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VCS mAGAZIN 5 / November 2016 F Ü R Z E I T G E M Ä S S E M O B I L I TÄT Dossier Alpen Dort leben, wo andere Ferien machen Seite 18
Beste Qualität gebaut Biologisch an Bequ em e Heimlieferung ern produziert Von Kleinbau elswege Direkte Hand Fa ir gehand elt Die gebana ist Pionierin des Fairen Handels in der Schweiz. Hervor- gegangen ist sie aus der Bewegung der „Bananenfrauen“, die sich seit den 1970er Jahren für bessere Arbeitsbedingungen auf den Bana- nenplantagen einsetzte. Daher auch der Name: «GErechte BANAne». Heute sind wir in Afrika, Süd- amerika und Südeuropa mit Partnerfirmen vor Ort und stehen in direktem Kontakt mit Bauern- familien und kleinen Verarbeitungs- betrieben. Wir engagieren uns langfristig und investieren vor Ort in Arbeitsplätze und ökologische Nachhaltigkeit. Die frischen Bio-Produkte der griechischen Kleinbauern senden wir direkt von der Ernte zu Ihnen nach Hause. Die hochwertigen Früchte werden erst geerntet, wenn sie wirklich reif sind und anschliessend direkt an Sie Beachten Sie auch das verschickt. Frischer geht‘s nicht! VCS-Bonus-Angebot auf Seite 29 in diesem Heft!
AKTUELL 4 Kurz & bündig 8 NAF greift zu tief in die Bundeskasse Der VCS empfiehlt ein Nein 9 Rettet der Onlinehandel das Klima? Eine Grafik und ihre Interpretation 10 Massiv dreckiger Weitere Details zum Diesel-Gate 12 ÖV-Apps Grosse Auswahl, grosser Nutzen? 13 Sichere Autos © Fabian Lütolf Technische Unterstützung hilft 16 Energiewissen 18 Dossier Alpen Fazit der Energy Challenge 2016 Die Alpen prägen die Schweiz und fordern die Politik, wenn es um Verkehrsfragen geht. Wir haben zwei Orte besucht und uns mit einer Expertin unterhalten. DOSSIER 18 Alpen Mobilität in den Bergen REISEN 32 Reise Im Nebel zum Bad 34 Ausflugstipp Im Advent nach Olten 36 Ljubljana Innenstadt ohne Auto ANSICHTEN © Emmental Tourismus 38 Interview 20 Jahre Begegnungszonen © zVg 41 Pro und Contra 32 Reisen 38 Interview «Ist der ÖV zu teuer?» Eine etwas abenteuerliche Wanderung Seit 20 Jahren gibt es in der Schweiz durchs Emmental im Nebel macht bei Begegnungszonen. Hans Kaspar Schiesser, 49 Porträt Schnee und Sonne garantiert richtig einer der Väter, im Gespräch. Freude. Globi erlebt die Energiewende REGIO 41 Berichte aus den VCS-Regionen Titelbild: Wohin geht es in den Alpen? Kandersteg setzt auf die «Belle Epoque»-Woche, 22.–29. Januar 2017 (© Fabian Lütolf) Das VCS-Magazin für zeitgemässe Mobilität Zeitschrift des VCS Verkehrs-Club der Schweiz. Abonnement: Fr. 19.–/Jahr. SERVICE Erscheint 5-mal jährlich. www.verkehrsclub.ch/magazin. Redaktionsadresse: VCS, Aarbergergasse 61, Postfach, 3001 Bern (Tel. 031 328 58 58; E-Mail: magazin@verkehrsclub.ch). Redaktion: Dominique Eva Rast (dra), Jérôme Faivre (jfa). Sektions- 28 Mitgliederangebote nachrichten: Urs Geiser (G). Inserate: Markus Fischer (Tel. 031 328 58 38, Fax 031 328 58 99; E-Mail: inserate@verkehrsclub.ch). Grafik: www.muellerluetolf.ch. Druck, Versand: AVD Goldach AG. Papier: Leipa Ultra Lux Semigloss, Blauer Engel FSC. Auflage: 77 900 (deutsch 62 400; französisch 15 500). Die nächste Ausgabe erscheint am 9. März 2017. 56 Wettbewerb Insertionsschluss: 6. Februar 2017. Allgemeine Auskünfte: Tel. 031 328 58 58 57 Cartoon Diese Zeitschrift wird in einer umweltverträglichen Polyethylenfolie verschickt. Diese schneidet im Ökovergleich gleich gut ab wie Recyclingpapierhüllen. Hingegen bietet eine Papierhülle weniger Schutz und führt so häufiger zur Beschädigung von Zeitschriften. VCS MAGAZIN 5/16 3
EDITORIAL Lichter löschen in den Alpen? Die erste Lichtsignalanlage im Dorf war © Pro Bahn Schweiz © VCS/François Gribi für uns Kinder der Hit: In schneereichen Wintern (und deren gab es viele) haben wir uns einen Spass daraus gemacht, am Sonntag gegen Abend immer und immer wieder auf den Knopf zu drü- cken. Gewonnen hatte, wer es schaffte, dass sich die Autos mindestens bis ins nächste Dorf stauten. Und die Touristen sich vermutlich grün und blau ärgerten ... 30 Jahre später ist die Welt im Prättigau eine andere. Saas und auch Küb- lis sind umfahren. In der Zwischenzeit haben die Gäste andere Destinationen entdeckt. Die «Fremdenzimmer», welche mein Nani vermietet hat, wären heute vielleicht für Vier der zehn Gewinner: Max Stebler, Daniel Eggenberger, Hansruedi Becker, Heinz Kneubühler (v.l.n.r) abenteuerlustige Hipster interessant. Denn wer zahlt sonst heute noch gutes Geld für ein spartanisches Zimmer mit «Premio Pro» für Menschlichkeit im ÖV Lavabo, Dusche einen Stock tiefer und einem Klo, das nur Die Interessenvertretung «Pro Bahn Schweiz» hat im September via Balkon erreichbar ist? zehn Mitarbeitende des öffentlichen Verkehrs ausgezeichnet, die sich sympathisch und unkompliziert für die Reisenden eingesetzt Den Wandel in den Alpen haben einige Destinationen früh haben. Der «Premio Pro» wurde zum ersten Mal vergeben, die erkannt und klug genutzt, andere träumen noch heute Nominierung für nächstes Jahr läuft bereits. vor sich hin, weinen den guten alten Zeiten nach und ver- Infos unter pro-bahn.ch oder pbs-ressort.dienstleistung@pro-bahn.ch schwinden heimlich, still und leise in der Bedeutungslosig- keit. Übrig bleiben kalte Betten und lange Gesichter. Im Dossier «Alpen» stellen wir Ihnen ab Seite 18 Beispiele Europameister im Bahnfahren vor, sprechen mit einer Expertin und werfen einen kriti- Durchschnittlich bestieg 2015 jede Schweizerin und jeder Schweizer 59 Mal einen Zug. Häufiger fahren nur Japaner: Sie fuhren im letzten schen Blick auf die Verlagerungspolitik. Zudem sagen wir Jahr im Durchschnitt pro Kopf 72 Mal Zug. Das ergab die Auswertung Ihnen, wie Sie rasch und bequem an schöne, spannende der Jahresstatistik des Internationalen Eisenbahnverbandes durch den (Winter-)Sportorte gelangen. Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr LITRA. Ganz an die Weltspitze schafften es die Schweizerinnen und Schweizer auch dieses Ich betreue ab dieser Ausgabe das VCS-Magazin und bin Jahr bei der Anzahl zurückgelegter Bahnkilometer. Mit 2277 Kilometer gespannt auf Sie, liebe Leserinnen und Leser. Melden Sie pro Kopf fuhren sie weiter Zug als jede andere Nation der Welt. sich, wenn Ihnen unser Magazin gefällt, wenn Sie etwas © SBB ärgert oder es ein Thema gibt, das Ihnen unter den Nägeln brennt. Ich freue mich auf Sie! Dominique Eva Rast, Verantwortliche VCS-Magazin PS: Möchten Sie die Alpen lesend erleben? Emil Zopfi hat mit «Dichter am Berg» ein Buch geschrieben, das auch Bergmuffel begeistert. Schweizerinnen und Schweizer fahren häufig und weit Zug. 4 VCS MAGAZIN 5/16
