PlottdietscheMejale "Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt " - In diesem Heft: Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg ...

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PlottdietscheMejale "Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt " - In diesem Heft: Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg ...
November
                                               2019

PlottdietscheMejale
„Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt…“

In diesem Heft:
Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft
des Landes Baden-Württemberg über die LmDR
Konferenz zur sozialen Gerechtigkeit
für Spätaussiedler
„Deutschland mit meinen Augen“
PlottdietscheMejale "Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt " - In diesem Heft: Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg ...
Die Landsmannschaft

Aus dem Inhalt                                40 Jahre Patenschaft des Landes
2 40 Jahre Patenschaft des Landes
   Baden-Württemberg über die LmDR
                                              Baden-Württemberg über die LmDR
3 Auf ein Wort                                Grußwort
3 Heimatbuch 2020: Kulturgeschichte, Le-      des Stellvertretenden Ministerpräsidenten und Ministers für Inneres,
   bensbilder, Schicksale                     Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg, Thomas Strobl,
4 30 Jahre „Wiedergeburt“ in Kasachstan
6 Niedersachsen: Grenzüberschreitendes
                                              zur Jubiläumsfeier am 27. November 2019 in Stuttgart
   Projekt „Herbstfarben“ in Perm
7 Gedenkfeier der Landesgruppe Bayern         Sehr geehrte Damen und Herren,
8 Konferenz zur sozialen Gerechtigkeit        liebe russlanddeutsche Landsleute,
   für Spätaussiedler
9 Termine der Wanderausstellung               als Schirmherr und Festredner der Jubilä-
                                              umsfeier zu 40 Jahren Patenschaft des Lan-
10 „Russland-Deutsche“ unter Generalver-
                                              des Baden-Württemberg über die Lands-
   dacht1
                                              mannschaft der Deutschen aus Russland
12 „Deutschland mit meinen Augen“             würde ich mich sehr freuen, Sie am 27. No-
14 „Berlin, ick liebe Dir!“                   vember 2019 zahlreich in Stuttgart begrü-
15 Herzliche Einladung zur Premiere in        ßen zu können.
   Wiesbaden                                      Die vergangenen vier Jahrzehnte waren
15 Wandbildkalender 2020 des HFDR             für viele Russlanddeutsche mit großen Ver-
16 Kathis Senf                                änderungen verbunden. Nach dem Fall des           Thomas Strobl
17 Wie viele Menschen, so viele Schicksale    sogenannten „Eisernen Vorhangs“ konn-
18 PlottdietscheMejale: „Als hätten wir       ten plötzlich Hunderttausende Deutsche            Rückblick dankbar konstatieren: Sie haben
   alle das gleiche Leben gelebt…“            aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion          diese Herausforderung bewundernswert
20 Kulturfest der Deutschen aus Russland      nach Deutschland ausreisen. Dies war und          bewältigt – auch mit Hilfe der Landsmann-
   in Neuss                                   ist weiterhin in jedem einzelnen Fall ein An-     schaft. Sie haben sich mit Ihren Traditio-
21 Interview mit Elvira Gillert               lass für große Freude und Dankbarkeit.            nen, Ihren Werten und mit Ihrem Fleiß in
22 60 Jahre Orts- und Kreisgruppe Osnabrück       Nicht vergessen sei aber auch, dass die       Deutschland eingebracht und dieses Land
                                              Aussiedlung vor allem eine riesige Heraus­        mitgeprägt. Sie haben sich dadurch eine
23 Benefizkonzert zu 25 Jahren Orts-
                                              forderung für alle ist, die diesen Schritt        große Wertschätzung erarbeitet. Lassen Sie
   gruppe Schweinfurt
                                              wagen. Denn eine Aussiedlung bedeutet, bis        uns anlässlich des Patenschaftsjubilums ge-
24 Baden-Württemberg                          hin zur Sprache das gesamte gesellschaftli-       meinsam daran erinnern!
28 Bayern                                     che Umfeld zu wechseln. Heute darf ich im                                Ihr Thomas Strobl
30 Bremen
31 Hamburg
31 Hessen
32 Niedersachsen
                                               Jubiläumsfeier zu 40 Jahren Patenschaft
34 Nordrhein-Westfalen                         des Landes Baden-Württemberg über die LmDR
                                               A
34 Rheinland-Pfalz                                  nlässlich des 40. Jahrestages der Übernahme der Patenschaft des Landes Baden-Württem-
34 Schleswig-Holstein                               berg über die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland findet am 27. November 2019
37 Bücherangebot der Landsmannschaft           eine Jubiläumsfeier im Literaturhaus Stuttgart, Breitscheidstraße 4, statt.
38 Glückwünsche                                Die Schirmherrschaft hat Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration und
39 Martin Thielmann – Würdigung zum            stellvertretender Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, übernommen.
   90. Geburtstag
39 Ella Rollhäuser – alles Gute zum 90. Ge-    Das vorläufige Programm:
   burtstag!                                   Ab 14.30 Uhr:         Einlass
40 „Wolgakinder“ – ein fesselnder Roman        15.30 bis 17.30 Uhr: Festakt
   über die Wolgadeutschen
                                                              • Eröffnungsgebet
41 Valentina Stroh (Felchle), „Eine Lebens-
                                                              • Begrüßung: Ernst Strohmaier, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-
   geschichte vieler Schwabenfamilien“
                                                                Württemberg der LmDR
42 Meine Mam
                                                              • Ansprache: Adolf Fetsch, Ehrenvorsitzender der LmDR
44 Nachruf auf Robert Leinonen
                                                              • Festrede: Thomas Strobl
45 Zum Gedenken
                                                              • Ansprache: Johann Thießen, Bundesvorsitzender der LmDR
46 Beitrittserklärung
                                                              • Ausstellungspräsentation zur Geschichte und Gegenwart der LmDR
47 Haiku
                                                              • Ehrungen verdienter Freunde und Mitglieder der LmDR
48 LmDR beim Aktionstag der Stuttgarter
   Migrationsberater
                                                              • musikalischer Rahmen: Polizeiorchester des Landes Baden-Württemberg
                                               Ab 17 Uhr:            Empfang
             Bitte beachten Sie:
            Redaktionsschluss für
             die Dezember 2019
        ist der 17. November 2019.

2     VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019
PlottdietscheMejale "Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt " - In diesem Heft: Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg ...
Die Landsmannschaft

