S-Magazin Nr. 12: Neue Lebensqualität Retro-Charme und digitale Mode - wie wir heute genießen - Brookmedia
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S-Magazin. Das Stilmagazin vom SPIEGEL Oktober 2020 www.spiegel.de/leben/stil/s-magazin S-Magazin Nr. 12: Neue Lebensqualität Retro-Charme und digitale Mode – wie wir heute genießen Computer-Schönheit Das ist Shudu Gram, das erste digitale Topmodel der Welt. Die virtuelle Superfrau ist zurzeit gut gebucht
NEUE LEBENSQUALITÄT S-Magazin Das Stilmagazin des SPIEGEL Oktober 2020 Den Inhalt dieses Hefts finden Sie auch auf www.spiegel.de/leben/stil/s-magazin »Die Luxusindustrie muss die neue Normalität definieren«, sagt der belgische Modemacher Dries Van Noten in unserem Interview. Sie gibt die Standards vor, die jetzt angebracht sind in Mode und Design, bei Reisen und Genuss. Kunden fragen so stark wie nie zuvor nach lokalen Produkten und kaufen nach ethischen Kriterien ein, bestätigt Winzer Martin Tesch. Von Nachhaltigkeit und dem »Neuen Normal« ist derzeit viel die Rede. Wo finden wir im Angesicht von Corona Qualität, Glück, Schönheit und Erfolg? Dieser Frage geht die neue Ausgabe von S nach. Wir besuchen drei Aussteigerpaare, die die Sehnsucht aufs Land getrieben hat. In unserem Report beschreiben wir, wie viel Kreativität die Krise in der Modebranche freigesetzt hat, die mit digitalen Prä- sentationen, Looks und Avataren experimentiert. Auch S hat erstmals in Deutschland mit virtuellen Fotomodellen gearbeitet. Shudu Gram heißt unsere Titel-Schönheit aus Bits & Bytes. Es war eine aufwendige, langwierige Produktion an zwei Standor- ten. Zunächst musste ein reales Modell mit ähnlicher Hautfarbe gefunden und im Studio in Hamburg unter exakt bestimmter Lichtgebung fotografiert werden. Danach wurden die Bilder von Cameron Wilson in London am Computer weiterverarbeitet. »In drei bis fünf Jahren geht so etwas mit einem Klick«, sagt der Digitalartist. 3D-Mode sei keine Spielerei mehr, »sondern im Fall einer weiteren Pandemiewelle ein Weg für Marken, zu überleben.« Viel Freude mit S, Ihre Redaktion 20 34 14 Foto Digitalmodel Cover und diese Seite: The Diigitals; Model Danny diese Seite: Timmo Schreiber; Dries Van Noten: Pamela Berkovich 04 Magazin I 12 Auftakt 24 Trend Klassiker: Das Vintage-Festtagskleid / Der Soziologe und Zukunftsforscher Zurück in die Hütte: Cottagecore heißt Heimatlich: Das Schlosshotel am See / Harald Welzer über die Chancen, die neue Sehnsucht nach einem einfachen Kolumne: Die Dinge des Lebens die sich durch die Krisenzeit bieten Leben auf dem Land. Drei Beispiele 06 Magazin II 14 Mode 34 Produkte Herzenssache von Mark Bezner / Digitaler Stoff: Wie sich Modemarken Puzzeln, würfeln, legen, ziehen: Die große Taschen-Schau in London / neu aufstellen. Dazu ein Shooting Es ist Zeit zu spielen Weinkolumne: High Glass mit virtuellen Supermodels und ein Interview mit deren Schöpfer 36 Hier kocht der Chef 08 Magazin III Kochen mit Verstand: Lauren Wildbolz Oscar de la Renta auf Amazon / 20 Protagonisten I vom »Maison Raison« in Zürich Burning Man im Netz / Fitnessstudio Interview mit Designer Dries Van Noten kocht seit dem Lockdown radikal vegan zu Hause über die Revolution der Modebranche 37 Kolumne Lambda – 175 Years Watchmaking Glashütte. Feinuhrmacherei, neu in einem Gehäuse aus Edelstahl. Das Sondermodell, 10 Streetstyle 22 Protagonisten II Der Ethiker: Von Nils Minkmar nach Chronometerwerten reguliert, gibt es in Emailleschwarz, -weiß oder -blau, limitiert auf je 175 Stück. Etwa hier: Aachen: Lauscher, Lücker; Augsburg: Bauer, Hörl; Bayreuth: Böhnlein; Berlin: Brose, Leicht, Lorenz; Bielefeld: Böckelmann; Die Farben von London Die Sexarbeiterin Kristina Marlen und Impressum Bochum: Mauer; Bonn: Hild, Kersting; Bremen: Meyer; Darmstadt: Techel; Dresden: Leicht; Düsseldorf: Blome; Erfurt: der Künstler Stefan Sagmeister über Ge- nuss und Glück in Zeiten von Corona 38 Das gezeichnete Interview Jasper; Essen: Mauer; Frankfurt am Main: Pletzsch; Glashütte: NOMOS Kaufhaus; Hamburg: Cabochon, Becker, Mahlberg; Von und mit Paul Schrader Hannover: Kröner; Köln: Berghof, Gadebusch; Konstanz: Baier; Lübeck: Mahlberg; Mainz: Wagner-Madler; Mannheim: Wenthe, München: Fridrich, Hilscher, Kiefer; Münster: Oeding-Erdel; Regensburg: Kappelmeier; Stuttgart: Kutter; Ulm: Kaliber DUW 1001 Mode Cover: Top und Rock, je 1500 Euro, von Dior; Kette aus Roségold mit Herzanhänger und Diamanten, 7660 Euro, Collier »Happy Hearts« aus Roségold mit Diamanten und Perlmutt, 37 800 Euro, beides von Chopard; Kreolen aus Roségold mit Keramik, Scheuble. Und überall bei Brinckmann&Lange, Bucherer, Rüschenbeck und Wempe sowie hier: nomos-glashuette.com Deutsche Uhrenwerke NOMOS Glashütte 2810 Euro, von Bulgari. Mode diese Seite: Anzug von Boss, 850 Euro; Uhr Oyster Perpetual von Rolex, 5300 Euro S-Magazin / 03.20 03
MAGAZIN VO R U N S D I E W E LT Aus der Tonne Gelungener Kreislauf: Aus aufbereiteten Hausabfällen wie etwa Verpackungen fertigt Vitra sein Modell »Tip Ton« von Edward Barber und Jay Osgerby nun S E I T J E H E R U NS E R KU R S: als Recycling-Modell »Tip Ton RE«. Der Stuhl selbst ist ebenfalls komplett wiederverwertbar. 262 Euro, vitra.com M A S S STÄ B E S E T Z E N. Die Dinge des Lebens von Claudia Voigt An Bord unserer kleinen Schiffe genießen Sie Freiraum in einem noch nie dagewesenen Maß, damit Sie noch sicherer reisen. Genießen Sie die vertraute Fehlercode Manchmal braucht es ja den einen entscheidenden Moment, damit Symbiose aus perfektem Luxus, individueller Entspannung und inspirierenden einem deutlich wird, was eigentlich sowieso klar ist. Als unsere Geschirr- Momenten, wenn Sie den Horizont der Welt wieder zu Ihrem machen. spülmaschine den Fehlercode E15 anzeigte, war das so ein Moment. Wir Folgen Sie uns auf unserem Kurs: www.hl-cruises.de hatten das Gerät randvoll eingeräumt mit Töpfen und schmierigen Tellern, alles irgendwie hineingestapelt, Klappe zu. Es war Mitte März, der Lock- down bestand seit genau zwei Tagen, später Sonntagabend. Und dann: „E15 – Wasser in der Bodenwanne. Bitte benachrichtigen Sie den Kundendienst.“ Selbstverständlich würde in der nächsten Zeit kein Kundendienst unsere Wohnung betreten, und während mein Sohn und ich Teil um Teil aus der Gestern und heute Secondhand: Prinzessin Beatrice trug im Juli bei ihrer Maschine räumten und mit der Hand abwuschen (ich) und abtrockneten (er), Hochzeit mit Edoardo Mapelli Mozzi auf Windsor Castle die Kreation von Modemacher Norman Hartnell, die ihre Großmutter, Queen versuchte mein Mann, das Gerät eigenhändig zu reparieren. Elizabeth II, 1962 zur Premiere von »Lawrence von Arabien« kleidete Es war mittlerweile halb zwei in der Nacht, und mir wurde klar, dass wir in den nächsten Wochen sehr viel Geschirr schmutzig machen und mit der Hand spülen würden, weil wir ja ständig zu Hause sein würden. Das hatte es seit der Geburt meines Sohnes nicht mehr gegeben, und die lag 20 Jahre zurück. Heute, mehr als ein halbes Jahr später, sind das Erinnerungen an eine Zeit, Das Vintage-Festtagskleid über die wir hoffentlich mal wie über die Mondlandung oder 9/11 reden werden – „Was habt ihr damals gemacht?