Die Finanzierung der Pflege von heute und morgen - Spitex ...
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Fachzeitschrift von Spitex Schweiz | 3 / 2020 | Juni / Juli FOKUS «Pflegefinanzierung» Seite 21 Die Finanzierung der Pflege von heute und morgen DIENSTLEISTUNG Wie COVID-19 die Spitex prägt. Seite 8 GESELLSCHAFT Eine Klientin mit seltener Krankheit. Seite 14 NETZWERK Wo die Nationale Demenzstrategie steht. Seite 42
SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI EDITORIAL 3 Als Teamleiter/-in mit eidg. Fachausweis Wichtige Prävention durch die Spitex Start: 19. August 2020 WEITER Mehr unter: www.stadt-zuerich.ch/sgz KOMMEN Wir bilden. Kompetenzen. SGZ Campus Die Bewältigung der COVID-19-Pandemie erfordert grosse An- strengungen – von uns allen. Entsprechend waren die ver gangenen Wochen auch für die Spitex aussergewöhnlich. Sei es aufgrund der Versorgung von COVID-19-Betroffenen, der SGZ-102310 - SGZ Anzeige Spitex Mag_184 x 61.25.indd 3 19.05.2020 12:19:41 Durchführung von Tests, der Organisation von Schutzmaterial oder weiterer Herausforderungen. Einige Spitex-Organisa Im Alter zu Hause leben tionen haben sehr viel zu tun, bei anderen werden teilweise Heimelig Betten möchte, dass Sie sich Leistungen abgesagt. Dies, weil Klientinnen und Klienten Angst zuhause fühlen. Wir beraten Sie gerne und haben, durch die Spitex mit dem Virus angesteckt zu werden. Die Spitex ist sich indes seit jeher gewohnt, Hygienemass umfassend und übernehmen die erforderli- nahmen anzuwenden – und kann daher ihre Klienten auch chen administrativen Aufgaben mit den während der Pandemie professionell versorgen. Es ist wichtig, dass Spitex- Kostenträgern. Heimelig Betten liefert Organisationen ihre Leistungen auch in Krisenzeiten vollumfänglich aufrecht schnell und zuverlässig, damit Sie Ihren erhalten. Denn wird der Kontakt zum Klienten unterbrochen, kann dies unter Alltag zuhause weiterhin geniessen können. Umständen schwerwiegende Folgen haben. Die Angehörigen können die Pfle- ge und Unterstützung nur beschränkt übernehmen, weil ihnen einerseits das 8280 Kreuzlingen www.heimelig.ch Vermietung und Verkauf von Pflegebetten professionelle Wissen fehlt. Andererseits kann es geschehen, dass sie selbst er- Tel. ★ 071 672 70 80 365 Tage erreichbar kranken oder zur Arbeit zurückkehren müssen, woraufhin sie ihre Nächsten nicht 4 AUFTAKT mehr versorgen können. Der Kontakt der Spitex zu ihren Klienten ist enorm wichtig, denn sie übt auch eine wichtige Präventionsfunktion aus, die gerade in WWW.NEUROTH.COM DIENSTLEISTUNG einer Krise grosses Gewicht hat: Spitex-Fachpersonen leiten die Klienten an, Gewinnen 8 Spitex und COVID-19 in drei Kantonen Hygienemassnahmen richtig anzuwenden. Sie versorgen deren Wunden, kont- rollieren die Einnahme von Medikamenten, erkundigen sich nach dem GESELLSCHAFT physischen und psychischen Befinden und beobachten den Allgemeinzustand Sie ein 14 Eine Klientin mit seltener Krankheit erzählt laufend. Verschlechtert sich der Zustand eines Klienten, können Spitex-Mitar- beitende – in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt – frühzeitig eingreifen. 21 FOKUS «Pflegefinanzierung» Dank der Spitex können auf Pflege und Betreuung angewiesene Menschen 22 Sechs Themen der Pflegefinanzierung Hörgerät. auch während der Pandemie zu Hause versorgt, soziale Isolation und Folge 30 Die Betreuung und ihre Finanzierung beleuchtet 38 Das neue Finanzmanual verspricht viele Vorteile erkrankungen verhindert sowie Spitaleinweisungen vermieden werden. So kön- nen Spitalbetten für Menschen freigehalten werden, die dringend hospitalisiert NETZWERK werden müssen. Damit beweist die Spitex mitten in der Pandemie – ebenso 42 Die Umsetzung der Nationalen Demenzstrategie wie in der nun hoffentlich abflauenden Krise – einmal mehr ihre unverzichtbare Im Wert von bis zu CHF 6‘000. – Rolle in der Gesundheitsversorgung. Dies ist dank dem grossen Einsatz unserer inklusive bewährtem Neuroth- DIALOG 50 «5 Fragen» an Volksmusik-Star Melanie Oesch Mitarbeitenden möglich, und dafür danke ich allen Beteiligten herzlich! Qualitätsservice für sechs Jahre. In dieser Ausgabe berichten wir anhand von Beispielen aus drei Kantonen, wie 51 DIE LETZTE die Spitex die Pandemie bisher gemeistert hat. Zudem warten viele weitere Berichte aus der Welt der Spitex – wie das Fokusthema «Pflegefinanzierung», Hier geht‘s zum Online-Gewinnspiel: Oder direkt in dessen Rahmen verschiedene aktuelle Themen beleuchtet werden. Ich neuroth.com/hoergeraet-gewinnen QR-Code Titelseite: Die Finanzierung der Pflege; dargestellt durch wünsche Ihnen eine spannende Lektüre. Bleiben Sie weiterhin gesund! einscannen: Münzen und Noten mit Motiven aus dem Spitex-Alltag Bildmontage: Pomcanys Marketing AG Marianne Pfister, Geschäftsführerin Spitex Schweiz Smart, nützlich, gratis. HÖRGERÄTE // HÖRBERATUNG // GEHÖRSCHUTZ Die Spitex Magazin-App mit neuen Informiert sein und mitreden: Funktionen für Ihr Smartphone oder Tablet. facebook.com/SpitexMagazin
4 AUFTAKT SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI AUFTAKT 5 Eine Theologin bei der Spitex Ein neues Vorstandsmitglied Während der Corona-Krise haben viele Menschen der Spitex ihre Hilfe angeboten. Ein Beispiel ist die gelernte Pflegefachfrau und promovierte Theologin Edith Zingg. Die für Spitex Schweiz Leiterin der hiesigen katholischen Gemeinde war gewissermassen der Trumpf im Ärmel An der digitalen Delegiertenversammlung von Spitex Schweiz Ende Mai der Spitex Ostermundigen SG. wurde der Strategieprozess eingeleitet – und mit Erich Ettlin wurde ein neues 9 in einer zweiten Welle zurückkehren, wür- 1 Sicherheit im Umgang mit den Klientinnen Vorstandsmitglied gewählt. de sie erneut in Aktion treten. Eingearbeitet und Klienten erlangte. Anfangs stresste mich ist sie – und entschlossen zu helfen, wann im- die Arbeit mit dem Tablet am meisten. Das FH. Die Delegiertenversammlung (DV) von beitsgruppe wird bereits im Juni 2020 ihre mer es nötig ist. Doch im Moment scheint gab es während meiner Ausbildung nämlich Spitex Schweiz vom 28. Mai konnte wegen Arbeit aufnehmen. COVID-19 unter Kontrolle, die Menschen ge- noch nicht», berichtet sie. Auch von kleinen der eingeschränkten Versammlungsfrei- niessen die zurückgewonnenen Freiheiten – Pannen liess sie sich nicht entmutigen. Als heit aufgrund von COVID-19 nicht wie ge- Ein Obwaldner neu im Vorstand und auch die Kirchenbänke füllen sich wieder. sie zum Beispiel bei ihrem ersten «Solo»-Ein- plant physisch in Bern stattfinden, sondern Die Delegierten wählten zudem den Ob- satz das Sachet übersah, welches sich neben wurde als Videokonferenz durchgeführt. waldner Ständerat Erich Ettlin (CVP) als Tausche Hilfe … der Medikamentenbox versteckte, radelte sie Die Delegierten konnten ihre Stimmen zu neues Mitglied in den Vorstand von Spitex Mitte März war das anders. Da mehrten sich zurück, um es zu holen. «Zum Glück war ich den traktandierten Geschäften vorgängig Schweiz. Erich Ettlin tritt die Nachfolge des die Bilder von überfüllten Spitälern in Italien, zeitlich gut dran und konnte das Missge- schriftlich abgeben. Am Tag der DV führte Berner Nationalrates Lorenz Hess (BDP) an, von entkräfteten Pflegefachkräften und ver- schick als körperliches Zusatztraining verbu- Präsident Thomas Heiniger die eingelogg- der nach sieben Jahren Vorstandstätigkeit «Ich kann der zweifelten Menschen. Auch im Kopf und im chen.» Als mühsam empfand Edith Zingg das ten Delegierten durch die virtuelle Ver- zurückgetreten ist. Die Delegierten verab- Herzen von Edith Zingg blieben diese Bilder Tragen eines Mundschutzes. «Das hat mich sammlung – und bedankte sich in seiner schiedeten den Berner Politiker und dank- Spitex den Rücken haften. Sich damit zufriedenzugeben, dass bei der