© zVg Olympia 2026: Die Katze im Sack Das Komitee «Olympiakritisches Graubünden» wehrt sich bei der erneuten Abstimmung am 12. Februar 2017 gegen Olympische Winterspiele im 2026. Seit den Kandidaturen für 2010, 2014 und 2022 warnt das Komitee davor, dass wieder eine Abstimmung durchgeführt wird, bei der die Stimmbevölkerung die Katze im Sack kaufen soll. Der enge Zeitplan lässt nicht zu, die realen Kos- ten für Infrastrukturen und Sicherheit, die auch vom Internationa- len Olympischen Komitee (IOC) akzeptiert werden, auszuweisen. Wollen Sie das Komitee unterstützen? www.olympia-nein.ch/go/organisation/Olympia-Nein-Komitee.php Zufrieden leben ohne Auto: Problemlos möglich, z. B. in Zürich Kalkbreite. Wechsel im Redaktionsteam Jérôme Faivre hat sich entschieden, den VCS nach sieben Jahren Autofrei? zu verlassen. In den letzten vier Jahren hat er als Redaktor fürs Jetzt registrieren! Magazin gearbeitet. Er war dabei für mindestens eine Ausgabe pro Jahr verantwortlich und hat die französischen Ausgaben Sind Sie VCS-Mitglied und leben autofrei? Sie können sich mit grosser Sorgfalt betreut. Er übernimmt für eine Institution registrieren und erhalten dann spezifische «autofrei leben»- in der Westschweiz die Verantwortung für Marketing und Informationen. Dafür stellen wir Ihnen die Auto-Umweltliste Kommunikation. Seine Nachfolgerin beim VCS-Magazin heisst des VCS nicht mehr zu. Die Registrierung erfolgt ganz einfach Camille Marion. unter www.verkehrsclub.ch/mitgliedervorteile/autofrei-leben. BAHNFAHREN WIRD TEURER, AUTOFAHREN BILLIGER DIE GRAFIK AUS DER TASCHENSTATISTIK «MOBILITÄT UND VERKEHR» des Bun- 130 desamtes für Verkehr bestätigt, was der VCS Verkehrs-Club der Schweiz seit Jahren sagt: Bahnfahren wird teurer, Autofahren 120 dagegen billiger. Die Preise des öffentli- chen Verkehrs sind in den letzten 10 Jahren 110 um 30 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeit- raum ist der Preis fürs Autofahren günsti- 100 ger geworden. In diesen Zusammenhang sind auch die Preiserhöhungen per Dezem- ber 2016 zu setzen. So ist es zu begrüssen, 90 Quelle: www.meteoschweiz.admin.ch; Grafik: © www.muellerluetolf.ch dass unter anderem das Halbtax-Abo, Gleis 7 und Fahrten durch den neuen Gott- 80 hard-Basistunnel nicht teurer werden. Die Preissteigerung ist nachvollziehbar, weil 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 die Trassenpreise steigen. Aber: Der VCS fordert, dass die Preisspirale ein Ende hat, öffentlicher Verkehr auf Strasse und Schienen denn es droht die Rückverlagerung auf die Personenwagen, Motorräder, Fahrräder (Anschaffung, Betrieb) Strasse. Die vom Bundesrat propagierte Luftverkehr «Nutzerfinanzierung» hat eine Höhe er- Treibstoff reicht, die nicht überschritten werden darf. Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) VCS MAGAZIN 5/16 5
AKTUELL Beznau-Burnout verhindern Von Filippo Rivola Am 27. November stimmt die Schweizer Bevölkerung über eine einzige Vorlage ab, die Atomausstiegsinitiative. In der Verfassung soll festgeschrieben werden, wann die Schweizer Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Der VCS unterstützt die Initiative – hoffentlich mit Ihnen zusammen! S ie erhalten diese Ausgabe des VCS-Ma- gazins wenige Tage vor der Abstimmung, vermutlich im November-Grau. Ich jedoch Ihnen da noch nennen, um Sie von einem Ja zu überzeugen? Die SBB gaben schon vor einer Weile be- der Atomkraftwerke um ein paar Jahre zu verlängern? Und wussten Sie, dass diejenigen, die schrieb diese Zeilen Ende September und kannt, dass ihre Züge ohne Atomstrom fah- die Initiative bekämpfen, dieselben sind, genoss die aussergewöhnlich warmen Tage. ren sollen. Branchenexperten zeigten wie- die unser Rentenalter erhöhen wollen? Ihre Die Sonne strahlte vom blauen Himmel und derholt auf, dass Atomstrom keineswegs so Botschaft ist klar: «Hopp, hopp, arbeiten bis liess die Solaranlagen massenhaft Strom billig ist, wie uns vorgegaukelt wird, wenn zur Erschöpfung, bis zum Arbeitsunfall und produzieren. Ich musste nicht hellsichtig man die Kosten für den Rückbau einberech- Burnout.» Bedenken sollten sie aber, dass die sein, um voraussagen zu können, dass die net. In Beznau wurden weitere Risse gefun- Folgen irreversibel sind, wenn Beznau ein Kampagnen für und gegen die Initiative sehr den. Und wie viele hundert Millionen Fran- Burnout erleidet. emotional und wild entschlossen geführt ken wurden schon investiert (oder besser wird. Welche neuen Argumente könnte ich gesagt verschwendet), um die Lebensdauer ANZEIGE Der Atomausstieg braucht einen Plan Der Ausstiegsplan bis 2029 Die Schweiz hat ein Ziel: Sie will ihre Energie- Seit 2015 2017 2024 2029 versorgung auf 100 % erneuerbare Energien Beznau I* Beznau II und Gösgen Leibstadt umstellen. Doch der Plan dazu fehlt. Es braucht abgeschaltet Mühleberg abgeschaltet abgeschaltet abgeschaltet verbindliche Termine für die Abschaltung der alten Atomkraftwerke. So kann ihr Ersatz konkret geplant werden. Das schafft Sicherheit Atomstrom kontinuierlich durch für die Bevölkerung, die Stromwirtschaft sowie erneuerbare Energien ersetzt die Gemeinden und Kantone. * ungeplant vom Netz seit über 19 Monaten am 27. November zum geordneten Atomausstieg bis 2029 geordneter-atomausstieg-ja.ch Allianz Atomausstieg, Postfach, CH-3001 Bern / Postkonto: 61-010596-9 6 VCS MAGAZIN 5/16
AKTUELL Kein Freihandel in dieser Form! Von Filippo Rivola Der VCS bekämpft seit Monaten zusammen mit einer breiten Koalition die Freihandelsabkommen TTIP und TiSA. W orum geht es? Die multilateralen Ab- kommen TTIP und TiSA wollen den Handelsaustausch durch die Abschaffung bieten. Der VCS streicht als eines der Haupt- probleme heraus, dass die Abkommen unter strengster Geheimhaltung verhandelt wer- tration teil. Die Koalition verlangt, dass die Bevölkerung allenfalls über die Abkommen abstimmen kann. von Zollrechten, die Harmonisierung von den. Nicht einmal unsere Parlamentarier er- Wir sind uns bewusst, dass Freihandels- Normen und Regelungen sowie eine Öff- halten Einsicht in die Dokumente. abkommen nicht nur des Teufels sind. Den nung der öffentlichen Ausschreibungen ver- Die wenigen Informationen, die durchge- Handel zu erleichtern, ohne dafür klare und einfachen. TiSA hat insbesondere die Libe- sickert sind, wurden hauptsächlich auf Wi- umweltverträgliche Regeln zu schaffen, wür- ralisierung von Dienstleistungen zum Ziel. kileaks veröffentlicht. Ohne weitere Infor- de jedoch zu unbegrenztem Warentransport Die Abkommen würden zur Privatisie- mationen ist es nicht möglich, abzuschätzen, über alle Kontinente führen. Und billige Wa- rung und Liberalisierung mehrerer Bran- welche Auswirkungen die Abkommen hät- ren vom anderen Ende der Welt zu konsu- chen führen, darunter unter Umständen ten. Dies ist äusserst bedauerlich, besonders mieren, das ist sicher nicht nachhaltig. auch wichtige Service-public-Unternehmen. weil auch nicht sicher ist, ob die Abkommen Das würde in erster Linie bedeuten, dass sich dem Referendum unterstehen. Um dieses Unternehmen dieser Branchen in Richtung Recht einzufordern, unterstützte der VCS Rentabilität restrukturieren müssten, statt am 8. Oktober zusammen mit den anderen Für mehr Informationen: einen Service public für alle Einwohner zu Mitgliedern der Koalition an einer Demons- www.verkehrsclub.ch/unsere-themen/politik/ttip VCS | deutsch | ProClima | Format 225 × 146 mm | DU: 15.08. / 17.10.2016 | Ersch.: 15.09. / 17.11.2016 ANZEIGE Ein kleiner Beitrag von Ihnen, eine grosse Wirkung für alle. «pro clima»-Versand. Klimafreundlich, wann immer Sie wollen. Mit nur wenigen Rappen Zuschlag können Sie Ihre Pakete oder Güter klimaneutral versenden – ganz einfach als freiwillige Zusatzleistung. Erfahren Sie mehr: post.ch/klimaneutral VCS MAGAZIN 5/16 7
