005/06 wurden keine Diplom-Studierende im ersten Semester mehr aufgenommen. Am 9. Februar 2005 beschloss der Fachbereichsrat ein „Studierenden-Marketing“. Auf einer Messe in Hamburg stellte der Fachbereich seine neuen Programme potentiellen Studienbewerbern vor – eine Premiere. Auch kam es zu einer ersten institutionellen Zusammenar- beit mit Kollegen aus dem Fachbereich Rechtswissenschaft über das neu gegründete Institute for Law and Finance, das gemeinsam mit dem Fach- bereich Wirtschaftswissenschaften ein LL.M.-Programm auflegte. Im- minent war die Gründung der Goethe Business School, die schon 2004 ein erstes Executive Master-Programm mit einem renommierten amerikani- schen Partner, der Duke University, entwickelt hatte, das im Folgejahr um- gesetzt wurde. Zudem deutete sich der Baubeginn für zwei Neubauten auf dem Poelzig-Gelände an, die dem Fachbereich künftig die jetzige großarti- ge Infrastruktur für Forschung und Lehre bieten sollten: Das Gebäude der Rechtswissenschaft und der Wirtschaftswissenschaften sowie das House of Finance. Am 1. Juni 2004 legte der Fachbereich den geforderten Self-Evaluation Report für die Akkreditierung vor, der zur maßgeblichen Richtschnur für die Begehung durch die AACSB werden sollte. Der Akkreditierungspro- zess konnte am 1.12.2004 erfolgreich abgeschlossen werden. Die Kommis- sion stellte zwar auch Mängel fest, so etwa der geringe Anteil von Frauen am Lehrkörper oder das Fehlen von Wirtschaftsethik in den Lehrprogram- men. Aber im Großen und Ganzen konnte sich der Fachbereich dank der guten Vorbereitung und der außergewöhnlichen Kooperation aller Beteilig- ten hervorragend darstellen. Wie gesagt erwiesen sich die Vorgaben der AACSB von außen bei der Er- stellung des Strukturplans als außerordentlich hilfreich. Sie motivierten die Dekane, andere Verantwortliche und das Kollegium, beflügelten die Dis- 19
ALUMNAT kussionen mit neuen Ideen, ermutigten das Kollegium zur Neupositionie- rung und Umstrukturierung des Fachbereichs und erleichterten die Ausein- andersetzungen bei der Umsetzung schwieriger Einzelmaßnahmen. Das House of Finance Im Verlauf der Strukturreformen hatte sich zur Zeit des Zweiten Struktur- plans – auch durch Einwerbung von finanzspezifischen Stiftungslehrstüh- len – eine deutliche Verlagerung von Ressourcen in die Bereiche Finanzen und Geld und Währung ergeben. Dies ist nur der natürliche Ausdruck der Stellung Frankfurts als Finanzmetropole in Deutschland, was im Fachbe- reich zuvor keinen sichtbaren Ausdruck gefunden hatte. Im Zusammen- spiel zwischen Hessischer Landesregierung, Universität und Fachbereich und der Frankfurter Finanzwirtschaft entstand aus einem Gutachten zur Stellung des Finanzplatzes Frankfurt im internationalen Wettbewerb her- aus die Idee eines Forschungs- und Ausbildungszentrum für Finanzen, das später als House of Finance in die Geschichte eingehen sollte. Die Landesregierung versprach in diesem Zusammenhang die Errichtung eines vornehmlich der finanzwirtschaftlichen Forschung und Lehre gewid- meten Gebäudes. Die Herausforderung an die Universität und den Fachbe- reich war es, bestehende Aktivitäten zu bündeln und neue zu initiieren, so dass ein weithin sichtbares Exzellenzzentrum für Finanzen unter dem Schirm der Goethe-Universität dargestellt werden konnte. Die Konzeption zu dem House of Finance sowie die Wünsche in Bezug auf die technische Infrastruktur, die zentralen Nutzungen und den Raumbedarf waren vom Dekanat bereits im Januar 2004 im Zusammenhang mit dem