Begegnung mit den betagten Klien- Eingangsrede bei allen Spitex-Mitarbeiten- ten ihm für sein grosses Engagement für die sich die Situation in der Schweiz noch verhält- ten behindert. Weil ältere Menschen oft den für ihre ausgezeichnete Arbeit wäh- Anliegen der ambulanten Pflege. Lorenz freihalten.» Der Obwaldner Ständerat Erich Ettlin, neu im nismässig gut darstellte, war keine Option für nicht mehr gut hören, lesen sie viel vom rend der Pandemie. Hess bleibt weiterhin Mitglied des politi- Vorstand von Spitex Schweiz. Bild: zvg Edith Zingg sie. «Meine Ausbildung im Pflegebereich und Mund und von der Mimik ab, vor allem dann, Dem Vorstand ist es ein grosses Anlie- schen Beirates von Spitex Schweiz. als Theologin hat mich sensibel gemacht für wenn sie jemanden kennenlernen», erklärt gen, die Strategieentwicklung von Spitex Der 58-jährige Erich Ettlin ist Vizepräsi- wicklung sowie ‹ambulant vor stationär› BEB. Edith Zingg kommt ursprünglich aus Wil verletzliche und verletzte Menschen auf ver- sie. Insgesamt an drei Halbtagen war Edith Schweiz voranzutreiben. Er hat einen ent- dent der ständerätlichen Kommission für wird die Spitex in Zukunft noch an Wichtig- SG und hat einst Krankenschwester AKP ge- schiedenen Ebenen. Bei der Pflege geht es ja Zingg für die Spitex unterwegs und hat aus sprechenden Strategieprozess eingeleitet, Soziale Sicherheit und Gesundheit SGK, die keit zunehmen. Es ist wichtig, dass die Pfle- lernt, dürfte sich heute also Diplomierte Pfle- auch nicht nur um den Körper als Funktions- dieser Zeit viele Eindrücke mitgenommen. welcher von den Delegierten genehmigt er im Jahr 2021 präsidieren wird. «Die Pfle- gefinanzierung gesichert und das Pflegeper- gefachfrau HF nennen. Als promovierte Theo- maschine», sagt die 54-Jährige. Sie sagt: «Ich staunte über die gute Organi- wurde. Diese haben eine Arbeitsgruppe mit ge und Betreuung zu Hause sind sehr wich- sonal gestärkt wird. Gerne setze ich mich im login könnte sie auf ihrem Namensschild Während der Suche nach einer Möglich- sation. Und unter anderem hat mich auch die Vertretern des Vorstandes und der Regio- tig für unsere Gesellschaft, sie ermöglichen Parlament dafür ein», erklärte Ettlin, der als auch einen Doktortitel hinzufügen. Und weil keit zu helfen, wandte sie sich auch ans In- Achtsamkeit in Bezug auf die Wünsche der nalkonferenzen eingesetzt, um Grundlagen den Menschen, dass diese auch bei Krank- Steuerexperte arbeitet und in seinem Hei- sie seit Jahren der Pfarrei Guthirt in Oster- selspital Bern. «Dort war man personell gut Klientinnen und Klienten beeindruckt.» zu erarbeiten, damit die DV 2021 wichtige heit in der gewohnten Umgebung bleiben matort Kerns OW wohnt, gegenüber dem mundigen vorsteht, welcher gut 8000 Katho- aufgestellt. Man gab mir aber den Tipp, mich Strategieentscheide treffen kann. Die Ar- können. Aufgrund der demografischen Ent- Spitex Magazin. liken der Region angehören, wäre auch der Ti- bei der lokalen Spitex zu melden.» Das er- Die Reserve ist wertvoll tel der Gemeindeleiterin angemessen. Doch schien Edith Zingg eine geniale Idee. «Soll- Bei der Spitex Ostermundigen arbeiten rund Edith Zingg winkt ab. Nicht weil dazu jedes te unser Gesundheitssystem kollabieren, 100 Frauen und Männer. Um ihren Auftrag zu Namensschild zu klein wäre. Auch nicht, weil kann sich die Spitex dank freiwilligen Hel- erfüllen, ist die Spitex äusserst gut mit ande- Der neue Jahresbericht anschaulich gestaltete Statistiken sowie sie ein «scheues Mäuschen» ist. Nein, die fern auf die anspruchsvolleren Tätigkeiten ren regionalen Organisationen aus dem Sozi- Berichte aus den Ressorts der Geschäfts- ist da Mittfünfzigerin hält schlicht und ergreifend konzentrieren. Mit meinem Hintergrund al- und Gesundheitsbereich vernetzt. Man stelle von Spitex Schweiz. Interessierte nichts von Äusserlichkeiten wie Titeln. «Ich könnte ich ihr bei einfachen pflegerischen trifft sich regelmässig und tauscht sich aus. Red. Der Jahresbericht 2019 von Spitex können sich in die Texte einklicken und habe nicht das Bedürfnis, als Person im Mit- Einsätzen den Rücken freihalten.» Sie tele- Die Corona-Krise verlief in ihrem Einzugsge- Schweiz ist an der Delegiertenversamm- über die Notwendigkeit von nationalen telpunkt zu stehen. Ich habe mehr ‹den fonierte mit der Spitex Ostermundi- biet bisher eher unspektakulär. Geschäftsfüh- lung von Spitex Schweiz am 28. Mai 2020 Grundlagen für die Spitex genauso mehr Plausch›, wenn es um andere geht. Der Titel gen – und dann ging alles ganz schnell. rerin Esther Gingold sagt: «Wir kamen ohne genehmigt worden. Er liegt dieses Mal in erfahren wie über den Spitex-Tag 2019, die macht den Menschen nicht aus», sagt sie. die Unterstützung von Edith Zingg und einer reduzierter Printversion vor – und ausführ- Erfahrungen mit interRAI CMHSchweiz Entsprechend schlummert nun im Gardero- … gegen Erfahrungen weiteren freiwilligen Pflegefachfrau über die lich in einer modern gestalteten digitalen und die Arbeit des Vorstandes von Spitex benschrank der Spitex Ostermundigen ein Bereits wenige Tage später fand ein Ge- Runden. Für eine allfällige zweite Welle dür- Version, welche unter www.spitex.ch/ Schweiz, der 2019 neu konstituiert wor- Namensschild mit der einfachen Aufschrift spräch statt, und bald darauf begleitete Edith fen wir die Kolleginnen aber als stille Reserve JB2019 bereitsteht. Im Jahresbericht sind den ist. «Edith Zingg». Edith Zingg hat den Schlüssel Zingg eine Spitex-Mitarbeiterin auf deren behalten. Das ist wertvoll für uns – und eine nicht nur der Finanzbericht zum Ge- zu diesem Schrank behalten. Sollte COVID- Tour. «Es überraschte mich, wie schnell ich Motivation für das ganze Team.» schäftsjahr 2019 einsehbar, sondern auch www.spitex.ch/JB2019
SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI AUFTAKT 7 «Gesundheitsförderung heisst Wertschätzung statt Kontrolle» Die Pflege soll LGBTIQ-freundlicher werden Damit Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) Früchte trägt, muss ein Arbeitgeber offen und transparent mit seinen Mitarbeitenden kommunizieren. Red. Die Fachgruppe «Alter» von verschie- spektierung der jeweiligen Lebenssituation gen zu den Bedürfnissen von LGBTIQ-Men- denen Schweizer LGBTIQ*-Verbänden hat genannt. Heime sollen über eine LGBTIQ- schen ausarbeitet und den Dachverbänden Wie das geht, zeigt das Beispiel Puntreis aus dem schönen Bündnerland. die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, freundliche Hausordnung verfügen und of- und Organisationen der Langzeitpflege zur mit der erhoben wurde, welche Erwartun- fen sein für B esuche aus der LGBTIQ- Verfügung stellt. Weiter wird sie LGB- Mitarbeitende selbst dann eine enorme Entlastung sind, gen LGBTIQ-Menschen an Organisationen Gemeinschaft. Bei den Erwartungen an TIQ-akzeptierende Musterklauseln für Leit- wenn sie nur zwei Stunden arbeiten kommen können. der Pflege haben. An der nicht repräsentati- Pflegefachschulen ist zentral, dass LGBTIQ- bilder und Verhaltenskodizes von Betrieben «Das fördert den Teamgeist», so Diego Deplazes. ven Online-Umfrage nahmen 246 Personen Bedürfnisse in den Ausbildungs- und Studi- der Pflege verfassen. Auch soll ein Label für Dem Arztzeugnis sei Dank teil. Es zeigte sich, dass eine Mehrheit der eninhalten abgebildet werden. die Anerkennung als LGBTIQ-freundliche Ganz allgemein geniesst Puntreis bei seinen Angestellten Teilnehmenden der Meinung ist, dass die Bei der Wahl eines Heims oder einer Spi- Organisation in der Pflege ausgearbeitet und ein hohes Ansehen. «Wir haben immer wieder Fälle, in denen Mitarbeitende arbeiten möchten, aber nicht Organisationen nicht oder nur mässig auf tex-Organisation wünscht sich eine grosse 2021 eingeführt werden. dürfen, weil sie zu 100 % arbeitsunfähig geschrieben LGBTIQ-Menschen (und Menschen mit HIV) Mehrheit, dass diese über ein Leitbild ver- Das Thema sei nicht etwa ein Randthe- sind.» Dank den ausführlichen, freiwilligen Arztzeugnis- vorbereitet sind – wobei die Einschätzung fügen, das klarstellt, dass LGBTIQ-Men- ma, stellt die Fachgruppe Alter abschlies sen ist dies aber mittlerweile in Absprache mit dem Arzt der Spitex etwas positiver ausfällt als dieje- schen akzeptiert werden. Etwa ein Drittel send klar: Laut konservativen Schätzungen möglich geworden. nige der anderen Organisationen. der Befragten wünschen sich sogar spezifi- gehören 10 Prozent der Menschen zur Ge- Das Beispiel Puntreis zeigt, dass sich Offenheit und sche LGBTIQ-Anbieter. meinschaft der LGBTIQ. 