“ Mein Blick auf mein Zuhause Klassiker Als Cate Blanchett im August das Filmfestival von Venedig hat sich seitdem verändert. Erst mal: schön und gar nicht selbstverständlich, eröffnete, trug sie ein Kleid, das sie schon 2015 über den roten Tep- dass es das gibt, einen Ort, an dem ich gern bin. Im Vorgarten steht eine pich geführt hatte. »It’s Chic to Repeat«, postete ihre Stylistin dazu Magnolie, und in den vielen Jahren, die ich in dieser Wohnung schon woh- auf Instagram. Und die Jurypräsidentin selbst erklärte: »Es ist die Ge- ne, habe ich im April, wenn sie blüht, manchmal im Vorbeigehen gedacht: legenheit, Prozesse zu überdenken, die dysfunktional und vor allem „Wie hübsch.“ Und kurz darauf: „Ach, schon wieder verblüht.“ In diesem nicht nachhaltig sind.« Schon bei den Bafta-Awards in London An- Jahr habe ich beobachtet, wie die Knospen praller wurden, wie sich weiße fang des Jahres galt die Devise, alte Stücke aufzutragen. Die Krönung Spitzen zeigten, erste Blüten sich vorwitzig öffneten, und als das große Blü- des Trends folgte im Sommer, als Prinzessin Beatrice von England in hen begann, erschien es mir besonders schön und tröstlich. Ich habe aber einer elfenbeinfarbenen, mit Diamanten besetzten Robe aus dem auch über Unzulänglichkeiten weniger leicht hinwegsehen können, über die Schrank der Queen heiratete. Fast 60 Jahre nachdem ihre Oma das klapprige Schublade im Bad, das fiese Licht im Flur, die Bücherstapel auf Kleid getragen hatte, verpasste Beatrice ihm ein Paar Puffärmel, statt dem Wohnzimmerboden. „Wir brauchen dringend ein neues Regal.“ Mit sol- einen neuen Hochzeitslook fertigen zu lassen. Im Adel gibt es die Tra- chen Feststellungen waren wir wohl nicht allein, die meisten Möbelhersteller dition, Festkleider an nachfolgende Generationen weiterzugeben, vor und Einrichtungsläden haben seit Mai tolle Geschäfte gemacht. allem bei Taufen. So trug etwa Prinz William als Baby dasselbe Kleid- Als der Lockdown beendet war, mein Mann wieder ins Büro ging und der chen wie später sein Sohn George und sein Neffe Archie. Aber auch Sohn in seine Unistadt zurückgereist war – als die Höhlenzeit also zu Ende jenseits der Paläste und roten Teppiche sind Vintage-Festtagsroben in ging und nur ich weiterhin zu Hause war, weil ich im Homeoffice arbeite, Mode. Die Nachfrage nach Brautkleidern aus zweiter Hand sei im fühlte ich mich in meiner Wohnung seltsam fehl am Platz. Irgendwo las ich die Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent gestiegen, berichtet die Vin Frage: „Haben wir noch ein Zuhause im herkömmlichen Sinn?“ Was soll das tage-Plattform Vestiaire Collective. Etwas Altes, etwas Neues, etwas sein?, fragte ich mich. Ein Zuhause, in das wir uns zurückziehen vor der Welt, Gebrauchtes und etwas Blaues sollen ja Glück bringen. Zwei Punkte, das wir uns möglichst heimelig einrichten mit einer Badewanne, in der wir die ein Secondhand-Kleid schon mal erfüllt. Estelle Marandon Kapitän sind? Finde ich das erstrebenswert? Ich habe immer viel Geld dafür ausgegeben, nahe an der Innenstadt zu wohnen, weil ich die Nähe zum Tru- bel mag, zu Restaurants, Kinos, Bars. Das neue Biedermeier, das sich in der Zeit des Lockdowns auch in mir anbahnte, ist mir nicht geheuer. Jeder für sich in den eigenen vier Wänden, die mit teuren Kaffeemaschinen, mit Faltpools JETZT Was für ein Blick! oder der Tomatenzucht auf dem Balkon immer perfekter ausgestattet sind? INFORMIEREN UND BUCHEN. Damit werden auch Begegnungen und Zufälle seltener. Das Aufeinander- Anwar Hussein/Getty Images (l.); action press Luxuriöse Heimeligkeit treffen mit Menschen, die man sich nicht ausgesucht hat. Eine andere Mei- In bester Lage am größten See nung, ein anderes Temperament. Sobald man sich in die Welt begibt, lassen Kärntens liegt der ehemalige Adels palast, der mal Kulisse war für die sich Pläne nicht reibungslos durchziehen, weil einem unerwartet etwas da- TV-Serie »Ein Schloß am Wörther- zwischenfunken kann. Zum Glück. see«. Moderner Luxus paart sich Vor wenigen Tagen zeigte meine Corona-App die rote Warnstufe an. „Bege- im Schlosshotel Velden mit dem Gefühl, in einem Heimatfilm zu ben Sie sich, wenn möglich, nach Hause bzw. bleiben Sie zu Hause.“ Wieder urlauben. Statt Roy Black kommen war ich ein Wochenende lang nur in meiner Wohnung, immerhin lief der heute Gäste wie Wesley Snipes. Doppelzimmer ab ca. 260 Euro pro Geschirrspüler. Aber am Montag habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt Nacht, falkensteiner.com und einen Corona-Test gemacht, um wieder hinauszudürfen. S 04 S-Magazin / Oktober 2020
MAGAZIN High Glass Die Weinkolumne Wer hätte das gedacht: Die Krise scheint aus uns Biertrinkern plötz- lich Weingenießer gemacht zu ha- ben. Zu Hause tranken die Deut- schen im zweiten Quartal mehr Wein als je zuvor. Um 12,5 Prozent stieg der Absatz gegenüber dem Vorjahr. Die meisten Weine kamen aus heimischen Gefilden. Aber nicht Weißwein (plus 10 Prozent) war der Star des Sommers, sondern Rotwein (plus 15 Prozent) und vor allem Rosé (plus 29 Prozent). Zwischen Kiel und Konstanz stürmten mehr Kunden in die Vinotheken als sonst, an Mosel, Rhein und Ahr waren die Zimmer Herzenssache »Als Rebensaft-Aficionado hat mir dieser Dekanter Für jede Ausgabe von S spenden Prominente ein privates Objekt. knapp und die Restaurants voll. von Goliath schon viele genussvolle Momente beschert. Ich habe Diesmal: der Weindekanter von »Der Weinmarkt hierzulande hat Mark Bezner. Der 57-Jährige in den letzten Jahren eine Qualitäts- ihn mal auf einer Weinverkostung erworben. Mit dem Koloss aus führt in dritter Generation das Bekleidungsunternehmen und Werte-Renaissance erlebt«, ist Edelstahl gelingt selbst die distinguierte Degustation überdimensio- Olymp Bezner KG aus Bietig- im ersten »Germany Covid-19 Im- nierter Flaschenformate. Seit Jahren bildet er den Blickfang meines heim-Bissingen, das bekannt ist pact Report« der Strategieberatung für seine Herrenhemden. Weinkellers. Bei Familienfeiern und Festen hat er mir gute Dienste Wine Intelligence zu lesen. Die Ver- Schicken Sie Ihr Gebot bis erwiesen. Jetzt hat das Charakterstück seinen Reifegrad erreicht, 1.11. an herzenssache@ braucher seien durch das »aufkei- spiegel.de. Der Erlös der mende Geschäft mit hochwertigem sodass es Zeit ist für einen langen Abgang. Eine Drei-Liter-Dop- Versteigerung geht an die heimischen Wein« aus der »jahrhun- pelmagnumflasche erlesenen Spätburgunders vom Bönnigheimer Kinderhilfsorganisation dertealten Gewohnheit« ausgebro- Olymp-Bezner- Stiftung. Weingut Dautel gibt es als Nachschank obendrein. Prost!