Auf ein Wort                                    chen, in Freiheit, Demokratie und Recht-
                                                staatlichkeit.
                                                   Sie fanden hier das Leben, nach dem sie
Liebe Landsleute,                               sich so lange gesehnt hatten. Sie schätzten die
liebe Freunde und Unterstützer                  neue Heimat, die jetzt keine stiefmütterliche
der Deutschen aus Russland,                     mehr war, die ihnen in der Sowjetunion ver-
                                                wehrt worden war und in die sie sich voller
   eine groß angelegte Veranstaltung der        Überzeugung eingliederten.
Landsmannschaft der Deutschen aus Russ-            Ich will aber nicht verschweigen, dass sie
land am 26. September 2019 in Heidelberg        hier in Deutschland auch auf politische und
stand unter dem Motto „30 Jahre Wiederver-      gesellschaftliche Hindernisse stießen, die sie
einigung Deutschlands – 30 Jahre Deutsche       so nicht erwartet hatten und die sich in nicht
aus Russland in Heidelberg“.                    unerheblicher Weise auch auf die Gegenwart
   Für uns Deutsche aus Russland markiert       meiner Landsleute ausgewirkt haben.
das Jahr 1989, wie ich in meiner Rede im           Ich nenne die Hindernisse, die Deutschen
Rahmen des Festaktes ausführte, den Be-         aus Russland bei der Anerkennung ihrer in
ginn einer Entwicklung, die kaum einer bis      der Sowjetunion erworbenen beruflichen
dahin für möglich gehalten hatte. Weiter be-    Qualifikationen in den Weg gestellt wurden,
tonte ich in meiner Rede:                       wodurch Hunderttausenden von ihnen die            Johann Thießen
  „Unter dem russischen Präsidenten Gor-        Ausübung angemessener Berufe unmöglich
batschow und Bundeskanzler Helmut Kohl          wurde.                                            drentengesetzgebung endlich aus der Welt
erreichten die Zahlen der deutschen Aus-           Ich nenne negative Zeitungsartikel             geschafft werden.
siedler aus der Sowjetunion damals unge-        und Fernsehberichte, die Aussiedlern und              Eine weitere Gelegenheit, auf die Lebens-
ahnte Höhen.                                    Spätaussiedlern eine erhöhte Kriminali-           leistungen der Deutschen aus Russland, aber
   Durften bis 1988 oft nur wenige hundert      tätsneigung attestierten, auch wenn wissen-       auch ihre nach wie vor bestehenden Prob-
oder bestenfalls einige tausend von ihnen       schaftliche Untersuchungen ganz andere Er-        leme und Benachteiligungen aufmerksam zu
in die Bundesrepublik kommen, waren es          gebnisse erbracht hatten.                         machen, wird die Jubiläumsfeier am 27. No-
in den 1990er Jahren zum Teil über 200.000         Ich nenne erhebliche Kürzungen von Aus-        vember 2019 im Stuttgarter Liederhaus zu 40
pro Jahr.                                       siedlerrenten, die gegenwärtig dazu geführt       Jahren Übernahme der Patenschaft des Lan-
   Es konnten plötzlich Menschen kommen,        haben, dass Deutsche aus Russland in weit         des Baden-Württemberg über die LmDR
denen über Jahrzehnte die Ausreise aus der      überdurchschnittlichem Maße von Altersar-         bieten.
Sowjetunion verwehrt worden war.                mut bedroht oder bereits betroffen sind.“             Im Mittelpunkt der Feier wird jedoch
   Und sie kamen in ihrer übergroßen Mehr-         Gerade hinsichtlich des zuletzt Genann-        unser Dank an die baden-württembergi-
heit mit dem Wunsch, nach all den jahrzehn-     ten wird die Landsmannschaft nicht locker         schen Landesregierungen stehen, die seit 40
telangen Verfolgungen, Vertreibungen, Dis-      lassen und gemeinsam mit ihren Unter-             Jahren zuverlässig an unserer Seite stehen
kriminierungen und Demütigungen in der          stützern weiterhin darauf drängen, dass die       und die Patenschaft mit Leben erfüllen.
Sowjetunion endlich im Land ihrer Vorfah-       durch nichts zu rechtfertigenden Benachtei-                                  Johann Thießen,
ren leben zu dürfen – als Gleiche unter Glei-   ligungen unserer Landsleute durch die Frem-                     Bundesvorsitzender der LmDR

Heimatbuch 2020:
Kulturgeschichte, Lebensbilder, Schicksale

I
    m November 2019 erscheint mit dem           • Johann Kampen (posthum): Perma-
   „Heimatbuch 2020 der Deutschen aus             nente Familientrennung; Geschichte
    Russland“ der neueste Band einer lan-         der Mennoniten in Chortitza.
gen Publikationsreihe der LmDR, die 1953        • Dr. Robert Korn: Peter Sinner und
ihren Anfang genommen hat.
   32 Einzelbände und fünf Sonderbände
umfasst die Publikationsreihe damit - rund
                                                  Friedrich Fiedler - zwei Jubiläen 2019.
                                                • Irene Kreker: Nicht vorprogrammier-
                                                  ter Stammbaum.
                                                                                                                Heimatbuch
10.000 Seiten über die Geschichte und Kul-      • Rita Laubhan: Zur Geschichte der                                             2020
tur der Russlanddeutschen, verfasst von Wis-      Kaukasusdeutschen.
senschaftlern, Kulturschaffenden und unmit-     • Dr. Wendelin Mangold: 1991: Vor und
telbar Betroffenen.                               nach der Aussiedlung; Gedichte.
   Neben Beiträgen zur Kulturgeschichte         • Nina Paulsen: Lebensgeschichten Karl
enthält das Heimatbuch 2020 insbesondere          Betz und Robert Huber; Interview mit
Lebensbilder und Schicksalsberichte mit be-       dem Historiker Victor Herdt.
sonderer Betonung der Jahre vor, während        • Johann Pfaffenroth: Auszüge aus sei-
und nach der Aussiedlung nach Deutschland.        ner Lebensgeschichte.
   Einige der insgesamt rund 25 Artikel und     • Rose Steinmark: Das Kollektivistenthe-
behandelten Themen seien hier genannt:            ater in Odessa.
• Eduard Deibert: Zur Geschichte der            • Erna Wormsbecher: Geschichte ihrer
                                                                                                                 LANDSMANNSCHAFT
   Ausreisebewegung.                              Aussiedlung.                                          DER DEUTSCHEN AUS RUSSLAND
• Agnes Gossen-Giesbrecht: Lebensge-            • Liste von Büchern zur russlanddeut-                                                ••
                                                                                                                                          ••            •••
                                                                                                                                                              •
                                                                                                                                     •

                                                                                                                                                         •

                                                                                                                                               L m DR

   schichte Wilhelm Reimchen; Ankunft             schen Thematik.
   in Podolsk.                                                    Redaktion der Heimatbücher

                                                                                                      VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019 3
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Grenzüberschreitende Massnahmen

„Die Deutschen sind ein nicht wegzudenkender Teil
 des geeinten Volkes Kasachstans“
 30 Jahre „Wiedergeburt“ in Kasachstan: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der LmDR

Linkes Bild: Albert Rau, Lilli Bischoff, Jakob Fischer und Waldemar Eisenbraun (von links nach rechts) bei der Feier zu 30 Jahren „Wiederge-
burt“ Kasachstans. Rechtes Bild: Jakob Fischer mit Sängerinnen aus Balchasch.