2018 wurden in der Transparenz bei der Einführung eines BGM lohnen. Erwartungen ans Leitbild Von der Fachgruppe Alter selbst wün- Schweiz 367 378 Menschen von der Spitex Interesse und Verständnis zeigen hilft gegen beruflichen Zuoberst bei den Erwartungen an die Anbie- schen sich die Befragten unter anderem, versorgt; dementsprechend betreut die Spi- Stress und motiviert. Ob Diego Deplazes deshalb bald weitere Gesundheitsförderungen einführt? «Momentan ter steht die Bereitschaft, LGBTIQ-Menschen dass diese sich für einen LGBTIQ-Leitfaden, tex rund 36 738 LGBTIQ-Menschen. Diego Deplazes, Geschäftsführer des nicht. Aber sollten Mitarbeitende den Anstoss geben, zu pflegen und zu betreuen. An zweiter Stel- ein LGBTIQ-Label sowie eine LGBTIQ-Zer- Gesundheitszentrums Puntreis, initiierte das BGM in hätte ich sicher ein offenes Ohr dafür.» Ein BGM solle le wird die Respektierung der sexuellen Ori- tifizierungsstelle in der Pflege einsetzt. Die * «Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Intersex, Queer» seinem Betrieb mit Unterstützung von Visana. schliesslich nicht alleine vom Unternehmen verordnet werden. entierung und/oder Geschlechtsidentität Fachgruppe stellt in Aussicht, dass sie nun erwartet. Bei der Spitex wurde zudem die Re- Unterlagen für Informationsveranstaltun- www.pinkcross.ch Auch das Arbeitsumfeld von Pflegekräften will gepflegt sein. Davon ist Diego Deplazes, Geschäftsführer des Pflegezentrums Puntreis im bündnerischen Disentis / BGM – mit System zum Erfolg gt und e? Mustér, überzeugt. «Die physische und psychische Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist Spitex-Tag zum Motto Wer pfle tzt Sie zu Haus Die Spitex vernetzt Belastung ist nicht zu unterschätzen», erklärt er. mehr als Prävention, es ist Ausdruck echten Interes- unter s tü h da. rne täglic Absenzen belasten die verbleibenden Teammitglieder, ses an der physischen und psychischen Gesundheit d wir ge «Danke Spitex!» sich zunehmend digital Be glinger sin Für Frau und qualifiziertes Personal ist in der Gesundheitsbranche der Mitarbeitenden. Visana berät Sie bei der syste- tex! zur Mangelware geworden. «Deshalb wollen wir ein matischen Umsetzung – sei es mit Referaten, e Spi Red. Von der Hauswirtschafts-Mitarbeiterin Dank Red. Die Umfrage zum eHealth-Barome- attraktiver Arbeitgeber sein.» Seminaren, Unfallprävention oder Berechnungstools. visana.ch/bgm bis zur Pflegeexpertin APN haben sich alle ter 2020 zeigt, dass die digitale Vernetzung Mit drei Massnahmen zum Ziel Mitarbeitenden der Spitex in den vergange- von Schweizer Gesundheitsfachpersonen Um diesem Anspuch gerecht zu werden, hat Diego Deplazes Mitte 2018 in Absprache mit den Verwaltungs- nen Wochen dafür eingesetzt, dass sämtli- im Vergleich zum vergangenen Jahr fast räten Visana als externen Partner für ein BGM heran- Puntreis Center da sanadad SA che Klientinnen und Klienten auch während gleichgeblieben ist – in der Spitex-Branche gezogen. Umgesetzt wurden drei Massnahmen: syste- Das Pflegezentrum Puntreis im bündnerischen der COVID-19-Pandemie gut versorgt wa- ist hingegen ein Anstieg festzustellen. Der matische Rückkehrgespräche, regelmässiger Kontakt Disentis / Mustér verfügt über 55 Pflegeplätze mit ren. Dank ihnen ist während der Pandemie tag, 5. Se ptember 2020 tschafts -Mitarbe i- Austausch über eine Behandlung findet bei während Absenzen sowie ausführliche Krankheitszeug- einer Abteilung für demenzkranke Menschen. Hier Hauswir ag: Sams – von der ende ersonen se eine trag Spitex-T ex-Fachp nten zu Hau terbildu ngs- ung. Spit g der Klie Nationaler sversorg rstützun aktive Wei aber auch die wichtige Rolle der Spitex im der Spitex am häufigsten elektronisch aus. Gesundheit r der ge und Unte Pfle zeiten, attr Arbeits der Spitex t bei ndpfeile ulanten sen und Tätigkei nisse. erhalten Betroffene spezielle, bedürfnisgerechte tiger Gru in der amb ible Pen hnen die ist ein wich nehmen eiten, flex nen zeic Die Spitex in – über olles Arb die Klientin ammen» an. zur Pfle geexpert verantw ortungsv ng durch und Heb terin bis tschätzu geberufe diges und iche Wer hr der Pfle Selbstän ie die tägl -Motto «Ja Funktion. Gesundheitssystem für alle ersichtlich ge- statt. Auch bei elektronischen Systemen, eiten sow Pflege und Betreuung. Puntreis beschäftigt rund 90 lichk das WHO und Karr ieremög t sich an e Spit ex-Tag lehn onal azin Der Nati Spitex Mag 40 20 | 0842 80 Telefon «Unsere Mitarbeitenden sollen spüren, dass wir uns für Mitarbeitende – darunter elf Lernende und Studie- ex.ch | www.spit worden. Deshalb ist es jetzt ganz besonders die zur Speicherung dienen, sind die Spi- sie interessieren», betont Diego Deplazes. Wertschät- rende – und bietet mit dem hauseigenen Restaurant zung statt Kontrolle ist angesagt. Deshalb bleibt Puntreis einen beliebten öffentlichen Treffpunkt für Bewohner an der Zeit, allen Mitarbeitenden Danke zu tex-Organisationen vorne mit dabei. Eine neu mit kranken Kolleginnen und Kollegen in kontinuier- und Besucher. sagen. Der Nationale Spitex-Tag vom 5. Sep- Mehrheit der befragten Spitex-Organisa- lichem Austausch und evaluiert im Nachhinein, ob der tember 2020 bietet Gelegenheit dazu, steht gerätespezialist Neuroth steht für eine Zu- tionen sieht im elektronischen Patienten- Ausfall arbeitsbedingter Natur war. Zudem werde stets er doch unter dem Motto «Danke Spitex!». sammenarbeit gern zur Verfügung: Spitex- dossier (EPD) einen Mehrwert für die inte- offen und transparent kommuniziert, welche Konsequen- zen Abwesenheiten für das Team haben und weshalb Damit lehnt er sich an das WHO-Motto Organisationen können die Neuroth-Filiale grierte Versorgung. Insgesamt haben «Jahr der Pflegeberufe und Hebammen» an. in ihrer Region kontaktieren, wenn sie am 112 Nonprofit-Spitex-Organisationen an Spitex-Organisationen können den Tag Spitex-Tag kostenlose Hörtests und Hörbe- der Umfrage teilgenommen. Alle Ergebnis- frei gestalten. Möglichkeiten sind ein «Tag ratung anbieten möchten. Spitex Schweiz se der Umfrage zum eHealth-Barometer der offenen Türen» für die Bevölkerung, «Ein hat zudem ein neues Fotosujet im Kampag- sind online verfügbar. Tag mit Pflegefachfrau XY» für Medienschaf- nen-Design zum Motto «Danke Spitex!» ge- fende oder eine Veranstaltung mit anderen staltet (siehe Bild), das als Vorlage für Inse- https://e-healthforum.ch/studienergeb- Leistungserbringern und Politikern. Der Hör- rate und Plakate zur Verfügung steht. nisse-2020/