AKTUELL NAF greift zu tief in die Bundeskasse Von Matthias Müller Am 12. Februar kommt der neue Strassenfonds NAF zur Abstimmung. Der VCS stellt sich klar dagegen. K O M M E N T A R D ie Kompromisslosigkeit des neuen, rechtsbürgerlichen Parlaments hat sich gerade auch in den Beratungen zum neuen Schweiz. Deshalb empfiehlt der VCS, den NAF in der Volksabstimmung vom 12. Feb- ruar 2017 abzulehnen. Wie die Milchkuh-Initiative Strassenfonds NAF gezeigt. Der Griff in die Das Parlament wollte auch die sinnvollen © zVg Bundeskasse entspricht mit jährlich zusätz- Agglomerationsprogramme beerdigen will auch der neue Strassen- lichen 650 Millionen Franken einer halben Dank dem Erfolg des VCS in der Milch- fonds NAF dem Bundeshaus- Milchkuh. Ausserdem lehnt der VCS eine kuh-Abstimmung ist es im Parlament we- halt Gelder entziehen. Dieser Zweckbindung der überhaupt nicht verur- nigstens gelungen, die Agglomerationspro- tiefe Griff in die Bundeskas- sachergerechten Autoimportsteuer und die gramme in heutiger Form zu retten. Und se ist angesichts des klaren Erhöhung der Zweckbindung der Mineral- den Teuerungsausgleich als Möglichkeit in Verdikts über die Milchkuh- ölsteuer (60 statt bisher 50 Prozent) ab. Oh- das Gesetz einzubauen. Geblendet von der nehin braucht es keine Verfassungsände- Milchkuh-Initiative wollte die SVP-FDP- Evi Allemann, Initiative vom 5. Juni nicht zu rung, um das legitime Anliegen eines Fonds Mehrheit mitten im Milchkuh-Abstim- VCS-Präsidentin verantworten. Denn klar ist, umzusetzen. Auch die Agglomerationspro- mungskampfes nämlich noch die Metro dass damit andere, zentrale gramme könnten bei einem Nein am 12. Fe- Lausanne und Teile der Limmattalbahn aus Aufgaben des Staates Federn lassen müssten. bruar verlängert werden. Mit den Agglo- dem Gesetz streichen. Am 12. Februar geht Der Strassenfonds ist jetzt schon mit dicken merationsprogrammen belohnt der Bund es nicht ums NAF-Gesetz mit seinen Gel- Reserven ausgestattet. Kommt der neue Stras- raumplanerisch besonders sinnvolle Pro- dern für die Agglomerationsprogramme, jekte in kleinen und grossen Städten (mehr- sondern um die Verfassungsänderung zu senfonds, werden diese Reserven noch üppiger heitlich für Tram, Bus und Velo). Insgesamt Lasten der Bundeskasse. Ebenfalls nicht Teil ausfallen – zu Lasten von Bereichen, die für die stünden mit dem NAF pro Jahr rund eine der Volksabstimmung vom 12. Februar ist Menschen in diesem Land wichtig sind. Bereits Milliarde Franken zusätzlicher Gelder für die äusserst bescheidene Benzinsteuer-Erhö- jetzt sind verschiedene Sparprogramme be- die Strasse zur Verfügung. Das schadet der hung von vier Rappen pro Liter. schlossen, die dazu führen, dass der Bund die Ausgaben um mehrere hundert Millionen pro © fotolia/kichigin19 Jahr senken muss. Wer darunter leiden wird, ist jetzt schon klar: Es sind jene Staatsaufgaben, die nicht von einem Fonds profitieren. Also jene Bereiche, deren Ausgaben gesetzlich nicht ge- bunden sind und damit bei Sparübungen stets zuerst zur Kasse gebeten werden. Konkret trifft es den öffentlichen Verkehr in den ländlichen Re- gionen (Regionalverkehr), die Bildung oder die Entwicklungszusammenarbeit – aber auch die Landwirtschaft und das Militär müssten Federn lassen. Allerdings ist zu befürchten, dass die bei- den letzteren Bereiche vom rechtsbürgerlichen Parlament gross zügig ausgeklammert werden. Gestrichen würden die Gelder dort, wo es die Menschen besonders schmerzhaft spüren – beim ÖV und in der Bildung. Was die Schweiz braucht, sind nicht mehr Strassen, sondern mehr Platz für Velos und Menschen zu Fuss. 8 VCS MAGAZIN 5/16
AKTUELL Rettet der Onlinehandel das Klima? Treibhausbilanz eines Schuhkaufs in der Grossstadt im Vergleich Quelle: Öko-Institut 2015 Die Grafik wurde vom deutschen Öko-Institut erstellt. Das Öko-Institut e. V. (Institut für angewandte Ökologie) ist ein gemeinnützi- ges, privates Umweltforschungsinstitut mit Hauptsitz in Freiburg im Breisgau. www.oeko.de K O M M E N T A R Grafiken haben es in Grosshändler eingelagert, stellt sich die Frage von fünf Sternspitzen in die Mitte zum Schuh- © zVg sich. Auf einen Blick der Feinverteilung. Der Zwischenstopp beim De- geschäft fahren und wieder nach Hause. wird einem die kompli- tailhändler treibt den CO2-Ausstoss in die Höhe. Ist demnach Onlinehandel immer besser fürs Kli- zierte Welt erklärt, fast Will die Schweiz – gemäss dem Klimaabkommen ma? Nein: Entscheidend ist der Produktionsort. noch effizienter als in von Paris – mithelfen, die Erderwärmung deut- Wenn das T-Shirt aus Indien kommt, anstatt aus einem Tweet mit den be- lich unter zwei Grad Celsius zu stabilisieren, Spanien oder eben aus der Innerschweiz, hat es rühmten 140 Zeichen. muss sie ihre Treibhausgasemissionen jährlich bereits sehr viel CO2 ausgestossen, bis es über- Caroline Beglinger, Aber ganz so einfach um drei bis vier Prozent reduzieren. haupt bei uns ist. Wer also amerikanische oder Co-Geschäftsleiterin ist es nicht. Was hier Auf der Grafik ist klar erkennbar, dass der Ver- chinesische Artikel bestellt, weil sie billiger sind, VCS so einleuchtend daher- kaufsladen und das Verkehrsmittel der Kundin- handelt umweltmässig sehr problematisch. Ideal kommt und meldet: «Be- nen am stärksten ins Gewicht fallen: Auto statt ist es, Produkte aus der Nachbarschaft zu kau- stellen und liefern lassen stösst weniger CO2 aus Bahn oder Velo. Werden die Schuhe bestellt und fen: Möbel, Kleider, Werkzeug aus der Schweiz als selber einkaufen» stimmt nicht immer. geliefert, kann der Versandhandel die Lieferkette oder der EU, Lebensmittel aus der Region. Wer Beim Beispiel «Schuhe» kommt das Produkt aus optimieren. Man stelle sich einen Stern vor dem im Hofladen im eigenen Dorf oder auf dem Sams- dem Ausland, ungeachtet, ob es übers Internet geistigen Auge vor: Bei der Hauslieferung fährt tagmarkt seine Einkäufe saisongerecht tätigt, bestellt und nach Hause geliefert oder im Schuh- ein einziges Fahrzeug alle fünf Sternspitzen in ei- schützt das Klima. Und mindestens so wichtig: geschäft in der Stadt gekauft wird. Energie und nem lockeren Kreis ab. Es muss nur einmal vom Dinge lange leben lassen, lange brauchen, wie- CO2-Ausstoss des Transports bis in die Schweiz und zum Verteilzentrum, anstatt dass alle fünf der reparieren und auch mal ausleihen. sind in beiden Fällen gleich hoch. Einmal beim Kundinnen (denn wir sprechen ja von Schuhen) VCS MAGAZIN 5/16 9
