Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich

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Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
Kanton Zürich

Schulblatt
Bildungsdirektion

                                    1/2023

                             Mehr
                    Nachhaltigkeit
                                Wie Schulen
                             sich engagieren

                                       Tandem
                        Führungsleute aus Schule
                      und Wirtschaft im Austausch

                            Gymnasium 2022
                             Eine Kantonsschule
                         denkt die Unterstufe neu

                               Seltene Berufe
                            Wie ein Netzwerk die
                           Ausbildung unterstützt
Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
6                                                                                                  22
                                             Magazin                                            Fokus:                                                   Volksschule
                                                                                                Mehr ­
                                             4                                                  Nachhaltigkeit                                           22
                                             Kommentar                                                                                                   Leaders in Exchange
                                             Bildungsdirektorin Silvia                          12                                                       Schulleiterin und
                                             Steiner über die Nach­                              Nachhaltigkeit                                          ­Bankmanager im Tandem
                                             haltigkeit von Bildung                              als Konzept
                                                                                                 Die Kantonsschule                                       24
                                             5                                                   Küsnacht und die                                        Stafette
                                             Im Lehrerzimmer                                     Genossenschaft Solécole                                 In der Tagesschule Oberglatt
                                             Berufsfachschule Uster
                                                                                                14                                                       27
                                             6                                                   Energieschule                                           In Kürze
                                             Persönlich                                          Die Schule Uitikon hat ihr
                                             Habibollah Hashemi,                                 ­eigenes Bildungsprogramm
                                             Swiss-Skills-Gewinner mit                            entwickelt
                                             besonderer Geschichte

                                             9                                                  18
                                                                                                 Im Gespräch
                                             Meine Schulzeit               Urs Müller von der ZHAW
                                             Yvonne Gilli, Präsidentin FMH über die Rolle der Bildung
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Inhalt

                                             Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 1/2023, 3.3.2023
                                             Bildungsdirektion: www.zh.ch/bi Generalsekretariat: 043 259 23 09   Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Volksschulamt: 043 259 22 51         weise: fünfmal jährlich, 138. Jahrgang, Auflage: 17 400 Ex. Redaktion: jacqueline.olivier@
                                             M                 ­ erufsbildungsamt: 043 259 78 51 Amt für Ju­
                                             ­ ittelschul- und B                                                 bi.zh.ch, 043 259 23 07; Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Abonnement: ­Lehr­-
                                             gend und Berufsberatung: 043 259 96 01 Lehrmittel­verlag Zürich:    personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das ­«Schulblatt» in ihrem ­Schul-
                                             044 465 85 85 Fachstelle für Schulbeurteilung: 043 259 79 00 Bil­   haus ­gratis beziehen (Bestellwunsch an die Schulleitung). Bestellung des «Schulblatts» an
                                             dungsratsbeschlüsse: www.zh.ch/bi > Bildungsrat Regierungsrats­     Privat­adresse s­ owie Abonne­mente für wei­tere Interessierte: ­abonnemente@staempfli.com,
                                             beschlüsse: www.zh.ch > Organisation > Regierungsrat > Aufgaben     031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) ­Online: www.zh.ch/schulblatt G ­ estaltung: www.bueroz.ch
                                             und Beschlüsse                                                      Druck: www.staempfli.com ­Inserate: mediavermarktung@staempfli.com, 031 300 63 87
                                                                                                                 Re­daktions- und Inserateschluss nächste Aus­gabe: 6.4.2023 Das ­nächste «Schulblatt»
                                             Titelbild: Andreas Schwaiger                                        erscheint am: 5.5.2023

                                             Weiterbildungsangebote
                                             Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                             leitende: Volksschulamt: www.zh.ch/bi > Volksschulamt > Aus- und Weiterbildungen Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unter­
                                             strass.edu: www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Inter­
                                             kantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen
                                             des ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W     ­ eiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für
                                             ­Angewandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie
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Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
28                                                                                            36
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                41
                                                                                                     Amtliches
28                                                     34
«Gymnasium 2022»                                       Netzwerk Kleinstberufe                        48
Wie die Kantonsschule                                  Ein Verein unterstützt                        Schule+Kultur
­Zürcher Unterland                                     die Ausbildung seltener
 die Reform umsetzt                                    Berufe                                        50
                                                                                                     Agenda
30                                                     36
Digitale Unterrichts-                                  Berufslehre heute
projekte                                               Wohntextilgestalterin EFZ
Zufallsgenerierte
Aufgaben für Physik                                    39
                                                       In Kürze
33
In Kürze

    Editorial
                                                               Energiemangellage – dieses Szenario hat wohl vielen von uns wieder einmal
                                                                                                                                                Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Inhalt

                                                               ins Bewusstsein gerufen, dass die Ressourcen, die wir täglich verbrauchen,
                                                               nicht unerschöpflich sind. Und dass wir damit sparsamer umgehen sollten. Wir
     Jacqueline Olivier                                        wissen auch um die Erderwärmung, die schmelzenden Gletscher, die schwin­
                                                               dende Biodiversität. Gleichzeitig reden alle von Nachhaltigkeit. Auch in den
                                                               Schulen, wo Bildung für nachhaltige Entwicklung heute fest in den Lehrplä­
                                                               nen verankert ist. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit genau, was kann Bildung
                                                               dazu beitragen und wie wird eine Schule nachhaltig? Für unseren aktuellen
                                                               Fokus haben wir eine Kantonsschule besucht, die sich schon früh mit dem
                                                               Thema auseinandersetzte, sowie eine Volksschule, die vor Kurzem als erste
                                                               Energieschule der Schweiz ausgezeichnet wurde. Und wir haben mit einem
                                                               Experten gesprochen, der erklärt, warum Nachhaltigkeit und nachhaltige Ent­
                                                               wicklung nicht das Gleiche ist, was alles zu Letzterer gehört und weshalb Bil­
                                                               dung ein zentraler Hebel ist für eine zukunftsfähige Welt. 
                                                                                                                                                3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
Kommentar                                                                                                                     Welt zurechtfinden können. Wir geben

       Bildung ist
                                                                                                                                     unseren Kindergartenkindern, Schülerin-
                                                                                                                                     nen, Schülern und Studierenden Kompe-
                                                                                                                                     tenzen und Werkzeuge mit auf den Weg,

       nachhaltig
                                                                                                                                     um sich auch im Dschungel von Propa-
                                                                                                                                     ganda und Fake News zurechtzufinden.
                                                                                                                                     Bildung ist sozusagen das Grundgerüst
                                                                                                                                     unserer direkten Demokratie.

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                             Lassen Sie mich ein Beispiel nennen,
                                                                                                                                     das zeigt, wie nachhaltig unser Bildungs-
                                                                                                                                     system auf unsere Gesellschaft wirkt. Mit
                                                                                                                                     dem neuen Volksschulgesetz hat das Zür-
                                          Alles wird heutzutage als nachhaltig an-                                                   cher Stimmvolk vor fünfzehn Jahren be-
                                          gepriesen – von Finanzanlagen bis zur                                                      schlossen, alle Kinder individuell und mög-
                                          Waschmaschine. «Nachhaltigkeit» ist ei-                                                    lichst im Klassenverbund zu beschulen.
                                          nes der beliebtesten Schlagworte auf                                                       Auf der einen Seite wollen wir Kinder inte-
                                          ­Plakatwänden, in Geschäftsberichten und                                                   grieren, die es nicht leicht haben oder mit
                                           von Politikerinnen und Politikern. Alle                                                   einer körperlichen oder kognitiven Behin-
                                           verwenden es gerne, um ihr Schaffen in                                                    derung leben. Auf der anderen Seite sollen
                                           ein zeitgemässes, ökologisches Licht zu                                                   hochbegabte Kinder gefördert werden.
                                           rücken.                                                                                        Die Integration von Kindern mit be-
                                              Ein Bereich wird dabei oft vergessen:                                                  sonderem Förderbedarf ist etwas vom
                                           die Bildung. Wir verbinden Pädagogik                                                      Nachhaltigsten, was wir für unsere Ge-
                                           nicht in erster Linie mit Nachhaltigkeit.
                                           Dabei ist die Investition in die Ausbildung
                                                                                            «Neue Schul­                             sellschaft tun können, so anspruchsvoll
                                                                                                                                     die Aufgabe auch ist. Es entsteht dabei
                                           unserer Kinder und Jugendlichen wohl
                                           eine der nachhaltigsten Anlagen über-
                                                                                           häuser brauchen                           ­sozialer Kitt, der enorm wichtig ist für das
                                                                                                                                      Zusammenleben.
                                           haupt. Moderne Schulhäuser brauchen               wir genauso                                  Genau wie beim Ausbau von erneuer-
                                           wir für unsere Zukunft genauso wie er-
                                           neuerbare Energien.
                                                                                           wie erneuerbare                           baren Energiequellen geht es auch bei der
                                                                                                                                     Integration nicht ohne Investitionen. Mo-
                                              Dabei geht es nicht nur darum, Ar-
                                          beitskräfte für unsere Wirtschaft auszu-
                                                                                             Energien.»                              mentan sind die Belastungen in den Klas-
                                                                                                                                     sen teilweise zu gross. Wir müssen die be-
                                          bilden. Wenn ich von Nachhaltigkeit im                                                     stehenden Lösungen deshalb da und dort
                                          Bildungsbereich spreche, dann meine ich        Sie sehen, mein Verständnis von Nachhal-    noch justieren.
                                          viel mehr. Es geht darum, unseren Kin-         tigkeit in der Bildung geht weit über den        Wir investieren damit in eine nach-
                                          dern und Jugendlichen individuelle und         Vergleich mit dem Klimaschutz hinaus.       haltige Zukunft. Was wie ein abgedro-
                                          flexible Bildungswege zu ermöglichen.          Wir bilden nicht nur Arbeitskräfte aus,     schener Slogan tönt, passt für die Bildung
                                          Ziel muss es sein, dass jede und jeder sei-    sondern genauso mündige Bürgerinnen         sehr gut. Und das macht auch den Lehrer-
                                          nen Platz in unserer Gesellschaft finden       und Bürger. Wir legen mit der Ausbildung    beruf so attraktiv: Ihre tägliche Arbeit
                                          kann. Das stärkt unsere Gesellschaft           den Grundstein, damit sich künftige Ge-     zahlt sich direkt und nachhaltig auf ganze
                                          nachhaltig von innen.                          nerationen in einer immer komplexeren       Bildungslaufbahnen aus. 
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin

