INTEGRATION www.gruenerkreis.at - Wege aus der Sucht 1 - Grüner Kreis
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
SUCHT Wege aus der Sucht Abhängigkeiten erkennen-behandeln-bewältigen Herbst 2011 79 magazin No 79 | Österreichische Post AG Sponsoringpost BPA 1070 Wien 04Z035724 S | DVR-Nr. 0743542 grüner kreis INTEGRATION grüner kreis magazin Wege aus der Sucht 1 www.gruenerkreis.at
Wir danken unseren SpenderInnen Friedrich Achitz, Linz Dkfm. Günter Baumgartner, Wien Mag. Karl Büche, Round Table 37, Wien Ernst Cwik, Breitenau Partner des »Grünen Kreises« unterstützt die Ziele des Leonhard Dünser, Ludesch Die Niederösterreichische Versicherung »Grünen Kreises« DI Manfred Eckharter, Wien unterstützt die Arbeit des »Grünen Krei- bwin bietet als österreichisches Unterneh- Doris Grossi, Wien ses«. »Menschen, die wieder ein selbstbe- men weltweit Sportwetten, Pokerspiel und Dr. Anton Heiling, Stubenberg stimmtes Leben ohne Abhängigkeit führen Glückspiel über das Internet an. bwin ist an Robert Kopera, Reisenberg wollen, brauchen vielfältige Unterstützung, der Wiener Börse notiert und bekennt sich Dr. Harald Krebitz, Bad Waltersdorf um ihre Krankheit zu besiegen. Als Partner zum verantwortlichen Handeln. Spiel soll Gertrude Kulhanek, Kierling des »Grünen Kreises« nehmen wir unsere der Unterhaltung dienen. Voraussetzung Mariensodalität, Johnsdorf soziale Verantwortung in der Gesellschaft dafür ist ein sicheres und verantwortungs- DI Peter Podsedensek, Wien wahr und leisten damit unseren Beitrag, volles Angebot auf höchstem Niveau. Dies Ponstingl Feuerwelt, Feldbach den Betroffenen auf dem Weg aus der Sucht wird durch verschiedene Forschungspart- Dr. Jörg Schachner, Graz zu helfen.« nerschaften und Kooperationen sicher- Mag. Karl Schwarz, Dürnstein Niederösterreichische Versicherung AG gestellt. Der »Grüne Kreis« leistet einen Dr. Alfred Stiskal, Wien www.noevers.at. wesentlichen Beitrag hierzu. Aktuelle Ein- Josefa Szeidel, Wien Herzlichen Dank an die NÖ Versicherung sichten aus Suchtberatung, -behandlung DSA Mag. Christian Tuma, Wien im Namen aller PatientInnen des »Grünen und -forschung fließen unmittelbar in die und zahlreiche anonyme SpenderInnen Kreises«! Gestaltung der Produkte von bwin ein. Veranstaltungen Fragen zum Thema Sucht Unterstützen & Spenden Zur österreichweit größten Organisation auf Helfen Sie uns helfen! dem Suchtsektor angewachsen, bietet der Mit Ihrer Unterstützung können wir »Grüne Kreis« bei Abhängigkeitsproblema- gemeinsam dazu beitragen, suchtkran- tiken rasche und professionelle Hilfe. ken Menschen einen Weg aus der Sucht zu ermöglichen. Ihre Spende wird zur Ambulante Programme, vor allem aber Weiterentwicklung von Projekten & Pro- die stationäre Kurz- und Langzeittherapie grammen im »Grünen Kreis« verwendet. bieten Suchterkrankten eine realistische Bitte verwenden Sie für Ihre Spende die Chance in ein drogenfreies Leben zurück zu NEUE Kontonummer der NÖ Landesbank- finden. Hypothekenbank AG: 03-855-013-222 | BLZ 53000, oder fordern Sie Ihren Zahlschein Unsere ExpertInnen beraten Sie gerne. bei spenden@gruenerkreis.at an. Weitere Das Herbstprogramm mit zahlreichen Schreiben Sie Ihr Anliegen einfach an Informationen finden Sie auch auf www. Konzert- und Theateraufführungen redaktion@gruenerkreis.at und erfahren gruenerkreis.at im Bereich »Unterstützen ab Seite 26 Sie alles über Sucht und ihre Behandlung. & Spenden«. Impressum Erklärung über die grundlegende Richtung Herausgeber: Verein »Grüner Kreis« Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH gem. § 25 Mediengesetz vom 12.6.1981: Geschäftsführer: Dir. Alfred Rohrhofer www.av-astoria.at Das Aufgabengebiet des »Grüner Kreis-Maga- Redaktion: Diese Ausgabe entstand unter Mitarbeit von: zin« bildet die Berichterstattung zur Prävention Dir. Alfred Rohrhofer, Peter Lamatsch Dir. Alfred Rohrhofer, Drin Angelika Schefzig, suchtindizierter Probleme im Allgemeinen, die Eigenverlag: »Grüner Kreis« Dr. Robert Muhr, Dr. Karl Bohrn, Dr. Sebastian wissenschaftliche Aufarbeitung der Abhängig- Verein zur Rehabilitation und Integration sucht- Bohrn-Meta, Dr. Leonidas Lemonis, Peter keitsthematik sowie Informationen über die kranker Personen [ZVR-Zahl: 525148935] Lamatsch, Ibrahima Diallo, Mag.a Franziska Tätigkeit des Vereins »Grüner Kreis«. Alle: 1070 Wien, Hermanngasse 12 Zussner, Kurt Neuhold Das »Grüner Kreis-Magazin« erscheint viermal Tel.: +43 (0)1 5269489 Bildnachweis: jährlich in einer Auflage von 30.000 Exemplaren Fax: +43 (0)1 5269489-4 Titelbild, Seiten 5, 7,9: iStockphoto Medieninhaber: »Grüner Kreis«, Verein zur redaktion@gruenerkreis.at Seite 22: dpa | Seite: 23 Ullstein | Seiten: 5, Rehabilitation und Integration suchtkranker www.gruenerkreis.at 26, 27: Kurt Neuhold | Seiten: 5, 29 Mag.a Personen. Layout: Peter Lamatsch Franziska Zussner | Seiten: 28, 30, 31: GrKr 2 Wege aus der Sucht
editorial Liebe Leserin, lieber Leser! Suchtkranken Menschen mit Migrationshintergrund gilt der Fokus dieser Ausgabe unseres Magazins. Diese leben im Spannungsfeld zweier Kulturen und brauchen dadurch verstärkt Verständnis und besondere Aufmerksamkeit. Vielfach sind MigrantInnen-Biografien von Diskriminierung, Gewalt und daraus resultierenden Traumatisierungen gekennzeichnet. Sprach- und Verständigungsprobleme sowie die daraus entstehenden Schwierigkeiten, entsprechende Ausbildungen zu absolvieren und in weiterer Folge entsprechende Arbeit zu bekommen, verstärken die an sich schon stressbelastete Lebenssituation zusätzlich und führen oft zur Flucht in die Droge. Der „Grüne Kreis“ ist seit seinen Anfängen vor mehr als 25 Jahren mit der Problematik befasst. Wie Dr. Robert Muhr in seinem Bei- trag ausführt, werden in unseren Therapieeinrichtungen KlientInnen mit und ohne Migrationshin- tergrund friktionsfrei gemeinsam in den „Therapeutischen Gemeinschaften“ behandelt. Eine konstruktive Migrationspolitik ist das Gebot der Stunde. Je vorurteilsfreier das Miteinander von Menschen mit Migrationshintergrund und der Mehrheitsbevölkerung gestaltet werden kann und je weniger Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und je besser Integration gelingt, desto weniger oft werden Menschen mit Migrations- hintergrund zu Suchtmitteln greifen. Die Chancen und Herausforderungen von Integration aktiv anzugehen und zu einer Versachlichung des Themas beizutragen, hat sich Staatssekretär Sebastian Kurz zum Ziel gesetzt. Er erläutert für das „Grüner Kreis“ – Magazin seine Positionen zum Thema Integration. Viel Freude bei der Lektüre unseres Magazins. Alfred Rohrhofer Helfen Sie uns helfen! »Wir heißen Sebastian und Felix. Wir wissen, wie es ist, mit Eltern aufzuwachsen, die zu Alkohol und Drogen greifen. Selten denken die Erwachsenen daran, wie sehr wir Kinder darunter leiden. Ein Glück, dass wir Hilfe vom »Grünen Kreis« bekommen. Hier arbeiten Menschen, die sich auskennen und um uns kümmern.« Sucht ist eine Krankheit, unter der alle Familienmitglieder leiden. Die Suchtgefährdung der Kinder, die in ihrer eigenen Familie schon mit diesem Problem konfrontiert sind, ist um ein Vielfaches erhöht. Rechtzeitige Hilfe verhindert langfristige Probleme. Unsere Präven- tionsarbeit verhindert, dass die Kinder von heute nicht die Sucht- kranken von morgen werden. Geben Sie Sucht keine Chance - unterstützen Sie unsere Ziele durch Ihre Spende! Wege aus der Sucht 3 Verein »Grüner Kreis« | NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG Kto. 03-855-013-222 | BLZ 53000