AKTUELL Im Alltag massiv dreckiger Von Matthias Müller Auch ein Jahr nach dem Diesel-Gate kommen immer neue, dreckige Details ans Licht. F abrikneue Dieselautos sind in der Re- alität bis zu 25 Mal dreckiger als in der Prüfstation. Grund dafür ist die Abgasreini- gungsanlage, die bei Dieselautos zwar ein- gebaut ist – aber nur selten wirklich läuft. Am Journalisten-Roundtable des VCS vom 1 Jahr 15. September 2016 hat Christian Bach, In- genieur bei der Eidgenössischen Material- prüfungs- und Forschungsanstalt Empa, Diesel-Gate erklärt, wie das funktioniert: Erreicht der Diesler eine Geschwindigkeit über 100 Kilo- meter pro Stunde, wird die Leistung der Ab- gasreinigungsanlage reduziert. Dasselbe gilt für Temperaturen unter acht Grad Celsius. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, erklärte am An- lass, dass damit die Abgasreinigungsanlagen in der Schweiz mindestens ein halbes Jahr lang überhaupt nicht arbeiten. Betroffen, so Resch, seien so gut wie alle Dieselfahrzeuge. «Der Abgasbetrug ist gewaltig», so Resch. Der Autoexperte des VCS, Kurt Egli, führte aus, dass die Autoindustrie mit einfachen Mit- teln Verbesserungen herbeiführen könnte – sich aufgrund der zu erwartenden Kosten aber darauf nicht einlassen will. VCS-Präsidentin und Nationalrätin Evi Allemann hat deshalb im Parlament zwei Vorstösse deponiert (siehe Kasten, erste Forderung). Zudem, so Evi Al- lemann, sei neuen Dieslern die Zulassung zu entziehen, wenn diese bei normalen Bedin- gungen die Grenzwerte nicht einhalten. Labor und Realität klaffen bei den Dieselautos stark auseinander. Das fordert der VCS: 1. Keine Dieselkäufe mehr durch Verwaltun- welche Dieselmodelle in welchen Bereichen die 4. Die Schweiz intensiviert die Feldüberwachung gen und bundesnahe Betriebe, bis klar ist, Abgasreinigung reduzieren oder abschalten. des Schadstoff-Ausstosses. Dazu gibt es bereits dass die entsprechenden Fahrzeuge die 3. Neuen Dieselmodellen, die unter normalen einen Vorstoss von Evi Allemann. Der Bundesrat Abgasgrenzwerte im Realbetrieb einhalten. Betriebsbedingungen die Abgasgrenzwerte nicht hat einen Bericht für das erste Halbjahr in Aussicht 2. Die Autoimporteure müssen angeben, einhalten, muss die Zulassung entzogen werden. gestellt, der immer noch ausstehend ist. 10 VCS MAGAZIN 5/16
EXKLUSIV FÜR AUTOFAHRER: DER ÖKOLOGISCHE REIFENABDRUCK! Schneller bremsen. Leiser fahren. Treibstoff sparen. A A A B WWW.REIFENETIKETTE.CH A B C D C E D E F F G G 68 d B
VCS-Pannenhilfe Bilder: >moser, Walter Imhof, zvg; Fotomontage: VCS d i e Ba t terie n Und wen eugs h res Fa h rz I u fg i b t? t a den Geis Die VCS-Pannenhilfe deckt die Kosten für die Strassenhilfe oder das Abschleppen Ihres Fahrzeugs, die Heim- oder Weiterreise oder die Übernachtung. Alles ohne Selbstbehalt ! Für Bestellungen und Informationen : – per Telefon 031 328 58 11 oder – via Internet www.vcs-versicherung.ch
AKTUELL Technische Unterstützung macht Autos sicherer Von Dominique Eva Rast Wer auf den Winter hin ein neues Auto braucht, sollte jetzt abklären, wie fit das Wunschfahrzeug ist. Auf www.sicheresauto.ch ist rasch und einfach ersichtlich, welche technischen Unterstützungen es gibt. H ilfe beim Einparken oder beim Abstand- halten: Das wird im Winter eher noch wichtiger als im Sommer, wenn die Strassen- verhältnisse ungemütlich werden. Deshalb gibt’s seit 2010 die Website «Sicheres Auto» des VCS. Im Sommer ist sie aktualisiert wor- den. In einer Datenbank werden die Systeme beschrieben, und die Ausstattung der meist- verkauften Autos kann abgefragt werden. Die Internetseite richtet sich an Interessierte und Autofahrende und hilft bei der Auswahl eines sicheren Autos. Das Projekt wird vom Schweizerischen Fonds für Verkehrssicher- heit FVS unterstützt, Partnerin ist die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung. Systeme können Leben retten Wer sich also fragt, was es mit einem Ab- standsregler auf sich hat, findet Antworten: Sämtliche Unterstützungsmöglichkeiten sind mit Text und kurzen Videos erklärt. Denn diese Fahrerassistenzsysteme sind weit mehr als technische Spielzeuge: Sie können Le- ben retten. Neben den etablierten Systemen wie ABS und ESC sind neue, ausgefeiltere Systeme auf dem Markt: Notbremsassisten- ten erkennen drohende Kollisionen, sie kön- © shutterstock nen selbständig eine Notbremsung einleiten und Unfälle verhindern. Spurhalteassisten- ten können ein unbeabsichtigtes Verlassen Fahrassistenzsysteme können Leben retten. der Fahrspur verhindern. Der Abstandsreg- ler etwa ist ein mitdenkender Tempomat, der die Geschwindigkeit automatisch dem Ver- den Person, wenn das vorausfahrende Fahr- Mitdenken nötig kehrsfluss anpasst. Mit einer Radar- oder zeug abbremst, und bremst das eigene Auto Dennoch, so schlau und ausgefeilt die Sys- Infrarotkamera beobachtet das System den ebenfalls ab, um einen Auffahrunfall zu ver- teme auch sind: Sie helfen wenig, wenn der Verkehr auf der eigenen Fahrspur, misst die hindern. Wenn das Fremdfahrzeug das Tem- wichtigste Sicherheitsfaktor, der Mensch, Geschwindigkeit des voranfahrenden Fahr- po wieder erhöht, passt der Abstandsregler zum Unsicherheitsfaktor wird. Weil er zu zeuges, gleicht das eigene Tempo mit jenem die Geschwindigkeit des eigenen Autos er- schnell fährt. Oder weil er den Gurt nicht des vorderen Fahrzeuges ab und sorgt somit neut an und sorgt für optimalen Abstand. trägt. Wer fährt, muss weiterhin mitden- stets für den richtigen Abstand. Gerade auf Weil der Abstandsregler mit dem Lenkrad- ken – dass ein System mithilft, entlastet aber Autobahnen erhöht der Abstandsregler die sensor kommuniziert, fokussiert das System spürbar. Sicherheit markant. Durch den Abstands- auch bei mehreren Fahrspuren oder in Kur- sensor bemerkt das System vor der steuern- ven auf das richtige Fremdfahrzeug. www.sicheresauto.ch VCS MAGAZIN 5/16 13
