Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart

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Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
www.stuttgart.ihk.de 01.12.2016

                                 Stuttgart ­ Böblingen ­ Esslingen­Nürtingen ­ Göppingen ­ Ludwigsburg ­ Rems­Murr

Magazin Wirtschaft         Ein Service der IHK für Unternehmen in der Region Stuttgart

Geschäft mit Kunst
Seite 6

Grüße und Geschenke   Maschinen
zu Weihnachten        steuern mit Apps
Seite 21              Seite 28
Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
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                                     Macht an.
                                     Macht aus.
                                     Macht frei.
Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
EDITORIAL

                                         Startups: unverzichtbar
                                         in der modernen Wirtschaft
                                                Viel Arbeit, wenig Freizeit, dafür finan-   gart ist im Juli angelaufen. Vielversprechen-
                                                zielle Risiken: ein Startup zu gründen      den, internationalen Startups aus dem Mobili-
                                                ist herausfordernd, anstrengend aber        tätsbereich soll beim Durchstarten geholfen
                                         auch oft lohnend. So individuell die Gründe-       werden. Der Autokonzern will damit in Ba-
                                         rinnen und Gründer ihre Motive für die             den-Württemberg einer der Vorreiter bei der
                                         Selbständigkeit sehen, so wichtig sind sie in-     Verbindung von etablierten Konzernen mit
                                         des auch für unsere Volkswirtschaft. Grün-         jungen, kreativen Firmen sein.
                                         dungen sind notwendig zur Verjüngung des
                                         Unternehmensbestandes, sie bringen frische         Förderung durch
                                         Ideen in bestehende, traditionelle Branchen,       etablierte Unternehmen
                                         sie sind unerlässlich für das Entstehen neuer
                                         Wirtschaftszweige. Deshalb gilt es, mit den           Startup-Wettbewerbe wie „Code_n“ von
                                         richtigen Hilfen den Gründern gute Rah-            GFT Technologies lenken die Aufmerksam-
                                         menbedingungen zu schaffen.                        keit auf die Branche und fordern innovative,
 Dr. Hans-Jürgen Reichardt                  Startup-Unternehmen sind noch nicht auf         junge Unternehmen zum Vergleich heraus.
 Geschäftsführer Industrie und Verkehr   dem Markt etabliert, sie haben eine innova-        Trumpf gründete eine Venture-Capital-Ge-
 der IHK Region Stuttgart                tive Geschäftsidee mit einem darauf aufbau-        sellschaft zur Förderung und Finanzierung
                                         enden, skalierbaren Geschäftsmodell, sie ha-       von Technologie-Startups. Strategische In-
                                         ben Wachstumspotenzial –Startups sind so-          vestitionen von etablierten Technologiefüh-
                                         mit keine Vertreter der „einfachen“ Existenz-      rern in aufstrebende Startups -- dies scheint
                                         gründung. Je innovativer das Unternehmen,          die Formel für positive Entwicklungen der
                                         je stärker technologiebasiert, desto höher die     Zukunft zu sein.
                                         Anzahl der Mitarbeiter. Bei Gründungen in             Es gilt, diesen Trend zu fördern. Die Exis-
                                         der Industrie gab es im Schnitt 2,3-mal so         tenzgründungsberatung der IHK stellt sich
                                         viele zusätzliche Arbeitsplätze als bei her-       darauf ein, mehr jungen Unternehmen den
                                         kömmlichen, einfacheren Gründungen. Er-            Kontakt zu den Etablierten zu ermöglichen.
                                         freulicherweise gibt es immer mehr dieser          Der von der Vollversammlung in diesem Jahr
                                         Gründungen in der Region Stuttgart.                neu eingerichtete Ausschuss „Startup & Young
                                                                                            Business“ hat als einer seiner ersten Impulse
                                         Digitaler Wandel                                   die Veranstaltungsreihe „Startup trifft Mittel-
                                         gibt kräftige Impulse                              stand“ angestoßen. Seit zwei Jahren läuft er-
                                                                                            folgreich das IHK-Angebot „Young Business
                                            Der stärkste Treiber bei Startups ist derzeit   Network“, ergänzt um den jährlichen IHK-
                                         die dynamische technologische Entwicklung,         Gründerkongress. Mit fast 16 000 Kontakten
                                         die für die Region Stuttgart eine besondere        und über 2000 Einstiegsgesprächen pro Jahr
                                         Bedeutung hat -- die Digitalisierung und Struk-    ist die IHK-Existenzgründungsberatung in der
                                         turveränderung der Wirtschaft. Die IT-Bran-        Zentrale und in den Bezirkskammern an expo-
                                         che bietet große Wachstumschancen, neue            nierter Stelle erfolgreich tätig.
                                         Möglichkeiten ergeben sich vor allem durch            Die Anstrengungen der Wirtschaft zur
                                         die Verschmelzung von realer Wirtschaft und        Verbesserung des Gründungsklimas müssen
                                         IT. Besonders im Umfeld von Industrie 4.0          durch geeignete Rahmenbedingungen der
                                         entwickeln sich Geschäftsmöglichkeiten für         Wirtschaftspolitik unterstützt werden, insbe-
                                         flexible, innovative Startups, die mit den etab-   sondere im Bereich Finanzierung. Denn: In-
                                         lierten Unternehmen in Partnerschaften und         novative Startups zu finanzieren ist riskant.
                                         Kooperationen ihre Geschäftsmöglichkeiten          Nicht jede vielversprechende Idee wird sich
                                         finden – zum beiderseitigen Nutzen.                am Markt durchsetzen, Totalausfälle sind
                                            Wichtige Impulse dafür gehen von Tradi-         vorprogrammiert. Angemessene Sicherhei-
                                         tionsunternehmen in der Region aus. Die            ten? Häufig schwierig. Wer Startups fördern
                                         „Startup-Autobahn“, ein Kooperationsprojekt        will, muss ins Risiko gehen. Auch die Wirt-
                                         von Daimler, der US-Startup-Innovationsplatt-      schaftspolitik sollte sich dieser Herausforde-
                                         form Plug and Play und der Universität Stutt-      rung stellen.

MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16                                                                                                                 3
Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
INHALT

6                                                           15                                                            21

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                                       Foto: Silicya Roth

                                                                                                           Foto: Hörner
Kunstbetrieb in Stuttgart                                   Vorfahrt auf der Digitalautobahn                              Weihnachten steht vor der Tür
ist nicht allein etwas für Schöngeister.                    wünschen sich Wirtschaftsministerin                           Was Sie steuerlich beachten müssen,
Galerien, Kunsthändler und Auktions-                        Hoffmeister-Kraut und Albrecht Kruse, Unter-                  wenn Sie Ihre Kunden beschenken
häuser verdienen am Kulturangebot                           nehmer und Leser des IHK-Magazins, der uns                    wollen, lesen Sie auf Seite 21.
der Region mit.                                             zum Interview begleitet hat.                                  Auf Seite 33 finden Sie Formulierungs-
                                                                                                                          vorschläge für Ihre englischsprachige
                                                                                                                          Weihnachtspost.