3 Inhalt Editorial 6 Stationäre Therapie bei KlientInnen mit Migrationshintergrund Dr.in Angelika Schefzig 8 Die Behandlung von PatientInnen mit Migrationshintergrund Dr. Robert Muhr 10 Spurensuche PatientInnen berichten über ihr Leben mit der Sucht 12 Suchtprävention und Integration von MigrantInnen Dres. Karl Bohrn und Sebastian Bohrn-Mena 15 Integration aus medizinischer Sicht Dr. Leonidas Lemonis 16 Die Betreuungsangebote im »Grünen Kreis« 18 Im Portrait: Dr.in Angelika Schefzig Peter Lamatsch 20 Ambulante Psychotheraie bei KlientInnen mit Migrationshintergrund. Mag.a Theresia Biberauer 22 quergelesen Literatur zum Nachlesen mit Textausschnitten aus: J. W. v. Goethe »Iphigenie auf Tauris« | Hilde Domin »Ziehende Landschaft« Bertold Brecht »Über die Bezeichnung Emigranten« | Max Frisch »Der andorranische Jude« 24 Gesundheit und Suchtprävention Staatssekretär Sebastian Kurz 26 Kunst im Grünen Kreis Forum Schloss Johnsdorf: Das Herbstprogramm 2011 28 »Soccer without Drugs Cup« 2011 in Spanien Ibrahima Diallo 29 Sportfest auf Schloss Johnsdorf Mag.a Franziska Zussner Wege aus der Sucht 5
Thema Stationäre Therapie bei KlientInnen mit Migrationshintergrund Dr.in Angelika Schefzig Migrationshintergrund – Was steckt in und hinter dieser häufig gebrauchten Bezeichnung, die vom »Handelsblatt« bereits im Jänner 2008 als »Unwort« vorgeschlagen wurde? G laubt man »Wikipedia«, gibt es keine allgemein gültige Bedeutung. Der Bogen spannt sich von der Definition einer Bevölkerungsgruppe in der Bevölkerungsstatistik viduellen Voraussetzungen zur Persönlichkeitsentwicklung in Kindheit und Jugend andererseits lebt eine Person mit Migrationshintergrund mehr oder weniger »zwischen den bis hin zum Synonym für »Ausländer« mit ähnlichen Kulturen«. Die »Herkunftskultur« ist nicht nur die Basis Konnotationen. In Österreich spricht man bevölkerungs- für das Wertesystem eines Volkes oder einer Volksgruppe, statistisch dann von Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch die implizite Grundlage des Wertesystems der wenn deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden. Familie und damit auch der Identität des Individuums (z.B. Unabhängig davon ist, ob diese selbst in Österreich gebo- Geschlechtsrollenidentität, hierarchische Strukturen und ren wurden oder die österreichische Staatsbürgerschaft Machtverteilung in der Familie, gesellschaftliche Normen, besitzen. etc.). Mit diesem Werte- und Normensystem in einem Land mit anderen kulturellen und sozialen Werten zu leben Der Anteil von KlientInnen mit Migrationshintergrund in den bedeutet, in einem Spannungsfeld zu leben. Ob sich dieses Einrichtungen des »Grünen Kreises« Spannungsfeld auflösen oder zumin- wechselt, ist aber in jedem Fall dest aushalten lässt, ist nicht zuletzt Viele unserer KlientInnen haben nicht unerheblich. Schwerwiegende von der Persönlichkeitsentwicklung Probleme wie zum Beispiel Kriege, Bedrohungen, Diskriminie- des Individuums abhängig. Schwierigkeiten zur Erlangung rungen und mangelnde Chancen- eines Aufenthaltstitels kommen gleichheit erlebt. Sich auf Therapie einlassen heißt, immer wieder vor und machen dann sich auf Veränderung einlas- oftmals intensive Sozialarbeit erfor- sen. Grundvoraussetzung für jede derlich. Dies ist jedoch nicht der Regelfall und soll auch Veränderung ist das bewusste Wahrnehmen dessen, was nicht Inhalt dieses Beitrags sein, sondern vielmehr die indi- zu hinterfragen und zu verändern ist. Dazu zählen auch viduelle Bedeutung des Migrationshintergrundes für die jene unbewussten oder »halbbewussten« Annahmen persönliche Entwicklung. über die eigene Identität und den eigenen Platz in der Gesellschaft, die von frühester Kindheit an explizit durch Viele unserer KlientInnen haben Kriege, Bedrohungen, Normen und implizit durch Beziehungserfahrungen inter- Diskriminierungen und mangelnde Chancengleichheit nalisiert werden und in ganz besonderem Maß kulturell erlebt. Diese teils sehr traumatischen Erfahrungen geprägt sind. Das Maß der Orientierung dieser gesell- sind zumeist mit Gefühlen von Angst, Wut, Schmerz, schaftlichen Regeln, Hierarchien, Machtverteilungen und Wertlosigkeit und Hoffnungslosigkeit verbunden und oft Rollenzuweisungen richtet sich dabei nach den individu- nur sehr schwer in die eigene Lebensgeschichte integrierbar. ellen Entwicklungsmöglichkeiten in der Familie, wobei Über lange Zeit sind sie daher Therapieinhalt. Neben diesen sich der Bogen von völliger Fremdbestimmung bis zur verletzenden und beängstigenden Erfahrungen kann der Verwirklichung eigener Bedürfnisse und Bestrebungen Migrationshintergrund darüber hinaus auch noch eine emi- innerhalb des sozialen Gefüges erstreckt. Soziale und nente Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung haben. familiäre Normen sind notwendig für das Erleben von Je nach dem Ausmaß des kulturellen Unterschieds zwischen Sicherheit und Eingebunden-Sein in eine Gemeinschaft, Herkunftsland und Aufenthaltsland einerseits und den indi- bedeuten aber gleichzeitig auch Einschränkung. Diese 6 Wege aus der Sucht