© iStock/Antonio Guillem ÖV-Apps: Standard gefragt Von Jérôme Faivre Das Ticketing des öffentlichen Verkehrs der Schweiz basiert darauf, dass ein Billett grundsätzlich für die ganze Reise gilt. Für die zahlrei- chen ÖV-Apps trifft das noch nicht zu. Ein Test zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Schweizer ÖV-Apps. D er öffentliche Verkehr der Schweiz zeich- net sich unter anderem dadurch aus, dass ÖV-Tickets fast überall gültig sind. Die Kun- sierung hat bisher noch nicht stattgefunden. Erste Ansätze sind mittlerweile immerhin erkennbar, so wollen BLS, Postauto und SBB Apps auf die Initiative einzelner Transport- unternehmen oder regionaler Verbünde zu- rückgeht (Basel, Baselland, Zürich, Freiburg, dinnen und Kunden müssen sich nicht dar- künftig bei der Entwicklung ihrer Apps stär- Lausanne, Luzern). Diese Anwendungen ge- um kümmern, welches der über 200 Trans- ker zusammenarbeiten. Allerdings gestaltet ben dem Nutzer die Möglichkeit, einen Rei- portunternehmen der Schweiz die Leistung sich die Vereinheitlichung schwierig, weil seweg zu suchen, den Fahrplan in Echtzeit zu erbringt – oft sind wir uns deshalb gar nicht jeder Anbieter grundsätzlich seine eigene, konsultieren und das Billett mit Erfassung bewusst, dass wir auf einer Reise mit ver- wenn auch regional ausgerichtete App, favori- des Abfahrts- und Ankunftsorts zu kaufen. schiedenen Anbietern unterwegs sind. siert und sich nicht davon verabschieden will. Solche Apps sind praktisch, wenn es darum Im digitalen Ticketing ist die ÖV-Welt der geht, innerhalb eines einzigen Tarifverbun- Schweiz noch weniger standardisiert als im Jeder für sich des zu reisen, kommen aber an ihre Grenzen, herkömmlichen Vertrieb, was dazu führt, Natürlich gibt es Unternehmen wie Post wenn die Reise weiter gehen soll. Für alle ge- dass zahlreiche ÖV-Unternehmen ihre eige- auto oder SBB, welche die ganze Schweiz ab- testeten Systemen gilt die gleiche Feststel- ne App entwickeln und damit kaum über das decken. Andere, wie die BLS, sind immer- lung: Es ist nicht möglich, ein Ticket für ein regionale Einzugsgebiet hinaus Tickets oder hin über die Kantonsgrenzen hinaus aktiv. Reiseziel ausserhalb des Einflussbereichs des Fahrplanabfragen anbieten. Eine Harmoni- Tatsache ist, dass die erste Generation von jeweiligen Unternehmens zu kaufen. 14 VCS MAGAZIN 5/16
AKTUELL Postauto oder SBB? erfolgt, wenn man das Fahrzeug betritt, der Wahl. Vorausgesetzt, sie wohnen zwischen Im Gegensatz zu diesen Lösungen bietet die zweite auf «Stopp» beim Aussteigen. Die Luzern, Bern und Freiburg – Genfer, Glar- Postauto-App die Möglichkeit, Zug-, Bus- App berechnet auf Basis der jeweiligen Tarif- nerinnen, Neuenburger, Schaffhauserinnen, oder Trambillette für die meisten Tarifver- struktur den günstigsten Preis und belastet Tessiner, Jurassierinnen, Appenzeller usw. bünde zu kaufen, wenn auch nicht für alle. diesen direkt dem Konto des Benutzers, je können vorderhand nicht von diesen Inno- Namentlich die Tarifverbünde ZVV (Region nach gewähltem Zahlungsmittel. Einfacher vationen profitieren. Zürich) und Unireso (Region Genf) sind geht es nicht. Und selbst, wenn der Reisende nicht integriert. Ein Billett kann auf drei Ar- vergisst, seinen Ausstieg mitzuteilen, schickt Der SwissPass als Ausweg ten erworben werden: Durch das Anwählen ihm die App automatisch eine Mitteilung. aus dem Dickicht? des Abfahrtsortes, wodurch die verschiede- Angesichts einer solchen Revolution kann Der Swisspass hat für den öffentlichen Ver- nen Ticket-Optionen angezeigt werden (die man sich mit Recht fragen, wieso sich FairtiQ kehr einen neuen, einheitlichen Standard ge- schnellste Lösung, funktioniert aber nur für nicht schon längst durchgesetzt und die an- schaffen. Die Hoffnung des ÖV ist es, dass lokale Reisen), durch die Wahl einer Reise deren Lösungen verdrängt hat. Die Antwort: dieser einheitliche Zugang zum ÖV (ID- direkt im Fahrplan oder durch das Duplizie- Zum einen wollen die meisten Anbieter an Nummer) einen Standard schafft, der auch ren eines Billetts, das bereits früher einmal ihrem System festhalten und kein «fremdes» bei den Apps dazu führt, dass der Wild- gekauft wurde. importieren. Zum andern warten zahlrei- wuchs eingedämmt und die Kundinnen und Die mit dem Ticketshop der SBB ver- che Anbieter zunächst die ersten Erfahrun- Kunden von einheitlichen, einfachen Lösun- bundene SBB-Mobile-App bietet heute die gen ab, die mit FairtiQ gesammelt werden. gen profitieren. grösste Auswahl an Tickets. Sie integriert Deshalb ist FairtiQ gegenwärtig erst für PS: Die genannten Apps sind gratis in den 20 Tarifverbünde und ermöglicht den Kauf fünf Tarifverbünde bzw. ÖV-Unternehmen Onlineangeboten für die Systeme iOS und von ÖV-Billetten für kurze, mittlere und gültig: Frimobil (Region Fribourg), Passe- Android erhältlich. längere Reisen. Bis vor kurzem waren aller- partout (Region Luzern), Libero (Regionen dings nicht weniger als sechs Klicks nötig, Bern, Biel und Solothurn), STI (Region Thun) © Jérôme Faivre um ein elektronisches Billett zu kaufen. Die und – viel weiter im Osten – Engadin Mobil neue App der SBB, die seit letztem November (Region Oberengadin). Aber es tut sich etwas, als Testversion zur Verfügung steht, wurde die Überzeugungsarbeit in der Praxis zeigt demgegenüber stark weiterentwickelt. Der Wirkung: «Weitere Partner werden bald dazu- Fahrplan funktioniert viel intuitiver, der stossen», versprechen die Initianten von Fair- Ticketkauf ist neu mit zwei Klicks möglich tiQ. Diese Anwendung ist zudem in der Lage, – zumindest für Ticketkäufe bis 40 Franken. die bestehenden IT-Probleme der alten ÖV- Auch der Fahrplan ist neu einfacher zu be- Infrastruktur abzufedern. So ist es heute nur dienen, Texteingaben entfallen, neu können mit grossem Aufwand möglich, nachträglich Destinationen mit einfachen Wischbewe- einzusehen, wer wann von wo bis wo gefahren gungen auf dem Display ausgesucht werden. ist. Auch funktioniert das digitale Entwer- Bereits ab November 2016 wird in den Up- ten des E-Tickets durch die Zugbegleiter nur dates nur noch die neue Version verfügbar mangelhaft. FairtiQ kann beide Probleme lö- sein. sen. Diese führen aktuell beispielsweise dazu, dass elektronische Tickets grundsätzlich nicht Einfachere Systeme erstattbar sind und Reisedatum und Persona- Vermutlich sind es die in jedem System vor- lien exakt stimmen müssen. Grund dafür sind handenen Lücken, die verschiedene Akteu- die veralteten PDF-Formate, die den heutigen re des öffentlichen Verkehrs bewogen haben, E-Tickets zugrunde liegen. Diese können sehr gemeinsam einen Schritt weiter zu gehen einfach dupliziert oder auch verändert wer- und (mit Schweizer Start-ups) Apps zu ent- den. Deshalb sind die Nutzungsbedingungen wickeln, die man als solche der zweiten Ge- beim SBB-E-Ticket strenger als für herkömm- neration bezeichnen kann. Diese neuen, seit liche Fahrausweise. Frühling 2016 verfügbaren Apps setzen auf Nun gibt es aber bereits weitere Apps in einfache Handhabung mit Geolokalisierung. der Testphase, die auf dem gleichen Prinzip FairtiQ, das System, das sich «die ein- CICO beruhen. Das gilt insbesondere für fachste Fahrkarte der Schweiz» nennt, wur- Lezzgo, das eben erwähnte Pilotprojekt von Welche App für welches Billett? Die Vielfalt der de gemeinsam von den Freiburger und den BLS, Postauto und SBB. Lezzgo, das auch für ÖV-Apps macht den Nutzerinnen und Nutzern Luzerner Verkehrsbetrieben sowie der Rhä- Frimobil, Passepartout und Libero verfügbar das Leben nicht immer einfacher. tischen Bahn lanciert: Das System erkennt ist, will «die technologische Grundlage für automatisch, wo sich der Reisende aufhält. einen gemeinsamen ÖV-Standard schaffen». So können Reisende mit je einem Wischen ein- und auschecken, im Fachjargon nennt Das Rennen bleibt offen sich dieses Prinzip CICO, von «Check-in, Angesichts dieser Vielfalt an Angeboten ha- Check-out». Der erste «Wisch» auf «Start» ben die Reisenden momentan die Qual der VCS MAGAZIN 5/16 15