Strukturplan und der Vorbereitung zur Akkreditierung vorgelegt worden. Der Bau be- gann schließlich im Spätsommer 2005. Der erste Geschäftsführende Direktor des House of Finance wurde im Juni 2006 vom Präsidenten der Universität bestellt. Ihm oblagen jetzt der innere organisatorische Aufbau und die Strukturierung von Entscheidungsprozes- sen, die Verzahnung der internen Willensbildung mit den Wünschen von Politik und Praxis über ein hochrangig besetztes Kuratorium, die Vermitt- lung von baulichen Anforderungen und konkreten Ausstattungswünschen der Nutzer an die Architekten Kleihues + Kleihues und die ausführenden Baufirmen sowie die Vorbereitung der logistischen Infrastruktur für For- schung und Lehre. Was die innere Struktur des House of Finance angeht, so wurden die fol- genden Einheiten konzeptionell integriert und räumlich zusammengeführt: die beiden Abteilungen „Finanzen“ und „Geld und Währung“ des Fachbe- reichs Wirtschaftswissenschaften sowie eine neu geschaffene organisatori- sche Einheit „Recht der Unternehmen und Finanzen“ des Fachbereichs 20
ALUMNAT Rechtswissenschaft. Zusätzlich gelang es, das Center for Financial Studies, das E-Finance Lab, die Goethe Business School, das Institute for Law and Finance, das Institut für Versicherungsrecht und das Institut für Währungs- und Finanzstabilität in die Arbeit des House of Finance einzubeziehen. Das House of Finance wurde offiziell am 30. Main 2008 in Anwesenheit des Bundesfinanzministers, des hessischen Ministerpräsidenten und ande- rer hochrangiger Politiker sowie der Spitzen der Frankfurter Finanzwirt- schaft und akademischer Vertreter mit einem Festvortrag des ehemaligen Präsidenten der Weltbank, James D. Wolfensohn, eingeweiht. Dieser Leuchtturm für die finanzwirtschaftliche Forschung und Lehre setzte Zei- chen in Deutschland, ja weltweit. In einem externen Gutachten zum House of Finance (HoF) – gerichtet an das Kuratorium – wurde am Tage der Einweihung konstatiert: „Insgesamt arbeiten im HoF, dessen Budget aktuell zirka 19 Millionen EUR beträgt, derzeit mehr als 182 Wissenschaftler, deren Forschungsin- teresse finanznahen Themen gilt. Durch die Bündelung und den Ausbau der Institute und Fachbereiche konnte in den letzten Jahren ein attraktiver Grundstein für ein wissenschaftliches Exzellenzcluster für Finanzwirtschaft in Frankfurt gelegt werden. Mit 18 finanzwissenschaftlichen Professoren gibt es am House of Finance zum ersten Mal eine Konzentration von Fi- nance-Experten, die international wettbewerbsfähig ist.“ Das House of Finance entwickelte sich auch nach seiner Einweihung stür- misch weiter. Insbesondere kam es zu einer Verstärkung der Forschungsko- operation im Innern. Zusätzliche Bereicherungen brachten unter anderem Gastprofessorinnen und Gastprofessoren, prominente Lehrbeauftragte aus der Finanzwirtschaft, die starke Anbindung an die Europäische Zentralbank, an die Bundes- bank und an die nationale und internationale Finanzaufsicht, die Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen mit ähnlicher Zielsetzung, das Einwerben von Stiftungsprofessuren, die intensive Zusammenarbeit in Forschung und Lehre mit nicht- staatlichen Organisationen (Geschäftsbanken, Börse, Anwaltskanzleien) und damit die starke Akzentsetzung auf praxisrelevante Forschung. Neben das Füllhorn von wissenschaftlichen Publikationen von Mitgliedern des Fachbereichs trat mit dem House of Finance eine kaum übersehbare Reihung von finanzspezifischen Lehrveranstaltungen, Seminaren, Lectures, Workshops, Kolloquien, Working Lunches, Konferenzen und Kongressen, die seitdem das Wissensangebot am Finanzplatz Frankfurt bereichert. 21