wird dann problematisch, wenn ein soziales Gefüge (Volk, erfordert oft großen Mut, dem Anerkennung gebührt. Religionsgemeinschaft, Familie …) rigide auf Einhaltung ihrer Normen besteht und die Sanktionen für Regelverstöße Wenn es gelingt, die im Aufenthaltsland dysfunktional als beängstigend und bedrohlich, teilweise sogar als lebens- gewordenen Verhaltensmuster aus der Herkunftskultur bedrohlich erlebt werden. zu überwinden, wird es möglich, den eigenen Einige Beispiele aus dem Therapiealltag mögen diese Handlungsspielraum zu erweitern und Strategien zu ent- Ausführungen verdeutlichen. Die Liste ließe sich beliebig wickeln, um eine Balance zwischen akzeptierten tradier- verlängern. ten Werten, Selbstbehauptung und Einordnung in die gesellschaftlichen Strukturen des Aufenthaltslandes zu • Ich habe panische Angst, wenn ich mich als Frau gegen finden. Zielsetzung ist also die Entwicklung eines differen- einen Mann behaupten will, weil meine Unterordnung - zierten Selbstkonzepts vor dem Hintergrund der eigenen völlig legal - mit Gewalt erzwungen wurde. Lebensgeschichte im »Hier und Jetzt«. • Ich habe enorme Schuldgefühle, weil ich nicht für meine In der therapeutischen Gemeinschaft, die bisweilen eine Eltern sorge, obwohl das meine Sohnespflicht ist. Ich »Multi-Kulti-Gemeinschaft« ist, ist im Allgemeinen wechsel- bin es nicht wert, in dieser Gemeinschaft zu verbleiben. seitige Toleranz zu erleben. Diskriminierungen sind selten. Das Anders-Sein des/ der Anderen aber zu verstehen und zu • Es ist unverzeihlich, jemanden zu kritisieren oder akzeptieren, es vielleicht sogar interessant zu finden, muss Grenzen zu setzen. Dazu bedarf es eines älteren und durch Reden und Zuhören erarbeitet werden. Eine Chance weisen Vermittlers. Ich habe Angst, geächtet zu werden. für die Entwicklung der eigenen Beziehungsfähigkeit und eines respektvollen Umgangs miteinander. Zur Abwehr von Angst und Gefahr »verzichtet« das Individuum - zumeist unbewusst - auf die eigene Weiterentwicklung. Das zu Grunde liegende innere Erleben, seine Bedeutung und die zugehörigen Gefühle bewusst zu machen und im »Hier und Jetzt« an der individuellen Lebenssituation zu überprüfen, ob das, was einmal als (lebens)bedrohlich erlebt wurde, auch heute noch - unter anderen gesellschaftlichen und persönlichen Bedingungen Dr.in Angelika Schefzig - eine Bedrohung darstellt, ist Aufgabe der Psychotherapie. Psychotherapeutin Im Therapieprozess begegnen viele KlientInnen dabei exis- Regionalleiterin Sonderkrankenhaus tentiellen Ängsten, wenn sie einen Teil dessen, was sie »Marienhof« und Jugendwohlfahrts- bisher als ihre Identität erlebt haben, in Frage stellen. Dies und Sozialhilfeeinrichtung »Binder« Wege aus der Sucht 7
Therapie Die Behandlung von PatientInnen mit Migrationshintergrund aus therapeutischer Sicht. Dr. Robert Muhr PatientInnen mit oder ohne Migrationshintergrund können problemlos gemeinsam behandelt werden. Wichtig ist nur, auf Sprachprobleme und kulturelle Besonderheiten entsprechend sensibel zu reagieren. D iesmal ist es dann doch das erste Mal passiert. Ich wur- de angefragt zu obigem Thema einen Artikel zu schrei- ben – und mir fiel spontan Nichts dazu ein. Dabei ist natür- oft sehr einschneidende Erlebnisse in Kriegsgebieten oder auf der Flucht hatten und somit besondere Aufmerksamkeit dem Umgang und der therapeutischen Arbeit mit Traumata lich klar, dass wir PatientInnen mit Migrationshintergrund zu widmen ist. behandeln. Aber Besonderes, in positiver oder negativer Aber all das geschieht bei uns selbstverständlich und ver- Hinsicht, war mir nicht präsent. Also habe ich mir einmal ursacht keinerlei Aufregung. Und das ist in Österreich doch Zahlen angeschaut. In den letzten 3 Jahren lag der Pro- bemerkenswert. Warum kann das in unseren therapeuti- zentsatz von nicht in Österreich geborenen KlientInnen bei schen Gemeinschaften so sein? 12,5% (leider ist es uns erst seit kurzem möglich, auch Per- sonen zu identifizieren, die einen Migrationshintergrund Nach einigen Tagen Überlegung glaube ich, jetzt einige sig- in 2. Generation haben). Diese sind also nicht in den 12,5% nifikante Gründe dafür entdeckt zu haben. Und das Zusam- enthalten. Es sind darin aber Personen enthalten, die zwar menspiel von 4 bestimmenden Faktoren macht es dann aus, nicht in Österreich geboren sind, aber keinen Migrations- dass PatientInnen mit und ohne Migrationshintergrund hintergrund haben, da sie nur zur Behandlung in Österreich ganz natürlich ihre Behandlung gemeinsam absolvieren sind (etwa PatientInnen aus Deutschland und Südtirol). Al- können. tersunterschiede zwischen österreichischen KlientInnen und jenen, die nicht in Österreich geboren sind, sind nicht Die Tradition: zu beobachten. Jedoch ist der Anteil von Frauen bei Klien- Schon von Beginn an waren KlientInnen, die nicht in Öster- tInnen, die nicht in Österreich geboren sind, sehr gering reich geboren wurden, oder deren Eltern nicht in Österreich (6%). Bei Österreichern liegt der Anteil bei 20%. Generell geboren wurden, unter unseren PatientInnen. Und vieles, kann noch festgestellt werden, dass das Bildungsniveau was heute selbstverständlich ist, wurde vor – in unserem von nicht in Österreich geborenen KlientInnen niedriger ist. Fall – mehr als fünfzehn Jahren angelegt. So wurde schon Also geben auch die Zahlen nicht wirklich Besonderes her. immer besonders darauf bedacht genommen, dass die Aus- Außer die tatsächliche Anzahl von KlientInnen mit Migrati- übung von religiösem Leben möglich ist. Auch wenn das für onshintergrund in den letzten 3 Jahren: 247. viele KlientInnen bedeutungslos ist. Oder unsere Küchen – von den PatientInnen selbst geführt – haben immer schon Und das sind viele, und mir fallen nach und nach die Ge- auf spezielle Bedürfnisse geachtet, bzw. wurden sie auch sichter dazu ein. Aber warum fallen sie mir nicht auf? immer wieder von KlientInnen mit Migrationshintergrund Langsam fällt mir auch ein, was spezifisch in unseren the- bestimmt. Traditionen (gute oder schlechte) erkennt man rapeutischen Gemeinschaften für KlientInnen mit Migrati- oft daran, dass etwas selbstverständlich, nicht hinterfragt, onshintergrund getan wird. So sind alle Küchen darauf ein- fortgeführt wird. Ich denke, dass viele KollegInnen ihre Ar- gestellt, immer Alternativen zu Schweinefleisch zu bieten. beit mit MigrantInnen so erleben. Das ist gut so, aber auch KlientInnen, die nicht sehr gut Deutsch sprechen, werden gefährlich. Vielleicht dient ja diese Nummer unseres Maga- immer in »»Therapeutische Gemeinschaft«en« integriert, in zins dazu, doch auch wieder genauer auf dieses Thema zu denen MitarbeiterInnen oder zumindest MitpatientInnen blicken (bei mir ist es ja offensichtlich schon gelungen). deren Muttersprache sprechen. Und alle KollegInnen sind selbstverständlich darauf eingestellt, dass bei Personen aus Die »Therapeutische Gemeinschaft«: süd-östlichem oder mit moslemischem Hintergrund beson- Mir erscheint die »Therapeutische Gemeinschaft« an sich ders Augenmerk auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau und deren Notwendigkeit zu Anpassung und Integration und auf Familie zu legen ist. Klar ist auch, dass KlientInnen, eine Antwort zu bieten. Das Einleben in eine Gemeinschaft, die in Österreich Asyl haben oder um Asyl angesucht haben, in der man mit 15 bis 20 anderen Personen zusammenlebt 8 Wege aus der Sucht