                                                                                                                                                      Mein
                                                                                                                                                      Traumschulhaus
                                                                                                                                                      Mikaela (9),
                                                                                                                                                      4. Klasse, Schule
                                                                                                                                                      Rüsch­likon
4
Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                   Berufsfachschule Uster
                                                    Wo Transparenz wörtlich zu nehmen ist
                                                                                                                     Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin

Vollen Einblick in die Schulräume gewähren die raumhohen Fenster mit eingelassener Glastür zum Korridor. Grosse Fensterfronten
verbinden zudem das Innen mit dem Aussen. Gewöhnungsbedürftig sei diese Transparenz zu Beginn gewesen, sagt Valentin Böhm,
Abteilungsleiter Wirtschaft, «aber jetzt passt es wunderbar». Grosszügig ist der Raum, in dem die rund 150 Lehrpersonen und Mit-
arbeitenden der Berufsfachschule Uster (BFSU) ihre Pausen verbringen. Treffpunkt sind die beiden hohen Tische in der Mitte. Unter
einem Dach befinden sich seit Frühling 2019 Berufsfachschule und Kantonsschule im Bildungszentrum Uster, allerdings auf sepa-
raten Etagen. Berührungspunkte gibt es trotzdem, so führt man gemeinsam die Naturwissenschaften und teilt gewisse Zuständig-
keiten untereinander auf. 1650 Lernende in fünf Berufen werden an der BFSU unterrichtet, von der Kauffrau bis zum Elektroniker.
Drei Berufsmaturitätstypen gehören ebenfalls zum Angebot: Wirtschaft, Dienstleistung und Technik. Beschäftigt ist man derzeit
unter anderem mit der KV-Reform und der bevorstehenden Integration des KV Wetzikon. Erfahrung mit Fusionen hat die Schule:
Es sind noch keine zehn Jahre, seit das KV Uster mit der Gewerblichen Berufsschule Uster zur heutigen BFSU fusionierte. [jo]
                                                                                                                                      5
Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                    seinem älteren Bruder war er als Zehn-

       Eine besondere
                                                                                                                                     jähriger in den Iran gereist, ohne das Wis-
                                                                                                                                     sen seiner Eltern. Dort arbeiteten die bei-
                                                                                                                                     den auf dem Bau. Doch der Bruder kehrte

       Erfolgsgeschichte
                                                                                                                                     bald in die Heimat zurück, worauf der
                                                                                                                                     Junge auf sich allein gestellt war. 2016
                                                                                                                                     hörte er, dass die Grenze zu Europa offen
                                                                                                                                     sei. Er machte sich ohne Papiere auf den

       Vor sieben Jahren kam Habibollah                                                                                              Weg, bezahlte Schleppern hohe Summen,
                                                                                                                                     ohne zu wissen, ob er jemals ankommen
       ­Hashemi auf Fluchtwegen in die Schweiz.                                                                                      würde. Er legte Strecken zusammenge-

        An den Swiss Skills 2022 stand er als                                                                                        pfercht ­mit anderen im Kofferraum von
                                                                                                                                     Autos zurück und fuhr von der Türkei mit
        Parkettleger ganz oben auf dem Podest.                                                                                       dem Schlauchboot nach Griechenland.
                                                                                                                                     ­Irgendwann kam er schliesslich im Bun-
       Text: Andrea Söldi Foto: Stephan Rappo                                                                                         desasylzentrum Kreuzlingen an.
                                                                                                                                           Nach einer Woche wurde Habibollah
                                                                                                                                      Hashemi für acht Monate dem Bundes­
                                                                                                                                      asylzentrum Embrach zugeteilt und wech-
                                                                                                                                      selte danach in die Asylunterkunft im
                                                                                                                                      Busdepot Winterthur. Dort besuchte er
                                                                                                                                      Deutschkurse des Vereins Solinetz, bei
                                          Ein strahlender junger Mann mit einer        mi von einem Kollegen gehört und sich          dem sich Menschen ehrenamtlich für
                                          Goldmedaille um den Hals. Darunter der       beworben. Vor vier Jahren konnte er mit        ­Geflüchtete engagieren. 2017 wurde sein
                                          Schriftzug: «1. Rang Habibollah Hashe-       einer Integrationsvorlehre starten – ei-        Asylantrag genehmigt, worauf er das
                                          mi». Das Plakat der Schweizer Berufs-        nem einjährigen Programm, das der Bund          10. Schuljahr absolvieren konnte. Mittler-
                                          meisterschaften Swiss Skills hängt bei der   2018 zur beruflichen Integration aner-          weile lebt er zusammen mit einem Kol­
                                          Firma Brunner Parkett Sewiteppich AG         kannter Geflüchteter lanciert hatte und         legen in einer Wohnung. Zusätzlich zum
                                          am Eingang. Und auch auf der Website         das im Kanton Zürich bereits ab 2016 als        Lehrlingslohn erhält er Unterstützung vom
                                          wirbt die Winterthurer Bodenbelagsfirma      Pilot gestartet war. «Wir wussten, dass der     Sozialamt. Unterdessen besitze er die Auf­
                                          mit ihrem Parkettleger im dritten Lehr-      Betreuungsaufwand grösser sein würde            enthaltsbewilligung B, erzählt Hashemi
                                          jahr: «Bei uns werden Schweizer Meister      als bei anderen Lernenden», sagt Ausbild-       freudig. «Irgendwann werde ich den
                                          ausgebildet.»                                ner Mathis. «Doch wir dachten, es spricht       Schweizer Pass haben.»
                                              Der Betrieb mit 35 Mitarbeitenden ist    nichts dagegen, es zu probieren. Und wir
                                          offensichtlich stolz auf seinen Lernenden.   bereuen es nicht.» Der Lernende sei gut       Endlich die Familie wiedersehen
                                          Der Erfolg des 22-Jährigen ist angesichts    integriert im Team und mit seiner ruhi-       Der Beruf des Parkettlegers sei streng, er-
                                          seines Hintergrunds denn auch eine be-       gen, angenehmen Art sehr beliebt bei den      zählt Hashemi. «Man arbeitet meist auf
                                          sondere Leistung: Habibollah Hashemi         Kollegen.                                     den Knien, muss schweres Material her-
                                          stammt aus ärmlichen Verhältnissen in                                                      umtragen, und die Maschinen sind teil-
                                          Afghanistan, hat als Kind keine Schule       Er muss mehr lernen als andere                weise laut.» Wenn er nicht gerade auf ei-
                                          besucht und kam als 15-Jähriger in die       Praktische Arbeiten erledige Habibollah       ner Baustelle arbeitet, beschäftigt er sich
                                          Schweiz. Dass er es in dieser kurzen Zeit    Hashemi auf hohem Niveau, fährt Mathis        mit dem Modell-Wettbewerb für die Be-
                                          so weit gebracht hat, freut ihn ungemein.    fort. Im schulischen Bereich müsse er je-     rufsfachschule. Er gestaltet einen Wolfs-
                                          «Alle meine Kollegen haben mir auf die       doch stets mehr arbeiten als andere. Dass     kopf mit geometrisch geschnittenen Tei-
                                          Schultern geklopft und mir gratuliert.»      man sich heute gut mit ihm auf Deutsch        len aus hellen und dunklen Hölzern. Das
                                              Für die Teilnahme an den Swiss Skills    unterhalten kann, ist dem intensiven          Sujet gefalle ihm, begründet er seine
                                          wurde der Winterthurer von der Berufs-       Deutschkurs geschuldet, den der Ausbil-       Wahl. «Der Wolf ist ein starkes Tier.»
                                          fachschule ausgewählt. Nur die stärksten     dungsbetrieb für ihn organisiert hat. Zu-          Zurzeit bereitet sich Habibollah Ha­
                                          Lernenden dürfen teilnehmen. Im Sep-         erst sei der Lernende wegen des zusätzli-     shemi auf die Lehrabschlussprüfung im
                                          tember reiste er nach Bern und trat gegen    chen Aufwands wenig begeistert gewesen,       Juni vor. Wenn neben Arbeit und Lernen
                                          sechs weitere Lernende seines Berufs an.     erzählt Fabian Mathis. Doch dann habe er      noch etwas Zeit bleibt, spielt er gerne
                                          «Ich war ziemlich aufgeregt», erinnert er    sich angestrengt und signifikante Fort-       Fussball. Nach dem Abschluss hat er die
                                          sich. «Es war laut und warm, und wir         schritte gemacht. «Unterdessen sind seine     Stelle bei derselben Firma bereits auf si-
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin

                                          mussten unter Zeitdruck arbeiten.» Die       Sprachkenntnisse so gut, dass er manch-       cher. Zuerst will er jedoch noch eine sie-
                                          beiden Aufgaben waren vorgegeben: Ei-        mal sogar einen Witz macht.» Geschriebe-      benwöchige Auszeit einlegen. Das erste
                                          nerseits plante, zeichnete und konstruier-   nes muss Hashemi aber immer noch              Mal seit zwölf Jahren wird er zurück nach
                                          te Hashemi ein etwa ein Quadratmeter         mehrmals lesen, bis er es versteht. Bei       Afghanistan reisen und seine Familie be-
                                          grosses geometrisches Muster aus ver-        Prüfungen mit Zeitdruck ist dies natürlich    suchen. Seine Eltern sowie die zwei Brü-
                                          schiedenen Holzstücken von Grund auf         ein Nachteil. Auch die Autoprüfung habe       der und zwei Schwestern hat er seit seiner
                                          selbst. Anderseits wurde eine aufwendige     er im letzten Herbst bestanden, erzählt er    spontanen Abreise damals nur noch über
                                          Verlegearbeit verlangt. Beide Werke Has-     stolz. Ein pensionierter Mitarbeiter der      Videocalls gesehen. Er habe nur unschar-
                                          hemis zeugen von hoher Präzision. «Das       Firma hat ihm nun angeboten, mit ihm          fe Erinnerungen an sein Herkunftsland,
                                          Ergebnis liegt deutlich über den Anforde-    das Fahren des Lieferwagens mit Gang-         sagt er. Zudem wohne seine Familie mitt-
                                          rungen des Lehrabschlusses», stellt sein     schaltung zu üben.                            lerweile in einem anderen Dorf, weit weg
                                          Ausbildner Fabian Mathis klar. Er beglei-        Mithilfe seines privaten Deutschleh-      von dort, wo er aufgewachsen ist. Deshalb
                                          tet seinen Lernenden im Gespräch, um         rers hat Habibollah Hashemi seine Lehr-       ist er gespannt auf den Besuch: «Ich freue
                                          ihn sprachlich zu unterstützen.              abschlussarbeit geschrieben. Darin be-        mich sehr, meine Angehörigen endlich
                                              Von der offenen Lehrstelle bei der Bo-   fasst er sich mit seinem beschwerlichen       wieder einmal richtig zu sehen und Zeit
                                          denbelagsfirma hatte Habibollah Hashe-       Weg von Afghanistan in die Schweiz: Mit       mit ihnen verbringen zu können.» 
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Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
Trotz Goldmedaille bleibt
     Habibollah Hashemi
   mit beiden Füssen auf
     dem Boden. Für den
      ­Modell-Wettbewerb
   der Berufsfachschule
gestaltet er einen Wolfs-
      kopf aus hellen und
         dunklen Hölzern.

                      Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin
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Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
WEITERBILDUNG UND BERATUNG

                                                                                                   Dynamische
                                       Module                                                      Laufbahngestaltung
                                                                                                   für Lehrpersonen
                                       Medien, Informatik und
                                       Anwendung (MIA) –
                                                                                                   – Zur Vertiefung Ihrer Kompetenzen im
                                       Aufbaumodule                                                  (heil-)pädagogischen Berufsfeld
                                                                                                   – Anrechenbar auf den Master Schulische
                                       ab 13. März 2023
                                                                                                     Heilpädagogik oder Heilpädagogische
                                                                                                     Früherziehung
                                       Praxisnahe Vertiefung und Erweiterung
                                       der methodischen und didaktischen                           – Aktuelles wissenschaftliches Fachwissen
                                       Unterrichtskompetenzen im Zyklus 2 und 3.                     und Fokus auf Praxisbezug
                                                                                                   – Zeitlich flexibel
                                       phzh.ch/mia-Z23
                                                                                                   Weitere Infos und Modul-Anmeldung
                                                                                                   www.hfh.ch/laufbahnmodelle

                                                                                                                   Interkantonale Hochschule
                                                                                                                   für Heilpädagogik

                                                                                     HfH_Ins_SBZH_Laufbahnmo_87x137.indd 1                              31.01.23 16:18

                                                           Erkunden, Spielen, Experimentieren
                                                                                                                                      Jetzt
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                                                           Natur und Technik
                                                           im Kindergarten
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023

                                                                                                                             Räffelstrasse 32
                                                                                                                             8045 Zürich
                                                                                                                             T +41 44 465 85 85
                                                                                                                             info@lmvz.ch
                                                                                                                             www.lmvz.ch
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                                  Inserat_KBNT_Schulblatt_178x137mm.indd 1                                                                        16.01.23 18:05
Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                      Meine Schulzeit

                                                    «Das Vertrauen
in Erinnerung und warum?
In der 1. Klasse fand der Schulausflug
kurz nach dem Umzug unserer Familie

                                                 wirkte lange nach»
statt. Bei der Rückfahrt verliess meine
Klasse den Bus nicht beim Schulhaus, so
dass ich meinen Heimweg nicht kannte.
Ich getraute mich nicht, jemanden zu
­fragen, wusste aber: Am Kirchturm würde
 ich mich orientieren können. Also ging ich
                                                                                     Fünf Fragen an Yvonne Gilli,
 einfach der Strasse entlang, bis im Dorf                                                      Präsidentin FMH
 der Kirchturm sichtbar wurde. Seither
 steht «die Sicht auf den Kirchturm» für
 mich symbolisch für meine Orientierung          Was haben Sie in der Schule
 auf meinem Lebensweg.                           fürs Leben gelernt?
     Welche Lehrperson werden Sie                Es brauchte Jahre, bis ich dankbar war für
 nie vergessen?                                  das, was ich in der Schule gelernt hatte.
 Zwei Lehrer prägten mein Leben: Der             Unsere hohe Schulqualität schenkt Chan-
 Lehrer in der 6. Klasse traute mir zu, das      cen, eigene Visionen zu verwirklichen. Die
 Gymnasium zu besuchen. Der Deutsch-             Beziehung zwischen Lehrpersonen und
 lehrer im Untergymnasium sprach mir             Schülern spielt eine zentrale Rolle. Nur
 diese Fähigkeit ab mit dem wiederholten         wenn ein echtes Interesse am Schüler be-
 Ausspruch: «Mein lieber kleiner Schwan,         steht, können Lehrpersonen dessen Ver-
 du wirst schon noch merken, dass du hier        trauen in die eigenen Talente stärken –
 am falschen Platz bist.» Letzterem ver-         und Unmögliches möglich machen. Für
 danke ich einen Umweg mit Berufslehre           meine Eltern, die nie eine Berufslehre
 und Maturität auf dem zweiten Bildungs-         machen konnten, war es nicht vorstellbar,
 weg. Das Vertrauen meines Primarlehrers         dass ihre Tochter einmal an einer Univer-
 hingegen wirkte lange nach und öffnete          sität studiert.
 mir nicht zuletzt auch die Tür zum Uni-             Was hat Ihnen in der Schule
 versitätsstudium.                               gar nicht gefallen?
     Welches war Ihr liebstes Fach               Trockene Lerninhalte ohne direkten Be-                                                                  Foto: FMH
 und weshalb?                                    zug zu meinem Leben, wie das rein theo-
                                                                                                        Yvonne Gilli (65) ist Hausärztin und seit
 Das hing davon ab, ob die Lehrperson            retische Lernen einer Fremdsprache, de-                1. Februar 2021 Präsidentin der FMH, der
 mich begeistern konnte und mir gute Leis-       motivierten mich. Erst der Aufenthalt in               Dachorganisation aller Ärztinnen und Ärzte
                                                                                                        in der Schweiz. Nach der Ausbildung zur
 tungen zutraute. In­teressiert habe ich mich    einer fremdsprachigen Gegend, in der ich               Pflegefachfrau studierte sie auf dem zwei-
 früh für Geschichte, anhand von beein-          auch die Faszination «fremder» Kulturen                ten Bildungsweg Medizin. Sie engagiert sich
                                                                                                        politisch und war von 2007 bis 2015 National­
 druckenden Biografien, wie etwa jener von       erleben durfte, erschloss mir den Wert von             rätin für die Grüne Partei. Sie ist Mutter von
 Rosa Luxem­burg oder von Marie Curie.           Fremdsprachen.                                         drei erwachsenen Söhnen und wohnt in Wil.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Schulraumstrategie
                                                                                                                                                               Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin
                                                                                                                                                               9
Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus
Fokus

Mehr Nach-
 haltigkeit
      Fotos: Andreas Schwaiger hat sich an der Kantonsschule
              Küsnacht und an der Schule Uitikon umgesehen.

