Rote Karte Aktionäre bremsen Bayer und UBS aus - GoingPublic.de
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02 hv-magazin.de 14,– EUR 2019 Rote Karte Aktionäre bremsen Bayer und UBS aus RECHTLICH BETRACHTET ARUG II DIGITALE HV Nicht-Entlastungen bei Bayer Stand bei Gesetzgebung Aktionärstreffen hinken und UBS zeigen Parallelen und Governance-Kodex Entwicklung hinterher
weil die Prozesse der Versammlungsvorbereitungen ZERTIFIZIERT und -durchführungen stimmen – bei Haupt-, Gläubiger- und Gesellschafterversammlungen für die Organisation, Terminplanung und -überwachung, das Einladungsmanagement, die Registration und Abstimmungen von Versammlungen weil das Qualitätsmanagement der internen Softwareentwicklung spitze ist weil die Prozesse der Softwareentwicklung mit Anforderungsmanagement, Projektierung, Entwicklung und Testing vorbildlich sind weil die Systeme den Anforderungen der Kunden angepasst werden weil die Prozesse sich über Jahre etabliert und bewährt haben weil es stetige Weiterentwicklungen gab und gibt ISO 9001:2015 =XNşQIWLJXQWHU]LHKWVLFK/LQN0DUNHW6HUYLFHVHLQHPMÃKUOLFKHQ=HUWLð]LHUXQJV$XGLW www.linkmarketservices.de
03 EDITORIAL Maßstäbe für Manager THORSTEN SCHÜLLER Redaktionsleitung HV Magazin schueller@goingpublic.de Es bewegt sich etwas in der deutschen Hauptversammlungsland- abgestraft, weil sie unzufrieden sind mit dem Kurs der politisch schaft. Die Misstrauensvoten der Investoren gegen die Vorstände Herrschenden und sie die Sorge um den Fortbestand unseres von Bayer und der Schweizer Großbank UBS zeigen, dass Abstim- Planeten umtreibt. Wer meint, diese Personengruppen nicht ernst mungsergebnisse nahe der 100% keine Garantie mehr sind: Haben nehmen zu müssen, wird derzeit eines Besseren belehrt. Vorstand beziehungsweise Aufsichtsrat aus Sicht der Aktionäre den falschen Kurs eingeschlagen, erteilen die Anteilseigner eine Viele haben erkannt, was wichtig und nötig ist. Das gilt auch für schmerzhafte Abmahnung. Aktionäre. Die wahre Bedeutung des Begriffes Corporate Gover- nance, der guten Unternehmensführung, kommt damit immer Unternehmenslenker agieren nicht im luftleeren Raum. Sie sind mehr zum Vorschein. Er meint, aufrichtig, ehrlich und nachhaltig zwar in erster Linie ihrer Firma verpflichtet, aber eben nicht nur. im Sinne von Unternehmen und Umwelt zu handeln. Bayer, UBS Unternehmen sind auch Teil unserer Gesellschaft. Sie haben Ein- und auch die Deutsche Bank zeigen deutlich, welche Maßstäbe fluss auf die Allgemeinheit, wie auch umgekehrt. Daran müssen heute für Manager gelten. sich Manager orientieren. Daran müssen sie sich messen lassen. Ihr Natürlich geht es für Unternehmen um Umsatz, Gewinn, Aktien- kurs und Dividende. Es geht heutzutage aber auch um Aufrichtig- keit, Transparenz und Nachhaltigkeit. Es geht, wie der Fall Bayer zeigt, auch um Image. Vorstände, die das nicht verstehen, werden es auf Hauptversammlungen künftig schwer haben. P.S.: Wir würden uns freuen, Sie auch persönlich bei unserem Tausende junger Menschen gehen seit Monaten in vielen Ländern Eventformat „HV DIALOG“ zu treffen. der Welt freitags auf die Straßen, um für ihre Zukunft zu kämpfen. 12.6. in Düsseldorf, 8.10. in Berlin und am 10.12. in München! Millionen haben die etablierten Parteien bei der jüngsten EU-Wahl Info auf Seite 25. HV MAGAZIN 02/2019
04 INHALT INHALT MATTHIAS GUDRUN MARCUS SCHÜPPEN MOLL LIPPERT Graf Kanitz, Pinsent Masons Adeus Schüppen & Germany Partner In zeitlicher Nähe und mit bemerkens- Parallel zum laufenden Gesetzgebungsver- Die Hauptversammlung wird oft als Pflicht- wert ähnlichen Ergebnissen verweigerten fahren zu ARUG II hat die Regierungskom- veranstaltung und formalisiertes Aufein- die Hauptversammlungen von Bayer und mission Deutscher Corporate Governance andertreffen der Organe einer Gesellschaft der UBS dem Vorstand beziehungsweise Kodex eine Neufassung des Kodex verab- wahrgenommen. Viele Faktoren sind für die dem Verwaltungsrat und der Konzernlei- schiedet. Börsennotierte Unternehmen soll- sinkenden Teilnehmerzahlen verantwort- tung die Entlastung. In beiden Fällen waren ten einen Blick darauf werfen, ob sich ins- lich. Das liegt unter anderem daran, dass die Rechtsstreitigkeiten ausschlaggebend. Eine besondere bei der Vergütung des Vorstands Aktionärstreffen den technischen Entwick- Betrachtung der Abstimmungsergebnisse wie auch bei der Einladung zur Hauptver- lungen zehn Jahre hinterherhinken. Muss unter rechtlichen Gesichtspunkten. sammlung wichtige Änderungen ergeben. das sein? Ein Blick auf die digitalen Mög- Seiten 16–17 Seiten 18–19 lichkeiten. Seiten 22–23 ! 03 Editorial HV-Praxis Austria Corner NEU 06 Daten & Fakten 08 HV-Max – Die Kolumne 18 Regierungsentwurf und 28 Unternehmen dürfen sich über Rote Karte für die Verwaltung Kodex im Duett maßvolle Umsetzung freuen „Say on Pay“ im Licht von ARUG II Neue EU-Aktionärsrechterichtlinie Titelthema Gudrun Moll, in Österreich Pinsent Masons Germany RA Mag. Gernot Wilfling, 10 Aufstand der Aktionäre 20 Der deutsche Markt hat Müller Partner Rechtsanwälte 14 Die Fragen werden unbequemer Nachholbedarf Interview Vergütungssysteme in Europa Legal Daniel Bauer, Matthias Nau, SdK Schutzgemeinschaft Georgeson 30 Aktuelle HV-Urteile der Kapitalanleger Christof Schwab, Kommentiert von Dr. Thomas Zwissler, 16 Die Nicht-Entlastungen aus Computershare Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft rechtlicher Perspektive 22 Die Hauptversammlung sucht den Bayer und UBS digitalen Anschluss HV-Splitter Matthias Schüppen, Technologischer Wandel Graf Kanitz, Marcus Lippert, 32 Ausgewählte Hauptversammlungen Schüppen & Partner ADEUS Aktienregister-Service Rückblick, Ausblick, 24 Der Touch der Technik Tipps & Spezialitäten Conference Center im Haus der Bayerischen Wirtschaft Standpunkt 26 Die Organisation Prime-Standard-fähig machen 34 Wann kommt die Revolution? Interview Hauptversammlungsanmeldung 2030 Fabian Brügmann, Bernhard Orlik, HV DIALOG – Das HV Magazin Netzwerktreffen Creditshelf Link Market Services Mit unserer Eventreihe „HV DIALOG“ wollen 33 HV-Kalender wir ab sofort 4x jährlich eine persönliche 33 Impressum Diskussionsplattform bieten. Unter dem Motto „Austausch. Netzwerk. Zukunft.“ laden wir Sie am 12. Juni um 18 Uhr herzlich in die Börse Düsseldorf ein. Liebe Leser, dieses Symbol weist Das komplette Heft ist Anmeldung: Sie auf zusätzlichen Inhalt im als E-Magazin online abrufbar: www.en.xing-events.com/HV_Dialog_2_2019 Internet hin. www.goingpublic.de/emagazine-archiv HV MAGAZIN 02/2019