I
      n der kasachischen Hauptstadt Nur-         schiedenen Regionen und den Gästen des           für die Jugend und ihr Eintreten für gesell-
      Sultan feierten die Deutschen Kasachs­     Kulturfestivals.                                 schaftliche Harmonie im Land. „Besonders
      tans vom 25. bis 29. September 2019            Seitdem Dr. Albert Rau 2017 an die Spitze    freut mich, dass die ‚Wiedergeburt‘ sich nicht
 das 30-jährige Jubiläum der Vereinigung         der „Wiedergeburt“ trat, konnte die deut-        als Insel versteht, sondern als konstruktiven
 der Deutschen Kasachstans „Wiederge-            sche Minderheit ihre Stellung in der kasa-       Teil dieses schönen Landes Kasachstan, und
 burt“, die 2017 in eine gesellschaftliche       chischen Gesellschaft weiter festigen. Als       dass sie eine enge Beziehung zu allen ande-
 Stiftung umgewandelt wurde. Im Rahmen           Madschlis-Abgeordneter (Unterhaus im par-        ren Ethnien pflegt.“
 der Feierlichkeiten fand das 10. Repub­         lamentarischen Zweikammernsystem Ka-                Lilli Bischoff überbrachte in ihrer An-
 likanische Festival der deutschen Kultur,       sachstans) verfügt Rau über gute Kontakte        sprache die Grüße des Bundesvorsitzenden
„Wir sind zusammen“, statt, das Solisten,        zur Landespolitik und setzt zudem auf Aus-       Johann Thießen und stellte insbesondere
 Chöre, Tanz- und Instrumental­gruppen           gleich, was der politischen Unterstützung der    die Bedeutung der Kasachstandeutschen
 aus 15 Regionen Kasachstans versammelte.        Anliegen der Deutschen durch die kasachi-        für die bundesdeutsche Gesellschaft he­
    Zum großangelegten Programm der Fei-         sche Regierung förderlich ist. Die Leitung der   raus. Sie betonte: „Zahlreiche Russlanddeut-
 erlichkeiten gehörten neben dem Festakt        „Wiedergeburt“ orientiert sich an den Maxi-       sche – gerade auch aus Kasachstan – haben
 und dem Kulturfestival                          men: Geschlossenheit nach innen, Offenheit       beeindruckende Leistungen im kulturellen,
 • ein Trachtenumzug,                            nach außen sowie Bekenntnis zur gemeinsa-        sportlichen, gesellschaftspolitischen und
 • der Wettbewerb „Neue Namen“,                  men Gegenwart und Zukunft in einer vielfäl-      wirtschaftlichen Bereich vorzuweisen. Dazu
 • eine Fotoausstellung zur 30-jährigen Ge-      tigen Gesellschaft.                              gehören die Autoren Eleonora Hummel,
     schichte der „Wiedergeburt“,                   In vielen Bereichen zeigen sich bereits die   Fredy Gareis und Wendelin Mangold, die
 • ein Seminar für Deutschlehrer,                ersten positiven Folgen. So wurde die Be-        Publizistin und Theaterexpertin Rose Stein-
 • die Podiumsdiskussion „Zwischen Ver-          schränkung des Deutschunterrichts an hö-         mark, die Regisseurin Anna Hoffmann, die
     gangenheit und Zukunft“,                    heren Schulen im vergangenen Jahr aufge-         Pianistin Olga Gollej, die Sportler Ina Men-
 • Workshops und öffentliche Auftritte           hoben und Deutsch gegenüber Englisch als         zer, Christina Hammer, Heinrich Popow und
 • sowie ein mehr als zweistündiges Ga-          dritte Sprache aufgewertet, und an den Uni-      Elena Kraw­zow, um nur einige zu nennen.“
     lakonzert mit Wettbewerbsgewinnern          versitäten des Landes werden wieder junge           In diese Reihe gehört auch Jakob Fischer,
     im Rahmen des Kulturfestivals als ein-      Deutschlehrer für Schulen ausgebildet, in        seit über 25 Jahren Projektleiter der LmDR
     drucksvoller Abschluss.                     denen Deutsch ebenfalls verstärkt propa-         und Kulturvermittler über die Grenzen hi-
    Die Landsmannschaft war in Nur-Sul-          giert wird.                                      naus. Für sein herausragendes Engagement
 tan durch die stellvertretende Bundesvor-          Entsprechend großes Lob gab es von Sei-       wurde er in diesem Jahr mit dem Bundes-
 sitzende und niedersächsische Landesvor-        ten der Redner beim Festakt. „Die Deut-          verdienstkreuz am Bande des Verdienstor-
 sitzende Lilli Bischoff und Jakob Fischer,      schen sind ein nicht wegzudenkender Teil         dens der Bundesrepublik Deutschland aus-
 Projektleiter der landsmannschaftlichen         des geeinten Volkes Kasachstans“, sagte etwa     gezeichnet. Die ersten beiden deutschen
 Wanderausstellung, vertreten. Auch Walde-       der frühere stellv. Vorsitzende der Volksver-    Festivals in Kasachstan, im Januar 1988 im
 mar Eisenbraun, Leiter des Bayerischen Kul-     sammlung Kasachstans, Leonid Prokopenko.         Gebiet Karaganda und im Oktober 1990 in
 turzentrums der Deutschen aus Russland,            Anerkennend äußerte sich auch der deut-       Alma-Ata, hatte er mit Unterstützung des
 war gekommen.                                   sche Botschafter Tilo Klinner in seinem          Deutschen Theaters Temirtau-Alma­ty orga-
    Die Gäste aus Deutschland beteiligten        Grußwort. Er lobte den „wirklich engen           nisiert. In den vergangenen Jahren wurde er
 sich an allen Veranstaltungen im Rahmen         Kontakt der ‚Wiedergeburt‘ mit der Deut-         bei seinen Auftritten bei Festivals der deut-
 der Feierlichkeiten, hatten aufschlussreiche    schen Botschaft und auch mit den deutschen       schen Kultur in Kasachstan bejubelt. Auch
 Begegnungen und Gespräche mit Vertretern        Institutionen in Kasachs­tan“, das zuletzt ge-   diesmal war er in mehrere Veranstaltungen
 der „Wiedergeburt“-Vereinigungen aus ver-       stiegene Engagement der Selbst­organisation      fest eingebunden.

4     VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019
PlottdietscheMejale "Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt " - In diesem Heft: Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg ...
Grenzüberschreitende Massnahmen

    Er erzählt: „Als Mitbegründer der ‚Wie-
                                                    Deutsche Minderheit in Kasachstan – 30 Jahre „Wiedergeburt“

                                                    D
dergeburt‘ im Jahr 1989 habe ich an den of-
fiziellen Veranstaltungen und Podiumsdis-                    ie deutsche Minderheit in Kasach-                 Die Assoziation vereinigte alle 21 Regio-
kussionen teilgenommen. Ich war auch am                      stan umfasst ca. 180.000 Men-                 nalgesellschaften. Mit deutscher Unterstüt-
Seminar der Deutschlehrer aus 15 Gebieten                    schen (Stand 2012). Noch 1989                 zung wurde in Alma-Ata 1994 das Deutsche
Kasachstans beteiligt. Das Thema war: Ver-          lebten ca. 960.000 Deutsche in der Kasa-               Haus als Kulturzentrum und Sitz der Asso-
wendung deutscher Volks- und Kinderlie-             chischen SSR und waren die drittgrößte                 ziation der gesellschaftlichen Vereinigun-
der beim Deutschunterricht in Kasachs­tan.          ethnische Gruppe der Republik. Sie präg-               gen der Deutschen der Republik Kasachs-
Alle Seminarteilnehmer wurden mit Texten            ten nachhaltig die Entwicklung Kasach-                 tan „Wiedergeburt“ eröffnet.
und Noten versorgt. Es wurde viel und flei-         stans in allen Bereichen des Lebens.                       Im Oktober 2017 hat sich die deutsche
ßig gesungen!                                           Nach dem Zerfall der UdSSR gelang es               Minderheit in Kasachstan organisatorisch
    Zwei Tage lang war ich Juryvorsitzen-           der „Wiedergeburt“ in Kasachstan, unter                und personell neu ausgerichtet. Sie firmiert
der beim Wettbewerb ‚Neue Namen‘. Es                neuen Bedingungen weiterzubestehen. Im                 jetzt unter dem Namen Gesellschaftliche Stif-
gab viele gute Beiträge in den Bereichen            Juni 1989 wurde in Kasachstan die repub-               tung „Vereinigung der Deutschen Kasach-
Gesang, Instrumentalmusik und künstleri-            likweite Vereinigung der Sowjetdeutschen               stans – Wiedergeburt“ und wird vom Abge-
sches Wort. Besonders beeindruckt war ich           „Wiedergeburt“ gegründet. Später entstan-              ordneten des kasachischen Parlaments und
von der Beziehung der jungen Menschen               den Zweigstellen der „Wiedergeburt“ in Al-             langjährigen stellvertretenden Wirtschafts-
zur deutschen Kultur. Auf den beiden gro-           maty, Astana, Kustanai, Atyrau, Karaganda,             minister Kasachs­tans, Dr. Albert Rau, geleitet.
ßen Konzertveranstaltungen, bei der Eröff-          Pawlodar, Uralsk, Tschimkent, Aktjubinsk                   Die Stiftung vereinigt die regionalen
nung des Festivals und beim Galakonzert,            und anderen Orten.                                     Gesellschaften der Deutschen Kasachs­
durfte ich mit mehreren deutschen Volks-                Im Oktober 1992 wurde der Rat der                  tans. Sie beteiligt sich an wichtigen Staats­
liedern auftreten.“                                 Deutschen Kasachstans gegründet, der spä-              programmen und ist ein bedeutender Be-
    Gerade mit Blick auf die rund 800.000           ter in Assoziation der gesellschaftlichen              standteil der kasachischen Zivilgesellschaft.
Kasachstandeutschen in Deutschland und              Vereinigungen der Deutschen der Repub-                 Sie erfüllt auch eine Brückenfunktion zwi-
die etwa 180.000 Deutschen in Kasachstan            lik Kasachstan „Wiedergeburt“ umbenannt                schen Kasachstan und Deutschland und
eröffnen sich Chancen für eine gute Zusam-          wurde. Zum Vorsitzenden wurde Alexander                trägt damit wesentlich dazu bei, die Spra-
menarbeit, bei der nicht zuletzt intensive          Dederer gewählt, der die „Wiedergeburt“ bis            che, die Kultur und die Traditionen der
Kontakte zwischen Verwandten und Freun-             2017 leitete.                                          Deutschen Kasachstans zu bewahren.
den eine wichtige Rolle spielen. Die Lands-
mannschaft legt großen Wert da­rauf und
ist dabei, die grenzüberschreitende Zusam-        betonen, die ihnen als Bindeglied zwischen               nahme der „Wiedergeburt“ in Kasachstan
menarbeit mit der Deutschen in Kasachstan         Deutschland und Kasachstan zukommt.                      mit, Sprachassistenten und Multiplikatoren
und deren Stiftung zu intensivieren.                 In diesem Jahr wurden mehrere Maß-                    aus ihren Reihen unterstützten die Sprach-
   Vor allem bei der Sprach-, Kultur- und         nahmen gefördert im Rahmen eines von                     und Identitätsprojekte der Deutschen in
Jugendarbeit wäre eine Ausweitung der ge-         der GIZ im Auftrag der deutschen Bundes-                 Kasachstan.
meinsamen grenzüberschreitenden Maß-              regierung bezuschussten Projektes reali-                    Bis Ende des Jahres sind weitere grenz­
nahmen förderlich. Bei der Pflege des             siert, die ein gutes Zeichen für die Zukunft             überschreitende Maßnahmen vorgesehen.
kulturellen, gesellschaftlichen und ge-           sind. So haben Referenten der LmDR beim                  So sollen Vertreter aus Kasachstan am „Tag
schichtlichen Erbes haben beide Organi-           Theaterfestival der Jugendgruppen in Ast-                der Deutschen aus Russland“ in Berlin, am
sationen ebenfalls gemeinsame Ziele und           ana mitgewirkt. Weitere ihrer Referenten                 Liederfestival der LmDR in Duisburg und
Aufgaben. Zusammen mit der „Wiederge-             waren am Fortbildungsseminar für Sprach-                 am Austausch im Rahmen der Zusammen-
burt“ sind die LmDR und ihr Jugendver-            kuratoren und Deutschlehrer im Bereich                   arbeit der „Deutschen Allgemeinen Zei-
band bestrebt, die Akzeptanz ihrer Lands-         Kinderspracharbeit beteiligt. Und es hat                 tung“ in Kasachstan und der Verbands-
leute in Deutschland in Kasachstan zu             ein Lehreraustausch Kasachstan-Deutsch-                  zeitung der LmDR, „Volk auf dem Weg“,
steigern, ihnen ihre Identität in vollem Um-      land stattgefunden. Referenten des Ver-                  teilnehmen.
fang zurückzugeben und die Bedeutung zu           bandes wirkten bei einer Fortbildungsmaß-                                                              VadW