« olymp-bezner-stiftung.de chen, »sehr wenig für Wein auszu- geben«, so die Studie. »Die Leute haben plötzlich Zeit und interessieren sich für das, was vor der Haustür wächst«, sagt Martin Tesch vom Weingut Tesch in Lan- 03 02 01 genlonsheim an der Nahe. Das be- Die ultimative trifft nicht nur Lebensmittel, son- Taschen-Schau dern auch Genussmittel wie Wein. Die Konsumenten fragen verstärkt nach Erzeugnissen der Region, pro- Das für seine spektakulären bieren aus und kaufen nach ethi- Mode-Ausstellungen bekannte Victoria & Albert Museum in schen Kriterien. »Luxus wird ge- London geht in der Ausstellung rade neu definiert«, sagt Tesch. Es »Bags: Inside Out« der Faszi- nation für die Tasche auf den gehe nicht mehr nur um den Preis und das Was, sondern auch um Foto Grace Kelly: Allan Grant (The LIFE Images Collection via Getty Images) Grund. Vom 21. November an werden 300 Exponate vom 16. das Wie, Woher und Warum. Das Jahrhundert bis heute gezeigt – von Winston Churchills Depe- Feedback der Kunden sei viel um- schenbox bis zu Design-Stücken fangreicher als vor der Krise. Über von Kim Kardashian. vam.ac.uk die sozialen Medien kommuniziert 01 > »Kelly Bag« (1956) Grace Tesch mit den Kunden, QR-Codes Kelly mit der nach ihr benannten auf seinen Etiketten führen zu In- Hermès-Tasche in Hollywood AACHEN-EILEND. Krüttgen - ANNWEILER Kloos - Wohndesign - ARNSBERG-NEHHEIM Wiethoff Einrichtungshaus - ASCHAFFENBURG Möbel Maidhof - AUERBACH Möbelhaus Albiez - BERGISCH fos über den Herstellungsprozess GLADBACH Patt Einrichtungen - BERLIN Oliver Kuhlmey - BERLIN Kusian Einrichtungshaus - BERLIN Lakeside Interiors - BERLIN Wohndesign - BONN HSR Hesbo - BONN Loft Designmöbel 02 > »Ocean Legend« (2017) der Produkte. So ist eine Genuss- - BRAUNSCHWEIG Möbel Homann - DATTELN Möbel Meyer - DETMOLD ergo:nomie - DREIEICH Dietrich Möbel - DÜSSELDORF Klaus Eckhardt - Stilwerk - DÜSSELDORF Felix Thonetshop - ECHTERDINGEN Müller Wohndekor - ERLANGEN Stocker Einrichtungs - ESSLINGEN Profil Einrichtungen - ETTLINGEN Haug! Wohn-Design - FRIEDBERG Segmüller - GEORGSMARIENHÜTTE Rucksack von Stella McCartney gemeinschaft entstanden, die regi- B.Dransmann - GÖTTINGEN Einrichtungshaus Günther - GROSS GERAU Möbel Heidenreich - HALTERN Döbber Möbel & Handwerk - HAMBURG Marks Einrichtungen - HANAU Möbel Eckrich und Parley for the Oceans aus - HANNOVER / GARBSEN Möbel Hesse - HEILBRONN Fromm - HEMMINGEN-WESTERFELD Möbel Böhm - HERXHEIM Einrichtungshaus Weber - HIDDENHAUSEN Ottensmeyer Wohndesign - HOF/ onale Identität schätzt. S SAALE Sitte Einrichtungshaus - HOLZGERLINGEN Möbel Lauxmann - ILLINGEN Möbelhaus Dörrenbächer - KAARST Hügen Raum und Design - KARLSRUHE Roter Punkt Desgin - KASSEL wiederverwertetem Meeresmüll Wohnfabrik - KEHL Kruss Einrichtungen - KIEL Dela Möbel - KÖLN Pfannes & Virnich - KORNWESTHEIM Die Einrichtung Kleemann - KREFELD DI by Sascha Haag - KREFELD Feldmann - KREFELD Weine über weingut-tesch.de Hafels Raumausstattung - KREFELD Stefan Küstermann - KRONACH Wohnstudio Viviere - KÜNZELSAU-GAISBACH Einrichtungshaus Schmezer - LANGENFELD W & A Wohnen - LANGENWEISSBACH 03 > »International Women Suit- Tuffner - LANGENLONSHEIM Möbel Fuchs - LANGERWEHE Möbel Herten - LAUCHRINGEN Möbel Dick - LEIPZIG Möbel Weber - MAINZ Holz - MANNHEIM Segmüller - MANNHEIM Westfalia Möbel- case« (2004) von der britischen Stephan Reinhardt, 52, bewertet etwa Peeck - MAULBURG Einrichten Schweigert - MOERS Drifte Wohnform - MÖNCHENGLADBACH Tellmann Einrichten - MONTABAUR A-M-S Möbel - MÜLHEIM AN DER RUHR Partenheimer - NEUMARKT Die Einrichtung Pröbster - NEUWIED Möbel May - NÜRNBERG Polsterhaus Schlosser - OLPE-LÜTRINGHAUSEN Möbelhaus Zeppenfeld - PARSDORF Segmüller - PFORZHEIM Dieter Horn - PULHEIM Künstlerin Tracey Emin für das 4000 Weine jährlich für Robert Parkers Segmüller - SCHWABMÜNCHEN Einrichtungshaus Bruckner - SCHWANFELD Dietmann Wohnen & Küchen - SCHWEINFURT Wohnkultur Müller - SINDELFINGEN Mornhinweg - SOLINGEN Möbel französische Label Longchamp »Wine Advocate«. Dembny - SOLINGEN Sonja Völz Dekorationen - SPEYER richard maurer wohndesign - STADTLOHN Möbel Steinbach - STARNBERG Ofenstein Wohndesign - SUNDERN Haus der Wohnkultur - SYKE Wagner Wohnen - ULM Prinz Wohnen - VILLINGEN Würthner Wohnen - VOERDE WOHNWELT Fahnenbruck - WALLDÜRN Wohnfitz - WALLDÜRN Wohnfitz - WEIDENBERG Polstermöbel Gebhart - WEITERSTADT Segmüller - WETZLAR Möbel Schmidt - WIESBADEN Möbelhaus Vogel - WIESLOCH Weckesser Wohnen - WUPPERTAL Audio 2000 06 S-Magazin / Oktober 2020 Leolux Design Center Elbestraße 39, 47800 Krefeld (NRW) www.leolux.de • Sofa: Rego (Gino Carollo)
MAGAZIN Die Quittung Addierte Produk- tions- und Umwelt- kosten für ein weißes T-Shirt der schwe- dischen Männer modemarke Asket Festival Fitness First Class Statt Wüste Statt Personal Trainer Statt Langstrecke Die rund 80 000 Sinn- und Party- Drei intelligente Trimm-Dich- Die australische Airline Qantas suchenden, die sich sonst in Geräte aus den USA erobern bietet derzeit neben Sightsee Nevada versammeln, konnten derzeit die Wohnzimmer. Die ing-Flügen über den Heimatkon- dem legendären Burning-Man- All-in-One-Muckibuden von tinent auch die Trolleys aus der Festival diesmal virtuell unter dem Tempo, Formelife und Tonal sind stillgelegten Boeing-747-Flotte an, Motto »Become Infinite« folgen. etwa so groß wie Wandposter und inklusive Inhalt. Für rund 1000 Wie in einem Videospiel reist sollen den Studio-Trainer durch Dollar gibt es die Servierwagen man jetzt in die spirituellen Wel- Kameras, Sensoren und künst- mit Champagner, Mini-Rotwein- ten von Black Rock. infiniteplaya. liche Intelligenz ersetzen. tonal. und Weißwein-Flaschen, Pyjamas com; journal.burningman.org com; formelife.com; tempo.fit und Pflege-Set. qantas.com Gut belegt Weniger ist mehr Die Ökobilanz der Mode als einer der ressourcenintensivsten Bran- chen der Welt ist bekanntlich eine Katastrophe. Wir kaufen zu viel und werfen 60 Prozent unserer Kleidung nach einem Jahr in den Müll. Seine neue »Impact Receipt« – etwa »Auswirkungsquittung« – versteht die junge schwedische 1 Marke Asket deshalb als eine un- terschriftsreife Vereinbarung. Die Marke legt (wie viele andere nach- 2 haltige Labels) offen, mit welchem Wasser- und Energieverbrauch be- ziehungsweise CO2-Ausstoß die Herstellung eines T-Shirts oder Hemdes verbunden war. Der Kun- de akzeptiert im Gegenzug die Konsequenz seines Kaufs »und denkt über die Umweltverschul- 01 > Das britische Topmodel Statt wie sonst auf der New York Fashion Week neue Cocktailkleider dung nach, die er damit verur- Cara Delevingne präsentiert die Pre-Fall-Kollektion über den Laufsteg zu schicken, feierte das ehrwürdige Modehaus sacht«, sagt August Bard Bringéus, von Oscar de la Renta auf Mitgründer der Marke. »Wir kön- Amazon. Seit September Oscar de la Renta – gegründet 1967 – im September als erstes Design nen uns nicht aus dem Problem verkauft das amerikanische label die Premiere einer neuen Kollektion auf der Amazon-Plattform Modehaus als erster Luxus- anbieter ausgewählte Looks bei dem Online-Händler »Luxury Stores«. Ein Kulturschock! In der elitären High F ashion herauskaufen.« Das Beste für die Umwelt sei, »weniger zu kaufen«, DEINE PERFEKTE CHINO hatte der größte Online-Händler der Welt zuvor keine Erfolge ver- so der Modeunternehmer. »Buy 02 > Über die Amazon-App können Prime-Mitglieder buchen können. Doch die Pandemie vertreibt alte Vorbehalte und less« steht auch auf der Quittung. in den USA auf Einladung zwingt zu neuen Wegen. Auch das französische Label Roland M ouret Sowie die geprüfte Lebensdauer Ready-to-wear-Stücke jedes Teils. 180-mal kann man und Accessoires mit offeriert nun exklusive Stücke auf Amazon. Gibt die Branche ihre demnach das weiße T-Shirt der 360-Grad-Technologie betrachten elitäre Haltung auf? »Hier sind jetzt unsere Kunden unterwegs«, sagt Marke tragen, bevor es dann doch GEFERTIGT IN PORTUGAL 17 FARBEN ELASTISCHER HOSENBUND KOSTENLOSER VERSAND De-la-Renta-CEO Alex Bolen, man müsse eben innovativ bleiben. in die Tonne muss. REISSVERSCHLUSSTASCHE BESTELLE JETZT DEINE MR MARVIS CHINOS AUF MRMARVIS.DE 08 S-Magazin / Oktober 2020