(E-)MAGAZIN – ONLINE – EVENT – NETZWERK 02 2019 hv-magazin.de 14,– EUR Rote Karte Aktionäre bremsen Bayer und UBS aus RECHTLICH BETRACHTET ARUG II DIGITALE HV Nicht-Entlastungen bei Bayer Stand bei Gesetzgebung Aktionärst Aktionärstreffen sttrreff reeef eff fffen hinken hiin hin inken eenn und UBS zeigen Parallelen und Governance-Kodex Entwickl klu kl kklun luunng hin lun Entwicklung hhinterher innte terrhher terh er Jahrespartner 2019 Jahrespartner im Netz: www.goingpublic.de/jahrespartner-hvmagazin
06 DATEN & FAKTEN NEWS Dividendenstudie: 2019 weiterer Rekordjahrgang Anteilseigner weiter, im Vorjahr seien es noch 42% gewesen. Offenbar bauten die Unternehmen mit Sicht auf schlechtere Zeiten lieber ein Der Dividendenjahrgang 2019 wird nach Angaben der Deutschen Finanzpolster auf, statt ihre Aktionäre angemessen am Gewinn Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) als weiterer Rekord- zu beteiligen. Vor diesem Hintergrund könnte das Jahr 2019 jahrgang in die Geschichte eingehen: Insgesamt über 57 Mrd. EUR vorerst das letzte Dividendenrekordjahr gewesen sein, so die DSW. werden deutsche Aktiengesellschaften an ihre Anteilseigner aus- schütten. Damit werde die Rekordsumme des vergangenen Jahres Nachhaltigkeitsberichte: Verschwendung von nochmals deutlich übertroffen. Ressourcen Mit rund 3,8 Mrd. EUR habe die Allianz sich auf den ersten Rang Die bisherige Nachhaltigkeitsberichterstattung ist eine Verschwen- der Dividendenzahler geschoben. Der Versicherungskonzern dung von Ressourcen – das ist nach einem Bericht von Frankfurt schüttet 12,5% mehr aus als im Vorjahr. Um 11% nach unten, auf Main Finance, einer Initiative des Finanzplatzes Frankfurt und knapp 3,5 Mrd. EUR, ging es dagegen für Vorjahresprimus Daimler. der Eurozone, das Ergebnis einer Konferenz zu Corporate Gover- Rang drei belegt mit gut 3,3 Mrd. EUR, was einem Plus von 7,7% nance und Gesellschaftsrecht des Deutschen Aktieninstituts. gegenüber dem Vorjahr entspricht, die Deutsche Telekom. Demnach werden die bisher üblichen Nachhaltigkeitsberichte, die seit zwei Jahren für bestimmte große Unternehmen zur Die robuste Verfassung der deutschen Wirtschaft im vergangenen Pflichtberichterstattung gehören, als „nutzlos und Verschwendung Jahr sei eindeutig eine gute Nachricht gewesen, so die DSW. Aller- von Ressourcen“ betrachtet. Insbesondere dicke Reports böten dings würden sich die wirtschaftlichen Rahmendaten zusehends zu viel Raum, die wirklich ausschlaggebenden Informationen darin verschlechtern. Das zeige sich auch in einer Eintrübung der Erwar- zu verstecken. tungen für die Entwicklung der durchschnittlichen Ausschüttungs- quote. Die in den Auswahlindizes notierten Aktiengesellschaften Investoren könnten oft nicht einschätzen, ob die Nachhaltig- gäben durchschnittlich gerade einmal 40% ihres Gewinns an ihre keitsbemühungen von Unternehmen auf lange Sicht angelegt MEHR ALS 57 MRD. EUR FÜR AKTIONÄRE DIVIDENDENSUMME NACH MARKTSEGMENTEN 2003 – 2019 Das Ausschüttungsvolumen am deutschen Aktienmarkt stieg zuletzt auf über 57 Mrd. EUR – ein neuer Rekord. Das 6,6%ige Plus gegenüber 2018 ging zwar zur Hälfte auf das Konto von Neuemissionen und Großfusionen. Dennoch erreichten DAX, MDAX und SDAX neue Bestmarken, anders als die Nebenwerte. 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 DAX MDAX SDAX TecDAX Nebenwerte Dividendensumme nach Marktsegmenten 2003–2019 Quelle: Dividendenstudie Deutschland 2019 HV MAGAZIN 02/2019
07 DATEN & FAKTEN oder eher kurzfristiger Natur sind. Letztlich sollte die regelmäßige Auch dem Thema Nachhaltigkeit will die SdK künftig einen hohen sorgfältige Prüfung des wirtschaftlichen Handelns auf Menschen- Stellenwert einräumen. Zudem müsse sich das zu beurteilende rechts- und Umweltaspekte ein integraler Bestandteil der Nach- Unternehmen an seinen wesentlichen Mitwettbewerbern messen haltigkeitsstrategie sowie guter Corporate Governance und damit lassen. Die Qualität der Überwachungstätigkeit der einzelnen selbstverständlich sein, so Frankfurt Main Finance. Zudem wünsch- Aufsichtsratsmitglieder soll künftig auch anhand der Sitzungs- ten sich vielfach Aufsichtsratsmitglieder, die dem Vorstand auch in teilnahmequote gemessen werde. Zudem sollte ein Aufsichts- puncto Nachhaltigkeit beratend zur Seite stehen, die Definition ratsmitglied nicht länger als 15 Jahre im Amt sein. verlässlicher Kriterien, die die Entwicklung eines Unternehmens innerhalb der Vergleichsgruppe, aber auch über die eigene Industrie Vanguard will „Overboarding“ vermeiden hinweg vergleichbar machen. Die Fondsgesellschaft Vanguard, die auch als Stimmrechtsvertreter SdK passt Abstimmungsrichtlinien zur Haupt- auftritt, hat ihre Abstimmungsrichtlinien ebenfalls angepasst. versammlungssaison 2019 an Die Änderungen betreffen vor allem die Zusammensetzung und Effektivität des Vorstands, Strategien und Risiken, Vergütung und Zur Hauptversammlungssaison 2019 hat die SdK Schutzgemein- Führungsstrukturen. Einen verschärften Blick werfen die Vertreter schaft der Kapitalanleger ihre Abstimmungsrichtlinien angepasst. des Unternehmens insbesondere auf Aufsichtsratsvorsitzende, Nach Angaben der Organisation betrafen die Änderungen im die auch im Kontrollgremium anderer Unternehmen sitzen. Vanguard Wesentlichen Vorgaben zu den Entlastungsbeschlüssen des will durch verschärfte Abstimmungsrichtlinien ein „Overboarding“ Vorstandes sowie des Aufsichtsrates. So würden Änderungen vermeiden. bei der Börsennotierung (Downgrading/Delisting) dem Trans- parenzgedanken diametral widersprechen. Daher würden zu- Party am M&A-Markt vorbei künftig Vorstand und Aufsichtsrat „konsequent nicht entlastet“, wenn im zugrunde liegenden Geschäftsjahr eine Änderung der Jahrelang jagte am deutschen Markt für Mergers & Acquisitions Börsennotierung erfolgte. (M&A, Fusionen und Übernahmen) ein Mega-Deal den nächsten. ZEW-ZEPHYR M&A-INDEX DEUTSCHLAND: ZAHL DER ÜBERNAHMEN LEICHT RÜCKLÄUFIG Nachdem der gleitende Zwölfmonatsdurchschnitt bis August 2018 leicht auf 116 Punkte angestiegen ist, gibt der Wert seither wieder nach und stand im Januar 2019 bei nur noch 109 Punkten. 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan Jan 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 M&A-Index Deutschland gleitender Durchschnitt (Monate) Quelle: ZEW HV MAGAZIN 02/2019