  Georg Lauer, „Am Ufer des Flusses“ – Geschichten, die das Leben schreibt
                              Die Kurzgeschichten von Georg Lauer in seinem Buch „Am Ufer des Flusses“ (Übersetzung ins Deutsche von Agnes Gossen und
                              Stephanie Lauer) sind direkt aus dem Leben gegriffen. Es sind seine Geschichten, seine Erlebnisse und Erfahrungen, es ist seine
                              Fantasie – erzählt in zugänglicher, ungekünstelter und authentischer Sprache. Lauer schreibt, was er fühlt, was er denkt, was er
                              sieht – kompromisslos persönlich, auf seine ganz eigene, anrührende Weise.
                              Wie er seine Erfahrungen in Kasachstan und in Deutschland beschreibt, spricht er vielen Deutschen aus Russland seiner
                              Generation aus der Seele. Auch dem einheimischen Leser vermitteln diese Geschichten zwar fremde Welten, die allerdings
                              auf den zweiten Blick alles andere als fremd erscheinen. Und sie transportieren außerdem Gefühle, die universell sind, ob die
                              Handlung nun in den Weiten Kasachstans oder irgendwo in Bayern spielt.
                              Georg Lauer wurde kurz vor dem Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges am 26. März 1941 im Gebiet Orenburg, Russland,
                              geboren. Südural und Kasachstan waren seine weiteren Lebensstationen. Nach Abschluss einer Baufachschule arbeitete er als
                              Zimmerman, LKW- und Busfahrer sowie Bienenzüchter.
                              Seit 1995 lebt er in Deutschland, wo er bis zur Rente im Jahr 2006 als Hausmeister in einem Meditationszentrum arbeitete. Auf
                              Russisch sind seine Kurzgeschichten unter dem Titel „Aus den Tagebüchern eines Russlanddeutschen“ (2018) erschienen. Er
                              veröffentlichte seine Texte in Almanachen des Literaturkreises der Deutschen aus Russland und in „Volk auf dem Weg“.
  ISBN 978-3-7481-8336-5, Verlag Books on Demand, Norderstedt 2019, 183 Seiten, Preis 9,- Euro, zu beziehen über Buchhandlungen oder beim
  Autor: E-Mail: lauergeorg@mail.ru, Tel.: 0824-79976061.

                                                                                                                 VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019 5
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Grenzüberschreitende Massnahmen

Niedersachsen:
Grenzüberschreitendes Projekt „Herbstfarben“ in Perm

Teilnehmer der deutschen Delegation beim Perm-Besuch.                   Gäste aus Deutschland beim Besuch der Permer Administration.

V
         om 8. bis 13. Oktober 2019 hielt sich eine Delegation der
         Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der
         Deutschen aus Russland unter der Leitung der Vorsitzen-
den Lilli Bischoff in Perm auf. Die Reise fand im Rahmen des gren-
züberschreitenden Projektes des Landes Niedersachsen und der
Regionen Perm und Tjumen unter dem Titel „Herbstfarben“ statt.
   Die landsmannschaftlichen Partnerschaften mit den russland-
deutschen Organisationen in den Regionen Tjumen und Perm sind
in die landesweiten Partnerschaften des Landes Niedersachsen mit
den beiden russischen Regionen eingebettet. Die Russlanddeutschen
auf beiden Seiten betrachten sich als Bindeglied zwischen Deutsch-
land und Russland und die Partnerschaft auch als Mittel zur Festi-
gung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern.
   Das Kooperationsabkommen zwischen der Landesgruppe Nie-
dersachsen der Landsmannschaft und der regionalen Organisation
„Gemeinnützige Gesellschaft der Russlanddeutschen ‚Wiederge-
burt‘“ (Vorsitzende: Tatjana Laut) der Stadt Perm wurde 2013 un-           Die Gastgeber aus Perm waren besonders kreativ bei der Aus-
terzeichnet und 2018 nochmals bekräftigt. In den vergangenen Jah-       wahl der handwerklichen Workshops, die das Projekt „Kraski oseni“
ren ist es mehrfach zum kulturellen Austausch und zu gegenseitigen      („Herbstfarben“) ergänzten. So wurden z.B. eine Filztechnik vorge-
Besuchen gekommen.                                                      stellt und ein bunter Obstsalat kreiert.
   Diesmal setzte sich die deutsche Delegation aus Mitgliedern des         Damit der kulturelle Teil nicht zu kurz kam, veranstaltete man
Chores „Heimatmelodie“ der Ortsgruppe Hannover, der Hob­by-             mehrere Auftritte vor geladenem Publikum. Die Chormitglieder
Tanzgruppe Wolfsburg und der Folk­lore-Tanzgruppe aus Gifhorn           unter der Leitung von Emmanuel Kaufmann aus Gifhorn, der auch
zusammen. Dank der guten Vorbereitung und Organisation ent-             für die musikalische Begleitung sorgte, konnten einen durchschla-
stand ein vielseitiges Programm mit vielen Facetten: Geschichte,        genden Erfolg feiern. Die Zuschauer konnten gar nicht genug be-
Soziales, Ethnografie, Kultur, Kunst, Religion, nationale Fragen und    kommen von ihrem Programm; sie applaudierten und verlangten
vieles mehr.                                                            nach immer weiteren Zugaben.
   Im Mittelpunkt des Projektes standen unter anderem ein Besuch           Einen ebenso großen Zuspruch erntete die Hobby-Tanzgruppe
der regionalen gesellschaftlichen Organisation „Wiedergeburt“ der       aus Wolfsburg unter der Leitung von Jakob Krämer, die den Zu-
Deutschen in Perm und die Intensivierung der Beziehungen, Be-           schauern mit stimmungsvollen Tänzen aus verschiedenen euro-
gegnungen mit leitenden und verantwortlichen Personen aus Politik       päischen Ländern einen Einblick in die europäische Kultur ver-
und Kultur der Stadt Perm und Umgebung, kultureller Austausch,          schaffte.
gemeinsame künstlerische Auftritte und kreative Workshops.                 Als weiteres Highlight kann das Treffen mit den Vertretern der
   In diesem Rahmen konnten die Teilnehmer das Wirken des russ-         nationalen Minderheiten aus dem Kreis Perm bezeichnet werden.
landdeutschen Künstlers Anatolii Kaltais kennenlernen und besuch-       Diese Begegnung erinnerte an ein Volksfest: Deutsche und Juden,
ten die Evangelische St. Maria-Kirche in Perm sowie das Architektur­    Komi-Permjaki und Georgier saßen Seite an Seite an einem Tisch
ethnografische Museum „Chochlowka“, in dem das ursprüngliche            und tauschten intensiv ihre Geschich-
Leben in der Region Perm beleuchtet wird. Die bemerkenswerte Ar-        ten und Erfahrungen aus.
chitektur kam dabei beim Anblick eines Hauses, das vor 150 Jahren          Auch hier verbreiteten die Sänger
ohne einen einzigen Nagel gebaut wurde, deutlich zum Ausdruck.          im Anschluss an die Gespräche gute
   Höhepunkte der Woche waren zwei Begegnungen mit deutschen            Stimmung und die Hobby-Tanzgruppe
Bewohnern in den Städten Krasnokamsk und Perm. Wie der Zufall           aus Wolfsburg sorgte mit ihren Tänzen
so spielt, stellte sich heraus, dass einige der Gäste aus Deutschland   für eine angeregte Atmosphäre.
und die Gastgeber miteinander weitläufig verwandt sind, was sehr           Ein emotionaler Moment war der
emotional aufgenommen wurde.                                            Besuch eines Kindersprachkurses, bei