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              gazin Wirtschaft im vertrauten
              Format auf ihrem Smartpho­
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    interaktiven Elementen und Verlinkun­                                                                                                    DIE LETZTE SEITE         74
    gen. Benutzen Sie den komfortablen                                                                                                       Kommentar Industrie 4.0
    Lesemodus bei längeren Artikeln, be­                                                                                                     muss gemeinsam mit den
    trachten Sie Bildergalerien, Videos                                                                                                      Betroffenen umgesetzt
    oder folgen Sie Internetverknüpfun­                                                                                                      werden, meint Risikoforscher
    gen direkt in der App. Die kleinen blau­                                                                                                 Prof. Ortwin Renn.
    en Symbole auf den Seiten in der digi­                                                                                                   Ärgernis des Monats Und die
    talen Ausgabe zeigen, welche weiteren                                                                                                    IHK hilft eben doch!
    interessanten Inhalte wir für Sie bereit­                                                                                                Cartoon Wie sich Cyber­
    stellen. Die App „IHK Stuttgart Publi­                                                                                                   kriminelle verraten …
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4                                                                                                                                              MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16
Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
MAGAZIN 6­50
     TITELTHEMA 6­14                           IHK & REGION 41­47
 6   Geschäft mit Kunst Galerien und           41    Vielfalt als Vorteil im Unternehmen
     Auktionshäuser in der Region              42    Ausbildung IHK ehrt beste Absolventen
13   Interview mit Bernd Georg Milla,                aus Stuttgarter Betrieben
     Geschäftsführer der Kunststiftung         43    Wirtschaftsjournalismus Ernst­
     Baden­Württemberg                               Schneider­Preis der IHKs verliehen
                                                     Stuttgarter Vertriebstag Unternehmen
     IHK-LESERINTERVIEW 18­19                        stellen sich der Zukunft
15   Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut im          Betriebsnachfolge Praxisbeispiele im
     Gespräch mit dem Unternehmer Alb­               Nachfolgenetzwerk Rems­Murr
     recht Kruse und Magazin Wirtschaft        44    Herbstvortrag von DIHK­Präsident
                                                     Schweizer in Böblingen
     KURZ & KNAPP 18­19                              Zukunft des Handels Experte entwirft
18   Tablets für Berufsschüler                       Perspektiven in Ludwigsburg
     Bücher über Börse, Kundenmagazine               Handelsschiedsgerichte bieten viele
     und Stuttgart                                   Vorteile
     Wahrheiten aktuell und unterhaltsam       45    Außenwirtschaft Global Connect 2016
19   Personalien Namen und Gesichter                 mit 3000 Besuchern
     Sagen Sie mal … Fragen an Thomas                Gründertag in Göppingen
     Kaysser (H.P. Kaysser GmbH + Co. KG)            Gastronomie erleben Praxisprojekt für
                                                     Schüler im Kreis Böblingen
     RAT & TAT 20­35                                 Frauenwirtschaftstage mit Schwerpunkt
20   Telegramm Aktuelle Kurzmeldungen                interkulturelle Kompetenz in Esslingen
21   Weihnachtsgeschenke Was Sie tun           46    Berlin & Brüssel
     müssen, damit der Fiskus nicht mit­       47    Wirtschaftsjunioren
     verdient
22   Coaching-Tipp Werden Sie wieder Herr            FIRMENREPORT 48­50
     über Ihre Zeit                            48    Nachrichten über regionale Firmen
     Strom und Gas billiger einkaufen
24   Datenschutzgrundverordnung Was                  DIE LETZTE SEITE 74
     ab 2018 auf Sie zukommt und was Sie       74    Kommentar, Karikatur und Ärgernis
     heute schon tun sollten                         des Monats
27   Jetzt bewerben für das EU-Projekt
     Robott-Net
28   Auch Anlagen mögen Apps So funktio­
     nieren mobile Apps im Maschinenbau                 INFO 51­73
30   Unternehmensnachfolge Rechtzeitig
     anfangen, damit man rechtzeitig auf­            HANDELSREGISTER
     hören kann                                51    September/Oktober
32   Aktuelle Zahlen, Fakten und Tendenzen           Neueintragungen, Veränderungen,
34   Wirtschaft im TV Das müssen Sie sehen           Löschungen und Insolvenzen
35   Enrich your Business English Weih-
     nachtsgrüße auf Englisch                        BEKANNTMACHUNGEN
                                               52    Anmeldetermine Ausbildungsprüfungen
     MENSCHEN & IDEEN 36­40                          Neue Sachverständige vereidigt
36   Zeitsprung Marc Ottenbruch GmbH &
     Co. KG, Neuhausen/Fildern                       BRANCHENSPIEGEL
37   Existenzgründer im Porträt EMovement      55    Bezugsquellennachweis Angebote
     entwickelt einen elektrischen Rollator          aus der Wirtschaft
39   Karriere mit Lehre Friedrich Riempp ist
     seinem Ausbilder noch heute dankbar             RUBRIKEN
38   Die besondere Geschichte Levent Akin      58    Impressum
     war Hilfsarbeiter und ist jetzt Chef      62    Jubiläen
     von 120 Mitarbeitern                      66    Termine
40   Hidden Champion Biodegma in
     Ludwigsburg                               Titelbild: Silicya Roth

MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16                                                                      5
Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
TITELTHEMA

    „Wir wollen die Hemmschwelle
    senken, eine Galerie zu betreten“,
    sagt Thomas Fuchs, Vorsitzender des
    Vereins Art Alarm. Der 38-Jährige ist
    einer der wenigen Neugründer von
    Galerien in Stuttgart.
    Foto: Silicya Roth

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Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
TITELTHEMA          MAGAZIN

                           Geschäft mit Kunst
                           Kunst und Kultur leben nicht nur von öffentlich finanzierten Mueen und
                           Theatern. Einen wichtigen Beitrag zum Kulturleben der Region leisten
                           auch private Galeristen und Kunsthändler. Die Szene ist in Stuttgart und
                           in der Umgebung sehr lebendig, wie unser Titelthema zeigt.

                                  Neugierig steht ein junges Paar vor      lacht der 38-jährige, der die junge Galerie in
                                  dem großformatigen Gemälde des           der Stuttgarter Reinsburgstraße vor fünf Jah-
                                  Neoexpressionisten Rainer Fetting.       ren als Quereinsteiger gegründet hat und
                           Die figürliche Malerei in ausdrucksstarken      seither gemeinsam mit seinem Partner führt,
                           Farben gefällt den beiden sehr. Aber 40 000     der schon lange Jahre Kunst sammelt. Aber
                           Euro nur für ein Bild? Nie im Leben! Als Ga-    immerhin zeigt die Anekdote, dass man auch
                           lerist Thomas Fuchs mit den jungen Leuten       als Galerist nicht nur Schöngeist, sondern
                           ins Gespräch kommt, zeigt sich, dass ihnen      auch ein guter Verkäufer sein muss.
                           Ästhetik in den eigenen vier Wänden sehr           Eine gute Gelegenheit, potenzielle Neukun-
                           wichtig ist. Auch haben sie beide ein gutes     den anzusprechen, ist zum Beispiel der „Art
                           Einkommen. Wieviel sie denn bei ihrem letz-     Alarm“, bei dem die 22 wichtigsten Stuttgar-
                           ten Autokauf gezahlt hätten, fragt Fuchs        ter Galerien an einem Herbstwochenende das
                           scheinbar beiläufig, und die beiden kommen      kunstinteressierte Publikum zum Rundgang
                           ins Grübeln. Als sie ein paar Wochen später     einladen. Seit kurzem ist Fuchs Vorsitzender
                           zurückkehren, kaufen sie das Bild.              des veranstaltenden Vereins, bei dem sich alle
                              „Solche Sternstunden sind bei uns Galeris-   Stuttgarter Galerien bewerben dürfen, sofern
                           ten nicht unbedingt an der Tagesordnung“,       sie zeitgenössische Kunst und klassische

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MAGAZIN   TITELTHEMA

Foto: Silicya Roth

Imke Valentien leitet die gleichnamige Galerie auf der Stuttgarter Gänsheide schon in der dritten Generation. „Wenn man so lange im Geschäft ist, erneuert
sich der Kundenstamm allmählich über Empfehlungen“, sagt die Kunsthistorikerin.

Moderne als Schwerpunkt haben und Min-             Dabei liegt diese Schwelle in der Galerie             unterschiedlich, und damit die Provision der
destanforderungen an Öffnungszeiten und Thomas Fuchs vielleicht schon etwas niedri-                      Galerie. Angus, der 1992 starb, markiert ge-
Ausstellungsbetrieb erfüllen.                    ger als anderswo. Die Räume im Erdgeschoss              meinsam mit Rainer Fetting, dem bekanntes-
  Den Art Alarm gibt es in Stuttgart seit der eines mehrstöckigen Gründerzeithauses im                   ten Galeriekünstler, die Obergrenze -- mit ei-
Jahrtausendwende, man folgte damit dem angesagten Stuttgarter Westen sind in ange-                       ner Preisspanne von 5000 bis 80 000 Euro.
Beispiel anderer Großstädte -- mit durchaus nehmer Schlichtheit gehalten, Mahagonipar-                     Eine ganz andere Atmosphäre empfängt
erfreulichen Ergebnissen,                                      kett und weite Zimmerfluchten             einen in der Galerie Valentien. Großzügige