ALUMNAT Nachlese Nach der geradezu atemberaubenden Entwicklung des Fachbereichs um die Zeit der Entstehung des Zweiten Strukturplans und danach nahm die Innovationskraft in der Dekade keinesfalls ab. Im Gegenteil kam es auch in der Dekade vor dem hundertsten Geburtstag der Universität im Jahr 2014 zu weiteren wegweisenden Innovationen am Fachbereich. Die Diskussion um die Professionalisierung des Dekanats und anderer zen- traler Einrichtungen trägt jetzt Früchte. Am 4. Juni 2008 stellte der Fach- bereich einen Antrag an den Präsidenten zur Teilnahme an einem Pilotpro- jekt „Hauptamtlicher Dekan“. Auf diesem Gebiet konnte der Fachbereich bereits auf zum Teil erhebliche Fortschritte in der Vergangenheit hinwei- sen. Genannt werden in dem Papier (1) die Neuorganisation der Leitung; (2) eine straffe Ausrichtung an strategischen Zielen; (3) das Dekanat als Dienstleistungseinheit; (4) ein Streamlining der Organisation und der Gre- mien; (5) die Neugestaltung der IT-Services; (6) die Reorganisation der Lehrplanung; (7) ein effizientes Finanz- und Personalmanagement; und (8) die Konsolidierung der Restrukturierung. Während diese Ziele im Wesentlichen heute allesamt erreicht sind, hat sich doch an der Stellung des Dekans nichts Wesentliches verändert. Der Fach- bereich bevorzugt weiterhin die kollegiale Amtsführung eines auf zwei Jahre gewählten Dekans statt eines hauptamtlichen professionellen Dekans nach amerikanischem Muster. Anders als früher werden Dekane jetzt aber auch wiedergewählt. Wissenschaftsmanagement wird honoriert. Außerdem hat sich das Dekanskollegium erweitert und ist heute nach Funktionen ge- gliedert. Was sonstige strukturelle Erweiterungen angeht, so konnten weitere zu- kunftsträchtige Institutionen in das House of Finance integriert werden, etwa die Graduate School of Economics, Finance, and Management (GSEFM), die den 2004 etablierten Ph.D.-Programmen des Fachbereichs eine institutionelle Heimat gab. Sie nahm im Jahre 2008 ihre erfolgreiche Arbeit auf und bietet den Studierenden nicht nur eine hervorragende fach- liche Ausbildung und Betreuung, sondern bereitet Absolventen auch auf die berufliche Tätigkeit vor und stützt sich dabei auf einen eigenen Job Market Placement Service. Im Jahre 2009 folgte ein von der Stiftung „Geld und Währung“ finanziertes Ph.D.-Programm in Law and Econo- mics. Und ein neues Center for Insurance Regulation (ICIR) begann seine Arbeit im House of Finance im Oktober 2010. Ein Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, an dem sich der Fachbereich beteiligt, legt Zeugnis über erfolgreiche disziplin- 22
ALUMNAT übergreifende Zusammenarbeit ab. Die dem Exzellenzcluster verpflichte- ten Geistes- und Sozialwissenschaftler betrachten soziale Auseinanderset- zungen und Konflikte – nicht allein innerhalb von Staaten, sondern auch transnational – nicht nur als Fakten und funktionalistisch zu beschreibende Phänomene. Sie fragen vielmehr nach den normativen Vorstellungen, die dabei eine Rolle spielen und suchen nach Ansätzen zur Konfliktvermei- dung oder -bewältigung. Ein jüngeres Glanzlicht des House of Finance ist das von der Hessischen Landesregierung im Rahmen des LOEWE-Programms finanzierte innova- tive Exzellenzzentrum Sustainable Architecture for Finance in Europe (S A F E), das vom Center for Financial Studies und der Goethe-Universität gemeinsam eingerichtet wurde und zum