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Grenzüberschreitende Massnahmen

Kindersprachkurs – Geschenke werden verteilt.

dem die Gäste aus Deutschland von der Motivation, mit der die Kin-       Man sprach auch über die besondere Bedeutung des kulturel-
der Deutsch lernen, beeindruckt waren. Im Gegenzug konnten sich       len Austausches zwischen den Russlanddeutschen in Perm und in
die Kinder über Süßigkeiten und kleine Geschenke freuen.              Niedersachsen. Dieser Austausch, so die Teilnehmer, biete nicht nur
   Nicht zu vergessen sind mehrere wichtige Begegnungen mit Ver-      eine gute Basis zur Bewahrung und Weiterentwicklung der deut-
tretern der kommunalen Politik und der Besuch des Administ­           schen Sprache und Kultur, sondern würde auch wichtige Brücken
rationsleiters des Kreises Perm, Leonid Politow. Bei diesen Treffen   zwischen den Ländern bauen und damit zur Bewahrung des Frie-
standen Gespräche über die Wünsche und Bedürfnisse der Deut-          dens beitragen.
schen in Perm und Umgebung im Mittelpunkt. Des Weiteren wurde                                                               Der Vorstand
ein weiteres Mal auf die große Bedeutung der Kooperation zwischen                                           der Landesgruppe Niedersachsen
der „Wiedergeburt“ und LmDR hingewiesen.                                                     der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland

                                                                                                         Die Landsmannschaft

Tag der Deutschen aus Russland in Ingolstadt –
Gedenkfeier der Landesgruppe Bayern

E
       twa 60 Teilnehmer versammelten sich am 28. August 2019
       in Ingolstadt zum landesweiten „Tag der Deutschen aus
       Russland” der Landesgruppe Bayern der LmDR (Vorsit-
zender: Ewald Oster), darunter Vertreter der Kommunalpolitik
und anderer Vertriebenenverbände sowie Landsleute aus ver-
schiedenen Ortsgliederungen der LmDR in Bayern.
   Zu den Ehrengästen gehörten unter anderem der Oberbürger-
meister von Ingolstadt, Dr. Christian Lösel (CSU), der stellvertre-
tende Vorsitzende der Landesgruppe Bayern des BdV, Dr. Johannes
Hörner, und der Leiter des Bayerischen Kulturzentrums der Deut-
schen aus Russland, Waldemar Eisenbraun.
   Mit der Gedenkfeier erinnerte die Landesgruppe an den schwar-
zen Tag aus Russland. Der schändliche Erlass des Präsidiums des
Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Übersiedlung der Deut-
schen, die in den Wolgarayons leben“ vom 28. August 1941, der
die Vertreibung der Deutschen in der Sowjetunion aus den europä-      Teilnehmer der Gedenkfeier der Landesgruppe Bayern in Ingolstadt.
ischen Gebieten nach Sibirien, Kasachstan und Mittelasien einlei-
tete, markierte durch die nachfolgenden einschneidenden Diskri-       1941 ein: „Es war der Beginn einer Verfolgung, der Demütigung
minierungen das Ende des Deutschtums in der Sowjetunion. Mit          und des grausamen Terrors gegen die Deutschen in der damaligen
der Gedenkfeier wurde vor allem der russlanddeutschen Opfer der       UdSSR. Für uns Deutsche aus Russland stellt dieser Tag einen be-
Deportation und der anschließenden Zwangsarbeit gedacht.              sonderen Einschnitt in unserer Geschichte dar. Der Erlass bedeu-
   Die Organisation der Gedenkfeier lag in den Händen der Kreis-      tete den Beginn einer Leidenszeit, wobei die Vorwürfe der Kollabo-
und Ortsgruppe Ingolstadt der LmDR mit ihrem Vorsitzenden Dr.         ration mit Nazi-Deutschland jeder Grundlage entbehrten.“
Johannes Hörner und der Kulturreferentin Ida Haag, die von Akti-         Oberbürgermeister Christian Lösel griff den Gedanken auf
ven der Landsmannschaft in Ingolstadt tatkräftig unterstützt wur-     und verurteilte das stalinistische Regime. Damit die zahlreichen
den. Den musikalischen Rahmen der Gedenkfeier gestaltete der In-      Opfer nicht vergessen würden, müsse die Erlebnisgeneration ihre
golstädter Chor „Singende Herzen“ unter der Leitung von Ida Haag.     schmerzvollen Erfahrungen an die jüngeren Generationen weiter-
   Nach dem Grußwort und der Begrüßung durch den Vorsitzen-           geben.
den der Kreis- und Ortsgruppe Ingolstadt, Dr. Johannes Hörner,           Der Gedenkakt wurde mit einer Kranzniederlegung im Luit-
ging Ewald Oster als Hauptredner auf das leidvolle Schicksal der      poldpark am Brückenkopf in Ingolstadt abgeschlossen.
Deutschen in der Sowjetunion nach dem Erlass vom 28. August                                                            Der Landesvorstand

                                                                                                  VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019 7
PlottdietscheMejale "Als hätten wir alle das gleiche Leben gelebt " - In diesem Heft: Jubiläum: 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg ...
Soziales

 Konferenz zur sozialen Gerechtigkeit für Spätaussiedler
 Fabritius drängt auf Korrekturen für deutsche Aussiedler und Spätaussiedler im Rentenrecht

D
          er Beauftragte der Bundesregie-
          rung für Aussiedlerfragen und
          nationale Minderheiten, Prof.
Dr. Bernd Fabritius, hat am 11. Oktober
2019 in Nürnberg an einer Multiplikato-
renkonferenz zu aktuellen Entwicklun-
gen im Rentenrecht mit dem Titel „So-
ziale Gerechtigkeit für Aussiedler und
Spätaussiedler“ teilgenommen. Ver-
anstaltet wurde die Konferenz von der
Landsmannschaft der Deutschen aus
Russland, dem Verband der Siebenbürger
Sachsen in Deutschland und der Lands-
mannschaft der Banater Schwaben.
   Im Austausch mit Dr. Rolf Schmachten-
berg, Staatssekretär im Bundesministerium
für Arbeit und Soziales, ging Fabritius auf
zahlreiche Fragen aus dem Publikum ein.
Er erinnerte in seinem Eingangsstatement
daran, dass die Aufnahme deutscher Aus-
siedler und Spätaussiedler wegen ihrer vor-
teilhaften demographischen Struktur ein
Gewinn für die Renten- und Sozialkassen
sei, und verwies auf die Ergebnisse einer        Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof.
bereits 1996 unter dem Titel „Punktation         Dr. Bernd Fabritius (2. von rechts), mit (von links nach rechts) dem Vorsitzenden der Lands-
zur Versachlichung der Aussiedlerdebatte“        mannschaft der Deutschen aus Russland, Johann Thießen, Staatssekretär Dr. Rolf Schmachten-
veröffentlichten Untersuchung.                   berg, der Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Herta Daniel, und Pe-
   Teilnehmer kritisierten hauptsächlich         ter-Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben.
einen weitgehenden Ausschluss der älte-                                    Bild: Kreisverband Nürnberg des Verbandes der Siebenbürger Sachsen.
ren Aussiedlergeneration aus der Solidar-
gemeinschaft Rente durch die 1996 einge-         desbeauftragte großes Verständnis für den                 sondere Kriegsfolgeschicksal der deutschen
führten substanziellen Rentenstreichungen        deutlich artikulierten Unmut der Teilneh-                 Aussiedler und Spätaussiedler stehe und er
bei gleichzeitiger voller Einbeziehung der       mer in dem bis auf den letzten Platz gefüll-              auch einer wieder stärkeren Berücksichti-
arbeitenden Generation zur Beitragszah-          ten Genossenschaftssaalbau in Nürnberg.                   gung der persönlichen Lebensleistung und
lung, die Abkopplung der Rentenhöhe von          Fabritius sicherte zu, sich weiterhin mit                 der besonderen Biografie dieses Personen-
der eigenen Lebensarbeitsleistung durch          aller Kraft dafür einzusetzen, dass festge-               kreises bei der Sicherung des Lebensun-
eine biografieunabhängige Deckelung der          stellte Benachteiligungen bei der Einbezie-               terhaltes im Alter große Bedeutung bei-
Renten auf Grundsicherungsniveau sowie           hung der älteren Generation in die Solidar-               messe. Er habe der Bundesregierung daher
administrative Hürden und Anrechnungs-           gemeinschaft Rentenversicherung wieder                    vier konkrete Korrekturvorschläge unter-
nachteile bei Durchsetzung von Rentenzah-        beseitigt werden. Dies gebiete schon das                  breitet und werde sich mit Nachdruck für
lungen aus den Herkunftsgebieten.                Prinzip gelebter und generationenübergrei-                deren Umsetzung einsetzen. Dafür werbe
   Unter Bezugnahme auf Grundsätze des           fender Solidarität in unserer Gesellschaft.               er derzeit im politischen Raum, weil eine
dem deutschen System der gesetzlichen               Fabritius betonte auf Nachfrage, dass                  entsprechende Entscheidung eine Mehrheit
Rentenversicherung zu Grunde liegenden           die Bundesregierung unverändert zur                       im Deutschen Bundestag benötige.
Generationenvertrages äußerte der Bun-           Einstandspflicht Deutschlands für das be-                       Pressemitteilung des Aussiedlerbeauftragten