08 DATEN & FAKTEN NEWS Aktuell sind die M&A-Chefs deutscher Unternehmen zwar weiter an die Konkurrenz, sowohl um Ziele in Deutschland und Europa als Akquisitionen interessiert, jedoch längst nicht mehr bereit, dafür jeden auch im außereuropäischen Ausland. Eine Folge: Unterneh- Preis zu zahlen. M&A-Berater würden sich daher auf eine Durststrecke men müssten mehr Zeit auf die Suche nach attraktiven Targets beim Dealflow einstellen. Das ist das Ergebnis des ersten M&A-Panels verwenden. in diesem Jahr, für das die Wirtschaftskanzlei CMS und das Magazin FINANCE leitende Mitarbeiter aus M&A-Abteilungen befragt haben. Das Mannheimer ZEW – Zentrum für Europäische Wirtschafts- forschung hat seinerseits ermittelt, dass die Zahl der Übernah- Der These, dass in vielen Branchen derzeit überhöhte Preise ge- men und Fusionen mit deutscher Beteiligung im vergangenen zahlt werden, stimmten die Befragten mit einem Wert von 8,38 zu halben Jahr etwas zurückgegangen ist. Vor allem im vierten (zehn = vollkommene Zustimmung). Außerdem würden derzeit Quartal 2018 seien nur geringe Werte verzeichnet worden. unterschiedliche Bewertungen der Targets durch Käufer und Ver- käufer sowie außergewöhnlich langwierige Verhandlungen Hemm- Nachhaltige Investments zunehmend wichtig nisse für Transaktionen darstellen. Nachhaltige Investments sind für Anleger zunehmend wichtig. Trotz weiterhin hoher Preise würden sich die M&A-Verantwortlichen Das geht aus einem aktuellen Bericht des Investmenthauses in den Unternehmen auf einer Skala von eins (eindeutig Verkäufer) Neuberger Berman hervor. Demnach wollte ein Drittel der institutionel- bis zehn (eindeutig Käufer) mit einem Wert von 8,05 klar auf der len Investoren im vergangenen Jahr wissen, wie Umwelt-, Sozial-, und Käuferseite positionieren. Außerdem gingen sie mehrheitlich davon Governance-Faktoren in den Anlageprozess ihrer Portfolios integriert aus, dass auch die Finanzierung großer Übernahmen für sie umsetz- werden. Neuberger Berman nutze diese Faktoren bei knapp 60% bar wäre. Die hohe Finanzkraft der Marktteilnehmer befeuere auch des gesamten verwalteten Vermögens zur Risikoprüfung. HV-MAX wir ja zur Genüge, wenn man mit dem Ma- werden auf ein „Wie dann?“. Und diese DIE KOLUMNE nagement nicht zufrieden ist. Siemens und die Deutsche Bank können ein Lied davon singen. Aber dass den Worten auch Taten Antworten bleiben meine (kleinen und großen) Mitaktionäre meist schuldig. Rote Karte für die folgen, dazu musste erst einmal die Haupt- Dennoch war es nötig, dass die Inves- Verwaltung versammlung der Bayer AG dieses toren mal einen Denkzettel Jahr stattfinden. verpasst haben. Scheitern Ja, was war denn das? Sie haben doch gehört zu einer Unter- bestimmt auch mitbekommen, was der- Wie soll es jetzt nehmerkultur ebenso zeit auf den HVs abgeht, oder? Kommt weitergehen? dazu wie große Erfolge. jetzt die Zeit des kleinen Mannes, haben Ich meine, nicht Insofern sollte die Rote jetzt auch endlich die Institutionellen nur die Bayer- Karte als Chance begrif- mitbekommen, dass es so nicht weiter- Vorstände hät- fen werden, auch in gehen kann? Dass die da oben nur an ten eine derartige Rote Deutschland zu einer sich selber, nicht aber an das Wohl unserer Karte verdient. Mir fallen Aktionärskultur zu Aktiengesellschaften denken? unzählige weitere sogenann- kommen, in der Ma- te Spitzenmanager großer und nagement und Inves- Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen ging, aber kleiner AGs ein. Aber sollen wir toren miteinander das ich bin jedenfalls umgefallen, als der denen allen das Vertrauen ent- Beste aus der Gesell- Bayer-Vorstand auf einmal keine Entlas- ziehen? Nein, denn zu sagen „So schaft herausholen wollen. tung bekommen hat. Unmutsäußerungen nicht!“ ist einfach. Vielmehr Und das sind nicht immer von institutionellen Investoren kennen müssen Antworten gegeben nur kurzfristige Gewinne. HV MAGAZIN 02/2019
Praxisbuch Aufsichtsratsarbeit Aufsichtsräte von Banken sind in einer hochgradig regulierten Branche tätig und müssen eine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften berücksichtigen. Insbesondere aufsichtsrechtliche und handelsrecht- liche Anforderungen bestimmen neben den gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen die Tätigkeit in den Aufsichtsorganen. Das Buch beleuchtet die Herausforderungen, zeigt, welche Folgen die unzurei- chende Wahrnehmung der Aufsichtsratsaufgaben haben können und unterstützt mit praktischen Arbeitshilfen und Checklisten bei der professionellen Aufsichtsratsarbeit. • Unterstützung bei der Vor- und Nach- bereitung von Aufsichtsratssitzungen • Mit mehrjährigem Überwachungsplan des Aufsichtsrats • Mit Arbeitshilfen und Checklisten - auch auf sp-mybook.de Reichle Jahresplan Aufsichtsrat Praxisbuch für Aufsichtsräte von Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken 2019. 411 S. Kart. € 69,95 ISBN 978-3-7910-4430-9 Bequem online bestellen: www.schaeffer-poeschel.de/shop
10 TITELTHEMA Aufstand der Aktionäre Foto: © Africa Studio, archiwiz – stock.adobe.com Erst Bayer, dann die schweizerische UBS: Gleich zwei Führungsgremien großer Unternehmen wurde in der Hauptversammlungssaison 2019 von den Aktionären die Entlastung verweigert – wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen. Die Ereignisse zeigen, dass Investoren den Unternehmenschefs zunehmend auf die Finger schauen. Die Aktionärstreffen entwickeln sich zu lebendigen Dialogforen mit aktiver Mitbestimmung. Aktionärsrevolte. Debakel. Ohrfeige für deutsche Hauptversammlungslandschaft gebracht: Gerade mal knapp 45% der Aktio- Vorstand und Aufsichtsrat. Beispielloser ungewohnt. näre entlasteten den von Werner Baumann Akt in der Geschichte der deutschen Wirt- angeführten Vorstand, 55,52% stimmten schaft: Die Wortwahl, mit der das Ergebnis Was war passiert? Die Anteilseigner hatten dagegen. Auch der Aufsichtsrat mit seinem der Hauptversammlung von Bayer am am späten Abend ihr Missfallen an der Vorsitzenden Werner Wenning erhielt eine 26. April wiedergegeben wurde, war dras- Politik von Vorstand und Aufsichtsrat mit klare Abmahnung – lediglich 66% stimmten tisch und für die zustimmungsverwöhnte einem glasklaren Votum zum Ausdruck einer Entlastung zu. HV MAGAZIN 02/2019