                                                          Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus
                                                         11
Nachhaltigkeit als Konzept                                                                                                    klopfte die Genossenschaft bei der Ge-

       Mit Technik und
                                                                                                                                     meinde an und fragte nach geeigneten
                                                                                                                                     Dächern. Aus den Vorschlägen wählten
                                                                                                                                     sie das grösste: jenes auf dem Alters- und

       Hartnäckigkeit zur
                                                                                                                                     Gesundheitszentrum Tägerhalde, auf des-
                                                                                                                                     sen Dach es Platz für 736 Solarpanels hat-
                                                                                                                                     te. Sie liefern seit 2020 so viel Strom, dass

       grüneren Schule
                                                                                                                                     die Ziele von 2011 übertroffen wurden.
                                                                                                                                          Ein anderes Projekt, das Solécole un-
                                                                                                                                     terstützt hat, ist die Nutzung der Wärme
                                                                                                                                     eines Abwasserkanals, der seit 2016 an
       An der Kantonsschule Küsnacht wird                                                                                            der Schule vorbeiführt. Auch hier waren
                                                                                                                                     diplomatisches Geschick und Hartnäckig-
       Nachhaltigkeit grossgeschrieben.                                                                                              keit vonnöten, bis das Projekt bewilligt

       Mit ­Solaranlagen und anderen technischen                                                                                     wurde. Seit zwei Jahren sind die Wärme-
                                                                                                                                     pumpen nun an der Arbeit. Resultat: Die
       ­Lösungen hat sie ihre Ökobilanz massiv                                                                                       Schule braucht viel weniger Erdgas zum
                                                                                                                                     Heizen und hat ihren CO2-Ausstoss um
        verbessert. Etwas schwieriger ist es,                                                                                        70 Prozent gesenkt. Und das ist noch nicht

        ­das i­ ndividuelle Verhalten der Schülerin-                                                                                 das Ende der Fahnenstange: «Wir wollen
                                                                                                                                     die Heizung auf Biogas umstellen», sagt
         nen und Schüler zu ändern.                                                                                                  Rainer Mertens. «So kämen wir ganz weg
                                                                                                                                     von den fossilen Brennstoffen.»
       Text: Andreas Minder
                                                                                                                                     Das ideale Anschauungsobjekt
                                                                                                                                     Die Genossenschaft Solécole will nicht
                                                                                                                                     nur umweltfreundliche Energien för­dern.
                                                                                                                                     In ihren Statuten steht, dass sie auch «die
                                                                                                                                     Information über umweltfreundliche Ener-
                                                                                                                                     gieproduktion und -nutzung insbesonde-
                                        «Technisch können wir die Welt retten,        und neun Schülerinnen und Schüler ein          re an der Kantonsschule Küsnacht und in
                                        wir müssen es nur machen», sagt Rainer        Semester lang Gedanken darüber, wie die        der Reihe ihrer Mitglieder» fördert. Wie
                                        Mertens. Er ist Physiklehrer an der Kan-      Panels trotzdem auf das Schulhausdach          setzt sie das um? «Wir haben ganz viele
                                        tonsschule Küsnacht (KKN) und Kassier         kommen könnten. «Die technischen As-           spannende Maturarbeiten, die sich mit
                                        der Genossenschaft Solécole. Diese hat        pekte waren ruckzuck geklärt», erinnert        verschiedenen Aspekten der Solaranlage
                                        die grossen Solaranlagen auf dem Dach         sich Rainer Mertens. Kopfzerbrechen be-        befassen», erzählt Rainer Mertens und
                                        eines Schulgebäudes und jenem des Küs-        reiteten hingegen organisatorische, juris-     nennt zwei Beispiele. Eine Schülerin habe
                                        nachter Alters- und G­ esundheitszentrums     tische und finanzielle Fragen. Wer trägt       gezeigt, dass man die Effizienz von Foto-
                                        Tägerhalde realisiert. Zusammen produ-        die Anlage? Wie lässt sich das nötige Geld     voltaikmodulen steigern kann, wenn man
                                        zieren die Kraftwerke fast anderthalbmal      auftreiben? Wem wird der Strom ver-            sie kühlt. Ein anderer habe einen Putz­
                                        so viel Strom, wie die Schule braucht.        kauft? Am meisten Beharrlichkeit brauch-       roboter für die Panels erfunden. Dieser
                                        «Eine Lösung, die funktioniert und sich       te es, um die nötigen Bewilligungen zu         stehe allerdings nicht im Einsatz.
                                        rechnet», sagt Mertens. Sie habe unter an-    bekommen. Der Denkmalschutz, der Kan-              Auch im Unterricht und in Wahlkur-
                                        derem den Vorteil, dass sich deswegen         tonsbaumeister und der Architekt des           sen werde die Anlage immer wieder the-
                                        niemand einschränken müsse. «Deshalb          neuen Trakts sträubten sich gegen die          matisiert, sagt Mertens. Etwa um zu er­
                                        stossen wir auf viel Akzeptanz.» Das zeigt    Eingriffe. Es brauchte den Einsatz der         klären, was der Unterschied zwischen
                                        sich etwa in der personellen Zusammen-        Schulleitung und des Küsnachter Ge-            Leistung (Watt) und Energiemenge (Kilo-
                                        setzung der Genossenschaft: 60 Prozent        meindepräsidenten, bis die kantonalen          wattstunde) sei oder was unter dem
                                        der rund 600 Mitglieder sind Schüle­          Stellen einwilligten. Am 21. August 2009       Begriff Wirkungsgrad zu verstehen sei.
                                                                                                                                     ­
                                        rinnen und Schüler und Ehemalige, die         ging die Anlage ans Netz. Sie bestand aus      «Dazu müssen wir nicht auf ein weit ent-
                                        übrigen sind Lehrpersonen, Eltern und         162 Modulen, die am Rand der Dachfläche        ferntes Kraftwerk verweisen, sondern ha-
                                        weitere Interessierte. Zwei der sechs Vor­    platziert waren.                               ben eines vor Ort.» Beim Haupteingang
                                        stands­mitglieder sind Schülerinnen. Eine                                                    des Klassentrakts steht eine Anzeige, die
                                        von ihnen ist Sophia Hummel. «Wir ge-         Die Vision mehr als erfüllt                    angibt, wie hoch die aktuelle Leistung ist
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

                                        stalten das Projekt mit», erzählt sie. «Wir   Ein erster Erfolg. Aber Solécole wollte        und wie viel Kilowattstunden am jeweili-
                                        tragen die Ideen der Schülerinnen und         mehr. 2011 formulierte die Genossen-           gen Tag produziert worden sind.
                                        Schüler in den Vorstand. Und wir stellen      schaft eine Vision: Bis zum Jahr 2020 sollte       Der Erfolg von Solécole ist messbar: in
                                        die Genossenschaft den neuen Klassen          mehr elektrische Energie produziert wer-       Watt, Kilowattstunden, eingespartem CO2,
                                        vor.» Hummel verwaltet ausserdem den          den, als die Schule benötigt. Bereits 2012     zurückbezahlten Darlehen und Anzahl
                                        Instagram-Account von Solécole.               folgte der nächste Schritt auf dem Weg zu      Genossenschaftsmitgliedern. Das unter-
                                            Entstanden ist die Genossenschaft aus     diesem Ziel: Auf dem Schultrakt wurden         scheidet das Projekt von anderen Nach-
                                        einem Wahlkurs, der im Frühlingssemes-        400 zusätzliche Module montiert, wodurch       haltigkeitsbemühungen an der KKN – was
                                        ter 2007 stattgefunden hatte. Damals war      sich der Stromertrag mehr als verdrei-         die Messbarkeit, aber zum Teil auch den
                                        der neue Klassentrakt im Bau, ein Ge­         fachte. Finanziert wurden die Anlagen          Erfolg anbelangt. Doch beginnen wir mit
                                        bäude mit Flachdach, prädestiniert für        über das Genossenschaftskapital und vor        dem, was gut funktioniert. Zum Beispiel
                                        Solarpanels. Die zuständigen kantonalen       allem durch private Darlehen.                  mit dem wöchentlichen Vegi-Tag in der
                                        Stel­
                                            len hatten jedoch das Geld für eine           Das brachte der Schule mediale Auf-        Mensa. Er werde längst als «normal» wahr-
                                        solche Anlage aus dem Budget gestrichen.      merksamkeit und Preise ein, doch die Vi-       genommen, sagt Chemielehrerin Daniela
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                                        Im Wahlkurs machten sich zwei Lehrer          sion war noch nicht verwirklicht. Also         Matthaei. Auch, dass das Rindfleisch von
Nachhaltigkeit ist an der Kantons­-
          schule ­Küsnacht immer wieder
          Thema in Projektwochen. In der
          letzten Woche vor den Sportferien
          ging es unter anderem um Insekten
          als Nahrung oder um Schmuck­
          herstellung aus PET-Flaschen.

einem Biohof in Hirzel bezogen werde, sei       lern besteht seit knapp drei Jahren. «Wir     Es sei gar nicht so einfach, Massnahmen
mittlerweile so selbstverständlich, dass es     wollen die KKN mit kleineren und grösse-      zu finden, die etwas brächten und umsetz-
fast vergessen gehe. Zu den Errungen-           ren Projekten nachhaltiger gestalten»,        bar seien, sagt Rainer Kündig. ­Unter an-
schaften zählt sie weiter, dass ökologische     sagt Brasse. Im letzten Jahr hätten sie mit   derem deshalb, weil sie oft mit Unan-
Themen im Unterricht grosses Gewicht            einer Plastikflaschensammelaktion sicht-      nehmlichkeiten verbunden seien. «Wenn
hätten. Im Chemieunterricht thematisiert        bar gemacht, wie viel Plastik die Kanti       die Kommission vorschlagen würde, nur
sie etwa, wie Moleküle von Kunststoffen         verbrauche. «Jede Woche gab es mehrere,       noch auf 19 Grad zu heizen, würde wahr-
strukturiert sind und wie schwierig es          riesige Säcke voll Plastik.»                  scheinlich eher die Begeisterung als die
deshalb für die Natur ist, solche Stoffe ab-                                                  Raumtemperatur sinken.» Ist es also doch
zubauen. Oder wie in Brennstoffzellen           Flüge kompensieren mit Taten                  nicht so weit her mit dem ökologischen
elektrische Energie erzeugt wird.               Aktuell beschäftigt sich die Kommission       Bewusstsein der Schülerinnen und Schü-
                                                mit dem Fliegen. An der KKN wird heute        ler? Paula Canclini, die ebenfalls im Vor-
Durchzogene Abfallbilanz                        nur noch für Sprachaufenthalte in Spani-      stand von Solécole sitzt, nimmt ihre
Durchzogen ist die Bilanz hingegen beim         en und England ein Flugzeug benutzt. Das      «Gspändli» in Schutz: «Die Mehrheit inte-
Abfall, wie Schüler Julian Brasse erzählt.      ist deutlich weniger als früher, als man      ressiert sich schon dafür.» Allerdings stellt
                                                                                                                                              Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