                                       800
wie Thomas Fuchs betont:                                       sucht man hier vergebens.                 Räume in einer schönen alten Bonatz-Villa
Zum diesjährigen Art Alarm                                     Dazu passen die Ausstellungen             mit Skulpturengarten auf der Stuttgarter
Ende September konnten                                         mit denen Fuchs und sein Part-            Gänsheide sind ziemlich genau das, was man
seine Kollegen und er wie                                      ner auf zeitgenössische Malerei           von einem alteingesessenen Galeriebetrieb
immer viele Besucher aus             Millionen Euro            setzen.                                   erwartet. Und Valentiens blicken auf die
Stuttgart und Umgebung               werden jährlich im           Von September bis Novem-               wahrscheinlich längste Tradition in der Lan-
empfangen, aber eben auch            deutschen Kunst-          ber  waren hier Werke des Ma-             deshauptstadt zurück. Imke Valentien und
                                     markt umgesetzt. 2)
aus Düsseldorf, Frankfurt                                      lers Patrick Angus mit seinen             ihr Vater Dr. Freek Valentien, die das Unter-
und Zürich. „Das Publikum                                      Szenen aus dem amerikani-                 nehmen gemeinsam leiten, sind studierte
war auffallend jung, und es gab darunter schen Alltag der 80er Jahre und insbesondere                    Kunstgeschichtler wie schon der Großvater,
viele, die noch nie ein Bild gekauft haben.“ der New Yorker Schwulenclubs zu sehen. 13                   Dr. Fritz Valentien, der die Galerie 1930
Dennoch dürfe man keine unmittelbare Künstler hat die Galerie im Portfolio, bei sie-                     gründete -- damals noch in der Innenstadt.
Auswirkung auf die Umsätze erwarten, so ben bis acht Ausstellungen im Jahr ist jeder                     „Zu dieser Zeit war es noch ungewöhnlich,
Fuchs. „Das ist mehr eine langfristige Sache, alle zwei Jahre einmal an der Reihe. „Origina-             dass ein Galerist einen akademischen
ähnlich wie eine Messe. Wir wollen damit lität ist uns wichtig“, sagt Fuchs, „wir brauchen               Fachabschluss hatte, denn der Beruf hat sich
die Hemmschwelle senken, eine Galerie zu nicht die zwanzigste Gerhard-Richter-Kopie.“                    eigentlich aus dem Handel entwickelt“, er-
betreten.“                                       Die Preise der Ausstellungsstücke sind sehr             klärt Imke Valentien.

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Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
TITELTHEMA          MAGAZIN

   Ihre lange Tradition hat der Galerie einige
sehr treue Kunden beschert, manche kaufen
schon in der zweiten oder dritten Generati-
on bei Valentien. „Wenn man so lange im
Geschäft ist, erneuert sich der Kunden-
stamm allmählich über Empfehlungen – und
außerdem natürlich über die Ausstellungen,
Messen und Events wie den Art Alarm“, sagt
die Galeriechefin. Ganz überwiegend sind es
Privatleute, aber auch Sammlungen und Mu-
seen greifen auf das Know-how der Galerie
zurück. Imke Valentiens internationale Er-
fahrung macht ihr die Kontaktpflege mit

                                                                                                                                                        Foto: Silicya Roth
Künstlern weltweit einfach. Sie hat in Lon-
don studiert und dort 23 Jahre gelebt.
   In der derzeitigen Ausstellung werden
noch bis Mitte Januar „Alte und Junge Meis-
ter des Holzschnittes“ gezeigt, mit Arbeiten
von bekannten Künstlern der Klassischen
Moderne und der Gegenwart. Mit Preisen
zwischen 1200 und 90 000 Euro umfasst die-
se Ausstellung das gesamte Spektrum des
Portfolios.
   „Bei einigen Werken von Künstlern der
klassischen Moderne reichen die Preise auch
                               manchmal an

  78 %
                               500 000 Euro
                               heran“,     sagt
                               Imke Valentien,
                               dies sei jedoch
   der Galerien wurden         die Ausnahme.
   in den vergangenen          „Unsere Arbeit     Bildhauersymposien sind eine Spezialität von Monika Schreiber und ihrer Galerie Wendelinskapelle in
   25 Jahren gegründet. 1)     setzt Leiden-      Marbach. Einige Stücke finden sich in Parks und an öffentlichen Plätzen der Schillerstadt.
                               schaft voraus,
ist aber entgegen der allgemeinen Ansicht
nicht sehr lukrativ.“                                Geht man auf Messen – und das ist für alle legt Monika Schreiber großen Wert auf eine
   Denn als Galerist hat man auch mit erhebli-    ernstzunehmenden Galeriebetriebe ein anspruchsvolle handwerkliche Ausführung.
chen Fixkosten zu kämpfen. Die meisten Ver-       Muss – schlagen Standmieten, Transport Dies zeigte sich zum Beispiel in der Ausstel-
käufe werden in Kommission abgewickelt –          und Transportversicherung zu Buche. lung „Schiller trifft Hölderlin“ des Künstlers
Künstler und Galerist teilen sich in der Regel    „Wenn wir die Messe in New York besuchen, Alfons Wiest, der seine Skulpturenköpfe auf-
den Erlös. Davon gehen ab: Die Galeriemiete,      kostet uns das einen fünfstelligen Eurobe- wändig aus vielen Holzschichten aufbaut.
die in guten Lagen der größte Kostenfaktor        trag“, fasst Thomas Fuchs zu-                                  In ihrem Programm hat

                                                                                         1,6
ist, eine besondere Branchenversicherung so-      sammen. Und er fährt jährlich                               Monika Schreiber keinen kla-
wie Abgaben für die Künstlersozialkasse und       auf vier Messen, davon zwei in                              ren Schwerpunkt. „Das funkti-
die VG Bildkunst, die ähnlich wie die bekann-     den USA.                                                    oniert in einer so kleinen
tere Gema die Urheberrechte bildender                Deshalb gibt es sehr viele                               Stadt wie Marbach nicht“, ist
Künstler wahrnimmt. Und der bürokratische         Galerien, deren Inhaber auf         Millionen Menschen      sie überzeugt. Hier in der Pe-
Aufwand wird nicht geringer: In den letzten       ein zweites Standbein angewie-      besuchen pro Jahr die   ripherie müsse man sich eben
                                                                                      deutschen Galerien. 1)
Jahren hat der Gesetzgeber mit der Verschär-      sen sind, um ihren Lebensun-                                mehr anstrengen als in der
fung der Dokumentationspflicht bei der            terhalt zu bestreiten. Dazu ge-                             Großstadt. Für jede ihrer
Künstlersozialkasse sowie dem Kulturgut-          hört Monika Schreiber, die seit 15 Jahren im sechs bis acht Ausstellungen im Jahr lässt sie
schutzgesetz neue Hürden aufgebaut.               Herzen von Marbach am Neckar die Galerie 1700 Einladungen drucken und verschickt
   Hinzu kommt, dass die meisten Galeristen       Wendelinskapelle betreibt. Ihr Nebenerwerb sie an ihre Stammkunden. Ganz wichtig sind
auch als Kunsthändler tätig sind. Sie erwer-      – das Rahmen von Bildern – bietet durchaus für sie auch Veranstaltungen bei Unterneh-
ben Kunstwerke aus Sammlungen oder Aukti-         Synergien mit dem Galeriebetrieb. Wie Tho- men wie der Kreissparkasse Ludwigsburg
onen, um diese dann weiterzuverkaufen – mit       mas Fuchs ist die 63-Jährige eine Quereinstei- oder dem Spanntechnik-Spezialisten Hain-
einer entsprechenden Kapitalbindung, wenn         gerin, zudem hat sie sich autodidaktisch das buch in Marbach. Im Park der ehemaligen
die Stücke nicht gleich weiterverkauft werden     Schweißen und Schreinern beigebracht. Auch Villa Aufrecht in Affalterbach und im Old-
können.                                           bei der Auswahl ihrer Exponate und Künstler timermuseum Motorworld auf dem

MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16                                                                                                                           9
Magazin Wirtschaft - IHK Stuttgart
war der Preis von 200 Mark für mich als Stu-
                                                                                                         dent wirklich nicht ohne.“ Nun überlegt
                                                                                                         Deicke, aus seinen Kanzleiräumen eine Gale-
                                                                                                         rie zu machen. Kontakte zu lebenden Künst-
                                                                                                         lern wie dem französischen Skulpturisten
                                                                                                         Philippe Berry hat er bereits geknüpft. „Wer
                                                                                                         weiß, vielleicht daraus einmal ein weiteres
                                                                                                         Standbein.“
                                                                                                            So wichtig solche Ein-Personen-Projekte
                                                                                                         vor allem für die kleineren Städte sind -- rund
                                                                                                         80 Prozent des Marktes beherrschen große
                                                                                                         Galerien. Sie verfügen über Mitarbeiter für
                                                                                                         die Akquisition von Kunden und die Pflege
                                                                                                         ihrer Künstler und können es sich leisten, die
                                                                                                         wichtigen nationalen und internationalen
                                                                                                         Messen in Miami, New York, Köln, Berlin
                                                                                                         oder München zu besuchen. In der Regel
                                                                                                         sind diese Galerien in der Landeshauptstadt
                                                                                                         zu finden. Doch ausgerechnet der Platzhirsch
                                                                                                         in Stuttgart, die Galerie Schlichtenmaier,
                                                                                                         fährt zweigleisig: Die Räume am Stuttgarter
                                                                                                         Schlossplatz könnten zwar kaum zentraler
                                                                                                         sein, älter jedoch ist die Ausstellungsfläche
                                                                                                         im Schloss Dätzingen bei Grafenau (Kreis
                                                                                                         Böblingen). Die Inhaber Kuno, Harry und
                                                                                                         Bert Schlichtenmaier sind alle im Unterneh-
                                                                                                         men tätig und beschäftigen vier Mitarbeiter.
                                                                                                         Wie ihr Vater, der die Galerie 1969 gegrün-
                                                                                                         det hat, sind die drei Brüder in Kunstge-
                                                                                                         schichte promoviert.
                                                                                                            Die beiden Standorte ergänzten sich her-
                                                                                                         vorragend, erklärt Dr. Kuno Schlichtenmai-
Foto: Silicya Roth