11 TITELTHEMA Enthaltungen nicht mitgezählt dauerte Jahre, bis Bayer wieder im Klub Indirekte Gefahr für Vorstand der Größeren mitreden konnte. Je nach Lesart fällt das Ergebnis noch Auch wenn die Nicht-Entlastung des Manage- desaströser aus, so das Beratungsunter- Monsanto-Übernahme: ments in Deutschland keine rechtlichen nehmen Peter Barkow. Bei der zugrunde schmerzhafte Folgen Konsequenzen hat, kann kein Firmenboss liegenden Abstimmungsarithmetik seien an einem solchen Votum vorbei. Klar ist: nämlich nur die abgegebenen Ja- und Für die Aktionäre waren die Folgen der Hier läuft etwas gehörig schief. Im Übrigen Nein-Stimmen gezählt worden, nicht aber Übernahme schmerzhaft: Bayers Aktienkurs droht indirekt Gefahr, denn die Hauptver- die Enthaltungen. Diese Zählweise sei war binnen eines Jahres um etwa 40% sammlung stimmt über die Besetzung des zwar legal, werde aber dann fragwürdig, eingebrochen. Das ließ im Saal „New York“ Aufsichtsrates ab. Der wiederum bestimmt wenn die Zahl der Enthaltungen mehr als des World Conference Center Bonn kaum den Vorstand. Dementsprechend können nur eine Marginalie sei. Genau dies sei bei einen Anteilseigner ruhig. Da half es auch schnell auch die Stühle der Top-Manager der Bayer-HV in auffällig großem Umfang nicht, wenn Konzernchef Baumann von wackeln. Aufsichtsratschef Wenning teilte allein bei Tagesordnungspunkt (TOP) zwei einer „übertriebenen Kursreaktion“ sprach, nach einer eilig einberaumten Krisensit- (Entlastung Vorstand) und drei (Entlastung die nicht den wahren Wert des Unternehmens zung zwar mit, dass die Kontrolleure das Aufsichtsrat) der Fall gewesen. widerspiegele. Abstimmungsergebnis der Hauptversamm- lung „sehr ernst“ nähmen; am Ende sprach Laut Barkow wird die Stimmenthaltung Marc Tümmler, Geschäftsführer der Deut- das Gremium dem Vorstand dennoch das besonders von institutionellen Investoren schen Schutzvereinigung für Wertpapier- Vertrauen aus. aus „taktischen“ Gründen häufig als verklau- besitz, bezeichnete den Wertverlust als sulierte Nein-Stimme eingesetzt. Wer wolle „Albträume“. Die Eigentümer hätten Kritischer äußerte sich die Verbraucher- schon immer auf Konfrontation zumal zu durch die Übernahme rund 40 Mrd. EUR schutzorganisation SumOfUs. Die „Abstim- seinesgleichen gehen, geschweige denn verloren, weitere 15 Mrd. EUR drohten mung zeigt, dass der Stern des Bayer-CEO sein eigenes Investment schlechtreden? durch die US-Klagen. Dazu kämen hohe zu sinken beginnt“, erklärte Kampagnen- Addiere man vor diesem Hintergrund die Reputationsschäden für das Unterneh- managerin Anne Isakowitsch. Baumanns Enthaltungen den Nein-Stimmen hinzu, men. Der üppige Bonus des Bayer-Chefs „rücksichtsloses Streben nach Profit“ werde falle die darin ausgedrückte Missbilligung sei angesichts dieser Entwicklungen völlig „immer mehr Aktionären unangenehm“. der Performance von Vorstand und Aufsichts- deplatziert. Die Tageszeitung taz sprach sich in einem rat mit (bereinigten) 61,58% und 42,83% Kommentar dafür aus, dass die Konzern- nochmals deutlich höher aus als zuvor. Die Investoren quittierten all dies mit einer führung abdanken sollte. schmerzhaften und einmaligen Ohrfeige. Es war die Entscheidung des Bayer-Manage- Die Vorstände der deutschen DAX-Unter- Druck auf die Deutsche Bank ments, für 63 Mrd. USD den US-Glyphosat nehmen waren bislang Zustimmungs- hersteller Monsanto zu kaufen, die das quoten von weit über 90% gewohnt. Eine Wenngleich kein Management eines DAX- Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Die Quote unterhalb von 50% ist da ein unüber- Unternehmens bislang so drastisch abge- Reputation des Unternehmens ist mies, hörbarer Warnschuss und reputations- straft worden ist wie das von Bayer, haben die möglicherweise krebserzeugende schädigend. Aktionäre auch in anderen Fällen bereits Wirkung des Pflanzenvernichtungsmittels Roundup könnte in den USA zu hohen Schadenersatzforderungen führen, die den Konzern in seinen Grundfesten erschüttern. Eigentlich hätte der Leverkusener Industrie- riese gewarnt sein sollen, denn vor 18 Jahren Foto: © AMZphoto – stock.adobe.com erlebte der Konzern schon einmal, was es bedeutet, in den Griff der US-Justiz zu ge- raten. Damals musste Bayer den Choleste- rinsenker Lipobay wegen gefährlicher Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Der Konzern ist an den finanziellen Belastun- gen fast zerbrochen, das Pharmageschäft schrumpfte auf Regionalliganiveau. Es HV MAGAZIN 02/2019
12 TITELTHEMA ihren Unmut ausgedrückt. So votierten auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai 2015 gut 39% der Stimmbe- „Der Aufsichtsrat nimmt dieses rechtigten gegen die Entlastung des Vorstands unter Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Wenig später kündigten beide Votum sehr ernst.“ ihren Rückzug an. (Werner Wenning, Aufsichtsratsvorsitzender von Bayer) Auch die jüngste Hauptversammlung des Geldinstitutes am 23. Mai verlief erneut turbulent. Der US-Stimmrechtsberater Glass Lewis hatte den Aktionären bereits im behörden vorbei in der Schweiz zu verste- einem späteren Zeitpunkt gegen Verant- Vorfeld empfohlen, gegen die Entlastung cken. Die Bank bestreitet die Vorwürfe und wortliche der Bank eine Klage einreichen von Vorstand und Aufsichtsrat zu stim- hat Berufung eingelegt. Angesichts der wollen. men. Die deutsche Glass-Lewis-Tochter Ivox drohenden Milliardenstrafe musste UBS hatte den Anlegern geraten, die Entlastung etwa 450 Mio. EUR für Prozessrisiken zu- Ähnlich verhielt es sich bei der Hauptver- „mindestens kritisch“ zu hinterfragen; die rückstellen. sammlung des Mannheimer Industrie- Stimmrechtsberater kritisierten insbeson- dienstleisters Bilfinger im Jahr 2018. Damals dere den Aufsichtsrat wegen der Gehalts- Wie in anderen Fällen auch spielten bei empfahlen der amtierende Vorstand und politik und der Personalrochaden im Vor- der UBS-Hauptversammlung einflussreiche Aufsichtsrat, früheren Vorstandsmitglie- stand. Aktionärsberater eine wichtige Rolle. Im dern die Entlastung zu verweigern, um Vorfeld hatte ISS ebenso wie der Schwei- sich mögliche juristische Schritte offenzu- Ein klares Signal sendeten die Aktionäre zer Berater Ethos seinen Kunden geraten, halten. Hintergrund waren mögliche auch auf der Hauptversammlung des Soft- die Führung nicht zu entlasten. Die Experten Pflichtverletzungen der Vorstände zwi- warekonzerns SAP im Mai 2017. Damals von Glass Lewis empfahlen den Eignern, schen 2006 und 2016. Tatsächlich wurde der Aufsichtsrat nur hauchdünn mit sich in diesem Punkt der Stimme zu ent- stimmten die Anteilseigner mit jeweils etwas über 50% entlastet. Grund für die halten. Fachleute weisen darauf hin, dass mehr als 99% gegen die Entlastung der Verärgerung war die mangelnde Transparenz der Hintergrund für die kritische Haltung ehemaligen Manager. bei der Vergütung der Managerboni. der Stimmrechtsberater, an deren Empfeh- lungen sich viele Großinvestoren halten, Aktionäre wollen mitreden UBS und Bilfinger: taktisches ein rechtlicher gewesen sein dürfte: Wenn Vorgehen Aktionäre dem Management die Entlas- Die jüngsten Ereignisse machen deutlich, tung verweigern, können sie damit ihre dass die Aktionäre nicht mehr alles schlu- Einen Schuss vor den Bug erhielt im Früh- juristischen Ansprüche wahren, falls sie zu cken. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich jahr 2019 auch das Management der Schweizer Großbank UBS. Auf der Haupt- versammlung stimmten die Aktionäre am 2. Mai mit mehr als 58% gegen die Entlas- tung der gesamten Führungsmannschaft, geleitet von Vorstandschef Sergio Ermotti sowie dem Verwaltungsratspräsidenten und ehemaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber. Der Hauptgrund für das angespannte Ver- hältnis von Bankführung und Aktionären ist ein französisches Gerichtsurteil vom Februar 2019: Die Richter hatten die Bank Foto: © Bilfinger SE wegen Steuerhinterziehung zur Zahlung von 4,5 Mrd. EUR verurteilt. UBS soll vor Jahren ihren Kunden geholfen haben, deren Vermögen an den französischen Steuer HV MAGAZIN 02/2019