Jahresbeginn 2013 seine Arbeit aufnahm. S A F E hat sich im Rahmen eines wettbewerblichen Verfahrens durchgesetzt und sich zum Ziel gesetzt, die Anforderungen an einen opti- malen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte und ihre Akteure zu erfor- schen. Hier wird hochkarätige Forschung und forschungsbasierte Politik- beratung betrieben. Eine jüngste Innovation im Bereich der Lehre ist das im Wintersemester 2013/14 angelaufene QTEM-Netzwerkprogramm. Es richtet sich an Stu- dierende, die im Rahmen eines Frankfurter Masterstudiums zwei Semester im Ausland studieren möchten, wobei die dort erbrachten Leistungen an- gerechnet werden. Schließlich profitiert der Fachbereich enorm von dem Elan seiner engagierten Studierenden, was sich in vielen studentischen Initiativen widerspiegelt. Davon stellen insgesamt 16 ihre Verbundenheit und ihr Engagement für den Fachbereich ständig unter Beweis. Die Attraktivität des Fachbereichs Wissenschaften hat unzweifelhaft durch die verschiedenen Strukturreformen der letzten Dekade fühlbar zugenom- men – nicht nur für die Wissenschaftler selbst, sondern auch für die Stu- dierenden. Die Attraktivität des Fachbereichs spiegelt sich allein schon in den Bewerbungen um Studienplätze wider. Es gelang dem Fachbereich, begünstigt durch einen Generationenwechsel, vorzügliche, international renommierte Hochschullehrer für seine Arbeit zu gewinnen. Auch wählt der Fachbereich nunmehr die Studienbewerber selbst aus. Die Bewerberla- ge zeigt klar eine zunehmende Präferenz für Frankfurt als Studienort. Im Ranking nimmt der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften inzwischen Spitzenplätze ein. Zugleich stellt sich der Fachbereich seiner Verantwortung für Politik und Gesellschaft. Gerade die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, wie wichtig praxisorientierte Forschung für die Strukturierung gesellschaftli- cher Prozesse sein kann. Dieser Verantwortung ist sich der Fachbereich seit jeher bewusst gewesen. 23
ALUMNAT Nachwort Rückblickend bin ich manchmal selbst verwundert, welche gewaltigen Strukturänderungen der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften – mit akti- ver Unterstützung von vorausblickenden Universitätspräsidenten – in den vergangenen 15 bis 20 Jahren bewältigt hat. Die Ergebnisse zeigen, dass es nicht allein auf exzellente Forschung und Lehre ankommt – die gab es auch im „alten Fachbereich“ –, sondern ebenso auf die Forschungsorgani- sation, die Optimierung von kollektiven Entscheidungsabläufen und zu- kunftsweisende Studiengänge und Management in Forschung und Lehre. Diese Faktoren können wesentlich zur Schaffung von Synergien, zur Profi- lierung, zur Motivation der Wissenschaffenden vor Ort und zum Studien- erfolg der Studierenden beitragen. Die Reformen haben einen circulus virtuosus entfesselt, der innovative Energien in der Forschung freisetzt, den Anspruch an die Ausbildung wis- senschaftlichen Nachwuchses hebt, die Arbeit des Fachbereich in den Brennpunkt öffentlicher Debatten rückt, qualitativ hochwertige Studien- programme generiert und gut ausgebildete Absolventen hervorbringt. Dies alles kommt wiederum der Forschung zugute. Wird eine kritische Masse von Wissensagglomeration an einer Institution erst einmal erreicht, was nur bei Schwerpunktbildung gelingen kann, so erregt dies zentripetale Kräfte, die exzellente Forscherinnen und Forscher anzieht und qualifizierte Studierende attrahiert und begeistert. Denn wer möchte seine wissenschaftliche Karriere