                                                                                                         er. „In der Stadt gibt es viel Laufkundschaft,
                                                                                                         dagegen wird das schöne Ambiente des
                                                                                                         Schlosses gerne für Veranstaltungen aller Art
                                                                                                         genutzt.“ Man müsse nur darauf achten, dass
Unternehmensberater Andreas Deicke schwärmt für Pop­Art. Er überlegt, zu Ausstellungen in seine          die Ausstellungen in Stuttgart und Grafenau
Ludwigsburger Kanzleiräume einzuladen.                                                                   thematisch weit genug auseinander liegen –
                                                                                                         werden hier Skulpturen gezeigt, terminiert
                                                                                                         man dort eine Gemäldeausstellung. Auch
Böblinger Flugfeld hat Schreiber auch schon eine mögliche Zukunft im Kunstmarkt. Mit Schlichtenmaiers setzen auf klassische Mo-
ausgestellt. Fest etabliert sind ihre Bildhauer- seiner K11 Consulting GmbH hat sich der derne und Gegenwartskunst – jedoch aus
symposien, bei denen Künstler öffentlich an 39-jährige Anwalt als Unternehmensberater dem deutschsprachigen Raum. „Dort haben
ihren Werken arbeiten.                           und Interimsmanager einen Namen ge- wir in 38 Jahren eine gute Kompetenz aufge-
   Steht man vor der historischen Wendelins- macht. Doch seit jeher begeis-                                             baut“, sagt Dr. Kuno

                                                                                          700
kapelle, muss man freilich erst einmal suchen, tert sich Deicke auch für Foto-                                          Schlichtenmaier.
um die Galerie im Obergeschoss über einem grafie und Malerei – insbeson-                                                   Ihre Ausstellungen präsen-
Buchgeschäft zu finden. Trotzdem ist der klei- dere für die Pop-Art, von de-                                            tieren die Schlichtenmaiers
ne Betrieb der Schillerstadt Marbach als Be- nen viele Originale die Wände                                              immer auch online. Künftig
reicherung ihres kulturellen Angebots sehr seiner Arbeitsräume in einem                     Kunstgalerien gibt          soll es auch Ausstellungen
wichtig. Monika Schreiber zahlt eine modera- liebevoll renovierten Ludwigs-                 es in Deutschland,          ausschließlich im Internet ge-
te Pacht, beim Aufbau gelegentlicher Ausstel- burger Altstadthaus zieren.                   davon etwa ein              ben – „da sind wir Vorreiter“,
lungen im öffentlichen Raum hilft der städti- Auch den großformatigen                       Drittel in Berlin. 1)       sagt der Galerist, „das machen
sche Bauhof, und auch die eine oder andere Druck einer Aktfotografie von                                                bisher nur ganz wenige.“ Aber
Großplastik in den Parks und auf den Plätzen Herb Ritts findet man hier. „Mit ihm hat alles natürlich haben Kaufinteressenten trotzdem
Marbachs hat sie an die Stadt verkauft oder angefangen“, erklärt Deicke lachend. „Vor die Möglichkeit, die Stücke in Stuttgart oder
mit Unterstützung von Sponsoren aufgestellt. vielen Jahren habe ich ihn in einem Schau- Grafenau anzuschauen. „Ein richtiger On-
   Aus einer vergleichsweise bequemen Posi- fenster der Tübinger Mühlstraße gesehen lineshop würde nicht funktionieren -- nie-
tion heraus sondiert Dr. Alexander Deicke und konnte nicht daran vorbeilaufen – dabei mand kauft ein Bild für 10.000 Euro,

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MAGAZIN   TITELTHEMA

Foto: Silicya Roth

Galerist Dr. Kuno Schlichtenmaier und seine Brüder fahren zweigleisig: Mit Ausstellungsräumen am Stuttgarter Schlossplatz sowie im Schloss Dätzingen.

ohne es vorher gesehen zu haben.“ Auf den           Lob für den Standort kommt auch von                der Blick über das Naheliegende hinweg-
direkten Kontakt zu ihren Kunden wollen Thomas Fuchs aus dem Westen: „Das Under-                       geht. Doch natürlich profitiert auch der hie-
die Brüder auch um keinen Preis statement, das man hier pflegt, ist absolut                            sige Kunstbetrieb gewaltig von der Internati-
verzichten.                                       nicht gerechtfertigt“, sagt der gebürtige Ös-        onalisierung, wie ein Blick auf das Auktions-
   Baden-Württemberg, insbesondere Stutt- terreicher. Es gebe hier eine lebendige und                  haus Nagel in der Stuttgarter Neckarstraße
gart, sei für den Kunsthandel ein guter breit aufgestellte Szene, die allerdings durch-                verrät. Noch vor der Jahrtausendwende war
Standort, sagt Schlichtenmaier, dessen Kun- aus noch den einen oder anderen Neuzu-                     das 1922 in Mannheim gegründete, seit dem
denstamm „vom Studenten bis zum Weltun- gang vertragen könne. Davon profitieren das                    Krieg aber in Stuttgart ansässige Auktions-
ternehmen“ reicht. „Hier gibt es sehr gute gesamte Kulturleben und die Stadt als Gan-                  haus überwiegend national geprägt. Das hat
Sammler und die Kon-                                                     zes, ist Fuchs überzeugt:     sich radikal gewandelt. „Private Sammler aus

                                   11000
kurrenz ist in der Bran-                                                 „Die Galerien bringen         China bilden heute einen Großteil unserer
che nicht so groß wie                                                    kaufkräftige Besucher         Kunden“, sagt Prokurist Rudolf Pressler, der
zum Beispiel in Berlin                                                   nach Stuttgart, die hier      schon seit 1979 dabei ist.
oder Köln.“ Insgesamt                                                    einkaufen, ins Museum            Mit ihrer Expertise in ostasiatischer Kunst
herrsche hier eine mehr       Künstler werden durch deutsche Ga-         und       ins    Theater      sind die Stuttgarter mittlerweile eine der
kollegiale Atmosphäre.        lerien vertreten, davon kommen 37          gehen.“                       ersten Anlaufstellen für die wohlhabende
„Wenn eine Galerie            Prozent aus der jeweiligen Region. 1)         „Wir können wahn-          chinesische Ober- und Mittelschicht – gleich
neue Kunden akquiriert,                                                  sinnig stolz sein“, sagt      nach den internationalen Branchenriesen
profitieren davon meist auch die anderen.“ auch Imke Valentien. „Baden-Württemberg                     Sotheby’s und Christie‘s, die ansonsten in
Ein Minus sieht er nur in den hohen Mieten hat ein fantastisches Fundament, es gibt hier               einer anderen Liga spielen.
in der Innenstadt, die viele Mitbewerber in viel Bildung und viel Kunstinteresse.“ Aller-                 Die Asiatika sorgen mittlerweile für zwei
die Stadtteile drängen. „Eine Kunstmeile in dings sei dies dem schwäbischen Publikum                   Drittel der Umsätze bei Nagel – weit vor den
der City kann so nicht entstehen, und Außen- beileibe nicht immer bewusst: „Man fährt                  weiteren Schwerpunkten europäische Kunst
stehenden fällt die Orientierung eher lieber nach Basel oder fliegt nach Miami.                        und Antiquitäten, orientalische Teppiche
schwer“, sagt Schlichtenmaier. Auch deshalb Dabei gibt es in Stuttgart eine tolle Qualität             sowie moderne und zeitgenössische Kunst.
ist er froh über den Standort im Schloss an Galerien und Künstlern, man muss es nur                    Auf mindestens zwei der insgesamt zwölf
Dätzingen: „Unser ganzes Lager am Schloss- sehen.“                                                     Auktionen, zu denen Nagel im Jahr einlädt,
platz zu unterhalten -- das könnten auch wir        Auch die Kunstwelt, so kann man es sehen,          stehen daher Objekte aus China zu Gebot –
uns nicht leisten.“                               hat sich globalisiert -- mitunter so sehr, dass      etwa textile Wandbehänge, religiöse

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TITELTHEMA             MAGAZIN

                       „Ohne Gunst keine Kunst“                                                                                realisieren. Wichtig hierbei ist, dass die Unter-
                                                                                                                               stützung nicht an eine Gegenleistung gebun-
                       Die Kunststiftung des Landes betreibt seit fast vier Jahrzehnten                                        den ist. So können die Stipendiaten frei von fi-
                       Kulturförderung aus privaten und öffentlichen Mitteln                                                   nanziellem Druck experimentieren, „künstleri-
                                                                                                                               sche Grundlagenforschung“ betreiben, Kräfte
             Die Kunststiftung Baden-Württemberg                                                                               tanken und ihre Arbeit weiter entwickeln.