STREETSTYLE STREETSTYLE 1/ Gillian, 51, Gesundheitsangestellte 2/ Kaci, 32, Musiker 5/ Adam, 36, 3D-Designer 6/ Sonum, 31, Dokumentarfilmerin Rock: H&M; Sonnenbrille: Miu Miu; Hose: Nike; Sandalen: Birkenstock; Shorts: Acne Studios; T-Shirt: Uniqlo; Jacke: Candaces Moda Afro; T-Shirt: Fishs Eddy; Maske: über Ebay T-Shirt: Bape; Tasche: Prada Schuhe: Our Legacy Schuhe: Birkenstock; Ohrringe: selbst gemacht; Hose: Zara 3/ Birte, 23, Friseurin 5/ Aaron, 29, Grafikdesigner T-Shirt: Adidas; Hose: Flohmarkt T-Shirt: Powers; Shorts: Stone Island; Mütze: Burberry; Sonnenbrille: Prada; 7/ James, 29, Student Tasche: Tinder; Hose: Vivienne Die Farben von 4 / Karolina, 24, Angestellte Jacke: Axel Arigato; Schuhe: Nike Westwood; T-Shirt: Wolford; Schuhe: Camper London T-Shirt: Fiorucci; Hose: Adidas Text: Peter Sträuber Fotos: Sheena Sumaria Weil die Pandemie sie monatelang in ihre Wohnungen verbannt hatte, haben modebewusste Londoner nun einiges nachzuholen. In London Fields, einer Gegend rund um einen Park im Osten der Metropole, tragen die Leute an schö- nen Herbstwochenenden verschiedenste Stile zur Schau. Der Look der britischen Hauptstadt zeichnet sich seit jeher durch ein „anything goes“ aus – die Geburts- stätte des Punk liegt hier ebenso wie die Maßschneider-Gasse Savile Row. Beides (und alles dazwischen) hat das Straßen- bild immer gespiegelt. Derzeit jedoch fal- len weniger die extravaganten als viel- mehr die legeren Outfits auf – Leggings, Trainingshosen, Sweatshirts. »Ich sehe derzeit viel ›athleisure‹, einen Mix aus 2 3 Wohnzimmer- und Sportbekleidung«, sagt Joe Brunner, der für die Boutique Browns Männermode einkauft. »Es gibt viele Work-out-Klamotten, die als All- tagskleidung verkauft werden. Sie sind bequem, und die Leute scheren sich we- niger um ihre Wirkung. Das finde ich sehr erfrischend.« Seit dem Lockdown hätten die Londoner einfache Kleidung schätzen ge- lernt, sagt die Fashion-Bloggerin Navaz Batliwalla. »Auf der Straße sieht man jetzt oft Sachen, die zu Hause getragen werden, die aber auch draußen cool aussehen.« Kapuzenpullis etwa, Jogginghosen, bauch- freie Oberteile oder Birkenstock-Sanda- len – alles modisch überhöht, in grellen Farben oder mit ausgefallenen Schnitten. Arbeitskleidung liegt ebenfalls im Trend, zum Beispiel Boilersuits, also Overalls, oft bunt bedruckt oder mit auffälligen Acces- 4 5 soires wie Ohrringen und Sonnenbrillen kombiniert. Dazu gehört auch alles rund ums Fahrrad: Als der öffentliche Verkehr lahmlag, sind Tausende aufs Rad gesprun- gen – die dazugehörige Kluft wie Fahr- radtaschen, Helm oder Sneaker wurde zum Mode-Statement. Der Broadway Market südlich von London Fields ist in diesen Tagen ruhiger als vor der Krise. Dennoch bil- den sich zur Mittagszeit Schlangen vor den Gemüseständen und Falafel-Buden. Einzig die vorgegebenen Sicherheitsab- stände und Gesichtsmasken erinnern da- ran, dass die Pandemie den Alltag noch immer bestimmt. Masken sind zum Ac- cessoire geworden. »Viele wählen den Mund-Nasen-Schutz passend zum Out- fit, sie wollen damit ihre Persönlichkeit ausdrücken«, sagt Batliwalla. Ein willkom- mener Nebeneffekt: »So tragen die Leute 1 6 7 wenigstens ständig eine.« S 10 S-Magazin / Oktober 2020 S-Magazin / 03.20 11
AUFTAKT Raus aus dem Hamsterrad Die Krise hat uns neue Routinen auf- gezwungen, lernen wir sie schätzen? Digitale Muße, analoges Genießen Vieles da draußen fühlt sich zurzeit anstrengend und lustfeindlich an. Trotzdem gut möglich, dass wir auf dem Weg in eine bessere Zukunft sind. Für den Anfang hilft ein Perspektivwechsel im Kopf. Von Harald Welzer Fernreisen? Na, im Moment wohl eher nicht. Kreuzfahrten? Bereiten eben- des ökologischen Fußabdrucks: geht doch! So wie vorher wird’s eh nie wie- falls Unbehagen. Wenn sogar Mallorca und die Kanaren nicht mehr safe der sein. Viele Unternehmen verkleinern dank umfassender Homeoffice- sind. Wie eng die analoge Welt doch wird, wenn sie nicht mehr global zum Regelungen ihre Büroflächen und kehren sicher nicht mehr zur bisherigen Konsum zur Verfügung steht! Auch Shoppen hat an Reiz verloren, seit Ab- Menge an Geschäftsreisen zurück. Die Tech-Firmen aus dem Silicon Valley, standsregeln und Mundschutz den Erlebniswert einschränken. Und in Ho- auf die ja alle gern starren, wenn es um Innovationen in Arbeitsprozessen tels, Restaurants und Bars erinnern Bedienungen mit Plastikvisieren und geht, setzen dauerhaft aufs Heimbüro. Twitter stellt es Mitarbeitern frei, Masken sowie die Formulare permanent daran, dass die neue Normalität auch nach Corona von zu Hause aus zu arbeiten, Facebook will es der alles andere als normal ist. Sondern anstrengend, unlocker, genussfeindlich. Hälfte der Belegschaft für die nächsten fünf bis zehn Jahre anbieten, und Aber: Vielleicht wirkt das nur so, weil wir in Wahrheit sehr verän- Google verlängerte die Phase bis Mitte 2021. Bei Boss in Metzingen heißt derungsavers sind, es also nicht mögen, wenn Routinen umgelernt werden das neue Arbeitszeitmodell »Threedom of Work«, drei Tage Metzingen, müssen. Der Verlust an Gewohntem führt zu Stress und Irritationen. Der zwei Tage sonstwo. Mainzer Resilienzforscher Raffael Kalisch hat mit Wissenschaftlern der Cha- Und weil viele Arbeiten außerhalb von Produktion, bestimmten rité in Berlin und anderen Partnern untersucht, welche Faktoren die Psy- Dienstleistungen und stationärem Handel künftig keinen realen Ort mehr che in der Corona-Krise schützen. Ein erster Befund: Gut durch die Krise brauchen und von überall aus erledigt werden können, entfallen nicht nur kommt jemand, der »der Pandemie positive Aspekte abgewinnen kann oder viele Wege, sondern der mit ihnen verbundene Ressourcenbedarf und Zeit- Gelegenheiten in ihr sieht, das Unvermeidliche akzeptiert und auch erken- aufwand! Das berühmte Hamsterrad, das Entschleunigungstheoretiker wie nen kann, wenn es ihm noch vergleichsweise gut geht«. Hartmut Rosa zur Zentralmetapher unserer rast- und besinnungslosen Ge- Übersehen wir etwa die Gewinne an Lebensqualität, die uns die Pan- genwart gemacht haben, hat sich ganz von selbst so verlangsamt, dass man demie beschert, vor lauter Fixierung auf die Lästigkeiten? So betrachtet, bequem aussteigen kann. könnte man einfach mal Bilanz ziehen: Wie viele langweilige Stehempfänge Die Verlagerung vom Raum ins Netz schafft Platz fürs Analoge. Vo- sind in den letzten Monaten ausgefallen, wie viele Meetings, Vorträge und rausgesetzt natürlich, man nutzt die gewonnene Zeit nicht zum Arbeiten. Vereinstreffen? Natürlich ist klar, dass sehr viele Menschen, insbesondere Der grandiose Gerhard Polt hat schon vor längerer Zeit genau dafür ein Frauen und noch einmal mehr Alleinerziehende, die Corona-Krise haupt- neues Verb erfunden: sinnlosen. Damit bezeichnet er eine Aktivität, die sächlich als