So habe man etwa mit dem Verkauf von            auch für Wahlkurse und Maturreisen ins        die Gymnasiastin fest, dass die Corona-
Mehrweg-Geschirr nicht den gewünsch-            Flugzeug stieg. Die Nachhaltigkeitskom-       pandemie und der Ukrainekrieg die Be-
ten E ­ ffekt erzielt. «Das Geschirr wurde      mission schlägt nun vor, dass die verblei-    mühungen gebremst hätten. «Vorher war
gekauft und dann fast nie wieder an der         benden Flüge kompensiert werden. Und          das Bewusstsein viel grösser. Die Fridays
Schule gesehen oder verwendet», sagt er.        zwar nicht zwingend mit Franken und           for Future haben zu einem Hype geführt.
Was bedeutet, dass beim Essen und               Rappen, sondern mit Taten. Die Kommis-        Es gab sogar eine Klimastreikgruppe.»
­Trinken weiterhin viel Plastik im Spiel ist.   sion hat ausgerechnet, wie viele PET-Fla-         Für Prorektor Markus Hanhart ist das
 «Wenn man schaut, wie es nach der Mit-         schen eine Schülerin oder ein Schüler         kein Grund, zu resignieren. Es gehe dar-
 tagspause auf dem Areal aussieht, hat          sammeln müsste oder wie oft er oder sie       um, ständig am Bewusstsein zu arbeiten,
 man nicht das Gefühl, an einer nachhalti-      auf Fleisch verzichten müsste, um gleich      und zwar vor allem durch Bildung. «Wir
 gen Schule zu sein», stellt Chemielehrer       viel CO2 einzusparen, wie der Flug ver­       sind keine politische Instanz, sondern
 Rainer Kündig fest. Er ist wie Julian          ursacht hat. «Wir werden diesen Vor-          eine Bildungsinstitution.» Die Schule kön-
 ­Brasse Mitglied der Nachhaltigkeitskom-       schlag im Gesamtkonvent der Lehrper­          ne versuchen, die Jugendlichen mit dem
  mission der KKN. Die kleine Gruppe aus        sonen präsentieren und diskutieren», sagt     Thema zu erreichen. «Welchen Effekt das
                                                                                                                                              13

  Lehrpersonen, Schülerinnen und Schü-          Julian Brasse.                                hat, liegt nicht in unserer Hand.» 
Energieschule                                                                                                                ten. Sie wird unterstützt durch das Kern-

       Schuleigenes
                                                                                                                                    team, das aus je einer Lehrperson aller
                                                                                                                                    Schulstufen, der Schulleitung und bei
                                                                                                                                    ­Bedarf der Schulpflege besteht.

       P
       ­ rogramm schafft                                                                                                            Keine Eintagsfliegen
                                                                                                                                    Der Schulgarten ist nur einer von vielen

       Verbindlichkeit
                                                                                                                                    «Meilensteinen» auf dem Weg zur Klima-
                                                                                                                                    schule. Unterdessen sind auch die Pau-
                                                                                                                                    sen­plätze Rietwis und Schwerzgrueb na-
                                                                                                                                    turnah gestaltet worden. In der weiteren
       Uitikon ist die erste Schule in der                                                                                          Schulumgebung wird Biodiversität geför-
                                                                                                                                    dert. Auf dem Schulhausdach Rietwis ha-
       Schweiz, die auf dem Weg zur «Klima­                                                                                         ben Sekundarschüler unter An­leitung von

       schule» auch den Leistungsausweis                                                                                            Handwerkern mitgeholfen, ­     Solaranlagen
                                                                                                                                    aufzubauen. Der ältere Teil des Schulhau-
       als «Energieschule» erworben hat. Ihr                                                                                        ses wurde energetisch saniert. Es gab mo-
                                                                                                                                    torlose Schulwochen, Biodiversitätstage
       ­Engagement färbt auf die Gemeinde ab.                                                                                       oder Recyclingtouren in allen Schulen.
                                                                                                                                    «Wir wollen aber auf keinen Fall, dass die-
       Text: Walter Aeschimann
                                                                                                                                    se Projekte Eintags­  fliegen sind», betont
                                                                                                                                    Jermann. Deshalb haben die Lehrperso-
                                                                                                                                    nen ein schuleigenes, stufenübergreifen-
                                                                                                                                    des Bildungsprogramm ­      erarbeitet. Die
                                                                                                                                    drei Kernthemen sind: Ressourcen und
                                                                                                                                    Abfall, Energie und M ­ obilität, Biodiversi-
                                                                                                                                    tät und Ernährung. Die Themen sollen
                                        Julia, Dijana, Felix und Raphael sagen:       ­ olen. Denn es ist ein grosses und kom-
                                                                                      h                                             verbindlich und langfristig im Unterricht
                                        «Auch kleine Tiere wollen ein Zuhause         plexes Projekt, das nur funktionieren         verankert und mit Aktionen erlebbar ge-
                                        haben.» Sie zeigen auf kleine Holz-Hotels     kann, wenn alle es unterstützen», sagt        macht werden. Das Thema im aktuellen
                                        für die Wildbienen und Reisighaufen für       ­Jermann. Die Arbeit lohnte sich. Anfang      Schuljahr ist die klimafreundliche Ernäh-
                                        die Igel. «Es gibt immer weniger Orte, wo      2021 startete die Schule das Projekt mit     rung, im nächsten Schuljahr liegt der
                                        diese Tiere leben können», erklären sie.       dem sogenannten «Blackout Day»: Als die      Schwerpunkt auf der Mobilität.
                                        Die vier Kinder aus der 2. Klasse erzählen     ersten Schülerinnen und Schüler ihre              Wir wechseln ins Schulhaus Schwerz-
                                        danach engagiert vom Besuch auf dem            Schulhäuser betraten, gab es keinen          grueb zur Klasse 4C von Ajla Hasanbego­
                                        Bauernhof. Dort haben sie versucht, zu         Strom. Brennende Fackeln und Kerzen          vic. Die Primarlehrerin hat im Rahmen
                                        melken, kuhfrische Milch getrunken und         wiesen den Weg ins Klassenzimmer. Ein        des Fachs Natur, Mensch, Gesellschaft
                                        Apfelmost gepresst. Und sie freuen sich        Alternativprogramm ohne Energie und          (NMG) das Thema «Meeresverschmut-
                                        darauf, dass sie in diesem Semester den        technische Hilfsmittel musste gestaltet      zung» behandelt. Die Klasse stellt nun ihr
                                        Schulgarten jäten und bepflanzen dürfen.       werden.                                      Wissen in der Aula vor. Es hören andere
                                        Sie haben zwar schon mit der Mutter eine           Das Bildungs- und Klimaschutzpro-        Klassen und Eltern zu. Die Kinder erzäh-
                                        Rose umgetopft oder Zwiebeln ausgeris-         gramm für Schulen wurde im Rahmen der        len, weshalb das Meer für unseren Plane-
                                        sen, aber einen ganzen Garten pflegen –        Einführung von Bildung für nachhaltige       ten so wichtig ist und dass es in vielerlei
                                        «das wird sicher schön». Im März gibt es       Entwicklung (BNE) mit dem Lehrplan 21        Hinsicht durch das Handeln der Men-
                                        im Schulhaus am Projekttag einen «kli-         geschaffen. Die Schule Uitikon hat wäh-      schen in seiner Existenz gefährdet ist. Auf
                                        mafreundlichen» Znüni. «Unsere Lehre-          rend des Programms Zugriff auf diverse       ihren selbst gemachten Plakaten zeigen
                                        rin für Textiles und Technisches Gestalten     Bildungsinhalte zu den Themen Klima-         die Kinder, wie das Plastik ins Meer ge-
                                        hat auch einen Bauernhof. Dort backen          schutz und Nachhaltigkeit. Zur Schule        langt, wie lange es braucht, bis es in
                                        wir die Zöpfe für den klimafreundlichen        zählen die Primar- und Sekundarschul-        Mikro­plastik zerfällt, und wie es Tiere im
                                        Znüni, und im Schülerclub machen wir           häuser Rietwis, Schwerzgrueb und Mett­       Meer krank machen kann. Nach dem Vor-
                                        die Müesliriegel selbst», erzählen sie.        len, in denen rund 500 Schülerinnen und      trag erzählen Giulia, Céline und Tom, sie
                                                                                       Schüler von über 60 Lehrpersonen unter-      hätten viel gelernt. Etwa, dass man sorg-
                                        Alle ins Boot holen                            richtet werden. Edith Jermann ist im Auf-    fältiger mit der Natur umgehen muss und
                                        Wir stehen im Garten des Schulhauses           trag der Schule Leiterin des Projekts und    dass es nicht immer Plastik braucht. Auch
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