AKTUELL Action, Spass und viel Energiewissen Von Thorsten Kaletsch Die Energy Challenge 2016 hielt die Schweiz im letzten Halbjahr auf Trab: Die Aktion von EnergieSchweiz richtete sich mit einer Roadshow und viel prominenter Unterstützung an die Bevölkerung. sche Art auch viel Energiewissen. Das eigene Energieprofil konnte mit den prominenten Botschafterinnen und Botschaftern vergli- chen werden. Und mit der Umsetzung der zahlreichen Alltagstipps konnten Nutzerin- nen und Nutzer Energie «erspielen» und ei- ner der teilnehmenden Städte spenden. Auf diese Weise nahmen sie gleichzeitig am Wett- bewerb mit vielen attraktiven Preisen teil. Den Ton der Zeit getroffen Bereits an der Lancierung der Energy Chal- lenge 2016 in Bern lobte Bundesrätin Doris Leuthard die Ausrichtung auf die Vermitt- lung von Energiewissens und Energietipps: «Mit der jungen und frischen Sprache trifft die Energy Challenge 2016 den Ton der Zeit. Sie vermittelt gute und alltagstaugliche Tipps auf moderne Art und Weise.» Tatsächlich er- © zVg Bundesamt für Energie BFE wies sich der Mix von neuen Medien, Events und dem Einsatz von Prominenz als sehr er- folgreich, um die breite Bevölkerung zu er- reichen: Über 53 000 Mal wurde die App der Energy Challenge 2016 heruntergeladen. An den Roadshows erstrampelten die Freiwilli- Der Abschluss der Energy Challenge fand vor dem Bundeshaus in Bern statt. gen auf den Stromrädern gemeinsam 69 Ki- lowattstunden und lieferten so den Strom für das Schlusskonzert von Stress und Ma- Z iel der nationalen Aktion Energy Chal- lenge 2016 war es, der breiten Bevölke- rung aufzuzeigen, welches Potenzial in der statt. Danach tourte die Roadshow durch die acht Energiestädte Locarno, Luzern, Zürich, Aarau, Basel, Neuenburg, Montreux und Sit- nillio. Noch eindrücklicher ist die Gesamt- summe aller Commitments in der App: Ressource Energie steckt und wie dieses ak- ten, bevor sie am Wochenende vom 1. und Sie beträgt 20 Millionen. Kilowattstunden. tiver genutzt werden kann. Um eine mög- 2. Oktober zum Schlussevent auf dem Bun- Die Teilnehmenden setzten hier insgesamt lichst breite Wirkung zu erzielen, setzte die desplatz in Bern Halt machte. Über 65 000 60 000 Tipps um, auch das ein erstaunlicher Challenge auf Elemente wie eine Roadshow, Besucherinnen und Besucher fanden sich Wert. Mit der Berichterstattung in den Me- Wettbewerbe und viel Prominenz: So unter- in diesen Städten im «Energie Village» ein, dien erreichte die Energy Challenge 2016 stützten etwa Rapper Stress, Xherdan Shaqi- schauten den Prominenten bei Wettkämpfen 5,6 Millionen. Menschen. Kein Wunder also, ri, Carolina Müller-Möhl, Bertrand Piccard zu, sammelten auf Stromvelos fleissig Strom zieht Projektleiter Raphael Zürcher ein posi- und André Borschberg, Melanie Winiger für das grösste energieneutrale Konzert der tives Fazit: «Wir haben die gesteckten Ziele und viele andere die Aktion aktiv. Initiant Schweiz in Bern und genossen stimmungs- allesamt übertroffen. Dafür gebührt allen des Programms war das 2001 vom Bundes- volle Konzerte und DJ-Sets. Teilnehmenden und Partnern Dank. Der rat gestartete Programm EnergieSchweiz. Als zentrales Kommunikationselement grosse Einsatz fürs Thema Energieeffizienz setzte die Energy Challenge 2016 auf eine hat sich gelohnt!» Über 65 000 Besucher App, die gratis auf Smartphones herunter- Der Kick-off für die Energy Challenge fand geladen werden konnte. Sie lieferte alle Infos am 29. April 2016 im Hauptbahnhof Zürich zu den Events, vermittelte aber auf spieleri- 16 VCS MAGAZIN 5/16
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DOSSIER Braunwald – autofrei, aber Von Dominique Eva Rast Unsere Alpen: Im Dossier betrachten wir verschiedene Regionen und machen uns E igentlich gibt es in Braunwald keine Autos. Mobilität braucht es trotzdem, für die Landwirtschaft und das einhei- Gedanken, wie Mobilität, Politik und Tourismus mische Gewerbe. Deshalb tuckern nebst zusammenhängen. In Braunwald etwa wohnen einigen Elektrofahrzeugen auch Die- selgefährte herum, und beim Spazieren 300 Menschen in einem Dorf, das seit über lohnt es sich, die Ohren offen zu halten. 100 Jahren von Tourismus lebt. Auf dem «blauen Dorfrundgang» kreuzt man immer wieder Fahrzeuge – bela- den mit Bauschutt oder Holz. Denn ge- baut wird, davon zeugen Holzhäuser, die gleichzeitig futuristisch und gemütlich wirken. Aber Diesel ist nicht die Lösung, 18 VCS MAGAZIN 5/16
DOSSIER Köpfe mitgetüftelt, und es ist wohl Schu- tät: An der Talstation steht das schweiz- lers beharrlichem Nachfragen, seinen weit grösste Angebot an Parkplätzen mit guten Beziehungen und seiner Finanz- Ladestationen für Elektroautos, im Dorf spritze zu verdanken, dass sie seit Mit- haben mehrere Hotels E-Bikes, die auch te Oktober tatsächlich durch Braunwald den Einheimischen zur Verfügung ste- fährt. Geräuschlos verstärkt der Motor, hen. damit die Pferde weniger ziehen müssen. Ein neues Fahrgefühl sei das, sagt Schu- Bücher und vielleicht ein Musikhotel ler, ziemlich viel Technik habe es in der Auf dem Spaziergang wird rasch klar, Kutsche. «Ausruhen können sich meine wieso Braunwald seit 100 Jahren Gäs- Pferde aber nicht – anziehen müssen im- te anzieht. Am Föhntag Mitte Septem- mer noch sie, das ist wie beim E-Bike», ber hängen zwar Wolken über den Ber- erklärt er. gen, lassen aber erahnen, wie weit man eigentlich sehen könnte. Fridolin Hös- Standseilbahn auf rutschigem Boden li hat Familien klar als Zielgruppe ange- Seit einigen Jahren überlegen die tou- geben – dazu aber auch alle, die auf der ristischen Leistungsträger gemeinsam Suche nach Ruhe, Erholung und Kultur mit Gemeinde, Kanton und der Bevöl- sind. Auf dem Spaziergang trifft man kerung, wie die Zukunft aussehen soll. auf die offenen Bibliotheken, manche ro- Die Standseilbahn etwa, der Lebens- mantisch unter alten Bäumen. Im Dorf nerv Braunwalds, hat eine ungewisse lockt das hübsche Literatur- und Kul- Zukunft. Zum einen läuft die Konzessi- tur-Café «Bsinti». Die Musikwochen zie- on 2027 aus, zum anderen steht sie auf hen seit 80 Jahren Klassikinteressier- einem Gebiet, das rutscht – Neubauten te an. Geplant ist ein Musikhotel, die sind aktuell nicht mehr möglich, das Ge- Pläne von Architekt Peter Zumthor exis- biet wird aber entwässert. Was nun? Die tieren. Unsicher ist aber deren Umset- Bahn gehört dem Kanton, überlegt wird, zung – auch da wird sich zeigen, was die sie zu verlegen und näher an die Sport- Zukunft bringt. bahnen zu bauen, aber damit weiter weg vom Dorfzentrum. Ob nach 2027 weiter- hin eine Standseilbahn oder eine Gon- Braunwald ist ab Zürich mit der S25 in 1h49 zu delbahn nach Braunwald führt, ist offen. erreichen, mit Umsteigen in Linthal-Braunwaldbahn Aktuell setzt der Ort auf Elektromobili- auf die Standseilbahn. www.braunwald.ch mobil Wundersame Bergwelt in Braunwald (links) / Mit Strom zieht es sich leichter (unten). © zvG Braunwald-Klausenpass Tourismus AG davon ist Fridolin Hösli, Geschäftsfüh- rer der Braunwald-Klausenpass Touris- mus AG, überzeugt: «Wenn wir damit werben, autofrei zu sein, müssen uns Re- klamationen über Lärm nicht wundern.» Alternativen gibt es. Und weil Braun- wald eher klein ist, sitzt innert Minuten Köbi Schuler mit am Tisch: Er führt ei- nen Transportbetrieb, hat vier Pferde und diese ziehen Kutschen. Eine dieser Kut- schen tanzt etwas aus der Reihe – ihre Hinterachse ist mit einem Elektromotor verstärkt. An der E-Kutsche haben viele