noch mehr Belastung und Stress empfunden haben – nicht zu kein Ziel hat – Löcher in die Luft starren, Eichhörnchen beobachten, Däum- Unrecht hat die Soziologin Jutta Allmendinger darauf hingewiesen, dass chen drehen. Konstruktives Nichtstun. Überraschung: Digitalisierung plus diese Krise die Fortschritte im Geschlechterverhältnis erheblich zurück- Corona liefert eine Art Inversion des Digitalen. Bislang haben ja die Smart- gedreht hat. Trotzdem lohnt vielleicht der Blick auf die Chancen, die die phones dafür gesorgt, durch pausenlose Kommunikation, Push-up-Nach- Krisenzeit für diejenigen eröffnet hat, die in privilegierten Jobs arbeiten richten und Twitter-Gedöns die Leute unter mentaler Vollbeschäftigung und für die Homeoffice und auf andere Weise entgrenzte Arbeit einen an- zu halten und die Arbeit zu entgrenzen. Aber Corona lehrt: Digitalien ist deren Umgang mit Zeit erlauben. Kaum fängt man an, von den Verlusten überall! Man muss das Digitale nicht als Add-on auf alles andere noch drauf- weg- und zu den Gewinnen hinzudenken, fallen einem eine Menge schöner packen, sondern kann es als Ersatz für das früher Notwendige nutzen – also Sachen ein: das Wiederentdecken des Flanierens in der eigenen Stadt, das Zoom statt Dienstreise, Flow statt Unterricht, Komponieren statt Präsen- Verschwinden der Dienstreise, das lange Gespräch mit Freunden. tieren – plötzlich bekommen wir analoge Muße. Statt das Theaterstück auf Ganz nebenbei wird plötzlich eingeübt, was Klima- und Umweltwis- dem Bildschirm anzuschauen, spielen wir es mit Freunden, statt Serien zu senschaften bislang vergeblich forderten: einen anderen Lebensstil. Wo wir glotzen, schreiben wir selbst Fortsetzungsgeschichten. Statt zur Arbeit zu unter den luxuriösen Bedingungen der präcoronalen Welt von zivilisatori- gehen, simulieren wir sie am Bildschirm. Von Corona lernen heißt, das Ana- schen Phantomschmerzen geplagt waren und permanent den vergeblichen loge lieben lernen. S Illustration: Jamal Buscher Versuch machten, die Sorge um den Klimawandel und das Meilenkonto bei der Lufthansa miteinander in Einklang zu bringen, ist plötzlich alles einfa- Harald Welzer, geboren 1958, arbeitet als Professor für Transformationsdesign an der Europa-Uni- versität in Flensburg und lehrt an der Universität St. Gallen. Außerdem leitet der Soziologe und OCEAN 7 BY BRETZ cher: Ohne Fliegen braucht es keine Flugscham, und die CO2-Einsparung, Sozialpsychologe die von ihm mitgegründete Stiftung »Futurzwei« in Berlin, die sich alternativen ALEXANDER-BRETZ-STR. 2 D-55457 GENSINGEN TEL. 06727-895-0 INFO@BRETZ.DE BRETZ.DE die die Corona-Krise verursacht, hätte kein noch so ambitioniertes Klima- Lebensstilen und Wirtschaftsformen widmet. Er veröffentlichte zahlreiche Sachbücher, zuletzt FLAGSHIPS: STILWERK BERLIN HOHE STR. 1 DORTMUND WILSDRUFFER STR. 9 paket der Bundesregierung hingekriegt. Eine zehnprozentige Verkleinerung erschien »Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen« (S. Fischer). DRESDEN STILWERK DÜSSELDORF ALTE GASSE 1 FRANKFURT STILWERK HAMBURG HOHENSTAUFENRING 62 KÖLN REUDNITZER STR. 1 LEIPZIG HOHENZOLLERNSTR. 100 MÜNCHEN HALLPLATZ 37 NÜRNBERG KÖNIGSBAU PASSAGEN STUTTGART SALZGRIES 2 WIEN 12 S-Magazin / Oktober 2020
DIGITAL DIGITAL Dig 01 ta e r Sot f f 01 Virtual Reality Die Krise hat eine Vielzahl von neuen Ideen hervorgebracht – auch in der Mode. Shudu trägt Top und Rock, je 1500 Euro, Lederschuhe, 890 Euro, alles von Dior; Designer und Labels präsentieren sich auf digitalen Modeschauen und Messen, Armreif aus Weißgold, 3780 Euro, einige haben sogar virtuelle Kleidungsstücke in ihren Kollektionen. Statt Models und aus Gelb- und Weißgold mit Diamanten, 6330 Euro, beides von Fope; sind immer häufiger Avatare in Kampagnen und auf Laufstegen im Netz zu sehen. Kette aus Roségold mit Herzanhänger und Diamanten, 7660 Euro, Collier Die neuen Möglichkeiten sind mehr als nur Notlösungen. Oder hätten Sie gedacht, »Happy Hearts« aus Roségold mit Diamanten und Perlmutt, 37 800 Euro, dass die Frau links nur aus Bits und Bytes besteht? Von Barbara Markert beides von Chopard; Kreolen aus Rosé- gold mit Keramik, 2810 Euro, von Bulgari Produktion: Bianca Lang; Fotos: Timmo Schreiber; Digitalisierung: The Diigitals; Styling: Jürgen Claussen 14 S-Magazin / Oktober 2020 S-Magazin / 03.20 15
DIGITAL DIGITAL 02 05 06 07 08 05 03 04 09 10 Die Shows Die Mode Zartrosa blühende Bäume, plätschernde Bäche und mildes der Designer des italienischen Herrenlabels Berluti die Ent- 02 die Kollektionen sonst auf Messen in Augenschein nehmen Vielleicht ermöglicht Blockchain sogar noch einen umfassen- 06 Traditionell Fantastisch Sonnenlicht, das durch die Wipfel scheint. Durch die mär- stehung der neuesten Stücke filmen. Die Videos zeigen die Etro zeigte Männer- und und anfassen konnten, müssen neuerdings per Bildschirm be- deren Wandel in der Fashion-Welt – hin zu Bekleidung, die der Mary Ren aus San Fran- chenhafte Kulisse stolpern zwei livrierte Lakaien, beladen Menschen hinter den Kulissen, das Handwerk. »Wenn wir Frauenlooks im Juli stellen. Um ihnen einen realistischen Eindruck zu vermitteln, Käufer nicht mehr selbst trägt: »Unsere Welt dematerialisiert cisco erhielt im vergan- mit einem Schrankkoffer voller Roben im Miniaturformat. nicht mehr alle Möglichkeiten haben, konzentrieren wir uns bei einer realen Schau haben sich einige Messe-Verantwortliche mit Orderplattfor- sich. Die nächste Generation kauft vielleicht Mode, die nur di- genen Jahr ein digitales in Mailand, zu der vor Kleid von The Fabricant Die Nymphen des Waldes sind zunächst erstaunt über die auf das, worauf es ankommt«, sagt Katja Foos, die neue De- allem Influencer eingela- men zusammengetan. Der Frankfurter Veranstalter Premium gital existiert«, meint de Vogelsteller. Tatsächlich sind virtuelle als Geschenk von ihrem Besucher und deren Gepäck, dann verführt. Verzückt pro- signerin von Marc Cain. Das Modehaus inszenierte in diesem den wurden – mit Maske etwa kooperiert mit dem US-Großhandelsspezialisten Joor. Kleider keine Science-Fiction mehr. 2019 verkaufte das erste Gatten. Kostenpunkt: und Abstand. Alle 9500 Euro bieren sie Kleider an; der idyllische Forst verwandelt sich in Jahr seine Kollektion in der Zentrale im schwäbischen Bo- anderen Interessierten Die Florentiner Messe Pitti hat sogar ein eigenes Angebot Haus für virtuelle Mode, The Fabricant aus Amsterdam, ein di- einen Laufsteg der Träume. Eine Viertelstunde dauert das delshausen und zeigte den Film der Fachwelt in Berlin. konnten online zusehen für die Kunden entwickelt. Den Kern bilden virtuelle Stän- gitales Abendkleid für 9500 Dollar: eine Robe – schimmernd wie 07 aufwendige Filmchen, das Christian Dior im Juli präsentierte Die Labels gehen mit dem ungewohnten Medium un- de und Showrooms, in denen sich Einkäufer Kollektionen eine Seifenblase –, die nicht in den Schrank gehängt, sondern Künstlich 03 Als einziges britisches und das zum Highlight der erstmals virtuell stattfindenden terschiedlich um: Während das Mailänder Traditionsunterneh- Innovativ in 3D ansehen und Stücke bestellen können. Manche dieser exklusiv dem eigenen Foto auf Instagram übergezogen