und das Leben auch organisatorisch gemeinsam gestalten auch für Unterschiede der Herkunft. Von wem das Sucht- muss, ist für alle schwierig und für alle ein großer Einschnitt mittel kommt und mit wem es konsumiert wird, spielt kei- im Leben. Egal mit welchem Hintergrund man kommt, es ne Rolle mehr. Und zu Beginn der Behandlung ist dieses bedarf großer Anstrengung jeder/jedes einzelnen Klientin/ Verhalten und diese Einstellung keinesfalls Vergangenheit. Klienten um sich hier zu integrieren. Und manchmal habe Anstelle der oftmals notwendigen Abgrenzung von ande- ich den Eindruck, dass Personen, die es gewohnt sind in ren durch übliche Stereotype, wie Herkunft und Rasse, tritt größeren Familienverbänden zu leben, oft also KlientInnen sogar die Sucht selbst. Und die größten Antipathien herr- mit Migrationshintergrund, einen Startvorteil haben. schen zwischen »verschiedenen Abhängigen«, etwa Alko- holikerInnen und Opiatabhängigen. Die therapeutische Sicht auf unsere PatientInnen: Die therapeutische Behandlung in unseren Gemeinschaf- Diese vier Aspekte zusammen erklären mir, warum Migran- ten, fokussiert im Hier und Jetzt, hat das Innere unserer tInnen und ÖsterreicherInnen in unseren »Therapeutischen PatientInnen als Bezugspunkt. Und dieses Innere mag ehr- Gemeinschaften« nicht als besonders verschiedene Grup- lich verstanden und angenommen werden, um der Person pen wahrgenommen werden. Und das ist tatsächlich ein positive Entwicklung zu ermöglichen. Alle therapeutischen Segen. MitarbeiterInnen sollten diese Sicht auf ihre KlientInnen haben und diese grundsätzlich durch professionelles Wis- sen und Handeln ergänzen. Die Sucht: Dies mag kein besonders erfreulicher Grund sein, aber er stellt die Realität unserer KlientInnen wahrscheinlich am besten dar. Angesichts der Abhängigkeit und der Geschich- te unserer KlientInnen spielt kaum mehr etwas eine Rolle Dr. Robert Muhr im Leben. Familie, soziale Kontakte, Beziehungen haben Klinischer Psychologe und Psychotherapeut, am Höhepunkt der Sucht keine Bedeutung mehr. Dies gilt Therapeutischer Leiter im »Grünen Kreis« Denkmal des Emigranten am Mirador in Garachico [Teneriffa] Wege aus der Sucht 9
Spurensuche L e b ensjah r bin em vie rte n nicht m e in ? ) w e iß ich zu ck er kei. Bis oder zum Glü beide aus d in d er Tür e id e r ( m m e n nja hsen. L ern sta ulu-Ko fgewac iner Elt t s o r t ist K ir a u m e ein Ge bu r Izm ilie n erer lich in ie Fam re jüng M p t s ä c h m il ie . D e i J a h ich hau che Fa um zw m e in e leibli e in ig e s. Mein er ich an viel üb e ich m land. Tür ke i. e r in n e r ch im Aus Ja h r e tsä c h li mer in e r jungen e r lebt. w a r haup g . E r hatte im suchte e ir ge r “ schlu n und Trotz m t alles mit m in „Erzeu r c htbar e n tfliehe d Bruder h a f. M e tte r f u m z u ilie un e r M u tter au r m e ine Mu e r s u chte ih a r m en Fam hre. bei d e v h r Ja chsen ich, wie ehorchen. Sie aus einer se ar 41 ihn Wir wu , d a n n sah r z u g a m m t 1 4 u n d er w s . Durch r k a m t t e n u S ie s t w a r e rs t e n e ha t. ten. Sie h schw Wenn nd sie msons t. a gen“ u ie , aber u e it “ heira uder und mic törung erleb „d a s S e r F a m il r h a b e n h e n B r e Z e r s u d er und e b ei ihr s e in er „E ch mein s e e lisch e in e n Br waren H il f ih n w ege n h a n d elte a u u n g e n un d m ic h und m e f e r t und es musste mis s üt ig er geli kam E r z euger“ u n g e n, Dem m e in e r Mutt r e la ng aus a f t e t und be „ t z a h h Unser erverle ar, entriss e r zwei J er ver b e ic h Körp a lt w e n w ir ihm D a n n wurde h a hr e wa r ns . vier Ja . Hier s Lebe insam – Als ich s n a c h Wien a h r e unsere ich-Verbot. ck geme rotzdem t e u n s t e n J t e r r e G lü brach chlimm für immer Ö s um .T s die s ann - z sehr um uns it für un r e c h e r d w u rden d n s ic h n g , auch m in v e r b u n r g t e s t r e , me wer Heim eltern so uns se hr öffnen als Sch a m en ins o p t iv o g e n h n ie echt e r u n d ich k h is c h en A d s t e u n d er z k o n n te m ic e r u n g en ger rud ic Be h rd Mein B österre n das uns. Ic n Anfo ich nie r t . Unsere er. Sie wollte z u v iel für e d e n viele n k onnte ines adop t ie s e h r schw n . D a s wa r in . I ch wo ll t e r e n Kind e r a u ß e rhalb e es ge ie ich b mit an d el wurde htigun sein, w len Umgang ldviert c h en Züc s o f s ten Wa er. körp e r li t zeig e n , Sozia s im t ie en B r u d sich zu G e s ic h r n ic h t . I ch w u c h ic h m e in a l, u ns an wah r e s es a b e att e . hat t e ein m s vor e n , k onnte e F r e unde h Z u m Glück g e r s “ noch s c h ü tzte un Bruder d h kein . e u d wer rn auf s „Erz mit un m. Me in , weil ic hne Nachba unsere ehrerin hattet vorka . Ich v er- lernen r f e s o e r B r u d e r o lk s s c h u ll b e s c e h a lt e n D o te d e V mir us g s ich kleinen Zeit versuch m d ie s mein n , w eil ich z u H ause a w e g , sodas er In dies Zum Glück b ek a ass e noc h Hau s e ohol- . im m er aufp ich es kaum d e r v on zu e r w e gen Alk och n h ie b n nehme sste ic h habe mer w ie ich a te ich kaum . S e it her mu Heim. Danac , und lief im d ie H BLA, d k o n n n n te ihm ein en ich der ,k o m s p ä ter in b e n z u nehm zt besuchte m e in e m Bru E s s p r obleme d e n ka as Le let am. Zu de brachte. M it bekam kam ic h , mir d rnat k de. Ich ach be suchte r in t e z u E n e n s f r e u rie . D a n Schüle s nicht die Leb der Psychiat der zu in ein s “ -K onsum a h m mir in en Bru - „ G r a d a s n e t e ic h d e n . m e in er leib un d en un d n lan d schw in n d. U m n mein t h a b s w e g e u v e r s c h la ic h v o d e t e Kontak hr essen. De z ut erfuhr en usland ach De leider ic h t s me u n s c h , ins A g e s mich n it 2 0 Jahren r n e n . Doch d h abe n c h t ig e nW n v e r schlu e r r e ic h. M n n e n zu le e ß s ie un t li sehnsü von Freunde ach Ös sie ke Ich ver it H il fe ie d e r kurz n d ie T ü rkei um eifen wollte. M hw r e- kam ic sofort in er ang iner B sehen, r u n d flog h ih r Geliebt ic h w egen e ie - Mutt e m ic nm Sch w lichen r e c k e n, weil h r z u ihr. W e g e führte B r u der in t e Sch t me e e in uc h das mit inen Kontak . Mein dass m d vers r k e r o g e n konsum ic h e rfuhr, s t e r r e ich un r og ensüch - I e it h e in D . A ls ch Ö o n d s te sich m e e heira ten zurück na sch Eine r s t ä r k w o ll t k a m r ic h jedoch v e r u rteilt. ve . Ich es , wa h Jo Danach ach England auf all amals richtlic n g n ic h t e te ich u h e lfen. D f ä ll ig und ge ziehu z z f ke, ver Bruder ch wurde str a en stec einem I hle ich ich mich rigkeit c h e , u m m e in e n J o b . H ie r f ü ögli dk Kreis“ . n, für m alles M kein Geld un rünen z u finde sigkeit. a t t e a b . im „ G r a f t tig, h h ich ndete ich genug K fnungs lo ie brac ung la ng um nd Hof Therap r u r t e il r s t ü t z u lu n g u ten Ve d Unte erzweif m e in er letz a u s reichen hne Angst, V Nac h komm e o und be Leben sicher p f e n um ein zu käm weiter 10 10 Wege aus der Sucht