                                                         Foto: Günter E. Bergmann
             ist 1977 aus einer Initiative aller dama-                                                                           Wie wirkt die Kunststiftung auf das Kultur-
             ligen Landtagsfraktionen entstanden.                                                                              leben Baden-Württemberg? Verschafft es
      Seither ist sie eine der bedeutendsten Insti-                                                                            dem Land einen Vorteil vor anderen Bundes-
      tutionen zur Förderung der jungen experi-                                                                                ländern, in denen es so etwas nicht gibt?
      mentellen Kunstszene im Land.                                                                                               Milla Baden-Württemberg braucht als inno-
        Herr Milla, Wie finanziert sich Ihre Stif-                                                                             vativer Industriestandort ein kreatives Umfeld,
      tung? Welche Unternehmen treten als Spen-                                                                                ein Klima, in dem Experiment und Zukunfts-
      der auf?                                                                                                                 orientierung eine große Rolle spielen. Das För-
        Milla Die Kunststiftung basiert auf dem Prin-                                                                          derprogramm der Kunststiftung trägt hierzu
      zip der Komplementärmittel: Jede eingegange-                       Unser Interviewpartner                                bei, indem es dem vielfältigen Potential junger
      ne Spende von Firmen oder Privatpersonen                           Bernd Georg Milla                                     Künstlerinnen und Künstler aus Baden-Würt-
      wird vom Land Baden-Württemberg verdop-                            Geschäftsführer                                       temberg eine Plattform bietet. Diese Investition
      pelt. „Ohne Gunst keine Kunst!“ Dank diesem                        Kunststiftung Baden­Württemberg                       lohnt sich, denn die mittlerweile über 900 ehe-
      Modell wird privates Engagement belohnt.                                                                                 maligen Stipendiaten sind im besten Sinne
      Hervorzuheben ist das vorbildliche Engage-         Kulturschaffenden und das Miterleben des                              „kulturelle Botschafter“ Baden-Württembergs.
      ment der Sparda-Bank eG als Hauptförderer,         Moments, wenn vielversprechendes kreatives                               Ist die Kunst in einem reichen Industrie-
      aber auch viele (bekannte) mittelständische        Potenzial entdeckt wird und Künstlerkarrie-                           land wie Baden-Württemberg nur ein Orna-
      Unternehmen aus dem Großraum Stuttgart             ren ihren Anfang nehmen. Gerade für die                               ment, oder wird sie ernsthaft als Bestandteil
      unterstützen uns. Wir freuen uns über jede         Zielgruppe der Kreativwirtschaft könnten wir                          der Lebensqualität begriffen?
      weitere Unterstützung, anlässlich unseres          hier interessant sein.                                                  Milla Die Vielfalt kultureller Einrichtungen
      40jährigen Jubiläums im kommenden Jahr gibt          Wie wählen Sie die Künstler aus?                                    zeigt, wie wichtig die Kunst im Leben der
      es viele Möglichkeiten für Partnerschaften.           Milla Jährlich werden aus etwa 300 Bewer-                          Baden-Württemberger ist. Damit die Kunst
        Was bekommen die Unternehmen für ihr             bungen durch Fachjurys insgesamt ca. 20 Sti-                          nicht zum schmückenden Ornament er-
      Engagement zurück?                                 pendiaten in den Bereichen Bildende Kunst,                            starrt, muss sie in Bewegung bleiben. So hat
        Milla Als Förderer der Kunststiftung leistet     Musik, Literatur, Darstellende Kunst, Kunstkri-                       die Kunststiftung den Musikbereich um ein
      man einen Beitrag zur jungen Kunst in Ba-          tik und Kulturmanagement ausgewählt. Wich-                            Stipendium für neue Musikformen vom Po-
      den- Württemberg. Für die Unternehmen              tig ist neben der künstlerischen Qualität ein                         pularbereich über Elektronik bis hin zu expe-
      spielen oftmals Horizonterweiterung, Kreativ-      enger Bezug zum Land Baden-Württemberg.                               rimenteller Klangkunst ergänzt. Die Stiftung
      und Imagetransfer, Kontakte ins Kunstfeld          Die Unterstützung erfolgt in einer Höhe von                           bleibt so am Puls der Zeit. Denn die jungen
      sowie die Verbindung zum Netzwerk der              bis zu 12 000 Euro, zudem erhalten die Stipen-                        Kulturschaffenden sind hellwach, stellen Fra-
      Kunststiftung eine Rolle. Wichtige Aspekte         diaten die Möglichkeit, Ausstellungen, Kon-                           gen, entwickeln neue Ideen und tragen posi-
      sind auch persönliche Begegnungen mit              zerte, Lesungen sowie Publikationen zu                                tiv zur Entwicklung der Gesellschaft bei.

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                                                                                        Stand 21.10.2016. Modellhafte Produktkombination mit 75 % festver-
                                                                                        zinstem (ab 1,95% p.a. Zinssatz, Zinsfestschreibung 60 Monate) und
                                                                                        25% variabel verzinstem Darlehensanteil (ab 1,55% p.a. veränderlicher
                                                                                        Zinssatz, Sondertilgung möglich). Laufzeit für beide Darlehensvarianten
                                                                                        jeweils 5 Jahre, tilgungsfreie Zeit 12 Monate, ab 1,85% p.a. anfänglich
      MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16
deutsche-bank.de/geschaeftskunden                                                       kombinierter Zinssatz, Auszahlung 100%. Bonität vorausgesetzt.                      13
MAGAZIN   TITELTHEMA

Foto: Jens Oswald

Chinesische Kunden haben dem Auktionshaus Nagel seit der Jahrtausendwende einen enormen Auftrieb beschert. Mit ihrer Expertise bei Asiatika rangieren
die Stuttgarter gleich nach den Branchenriesen Sotheby‘s und Christie‘s, sagt Prokurist Rudolf Pressler.

Bronzefiguren, Einrichtungsgegenstände in chinesische Muttersprachler, für die Auktio-                Transaktionen spielt sich im Bereich unter
kunstvoller Einlegearbeit oder Teegeschirr nen werden zusätzlich freie Dolmetscher en-                1000 Euro ab.“
aus Porzellan. Auf einer einzigen Auktion gagiert. „Eine Auktion beginnt morgens um                      Der Sammler, der die millionenschwere
erlösten die Stuttgarter 2013 rund 26 Milli- acht Uhr und dauert nicht selten bis spät in             Weinkanne zwei Jahrzehnte zuvor für „nur“
onen Euro – gut die Hälfte des Rekordum- die Nacht“, sagt Pressler.                                   20 000 Mark gekauft hatte, dürfte damit eine
satzes von 50 Millionen Euro in diesem Jahr.      Im Asienbereich stammen 95 Prozent der              kaum zu übertreffende Rendite erzielt haben.
Den Höhepunkt bildete der Zuschlag über Objekte aus Sammlungen in Europa, demge-                      Dennoch raten die Fachleute eher davon ab,
3,7 Millionen Euro für eine Weinkanne aus genüber kommen 95 Prozent der Kunden                        Kunstobjekte als Kapitalanlage zu kaufen:
dem kaiserlichen Haushalt – der höchste aus Asien, erklärt der Auktionator. Für viele                 „Die Wertentwicklung ist immer stark speku-
Millionenverkauf in der Ge-                                  Kunstwerke und Kunsthand-                lativ geprägt und damit unvorhersehbar“, so