                                        Rietwis in Uitikon. Das grosse Beet ist mit    hat für diese Arbeit ein Zeitbudget erhal-   sie sind in ihrem Engagement kaum zu
                                        Gründüngung überwuchert, und Edith
                                        Jermann erklärt, dass dies eine natürliche
                                        Art der Düngung sei. Die Primarlehrerin         Zwei Labels – ein Ziel
                                        zeigt uns, wo das neue Beet für ihre            Die Auszeichnung «Energieschule» wird vom Trägerverein Energiestadt verge-
                                        2. Klasse hinkommt, und erinnert sich:          ben. Das Label «Klimaschule» von «My blue Planet». Zwei Leistungsausweise
                                        «Hier bei den Wildbienen ist vor vier Jah-      mit demselben langfristigen Ziel: Sie wollen Schulen für die Themen Energieef-
                                        ren die Idee entstanden, das Thema Natur        fizienz, erneuerbare Energien, Klimawandel und nachhaltige Ressourcennut-
                                        und Klima umfassender und nachhaltiger          zung sensibilisieren. «Energieschule» ist ein Einstieg in Energie- und Klimathe-
                                        anzugehen.» Nachhaltiger heisst, dem            men und eine Auszeichnung, die sich innerhalb eines Schuljahrs erarbeiten
                                        vierjährigen Bildungsprogramm «Klima-           lässt. «Klimaschule» ist ein Bildungs- und Klimaschutzprogramm, das Schulen
                                        schule» der Organisation «My blue Planet»       vier Jahre erlebnisorientiert an die Themen Energie, Klimaschutz und Nachhal-
                                        beizutreten und damit allenfalls auch           tigkeit heranführt. Die beiden Organisationen arbeiten zusammen und anerken-
                                        die Gemeinde zu inspirieren. «Die grosse        nen gegenseitig die Leistungen einer Schule. [wa]
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                                        Herausforderung war, alle ins Boot zu
                                        ­
Die Kinder der Klasse 4C haben
sich mit der Meeresverschmutzung
­auseinandergesetzt und geben
 ihr Wissen nun in der Aula an
 andere Klassen und Eltern weiter.
 ­Co-Schulleiterin Claudia Ruoss
  (Bild unten, rechts) und Schul­
  pflegepräsidentin ­Caroline Cada
  verfolgen in Sachen Nachhaltigkeit
  von Schule und ­Verwaltung die
  gleichen Ziele.

bremsen. Sie geben praktische Tipps für       verständlich in den Schulalltag zu integ-    Schulhäusern optimiert, auch dank einer
die Reduktion der Meeresverschmutzung.        rieren», sagt Ruoss. So wird zum Beispiel    Zusammenarbeit mit dem Energiever­
Sie haben Stoff-Tragtaschen bedruckt und      bei Schulfesten kein Einweggeschirr          sorgungsunternehmen Elektrizitätswerke
Bienenwachstücher selbst hergestellt, um      mehr verwendet. Für Klassenlager erstellt    des Kantons Zürich (EKZ). Computer
Plastik im Alltag zu vermeiden. Am            das Projektteam einen Leitfaden für          und Tablets würden nicht geleast, son-
Schluss berichten sie, dass sie eine Woche    nachhaltige Ernährung und Tipps, um          dern gekauft. So müsse man selbst über-
lang jeden Plastikabfall von zu Hause in      Lebensmittelverschwendung zu vermei-
                                              ­                                            legen, wie die Geräte fachgerecht entsorgt
die Schule mitgenommen hätten. «Bei           den. Für die Schulleitung hat sich mit dem   oder allenfalls nochmals verwendet wer-
140 Plastikstücken haben wir aufgehört        Projekt ein weiterer positiver Aspekt er-    den könnten. In der Allmend wird derzeit
zu zählen», sagen sie. Bevor die Plastik-     geben. «Wir sind ein attraktiver Arbeits-    ein neues Schulhaus für die Sekundar-
stücke endgültig entsorgt werden, hat die     ort», sagt Ruoss. In den Bewerbungs­         schule gebaut. Neben diversen Schulzim-
4C ein grosses Wort daraus geformt und in     gesprächen werde das Engagement der          mern und Gruppenräumen ist auch eine
der Aula ausgestellt: «PLASTIK».              Schule in Klimafragen stets als Mehrwert     Dreifach-Turnhalle vorgesehen. Man
                                              hervorgehoben.                               habe auf ein nachhaltiges Energiekonzept
Im Schulalltag integrieren                                                                 geachtet, sagt Čada, und Synergien mit
Als Claudia Ruoss vor eineinhalb Jahren       Schulverwaltung zieht mit                    der Gemeinde genutzt. Geplant sind eine
ihre Stelle als Co-Schulleiterin an der       Caroline Čada ist Schulpflegepräsidentin    Wärmepumpenanlage mit Erdsonden so-
Schule Uitikon antrat, war der Prozess zur    und Vorsteherin des Ressorts Bildung im      wie Fotovoltaikanlagen. Diese liefern
Klimaschule schon im Gang. Sie dachte         Gemeinderat. Sie freut sich über die Fort-   nicht nur Strom und Wärme für die neue
nicht an den Mehraufwand, den dieses          schritte der Schule in Sachen Klima- und     Schulanlage, sondern ebenso für das ge-
                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

Vorhaben bedeuten könnte: «Ich habe           Umweltfreundlichkeit. «Die Impulse aus       plante Veranstaltungs- und Jugendhaus
mich sehr gefreut, dass ich dieses Projekt    der Schule haben dazu geführt, dass auch     sowie das Hallenbad.
übernehmen kann», erzählt sie. Und sie        die Gemeinde bewusster über den Einsatz          Für Primarlehrerin Edith Jermann, die
regte auch gleich eine Optimierung an:        von Ressourcen nachdenkt», sagt sie. Die     diesen «umweltbewussten Prozess» ange-
Man könnte doch auf dem Weg zur Klima-        Schule wolle gesamtheitlich klimafreund-     stossen hat, sind das sehr gute Ansätze.
schule erst die Auszeichnung «Energie-        lich sein. Auch der Hort integriere den      Sie freut sich, dass «ein breites Umden-
schule» erwerben. «Wir erfüllten schon        Ansatz der Klimafreundlichkeit in seinen     ken» stattgefunden hat. Ihr Wunsch ist
alle Kriterien.» So kam es, dass die Schule   Betrieb, zum Beispiel bei der Menügestal-    nun, dass sich die Gemeinde weiter von
Uitikon heute die erste Schule in der         tung oder bei der Auswahl der Lieferan-      der Schule inspirieren lässt und sich auf
Schweiz ist, die sich im Prozess zur Kli-     ten. Die Schulverwaltung gestalte ihre       den Weg begibt, eine «Energiestadt» zu
maschule auch den Leistungsausweis als        Kommunikation weitgehend papierlos und       werden. Caroline Čada ist zuversichtlich,
Energieschule erarbeitet hat. Im vergan-      achte auf die Klimafreundlichkeit, wenn      dass sich der Rest der Gemeinde den Zie-
genen November hat sie die Auszeich-          sie einen Anlass organisiere. Bei Apéros     len der Schule anschliessen wird: «Es sind
nung offiziell erhalten. «Das Ziel muss       würden häufiger lokale Produkte aufge-       sich alle der Wichtigkeit dieser Themen
                                                                                                                                        15

sein, Energie- und Klimathemen selbst-        tischt. Der Stromverbrauch werde in den      bewusst.» 
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Im Gespräch                                                                                                                   alternativer Technologien und Stoffe oder

       «Abfall trennen
                                                                                                                                     mithilfe von Kreislaufwirtschaft. Suf­fizienz
                                                                                                                                     wiederum bedeutet, weniger zu produzie-
                                                                                                                                     ren und zu konsumieren. Nachhaltige

       allein ist noch
                                                                                                                                     Entwicklung ist also ein sehr komplexer
                                                                                                                                     Prozess: Man sollte Wirtschaft, Gesell-
                                                                                                                                     schaft und Ökologie ausbalancieren, sich

       nicht nachhaltig»
                                                                                                                                     nicht auf Kosten anderer weiterentwi-
                                                                                                                                     ckeln, und dies alles so, dass das Potenzial
                                                                                                                                     für die Zukunft nicht geschmälert wird.
                                                                                                                                         Wie lässt sich denn feststellen,
       Viele Schulen auf allen Stufen sind                                                                                           wo wir stehen?
                                                                                                                                     Wir können den Blick auf einzelne The-
       heute um mehr Nachhaltigkeit bemüht.                                                                                          men wie Biodiversität, CO2-Ausstoss oder

       Was bringt das, wie werden wir als                                                                                            Durchschnittstemperaturen, die messbar
                                                                                                                                     sind, richten, um festzustellen, ob wir bei
       ­Gesellschaft nachhaltig und welche                                                                                           diesen Themen auf einem nachhaltigen
                                                                                                                                     Weg sind oder uns auf einem Weg befin-
        Rolle spielt dabei die in den Schulen                                                                                        den, der dem Ziel widerspricht, dass wir in

        ­verankerte Bildung für nachhaltige                                                                                          Zukunft noch die gleichen Lebensgrund-
                                                                                                                                     lagen haben. Und wir sind eindeutig nicht
         ­Entwicklung (BNE)? Antworten von                                                                                           auf einem nachhaltigen Weg. Wir müssen