13 TITELTHEMA schaften jedoch an jene Unternehmen gebunden, die sich im Index befinden, ob ihnen das gefällt oder nicht. Bayer bei- spielsweise ist im DAX mit 5,7% gewichtet. Wer diesen Index abbildet, investiert damit unweigerlich auch 5,7% des Fondskapitals in Papiere der Leverkusener. Mit dem neuen Selbstbewusstsein der Aktionäre werden auch Stimmen laut, ihrem Votum mehr Nachdruck zu verleihen. „Europa will ja die Aktionärsrechte stärken, und da Foto: © V&P Photo Studio – stock.adobe.com muss vielleicht in Zukunft das Entlastungs- votum stärker gewichtet werden“, sagt Ingo Speich, ein Experte aus dem Hause Deka. Dass die Voten der Aktionäre tatsächlich etwas bewirken können, zeigt das Beispiel SAP: Nach der schwachen Zustimmung für den Aufsichtsrat wegen der Vergütungs- politik hat das Unternehmen diese mittler- weile überarbeitet. Es wird spannend sein Vorstände und Aufsichtsräte fast sicher zerstörerischen Kraft der Chemiekeule zu beobachten, welchen Veränderungspro- sein konnten, mit Quoten von 95% und standhalten. Monsanto und Bayer sind zess die Aktionärsschelte beim Bayer- mehr entlastet zu werden. Offensichtlich überzeugt, dass das Produkt unschädlich Management auslöst. Möglicherweise müssen sich die Chefetagen darauf ein- für den Menschen ist. Zahlreiche Studien steht am Ende die Hauptversammlung der stellen, dass die Anteilseigner stärker mit- sollen das belegen. Doch es gibt auch die Leverkusener nicht nur für ein „Debakel“ reden – bei Fragen der Vergütung genauso andere Seite: Menschen, die behaupten und einen „beispiellosen Akt“, sondern wie bei der Strategie oder Personalthemen. und glauben nachweisen zu können, dass auch für den Beginn einer neuen Ära in der Roundup Krebs verursacht. Sollte sich deutschen Aktionärskultur. Die jährlichen Aktionärstreffen, vielfach diese Einschätzung auch bei den höchsten als lästige Pflicht empfunden, könnten Gerichten durchsetzen, hätte das negative damit deutlich aufgewertet werden und Image von Monsanto auch eine massive Glyphosat sich zu einem lebendigen Forum der Aktio- wirtschaftliche Komponente, die die Grund- närsdemokratie entwickeln. Dabei geht es festen des Bayer-Konzerns erschüttern ist das meistverkaufte Unkrautver vielen Investoren heute offenbar um mehr könnte. Hinzu kommen jüngste Enthül- nichtungsmittel der Welt und ein soge als nur Gewinn, Aktienkurs und Dividende. lungen, wonach Monsanto offensichtlich nanntes „Totalherbizid“. Es tötet jede Corporate Governance, also eine gute Unter- systematisch Listen und Bewertungen Pflanze, die nicht gentechnisch so nehmensführung, wird zunehmend zu seiner Kritiker geführt hat, gefüllt mit per- verändert wurde, dass sie den einem wichtigen Kriterium, an dem sich sönlichen Daten. Da könnte auf Bayer nun Herbizideinsatz überlebt. Unternehmen orientieren und messen auch noch ein massives Datenschutzthema Bekannt ist es vor allem unter dem lassen müssen. zukommen. Markennamen „Roundup“ als Produkt von Bayer-Monsanto. Auch die Reputation eines Unternehmens Über den Index gefangen spielt für viele Aktionäre mittlerweile eine Rolle bei ihrer Anlageentscheidung und der Ein Grund für die veränderte Anlagekultur Bewertung des Managements. Das schlechte liegt aber auch darin, dass Aktionäre früher Image Monsantos hat seine Ursache in bei Missfallen einfach ihre Aktien verkaufen dem Vernichtungsmittel Roundup, das alle konnten. Im Zeitalter der Indexfonds, die Pflanzen zerstört – mit Ausnahme jener, ein bestimmtes Marktbarometer eins zu die genetisch verändert sind und der eins abdecken, sind die Investmentgesell- HV MAGAZIN 02/2019
14 TITELTHEMA Interview „Die Fragen werden unbequemer“ DANIEL BAUER Vorstandsvorsitzender, SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. bauer@sdk.org Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, sieht in den jüngsten Hauptversammlungen von Bayer und UBS Anzeichen für einen steigenden Mitbestimmungsanspruch der Anleger. Zudem würden sich die großen Kapitalanlagegesell- schaften deutlich aktiver mit der Unternehmenspolitik auseinandersetzen. HV Magazin: Herr Bauer, ist das Steigt der Anspruch zur Mitbestimmung mittlerweile von nahezu allen institutio- Abstimmungsverhalten der Aktionäre bei den Aktionären? nellen Investoren abgelehnt. auf der Bayer-Hauptversammlung ein Signal, dass sich die Aktionärskultur Das kann man so sehen. Vor allem bei Unter- Welche Rolle spielen die Stimmrechts- in Deutschland ändert? nehmen, deren operatives Geschäft sich berater in diesem Zusammenhang? im Vergleich zum Wettbewerb schlechter Ändert sich auch deren Einstellung Daniel Bauer: Das Abstimmungsverhalten entwickelt, werden die Fragen unbeque- zur Politik von Vorständen und spricht weniger für eine sich ändernde mer und die Aktionäre versuchen, mehr Aufsichtsräten? Aktionärskultur in Deutschland, da ein Einfluss zu nehmen. Großteil der Aktionäre der Bayer AG gar Die Stimmrechtsberater spielen eine ent- nicht aus Deutschland stammt, sondern Werden den Aktionären neben scheidende Rolle, da die meisten institut- vielmehr dafür, dass weltweit die großen Aktienkursentwicklung und ionellen Investoren entweder direkt deren Kapitalanlagegesellschaften sich ihrer Dividende andere Faktoren Abstimmungsempfehlungen übernehmen Verantwortung bewusst werden und sich zunehmend wichtig? oder die eigenen Abstimmungsrichtlinien deutlich aktiver mit der Unternehmens- sich an deren Maßstäben orientieren. In politik auseinandersetzen. Diesen Trend Ja. Neben der operativen Entwicklung den letzten Jahren konnte man auch konnte man bereits in den letzten Jahren schauen auch mehr Aktionäre auf eine gute feststellen: Wenn einer der großen erkennen, da die Zustimmungsquoten bei Unternehmensführung und die Einhaltung Stimmrechtsberater seine Richtlinien kritischen Beschlüssen wie Kapitalvor- bestimmter Verhaltensregeln. Zum Beispiel verschärft hat, taten es ihm andere In- ratsbeschlüssen oder dem Vorstandsver- werden bei der Wahl zum Aufsichtsrat Kan- vestoren und Berater zeitversetzt gleich. gütungssystem zuletzt immer geringer didaten, die zu viele Mandate innehaben Daher ist deren Einfluss als sehr groß zu wurden. und bei denen ein Overboarding vorliegt, bezeichnen. HV MAGAZIN 02/2019