                                      72 %
schichte des Auktionshauses.                                 werksobjekte ist es also eine            Imke Valentien. Entsprechend hoch sei das
  In solchen Wochen geht es                                  Heimkehr. Die meisten von                Risiko. Wem es vor allem um eine Kapitalan-
bei Nagel rund. Schon beim                                   ihnen haben vor 100 bis 150              lage zu tun sei, dem empfiehlt sie deshalb den
Aufbau muss jeder der 35 Mit-                                Jahren ihren Weg nach Euro-              Aktienmarkt. Kunst sei etwas sehr Emotiona-
arbeiter mit anpacken – egal       der Galerien verkaufen    pa gefunden – zu Preisen, von            les, sagt sie. „Für mich ist es eine Anlage für
ob Schreibkraft oder Akade-        ausschließlich Gegen-     denen man heute nur noch                 die Seele – man erfreut sich jeden Tag daran.
                                   wartskunst. 1)
miker. Fünf Tage lang dürfen                                 träumen kann.                            Dieses Lebensgefühl wollen wir vermitteln.“
die Interessenten jedes Stück                                   „Der Trend geht klar zu
gründlich in Augenschein nehmen, dann wirklich herausragenden Stücken“, bestätigt
folgt der Auktionstag, der den Beteiligten Pressler, was ihn natürlich freut, denn von                                            Walter Beck
nochmals alles abverlangt. Im Saal sind jedem Verkauf erhält das Auktionshaus ein                                                 Redaktion
durchschnittlich 60, manchmal aber auch Drittel des Zuschlagspreises als „Aufgeld“                                                Magazin Wirtschaft
mehr als 200 Bieter anwesend. Zugleich lau- vom Käufer und rund 15 bis 25 Prozent als                                             walter.beck@stuttgart.
fen Gebote per E-Mail ein oder werden tele- „Abgeld“ vom Verkäufer. Allerdings seien                                              ihk.de
fonisch eingeholt, ein Teil der Kaufinteres- solche spektakulären Zuschläge für das ext-
senten hat schon zuvor mit der Post sein Ge- rem elitäre Image des Auktionsbetriebs ver-              Quellen: 1) Galerienstudie 2013 des Instituts für Strate­
bot abgegeben. Wegen des großen Anteils antwortlich, was insgesamt nicht der Wirk-                    gieentwicklung (IFSE); 2) Schätzung des Bundesverbands
chinesischer Kunden beschäftigt Nagel vier lichkeit entspreche: „Ein sehr großer Teil der             Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG)

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LESER-INTERVIEW            MAGAZIN

„Digitalisierung ist für uns Chefsache“
IHK-Leser-Interview Die grün-schwarze Landesregierung hat seit ihrem Start viele Initiativen zugunsten der Unternehmen
auf den Weg gebracht, so Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut im Interview mit Magazin Wirtschaft und dem
Kornwestheimer Unternehmer Albrecht Kruse. Beispiele sind der digitale Wandel und die Beschäftigung von Flüchtlingen.
       Seit Mai führt Dr. Nicole Hoffmeister-       müssten sie also eine Zeit lang aussteigen und         kunftsthema ist die Fachkräftesicherung. Als
       Kraut das Wirtschaftsministerin von          ihr Unternehmen gleichzeitig in guten Hän-             Land können wir bei Bildung, Ausbildung und
       Baden-Württemberg -- nun wieder als          den wissen. Das kann durchaus schwierig sein.          Weiterbildung gemeinsam mit anderen Akteu-
eigenständiges Ressort, nachdem es unter            Einfacher ist ein Einstieg in die Politik also viel-   ren gezielte Maßnahmen und Programme ent-
Grün-Rot als „Superministerium“ mit den Fi-         leicht, wenn man etwa Angestellter oder Beam-          wickeln, die dem Bedarf hier gerecht werden --
nanzen zusammengelegt war. Die 44-jährige           ter in der öffentlichen Verwaltung oder Lehrer         auch für die Digitalisierung in der Wirtschaft
Mutter dreier Kinder engagiert sich vielfach        ist, zumal es ja ein Rückkehrrecht dorthin gibt.       sind wir zuständig – eine große Herausforde-
sozial und ist selbst Unternehmerin. Als Ge-        Es mag aber noch einen anderen Aspekt ge-              rung, gerade für die kleinen und mittleren Un-
sellschafterin des Balinger Waagenherstellers       ben: In der Politik muss man immer Mehr-               ternehmen, die wir zielgerichtet beim Thema
Bizerba saß sie bis zu ihrem Amtsantritt im         heitsentscheidungen treffen. Das ist ein ande-         Wirtschaft 4.0 und Arbeit 4.0 unterstützen un-
Aufsichtsrat des Unternehmens.                      rer Weg, als es Unternehmer gewohnt sind. Sie          terstützen. Zudem ist die gesamte Gründersze-
     Magazin Wirtschaft Frau Dr. Hoffmeister-       entscheiden oft schneller und dann allein.             ne im Wirtschaftsministerium angedockt. Ne-
Kraut, Sie sind eine der wenigen Unterneh-                Magazin Wirtschaft Es war ja ein Wunsch          ben den Gründerzentren wollen wir jetzt ein
merinnen in der Politik. Warum, glauben             der CDU, das Wirtschaftsressort wieder als             Gründernetzwerk ins Leben rufen, um die be-
Sie, gibt es nicht mehr davon?                      eigenes Ministerium zu führen. Welchen Ge-             stehenden Initiativen zu verbinden. Andere
     Hoffmeister-Kraut Das mag viele Gründe         staltungsspielraum hat man als Wirtschafts-            wichtige Aufgaben sind Innovationsförderung
haben. Aktive Unternehmerinnen und Unter-           ministerin eines Bundeslandes überhaupt?               und Technologietransfer. Unter anderem sind
nehmer haben täglich eine große Aufgaben-                 Hoffmeister-Kraut Wir können als Land            wir für die Fraunhofer-Institute und Institute
vielfalt und viel Verantwortung für das Unter-      Rahmenbedingungen schaffen, damit Unter-               der Innovationsallianz zuständig, die mit klei-
nehmen und die Beschäftigten. Das ist sehr          nehmen erfolgreich sein können. Dafür haben            nen und mittleren Unternehmen im Land gut
zeitintensiv. Um in die Politik zu wechseln,        wir vielfältige Ansatzpunkte. Ein großes Zu-           und fruchtbar zusammenarbeiten.

                                                                                                                                                      Foto: Hörner

Kamen beim Leserinterview ins Gespräch: Wirtschaftsministerin Hoffmeister­Kraut und Albrecht Kruse, Geschäftsführer der Kornwestheimer SATA GmbH & Co. KG.

MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16                                                                                                                              15
MAGAZIN            LESER-INTERVIEW

     Magazin Wirtschaft Die großen Weichen           neu aufgebaute Netze sind Glasfasernetze, zum        Autozuliefererbranche, der eine Studie kürz-
werden aber in Berlin oder Brüssel gestellt.         Beispiel in neuen Gewerbegebieten. In den be-        lich einen starken Rückstand bei der Digitali-
      Hoffmeister-Kraut Natürlich werden die         stehenden Netzen werden ältere Netzelemente          sierung bescheinigt hat?
großen Rahmenbedingungen -- wie Steuerpoli-          sukzessive durch Glasfaser ersetzt. Die Glasfa-           Hoffmeister-Kraut Auch diese Branche
tik, Verkehrspolitik, Arbeitsgesetzgebung -- auf     ser wird somit immer näher an die Haushalte          profitiert von unseren Projekten, mit denen
Bundesebene oder europäischer Ebene ent-             gebracht. Ziel ist es, auch die letzten Meter Kup-   wir die Unternehmen unterstützen. Die von
schieden, aber auch da nehmen wir gezielt Ein-       ferleitung in die Haushalte schrittweise durch       uns ins Leben gerufene „Allianz Industrie
fluss und vertreten die Position Baden-Würt-         Glasfasern zu ersetzen. Dies ist allerdings mit-     4.0,“, ein Kreis von 56 Akteuren aus Politik,
tembergs. Genauso wie wir die Belange der            telfristig für den Massenmarkt wirtschaftlich        Wissenschaft und Wirtschaft ist hier an ganz
Wirtschaft innerhalb der Landesregierung ver-        nicht darstellbar. Um dennoch heute schon            konkreten Maßnahmen dran: zum Beispiel
treten, zum Beispiel bei Initiativen des Verkehrs-   hohe Bandbreiten, die durch den Glasfaseraus-        die 16 Lernfabriken an beruflichen Schulen,
oder des Umweltministeriums. Aktuell gestal-         bau bis zu den letzten Verteilpunkten möglich        mit denen wir Fach- und Nachwuchskräfte
ten wir gemeinsam mit dem Kultusministerium          geworden sind, anbieten zu können, werden            ideal auf die Anforderungen der Industrie
den geplanten Informatikunterricht.                  z.B. im DSL-Netz der Deutschen Telekom auf           4.0 vorbereiten. Wir investieren auch in ein
     Magazin Wirtschaft Voraussetzung für die        den letzten Metern Kupferleitung Brücken-            großes Applikationszentrum für Industrie
Digitalisierung der Wirtschaft ist eine gute         technologien, wie das Vectoring, eingesetzt.         4.0 und in regionale Transferzentren der
Breitbandversorgung. Die grün-rote Vorgän-           Eine Wettbewerbsverzerrung durch den Ein-            Hochschulen mit angewandten Forschungs-
gerregierung hat Förderprogramme zur Ver-                                                                 einrichtungen und der Steinbeis-Stiftung,
besserung der Infrastruktur aufgelegt. Müsste                                                             um KMU Orientierung für eigene Wege zur
man aber nicht viel mehr Geld in die Hand                   Die Kommunen haben                            Industrie 4.0 zu geben.
nehmen?                                                                                                        Magazin Wirtschaft Viele Unternehmen
                                                              jetzt die Möglichkeit,
     Hoffmeister-Kraut Das wird ja jetzt getan.                                                           im Land, auch kleine und mittlere, sind ex-
Wir haben eine Digitalisierungsoffensive ge-             ihre Breitbandnetze mit Hilfe                    portorientiert und verfolgen die Stolperpar-
startet und der stellvertretende Ministerpräsi-         von Bundes- und Landesmitteln                     tie um die Freihandelsabkommen Ceta und
dent Thomas Strobl hat die Digitalisierung zur                                                            TTIP mit Fassungslosigkeit. Haben die Ver-
Chefsache erklärt. Allein 2016 stellen wir Mit-
                                                               massiv auszubauen.                         träge noch eine Chance?
tel in Höhe von 51 Millionen Euro zur Verfü-                                                                   Hoffmeister-Kraut Als Wirtschaftsministe-
gung. 2015, noch unter der Verantwortung der         satz der Vectoring-Technik sehe ich nicht; die       rin kann ich nur dafür plädieren, dass wir Frei-
alten Regierung, waren es erst 30 Millionen.         kürzlich mit breiter Zustimmung der Länder           handelsabkommen schließen -- mit Kanada und
Die Kommunen haben jetzt die Möglichkeit,            getroffene Vectoring-Entscheidung der Bun-           auch mit den USA. Baden-Württemberg lebt
ihre Breitbandnetze mit Hilfe von Bundes- und        desnetzagentur hat den Gesichtspunkt der             vom Export und von intakten Außenhandels-
Landesmitteln massiv auszubauen.                     Wettbewerbssicherung angemessen berück-              beziehungen. TTIP in dieser Form wird wohl