          Urs Müller von der Zürcher Hochschule
                                                                                                                                     folglich dringend handeln. Zudem sagt die
                                                                                                                                     Forschung heute klar, dass es nicht reicht,

          für Angewandte Wissenschaften.                                                                                             nur auf Effizienz und Konsistenz zu set-
                                                                                                                                     zen, sondern dass wir den gesamten Res-
       Interview: Jacqueline Olivier                                                                                                 sourcen-Verbrauch reduzieren müssen.
                                                                                                                                     Wir müssen mit weniger auskommen.
                                                                                                                                     Suffizienz ist deshalb sicher die schwie-
                                                                                                                                     rigste Strategie. Und wie Sie zu Beginn
                                                                                                                                     gesagt haben: Unter Nachhaltigkeit ver-
                                                                                                                                     stehen alle etwas anderes, alle schmücken
                                                                                                                                     sich heute mit dem Begriff, alles ist heute
                                                                                                                                     nachhaltig, aber wenn man die Modelle
                                                                                                                                     und Konzepte ernst nimmt, sind wir eben
                                                                                                                                     überhaupt nicht nachhaltig.
                                        Nachhaltigkeit ist heute in aller              nerationen zu decken, jedoch nicht zulas-         Und doch besteht ein Konsens, ­
                                        ­Munde, es scheint aber jeder ein wenig        ten der künftigen Generationen. Diese         dass wir handeln müssen. Bildung für
                                         etwas anderes darunter zu verstehen.          Definition ist natürlich sehr vage. Deshalb   nachhaltige Entwicklung ist seit
                                         Was bedeutet Nachhaltigkeit genau?            existieren verschiedene Modelle, wie man      einigen Jahren ein Auftrag der Schulen
                                         Zu unterscheiden ist erst einmal zwischen     sich eine nachhaltige Entwicklung kon-        und in den Lehrplänen verankert.
                                         Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwick-      kreter vorstellen soll – beispielsweise auf   Was kann sie leisten?
                                         lung. Viele, die heute von Nachhaltigkeit
                                         sprechen, meinen im Grunde nachhaltige
                                         Entwicklung. Diese lässt sich definieren,
                                         Nachhaltigkeit hingegen nicht.
                                              Das klingt verwirrend – können ­
                                         Sie das genauer erklären?                               «Wenn man eine langfristige
                                         Nachhaltigkeit ist das angestrebte Ziel,
                                         nämlich der Zustand einer nachhaltigen
                                                                                                 ­Veränderung erreichen will,
                                         Welt. Von dieser können wir heute aller-              ist Bildung der zentrale Hebel.»
                                         dings noch nicht sagen, wie sie aussehen
                                         soll, da wir noch gar nicht wissen, was
                                         schliesslich nachhaltig ist. Nachhaltige
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

                                         Entwicklung hingegen ist der Prozess, der
                                         dorthin führen soll, ein sogenannter
                                         Such-, Lern- und Gestaltungsprozess un-       Basis der drei Dimensionen Wirtschaft,        Wenn man eine langfristige Veränderung
                                         ter Berücksichtigung aller Bedürfnisse        Gesellschaft und Ökologie, die miteinan-      hin zu nachhaltigeren Denk- und Hand-
                                         heutiger und künftiger Generationen mit       der in Einklang gebracht werden sollen.       lungsweisen erreichen will, ist Bildung
                                         der Vorstellung, die zukunftsfähige Welt      Und es gibt bekannte Strategien: Effi­        der zentrale Hebel und die Verankerung
                                         gemeinsam zu gestalten. Es handelt sich       zienz, Konsistenz, Suffizienz.                der BNE in den Lehrplänen deshalb eine
                                         also not­wendigerweise um einen sehr de-          Was ist unter diesen Begriffen            fantastische Sache. Es geht darum, die
                                         mokratischen Prozess.                         zu verstehen?                                 Schülerinnen und Schüler dazu zu er-
                                              Und wie lässt sich nachhaltige           Bei der Effizienz geht es um die Frage von    mächtigen, an der Gestaltung einer nach-
                                         ­Entwicklung definieren?                      In- und Output, also darum, mit den glei-     haltigeren Zukunft mitzuwirken, indem
                                          Es gibt verschiedene Definitionen, die be-   chen Ressourcen etwas mehr Output zu          man mit ihnen reflektiert, welche Werte
                                          kannteste ist die sogenannte Brundtland-     erzielen oder den gleichen Output mit         uns wie viel bedeuten, und ihnen vermit-
                                          Definition von 1987. Demnach geht es         weniger Ressourcen zu erreichen. Kon­
                                                                                       ­                                             telt, dass man sich einbringen und etwas
18

                                          ­darum, die Bedürfnisse der heutigen Ge-     sistenz meint, naturnäher zu leben, dank      bewirken kann. Es geht auch um vernetz-
tes Denken, damit man sich die Auswir-
kungen unseres Handelns auf Wirtschaft,
Gesellschaft und Natur überhaupt vor-
stellen kann. Und es ist enorm wichtig, dies
auf allen Schulstufen – möglichst schon in
der Frühkindförderung – zu verankern.
           Wie und wo kann man denn in
der Frühkindförderung ansetzen?
Wirtschaft, Natur und Soziales lässt sich
in ganz einfache Geschichten und Hand-
lungen übersetzen. Etwa, dass man Papier,
PET oder Glas nicht einfach wegwirft,
sondern sammelt. So bekommen die Kin-
der ein Gefühl für den Wert verschiedener
Ressourcen und lernen, dass man sie wie-
derverwenden und etwas Neues daraus
herstellen kann. Das lässt sich sehr spie-
lerisch vermitteln. Man kann mit den Kin-
dern auch über Glück reden: Wann ist
man zufrieden, womit ist man zufrieden,
was bedeutet Besitz – etwa von Spielsa-
chen – und so weiter. Sozialkompetenzen
im Bereich des Umgangs miteinander
oder der Konfliktlösungsmöglichkeiten
sind ebenfalls wichtig. Man könnte oft
schon viel früher ansetzen, um in den
Kindern das Verständnis für eine gerech-
tere Welt zu wecken. Stichwort Kinder­
bücher, die zu einem grossen Teil noch
immer nicht gendergerecht sind.
           Inwiefern hat ein Thema wie
­Gendergerechtigkeit mit Nachhaltig­
 keit zu tun?
 Bei der nachhaltigen Entwicklung geht es
 um ein ganzheitliches Konzept, in dem
 alle Faktoren mitspielen: ökologische,
 ökonomische und eben auch soziale.
 ­Gendergerechtigkeit ist ein wichtiges so-
  ziales Kriterium, wie auch gleiche Bil-
  dungschancen, ein Recht auf Arbeit oder
  auf Gesundheit – all dies wird bei Nach-
  haltigkeitsratings ebenfalls untersucht.
  Nachhaltigkeit kann man nicht auf den
                                                                                                    Urs Müller (50) studierte Geografie an der Universität
  ökologischen Aspekt reduzieren. Gerade                                                       ­ ürich und promovierte über «Die Kraft der Bilder in der
                                                                                               Z
  in den Schulen muss das Verständnis                                                        nachhaltigen Entwicklung». Er arbeitete unter anderem am
                                                                                               Geografischen Institut der Universität Zürich, als Partner
  dafür geschaffen werden, dass Umwelt
  ­                                                                                                in einem Büro für Nachhaltigkeit und als Leiter Kurse
  ­lebenswichtig ist, man aber auch die Ba-                                                  und Öffentlichkeitsarbeit sowie als Mitglied der Geschäfts-
                                                                                             leitung bei der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz
   lance halten muss mit der Wirtschaft –                                                         (Pusch). Seit 2013 ist er an der Zürcher Hochschule für
   ­unserem Selbsterhalt – und der sozialen                                                            Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Lehre und
                                                                                                     ­Forschung tätig. Er ist Professor für Nachhaltigkeits­
    Gerechtigkeit. Um die unterschiedlichen                                                       transformation und leitet die Forschungsgruppe Nach­
    Interessen gerecht aushandeln zu kön-                                                                  haltigkeitskommunikation und Umweltbildung.
    nen, sind verschiedene sogenannte Soft
    Skills gefordert: Kommunikation, verhan-
    deln, unterschiedliche Interessen verste-
                                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

    hen, verschiedene Perspektiven einneh-
    men können und so weiter. Das muss man
    in den Schulen stufengerecht themati­        durchführt, kann man den Transfer in den    Tafel angebracht, die darauf hinwirken
    sieren und üben. Abfall trennen allein ist   Schulalltag mitdenken. So kann beispiels-   sollen, dass man lieber das Vegi- statt das
    noch nicht nachhaltig. Es ist zwar umwelt-   weise in einer Projektwoche thematisiert    Fleisch-Menü wählt. Strukturelle Verän-
    freundlich und deshalb sicher positiv,       werden, wie sich eine nachhaltigere, kli-   derungen machen das Handeln anschlies­
    aber es ist nicht nachhaltig im umfassen-    maverträglichere Verpflegung in der Men-    send für alle einfacher.
    den Sinn.                                    sa realisieren lässt. An einem Zürcher           Bedeutet dies, je mehr solche
           Gewisse Kompetenzen zu                Gymnasium wurde dies von den Schüle-        ­Projekte man realisiert, desto nach­
    ­vermitteln, ist das eine, der Transfer      rinnen und Schülern in einer Studien­        haltiger wird eine Schule?
     nachhaltigen Handelns in den                woche behandelt, was dazu führte, dass       Ein Stück weit funktioniert das vermut-
     ­Schulalltag das andere. Wie kann           Menü-Anpassungen gefordert wurden.           lich, ich finde es jedoch wichtig, dass
      ­dieser Transfer gelingen?                 Zusätzlich wurde eine Kommunikations-        nachhaltige Entwicklung in den Schulen
       Wenn man in der Schule Kurse oder Pro-    kampagne entwickelt und in der Mensa         nicht nur in einzelnen Unterrichtslektio-
                                                                                                                                                        19