PatientInnen berichten über ihr Leben mit der Sucht. Hier habe Wut ich m und eine te un Hilfl bedin osigk Problem und g eit e mi Frau t ein Ju umzuge t ag neng e n als n ge se h en. F gressive elern s chw i n , we rühe n Mä wied t r n er ei zu habe ach gese il ich au habe ich nern erk Män ne F n, di hen f Gru mic annt rau e mi h ne heut rn ause sein r geh abe. Mit nd mein h teils a und lerne e no inan zu w olfen tlerw er fr ls Ju m nge ch ei n Th derz usetz o llen. Denn habe n, m eile b in ic ü hen Erfa gekle it meine Aish ema e o i ch w h h r ide r a für m n und ih ch habe ohl i froh, sta ungen M t, woll- ich. n en m i c h we n mein rke F ä raue dchen M eine iterh er H n ke G r e nzen i n g roße a u t z n- ein N ame zu v Prob u fühlen I ist J e rdeu l e u welc ch bin ei o tlich me, mich nd he sp n Su e. Ich bin en. D bei a ez ch 1 as is mit nder ifischen tkranker 988 im t auc h en P Kong bean twor atien Problem mit M i g o / B le, w t e t e n de e ich h ra tions r az ie ich n will. A s a hinte zaville g zu d ber b „Grünen be oder r grun ebor en D e ge en. Bego roge vor ich d Kreises“ habt hab d und ic nnen n geko as tu ? D a e . W h wi der S habe mme e, s is as ll e c i n bin finde ich t die Fra war für uch erzä ten g hule. Dam ch mit d . e s für g e, mic hlen e Platz troffen, u als haben Drogen en ange die ich m h anders , mess i als der Z m wir u im A en, w t diesem verg esse ufluc Marihu n s i lter v e n n Te xt ht, a a m o ich e der E n ko n n n de na zu ra mer nac n vierzeh rzäh x t m u chen h nJ - te, b zesse, de en. Aber wir d en S und der S chule ahren m lieb s Alk sehr t r e M u b i t scho n i o s ss in s ik zu ei Fr n ba cht in die hols, de chnell w der F mach einem äl eunden a ld be s e r r Dr u r d ed a m ilie u e n . tere us kam Wohn og Ich k en w ung. en und d ieser Pl nd d Für uns n Bekan i r die N e at e n w a n- a lang nn mich Kons ein, es g r Partys z der Zu Stress in r das ei eque i . fluch n perli en N ächt daran er nzen ng in de Was in di t zu der S c h u e inn z u sp r S e e in l e chen a und uf der St ern, als üren chule un ser Wohn em Plat die s raße wäre . d zu ung z eelis , der Haus p Was ab chen U es ge stern e we assier- ist, d er mein Narb mstieg ! De iter und en, d auf h a e ter u ss ich tro Geschich ie er ärter r Raussc n t te vo s t jetzt e D h m alles d ihrer F z meiner n de n Ge wied rogen un iss von z getan amil S u c s er ve d na u Ha verz ie in ht chich rheil türli use, ichte . Ich hab Afrik und me ten d en. ch d ie kö die t, da e ged a m iner e r an r- mit i it fin Dopp ch m ealt, ich a eldia deren Pa Erst jetzt einer habe nziellen gnos tient Fam g M e e dass w man eiß ich, d ilie h estohlen itteln he (Depres n unters nen. m a e l fen k u n l fe n mu s i on cheid Denn anchma ss man ann. d ich ha sste. ) meiner et, irgen sollt l e g e r s t b e s o D a M u oist au gar a f ü t- dwan e n im ich weite isch sein f sich sch uf ei r habe ic Gefä rmac m a u nen h Das ngni uss, en m Wohn is s un hen, wie beso nder uss, bev sitz einen t etwas, d da n n i ch b i s i n o r m was kann s je ein an a man neuen St ich h ier im ich m tzt gehan er Situa uf an – ohn art i e d tion de wir h e kri m Le ben. „ Krei i n e r Fam e l t habe wie d re schau ier h mine s “ gele i l ie ni , d a er t, Kurs ab ll zu m en. Und zu sein – lerne, w rnt hab. Ich cht m nn land mei- betri ie e hr h e ic ff ache n nich t zu G eld k man mi ier beko H elfen h hier trier t, die zei , was mi nur das. o m mt t d er m m e . en m g r I uss. t Verstän sicher n ch fange . Dabei h Sucht um ich die C dnis achh s o gar i l ft m geht hanc Ich b dafü er nü , e in da r, da tzlich im Sept ir die Ar aber auc auf nkba s s ich m sei e m be b eits h ,w r für diese ich i n wird. U r an, ein therapie ie oe mM n d e n , die zwei omen w Ca te Ch t auf as meine tering- ance die T F und hera amilie werd pie k e sie onze auch n- nütz en! Wege aus der Sucht 11 11 19
Kommentar Suchtprävention und Integration von MigrantInnen Das Institut für Sozial- und Gesundheitspsychologie (ISG) und der Verein EUMIG beschäftigen sich bereits seit längerem mit den Themen »Suchtprävention« auf der einen und »Migration« bzw. »Integration« auf der ande- ren Seite. Im Rahmen eines neuen Praxis- und Forschungsprojekts mit dem Arbeitstitel »Suchtprävention mit MigrantInnen« können die integrationsbezogenen Erfahrungen von EUMIG im Kontext der Suchtvorbeugung bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund genutzt werden. Dr.Karl Born | Dr. Sebastian Bohrn-Mena I n verschiedenen Untersuchungen hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass MigrantInnen der ersten und zweiten Generation durch Regelangebote der Gesundheitsförderung die Einstellungen der Kinder und Jugendlichen abstimmen. Da, wie oben erwähnt, die Eltern eine wichtige Rolle spie- len, müssen diese immer mit einbezogen werden, damit weniger gut erreicht werden können. Grund dafür ist, dass auch sie über Drogen informiert werden können. In erster dabei den sozio-kulturellen Besonderheiten unterschiedli- Linie sollen sie aber in ihren Fähigkeiten, mit ihren Kindern cher migrantischer Populationen oft nur wenig Rechnung offen darüber zu sprechen und im Umgang mit Problemen getragen wird. Jugendliche mit Migrationshintergrund gestärkt werden. Für die Eltern, die häufig nicht über ausrei- beherrschen unter Umständen die Sprache nicht perfekt, chende Deutsch Kenntnisse verfügen, aber auch für Kinder, kommen häufig aus ärmeren Familien, haben eventuell ein kann es eine große Hilfe sein, wenn die Informationen auch mangelndes Wissen über vorhandene Hilfsangebote, und in ihrer Muttersprache angeboten werden und Zugänge aufgrund der Kulturunterschiede gibt es oft Hemmschwel- genutzt werden, die ihre spezifische Kultur oder Religion len, vorhandene Hilfsangebote anzunehmen. bietet. Josef Oggier und Mustafa Ideli von der Fachstelle für inter- Jugendliche, die – als Angehörige der zweiten oder dritten kulturelle Suchtprävention und Gesundheitsförderung in Generation von MigrantInnen – quasi in zwei Kulturen auf- Zürich berichten über kulturelle Besonderheiten, die im wachsen (der ihrer Eltern und der der aufnehmenden Ge- Zusammenhang mit Sucht stehen: So wie jede Kultur an- sellschaft), werden zusätzlich zu den Herausforderungen dere Traditionen pflegt, gibt es ihres Entwicklungsalters auch auch unterschiedliche Begriffe noch mit der Notwendigkeit kon- von Drogen und Sucht. Das ist So wie jede Kultur andere Traditionen frontiert, Kompetenzen für die unter anderem dadurch zu er- pflegt, gibt es auch unterschiedliche erfolgreiche Lebensbewältigung klären, dass in verschiedenen in zwei verschiedenen »Welten« Kulturkreisen unterschiedlich Begriffe von Drogen und Sucht. zu entwickeln. Oft sind sie auch häufig