                                                                                                                                                             Foto: Hörner
     Kruse Sehen Sie ein Risiko, dass das Vec-       sichtigt.                                            nur sehr schwer durchsetzbar sein, hier wird es
toring, also die Ertüchtigung bestehender                 Magazin Wirtschaft Sind die kleinen und         unter der neuen US-Regierung von beiden Sei-
Kupfernetze, zu einer Wettbewerbsverzer-             mittleren Unternehmen gut vorbereitet auf            ten einen neuen Anlauf geben müssen. Die Blo-
rung führt?                                          den digitalen Wandel?                                ckade bei Ceta, wie sie sich gezeigt und dann
      Hoffmeister-Kraut Der Breitbandausbau                Hoffmeister-Kraut Das muss man diffe-          doch noch aufgelöst hat, war bedauerlich. Es
der investierenden Netzbetreiber ist heute           renziert und auch branchenbezogen betrach-           wäre ein ganz und gar negatives Signal für die
grundsätzlich ein Glasfaserausbau. Vollständig       ten. Aber insgesamt ist Baden-Württemberg            Handlungsfähigkeit der Europäischen Union,
                                                     im Bundesvergleich gut aufgestellt. In der In-       wenn ein Abkommen über sieben Jahre ausver-
                                                     dustrie ist die Entwicklung schon weit voran-        handelt wird, zum Schluss beide Seiten damit
 Co-Interviewer Albrecht Kruse                       geschritten, und auch viele kleine und mittle-       zufrieden sind und es dann trotzdem nicht ab-
 ist Geschäftsführer der                             re Unternehmen haben hohe Kompetenz in               geschlossen werden kann. Hoffen wir also, dass
 SATA GmbH & Co. KG                                  diesem Bereich. Aber es gibt auch noch viele         wir Ceta über die Ziellinie bringen können.
 in Kornwestheim, eines                              -- gerade KMU ---, die bislang kaum auf das In-           Kruse Manchmal wird in diesem Zusam-
 Herstellers von Lackier­                            ternet und digitale Technologien setzen. Die         menhang ja eine stärkere Bürgerbeteiligung
 pistolen, Druckluftfil­                             Investitionen müssen sich letztlich bezahlt          gefordert. Sehen Sie dies bei derart komple-
 tern und Atemschutz                                 machen. Da werden die großen Effekte aber            xen Themen als sinnvoll an?
 für Handwerk und In­                                erst im letzten Schritt kommen, wenn die ein-             Hoffmeister-Kraut Bürgerbeteiligung fin-
 dustrie mit 250 Mitar­                              zelnen Produktionsprozesse wirklich vollstän-        de ich in vielen Bereichen richtig und wichtig.
 beitern. Der 59­jährige Diplom­Betriebswirt ist     dig miteinander vernetzt sind. Immerhin ist          Aber man muss sich schon den einzelnen Fall
 seit 2005 Mitglied der Vollversammlung und          schon jetzt erkennbar, dass wir wirklich große       ansehen: Um alle wichtigen Aspekte eines
 seit 2009 des Präsidiums der IHK. Im Gespräch       Effizienzgewinne erzielen werden. Mit den            hochkomplexen Handelsabkommens wie
 mit Wirtschaftsministerin Hoffmeister­Kraut         von uns geförderten Digitallotsen oder dem           Ceta zu vermitteln, wäre der Informationsbe-
 legte er den Schwerpunkt auf den Ausbau der         Aufbau einer branchenübergreifenden Initia-          darf riesig, um das Thema komplett zu erfas-
 Breitbandversorgung, den viele Unternehmen          tive „Wirtschaft 4.0“ unterstützen wir gerade        sen und versiert abstimmen zu können. Das
 auch in der Region anmahnen. Albrecht Kruse         die KMU auf dem Weg zur Digitalisierung.             ist bei einem solchen Thema kaum leistbar.
 ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.               Magazin Wirtschaft Bleiben wir bei der         Wir haben eine repräsentative Demokratie,
                                                     Industrie. Wie sehen Sie die Situation in der        die sehr gut funktioniert. Ihr Prinzip ist auch,

16                                                                                                                           MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16
LESER-INTERVIEW            MAGAZIN