oder sein Studium nicht mit dem Namen einer prestigeträchtigen Institution verbinden? Sicher, der Weg zu einem zukunftsfähigen Fachbereich war manchmal steinig, und das Verhältnis der Kollegen untereinander gelegentlich at daggers drawn, aber nie persönlich verletzend. So bin ich dankbar für die Erfahrung einer letztlich kollegialen und konstruktiven Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden an der reformerischen Gestaltung eines Fachbereichs, der jetzt – zum Zeitpunkt des hundertjährigen Bestehens der Goethe-Universität – eine reiche Ernte einfahren kann. 24
ALUMNAT Das House of Finance Die Plattform zur Steigerung der Forschungs- und Lehrqualität sowie zur Interaktion zwischen Akademie und Praxis Von Prof. Dr. Wolfgang König I m Sommer 2008 wurde im Rahmen der ersten baulichen Erweiterung des Campus Westend das House of Finance bezogen. Unter dem über- geordneten Thema Finance fanden darin 25 Professoren und rund 170 wissenschaftliche Mitarbeiter aus den Disziplinen Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre (Geld und Währung) und Recht der Unternehmen und Finanzen Platz. Der intellektuelle Grundstein für das House of Finance wurde jedoch viele Jahre zuvor gelegt. Denkt man zurück an den Anfang der 1990er Jahre, so konnte man damals die Professoren, die sich in Frankfurt mit dem Thema Finanzen beschäftigten, noch an wenigen Fingern einer Hand abzählen. Dennoch festigte sich in dieser Zeit nach und nach innerhalb der Universi- tät die Erkenntnis, dass man an diesem Standort nicht nur eine gesellschaft- liche Aufgabe habe, mit von Einzelinteressen unabhängigen Forschungser- gebnissen und Weiterbildungsangeboten einen Beitrag zur Zukunftssiche- rung zu leisten, sondern dass man auch die Chancen des Standortes nicht ungenutzt links liegen lassen dürfe. Ein spannender und im Wachstum be- griffener Forschungsgegenstand befand sich buchstäblich vor der Tür. Was also lag näher, als sich intensiver mit ihm zu beschäftigen? Und so baute man innerhalb der Wirtschaftswissenschaften (und später auch der Rechtswissenschaft) nach und nach einen Schwerpunkt im Be- reich der Finanzen und der Geldpolitik auf. Angefangen mit Reinhard „Harry“ Schmidt und Jan Pieter Krahnen und unterstützt durch Initiativen wie das vom Bankhaus Metzler gestiftete Professoren-Austauschprogramm mit der Wharton School in Pennsylvania wurde nicht nur die Zahl der Pro- fessuren in diesen Fachgebieten kontinuierlich gesteigert, sondern man stellte sich mehr und mehr und auch zunehmend erfolgreich den internatio- nalen Spitzenanforderungen an Forschungs- und Lehrqualität. Heute – nochmals jüngst verstärkt durch die Neuberufungen im Rahmen des Exzel- lenzzentrums S A F E – zählt allein die Abteilung Finanzen elf Professuren und drei Juniorprofessuren – eine Konzentration, die an deutschsprachigen Universitäten ihresgleichen sucht. Hinzu kamen entsprechende Kapazitäts- 25
ALUMNAT erweiterungen in den Abteilungen Geld und Währung sowie Recht der Un- ternehmen und Finanzen. Daneben entstanden nach der Jahrtausendwende – auch zum Teil auf Initiativen von Alumni hin – Forschungs- und Weiterbildungsinstitutionen wie das E-Finance Lab (EFL), die Goethe Business School (GBS), die Graduate School for Economics, Finance, and Management (GSEFM), das Institute for Law and Finance (ILF) und das Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS), die sich alle in unterschiedlicher Weise und Zusammensetzung mit dem Thema Finanzen beschäftigen. Auch das be- reits seit 