                               Eleonora Hummel, „Die Wandelbaren“ – Roman zur Geschichte des Deutschen Schauspieltheaters Temirtau
                               ISBN 978-3-9901-4196-0, 462 Seiten, Preis 24,- Euro, zu beziehen über den Verlag, Buchhandlungen und online.
                               Sowjetunion, Mitte der 1970er Jahre. In Orten, in denen Deutsche nach ihrer Deportation in Kasachstan und Sibirien leben, wird
                               nach talentierten deutschen Jugendlichen gesucht – für ein deutsches Theater. Die jungen Deutschen sollen in Moskau an einer
                               renommierten Theaterhochschule ausgebildet werden.
                                   Schließlich entsteht mitten in der kasachischen Steppe das Deutsche Schauspieltheater Temirtau, das sich zur Insel der deutschen
                               Kultur und Sprache mit allen Grenzen und auch Freiheiten der späten Sowjet­union entwickelt. Die jungen Schauspieler schmieden
                               politische Pläne, wetteifern, spielen um ihr Leben. Nach Jahrzehnten treffen sich die Protagonisten wieder, um festzustellen, was
                               aus ihren Träumen geworden ist.
                                   Die 1970 in Zelinograd, Kasachstan, geborene Eleonora Hummel präsentiert in ihrem neuen Roman „Die Wandelbaren“ (Ver-
                               lag müry salzmann, Salzburg-Wien 2019) eindrucksvoll die Welt der deutschen Minderheit in der zu Ende gehenden Sowjet-
                               union. Aufschlussreich erzählt sie von Sorgen, Nöten und Freuden des einzigen deutschen Theaters der Nachkriegssowjetunion.
                                   Eleonora Hummel kam 1982 nach Dresden und ist seit 2001 schriftstellerisch tätig. Im Steidl Verlag erschienen ihre Romane „Die
                               Fische von Berlin", „Die Venus im Fenster" und „In guten Händen, in einem schönen Land".

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Öffentlichkeitsarbeit

             DEUTSCHE AUS RUSSLAND.                                                                                 Aktuelle Termine
                                                                                                           finden Sie auf unserer Internetseite

             GESCHICHTE UND GEGENWART                                                                         www.LmDR.de/WA-Termine/

             WANDERAUSSTELLUNG DER LANDSMANNSCHAFT – WWW.DEUTSCHEAUSRUSSLAND.DE
Wesendorf, Niedersachsen
Bis 12. November: Rathaus Wesendorf, Alte Heerstr.
20, 29392 Wesendorf.
Organisation: Achim Perner.

Drolshagen, NRW
5. bis 12. November: Heimathaus, Annostr. 3,
Tel.: 02761-790027.
Organisation: Ina Rudi, Tel. 0160-97965520.

Mainz, Rheinland-Pfalz
13. November bis 5. Dezember: Landtag von Rhein-
land-Pfalz, Kaiser-Friedrich-Str. 3. Eröffnung am 13.
November um 19.30 Uhr mit Grußworten, Vortrag
und Film. Grußworte: - Hendrik Hering, Präsident des
Landtages von Rheinland-Pfalz; - Valentina Dederer,
Vorsitzende der Landesgruppe Rheinland- Pfalz und
Mitglied des Bundesvorstandes der LmDR.
Organisation: Frau Stephan, Tel.: 06131-2082323;
Frau Eifler, Tel.: 06131-2082496.

Hamburg
15. November: Rathaus Altona, Platz der Republik 1.
Eröffnung am 15. November, um 15 Uhr mit Grußwor-
ten, Vortrag, Film und Kulturprogramm.
Organisation: Dr. Otto Horst,
Tel.: 0174-2909052, 040-8811941.

Duisburg, NRW
16. November: Clauberg-Halle, Kampstr. 23. Präsenta-
tion am 16. November von 13 bis 18 Uhr im Rahmen
eines Liederfestivals mit Vortrag, Film und umfangrei-
chem Kulturprogramm.
Organisation: Emma Brull,
Tel.: 0203-93308562, 0151-27196495.

Künzelsau, Baden-Württemberg
21. November: Georg-Wagner-Schule, Ernst-Schmid-
Str. 11, Tel.: 07940-982900. Schulunterrichtsprojekt
Migration und Integration im Rahmen der Ausstellung.
Organisation: Elvira Schmidt.
                               Projektleiter Jakob Fischer,
                  Ilja Fedoseev und Dr. Eugen Eichelberg

 Mit freundlicher Unterstützung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und gefördert als
 Projekt über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, präsentiert von der Landsmannschaft der Deutschen
 aus Russland.
 Zuständig für die acht parallel laufenden Exemplare der Ausstellung sind die Projektleiter der LmDR, Jakob Fischer, Ilja Fedoseev und Dr. Eu-
 gen Eichelberg, die Sie unter den Telefonnummern 0711-166590 bzw. 0171-4034329 (Jakob Fischer) oder der E-Mail-Ad-
 resse J.Fischer@LmDR.de erreichen können.
 Bei allen Eröffnungs- und Abschlussveranstaltungen der Ausstellung und bei Begegnungstagen führen die Projekt-
 leiter in die Ausstellung ein, präsentieren Filme auf Großleinwand und halten Vorträge zum Thema „Geschichte und
 Kultur der Deutschen in Russland und ihre Integration in Deutschland“. Sie organisieren nach Vereinbarung auch
 Führungen für Gruppen und Schulklassen.
              Der Eintritt zu allen Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung ist frei.