diverse Drogen konsumiert die Brücke für Familienangehöri- werden. Teenager mit türkischem ge, die sich in der aufnehmenden Hintergrund zum Beispiel (beson- Gesellschaft noch nicht so gut zu- ders Mädchen) trinken seltener Alkohol als österreichische rechtfinden und werden durch diese zusätzlichen Aufgaben Jugendliche, weil es in ihrer Kultur und ihrer Religion nicht manchmal überfordert (vgl. Bohrn Mena, 2010). gerne gesehen ist, Alkohol zu konsumieren. Theres Bauer von der Schweizer Fachstelle für Gesundheit und Integrati- In den letzten Jahren wurden v.a. in den USA Drogenvor- on berichtet, dass Alkohol in vielen Kulturkreisen als Sünde beugungsprogramme entwickelt, die diesen Unterschieden gilt, in anderen wird er akzeptiert und ist sogar ganz nor- Rechnung tragen. An der Universität für präventive Medi- maler Teil des Alltags. Oggier und Ideli untersuchen einen zin in Südkalifornien wurde beispielsweise das Programm weiteren wichtigen Punkt, nämlich die familiäre Erziehung. »Flavor« entwickelt, ein kultursensitives Tabakpräventi- In einigen Kulturkreisen sind die Eltern wesentlich strenger onsprogramm für Schüler der 6. Schulstufe. Besonders bei im Umgang mit Drogen und wollen das Thema Sucht gar Kindern mit hispanischem Hintergrund scheint dieses Pro- nicht ansprechen, weil es für sie Tabu ist. gramm wirksam zu sein. Den Kindern wurde in 8 Einheiten sowohl fachspezifisches Wissen gelehrt, als auch Fertigkei- Wenn Präventionsprogramme auch für Gruppen mit mig- ten vermittelt, die zum Beispiel für eine gute Kommunikati- rantischem Hintergrund erfolgreich sein wollen, müssen on untereinander, eine effektive Problemlösung oder etwa sie u.a. auch dieses unterschiedliche Verständnis berück- das Ablehnen von Drogen wichtig sind. Hierfür wurden sichtigen indem sie ihre Inhalte auf den Wissensstand und spezifische kulturelle Normen und Werte der Community 12 Wege aus der Sucht
berücksichtigt. Die Ergebnisse sind vielversprechend: be- geleitet wird. Das vorher bereits in Großbritannien erfolg- sonders bei den Burschen konnte der Rauchbeginn bis zur reich eingesetzte Programm soll die türkische Bevölkerung 8. Schulstufe verzögert werden. durch Wissensvermittlung und Einstellungsänderung vom Rauchen abhalten. Die teilnehmenden türkischen Vereine An den New Yorker Universitäten Cornell und Columbia werden mit Informationspaketen ausgestattet, daneben wurden bei mehreren Schülergruppen afroamerikanischen wird gemeinsam mit den Teilnehmern an Maßnahmen ge- bzw. hispanoamerikanischen Hintergrunds ein universeller arbeitet, die in der Gemeinschaft eingesetzt werden können. Ansatz - d.h. Kinder aller Kulturen wurden zusammen unter- Fernsehen, Internet, Radio und Zeitschriften helfen dabei, richtet - mit einem kulturspezifischen Ansatz – d.h. Kinder die Informationen bekannt zu machen. bekamen ein auf ihre Kultur zugeschneidertes Programm, auf ihre Wirksamkeit hin verglichen. Dieses erreichte durch In Österreich gibt es bislang kein Primärpräventionspro- eine Kombination aus Wissensvermittlung und dem trainie- gramm im Suchtbereich, das die speziellen Bedürfnisse von ren von Lebensfertigkeiten beeindruckendes: Schüler aus migrantischen Communities berücksichtigt. Um dabei mit- der Gruppe der »kultursensitiven« Gruppe tranken auch zuhelfen diese Lücke im Angebot zu schließen, erarbeitet 2 Jahre nach dem Programm weniger Alkohol und waren das Institut für Sozial- und Gesundheitspsychologie (ISG) seltener betrunken als jene aus der »universellen« Gruppe. seit April 2011 im Projekt »Suchtprävention mit MigrantIn- Weiters standen erstere dem Alkohol- und Nikotinkonsum nen (SPM)« ein spezifisches Programm für 10-14jährige Ju- kritischer gegenüber als Kinder, die das kultursensible Pro- gendliche mit türkischem Migrationshintergrund in Wien. gramm nicht durchlaufen hatten. In Zusammenarbeit mit dem privaten Phönix-Realgymnasi- um werden im Rahmen dieses dreijährigen Projekts kultur- Noch zielgerichteter können kultursensible Präventions- spezifische Einflussfaktoren identifiziert und für den Ein- programme innerhalb der jeweiligen »Communities« ein- satz in einem neuen Präventionsprogramm berücksichtigt. gesetzt werden. Wichtig dabei ist es, die gesamte Gemein- Die SchülerInnen werden über ihre LehrerInnen erreicht, schaft mit einzubeziehen, weil die kulturellen Unterschiede die mit ihnen das Präventionsprogramm durchführen und oft eine Hemmschwelle darstellen. Ein Beispiel hierfür ist zu diesem Zweck spezifische Trainings absolvieren. Beglei- das Projekt »Tiryaki Kukla«, ein Tabakpräventionspro- tend zum Unterricht in den Klassen werden auch die Eltern gramm für Migrantinnen und Migranten aus der Türkei, das der SchülerInnen mit einbezogen, türkische MigrantInnen vom Zürcher Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung der ersten bzw. zweiten Generation, die im beschriebenen Feuerwelt Ponstingl unterstützt die Arbeit des Vereins »Grüner Kreis«. Produkte aus unserer Schlosserei haben einen Platz im Sortiment der Feuerwelt Ponstingl gefunden. Wege aus der Sucht 13
Setting aufgrund der höheren Eltern-Partizipation erfolg- Aufnehmenden. Familie, Peergruppe und Institutionen wie reicher in die Präventionsarbeit einbezogen werden können z.B. Schule spielen eine wichtige Rolle bei der Vermittlung als im Regelschulwesen. Unter diesem Blickwinkel stellt das dieser Fähigkeiten. Das Projekt SPM trägt dem Integrations- vorliegende Projekt auch einen wichtigen Beitrag zur Erhö- gedanken auf zwei verschiedenen Wegen Rechnung: auf der hung des Partizipationsgrads als wichtiger Bestandteil sozi- einen Seite soll es durch seinen partizipativen Charakter aler Integration dar, indem die Zielgruppe selbst aktiv in die LehrerInnen, Eltern, SchülerInnen und VertreterInnen der Adaptierung und Durchführung der Programme einbezogen türkischen Community aktiv mit einbeziehen. Auf der ande- wird und letztlich die Verantwortung für eine langfristige ren Seite wird das neue Programm in seinen suchtpräventi- und nachhaltige Implementierung übernehmen kann. ven Kernelementen dem Ansatz der »umfassenden sozialen Interaktion« folgen, der auch schon erfolgreich im Europä- In jeder Phase des Projekts »SPM« werden die Interessens- ischen Präventionsprogramm »Unplugged« angewendet gruppen der Schule und der türkischen Gemeinschaft ein- wird. gebunden und tragen dadurch dazu bei, dass am Ende der Laufzeit ein passgenaues Programm vorliegen wird, das Das Programm »Unplugged« wurde 2003-2009 unter Mitarbeit zum weiteren Einsatz übergeben werden kann. Dadurch des Instituts für Sozial- und Gesundheitspsychologie Wien wird auch einem weiteren zentralen Anspruch des Projekts (ISG) im Rahmen eines von der Europäischen Kommission Rechnung