© Hotel Fex DOSSIER Harte Arbeit ist nötig, damit das Fextal seinen Zauber bewahren kann. «Wir leben von unserer Weltoffenheit» Schneefeld übrig. «Dieser Speicher fehlt uns im Sommer.» Zellweger vermutet, dass sich ausserdem der Permafrost ver- ändert hat. Auf der Alp Muott’Ota, de- Das Fextal lebt von der atemberaubenden Natur, seiner Ruhe ren Spitze von Crasta aus in rund ein- einhalb Stunden erreichbar ist, versiegte und dem bewussten Umgang der Bewohnerinnen und Bewohner das Wasser deshalb vor wenigen Jahren mit der Natur. Aber nur, wenn das Tal lebendig bleibt, behält es gänzlich. «Wir haben dann eine Pum- auch in Zukunft seinen Zauber. Von Matthias Müller pe installiert, die unser Vieh seither mit Frischwasser versorgt.» Den Zauber erhalten «I m Grunde gefällt es mir nirgend- wo so gut», schwärmte Friedrich Nietzsche einst über das Fextal. Nur hier Sichtbarer Klimawandel Um ihr kleines Paradies zu schützen, ha- ben die Fexerinnen und Fexer ebenfalls Der Preis für die Nachhaltigkeit ist har- te Arbeit. Die Wahrscheinlichkeit, Tho- mas Zellweger irgendwo im Tal bei der verflogen die Kopfschmerzen des sen- schon vor Jahrzehnten ein restriktives Arbeit anzutreffen, ist gross. «Diesen siblen Künstlers, nur hier sah er sich in Baugesetz und ein grundsätzliches Fahr- Preis zahle ich gerne. Dafür kann ich ge- der Lage, seine komplexen Gedanken verbot eingeführt. Bewohnerinnen und nau das tun, was ich wirklich will.» Dazu zu Ende zu denken und in seinem Werk Bewohner sind davon gänzlich ausge- gehört auch die Rücksichtnahme auf «Zarathustra» festzuhalten. Viele andere nommen. Ferienhausbesitzer dürfen die den Tourismus. So sei es selbstverständ- bekannte Dichter wie Hermann Hesse, kleine Strasse morgens und abends be- lich, dass zwischen 11.30 und 15.30 Uhr Max Frisch oder Annemarie Schwarzen- fahren, aber nicht zwischen 10 Uhr und in der Nähe von Hotels und Restaurants bach folgten seinem Beispiel. So entwi- 16 Uhr. Diese Vorsicht hat dazu geführt, niemand mit Maschinen mähe. Und so ckelten sich Sils Maria und das Fextal zu dass das Tal heute noch sehr ähnlich aus- ist es für Zellweger auch normal, im Juli, einem Ort, an dem sich unberührte Na- sieht wie auf Fotos vor 100 Jahren. Auf- wenn sich Reste des geschnitten Gra- tur mit Kultur und einer gewissen No- fallend ist, dass auf den Fotos von früher ses überall breit machen, keine Laubblä- belesse verbindet. deutlich weniger Bäume zu sehen sind ser sondern normale Rechen zu verwen- Wer sich von Sils Maria her kom- als heute. «Das ist der Klimawandel», ist den. «Ich wundere mich dann aber, dass mend für einen Spaziergang ins Fextal Biobauer Thomas Zellweger überzeugt. die Arbeiter der Gemeinde trotzdem mit entscheidet und den besonders schönen Er betreibt seit mehr als 20 Jahren zu- lauten Bläsern arbeiten.» Die Nachhal- Schluchtweg wählt, gelangt bereits nach sammen mit seiner Frau und seiner Fa- tigkeit habe aber auch Grenzen, so Zell- 45 Minuten nach Crasta, mit rund 30 milie den Biobauernhof «Crasta Farm». weger. Natürlich nehme der Verkehr im Einwohnerinnen und Einwohnern der Zellweger erklärt, dass Nachhaltigkeit Tal zu, wenn ein Stall ausgebaut oder ein grösste Ort des Tals. Ein Besuch der für das Tal überlebenswichtig ist. Zwar Haus ins Unterland verkauft wird. «Aber: kleinen, verträumt wirkenden Kirche ist seien die Winter nicht mehr ganz so Wir brauchen ein lebendiges Tal. Damit genauso empfehlenswert wie ein Zwi- streng wie vor 20 Jahren, das sei durch- das Tal seinen Zauber behält, brauchen schenhalt auf der Terrasse des Hotels aus auch ein Vorteil. Aber die Kehrsei- wir die Weltoffenheit. Diese bringen uns, Sonne oder in der Pension Crasta, die te schlägt viel stärker ins Gewicht. Vom wie schon zu Zeiten von Nietzsche, die den besten Heidelbeerkuchen der über- einst mächtigen Fexer Gletscher am Unterländer. Das ist für uns überlebens- haupt vorstellbar ist, anbietet. Ende des Tales ist nur noch ein einziges wichtig.» 20 VCS MAGAZIN 5/16
DOSSIER Ein Plan für die Zukunft Von Jean-Louis Emmenegger Vor einigen Jahren mussten sich die Waadtländer Ferienorte eingestehen, dass sie vor wirtschaftlich unsicheren Zeiten und komplexen Herausforderungen stehen. 2013 präsentierten sie deshalb eine dynamische Entwicklungsstrategie: das Projekt «Alpes vaudoises 2020». D ie Waadtländer Gemeinden und für die Umsetzung des Projekts «Alpes © zVg Feriendestinationen machen sich vaudoises 2020» ihren Schlussbericht. seit mehreren Jahren Sorgen um ihre Dieser definiert vier strategische Berei- wirtschaftliche Zukunft. Sie stehen vor che: Ganzjahrestourismus, Mobilität, zahlreichen Problemen: teilweise ver- Bergbahnen und Hotellerie. Zudem ent- altete Skianlagen, begrenztes Angebot hält er einen Investitionsplan über zehn im Sommer, umständliche Anfahrt zu Jahre und klare, bezifferte Ziele. Er wur- gewissen Orten usw. Dazu kommt der de dem Waadtländer Staatsrat, der Kan- Schneemangel aufgrund der Klimaer- tonsregierung, übergeben, damit dieser wärmung. Obwohl alle Destinationen zur Strategie der CITAV Stellung neh- mit denselben Herausforderungen kon- men und über die Unterstützungsbeiträ- frontiert waren, suchten sie lange Zeit im ge für die Region befinden kann. Alleingang nach Lösungen. Der Staatsrat veröffentlichte am 25. Mit «Alpes vaudoises» 2020 geht es voran. März 2015 die Zusammenfassung seiner Umfassende Studie Sicht zum Projekt der CITAV. In seiner auch, dass Lausanne vom Internationa- 2006 gründeten sie schliesslich die CI- Strategie spricht der Kanton Subventi- len Olympischen Komitee den Zuschlag TAV (Communauté d’intérêt touristique onen in Form von nicht rückzahlbaren für die Winter Youth Olympic Games des Alpes vaudoises), deren Mitglieder Beihilfen in der Höhe von 46 Millionen (YOG) im Februar 2020 erhalten hat- die Gemeinden und Ortschaften Villars- Franken für die Jahre 2016–2023. Über