wird. In- Haute-Couture-Haus Haute-Couture-Woche in Paris avancierte. men Etro ein klassisches Defilee mit 80 geladenen, maskierten Louis Vuittons Chefde- Showrooms erinnern an Videospiele, in denen man sich von zwischen stehen auch andere Kleidungsstücke zum Download präsentierte Ralph & signer Virgil Abloh ließ Russo seine Entwürfe Das Virus zwingt die Mode auf virale Wege. Das Gästen auf einem Laufsteg abfilmte, den man im Garten des sich von Mangas inspi- einem zum anderen Raum bewegt, Kleider von den Stangen bereit, darunter eine silberne Daunenjacke des spanischen Kult- auf den Pariser Schauen Schicksal der Branche hängt daran, ob ihr die Transformation Mailänder Four-Seasons-Hotels hatte aufbauen lassen, bewies rieren und zeigte statt nimmt und im Online-Chat mit den Verkäufern diskutiert. labels Marques’ Almeida. Für Puma haben die Niederländer eine erstmals an einem gelingt. Von New York bis Paris präsentierten viele Designer etwa Louis Vuitton Experimentierfreude: Unter dem Titel »Die Mode Comicfiguren. Viele Firmen zögern noch, die digitalen Angebote an- digitale Sportkollektion konzipiert. »Für den Digi sapiens werden Avatar Das Video kündigte eine im September bereits in der zweiten Saison ihre Kollektionen Abenteuer von Zoooom mit Freunden« zeigte Hausdesigner reale Modenschau an, zunehmen. Auf der Online-Plattform der Pitti Uomo etwa virtuelle Güter immer relevanter«, sagt The-Fabricant-Gründer 08 in digitalen Formaten. Das glamouröse Erlebnis blieb aus. Virgil Abloh eine Art Manga-Film, in dem animierte Figuren die das Haus im August präsentieren sich derzeit 400 Marken. Bei der »echten« Mes- Kerry Murphy. Er hält die Digitalmode sogar für eine Lösung des Perspektivisch im wichtigen Luxus- Für seine digitalen Doch die Chancen auf eine sichere Zukunft steigen. vom Pariser Stammhaus aus auf Reisen gehen. Mode ist nicht zu markt China abhielt se in Florenz sind es dreimal so viele. Manche Marken hin- Umweltproblems. Immerhin müssten sich alle, die sich ständig in Entwürfe fertigt das Der Lockdown im Frühjahr hatte die bis dato weitge- sehen, das Video kündigte vielmehr Fashion-Shows in Schang- gegen setzen gleich auf einen eigenen virtuellen Showroom, den sozialen Netzwerken mit neuen Outfits inszenieren wollen, Amsterdamer Mode- hend analog funktionierende Modebranche kalt erwischt. Fir- hai und Tokio an, die wenig später tatsächlich stattfanden. 04 etwa die nachhaltige französische Denimlinie Happy Haus. diese Looks künftig nur noch aus dem Netz herunterladen. haus The Fabricant Alternativ zunächst Renderings men, die vor Corona Einladungen zu ihren Schauen von Kal- Die neuen Darstellungsformen ermöglichen den Mo- Als einziges deutsches »Das bietet mehr Möglichkeiten und kann über Jahre neu von allen Ansichten ligrafen schönschreiben ließen und Bestellungen händisch in dehäusern auch den Zugang zum jungen Publikum selbst in Modehaus lud Marc bestückt werden«, sagt Jennifer Drury, Mitgründerin von Des Avatars neue Kleider Cain zur Berliner Fa 09/10 Orderlisten notierten, mussten von heute auf morgen umschal- Krisenzeiten. Statt Stars, Sternchen und Journalisten durch shion Week eine kleine Brandlab, die solche virtuellen Präsentationsräume für Fir- Eine Spielerei? Vielleicht. Ein Markt? In jedem Fall. Fans von Fiktional ten: auf E-Shops, virtuelle Showrooms, Kollektionsbilder in 3D. die Welt zu fliegen, um sie links und rechts des Laufstegs Gästegruppe in die men umsetzt. Computerspielen stecken schon heute Millionen in die digi- Marjorie Hernandez de »Als wir Ende März die Modewoche absagten, hatten zu platzieren, können nun Millionen über YouTube oder Ins- Hauptstadt ein, um dort tale Garderobe ihrer Avatare. »Fortnite« – mit 350 Millionen Vogelsteller, Mitbe- seine neue Kollektion gründerin der Berliner wir keinen Plan, was wir überhaupt tun können«, sagt Ralph tagram angesprochen werden. Die Frage ist nur: Werden sie im Film vorzustellen Zukunftstechnik Blockchain Usern eines der erfolgreichsten Spiele weltweit – soll mit so- Firma Lukso, macht es Toledano, Präsident der Fédération de la Haute Couture et de es? Für die Herrenschauen im Sommer zeigten sie wenig In- Die Digitalisierung der Warenpräsentation könnte auch in genannten Skins geschätzte 300 Millionen Dollar pro Monat mit Blockchain möglich, 05/05 dass virtuelle Hoodies la Mode, Dachverband der exklusiven Modehäuser in Paris. teresse. Deshalb bevorzugten große Häuser wie C hanel und anderen Bereichen den Einzug neuer Technologien beschleu- umsetzen. Ein Outfit kostet dort zwischen acht und zwölf wie dieser die Besitzer Entrückt Ebenso erging es seinen Kollegen in Mailand und London. Sie Hermès bei den jüngsten Präsentationen in Paris klassische Das Pariser Modehaus nigen – etwa beim Kampf gegen Produktfälschungen. Die Lu- Euro. Ebenso viel wie ein Look von Louis Vuitton im Spiel wechseln können einigten sich auf eine digitale Ersatzveranstaltung mit Videos Livepräsentationen. Der kommerzielle Erfolg dieser vir- Christian Dior präsen- xuskonglomerate LVMH und Kering experimentieren derzeit »League of Legends«. Die virtuelle Mode ermöglicht es im statt Shows. Aus dem Stand heraus machten sich die Mitglie- tuellen Schauen bleibt bisher überschaubar. Zum einen ist tierte seine Haute Cou- mit der bisher vor allem im Finanzwesen eingesetzten kryp- Luxusbereich, neue Zielgruppen zu gewinnen. Die ehemalige ture als Mini-Kollektion der an die Umsetzung – unter erschwerten Bedingungen mit das Interesse an Mode in der Krise gesunken, zum anderen in einem märchenhaften tografischen Technik, die Datensätze so verkettet, dass eine Chefredakteurin der britischen »Harper’s Bazaar« und Ex-Di- Distanzregeln und Reisebeschränkungen. fehlt es an Emotion und Glamour: Stoffe, die sich bewegen, Kurzfilm. Es ging darum, fälschungssichere Nachverfolgung möglich ist. Auch die Echt- rektorin der Luxus-Online-Boutique Net-a-Porter Lucy Yeo- den Zauber der Marke Hollywood in der ersten Reihe, Influencer, die sich in Pose zu beschwören heit von Luxusgütern lasse sich damit nachweisen, so Marjo- mans brachte vor wenigen Wochen ihr Styling-Spiel »Drest« Ungewohnte Einblicke werfen. »Die Aufregung steigt, wenn man etwas anschaut, rie Hernandez de Vogelsteller, Mitgründerin der deutschen heraus mit rund 50 000 digitalisierten Teilen von über 200 Den ungeheuren Druck vermittelt eindrucksvoll der 52-minü- zu dem man nicht geladen ist«, sagt Alexandre de Betak, der Blockchain Lukso: »Wird in eine Designertasche ein Chip Designerlabels. Die Avatare in »Drest« sind echten Topmo- tige Dokumentarfilm über die Entstehung der Couture-Kol- Schauen plant. Influencer und Journalisten befeuern eine re- oder QR-Code integriert, der den Verkauf oder die Weiter- dels nachempfunden. »Drest erlaubt den Userinnen, Stylings lektion von Maison Margiela. Kreativdirektor John Galliano ale Show mehr als ein Video. Die Folgen sind messbar: Das gabe mittels Blockchain signiert, kann die Authentizität des und Marken auf nachhaltige Art auszuprobieren«, erklärt die und seine Mitarbeiter filmten sich über zwei Monate lang Analyseunternehmen Launchmetrics errechnete im Frühjahr, Produkts nachgewiesen werden.