getragen, nämlich geförderten Forschungsprojekts jenem vor Ort Kapazitäten auf- (EUDAP) erarbeitet, seine Wirk- zubauen: LehrerInnen werden samkeit im Zuge einer interna- Das Wiener Institut für Sozial- und Gesundheitspsycho- in der Handhabung des neuen tionalen randomisierten kont- logie ist eine seit 1994 bestehende private Forschungs- Programms eingeschult und rollierten Studie mit ca. 6.000 und Praxiseinrichtung. Unter Leitung von Dr. Karl Bohrn sind dadurch langfristig in der TeilnehmerInnen bestätigt und und Dr. Sebastian Bohrn Mena arbeitet ein interdiszip- Lage, eigenständig und unab- wird aufgrund der Evaluations- linäres Team an der Prävention, Behandlung und Erfor- hängig von externen Anbietern ergebnisse laufend adaptiert und schung von psychischen und physischen Beschwerden. zielgenaue Präventionsarbeit aktualisiert. Derzeit wird es in 11 Das ISG ist in zahlreichen europäischen und nationalen in ihrer Schule anzubieten. europäischen Ländern erfolg- Forschungsprojekten beteiligt mit Schwerpunkten Sucht, Dadurch steigt die Akzeptanz reich eingesetzt. In Österreich Gewalt und Integration. Weitere Informationen zu den unter LehrerInnen, Eltern und wurde es per Erlass des Unter- Autoren und zum Projekt »Suchtprävention mit Migran- SchülerInnen und beeinflusst richtsministeriums zum Einsatz tInnen« finden Sie im Internet unter www.isg.co.at/spm auf diese Weise die Wirksam- an Schulen für 10 bis 14jährige bzw. auf Anfrage unter spm@isg.co.at. keit des Programms positiv. Das empfohlen. Ein solches Pro- Projekt »Suchtprävention mit gramm ist in der Durchführung MigrantInnen« wird vom Fonds interaktiv und kommunikations- Gesundes Österreich (FGÖ), dem Verein Phönix-Bildungsin- fördernd und integriert das Training von Lebenskompetenzen stitut und dem Institut für Sozial- und Gesundheitspsycho- wie kritisches Denken, Entscheidungsfindung, Problemlösen, logie finanziell gefördert. Die »Integration« von Zuwande- kreatives Denken, effektive Kommunikation, Beziehungskom- rern in die österreichische Gesellschaft ist ein Thema, das petenzen, Selbstwahrnehmung, Empathie und Bewältigung in den letzten Jahren vermehrt die Öffentlichkeit beschäftigt von Emotionen mit der Korrektur normativer Vorstellungen und immer wieder im politischen Diskurs gebraucht wird. über Substanzkonsum. Erreicht werden soll dadurch sowohl Sie bezeichnet den Prozess der gesellschaftlichen Einglie- die Verringerung von Erstkontakten mit psychotropen Subs- derung und zunehmenden Teilhabe von Zuwanderern oder tanzen als auch das Hinauszögern des Übergangs von experi- Gruppen von Zuwanderern am gesellschaftlichen Leben mentellem zu regelmäßigem Konsum. und deutet damit auf einen Vorgang hin, der die Aktivitäten von zwei Seiten voraussetzt – der Zugewanderten und der Die langsam aber kontinuierlich steigende Anzahl an ein- schlägigen Veranstaltungen und Projekten, wie dem im deutschsprachigen Suchtpräventionsbereich pionierhaften Projekt »Suchtprävention mit MigrantInnen«, zeigt, dass ein steigendes Bewusstsein zur Bedeutung der Berücksichtigung multikultureller Faktoren in der Gestaltung und Umsetzung von Gesundheitsangeboten bei der teils besonders vulnerab- len Gruppe der 1. und 2. Generation von MigrantInnen in Ent- stehung ist. Dieses Bewusstsein stellt eine wichtige Grundlage für nachfolgende diesbezügliche Aktivitäten dar, die sowohl zur umfassenden »Integration« von Zuwanderern als auch zur Verbesserung der Gesundheitsvorsorge- und Versorgung posi- tiv beitragen werden. Institut für Sozial- und Gesundheitspsychologie Dr. Karl Bohrn [wissenschaftlicher Leiter] Dr. Sebastian Bohrn-Mena [Geschäftsführer] 14 Wege aus der Sucht
Medizin Integration aus medizinischer Sicht Rein medizinisch betrachtet, besteht in der Behandlung zwischen PatientInnen mit Migrationshintergrund und der Mehrheitsbevölkerung kein Unterschied. Probleme entstehen erst durch Sprachbarrieren bei diffizilen Themen, wie Lebenskrisen, Verhaltensauffälligkeiten oder Erstmanifestationen von psychiatrischen Erkrankungen. D er erste Gedanke, als ich den Auftrag erhalten habe, über die Behandlung von PatientInnen mit Migrati- onshintergrund zu schreiben, war, dass ich mich damit in allein sprachbedingt ist, sondern oft auch aufgrund der Ir- ritation entsteht, wenn die Behandelnden mit »fremden« Verhaltensweisen konfrontiert werden. Typisches, banales meiner mittlerweile zweiundzwanzigjährigen Tätigkeit als Beispiel stellen die endlosen Diskussionen im Zuge von Arzt nicht bewusst auseinandergesetzt habe. stationären Therapien wegen des erhöhten Kontaktbedürf- nisses von Personen mit Migrationshintergrund zu ihren Eine spontane Erklärung, für mich selbst war, dass ver- Angehörigen dar. Der bequemere Weg, Einheitsregeln als mutlich die Tatsache, dass ich in Griechenland geboren Allheilmittel zu betrachten, trägt oft dazu bei, dass kultu- und aufgewachsen bin, eine wesentliche Rolle spielt. Der relle Unterschiede ignoriert werden und der meistens jun- nächste Schritt war, mich mit dem Begriff Bevölkerung mit ge erwachsene »Ausländer« als »abhängig« gilt, wenn er Migrationshintergrund auseinanderzusetzen. Internati- einen erhöhten Bedarf hat, seine Eltern und Verwandten onalen Definitionen zufolge gehören dazu alle Personen, zu kontaktieren bzw. dann von mehreren, die ihn »noch deren Eltern im Ausland geboren sind, unabhängig von dazu« mit Lebensmitteln versorgen, besucht wird. ihrer Staatsangehörigkeit. Zu der »ersten Migrantengene- ration« werden Personen gezählt , die selbst im Ausland Ein spannendes Thema, oft in Fachkreisen besprochen, ist, geboren wurden und nach Österreich zugezogen sind. Als ob »ExpertInnen« mit Migrationshintergrund, trotz der in- «zweite Migrantengeneration« werden in Österreich gebo- ternational geltenden Diagnosekriterien anders beurteilen rene Nachkommen von Eltern mit ausländischem Geburts- und handeln. Ich beantworte es mit ja, wobei es sich nicht ort bezeichnet. Im Jahre 2010 lebten rund 1,543 Millionen um die Diagnosen, sondern meistens um die Sichtweise Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich, das und in Folge dessen um die Bewältigungsstrategien geht. entsprach 18,6% der Gesamtbevölkerung. Nachdem aber vor allem im klinischen Bereich Teams die Entscheidungen treffen, sorgen diese dezenten Unterschie- Im medizinischen Alltag besteht meistens kein Grund, de für eine konstruktive Auseinandersetzung und haben sich über die Herkunft des zu behandelnden Gedanken zu als Ergebnis oft eine optimale Lösung. Abgesehen davon machen. Meine Famulaturzeiten liegen sehr lange zurück, »erlauben«sich MedizinerInnen, unabhängig von der Her- aber die Erinnerung über das unterschiedliche Verhal- kunft, Probleme individuell zu betrachten