15 TITELTHEMA Sehen Sie Signale, dass die Hauptver- Wird das Instrument der Nicht-Entlas- Auch bei UBS wurde dem der Konzern- sammlung als Ort der Mitbestimmung, tung Ihrer Einschätzung nach künftig leitung die Entlastung verweigert. lebendiges Dialogforum und echte verstärkt eingesetzt werden? Sehen Sie Parallelen zum Fall Bayer? Mitsprachemöglichkeit für Aktionäre neu belebt wird? Ich denke, es wird eher die Ausnahme blei- Ja – beide Unternehmen haben mit großen ben und nur bei groben Fehlentwicklungen Problemen zu kämpfen, die zum Teil haus- Ich denke zwar, dass die Bedeutung der als Möglichkeit genutzt werden, ein Zei- gemacht sind. Während Bayer die poten- Hauptversammlung steigen wird, da die chen zu setzen. Denn rechtlich hat eine ziellen Risiken bei der Monsanto-Übernah- Aktionäre ihre Rechte aktiver wahrneh- Nicht-Entlastung keine große Bedeutung. me völlig falsch eingeschätzt hat, hat der men. Jedoch steigt die Dialogfreude wohl UBS-Vorstand einen Vergleich in Frankreich eher nicht signifikant an, da die meisten In- Sollte das Entlastungsvotum ein stärke- bezüglich Vorwürfen der Geldwäsche und vestoren nicht persönlich vor Ort vertreten res Gewicht bekommen, also mehr Kon- Steuerhinterziehung abgelehnt und nun ei- sind, sondern Weisung an einen Stimm- sequenzen für Vorstand und Aufsichts- ne deutlich höhere Geldstrafe über 4,5 Mrd. rechtsvertreter erteilen. Deren Abstim- rat nach sich ziehen? EUR kassiert. Beide haben die Risiken völ- mungsverhalten steht daher schon vor Be- lig falsch eingeschätzt und dafür einen ginn fest und kann auch durch einen Aus- Das ist nicht unbedingt nötig. Die Möglich- Denkzettel kassiert. tausch auf der Hauptversammlung nicht keiten, einen Vorstand für grobe Pflichtver- mehr beeinflusst werden. Der Dialog findet letzungen zur Rechenschaft zu ziehen, be- Herr Bauer, vielen Dank für das Gespräch. also im Vorfeld statt, nicht auf der Haupt- stehen ja heute bereits. Nur werden diese versammlung selbst. nie genutzt. Das Interview führte Thorsten Schüller. Anzeige unternehmeredition.de Unternehmer Edition Know-how für den Mittelstand Nachfolge • Finanzierung • Steuern & Recht Restrukturierung • Private Equity, M&A Investoren im Mittelstand • Internationalisierung Mitarbeiterbeteiligung • Vermögen 2 Mittelstandsfi finanzierung Know-how für den Mittelstand g Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter: www.unternehmeredition.de April 2019 9,80 Euro Smarte Kredite Onlineportale ergänzen die Hausbank-Finanzierung Jetzt abonnieren! www.unternehmeredition.de/abonnement g Giesec Petrolub Wildling Shoes Tel.: + 49 89 - 2000 339 - 0 Vom Produk rnehmen und Auf Wachstumskurs zum Te in Widerspruch dank Crowdfunding Seite 18 Seite 48 Giesecke+Devrient Fuchs Petrolub Wildling Shoes Foto: © IRStone – stock.adobe.com Vom Produktionsbetrieb Familienunternehmen und Auf Wachstumskurs zum Technologieunternehmen Börsennotiz – kein Widerspruch dank Crowdfunding Seite 18 Seite 22 Seite 48
16 TITELTHEMA Bayer und UBS Die Nicht-Entlastungen aus rechtlicher Perspektive MATTHIAS SCHÜPPEN Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Graf Kanitz, Schüppen & Partner matthias.schueppen@grafkanitz.com In bemerkenswerter zeitlicher Nähe und mit bemerkenswert ähnlichen Ergebnissen ver- weigerten die Hauptversammlungen der Bayer AG am 26. April 2019 und der UBS AG am 2. Mai 2019 dem Vorstand beziehungsweise dem Verwaltungsrat und der Konzernleitung die Entlastung. In beiden Fällen waren Rechtsstreitigkeiten der Unternehmen ausschlag- gebend. Es lohnt sich, diese Abstimmungsergebnisse vor allem unter rechtlichen Gesichts- punkten genauer anzuschauen und zu reflektieren. Bemerkenswert sind die Gemeinsamkeiten gewesen, hätte es aufgrund des Abstim- Gelebte Realität und die Unterschiede in den juristischen mungsergebnisses noch knapp zur Entlas- Grundlagen der Entlastungsentscheidung tung des Verwaltungsrates gereicht, weil Bemerkenswert ist, wie weit bei der Beurtei- in Deutschland und in der Schweiz. Überein- die Enthaltungen nicht berücksichtigt worden lung einer Nicht-Entlastungs-Entscheidung stimmend handelt es sich um einen Pflicht- wären. Umgekehrt wäre bei der Bayer AG der Hauptversammlung einer deutschen tagesordnungspunkt der (ordentlichen) bei Berücksichtigung der Enthaltungen die Aktiengesellschaft die psychologische und Hauptversammlung beziehungsweise Gene- „Zustimmungsquote“ zur Tätigkeit des Auf- wirtschaftliche Realität von der juristischen ralversammlung, übereinstimmend ergeben sichtsrats zwar von 66% auf 57% gesunken, Beurteilung abweicht. sich aus dem Abstimmungsergebnis keine zu einer Mehrheit hätte es aber trotzdem unmittelbaren juristischen Konsequenzen. gereicht. Ein weiterer gewichtiger Unter- In der Entlastung wird eine Vertrauenskund- schied der beiden Rechtsordnungen liegt gabe für die Verwaltung gesehen; sie stellt Ein interessanter Unterschied zwischen darin, dass die Entlastungsentscheidung allerdings keinen Verzicht auf Schadens dem schweizerischen und dem deutschen in Deutschland für die Frage der Geltendma- ersatzansprüche dar, hat also – anders als Recht besteht in der Behandlung der Ent- chung etwaiger Schadensersatzansprüche noch im AktG 1937 – keine Präklusions- haltungen. Während nach deutschem Recht wegen Pflichtverletzungen der Organmit- wirkung. Gleichwohl ist eine Entlastungs- die Enthaltungen aus der Präsenz herausge- glieder völlig unerheblich ist, während der entscheidung anfechtbar, wenn die Haupt- rechnet werden (also nicht negativ ins Entlastungsentscheidung in der Schweiz – versammlungsmehrheit sie trotz einer Gewicht fallen), wirken diese nach schwei- insofern der Rechtslage bei der deutschen gravierenden Verletzung von Gesetz oder zerischem Recht wie Nein-Stimmen. Wäre die GmbH vergleichbar – erhebliche Relevanz Satzung durch das betroffene Verwal- UBS AG eine deutsche Aktiengesellschaft zuerkannt wird. tungsmitglied ausspricht. Deshalb war die HV MAGAZIN 02/2019