8 DIENSTLEISTUNG SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI DIENSTLEISTUNG 9 Wie die Spitex COVID-19 meistert Vertretern des Kantons eingeladen, um offenen Fragen zu klären – mit Erfolg. «Zum Beispiel konnten wir die Durch- führung von COVID-19-Tests bei unseren Klienten neu re- geln», erzählt Brigitte Garessus. «Denn manche weigerten Im letzten Spitex Magazin wurde bereits darüber berichtet, wie das Coronavirus sich trotz Symptomen, für einen Test ins Spital zu fahren. Sie hatten Angst, dass man sie nicht mehr zurück nach den Alltag der Spitex prägt. Weil das Thema immer noch äusserst aktuell ist, wird Hause lassen würde.» Darum wurde verfügt, dass Spi- erneut in drei Kantonen in drei Sprachregionen nachgefragt, wie COVID-19 bisher tex-Klienten vom mobilen Ärzte-Team getestet werden durften, das im Kanton Basel-Stadt für das Durchführen gemeistert wurde: In den Kantonen Tessin, Neuenburg und Basel-Stadt beschäftigt von ambulanten COVID-19-Tests beauftragt worden war. man sich mit knappem Schutzmaterial, verunsicherten Klientinnen und Klienten «An jenem Treffen haben wir zum Beispiel auch auf die wichtige Rolle der Spitex hingewiesen», fügt Brigitte Ga- sowie mit zusätzlichen Aufgaben, welche die Spitex während der Krise übernimmt. ressus an. «Wir haben darauf hingewiesen, dass die Spitex die Spitalbetten freihält, indem sie die Menschen zuhause pflegt. Und dass sie Spitalbetten für COVID-19-Patienten «Für die Spitex ist die Krise Mitarbeitenden während ihrer Einsätze genauso Schutz- freimachen hilft, weil die Spitäler viele Patienten frühzei- noch nicht vorbei» masken tragen müssen wie in den Stützpunkten, in welchen teilweise enge Platzverhältnisse herrschen. «Vor allem zu tig nach Hause entlassen können.» Beginn der Pandemie war auch die wahre Sturzflut an Infor Für andere Anbieter in die Bresche gesprungen Basel-Stadt ist der von der COVID-19-Pandemie am mationen eine grosse Herausforderung», erzählt Brigitte Basel-Stadt wurde von der Pandemie von allen Deutsch- stärksten betroffene Kanton der Deutschschweiz. Garessus. «Wir filterten diese stark und leiteten unseren schweizer Kantonen am stärksten getroffen. Laut dem Bun- Brigitte Garessus, Leiterin des Pandemie-Teams von Mitarbeitenden nur die wichtigsten Informationen klar for- desamt für Gesundheit (BAG) sind bisher 581.7 Personen pro SPITEX BASEL, erzählt von den Herausforderungen muliert weiter.» 100 000 Einwohner an COVID-19 erkrankt, es gab 978 posi- der vergangenen Wochen – und sie erklärt, wieso die tiv getestete COVID-19-Patienten und insgesamt 50 Todes- Einmal wöchentlich verteilen die Verantwortlichen der Stadtbasler Spitex das Krise die Spitex weiter beschäftigt. Ein direkter Draht zum Kanton fälle [Stand: 8. Juni 2020]. Im März und April stieg nicht nur streng limitierte Schutzmaterial an alle Stützpunkte. Bild: SPITEX BASEL Der Kanton Basel-Stadt hatte keinen zentralen Krisenstab die Zahl der COVID-19-Patienten in Basel-Stadt an – SPITEX Weil sich das Coronavirus rasant in der Schweiz ausbreite- etabliert, sondern das Pandemie-Management in beste- BASEL verzeichnete auch einen Zuwachs ihrer Leistungsstun- tig machte: «Ein Mitarbeiter wurde für den Sanitätsdienst te, wurde Ende Februar die traditionsreiche Basler Fasnacht hende Verwaltungsstrukturen integriert. In der Anfangs- den. Dies ist erstens mit der erwähnten frühzeitigen Entlas- eingezogen», berichtet sie. «Wir haben sofort interveniert abgesagt, und dem Lieferanten von SPITEX BASEL ging das phase kam erschwerend hinzu, dass der generelle Fokus sung von Patienten aus dem Spital zu erklären. Zweitens wa- und darauf hingewiesen, dass wir all unsere Mitarbeiten- Schutzmaterial aus. «Zu diesem Zeitpunkt wurde mir end- der Bewältigung der Pandemie auf dem Aufbau der stati- ren es verschiedene «Nebenwirkungen» der Massnahmen den derzeit dringend brauchen. Zum Glück durfte unser gültig klar, dass die COVID-19-Pandemie den Alltag der onären Infrastruktur lag – und der ambulante Bereich eine des Bundes, welche die Spitex auf Trab hielten. «In der au- Mitarbeiter daraufhin zur Spitex zurückkehren.» Spitex in den kommenden Monaten beherrschen wird», er- geringere Priorität hatte. «Dagegen wehrten wir uns ent- sserordentlichen Lage wurden viele Angebote vorüberge- Das Pandemie-Team machte sich derweil Gedanken da- innert sich Brigitte Garessus. Die Pflegefachfrau HF ist bei schieden. Schliesslich versorgen wir fast ausschliesslich hend geschlossen, zum Beispiel Mittagstische, Physiothera- rüber, wie ein allfälliger weiterer Anstieg der Leistungsstun- der Basler Spitex als Bereichsleiterin tätig und wurde nun vulnerable Menschen», betont Brigitte Garessus. Glückli- pie-Anbieter, Tageskliniken oder aufsuchende Dienste», zählt den oder Personalengpässe bewältigt werden könnte. «Für zusätzlich zur Leiterin des Pandemie-Teams erklärt. «SPI- cherweise habe die Spitex alsbald einen «direkten Draht» Brigitte Garessus auf. «Oft konnte die Spitex dank ihrer brei- jeden einzelnen Klienten haben wir uns überlegt, welche TEX BASEL hat allerdings bereits Anfang Januar auf das zum kantonalen Gesund- ten Kompetenzen in die Bresche springen.» Dienstleistungen wir notfalls weglassen oder reduzieren neuartige Virus reagiert», berichtet sie. «Wir reflektierten heitsdepartement aufbau- könnten», erklärt Brigitte Garessus. «Dank dieser detail- die Erfahrungen, welche die Spitex mit früheren Pandemi- en können. «Wir haben Sich für Schlimmeres rüsten lierten Planung der Priorisierung unserer Leistungen sind en gemacht hatte, und begannen uns dementsprechend uns sozusagen selbst in Die anfallende zusätzliche Arbeit konnte SPITEX BASEL wir für eine Zuspitzung der Krise gerüstet.» vorzubereiten.» So bemühten sich die Verantwortlichen die Krisenorganisation mit den eigenen Mitarbeitenden bewältigen, weil sie gut vorausschauend um mehr Schutzmaterial, mussten jedoch eingeladen, wurden dann mit den bestehenden Ressourcen haushaltete. Erleich- Gespräche vermitteln Sicherheit feststellen, dass Masken und Schutzkittel bereits knapp aber sehr gut aufgenom- ternd kam hinzu, dass Schulungen und Sitzungen abgesagt Während der Pandemie war es den Führungspersonen von waren. Zudem wurden erstmals alle 600 Mitarbeitenden men.» So erhielt SPITEX werden mussten, wodurch Ressourcen freigeschaufelt SPITEX BASEL wichtig, dass nicht nur Klientinnen und Kli- per Mail und Aushang über das Coronavirus informiert und BASEL beispielsweise wurden. Zudem wurden einige Aufträge von Klientinnen enten gut betreut wurden – sondern auch die Spitex-Mit- an die herrschenden Hygienevorschriften erinnert, die nun wöchentlich einen streng und Klienten gestrichen, teilweise aus Angst vor einer An- arbeitenden selbst. «Sie hatten zu Beginn viele Fragen, wichtiger waren denn je. limitierten Anteil am steckung durch die Spitex. «Darum haben wir all unsere und unsere Leitungspersonen haben sehr viele Gespräche Ab Ende Februar trafen sich die Mitglieder des Spitex- verfügbaren Schutzma- Klienten sofort aufgeklärt, dass wir sie professionell schüt- geführt», erzählt Brigitte Garessus. «Das Reden hat un- Pandemie-Teams dann täglich zur Telefonkonferenz. «In terial vom Kanton. zen», erzählt Brigitte Garessus. «Blieb ein Klient bei der seren Mitarbeitenden genauso Sicherheit vermittelt wie dieser Zeit muss man den Mut haben, Entscheidungen zu Mitte März wurden Absage, fragten wir aktiv nach, wie es ihm ohne die pro- unsere strengen Hygienemassnahmen. Und dieses Sicher- fällen und zu handeln, statt lange zu überlegen» sagt Bri- Brigitte Garessus und «In dieser Zeit mus fessionelle Unterstützung erging. Denn es ist wichtig, dass heitsgefühl haben unsere Mitarbeitenden dann unseren gitte Garessus. «Denn kaum hat man eine Herausforderung Geschäftsleiter Stefan s man den Mut ha der Kontakt zum Klienten jederzeit aufrechterhalten Klienten weitergegeben, indem sie ihnen mit Überzeu- Entscheidungen zu ben, fällen und zu hand bewältigt, folgt auch schon die nächste.» Schnell einmal Schütz zu einem Tref- Brigit te Garessus, Leiterin Pandemie- eln.» wird.» Einen Dämpfer erhielt das sorgfältige Haushalten, gung sagen konnten: ’Es kann Ihnen nichts passieren, wir Team SPITE X BA SEL beschloss das Pandemie-Team unter anderem, dass alle fen mit verschiedenen als das Militär der Spitex personelle Ressourcen abspens- sind Profis.’»