und sind nicht ten von Frauen, die aus dem südosteuropäischem Raum den »Zwang einer richtigen Linie mit oft dogmatischem stammen, ist sehr präsent. Genauso über die Annahme, Charakter« unterordnet. dass Männer, die aus dem »Süden« kommen, schmerz- empfindlicher und in kritischen Lebenssituationen eher Unterschiede beleben, wenn man konstruktiv und vorur- dysphorisch als depressiv reagieren. Ob die Unterschiede teilsfrei damit umgehen kann. Integration hat zwei Grund- so signifikant bzw. soziokulturell bedingt sind oder auf bedeutungen, die miteinander verknüpft werden müssen: Pauschalierungen basieren, wäre Gegenstand einer sicher Aufnahme und Zusammenhalt. Und das wird täglich in den interessanten Studie. Therapeutischen Gemeinschaften des »Grünen Kreises« praktiziert, vermutlich deswegen Rein medizinisch gesehen kann sich die Behandlung von so erfolgreich, weil alle Betroffe- Menschen mit Migrationshintergrund nicht unterscheiden nen sehr lange Erfahrungen mit als die der restlichen Bevölkerung. Was allerdings oft zu Ausgrenzung, Abwertung und Po- Problemen führt, sind die Schwierigkeiten der Betroffenen, lemik haben »sammeln dürfen«... sich zu verständigen, vor allem dann, wenn es um diffi- zile Themen, wie Lebenskrisen, Verhaltensauffälligkeiten oder Erstmanifestation von psychiatrischen Erkrankungen geht. Oft fungieren Angehörige mit mangelnden Sprach- kenntnissen als Übersetzer, aber auch dann, wenn Dolmet- Dr. Leonidas Lemonis scher z.B. in Unterbringungssituationen präsent sind, ist Arzt für Allgemeinmedizin das Ergebnis selten befriedigend, weil die Nuancen nicht Facharzt für Psychiatrie wiedergegeben werden können. Eine Tatsache, die nicht Ärztlicher Leiter des »Grünen Kreises« Wege aus der Sucht 15
Unser Betreu Vorbetreuung Ambulante Angebote Die Vorbetreuung stellt die Verbindungsstelle zwischen der In den ambulanten Beratungs- und Betreuungszentren in Institution „Grüner Kreis“ und den Suchtmittelabhängigen Wien, Graz, Linz, Klagenfurt und Wr. Neustadt wird ein breites dar. Personen aller Altersgruppen, Eltern bzw. Elternteile mit Beratungs- und Behandlungsspektrum geboten. Kindern, Paare sowie Personen mit richterlicher Weisung zur Sie dienen Therapie aus dem gesamten österreichischen Bundesgebiet, • als Anlaufstelle für Informationssuchende • zur ambulan- die von legalen und/oder illegalen Substanzen abhängig sind, ten Beratung • als Präventionseinrichtung, vor allem in der werden vom Verein aufgenommen. PatientInnen mit nicht Jugendprävention • zur Kontaktaufnahme mit den Mitarbei- substanzabhängigem Suchtverhalten wie Essstörungen, Spiel- terInnen der Vorbetreuung, Vermittlung eines Entzugsbettes sucht, Arbeitssucht, Computersucht und KlientInnen aus dem oder einer ambulanten Entzugsmöglichkeit und Vorberei- gesamten EU Raum werden ebenso behandelt. tung zur ambulanten oder stationären Therapie ohne Warte- Hilfesuchende nehmen Kontakt zu einer/einem der Vorbetreu- zeiten • der ambulanten Psychotherapie für Suchtmittelab- erInnen auf und klären die Art der Unterstützung ab: hängige, die therapeutische Unterstützung benötigen, ohne Therapiemotivation (Freiwillig oder „Therapie statt Strafe“), ihre aktuellen Lebensumstände verlassen zu müssen, aber Therapienotwendigkeit (stationäre Langzeit- oder Kurzzeit- auch • der ambulanten Psychotherapie mit richterlicher therapie, ambulante Therapie, stationäre Substitutionstherapie), Weisung „Therapie statt Strafe“ (gesundheitsbezogene Maß- nahme) • der Krisenintervention • der medizinischen Be- Vermittlung eines Entzugsplatzes oder einer ambulanten treuung und der Abstinenzkontrollen • der Nachbetreuung Entzugsmöglichkeit, und Begleitung stationärer PatientInnen aus der Lang- und Unterstützung bei Amtswegen Kurzzeittherapie nach abgeschlossener Therapie • der Stüt- Ansuchen zur Kostenübernahme beim jeweilig zuständigen zung des Alltags- und Arbeitsumfeldes, der Berufsfindung Kostenträger. und –ausbildung und • der Beratung und Betreuung von Die ambulanten Beratungs- und Betreuungszentren befinden ratsuchenden Eltern und Angehörigen im Rahmen von Ein- sich in Wien, Graz, Klagenfurt, Linz und Wr. Neustadt. zelgesprächen und offenen Psychotherapiegruppen Eltern-Kind Haus Stationäre Substitutionstherapie Das Eltern-Kind-Haus, eine spezialisierte, sozialpädagogische Suchtkrankheit liegt in den verschiedensten psychosomati- und psychotherapeutische stationäre Kinderbetreuungseinrich- schen wie psychosozialen Ausprägungen vor. Die Entschei- tung, bietet Kindern von suchtkranken Eltern, die ihrer Erzie- dung für die geeignete Behandlungsform wird auf Grund einer hungsverantwortung alleine nicht nachkommen können, Chan- Standortbestimmung der individuellen Lebenssituation der cen auf Heilung und gesunde Entwicklung. Das Therapiemodell PatientInnen getroffen. Eltern-Kind-Haus ermöglicht somit einerseits die Rehabilitation der Kinder von Suchtkranken, andererseits sorgt es auch konse- Somatische Erkrankungen, Verschlechterungen des psychi- quent für die Verbesserung des familiären Systems. schen Zustandes, aber auch Veränderungen im sozialen Um- Vorbedingungen: Aufnahmegespräch im Rahmen der Vorbe- feld können eine stationäre Aufnahme von Substituierten und treuung, abgeschlossener körperlicher Entzug, die Klärung der in Folge eine Revision der Einstellungspraxis erforderlich ma- Kostenübernahme für Eltern und Kinder und die Kontaktauf- chen. Das Ziel der stationären Substitutionstherapie ist nicht nahme mit dem Jugendamt vor Aufnahme in die Einrichtung. vordergründig die Abstinenz, sondern die körperliche, psy- chische und soziale Stabilisierung der Betroffenen in dieser Dauer: Im Idealfall ein 18 Monate dauernder stationärer Aufent- Behandlungsform. In biopsychosozialer Hinsicht sollen die halt, danach eine ambulante Nachbetreuung. PatientInnen deutlich gebessert in die ambulante Nachsorge Zielgruppe: Suchtmittelabhängige Eltern, die ihre Suchtprob- entlassen werden bzw. die Möglichkeit erhalten, bei gewünsch- lematik und die Beziehung zu ihren Kindern verändern wollen ter, erfolgter Substitutionsreduktion in abstinenzorientierte oder müssen und gemeinsam mit ihnen aus dem Suchtkreislauf Einrichtungen des Vereins übertreten zu können. aussteigen möchten. Therapieziele: Stützung der Möglichkeit abstinent zu leben, Die stationäre Substitutionsbehandlung, ein Spezialkonzept Stabilisierung, Integration Einzelner in ein Familiengefüge, des Vereins „Grüner Kreis“ im Rahmen der stationären Thera- Integration der Familie in ein umfassenderes Sozialgefüge, pie, ist auf einen Zeitraum von mindestens 3 bis zu 6 Monaten Entstehung einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung. angelegt. 16 Wege aus der Sucht www.gruen
Sie können auch lesen