1967 existierende Institut für Kapitalmarktforschung, das seit 1996 Center for Financial Studies (CFS) heißt, zog im Jahr 2005 in Räume der Goethe-Universität um. Unter der Universitätspräsidentschaft von Rudolf Steinberg und durch die vehemente Initiative des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und seines Finanzministers Karlheinz Weimar entstand schließlich die Idee, ein House of Finance zu errichten, in dem alle diese vielfältigen Aktivitäten rund um das Thema Finanzen unter einem Dach gebündelt und die Leistungen der Einheiten in enger Zusammenarbeit noch weiter ausge- baut werden könnten. Die Überzeugung, die dahinter stand, war, dass ein Finanzplatz, der in der Weltspitze mitspielen soll, auch einen starken wis- senschaftlichen Partner benötigt, der sich mit den Spitzenhäusern in Euro- pa und dann auch weltweit messen kann. 26
ALUMNAT Die Neubauplanung der Goethe-Universität bot die Chance, dieses Projekt vergleichsweise rasch zu verwirklichen. Der interdisziplinäre Aufbau des ILF und des IMFS gaben dabei den Ansatz vor, sowohl wirtschaftswissen- schaftliche als auch juristische Professuren im House of Finance anzusie- deln. Das damit verbundene Anliegen war es, eine über die traditionellen Fachgrenzen hinausgehende, interdisziplinäre Vernetzung unter einem Dach zu erwirken, die aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel auf das Kernthema Finanzen umfassendere und nachhaltigere Ergebnisse hervor- bringen sollte, als es isolierte Einzelbetrachtungen ermöglichen. Das for- mulierte Ziel war, mit dem House of Finance ein europaweit führendes Zentrum für finanzbezogene Forschung und Weiterbildung zu schaffen. Und die räumliche Konzentration der drei Gründungsabteilungen mit den Forschungs- und Weiterbildungsinstituten trug Früchte. Neben der gegen- seitigen Beförderung in der Qualität von Forschung und Lehre vernetzten und ergänzten sich die Institutionen und verdichteten auch die bereits be- achtlichen internationalen Beziehungen der Abteilungen. Auch die Inter- aktion mit der Wirtschaftspraxis, einschließlich der politischen und öffent- lich-administrativen Sphäre, rückte verstärkt ins Blickfeld. Im Jahr 2010 brachte die Gründung des International Center for Insurance Regulation (ICIR) eine weitere Facette des Finance-Themas in das Haus mit ein. Nach und nach verstärkte sich das Bedürfnis, auch auf dem Feld der Poli- tikberatung aktiver zu werden – zum Teil natürlich auch vor dem Hinter- grund der 2008 voll sichtbar gewordenen internationalen Finanzkrise. Mehrere der Institute im Haus gründeten zu diesem Zweck im Jahr 2010 eine Policy Plattform. Eine eigens eingestellte Mitarbeiterin erhielt den Auftrag, politikrelevante Themen und Publikationen aus den Fachberei- chen zu bündeln und einer breiten Öffentlichkeit in verständlicher Sprache zur Verfügung zu stellen. Zudem werden Hintergrundgespräche mit Ent- scheidern aus Politik, Zentralbanken und Regulierungsbehörden organi- siert, um einen persönlichen und kontinuierlichen Dialog zwischen Wis- senschaftlern und der politischen Praxis aufzubauen und zu pflegen. Einen neuen Schub erfuhr das House of Finance 2012, als das Center for Financial Studies und die Goethe-Universität im Rahmen des hessischen Forschungsförderprogramms LOEWE (Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) ein neues Forschungszentrum einwerben konnten. Das neue Exzellenzzentrum S A F E – das Akronym steht für Sustainable Architecture for Finance in Europe – erhält vom Land Hessen 13 Millionen Euro für die ersten drei Jahre einer insgesamt bis zu sechsjährigen Laufzeit. Im Januar 2013 ging es nach kurzer Vorbe- reitungsphase an den Start. S A F E wird die Arbeit im Haus mit mittelfri- stig fünf neuen Professuren, 13 Assistenzprofessuren und zahlreichen neu- en wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen nicht nur personell bereichern, es bietet zudem die Chance, durch sehr gute Berufungen auch auf der Quali- 27