« 49-Jährige. Am Ende des Spiels haben sie die Möglichkeit, die Foto Etro: Daniele Venturelli / Getty Images mittels GoPro-Kameras gegenseitig. Die Bilder zeigen eine dass der Gegenwert der Berichterstattung mit 65 Millionen Für den Nachweis, dass Mode fair und nachhaltig her- reale T asche beim Online-Händler Farfetch zu bestellen. Atmosphäre zwischen Genialität und Wahnsinn. So nah ist Dollar gegenüber der Vorsaison zurücklag. gestellt wurde, lässt sich die Technologie ebenfalls nutzen. Yeomans plant bereits die Einführung personalisierter man den Modemachern selten gekommen. Schließlich wollen Konsumenten immer öfter wissen, woher Avatare, sodass jeder Spieler Trends ausprobieren kann. Ob »Die aktuelle Situation bietet uns die einmalige Chan- Das Ende der klassischen Modemesse? ein Kleidungsstück kommt. Bis 2025 sollen bei Kering Mate- sich analoge Fehlkäufe so vermeiden lassen? Wer weiß. Was ce, unseren Kunden den Ausgangspunkt einer Kollektion zu Der Hype um den Laufsteg ist das eine. Das handfeste Ge- rialien wie Baumwolle oder Leder einen Herkunftsnachweis soll’s? »Wenn die Welt stillsteht, sollten wir doch Spaß haben«, zeigen«, sagt Kris Van Assche. Wie viele Kreative ließ auch schäft mit Boutiquen und Kaufhäusern das andere. Einkäufer, tragen, der mittels Datensätzen verifiziert werden kann. sagt Designerin Foos, »und nicht in Sack und Asche gehen.« 16 S-Magazin / Oktober 2020 S-Magazin / 03.20 17
DIGITAL DIGITAL 15 11 13 14 12 Making-of »DIGITALE MODE S-Magazin. Wir haben mit echten Mannequins gearbeitet, die vergleich- wegfallen. Eigene Avatare gehören den Marken; sie können über Jahre 11 Musen Shudu und Koffi Gram HILFT MARKEN ZU bare Hauttöne hatten wie Shudu und Koffi. Die Bilder wurden danach genutzt werden und haben meist eine große Anhängerschaft. sind Geschöpfe der Agentur The Diigitals ÜBERLEBEN« digitalisiert. Dafür müssen wir das Licht des Briten Cameron- James Wilson setzen und die Szene aufbauen. Für das Wie kommt das? —— Wir haben uns 12 Modelle aus dem Computer wie Shudu erste Bild brauchten wir zu zweit einen daran gewöhnt, getäuscht zu werden. Ikone sind gefragt wie nie und könnten bald kompletten Tag. Um die Kleider perfekt Dank moderner Bildbearbeitung gibt Shudu hat schon für reale Influencer ablösen. Der Schöpfer auf ein virtuelles Model anzupassen, es zwischen den digitalen Geschöpfen Magazine sowie für Marken wie Balenciaga, der virtuellen Schönheit auf diesen braucht es große Rechenkapazitäten und einem Influencer heute kaum noch Ellesse oder Tiffany Seiten, Cameron-James Wilson, und viel Erfahrung. Bei einem her- Unterschiede. Teilweise sehen die gemodelt. Aktuell wirbt sie für Samsung Galaxy. erklärt, warum. kömmlichen Shooting kümmert sich 3D-Models sogar realistischer aus als In Deutschland ist dies jemand um das Make-up, die Haare, das diese Menschen und strahlen auch eine ihr erstes Engagement Bei den diesjährigen digitalen Mode- Styling. Diese Aufgaben übernimmt bei positivere Botschaft aus. Statt realen 13 schauen in Paris und Mailand präsen- uns eine Person am Rechner. In Zukunft Frauen Unebenmäßigkeiten wie Falten Double tierten eine Reihe von CGI-Models werden ganz neue Berufe entstehen. mit Photoshop wegzuretuschieren, Das Fotomodell Irene Opoku von Spin Model (Computer Generated Imagery) und füge ich meinen virtuellen Models Management fungierte Avatare die Looks. Warum war Shudu Wird der Aufwand irgendwann sinken? diese extra hinzu, um sie realistischer als Stand-in für ihre nicht dabei? —— Shudu ist ein —— Ja, in den kommenden drei bis zu machen. Auch Shudu hat Makel. virtuelle Kollegin Shudu hyperrealistisches CGI-Model. Aber fünf Jahren werden immer mehr 14 noch ist es schwierig, sie so zu animie- Marken ihre Kollektionen digital Was bedeutet Ihnen Shudu? —— Ich Vorbild Dany Nkelani von Viva ren, dass sie sich wie eine echte Person entwerfen, vor allem für die Nutzung habe eine enge Verbindung zu ihr und Models stand Pate für bewegt. Wir arbeiten daran. Derzeit in virtuellen Showrooms. Dann wird es das Gefühl, auf sie aufpassen zu das digitale Supermodel eignet sie sich noch mehr für Fotos. auch einfacher, mit CGI-Models zu müssen. Deshalb nehme ich auch nicht Koffi. Hautton und Statur sollten der vir- arbeiten. Statt die Kleider erst zu jeden Job für sie an. Sie half mir in tuellen Figur so ähnlich Wie hat sich das Geschäft mit Shudu fotografieren und dann zu transformie- einer Zeit, in der ich unglücklich war. wie möglich sein durch Corona verändert? —— Wir ren, werden sie mit nur einem Klick Meine Karriere als Modefotograf war 15 werden mit Anfragen überhäuft, vor auf die virtuellen Charaktere gezogen. vorbei, ich wusste nicht weiter. Dann Avatar allem von Modefirmen, die sich bislang Als wir 2019 für Balmain eine Kampag- kam Shudu. Ich habe sie selbst kreiert, Koffi trägt einen Anzug von Boss, 850 Euro; kaum mit dem Digitalen beschäftigt ne mit Shudu machten, war das bereits doch sie hat mein Leben verändert, Uhr Oyster Perpetual haben. Viele wollten plötzlich ein der Fall. Das Pariser Modehaus ist da mir neue Möglichkeiten eröffnet. Als 39 mit 39-mm-Edelstahl- Gehäuse von Rolex, Lookbook oder Video mit unseren vielen anderen voraus. weißer Mann, der ein schwarzes Model 5300 Euro Models. Doch solche Projekte brau- repräsentiert, bin ich mit wahnsinnig chen Zeit. Firmen wie Tommy Hilfiger In dieser Saison hat Balmain sogar sei- vielen Befindlichkeiten und Erwartun- haben sich seit Jahren auf eine virtuel- nen Designer als Avatar im digitalen gen konfrontiert. Damit muss man le Zukunft vorbereitet. Die anderen Showroom präsentiert. —— Ja, und sensibel umgehen. Es mag verrückt begreifen gerade, dass digitale 3D-Mo- das ist sinnvoll! Die sozialen Medien klingen, aber ich empfinde Verantwor- de keine Spielerei mehr ist, sondern im werden immer wichtiger, deshalb tung für diese Frau und die Gemein- Fall einer zweiten Welle der Pandemie brauchen Marken ein Gesicht. Das schaft, die sie repräsentiert. ein Weg zu überleben. ist im Grunde nichts anderes als der Clown von McDonald’s früher. Ava Cameron-James Wilson, 31, gründete Wieso ist die Nutzung von CGI-Models tare erlauben Firmen, Geschichten zu 2019 in London eine Agentur für digitale Models. Seine erste heute noch so zeitaufwendig? —— erzählen. Reale Personen als Werbe- Schöpfung, Shudu Gram, hat auf Nehmen Sie das Shooting für das träger können in der nächsten Saison Instagram rund 206 000 Follower. 18 S-Magazin / Oktober 2020 S-Magazin / 03.20 19