       jektwochen zum Thema Nachhaltigkeit       wurden witzige Kleber auf der Menü-­         nen oder Projektwochen Thema ist, son-
dern eingebettet wird in einem Leitbild. In    Das muss man gut kommunizieren, indem          Politische Bildung und BNE hängen
                                        einem solchen kann man nicht nur fest-         man erklärt, warum das in der Schule           demnach zusammen?
                                        halten, dass man eine nachhaltigere            Thema ist, warum man wie vorgeht und           Das Verständnis von unserem politischen
                                        Schule sein will, sondern auch klare Ziele     mit welchem Ziel. So kann man skepti-          System und das Bewusstsein, wie wichtig
                                        vorgeben und die Wege aufzeigen, wie           sche Eltern gewinnen. Gleichzeitig bin ich     es ist, sich politisch einzubringen und mit-
                                        man diese Ziele zu erreichen gedenkt.          der Meinung, dass man auch vorsichtig          zubestimmen, gehört auf jeden Fall da-
                                        Idealerweise bildet man zudem eine             sein muss mit individuellen Verhaltens-        zu – ob man es jetzt zu BNE zählt oder
                                        Nachhaltigkeitsgruppe, in der die wech-        änderungen und der individuellen Vor-          nicht. Und ebenso Argumentationskom-
                                        selnde Schülerschaft Einsitz nimmt. So         bildfunktion.                                  petenzen: Wie bringe ich meine Ansichten
                                        kann sichergestellt werden, dass man               Wie meinen Sie das?                        ein, wie gehe ich mit Gegenargumenten
                                        nicht irgendwelche Eintagsfliegen produ-       Wenn man sich in der Schule mit nach-          um, wie findet man Kompromisse? Es
                                        ziert, deren Wirkung rasch verpufft.           haltiger Entwicklung auseinandersetzt,         ­haben ja alle legitime Gründe, warum sie
                                             Womit beginnt man denn                    gehört es natürlich dazu, den eigenen           auf die eine oder die andere Art handeln.
                                        am besten?                                     Handlungsspielraum zu thematisieren:            Das muss man ernst nehmen und zu
                                        Mit einem ökologischen Projekt zu begin-       Was kannst du tun, warum machst du es           verstehen versuchen, um anschliessend
                                                                                                                                       ­
                                        nen, ist ein guter Einstieg – etwas mög-       nicht, wie kannst du Hindernisse über-          darüber diskutieren zu können. Das lässt
                                        lichst Konkretes und nicht allzu Schwieri-     winden? Gleichzeitig ist nachhaltige            sich grundsätzlich in jedem Schulfach
                                        ges. Da eignen sich Themen wie Recycling,      Entwicklung aber ein Thema, das auch
                                                                                       ­                                               üben, völlig unabhängig von BNE.
                                        Energieverbrauch eines Schulhauses, Mo-        strukturell umgesetzt werden muss. Es ist                Sollten Schulen ihre Aktionen
                                        bilität – wie komme ich zur Schule? – oder     vermessen, von allen Leuten zu erwarten,        und Strategien im Bereich nachhaltige
                                        das Menü in der Mensa. Ein entscheiden-        dass sie auf Flugreisen verzichten, wenn        Entwicklung mehr untereinander
                                                                                                                                       ­koordinieren oder hängt der Erfolg
                                                                                                                                        ­gerade davon ab, dass jede ihren
                                                                                                                                         ­eigenen Weg finden und gehen kann?
                                                                                                                                          Ich erlebe immer wieder Lehrpersonen,
                                                                                                                                          die enorm motiviert sind und unbedingt

                                               «Ein entscheidender Punkt ist,                                                             etwas tun wollen. Solche Lehrpersonen
                                                                                                                                          möchten oft möglichst viel selbst auf die
                                              dass man rasch einen Erfolg sieht                                                           Beine stellen, quasi neu erfinden, obwohl

                                                und merkt: Man ist wirksam.»                                                              es vermutlich schon vieles gibt, was man
                                                                                                                                          für die eigene Schule oder den eigenen
                                                                                                                                          Unterricht übernehmen oder adaptieren
                                                                                                                                          könnte. Andere Lehrpersonen, die viel-
                                                                                                                                          leicht weniger motiviert sind, sind hinge-
                                                                                                                                          gen froh, etwas Bestehendes übernehmen
                                                                                                                                          zu können. Mein Eindruck ist aber schon,
                                        der Punkt ist, dass man rasch einen Erfolg     Fliegen x-mal günstiger ist, als mit dem           dass die meisten Lehrpersonen, die im
                                        sieht und merkt: Man ist wirksam. Dies         Zug innerhalb der Schweiz in die Ferien            Nachhaltigkeitsbereich aktiv sind, wirk-
                                        motiviert, um weiterzumachen. Solche           zu fahren. Auch solche Aspekte muss man            lich selbst etwas entwickeln und nicht
                                        einfachen, konkreten Dinge wirken dann         ansprechen, statt den moralischen Zeig-            einfach standardisierte Modelle, Vorlagen
                                        wie Dominosteine, die einen längerfristi-      finger zu erheben und irgendwelche Ein-            oder Lektionen umsetzen möchten. So
                                        gen Prozess anstossen und unterstützen.        zelpersonen abzustrafen, die nicht so nach-        entstehen nicht selten gute neue Ideen,
                                        Gleichzeitig können passende ökonomi-          haltig leben – weil halt unser derzeitiges         was grundsätzlich positiv ist.
                                        sche und gesellschaftliche Aspekte auf         System nachhaltiges Handeln nicht erfor-                 Wie kann denn eine Schulleitung
                                        Basis des konkreten Projekts thematisiert      derlich macht.                                     möglichst das ganze Team ins Boot
                                        und einbezogen werden.                             Wie können denn gerade junge                   ­holen, auch jene Personen, die weniger
                                            Zu Hause erleben die Kinder allen­         Menschen damit umgehen, dass das,                   motiviert sind?
                                        falls eine andere Haltung in Bezug             was sie tun, zwar positiv ist, letztlich            Die erste Voraussetzung ist natürlich, dass
                                        auf das Thema, vielleicht Gleichgültig­        aber kaum etwas bewirkt?                            die Schulleitung selbst eine nachhaltige
                                        keit oder auch Ablehnung. Sollte man           Wie sehr dies Schülerinnen und Schüler              Entwicklung anstrebt. In dem Fall sollte
                                        als Schule versuchen, die Eltern einzu­        beschäftigt, ist sicher stufenabhängig. Auf         zunächst ein Austausch mit den Lehr­
                                        beziehen, damit Kinder nicht in eine           den höheren Schulstufen, wo auch die                personen sowie mit allen anderen Mit­
                                        Zwickmühle geraten?                            Klimastreiks ein Thema sind, besteht das            arbeitenden der Schule – von der Verwal-
                                        Natürlich hört der Handlungsspielraum          Risiko, dass dieser Zwiespalt oder dieser           tung bis zum Hausdienst – stattfinden.
Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus

                                        der Schulen ausserhalb ihres eigenen Be-       Frust zu einem Problem werden kann,                 Auch der Einbezug der Schülerinnen und
                                        reichs auf, dann entscheiden die Eltern,       weil Jugendliche psychisch ausbrennen.              Schüler ist ein wesentliches Element. Es
                                        wie man sich kleidet, sich fortbewegt, sich    Für Betroffene gibt es psychologische Hilfs-        braucht ja erst einmal eine Vision, ein
                                        ernährt, wie viel Taschengeld das Kind         angebote. Um Frust vorzubeugen, sollte              ­Idealbild, wohin man steuern will. Diese
                                        bekommt und so weiter. Die Eltern einzu-       man als Lehrperson oder Schule immer                 Vision sollte eine gewisse Zugkraft haben,
                                        beziehen, ist sicher möglich, aber auch        den Erfolg betonen, denn alles, was man              damit eine Motivation entsteht, sich da­
                                        nicht unproblematisch. Wenn der Ein-           macht, bringt etwas. Direkte Effekte las-            rauf einzulassen. Und wenn es Personen
                                        druck entsteht, man versuche über die          sen sich aufzeigen, etwa mithilfe von Öko-           gibt, die nicht mitmachen wollen, muss
                                        Kinder Einfluss auf die Eltern zu nehmen,      bilanzierungen oder CO2-Einsparungen.                man sich mit deren Gründen auseinan-
                                        kann dies politische Reaktionen auslösen,      Eine Fotovoltaikanlage auf dem Schul­                dersetzen, verstehen, welches die Hand-
                                        da besteht ein beträchtliches Spannungs-       hausdach überdauert Generationen von                 lungshindernisse sind, und versuchen,
                                        feld. Ein Weg ist sicher, den Eltern klarzu-   Schülerinnen und Schülern. Und es geht               Lösungen zu finden. Denn sich als nach-
                                        machen, dass nachhaltige Entwicklung in        auch darum, den Jugendlichen bewusst zu              haltige Schule auszuzeichnen, ist mittler-
                                        der Schweiz gesetzlich verankert ist und       machen, dass es bei Wahlen und Abstim-               weile auch eine Imagefrage – und je län-
20

                                        ein Bildungsauftrag der Schulen besteht.       mungen auf jede Stimme ankommt.                      ger, je mehr. 
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