                                                                                                     fordert und den Flüchtlingen damit eine auf
                                                                                                     den ersten Blick attraktivere Einkommens-
                                                                                                     möglichkeit vorgegaukelt wird?
                                                                                                           Hoffmeister-Kraut Die Gewerkschaften
                                                                                                     argumentieren natürlich, dass ihren Mitglie-
                                                                                                     dern Nachteile entstehen und gegebenen-
                                                                                                     falls Arbeitsplätze weggenommen würden,
                                                                                                     wenn man in der Entlohnung Unterschiede
                                                                                                     macht. Die betriebliche Einstiegsqualifizie-
                                                                                                     rung erlaubt Arbeitgebern aber schon heute,
                                                                                                     Flüchtlinge unterhalb des Mindestlohns von
                                                                                                     8,50 Euro bis zu 12 Monate zu beschäftigen.
                                                                                                        Magazin Wirtschaft Sind die Ausbauziele
                                                                                                     für die erneuerbaren Energien erreichbar,
                                                                                                     angesichts schleppender Genehmigungsver-
                                                                                                     fahren für Anlagen und Leitungen? Können
                                                                                                     sich die Unternehmen darauf verlassen, dass
                                                                                                     Energie bezahlbar bleibt?
                                                                                                          Hoffmeister-Kraut Die Landesregierung
                                                                                                     hat sich klar zur Energiewende bekannt.
                                                                                                     Zum anderen gilt: Die Energieversorgung
                                                                                                     muss sicher, bezahlbar und zukunftsfähig
                                                                                                     sein. Diese wichtigen Voraussetzungen müs-
                                                                                                     sen wir immer im Blick haben. 2017 steht
                                                                                                     eine Erhöhung der EEG-Umlage von rund
                                                                                                     6,3 auf gut 6,8 Cent pro Kilowattstunde an,
                                                                                                     andererseits wurde das Gesetz im Bund neu
                                                                                                     geregelt: Die Verfahren werden jetzt ausge-
                                                                                                     schrieben. Wir müssen sehen, wie diese Re-
                                                                                                     form in der Praxis wirkt.
                                                                                                           Magazin Wirtschaft Für Infrastruktur,
                                                                                                     Flüchtlinge, Energiewende sind hohe Investi-
                                                                                                     tionen notwendig, aber schon jetzt schafft das
                                                                                                     Land bei Rekordeinnahmen gerade mal die
                                                                                                     Schwarze Null. Sehen Sie als Unternehmerin
Beim Zukunftsthema Wirtschaft 4.0 sieht die Ministerin das Land gut aufgestellt.                     darin eine nachhaltige Haushaltspolitik?
                                                                                                          Hoffmeister-Kraut In der neuen Landes-
                                                                                                     regierung haben wir uns zum Ziel gesetzt,
sich auf die Menschen zu verlassen, die sich        ration von Geflüchteten in Ausbildung und        einen soliden Haushalt aufzustellen. Der ers-
stellvertretend für die anderen intensivst mit      Beschäftigung ein vierstufiges Gesamtkonzept     te Schritt ist getan und der nächste wird fol-
einem Thema befasst haben, denen die nöti-          entwickelt, das mit Spracherwerb, Berufsori-     gen. Wir haben ab 2020 die Schuldenbrem-
gen Informationen vorliegen und die letztlich       entierung, Betreuung und Vermittlung sowie       se, und die wird eingehalten, das ist unser
über ein Thema abstimmen können.                    Stabilisierung alle Maßnahmen stimmig mitei-     großes Ziel. Wir haben Sparmaßnahmen
      Magazin Wirtschaft Immer wieder wird          nander verzahnt. Eine Initiative etwa ist das    eingeleitet, auch in meinem Haus. Für uns
betont, wie wichtig es ist, Flüchtlinge in das      vom Wirtschaftsministerium ins Leben geru-       als CDU war es Bedingung, dass dieses The-
Arbeitsleben zu integrieren. Die Unterneh-          fene Programm „Pro Beruf“ für Flüchtlinge,       ma an erster Stelle steht, denn wir stehen für
men versuchen das, stoßen aber schnell an           das junge Leute in überbetrieblichen Bil-        solide Finanzen. Gleichzeitig müssen wir in
Grenzen. Müsste nicht zuerst viel mehr ge-          dungsstätten schult. Zum anderen haben wir,      Humankapital, also die Fachkräftesicherung,
schehen, um Flüchtlinge überhaupt beschäf-          auch in Kooperation mit den IHKs, flächen-       und auch in die Innovationsfähigkeit inves-
tigungsfähig zu machen?                             deckend im Land die Kümmerer eingesetzt.         tieren. Das tun wir.
     Hoffmeister-Kraut Da geschieht sehr viel.      Sie identifizieren die für eine Ausbildung ge-        Kruse Mit der Reform des Länderfinanz-
Wir haben dieses Jahr 14 500 Menschen in Ar-        eigneten Flüchtlinge, unterstützen sie bei der   ausgleichs scheinen jetzt tatsächlich alle zu-
beit gebracht, überwiegend in Helfertätig-          Berufswahl, vermitteln sie in Praktika und       frieden zu sein. Sehen auch Sie darin ein
keiten, meist in Gastronomie, Landwirtschaft        Ausbildung, und sie sind gleichzeitig An-        zukunftsfähiges Modell?
oder auf dem Bau, wo ja auch Bedarf besteht.        sprechpartner für die Betriebe.                       Hoffmeister-Kraut Aus heutiger Sicht hat
Bei den knapp 600 abgeschlossenen Ausbil-                Kruse Wenn man Flüchtlinge für die          man hier einen tragfähigen Kompromiss zwi-
dungsverträgen sehen wir noch Potenzial nach        Ausbildung gewinnen will, ist es da nicht        schen den unterschiedlichen Interessen ge-
oben. Das A und O ist der Erwerb der deut-          kontraproduktiv, wenn seitens der Gewerk-        funden. Auch hier müssen wir sehen, wie er
schen Sprache. Wir haben im Land zur Integ-         schaften eine Entlohnung auf Basistarif ge-      wirkt.

MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16                                                                                                                       17
MAGAZIN             KURZ & KNAPP

               Wahrheiten
               W
               aaktuell, denkwürdig
 IIch
    hhhoffe
        ff sehr, dass die bisweilen
schrillen protektionistischen Töne,
die den US-Wahlkampf geprägt
haben, jetzt verstummen und wieder
maßvolle Sachlichkeit einkehrt.
Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Wirtschafts­
ministerin von Baden­Württemberg

 Diese Achse der Angst pervertiert
das politische Klima, schwächt den
demokratischen Konsens und
gefährdet so die Zukunft des
europäischen Projekts.
Wolfgang Ischinger, Sicherheitsexperte, im
„Handelsblatt” über das Erstarken illiberaler
Kräfte in Europa im Gefolge der Syrienkrise

  Bei der Technologieentwicklung
sehen wir den Kern hier in Deutsch-
land.                                              Tablets für Berufsschüler: In den nächsten fünf Jahren werden 10 000 Azubis an bis zu 50 Berufsschu­
Dr. Peter Leibinger, Mitglied der Trumpf­          len während ihrer Ausbildung Tablet­Computer nutzen können. Einsatzmöglichkeiten sollen Schulen und
Geschäftsführung über die Globalisierungsstrate­   Betriebe gemeinsam entwickeln und erproben. Den Startschuss zu diesem Pilotprojekt der Landesregie­
gie des Ditzinger Maschinenbauers                  rung gab Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann an der Gottlieb­Daimler­Schule 1 in Sindelfingen.

                          Stuttgart und Industrie gehören zusammen -- das Auto wurde am Neckar erfunden und prägt gemeinsam mit dem Ma-
                        schinenbau die Region. Das war aber nicht immer so. Im 19. Jahrhundert galt Stuttgart vor allem als Verlags- und Beamten-
                        stadt und war ansonsten für ihre Textilunternehmen berühmt -- Namen wie Wilhelm Benger, Terrot und Moritz Horkhei-
                        mer sind mittlerweile jedoch fast vergessen. Unterhaltsam und trotzdem historisch akkurat erzählt Werner Buthge die
                        Geschichte und Vorgeschichte der Industrialisierung Stuttgarts und widmet den Traditionsfirmen besondere Sorgfalt.
                        Dabei werden auch dunkle Seiten wie die Enteignung jüdischer Unternehmer durch die Nazis nicht ausgespart.
                        Wie die Industrie nach Stuttgart kam. Von Drogen, Autos, Büstenhaltern und anderen „Sünden“ der Vergangenheit. Werner Buthge,
                        Schmetterling Verlag, Stuttgart 2016, 120 Seiten, 12,80 Euro, ISBN 3­89657­152­4

  Was genau sind noch mal Derivate? Wie werden Investments „gehedgt“? Und wozu um alles in der Welt braucht man
an der Börse einen Hebel? Viele Begriffe hat man schon einmal gehört, meist ohne sie wirklich verstanden zu haben. Bei
näherem Hinsehen zeigt sich, dass die Zauberworte der Geheimwissenschaft Wertpapierhandel manchmal recht ein-
fache Sachverhalte beschreiben und vor allem dafür sorgen sollen, dass die vermeintlichen Fachleute unter sich bleiben.
Wer ernsthaft Geld anlegen will oder einfach einmal wirklich verstehen möchte, wie die Börse funktioniert, findet hier
einen verständlichen Leitfaden für den Einstieg und ein gutes Nachschlagewerk.
Crash Kurs Börse. Sebastian Grebe, Sascha Grundmann, Frank Philipps. Börsenbuch­Verlag, Kulmbach 2016, 240 Seiten, 19,99 Euro,
ISBN 978­3­86470­365­2

                          Ob über Facebook, Internet oder klassische Printprodukte -- der Kundenkontakt über Medien wird auch für kleine
                        und mittlere Unternehmen immer wichtiger. Wie man ein Kundenmagazin gestaltet und in ein Gesamtkonzept einbet-
                        tet, das mehrere Informationskanäle umfasst, erklärt der erfahrene Magazinmacher Gerhard Baumann in diesem Buch
                        sehr anschaulich und praxisnah. Klassische Themen wie Papierauswahl und Bindung werden ebenso berücksichtigt wie
                        die neuen Möglichkeiten des Digitaldrucks -- etwa personalisierte Anzeigen. Auch für die Kosten, die eine solche Strate-
                        gie natürlich mit sich bringt, enthält das Buch Finanzierungsvorschläge.
                        Der erfolgreiche Weg zum Kundenmagazin. Editorial Design im Content Marketing. Gerhard Baumann, Tappo­Verlag, Ludwigsburg
                        2016, 148 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978­3­9810698­4­6

18                                                                                                                        MAGAZIN WIRTSCHAFT 12.16
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