PROTOKOLLE PROTOKOLLE Genuss, Erfolg, Glück – wie geht das jetzt? Drei Menschen, drei Branchen, drei Antworten Interview und Protokolle: Bianca Lang I 02 03 Dries Van Noten 01 Sie haben zu Beginn der Corona-Krise einen können wir ja nicht zurück zu dem System vor weniger und lokaler produziert, dem Kunden Emotionen, sodass die Präsentationen auch offenen Brief initiiert, der den Wandel der Covid. Außerdem haben alle schon genügend erklärt, was er macht und warum, dann ist das digital funktionieren? Aber ich liebe es auch zu Modebranche fordert zu mehr Nachhaltigkeit Kleider im Schrank. ein Anfang. Auch unser Unternehmen muss experimentieren – und nun entdecken wir eine und einem zur Lebenswirklichkeit passenden nachhaltiger werden, Materialien und Verpa- neue Welt. Livestreams werden immer wichti- Saisonrhythmus. Was hat Sie dazu bewogen? Sie haben gerade die Kollektion fürs kommen- ckungen überdenken. Wir zeigen nur zwei ger. Selbst wenn richtige Modeschauen wieder —— Schon vor Covid-19 war ja offensichtlich de Frühjahr präsentiert. Warum, wenn alle Kollektionen im Jahr, aber auch wir haben möglich sind, bin ich nicht sicher, ob ich dahin etwas falsch mit der Mode, sie hat sich überdo- schon genug haben? —— Wir haben weniger zu viele Stoffreste. Das ist nicht effektiv, so zurückkehren möchte. siert: zu viele Produkte, zu viele Kollektionen, Stücke gemacht und überlegt, was wirklich möchte ich nicht arbeiten. Das müssen wir zu wenig Verbindung zum Kunden. Bevor man gebraucht wird. Nicht jede Marke muss alles anders denken. Können Sie das System richten? —— Es gibt etwas kaufen konnte, wurde schon die nächste machen, Sportswear, Jeans und High Fashion. erste Kaufhäuser, die sich an unsere Ideen Kollektion gezeigt. Braucht kein Mensch. Mir Deshalb haben wir uns auf das konzentriert, Sie könnten Masken daraus herstellen. —— halten und keine Zwischenkollektionen mehr wurde im Lockdown klar, dass die Welt nach was wir gut können, Drucke etwa. Und Niemals, Dries-Masken wird es nicht geben. anbieten. Das freut mich sehr. Ob das anhält? Covid eine andere sein würde, auch für »Essentials«, also Stücke, die nicht saisonal Das ist meine rebellische Art zu sagen, dieser Keine Ahnung. Aber weitermachen, als wäre Designer. Dass wir Verantwortung überneh- sind und deswegen auch nicht verscherbelt Zustand ist nur vorübergehend. Ich trage die nichts anders, kommt für mich nicht infrage. 03 Licht & Schatten Als Inspiration der men müssen. Ich sprach mit anderen aus der werden müssen: das weiße Hemd oder der einfachen aus der Apotheke. Der Enthusiasmus, der mir wegen des offenen neuen Kollektion Branche, großen wie kleinen, Händlern, Kaschmirpullover. Händler können diese Teile Briefs begegnet, ist toll. Wir versuchen, etwas von Dries Van Noten dienten die Filme des PR-Leuten. Wir haben Gedanken ausge- nachbestellen. Am Ende soll die Hälfte der Und was, wenn dieser Zustand länger bleibt? besser zu machen. Wenn wir es schaffen: neuseeländischen tauscht, dann kam die Idee zum Brief: mal Kollektion aus solchen Essentials bestehen. —— Darüber reden wir uns derzeit die Köpfe Wahnsinn! Und wenn nicht, haben wir es Künstlers Len Lye aus den 1920er bis 40er gucken, ob andere auch so denken wie wir. Wir haben neue Möglichkeiten entdeckt, das heiß. Wie füllen wir unsere Kollektionen mit wenigstens versucht. Jahren Am Ende hatten wir über 600 Unterschriften Beste gemacht aus einer schwierigen, aber von Leuten, die glauben, dass wir etwas interessanten Zeit. Ich bin nicht glücklich über bewegen können. Das macht mich glücklich. die Situation, aber ich bin glücklich darüber, Wenn so viele an Veränderung glauben, sollte dass wir zum Umdenken gezwungen wurden. sie klappen. Es war höchste Zeit. Von den Konglomeraten Kering und LVMH hat Auch als Geschäftsmann? Viele Labels haben bisher niemand unterschrieben. Das Gleiche derzeit genug damit zu tun zu überleben, die gilt für die Fast-Fashion-Marken. Die sind aber können womöglich nicht noch das Modebusi- für die meisten Probleme verantwortlich. ness revolutionieren. —— Ich muss auch An. —— Es wäre naiv zu glauben, die Großen Geld verdienen, ich mache Mode ja nicht zum Smart Home. zögen mit. Die haben ihre eigenen Gesetze, Selbstzweck. Oder für die Kunst. Es ist ein Smart Building. ihre eigenen Shops. Aber dass Chloé unter- Business, ein sehr schönes allerdings, mit dem Smart Life. schrieben hat, eine Marke, die zu Richemont Menschen ausdrücken können, wer sie sind. gehört, ist ein sehr gutes Zeichen. Wir haben Und ja, viele Marken werden die Krise nicht die Unterstützung der Modekammern, aber vor überleben. Uns bleibt nichts anderes übrig, allem müssen wir den Handel an Bord kriegen, als uns neu zu erfinden. Deshalb hat es mich denn der entscheidet, wann etwas in den schockiert, wie die großen Häuser in Paris Gibt es eine Welt, in der Schlussverkauf kommt. Das ist gerade in einfach so weitergemacht haben wie bisher. Neugierde der Antrieb für Ein Smart Home Amerika ein Problem mit Aktionen wie dem Mit echten Fashion-Shows und sechs Kollek- jede Veränderung ist? Und Bedienelement Black Friday. Da geht es nur noch um Konsum, tionen im Jahr. Das drängt andere aus dem Herzklopfen den Takt der oder pure Intuition: ohne Seele. So ist der Kunde aber nicht mehr. Markt und sendet die falschen Zeichen. Es ist Vernetzung angibt? In der der Gira Tastsensor 4. Der überlegt genau, was er kauft. ein Schlag ins Gesicht. Die vielen Menschen, reine Intuition die Vernunft die unter schrecklichen Umständen etwa in ersetzt und „nichts“ oder gira.de Aber viele kleiden sich weiterhin in Fast Bangladesch Mode produziert haben, dürfen „zentral aus“ manchmal Fashion. —— Stimmt, mir geht es aber um doch nicht umsonst gestorben sein. Verände- aufregender ist als „alles Luxus, und der muss sorgsam produziert sein, rung ist alternativlos in unserem Geschäft. zugleich“? handgefertigt. Der darf nicht die Fast Fashion Vielleicht machen die Pariser so weiter, aber kopieren. Das Immer-mehr-und-mehr ist falsch. die Unabhängigen werden dem System nicht Eine Welt, die mehr ist, Im April habe ich schon Entwürfe für den mehr folgen. Das sagt einem der gesunde als An oder Aus. Sondern Sommer des kommenden Jahres gesehen. Menschenverstand. Warum? Mode hat mit Genuss und Verlangen auch kalt und warm, laut 01 Dries Van Noten, 62 02 Sommer 2021 Der Belgier gründete »Bewegung und Opti- und leise. Und in der das Fotos Kollektion: Viviane Sassen; Portrait: Fe Pinheiro zu tun. Covid hat unsere Sicht auf Luxus Und was sagt Ihr Herz? Das hing doch immer 1986 sein Label für mismus« soll die neue verändert. Auch beim Essen oder beim Reisen. sehr an den Modeschauen, die nun zugunsten Damen- und Herren- Kollektion von Dries Leben zum smarten Erleb- Luxusurlaub bedeutet heute eher, auf einen von deutlich weniger emotionalen Video mode und verkaufte Van Noten für Män- nis wird zwischen An und es vor zwei Jahren ner und Frauen zum Berg zu steigen zu einer Holzhütte ohne streams ausfallen. —— Stimmt, das ist wie mehrheitlich an den Ausdruck bringen. familiengeführten Präsentiert wurde sie WLAN, nicht mehr unbedingt das Fünfsterne- Theater ohne Premiere. Oder wie Essen Aus. Parfüm- und Mode- am 30. September im hotel mit eigener Jacht. Deshalb müssen wir anschauen, statt zu essen. Aber ich möchte konzern Puig. Er ist Netz statt auf einem weiterhin Kreativchef. Pariser Laufsteg neue Standards finden, eine neue Normalität, nicht die Verantwortung haben, wenn jemand Van Noten fordert die nur die Luxusbranche definieren kann! Wir krank wird. Wir müssen die veränderte Welt einen Wandel des Modesystems: sind mittendrin in dem Prozess. Schließlich annehmen. Wenn jeder seinen Beitrag leistet, https://forumletter.org 20 S-Magazin / Oktober 2020 Gira / Smart Home
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