10 DIENSTLEISTUNG SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI DIENSTLEISTUNG 11 Auf die gute Betreuung des Spitex-Personals legt Künftige Herausforderungen und ein Dank sorgt», versichert Carole Jeanmasson. Während der Ein- und sich voll und ganz der rigitte Garessus auch nach dem Abflachen der B Auch wenn manche der Herausforderungen der vergange- sätze lag der Schutz von Mitarbeitenden und Klienten im Versorgung der Bevölke- COVID-19-Kurve grossen Wert: «Unsere Mitarbeitenden nen Wochen derzeit kleiner werden, will Brigitte Garessus Fokus. «Von Beginn weg wurden alle Mitarbeitenden, die rung zu widmen. Die Zahl haben im Höhepunkt der Krise unermüdlich gearbeitet. noch nicht aufatmen. «Für die Spitex ist die Pandemie nicht mit Erkrankten in Kontakt kamen, mit Schutzkitteln, chi- der Freiwilligen war zu- Ist diese Zeit vorbei, werden einige aus einer Art vorbei. Eine zweite Welle ist immer noch möglich», sagt rurgischen Masken, Schutzbrillen und Handschuhen aus- dem doppelt so hoch wie Schockstarre aufwachen», sagt die Pflegefachfrau. «Wir sie. Die Pandemie verursache ausserdem immer noch gestattet», berichtet Jeanmasson, die auch für die Ver- nötig. Für uns Führungs- müssen dafür sorgen, dass sie über das Erlebte sprechen Mehrarbeit. «Erstens sind die Hygiene- und Schutzmass- sorgung von Klienten mit COVID-19 verantwortlich ist. personen war dies ein können und gut betreut werden, um psychischen Folgen nahmen weiterhin nötig. Deren Umsetzung im Alltag be- «Wir waren sehr besorgt über die Verfügbarkeit der Aus- aktueller grosser Ver- entgegenzuwirken.» nötigt zusätzliche Zeit. Zweitens nehmen die Spitäler ih- rüstung, deshalb haben wir darauf geachtet, kein Schutz- trauensbeweis.» ren normalen Betrieb wieder auf und haben dabei einiges material zu verschwenden», ergänzt sie. Insgesamt zieht die Sorge um Auszubildende und Grenzgänger nachzuholen. SPITEX BASEL erhält derzeit mehr Anmel- NOMAD-Geschäfts- Besondere Sorgen bereiteten Brigitte Garessus während dungen als üblich von Menschen, die aus dem Spital ent- Hunderte Anrufe am Tag leitung eine positive der Krise die Auszubildenden. «Auf nationaler Ebene war lassen werden.» Um Menschen helfen zu können, die Angst hatten, sich mit Bilanz in Bezug auf «Die Zahl der Freiw lange nicht klar, wie es mit den Ausbildungen und vor allem Vorbei sei die Krise schliesslich auch nicht, weil deren COVID-19 angesteckt zu haben, wirkte NOMAD auch bei ihre Position während illigen war doppel so hoch wie nötig t .» mit den Abschlüssen weitergeht. Diese ungewisse Situati- finanzielle Auswirkungen noch nicht geklärt seien. Bei SPI- der Einrichtung einer Telefonzentrale mit. Zu Beginn der der Pandemie – eben- Carole Jeanmasson , Leiterin des COVID -19 -Teams der NO on hat unsere Lernenden belastet», sagt sie. «Zum Glück TEX BASEL sorgt man sich vor allem um die Finanzierung Pandemie waren die Symptome der neuen Viruskrankheit so wie in Bezug auf MAD konnten wir wenigstens innerhalb unserer Organisation die des Schutzmaterials, das massiv teurer geworden ist (vgl. noch nicht sicher identifiziert, weswegen die Angst vor ei- ihre Fähigkeit, auf die Heraus- Ausbildungstätigkeit weiterführen.» hierzu auch Ausführungen S. 28). «Zum Beispiel bezahlten ner Ansteckung verbreitet war. In den ersten Wochen lie- forderungen der Pandemie zu reagieren. So wurde die Si- Auch den Grenzgängern galt in der Stadt im Dreiländer wir für Ethanol schon einmal das Fünffache», sagt Brigitte fen die Telefonleitungen darum heiss: Bis zu 1400 Anrufe tuation genutzt, um eine Reihe von Gesprächen mit Part- eck ein besonderes Augenmerk. «Bei uns arbeiten viele Garessus. «Die rechtliche Ausgangslage ist an sich klar: Das gab es pro Tag zu meistern. «Unsere Mitarbeitenden hat- nern wieder in Gang zu bringen und manches bereits französische und deutsche Staatsangehörige. Als die Gren- Schutzmaterial ist vom Restfinanzierer zu tragen. Dennoch ten somit eine unterstützende Rolle gegenüber der Neu- begonnene Projekt schneller voranzutreiben – insbeson- zen geschlossen wurden, fürchteten wir um diese perso- befürchten wir, dass sich die öffentliche Hand und die Kas- enburger Bevölkerung. Ihre Aufgabe bestand darin, die dere in der Zusammenarbeit mit Spitälern. Weiter führte nellen Ressourcen», erzählt Brigitte Garessus. Der Bund sen wieder gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben Menschen zu beruhigen, ihnen grundlegende Hygiene- die Organisation eine Umfrage unter den Mitarbeitenden liess die ausländischen Arbeitskräfte zwar weiterhin ein- werden.» massnahmen zu erklären und Termine in den Triage-Zent- durch, um mehr über die Krise zu erfahren. Dabei stellte reisen, aber SPITEX BASEL musste hierfür viele zusätzliche Zum Schluss des Interviews richtet Brigitte Garessus ren zu organisieren», erklärt Carole Jeanmasson. sich zum Beispiel heraus, dass die Mitarbeitenden in der Dokumente ausstellen, beispielsweise als in Frankreich der einige Worte an die Mitarbeitenden von SPITEX BASEL. Das mobile Team führte auch Screening-Tests in Alters- Verwaltung das Homeoffice schätzen, während die Mitar- Hausarrest verordnet wurde. Eine Mitarbeiterin aus Frank- «Unsere Mitarbeitenden haben sich während der Krise und Pflegeheimen, Heimen für Menschen mit Behinderun- beitenden im Aussendienst die Flexibilität und Schnellig- reich durfte wegen der beschwerlichen Anreise sogar auf unermüdlich und professionell für unsere Klientinnen und gen und Gefängnissen durch. Im Rahmen dieser Interven- keit bei der Einführung neuer Dienste lobten. Zudem zeig- Kosten des Kantons im Hotel übernachten. «Und einige Klienten eingesetzt», lobt sie. «Dafür will ich ihnen herz- tionen gab das medizinische Personal den Fachleuten in te sich die Mehrheit der Befragten zufrieden mit der Mitarbeitende profitierten davon, dass der Kanton wäh- lich danken. Und ich will ihnen sagen, dass ihre Arbeit für diesen Institutionen zudem nützliche Ratschläge. «Der Kommunikation der Geschäftsleitung in dieser ausserge- rend der Krise einige Tagesstätten für Kinder des Gesund- das Gesundheitssystem äusserst wichtig war – und es wei- Empfang vor Ort war immer sehr gut», sagt Carole Jean- wöhnlichen Zeit. Weniger gut gefiel ihnen, dass NOMAD heitspersonals kostenlos offenhielt, egal ob diese in der terhin sein wird.» masson. NOMAD ist schliesslich auch eingesprungen, während der Pandemie hierarchisch funktionierte – nor- Schweiz oder im Ausland leben.» Kathrin Morf wenn Hausärzte und Hausärztinnen ihre Patientinnen und malerweise ist dies nicht der Fall. Patienten nicht selbst zu untersuchen vermochten. Ein grosser Dank zum Schluss Neues schnell und flexibel eingeführt An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass die Mit- Im Kanton Neuenburg lag die Inzidenz am 8. Juni 2020 bei arbeitenden der Administration