te. Die Waadtländer Alpen werden als Gryon, Bex, Lavey-les-Bains, Les Diable- 20 Projekte aus allen vier Bereichen des Austragungsort mehrerer Disziplinen rets, Aigle, Leysin, Col des Mosses, Châ- Projekts «Alpes vaudoises 2020» pro- eine wichtige Rolle spielen. Und die Zeit teau-d’Oex und Rougemont sind. Ziel fitieren von diesen Geldern. Sie alle drängt: In weniger als vier Jahren wer- der CITAV ist die Förderung des Touris- haben zum Ziel, den Winter- in einen den die YOG offiziell eröffnet. mus in den Ferienorten der Waadtländer Ganzjahrestourismus umzubauen. Alpen. Die Gemeindepräsidenten sowie die lokalen und regionalen Tourismus- Olympische Jugendspiele 2020 organisationen führten mit Unterstüt- Jean-Marc Udriot, Gemeindepräsident zung zahlreicher Fachleute eine umfas- von Leysin und Präsident der CITAV, Oberste Priorität Mobilität sende, zukunftsgerichtete Studie durch, äussert sich sehr zufrieden: «Es freut uns die die Faktoren wirtschaftliche und so- sehr, dass wir in dieser Form zusammen- Die Waadtländer Alpen besser an die SBB-Simplon- ziale Entwicklung (Arbeitsplätze und arbeiten und eine gemeinsame Strategie linie und den Waadtländer Nahverkehr anbinden: Bevölkerungszahl), langfristige Klima- präsentieren konnten. Dass der Waadt- Dies will der Waadtländer Staatsrat, um die Mobi- veränderungen, nachhaltige Entwick- länder Staatsrat unser Vorgehen kon- lität zwischen den Bergregionen und dem Rest des lung, Mobilität (öffentlicher Verkehr) kret mit namhaften Investitionen unter- Kantons zu gewährleisten. Eine bessere Verbindung und Naturschutz beleuchtete. Die Arbeit stützt, ist ebenfalls sehr erfreulich. Wir zwischen Berg- und Eisenbahn soll dank der Verlän- war aufwändig, wurde aber mit grossem können nun in Absprache mit den kan- gerung der Linie Aigle–Leysin bis zur Talstation der Engagement vorangetrieben, weil die tonalen Diensten weitere Schritte unter- Seilbahn La Berneuse entstehen. Dieses Grossprojekt Zukunft der betreffenden Gemeinden nehmen. Unser Konzept ist modular auf- wird auch vom Bund unterstützt. Zudem werden in und Ferienorte davon abhing. gebaut, das macht es interessant.» der ganzen Region Shuttle-Busse eingesetzt, damit Am 11. Juli 2013 präsentierte die CI- Entscheidend für den sehr positi- Einheimische und Touristen besser vorwärtskommen. TAV als verantwortliche Organisation ven Entscheid des Staatsrats war sicher VCS MAGAZIN 5/16 21
DOSSIER Monika Bandi Tanner, Leiterin der Forschungsstelle Tourismus an der Universität Bern, über Erfolgsrezepte, das Wettrüsten in Interview: Dominique Eva Rast den Bergen und lohnende Investitionen. Dr. rer. oec. Monika Bandi Tanner «Nachhaltiger Tourismus ist eine ans VCS-Magazin: Sie sind Touristikerin; Was braucht es denn? rem guten, durchaus erschwinglichen ÖV. können Sie in den Ferien überhaupt Die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Schaut man aber genau hin, zeigt sich, dass noch abschalten? sollten zusammen spielen, wobei mit ei- nicht jede Region gleich viel Potenzial für Monika Bandi Tanner: Ja, durchaus. Na- ner starken ökonomischen Komponente eine Positionierung in diesem Bereich hat. türlich habe ich immer beide Brillen an. Anreize gesetzt werden können: Es muss Wenn eine Region wie das Unterengadin Spannend ist für mich zum Beispiel im- sich lohnen, nachhaltig zu arbeiten. Zum auch den Nationalpark beheimatet, ist dies mer das Ausprobieren einer neuen tou- Beispiel gibt es den Trend zu häufige- ein grosser Vorteil, den man auch touris- ristischen App. Nebst dem Analyseblick ren, aber kürzeren Reisen. Mit geschick- tisch nutzen kann. lasse ich mich aber auch stets gerne über- ten Angeboten wie attraktiven Packages raschen und geniesse gern. können Anbieter durchaus versuchen, Haben gewisse Destinationen in der dem entgegenzuwirken und schliesslich Schweiz zu lange geschlafen? Und wie funktioniert nachhaltiger von den längeren Aufenthalten der Gäste Einige haben die Chance dieser Nische Tourismus? auch wirtschaftlich zu profitieren. gepackt. Destinationen, die bereits frü- Streng betrachtet gibt es den kaum. Ge- her unter Druck geraten sind, haben sich wisse Entwicklungen orientieren sich Was sind Erfolgsrezepte? auch früher den Entwicklungsfragen ge- an der nachhaltigen Entwicklung, aber Aus meiner Sicht ist ein klares Bekennt- stellt. Im 2016 abgeschlossenen Projekt nis der Führung zur nachhaltigen Ent- «Nachhaltige Tourismusangebote» waren wicklung unabdingbar. Das kann auf der Regionen wie Scuol, Arosa oder die Bio- «Die Nachhaltigkeits-Charta hängt Ebene der Leistungsträger ein Hoteldi- sphäre Entlebuch mit dabei. Ein schönes rektor sein, der sich stark an der nach- betriebliches Beispiel gibt es in der Bio- an der Wand und man ist stolz auf haltigen Entwicklung orientiert und sich sphäre Entlebuch: Im Normalfall sind die wachsenden Logiernächte aus dementsprechend bei den Gästen auch so Moorlandschaften für Bergbahnbetrei- positioniert. Es kann aber auch die Des- ber etwas Unliebsames. Sie sind schwie- dem asiatischen Raum.» tination und dort der Tourismusdirektor rig zu bebauen, und es gibt viele Auf- sein. Glaubwürdig macht das seit Jahren lagen. Das Mooraculum Sörenberg hat Scuol im Engadin, gerade bezogen auf diesen scheinbar grossen Nachteil in Tourismus setzt immer eine Ortsver- die Mobilität: Den Gästen wird dort bei- einen Vorteil verwandelt. Da die Zu- schiebung voraus. Nachhaltigkeit bein- spielsweise kostenlos ÖV über die Lan- fahrtsstrasse neu gesperrt ist, sind die haltet eine ökologische, ökonomische desgrenze angeboten. Zudem gibt es eine Gäste angehalten, die Bergbahn zu benut- und gesellschaftliche Dimension. Die- Zusammenarbeit mit der Rhätischen zen – das bringt Frequenzen. Ein Kon- se sind gerade im Zeitalter wirtschaftli- Bahn für den Gepäcktransport: Von zu sumationsgutschein im Angebotspaket cher Herausforderungen anspruchsvoll Hause aus können die Gäste Skis und spornt die Gäste zudem an, das Restau- zu vereinbaren. Einerseits hängt beim Gepäck aufgeben und im Hotel oder der rant zu besuchen. Ein Erlebnispfad und Schweizer Tourismusverband eine un- Ferienwohnung wieder beziehen. Moorspielplatz sensibilisieren für das terzeichnete Nachhaltigkeits-Charta an Thema Moorlandschaft und bieten eine der Wand. Andererseits ist man stolz auf Ist die Schweiz ein guter Ort für zusätzliche Attraktion. Der Mut und die die wachsenden Logiernächte aus dem Nachhaltigkeit? Innovationen der Bergbahnbetreiber asiatischen Raum und blendet die hohen Generell bringt die Schweiz gute Voraus- wurden mit einem Award ausgezeichnet, dafür benötigten natürlichen Ressour- setzungen mit. Dies dank hoher Erlebnis- welcher Leistungsträger zusätzlich für cen aus. dichte auf kleinem Raum und einem ext- solche Bestrebungen motivieren soll. 22 VCS MAGAZIN 5/16
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