17 TITELTHEMA Entlastung in der Vergangenheit häufig Grund abberuft, steht das betroffene Vor- Entlastungsverweigerung (oder objektiv Tummelplatz für unzufriedene Kleinaktionäre, standsmitglied vor einem „uphill battle“: nicht begründete Vertagung der Entlastungs- die sie zum Vehikel von Fragerechten und Es müsste das Gericht davon überzeugen, entscheidung) für das Vorstandsmitglied Auseinandersetzungen machten. dass die Nicht-Entlastung einem Vertrau- nur, aus wichtigem Grund sein Amt nieder- ensentzug nicht gleichstand oder dass sie zulegen und zu kündigen. In Deutschland ist nicht unumstritten und jedenfalls aus offenbar unsachlichen durch höchstrichterliche Rechtsprechung Gründen erfolgte. Und abgesehen von der (Un-)Heimliche Mächte ungeklärt, ob die Nicht-Entlastung durch Problematik dieser Defensivposition wäre die Hauptversammlung einem Entzug des die Wirksamkeit der Abberufung bis zur Über die Entlastung der Vorstands- und Vertrauens durch die Hauptversammlung Rechtskraft einer gegenteiligen Gerichts- Aufsichtsratsmitglieder entscheidet die im Sinne des § 84 Abs. 3 Satz 2, 3. Fall AktG entscheidung zu unterstellen. Hauptversammlung, §§ 120, 175 AktG. Die gleichzustellen ist. Verneint man dies, ist Bayer AG ist ein Präzedenzfall, weil erstmals die Hauptversammlungsentscheidung Erhebliche Auswirkungen in der Nachkriegsgeschichte einem DAX- formal bedeutungslos. Selbst wenn man Vorstand die Entlastung verweigert wurde. dies bejaht, würde die Nicht-Entlastung Doch auch dann, wenn es nicht zu einer Offensichtlich sehen nicht nur Querulanten, als Vertrauensentzug zwar einen wichtigen Abberufung kommt und der Aufsichtsrat sondern auch seriöse Aktionäre den Tages- Grund zur Abberufung der betroffenen Vor- dem betroffenen Vorstandsmitglied sogar ordnungspunkt „Entlastung“ zunehmend standsmitglieder darstellen, aber nur ein „den Rücken stärkt“, sind die nicht unmittel- als Möglichkeit der Artikulation von Unzu- Ermessen des Aufsichtsrats („kann“) eröff- bar juristisch fassbaren Auswirkungen einer friedenheit und der Abrechnung mit einer nen, diese Abberufung auch zu beschließen. Nicht-Entlastung erheblich. Sie löst, wenn als insuffizient empfundenen Verwaltung. In Ganz in diesem Sinne ist der Aufsichtsrat sie – wie zumeist – als willkürlich und unbe- den Fokus der interessierten Öffentlichkeit von Bayer im Anschluss an die Abstimmungs- rechtigt empfunden wird, bei dem betrof- und des Gesetzgebers gerät dabei auch niederlage in der Hauptversammlung zu fenen Vorstandsmitglied erhebliche Frust- die Rolle institutioneller Stimmrechtsbe- einer außerordentlichen Sitzung zusam- ration aus. Und sie wird bei Dritten als ein rater, die namentlich bei Bayer und UBS mengetreten und hat „dem Vorstand den immenser „Makel“ empfunden, der die entscheidenden Einfluss auf das Votum der Rücken gestärkt“. Mit anderen Worten: Bemühungen des Betroffenen um eine Hauptversammlung genommen haben. Vorsorglich, selbst wenn die Entscheidung neue berufliche Verwendung zunichtema- Angesichts der vorstehend skizzierten der Hauptversammlung als Vertrauensent- chen kann („semper aliquid haeret“). Bedeutung der scheinbar bedeutungslosen zug im formellen aktienrechtlichen Sinne Entlastungsentscheidungen ist es begrü- zu interpretieren sein sollte, wollte der Auf- Vor diesem Hintergrund stellt sich rechts- ßenswert, dass das ARUG II sich auf die Fah- sichtsrat von seiner hierdurch eröffneten politisch die Frage, ob es nicht sachgerecht nen geschrieben hat, der Rolle der Stimm- Möglichkeit zur Abberufung aus wichtigem wäre, dem einzelnen Vorstandsmitglied einen rechtsberater mehr Transparenz zu ver- Grund keinen Gebrauch machen. subjektiven Anspruch auf Entlastung ein- schaffen. Die für das Unternehmen und die zuräumen, was de lege lata nicht der Fall individuellen Schicksale seiner Organmit- Das vermeidet – aus der Sicht der betroffenen ist. Dies würde ihm die Möglichkeit geben, glieder höchst bedeutsamen Entscheidun- Vorstandsmitglieder – den Super-GAU. Denn gerichtlich zu klären, ob die Entlastung gen der Hauptversammlung sollten nicht in wenn der Aufsichtsrat dies anders beurteilt aus guten Gründen oder zu Unrecht versagt der Hand anonymer Institutionen, sondern (also die Gleichstellung mit dem Vertrau- wurde. Nach geltendem Recht bleibt als in der Hand unternehmerisch engagierter ensentzug annimmt) und aus wichtigem Reaktion auf eine objektiv nicht fundierte Aktionäre liegen. ABSTIMMUNGSVERHALTEN AUF HAUPTVERSAMMLUNGEN VON BAYER UND UBS 2019 (UNTER BERÜCKSICHTIGUNG VON ENTHALTUNGEN) BAYER AG UBS AG Ja Nein Enthaltung* Ja Nein Enthaltung Entlastung Vorstand 38,48 % 48,03 % 13,49 % – – – Entlastung Aufsichtsrat / 57,25 % 29,0 % 13,74% 41,67 % 41,64 % 16,69 % Verwaltungsrat * geschätzt, Bayer gibt nur die abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen an, nicht die Enthaltungen Quelle: Unternehmensangaben, Graf Kanitz, Schüppen & Partner HV MAGAZIN 02/2019
18 HV-PRAXIS „Say on Pay“ im Licht von ARUG II Regierungsentwurf und Kodex im Duett GUDRUN MOLL Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Steuerberaterin; Legal Director, Pinsent Masons Germany LLP gudrun.Moll@pinsentmasons.com Parallel zum laufenden Gesetzgebungsverfahren zu ARUG II hat die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex eine Neufassung des Kodex verabschiedet. Börsen notierte Unternehmen sollten einen Blick darauf werfen, ob sich insbesondere bei der Vergütung des Vorstands wie auch bei der Einladung zur Hauptversammlung Änderungen ergeben. Am 20. März 2019 hat die Bundesregierung derzeit gültigen Kodex vom 7. Februar Beschluss möglich ist. Ebenfalls beibehalten ihren Regierungsentwurf des Gesetzes 2017 ablösen. wurde der lediglich empfehlende Charakter zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte- des Hauptversammlungsbeschlusses. Das richtlinie (ARUG II) verabschiedet. Nach Ver- Vergütungssystem für den heißt: Der Beschluss begründet hinsichtlich öffentlichung des Referentenentwurfs vom Vorstand der Vorstandsvergütung weder Rechte noch 11. Oktober 2018 waren zahlreiche Stellung- Pflichten. Im Rahmen der Beratungen im nahmen beim Bundesministerium der Die Pflicht des Aufsichtsrats einer börsen- Bundestag wurde jedoch von verschiedenen Justiz und für Verbraucherschutz eingegan- notierten Gesellschaft, ein klares und ver- Seiten ein verbindliches Votum der Aktionäre gen, die im Regierungsentwurf teilweise ständliches Vergütungssystem für den gefordert. Es bleibt daher abzuwarten, ob berücksichtigt wurden. Parallel zu dem Vorstand zu beschließen und die Vergütung ein solches im Verlauf des parlamentarischen nun laufenden Gesetzgebungsverfahren der Vorstandsmitglieder in Übereinstimmung Verfahrens noch Eingang in den Gesetzes- hat die Regierungskommission Deutscher mit diesem System festzusetzen, wurde text finden wird. Corporate Governance Kodex (DCGK) am mit lediglich redaktionellen Änderungen 9. Mai 2019 eine Neufassung des Kodex in den Regierungsentwurf übernommen. Vergütungssystem für den verabschiedet. Ein Schwerpunkt sind Unverändert ist damit der Aufsichtsrat Aufsichtsrat neue Empfehlungen zur Festlegung der für die Festlegung der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütung. Aufgrund des engen zuständig. Das durch ihn zu beschließende Im Hinblick auf die Beschlussfassung der Zusammenhangs mit den zu erwartenden Vergütungssystem für den Vorstand ist der Hauptversammlung über die Vergütung Änderungen des Aktiengesetzes durch Hauptversammlung mindestens alle vier der Aufsichtsratsmitglieder stellt der das ARUG II wird der DCGK 2019 allerdings Jahre zur Beschlussfassung vorzulegen, Regierungsentwurf nun klar, dass das erst nach Inkrafttreten des Gesetzes im wobei – wie durch den Regierungsentwurf Vergütungssystem selbst nicht in die Bundesgesetzblatt veröffentlicht und den neu eingefügt – auch ein bestätigender Satzung aufzunehmen ist, auch wenn die HV MAGAZIN 02/2019