während der Krise ebenfalls «Die Solidarität zwischen den Mit der Etablierung dieses Systems wurden gleich zwei Zie- 391,9 Fällen pro 100 000 Einwohnern, 722 Menschen waren bedeutende Hilfe leisteten. Einige arbeiteten in der Telefon- Teams hat mich berührt» le verfolgt: Einerseits sollten mit dem Virus infizierte Per- sonen identifiziert werden, welche einen Spitalaufenthalt positiv auf COVID-19 getestet worden, 77 Menschen waren an der Krankheit gestorben. Rund 20 NOMAD-Mitarbeiten- zentrale, während andere in Arbeitsgruppen eingebunden waren, welche Arbeits- und Kooperationsprozesse mit Part- benötigten. Andererseits sollte verhindert werden, dass de widmeten sich während der Pandemie ausschliesslich Ak- nern etablierten. Wieder andere unterstützten die Perso- Die Neuenburger Spitex-Organisation NOMAD ist nicht infizierte Personen ein Spital aufsuchen und damit die tivitäten, die im direkten Zusammenhang mit COVID-19 nalabteilung, die intensiv mit der Rekrutierung von Studen- nach dem Beginn der Pandemie schnell zu einem Notaufnahmen überlasten. «Von Beginn der Krise an muss- standen. Carole Jeanmasson weist auf die grosse Solidarität ten und sonstigen externen Helferinnen und Helfern wichtigen Bindeglied im Kampf gegen das Corona ten wir uns anpassen und unsere Flexibilität beweisen», sagt hin, die sich zwischen den einzelnen Spitex-Teams und dem beschäftigt war, welche NOMAD während der Pandemie virus geworden. Carole Jeanmasson, Leiterin des mobilen NOMAD-Teams, Team, welches sich der Versorgung von COVID-19-Betrof- bei nicht medizinischen Aufgaben unterstützten. «Letztend- welches in den Triage-Zentren tätig ist. fenen widmete, entwickelt hat: «Den Mitgliedern des Spe- lich waren nur sehr wenige unserer Mitarbeitenden zu we- Im Kanton Neuenburg ereignete sich der erste Coronavirus- Neben diesem Mandat bestand die grösste Herausfor- zial-Teams wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt, nig ausgelastet», berichtet Carole Jeanmasson – und rich- bedingte Todesfall am 17. März 2020. Nur einen Tag zuvor derung der Spitex-Organisation inmitten der Pandemie beispielsweise durch speziell für sie zubereitete Mahlzeiten. tet sich am Ende des Interviews mit dem Spitex Magazin mit war die Spitex-Organisation NOMAD (Neuchâtel organise darin, ihre Hauptaufgabe aufrechtzuerhalten – die Pfle- Diese Solidarität hat mich berührt», erzählt sie – und be- einer Botschaft an alle NOMAD-Mitarbeitenden: «Wir dan- le maintien à domicile) vom kantonalen «Service de la santé ge und Unterstützung aller Klientinnen und Klienten. Man richtet von der im Allgemeinen enormen Motivation des ken allen Mitarbeitenden für ihren professionellen Einsatz publique» (Öffentlicher Gesundheitsdienst) mit der Aufga- schaffte es indes, keine Dienstleistungen reduzieren zu Neuenburger Pflegepersonals im Kampf gegen das Corona- und ihr grosses Engagement während der gesamten Krise. be betraut worden, im ganzen Kanton sieben Triage-Zent- müssen. «Alle Klientinnen und Klienten wurden weitest- virus. «All diese Fachpersonen, von denen viele Kinder ha- Dies war sehr wertvoll.» ren für Menschen mit COVID-19-Symptomen einzurichten. möglich von den gewohnten NOMAD-Fachpersonen ver- ben, zögerten nicht, ihre eigenen Ängste beiseitezuschieben Flora Guéry
12 DIENSTLEISTUNG SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI DIENSTLEISTUNG 13 «Hoffentlich begreift die Politik den», berichtet Gabriele Balestra. «Erstens, weil die Füh- für administrative Überlegungen blieb. «Leider hat die Spi- terschätzen. Experten gehen zum Beispiel davon aus, dass nun die zentrale Rolle der Spitex» rungspersonen stets für ihre Mitarbeitenden da waren und ihnen damit – trotz der herrschenden Distanz während der tex in anderen Kantonen diese Sicherheit nicht. Dies muss sich ändern: Versicherer und Restfinanzierer müssen sich die Zahl der Menschen mit Depressionen stark zunehmen wird.» Die Spitex müsse Betroffenen beistehen und zum Pandemie – viel Nähe und Sicherheit vermitteln konnten. kulant zeigen», betont der Vize-Präsident von Spitex Beispiel auch ihre Klienten nach einer langen Zeit der Iso- In der letzten Ausgabe berichtete Gabriele Balestra, Zweitens wissen unsere Mitarbeitenden inzwischen, dass Schweiz (vgl. hierzu auch Ausführungen S. 28). lation dabei unterstützen, ihr Leben wieder aktiv zu ge- Direktor der Spitex-Organisation von Locarno und die Spitex die erste Welle gut bewältigt hat und folglich stalten. Vize-Präsident von Spitex Schweiz, von den Heraus- eine zweite nicht fürchten muss. Dieses Mal wären wir so- Die Spitex berät Organisationen forderungen der Pandemie im besonders betroffe- gar viel besser vorbereitet.» Beispielsweise wisse man in- Die Rolle der Material-Verteilerin sollte nicht die einzige Positive Wirkung auf die Spitex erhofft nen Kanton Tessin. Nun berichtet er, was seither ge- zwischen viel mehr über das Coronavirus; und man habe Sonderrolle bleiben, welche die Tessiner Spitex zugeteilt Trotz all dieser Herausforderungen wagt Gabriele Balest- schehen ist – unter anderem berät die Tessiner nun beruhigende Zahlen zur Verfügung. «Von den rund erhielt. «Der Kanton hat uns zur Beraterin für Heime er- ra es langsam, nach vorn zu blicken – und sich zum Bei- Spitex nun andere Organisationen. 1200 Klientinnen und Klienten der ALVAD ist zum Beispiel nannt, welche keine Alters- und Pflegeheime sind. Also bei- spiel zu überlegen, was die Spitex aus der Krise lernen nur eine einzige Person an COVID-19 erkrankt», erklärt er. spielsweise Institutionen für Kinder und Jugendliche oder könnte. «Ich halte es weiterhin für sinnvoll, wenn alle Kan- Auch wenn man die Unsicherheit in der Bevölkerung wei- Dies zeige nicht nur, dass die Klienten sich erfolgreich an für Menschen mit Behinderung», erzählt Gabriele Balest- tonalverbände für ein nationales Spitex-Pandemie-Kon- terhin spüre, sei die Angst vor einer zweiten Welle seit dem die Massnahmen des Bundes gehalten haben. «Die Statis- ra. «Diese Betriebe brauchen Hilfe in Bezug auf ihr Hygie- zept zusammenspannen», sagt er. «Damit könnten bei letzten Interview mit dem Spitex Magazin kleiner gewor- tik ist auch eine Bestätigung dafür, dass die Spitex sehr nekonzept. Anders als Pflegeheime sind sie in Bezug auf einer nächsten Pandemie zum Beispiel die Massnahmen den, sagt Gabriele Balestra. Der Direktor der Associazione sicher arbeitet und keine Ansteckungsgefahr für die Klien- dieses Thema weder geübt noch vorbereitet.» Im Sommer besser koordiniert werden, und das überall dringend be- Locarnese e Valmaggese di Assistenza e cura a Domicilio ten darstellt, wie es manche befürchtet haben. Unsere Kli- wird sich diese beratende Funktion der Spitex noch aus- nötigte Schutzmaterial könnte zentral verwaltet werden.» (ALVAD) und Vize-Präsident von Spitex Schweiz hat in der