                                                                                                         VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019 9
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Die Volksgruppe

Tatjana Schmalz
„Russland-Deutsche“ unter Generalverdacht1
T
       atjana Schmalz erforschte die Darstellung der russlanddeutschen Bevölkerungs-
       gruppe in den Medien – ab dem „Fall Lisa“ bis zur Bundestagswahl 2017 (VadW
       berichtete). Nach der Analyse von über 300 Artikeln und Fernsehberichten – al-
lein für den deutschsprachigen Raum – waren nur wenige Beiträge übriggeblieben, die
wahrheitsgetreu und ausgewogen waren. Einige Berichte, die beispielhaft für die hane-
büchene Skandalisierung der Russlanddeutschen sind, hat Tatjana Schmalz in einem
Internet-Artikel polemisch kommentiert. Die Reaktionen auf der Internetseite und
auf Facebook sind überwiegend positiv. Eine Diskussion des Artikels fand vor allem in
der Facebook-Gruppe „Russlanddeutsche Gruppe“ statt. Doch lesen Sie selbst:

Gut 20 Jahre sind vergangen seit den letzten       ternacht“ bekannt und erreichte ein dubioser
handgreiflichen Alkoholexzessen kleinkri-          Protestaufruf zahlreiche mobile Endgeräte,
mineller „Russen“ in dreigestreiften Trai-         so dass die russlanddeutschen Demonstra-
ningsanzügen. Nun bevölkern sie wieder             tionen gegen die Flüchtlingspolitik in meh-
die Schlagzeilen, doch nennen sie sich in-         reren deutschen Städten Nachahmer fanden.
zwischen „russlanddeutsche Spätaussied-            Das war der „Fall Lisa“ – kurz erklärt.
ler“. Indem Spätaussiedler im Alltag oft sy-           Während die Polizei die Bevölkerung zu
nonym mit dem Begriff „Deutsch-Russen“             Besonnenheit mahnte, überschlugen sich vor
verwendet oder in einem Atemzug mit jü-            allem die Meldungen der Nachrichtendienste.
dischen Kontingentflüchtlingen aufgezählt              Im „Tagesspiegel“ berief sich die Publi-      Tatjana Schmalz, geb. 1994 in Irkutsk, kam
werden, versteht Otto Normalverbrau-               zistin Elke Windisch auf geheimnisvolle           mit ihrer Familie 1996 nach Deutschland. Sie
cher unter „Russlanddeutschen“ meist die           „Experten“ und namentlich nicht überlie-          promoviert derzeit an der Europa-Universität
Summe aller Einwanderer aus den Nachfol-           ferte „Soziologen“, die in den Russlanddeut-      Viadrina Frankfurt (Oder).
gestaaten der Sowjetunion.1                        schen regelrechte Schlüsselfiguren in „Wla-
    Dabei entstand der Begriff unmittelbar         dimir Putins Informationskrieg“ sahen.               Einen vermeintlichen Widerspruch
nach der Oktoberrevolution von 1917, als           Darum nutze der Kreml den Vorfall als             wollte die „Deutsche Presseagentur“ geist-
emigrierte Angehörige der deutschen Min-           „Retourkutsche am Westen“, um endlich             reich entlarven, etwa auf „Welt Online“ mit
derheit, deren Familien seit dem Ende des          einmal Kritik an der bundesdeutschen In-          der süffisanten Schlagzeile „Russlanddeut-
18. Jahrhunderts im Russischen Reich be-           nenpolitik üben zu können. Die studierte          sche demonstrieren gegen ‚Ausländerge-
heimatet waren, sich ausdrücklich vom              Turkologin, Iranistin und Slawistin Elke          walt‘“.4
Bolschewismus distanzierten.                       Windisch muss in ihrer Freizeit als Psycho-          Die Mittelbayerische variierte das sogar
    Was die 250-jährige Aus- und Einwan-           therapeutin aktiv sein, denn sie entdeckt         plakativ zum „Migrantenprotest gegen
derungsgeschichte der Russlanddeutschen            ein verletztes Ego im bislang verdeckt ge-        ‚Ausländergewalt‘“.5
und die historischen Umstände ihres mas-           führten Wettkampf um Humankapital:                   Unterm Strich sprechen beide Formulie-
senhaften Zuzugs in den 1990er Jahren an-              „Dazu kommt, dass Moskau bis heute den        rungen einer ganzen Bevölkerungsgruppe
geht, überspielen zahlreiche Journalisten gern     Massenexodus der Russlanddeutschen nach           eben das Deutschsein ab, für das sie noch
ihr Unwissen. Anstatt sich zuvorderst Hinter-      dem Ende der Sowjetunion nicht verwun-            bis zum Ende der Sowjetunion diskrimi-
grundwissen anzueignen, suchen sie sich den        den hat und als schwere politische Nieder-        niert wurden und bei der Aussicht auf so-
geringsten Widerstand und erproben im Um-          lage verbucht.“2                                  zialen Aufstieg bereitwillig ihre Wurzeln
gang mit den Russlanddeutschen eine neue               Auf „Spiegel Online“ liefert der stu-         verleugneten. Ein prominentes Beispiel
Dimension der Medienberichterstattung.             dierte Nordamerikanist Fabian Reinbold            war die international erfolgreiche Sängerin
Ihre Charakteristika sind Desinteresse, man-       eine umfassende Analyse zu den mögli-             Anna German (1936–1982).
gelhafte Recherche und der pathologische           chen Manipulationsversuchen, die Moskau
Wunsch nach einem intakten Weltbild. Das           während der bevorstehenden Bundestags-            Erzkonservative AfD-Anhänger?
ist Haltungsjournalismus in Reinform.              wahl 2017 unternehmen könnte. Freilich
                                                   darf in diesem wilden Potpourri von Mut-          In neueren Studien zur Spätaussiedler-
Des Kremls fünfte Kolonne?                         maßungen auch der Verdacht der fünften            migration und -integration begegnet mir
                                                   Kolonne nicht fehlen:                             wiederholt der Begriff der „Überassimila-
Im Januar 2016 lockte eine russische Zei-              „Unabhängig von einzelnen Einschät-           tion“. Der nirgends eindeutig bestimmte
tungsente einige hundert russischsprachige         zungen und Spekulationen sind sich die Be-        Begriff wird auch in Bezug auf andere Per-
Demonstranten auf die Straßen von Ber-             hörden beim Gesamtbild einig: Russland
lin-Marzahn und vor das Bundeskanzleramt.          verfolgt strategische Interessen in Deutsch-       netzwelt/web/bundestagswahl-2017-debat-
Die minderjährige Lisa F. aus Berlin-Mar-          land, auch mittels Taktiken der Desinforma-        te-um-moegliche-manipulationen-durch-russ-
zahn hatte wegen Schulproblemen behaup-            tion und der Spaltung. Wie sehr dafür etwa         land-a-1165520.html
tet, von mehreren „südländisch aussehen-           Teile der Community der Russlanddeutschen
den Männern“ entführt und missbraucht              empfänglich sein können, zeigte der Fall Li-      4 Link zum Artikel: https://www.welt.de/politik/
worden zu sein. Parallel wurde das Ausmaß          sa.“3                                               deutschland/article151420833/Russlanddeut-
von Straftaten während der „Kölner Silves-                                                             sche-demonstrieren-gegen-Auslaendergewalt.
                                                   2 Link zum Artikel: https://www.tagesspiegel.       html
                                                     de/politik/angeblich-vergewaltigte-13-jaeh-
1 Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Web-        rige-russland-nutzt-fall-lisa-fuer-retourkut-   5 Link zum zweiten Artikel: https://www.mit-
  log „Achse des Guten“. Link zum Text: https://     sche-am-westen/12900562.html                      telbayerische.de/politik/asyl/regensburg-nach-
  www.achgut.com/artikel/russlanddeutsche_                                                             richten/migrantenprotest-gegen-auslaenderge-
  unter_generalverdacht                            3 Link zum Artikel: https://www.spiegel.de/         walt-23491-art1333757.html