19 HV-PRAXIS und des Vergütungsberichts auf der Tages- ordnung stehen. In der Praxis würde dies ausweislich der Gesetzesbegründung zur Folge haben, dass die Bekanntmachung das vollständige Vergütungssystem des Vorstands und des Aufsichtsrats, den vollständigen Vergütungsbericht einschließlich Vermerk des Abschlussprüfers sowie alle in Bezug genommenen Dokumente zu enthalten hat. Dies soll auch in den Fällen gelten, in denen börsennotierte kleine und mittelgroße Foto: © BillionPhotos.com. – stock.adobe.com Gesellschaften den Vergütungsbericht der Hauptversammlung lediglich als eigenen Tagesordnungspunkt vorlegen, aber keine Beschlussfassung erfolgt. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 17. Mai 2019 dementsprechend angeregt, den Gesetzes- entwurf dahingehend zu überprüfen, ob es mit Blick auf das Informationsbedürfnis der Aktionäre nicht genügt, die Dokumente gemäß § 124a AktG auf der Internetseite zugänglich zu machen. Aufsichtsratsvergütung in der Satzung nun klar, dass auch diese Beschlussfassung geregelt wird. nicht anfechtbar sein soll. Hinsichtlich der Ausblick Beschlussfassung über die Vergütungs- Vergütungsbericht systeme war dies bereits im Referenten- Es bleibt abzuwarten, ob sich im weiteren entwurf enthalten. Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Der durch Vorstand und Aufsichtsrat einer noch wesentliche Änderungen im Bereich börsennotierten Gesellschaft zukünftig zu Bekanntmachung der des Say on Pay ergeben und sich insbeson- erstellende aktienrechtliche Vergütungs- Hauptversammlung dere die Forderung nach einem verbind bericht ersetzt die bisher für börsennotierte lichen Votum der Hauptversammlung über Gesellschaften gemäß Handelsgesetzbuch Eine Neuerung im Regierungsentwurf das Vergütungssystem des Vorstands zumin- im Lagebericht vorgeschriebenen Angaben besteht darin, dass anlässlich der Einla- dest noch teilweise durchsetzt. Bei formalen zum individualisierten Ausweis der Vor- dung zu einer Hauptversammlung auch Punkten, wie der Bekanntmachung der um- standsvergütung und der Darstellung des der vollständige Inhalt der Unterlagen zu fangreichen Unterlagen mit der Einberufung Vergütungssystems. Aufgrund des Um- den jeweiligen Beschlussgegenständen zur Hauptversammlung, wäre eine Anpas- stands, dass die Neufassung des Kodex bekannt zu machen ist, sofern Beschlüsse sung aus Sicht der Gesellschaften zu 2019 auf die bisher empfohlenen Muster über die Billigung des Vergütungssystems begrüßen. tabellen zur Vorstandsvergütung verzichtet, ist der Vergütungsbericht damit zukünftig das zentrale Informations- und Berichts instrument im Hinblick auf die Vergütung der einzelnen Organmitglieder. Die entspre- chende Forderung, den Vergütungsbericht Foto: © alfexe. – stock.adobe.com durch den Abschlussprüfer daher nicht nur formal, also hinsichtlich des „Ob“, sondern auch inhaltlich prüfen zu lassen, wurde im Regierungsentwurf jedoch nicht umgesetzt. Auch der Vergütungsbericht ist der Haupt- versammlung zur Billigung vorzulegen. Der Regierungsentwurf stellt diesbezüglich HV MAGAZIN 02/2019
20 HV-PRAXIS Vergütungssysteme in Europa Der deutsche Markt hat Nachholbedarf MATTHIAS NAU CHRISTOF SCHWAB Senior Account Manager Director Business Development, Georgeson Computershare Deutschland GmbH & Co. KG matthias.nau@georgeson.com christof.schwab@computershare.de Deutsche Gesellschaften bereiten sich auf die Einführung jährlicher Vergütungs abstimmungen vor. Doch wie werden Investoren und Stimmrechtsberater die Vergütungssysteme und -berichte bewerten? In der Investoren-Community gilt der deutsche Markt klar als Nachzügler – sowohl hinsichtlich der Vorstandsvergütung als auch bezüglich der Reaktionsfreude der Aktionäre. In Deutschland wurden von 2010 bis 2019 Situation in Europa Keine Schonfrist für Neulinge im DAX30 weniger als 100 Vergütungsab- stimmungen durchgeführt. 2010 stellten Deutschland ist gemeinsam mit den Nieder- Es ist schwierig abzusehen, wie Investoren sich fast alle DAX-Unternehmen der Her- landen einer der letzten großen Märkte in und Stimmrechtsberater die deutschen ausforderung, im Jahr darauf war es schon Europa, der die Vergütungsabstimmung im Beschlüsse im kommenden Jahr bewerten weniger als ein Drittel. Einige DAX-Unter- jährlichen Turnus einführen wird. Die großen werden. Einen Hinweis könnten die Gescheh- nehmen ließen ihre Aktionäre jährlich europäischen Märkte – gemessen an der nisse im französischen Markt 2014 geben: abstimmen, andere das letzte Mal vor über Marktkapitalisierung – haben mit Ausnahme neun Jahren. Deutschlands und der Niederlande allesamt Infolge einer Anpassung des französischen bereits eine Form der jährlichen Vergütungs- Corporate Governance Kodex im Jahr 2013 In der laufenden HV-Saison 2019 haben abstimmung eingeführt: 2002 geschah dies stellten alle großen französischen Gesell- nur vier DAX-Werte ihren Aktionären ein in UK, 2010 in Spanien, 2011 in Italien, 2013 schaften auf ihren Hauptversammlungen Vergütungssystem zur Abstimmung vorge- in Frankreich und der Schweiz. Seitdem sind die Vergütung zur Abstimmung. Die Unter- legt. Einige Investoren hatten argumentiert, die Ansprüche der Stimmrechtsberater und stützung der Aktionäre in diesem ersten dass mehr freiwillige Abstimmungen vor Investoren kontinuierlich gestiegen, und zwar Jahr war relativ hoch, mit einer durch- Einführung einer Pflicht dazu beigetragen nicht nur hinsichtlich der geforderten schnittlichen Zustimmungsrate von 92%. hätten, einen positiven Standard im Markt Transparenz, sondern beispielsweise auch Allerdings hatten einige institutionelle Inves- zu etablieren und den zu erwartenden dahingehend, die Vergütung an der Wertent- toren ebenso wie der Stimmrechtsberater Engpass im Jahr 2020 zu verringern. wicklung des Unternehmens auszurichten. ISS bereits im Vorfeld angekündigt, dass HV MAGAZIN 02/2019
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