entinnen und Klienten können uns also auch in Zukunft weiten: Dann berät die Spitex im Auftrag des Kantons auch Was sich Gabriele Balestra für die Spitex in seinem ei- letzten Ausgabe berichtet, wie die Spitex die COVID-19- vertrauen.» Organisationen wie die Pfadfinder hinsichtlich der Som- genen Kanton künftig wünscht, ist mehr Anerkennung von- Pandemie im «Corona-Hotspot» Tessin bisher gemeistert merlager, welche diese durchzuführen gedenken. «Die vom seiten der Behörden. «Die Spitex ist längst eine hochpro- hatte. Inzwischen sind laut dem Bundesamt für Gesund- Die Spitex war Schutzmaterial-Verteilerin Kanton finanzierte Beratungsfunktion der Spitex ist wich- fessionelle Organisation, sie ist gewissermassen ein Spital heit (BAG) im Kanton Tessin 3308 Fälle von COVID-19 re- Auch im Tessin wurde das Schutzmaterial bald einmal tig – sie nimmt aber auch einige Zeit in Anspruch. Entspre- zu Hause geworden. Darum verdient sie genauso viel An- gistriert worden – damit wurden von 100 000 Bewohnern knapp, als COVID-19 die Welt zu beherrschen begann. Der chend müssen wir gut mit unseren personellen Ressourcen erkennung wie die Spitäler und Heime», sagt er. «Während 930 positiv auf die Viruskrankheit getestet. Diese soge- Kanton stellte der Spitex das dringend benötigte Material haushalten», gibt Gabriele Balestra zu bedenken. Solche der Pandemie lag der Fokus der Behörden auf Spitälern und nannte «Inzidenz» ist nur im Kanton Genf höher (1049,7). zwar von Beginn weg zur Verfügung, limitierte es aber Ressourcen nimmt neu auch die Nachbetreuung von zahl- Heimen. Die Rolle der Spitex war vielleicht nicht so klar er- Im Tessin sind bisher 269 Menschen an COVID-19 gestor- streng. «Ab Mitte März überliess es der Kanton zudem der reichen COVID-19-Patienten in Anspruch, die nach der sichtlich, aber sie war ebenfalls äusserst wichtig. Wir ha- ben, was einem Sechstel der Todesfälle in der gesamten Spitex, das Material an alle Leistungserbringer in der am- Entlassung aus dem Spital auf eine lange Versorgung zu ben zum Beispiel dafür gesorgt, dass zahlreiche Patientin- Schweiz entspricht [Stand: 8.06.2020]. bulanten Versorgung zu verteilen, also auch an private Spi- Hause angewiesen sind. «Viele sind sehr schwach, die Nah- nen und Patienten aus dem Spital entlassen werden «Trotz dieser hohen Zahlen ist die Unsicherheit wegen tex-Organisationen oder selbstständige Pflegefachkräf- rungsaufnahme bereitet ihnen Mühe, sie haben Lungen- konnten, wodurch Platz für COVID-19-Patienten geschaf- der Pandemie bei der Spitex selbst inzwischen verschwun- te», berichtet Gabriele Balestra. Diese Sonderrolle habe probleme und manche sind depressiv», erklärt Gabriele Ba- fen wurde. Und wir haben trotz aller Herausforderungen die Spitex gut gemeistert, fügt er an, «jedenfalls blieb nie- lestra. «Diese Menschen brauchen mehrere Monate der unsere vielen Klienten professionell in ihrem Daheim ver- mand ohne Material.» Betreuung und Pflege durch die Spitex, um zu genesen. Und sorgt. Dadurch sind Tausende Menschen aus Risikogrup- Anfang Mai beschloss der Kanton dann aber, die Mate- einige von ihnen werden langfristig unsere Klienten blei- pen sicher zu Hause geblieben, was in einer solchen Krise riallieferungen einzustellen. «Die Behörden beschlossen, ben oder benötigen gar unsere Palliative Care.» von zentraler Bedeutung ist», führt er aus. Auch in Zukunft dass wieder genug Material auf dem Markt verfügbar sei», werde die Spitex eine essenzielle Rolle dabei spielen, die erklärt Gabriele Balestra. «Sie wiesen uns sogar an, nun Lockerung erst bei null Risiko Ausbreitung von Krankheiten zu bekämpfen und Todesfäl- vorausschauend Vorräte einzukaufen.» Hierbei bestehe Derweil lockert die Schweiz langsam ihre Massnahmen, le zu verhindern – dies gelte für neue Viruskrankheiten ge- aber ein Problem: Das Material ist um ein Vielfaches teu- und auch das Tessin rüstet sich für den Sommer und den nauso wie für die alljährliche Grippe, denn auch sie koste rer geworden. «Chirurgische Masken kosteten vor der Pan- wiederkehrenden Tourismus. In den Reihen der Spitex will Leben. demie 10 bis 20 Rappen, jetzt auch mal 80 Rappen bis man an diesem kollektiven Aufatmen aber noch nicht teil- Gabriele Balestra hofft darum, dass möglichst viele Po- 1 Franken», berichtet der ALVAD-Direktor. Anders als in haben. «In der ambulanten Pflege ist es im Moment zu litikerinnen und Politiker aus der Krise gelernt haben, wie anderen Kantonen herrsche in der Tessiner Spitex indes früh für Lockerungen», betont Gabriele Balestra. «Die wichtig die Spitex für das Gesundheitssystem ist. Einige nicht die Angst, dass die hohen Materialkosten nicht ge- meisten unserer Klienten gehören einer Risikogruppe an. Politiker hätten ihm bereits persönlich versichert, dass die deckt werden. «Der Kanton hat der Spitex schon zu Beginn Eine Lockerung von Massnahmen wie das Tragen von Ge- COVID-19-Pandemie ihnen diesbezüglich die Augen ge- der Pandemie versichert, dass wir uns auf unsere Arbeit sichtsmasken in der Pflege kommt für die Spitex erst dann öffnet habe. «Das reicht aber nicht», gibt Gabriele Bale- konzentrieren und uns keine Gedanken wegen der Mehr- infrage, wenn das Risiko für Klienten und Mitarbeitenden stra zu bedenken. «Die Politiker müssen ihre Erkenntnis- kosten machen sollen. Der Kanton versicherte uns, dass er bei null liegt.» se laut aussprechen, sei es in den Massenmedien oder in für all diese Kosten aufkommen werde; seien es Material- Das ganze Ausmass anderer Auswirkungen der COVID- politischen Debatten. Nur dann besteht die Chance, dass t, e Spitex beauftrag kosten oder Kosten für unverrechenbare Leistungen wie 19-Pandemie – derjenigen auf die Psyche – werde sich erst die zentrale Rolle der Spitex endlich breit verstanden wird «Der Kanton hat di g auf Hygiene zu beraten.» aufklärende Telefongespräche, von denen wir viel mehr ge- in den kommenden Monaten zeigen, ist Gabriele Balestra – und dass ihre Leistungen infolgedessen besser anerkannt Bezu Organisationen in Vize-Präsident Direktor der ALVAD sowie führt haben als normal.» Diese Zusicherung sei eine grosse überzeugt. «Wir erleben alle gemeinsam eine Krise, und und besser finanziert werden.» Gabriele Balestra, von Spitex Schweiz Erleichterung gewesen in den Wochen und Monaten, in vor allem ältere Menschen müssen sich monatelang iso- welchen den Tessiner Spitex-Verantwortlichen kaum Zeit lieren. Die psychischen Folgen dieser Zeit sind nicht zu un- Kathrin Morf