ALUMNAT tätsseite weiter zu punkten. Hinzu kommt, dass S A F E weit über das House of Finance hinausreicht, indem es Kolleginnen und Kollegen aus weiteren Gebäuden und Fachbereichen der Goethe-Universität einbezieht und auch externe Wissenschaftler über Forschungsprojekte anbindet. Zu- dem werden ein Gastwissenschaftlerprogramm, ein erweitertes Datenzen- trum und innovative Konzepte der fachübergreifenden Zusammenarbeit der Forschung und der Weiterbildung des Forschungsnachwuchses neuen Schwung verleihen. Nicht zuletzt wurde auch die Policy Platform im Rah- men von S A F E zu einem größeren Policy Center erweitert, das mit einer erweiterten Palette von Instrumenten und Kanälen den Austausch zwi- schen Wissenschaft und Politik stärker institutionalisieren wird. Da die räumlichen Kapazitäten mit S A F E endgültig erschöpft sind – zum House of Finance gehören inzwischen insgesamt 35 Professoren und 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern –, erfolgte eine räumliche Auslagerung von Teilen des Hauses in das IKB-Gebäude in der Eschersheimer Land- straße. Ziehen wir heute, nach rund fünfeinhalb Jahren House of Finance, eine erste Zwischenbilanz, so lässt sich guten Gewissens sagen, dass wir zwei Drittel der 2008 formulierten Ziele erreicht haben. Es konnten einige sehr gute junge Wissenschaftler berufen werden – aber es gab auch den einen oder anderen Verlust von Kollegen zu beklagen, die weltweit anerkannt sind (beispielsweise ging Thomas Laubach als Chef der dortigen For- schungsabteilung wieder zurück zur Fed und Stefan Gerlach wurde zum stellvertretenden Notenbankgouverneur von Irland berufen). Die Zahl unserer Publikationen in Spitzenzeitschriften steigt kontinuier- lich. Dabei weiß die Goethe-Universität Frankfurt mit Roman Inderst den besten Forscher im jüngsten Handelsblatt-Ranking der deutschsprachigen volkswirtschaftlichen Professoren (das weitgehend international anerkann- ten Rankingmustern folgt) in ihren Reihen; Ester Faia liegt in der Katego- rie der unter 40-jährigen auf Platz 4. Aber wir sehen auch, dass unsere Wettbewerber mit ihrem Forschungsengagement deutlich anziehen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat einige bemerkenswerte Früchte her- vorgebracht, insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Rechts- und den Wirtschaftswissenschaften und die politikrelevanten Publikationen. Es haben sich aber im Laufe der Jahre auch substanzielle Erschwernisse in der fachbereichsübergreifenden Forschung aufgetan. Eine wichtige Dimension des Wissenstransfers von Forschungsergebnis- sen in die Praxis – neben teilweise engen Forschungs- und Lehrkoopera- tionen mit der Wirtschaft – zeigt sich in einer Reihe von Mitgliedschaften von Persönlichkeiten des House of Finance in vielen wichtigen deutschen und europäischen Beratungsinstitutionen. Um hier nur zwei Beispiele her- auszugreifen: Jan Krahnen war Mitglied der 2012 von EU-Kommissar Mi- chel Barnier berufenen Liikanen-Kommission zur Neuorganisation des eu- 28
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