10     VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019
Die Volksgruppe

sonen mit Migrationshintergrund ange-           onserfahrung von der Migrationserfahrung          Westen in den Osten drängten, unter ihnen
wendet. Gemeint ist eine Strategie von          der Flüchtlinge ab. Im Vergleich zu den Zu-       auch Kriminelle, geflohene Sträflinge, ge-
Migranten, mittels Verleugnung der ei-          gewanderten aus den arabischen Regionen           scheiterte Kaufleute, Abenteurer. Die russi-
genen Herkunft und Liquidation mitge-           habe man schließlich deutsche Wurzeln und         schen Behörden waren vom Andrang völlig
brachter Kulturtraditionen in die Mehr-         einen christlichen Glauben. Darüber hinaus        überfordert.
heitsgesellschaft hineinzufinden. Indem der     fühlen sie sich häufig schlecht behandelt und        Der Wille zur Integration war bei den
absolute Gegensatz von Assimilation und         benachteiligt im Vergleich zu den Flüchtlin-      Neurussen mit deutschem Migrationshinter-
Segregation noch gesteigert wird, verkehrt      gen und den Leistungen, die diese erhielten.“7    grund nur wenig ausgeprägt. Die Einwande-
sich die positive Konnotation von „Assimi-                                                        rer sprachen deutsch, bauten protestantische
lation“ ins Pejorative (Abwertende).            „Als die Deutschen Flüchtlinge                    Kirchen, pflanzten Kartoffeln und bestick-
    Doch kann man zu sehr assimiliert sein?                                                       ten Geschirrtücher mit deutschen Sinnsprü-
Wo liegen die Grenzen der Assimilation,         waren und sich nach Russland                      chen wie „Arbeit ist des Lebens Zierde“. Ihre
wenn es doch gar keine Leitkultur gibt?         retteten“                                         Orte nannten sie Mariental und Lilienfeld
Wer schützt unsere Kultur vor der Aneig-        Unlängst stieß ich auf einen Beitrag der          und Unterwalden, als lebten sie immer noch
nung durch Zuwanderer? Stoppt die feind-        „stern“-Reportage-Reihe „Reise durch              in Hessen oder im Schwarzwald. Sie bauten
liche Übernahme und hört auf, euch zu in-       das WM-Land“ (Russland) aus dem Som-              Windmühlen, brauten Bier.
tegrieren!                                      mer 2018. In der Folge „Als die Deutschen            Mehr als hundert deutsche Dörfer ent-
    Die Teilnahme von Vertretern der AfD,       Flüchtlinge waren und sich nach Russland          standen so an der Wolga, und den Unter-
von Pegida und der NPD an den russland-         retteten“ orientierte sich die Journalistin       gang der russischen Zivilisation fürchtete
deutschen Demonstrationen wäre ein Bei-         Bettina Sengling auf den ersten Blick an          trotz des Massenandrangs der arbeitswüti-
spiel für „Überassimilation“. Die Diagnose      den drei klassischen Wegmarkern der russ-         gen Protestanten damals niemand. Im Ge-
der schizophrenen Loyalität zwischen Russ-      landdeutschen Geschichtsschreibung:               genteil: Die russische Regierung hielt eisern
land und den Rechten ist bis heute nicht lo-    • Auswanderung deutscher Kolonis-                 an ihrer Willkommenskultur fest.“
gisch aufgearbeitet worden. Immerhin wird          ten ins Russische Reich ab der zweiten
sie nicht vergessen, und es wird den Russ-         Hälfte des 18. Jahrhunderts,                   „Geschichte eines glänzenden
landdeutschen bis heute eine ausgeprägte        • Deportation per Stalin-Erlass 1941
AfD-Affinität nachgesagt.                       • und Normalisierung der Lebenssitu-              gesellschaftlichen Aufstiegs“
    Dass diese Haltung unberechtigt ist,           ation in der Nachkriegs-Sowjetunion            Diese vor soziopolitischem Missionie-
belegt die „Immigrant German Election              trotz ethnisch-kulturell motivierter Dis-      rungseifer nur so strotzende Schilderung
Study“ der Universitäten Köln und Duis­            kriminierung.                                  einer scheinbar segregierten Minderheit
burg-Essen. Demnach weicht das russ-               Doch gerade die Darstellung der Inte-          kulminiert in einem Absatz, der sich als
landdeutsche Wahlverhalten bei der              grationsphase unmittelbar nach der Aus-           besonders grotesk und kontraproduktiv
Bundestagswahl 2017 kaum vom Bevöl-             wanderung ließ mich stutzen. Zu den               für das intendierte Argumentationsmus-
kerungsdurchschnitt ab – einzig die über-       Motiven, Versprechen und Zielen der Sied-         ter erweist. Unfreiwillig bietet die Autorin
proportionale Präferenz für DIE LINKE ist       lerwerbung nach Russland gehörte zu kei-          eine Steilvorlage für die plakativ bekämpf-
bemerkenswert. Doch dieser Befund er-           ner Zeit das interkulturelle Zusammenle-          ten Asylkritiker und ist das sprichwörtliche
scheint einigen Zeitgenossen als umso ver-      ben, sondern die Peuplierung (planmäßige          „Wasser auf den Mühlen der Rechtspopulis-
dächtiger.6                                     Besiedlung) und Urbarmachung frucht-              ten“, die eine Islamisierung des Abendlands
    Zu den Zweiflern gehört Anna Gorskih        barer Grenzregionen zum Osmanischen               und einen Islamischen Staat in Deutsch-
von der „linksjugend [‚solid] Sachsen“. Die     Reich. Gebeutelt von Steuerlasten und Reli-       land fürchten:
studierte Sozialwissenschaftlerin veröffent-    gionskriegen, bevorzugten etliche Kolonis-           „Während russische Bauern noch Leib-
lichte einen Beitrag über das Verhältnis zwi-   ten aus den deutschen Landen die Ko-Exis-         eigene waren, bekamen die deutschen Sied-
schen der AfD und „Spätaussiedler:innen“        tenz ethnisch und konfessionell homogener         ler Land umsonst, brauchten keinen Kriegs-
im „Ost-Journal“, einer Freundschaftszei-       Enklaven auf dem Territorium des russi-           dienst zu leisten und zahlten keine Steuern.
tung vom „Neuen Deutschland“. Gorskih           schen Vielvölkerstaats.                           Die Geschichte der Russlanddeutschen war
– Jahrgang 1992, offenkundig erst seit kur-        Anstatt es damit bewenden zu lassen, ist       länger als ein Jahrhundert lang die Ge-
zem über die Existenz von russlanddeut-         die Passage zum Leben nach der Auswan-            schichte eines glänzenden gesellschaftlichen
schen Bundesbürgern informiert – bemerkt        derung durch Sprachbilder und Termino-            Aufstiegs. Sogar in den frühen Sowjetjah-
die Ironie nicht, als sie rund 2,5 Millionen    logien angereichert, die eindeutig dem seit       ren erkämpften sie sich einen Sonderstatus:
Menschen, deren Eltern und Großeltern           2015 in der Bundesrepublik geführten Dis-         Sie lebten in der „Autonomen Sozialistischen
während des Zweiten Weltkriegs aufgrund         kurs zur Flüchtlingspolitik entnommen             Sow­jetrepublik der Wolgadeutschen“.8
eines kollektiven Kollaborationsverdachts       sind. So liest sich die nachfolgende Pas-            An dieser Stelle endet abrupt der hane-
mit den Nationalsozialisten vom europä-         sage wie ein plumper Appell an die heuti-         büchene Vergleich mit der Flüchtlingspoli-
ischen in den asiatischen Teil der Sowjet-      gen Asylkritiker:                                 tik der Bundesregierung. Denn Stalin ließ
union deportiert und jahrzehntelang ein-           „Im 18. Jahrhundert rollten regelrechte        die ASSR der Wolgadeutschen nach dem
zig wegen ihrer deutschen Ethnie in ihren       Flüchtlingswellen aus Westeuropa an die           Überfall der Wehrmacht auflösen, und alle
Karrieren und ihrer Sprach-, Glaubens-          Wolga. Einige, besonders die Mennoniten,          Deutschen wurden „nach Sibirien und Ka-
und Kulturpflege behindert wurden, kur-         wollten in der Fremde ihre Religionen frei        sachstan deportiert, wo Tausende starben.“
zerhand Intoleranz unterstellt:                 ausüben. Die meisten jedoch flohen vor der        Laut ihrer Autorenseite studierte Bettina
    „Dabei grenzen sie ihre eigene Migrati-     Armut. Manche deutsche Kleinstaaten ver-          Sengling Slawistik in Frankfurt (welches
                                                hängten sogar Auswanderungsverbote und            Frankfurt, wird nicht genannt) und berich-
                                                drohten den Werbern mit der Todesstrafe,          tet seit über 20 Jahren für den „stern“ aus
6 Link zur Studie: https://www.portal.uni-ko-
  eln.de/9015.html?&tx_news_pi1%5B-
                                                weil so viele Wirtschaftsflüchtlinge aus dem      der ehemaligen Sowjetunion.
  news%5D=4829&tx_news_pi1%5B-
  controller%5D=News&tx_news_pi1%-              7 Link zum Artikel: https://www.ost-journal.de/   8 Link zum Artikel: https://www.stern.de/politik/
  5Baction%5D=detail&cHash=c236f-                 gescheiterte-integration-das-verhaeltnis-zwi-     ausland/russland-vor-der-wm--als-die-deut-
  044f9569a839ae4585ee2372daa                     schen-afd-und-spaetaussiedlerinnen/               schen-fluechtlinge-waren-8000526.html

                                                                                                     VOLK AUF DEM WEG Nr. 11/2019 11
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