14 GESELLSCHAFT SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI SPITEX MAGAZIN 3 / 2020 | JUNI/JULI GESELLSCHAFT 15 einem herrlichen Alpenpanorama. Als besonders schutz- sich bald bemerkbar. «Erst spürte ich elektrische Entladun- bedürftige Person hat sie in diesen Corona-Zeiten ihr Haus gen in meinen Zehen. Zudem stolperte ich manchmal und nie verlassen. Trotzdem haben sich sie und ihr Mann mit musste mich oft setzen. Man sagte mir, ich laufe wie eine COVID-19 angesteckt. Zehn Tage totale Abgeschnitten- Betrunkene. Dann verlor ich auch noch hie und da mein heit von der Welt ohne jegliche Hilfe von aussen war die Gleichgewicht und hatte gar Verhaltensstörungen, ohne Folge. Renés Rolle als pflegendes Familienmitglied erhielt zu wissen, warum.» dadurch zusätzliche Bedeutung. «Die Atmosphäre im Haus Acht Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome hat während der Isolation sehr gelitten, denn ich war to- verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Myriam tal von meinem Mann abhängig. Auch mit der Abwesen- Bérard so stark, dass ihre Lebensqualität darunter litt. heit der Kinder haben wir uns schwer getan», erzählt My- «Jeden Abend mussste ich der Schmerzen wegen erbre- riam Bérard. chen. Aber jeden Morgen ging ich wieder zur Arbeit, denn René Bérard lebt seit seiner Kindheit in diesem Haus, sei- niemand konnte mir sagen, woran ich litt.» Walliser Neu- ne Frau Myriam hingegen kommt aus Frankreich. Sie ver- rologen stellten Ähnlichkeiten fest mit Multipler Sklerose brachte ihre ersten 24 Jahre in der Region Paris, wo sie sich und Amyotropher Lateralsklerose (das Lou Gehrig Syn- zur Lehrerin ausbilden liess. Schon damals litt sie an Atem- drom, an dem auch Stephen Hawking litt). Von degenera- beschwerden. «Es mag sein, tiver Enzephalopathie Myriam Bérard mit einer Begleiterin dass ich mit dieser Krank- heit auf die Welt kam, doch «Jeden Morgen ging ich wussten sie noch nichts. Das Leiden Myriams stuf- während einer Lourdes-Reise. Die Krankheit hat sie veranlasst, ihren genau weiss man das nicht», wieder zur Arbeit, denn ten sie deshalb als rein psy- sagt sie während des Inter- chisch ein. Glauben zu leben. Bilder: zvg views mit dem Spitex Maga- niemand konnte mir sagen, Die Lehrerin aus Vollè- zin. Damals konsultierte sie ges fühlte sich allein gelas- jedenfalls einen Pneumolo- woran ich litt.» sen und unverstanden. gen, der ihr empfahl, um- Myriam Bérard «Der Weg zur Schule war weltverschmutzte Städte zu eine Tortur, ohne Krücken meiden. Da hörte sie von einem Club-Hotel im Wallis, das schaffte ich es nicht», erzählt sie heute. 2003, mit 41 Jah- eine Betreuerin für die Kinder der Feriengäste suchte. Somit ren, beschloss sie deshalb, ihren Beruf an den Nagel zu hän- «Wegen meiner Krankheit lebe hiess es für sie: «Ab in die Schweiz!» Doch auch die Bergluft half nicht viel. In Martigny VS unterzog sich die junge Lehrerin einer Nasennebenhöh- gen. Die schwerste Enscheidung ihres Lebens: Sie war wü- tend auf Gott und die Welt. «Für eine Zeit habe ich mich von Gott abgewandt», sagt die aus einer Familie praktizie- ich im Hier und Jetzt» len-Operation – und ihre Bettnachbarin im Spital hatte ei- nen bärtigen Bruder, der zu Besuch kam: René. Heute sagt sie lachend: «Als ich in der Region Paris lebte, sagte ich im- render Katholiken stammende Frau. Ein Fall fürs Gericht und eine Diagnose mer, dass ich in einem Bergdorf Kinder unterrichten und ei- Weitere Sorgen warteten auf Myriam Bérard: Ihre Krank- Myriam Bérard aus Vollèges VS leidet an einer seltenen Krankheit: Die degene- nen Mann mit Bart heiraten werde.» heit wurde noch immer nicht anerkannt, folglich verwei- gerte ihr die Invalidenversicherung eine Rente. «Man hat rative Enzephalopathie kostet sie zunehmend ihre Motorik. Dennoch kann Erst die Kinder, dann die Krankheit mich als Simulantin behandelt», kommentiert sie diese sie zu Hause leben – dank ihrem Mann, privatem Pflegepersonal und der Spitex. Ihre Träume wurden nach und nach wahr: Erst zog Myriam Zeit, die zu einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung Bérard zum jungen Karrosserieschlosser, dann wurde sie mit der IV führte. Das Walliser Kantonsgericht und schliess- schwanger, und der Walliser führte die Französin vor den lich dass Bundesgericht gaben ihr Recht. Sie erhielt eine «Für meinen Neurologen bin ich ein Einzelfall, ein Sammel- schnell müde und ertrage Lärm sehr schlecht», ergänzt die Traualtar. Infolge der Schwangerschaft verlor Myriam Entschädigung von 40 000 Franken. Damit konnte sie ei- surium mehrerer neurologischer Krankheiten», sagt Myri- Mutter von drei Kindern, welche heute 25, 27 und 30 Jahre Bérard jedoch ihre Stelle im Hotel. Doch sie blieb nicht un- nen Lift in ihr Haus einbauen, weil sie sich inzwischen meist am Bérard. Die Walliserin aus Vollèges leidet an einer sel- alt sind. Sie weiss, dass sich ihr Gesundheitszustand stetig tätig: Sie lernte Schreibmaschinenschreiben und übernahm im Rollstuhl fortbewegt. tenen Krankheit – genauso wie 600 000 andere Menschen verschlechtern wird. Doch klagen möchte sie nicht, da sie Lehrervertretungen, bis ihr französisches Diplom in der Am Ende ihrer Kräfte angelangt, fiel Myriam Bérard in in der Schweiz, wie Pro Raris vermeldet (siehe Infokasten). sehr gut umsorgt ist: «Ohne die Hilfe, die ich täglich von der Schweiz anerkannt wurde. Nach der Geburt ihres ersten eine schwere Depression, derweil die Krankheit ihren Lauf Ihre degenerative Enzephalopathie mit Ataxie ist eine Au- Spitex, privaten Pflegerinnen und von meinem Mann René Sohnes, Jérémie, wurde sie in Vollèges als Lehrerin ange- nahm. Der stärkste Schmerz lag jetzt im Nacken. Ihre toimmun-Erkrankung; ein noch wenig erforschtes Leiden. erhalte, wäre ich längst im Pflegeheim. Es ist schön, dass ich stellt. Drei Jahre später kam Sarah auf die Welt, und zwei Chiropraktorin liess sie für eine Infiltrationstherapie in die Man weiss, dass die Hirnnerven angegriffen werden und zu Hause bleiben kann. Hier habe ich alles, was ich brauche, Jahre später folgte Simon. Zürcher Schulthess-Klinik einweisen. Da wurde festge- dass die betroffenen Personen mit der Zeit vollständig auf hier fühle ich mich wohl», sagt sie. Bei der Geburt Simons wurde ihre Krankheit zum ers- stellt, dass ihr Problem neurologischer Art ist und dass sie Hilfe angewiesen sind, denn sie verlieren nach und nach ten Mal offensichtlich. «Der Arzt stellte fest, dass ich bei ein Problem mit Antikörpern hat. Ihr stark eingeschränk- ihre Motorik. Mit heute 57 Jahren hat Myriam Bérard ein Der Traum vom Bärtigen und den Bergen der Geburt Muskelkrämpfe in den Beinen hatte. Und er tes Sehvermögen wurde in der Augenklinik in Lausanne eingeschränktes Sehvermögen und kann sich nicht mehr al- Die Umgebung, die Myriam Bérard seit rund 30 Jahren empfahl mir, es bei drei Kindern zu belassen», erinnert sich untersucht, wo man bestätigte, dass ihre Hirnzellen von leine fortbewegen. «Ich brauche Hilfe beim Essen, werde geniesst, besteht aus einem lichtdurchfluteten Haus vor Myriam Bérard. Weitere Krankheitssymptome machten der Krankheit betroffen waren. Nach acht Jahren Medizinal-
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