Schulblatt1/2023 Mehr Nachhaltigkeit - Wie Schulen sich engagieren - Kanton Zürich
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Kanton Zürich Schulblatt Bildungsdirektion 1/2023 Mehr Nachhaltigkeit Wie Schulen sich engagieren Tandem Führungsleute aus Schule und Wirtschaft im Austausch Gymnasium 2022 Eine Kantonsschule denkt die Unterstufe neu Seltene Berufe Wie ein Netzwerk die Ausbildung unterstützt
6 22 Magazin Fokus: Volksschule Mehr 4 Nachhaltigkeit 22 Kommentar Leaders in Exchange Bildungsdirektorin Silvia 12 Schulleiterin und Steiner über die Nach Nachhaltigkeit Bankmanager im Tandem haltigkeit von Bildung als Konzept Die Kantonsschule 24 5 Küsnacht und die Stafette Im Lehrerzimmer Genossenschaft Solécole In der Tagesschule Oberglatt Berufsfachschule Uster 14 27 6 Energieschule In Kürze Persönlich Die Schule Uitikon hat ihr Habibollah Hashemi, eigenes Bildungsprogramm Swiss-Skills-Gewinner mit entwickelt besonderer Geschichte 9 18 Im Gespräch Meine Schulzeit Urs Müller von der ZHAW Yvonne Gilli, Präsidentin FMH über die Rolle der Bildung Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Inhalt Wichtige Adressen Impressum Nr. 1/2023, 3.3.2023 Bildungsdirektion: www.zh.ch/bi Generalsekretariat: 043 259 23 09 Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs Bildungsplanung: 043 259 53 50 Volksschulamt: 043 259 22 51 weise: fünfmal jährlich, 138. Jahrgang, Auflage: 17 400 Ex. Redaktion: jacqueline.olivier@ M erufsbildungsamt: 043 259 78 51 Amt für Ju ittelschul- und B bi.zh.ch, 043 259 23 07; Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Abonnement: Lehr- gend und Berufsberatung: 043 259 96 01 Lehrmittelverlag Zürich: personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das «Schulblatt» in ihrem Schul- 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbeurteilung: 043 259 79 00 Bil haus gratis beziehen (Bestellwunsch an die Schulleitung). Bestellung des «Schulblatts» an dungsratsbeschlüsse: www.zh.ch/bi > Bildungsrat Regierungsrats Privatadresse s owie Abonnemente für weitere Interessierte: abonnemente@staempfli.com, beschlüsse: www.zh.ch > Organisation > Regierungsrat > Aufgaben 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.zh.ch/schulblatt G estaltung: www.bueroz.ch und Beschlüsse Druck: www.staempfli.com Inserate: mediavermarktung@staempfli.com, 031 300 63 87 Redaktions- und Inserateschluss nächste Ausgabe: 6.4.2023 Das nächste «Schulblatt» Titelbild: Andreas Schwaiger erscheint am: 5.5.2023 Weiterbildungsangebote Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul leitende: Volksschulamt: www.zh.ch/bi > Volksschulamt > Aus- und Weiterbildungen Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unter strass.edu: www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Inter kantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen des Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W eiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie 2
28 36 Mittelschule Berufsbildung 41 Amtliches 28 34 «Gymnasium 2022» Netzwerk Kleinstberufe 48 Wie die Kantonsschule Ein Verein unterstützt Schule+Kultur Zürcher Unterland die Ausbildung seltener die Reform umsetzt Berufe 50 Agenda 30 36 Digitale Unterrichts- Berufslehre heute projekte Wohntextilgestalterin EFZ Zufallsgenerierte Aufgaben für Physik 39 In Kürze 33 In Kürze Editorial Energiemangellage – dieses Szenario hat wohl vielen von uns wieder einmal Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Inhalt ins Bewusstsein gerufen, dass die Ressourcen, die wir täglich verbrauchen, nicht unerschöpflich sind. Und dass wir damit sparsamer umgehen sollten. Wir Jacqueline Olivier wissen auch um die Erderwärmung, die schmelzenden Gletscher, die schwin dende Biodiversität. Gleichzeitig reden alle von Nachhaltigkeit. Auch in den Schulen, wo Bildung für nachhaltige Entwicklung heute fest in den Lehrplä nen verankert ist. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit genau, was kann Bildung dazu beitragen und wie wird eine Schule nachhaltig? Für unseren aktuellen Fokus haben wir eine Kantonsschule besucht, die sich schon früh mit dem Thema auseinandersetzte, sowie eine Volksschule, die vor Kurzem als erste Energieschule der Schweiz ausgezeichnet wurde. Und wir haben mit einem Experten gesprochen, der erklärt, warum Nachhaltigkeit und nachhaltige Ent wicklung nicht das Gleiche ist, was alles zu Letzterer gehört und weshalb Bil dung ein zentraler Hebel ist für eine zukunftsfähige Welt. 3 Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Kommentar Welt zurechtfinden können. Wir geben Bildung ist unseren Kindergartenkindern, Schülerin- nen, Schülern und Studierenden Kompe- tenzen und Werkzeuge mit auf den Weg, nachhaltig um sich auch im Dschungel von Propa- ganda und Fake News zurechtzufinden. Bildung ist sozusagen das Grundgerüst unserer direkten Demokratie. von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das zeigt, wie nachhaltig unser Bildungs- system auf unsere Gesellschaft wirkt. Mit dem neuen Volksschulgesetz hat das Zür- Alles wird heutzutage als nachhaltig an- cher Stimmvolk vor fünfzehn Jahren be- gepriesen – von Finanzanlagen bis zur schlossen, alle Kinder individuell und mög- Waschmaschine. «Nachhaltigkeit» ist ei- lichst im Klassenverbund zu beschulen. nes der beliebtesten Schlagworte auf Auf der einen Seite wollen wir Kinder inte- Plakatwänden, in Geschäftsberichten und grieren, die es nicht leicht haben oder mit von Politikerinnen und Politikern. Alle einer körperlichen oder kognitiven Behin- verwenden es gerne, um ihr Schaffen in derung leben. Auf der anderen Seite sollen ein zeitgemässes, ökologisches Licht zu hochbegabte Kinder gefördert werden. rücken. Die Integration von Kindern mit be- Ein Bereich wird dabei oft vergessen: sonderem Förderbedarf ist etwas vom die Bildung. Wir verbinden Pädagogik Nachhaltigsten, was wir für unsere Ge- nicht in erster Linie mit Nachhaltigkeit. Dabei ist die Investition in die Ausbildung «Neue Schul sellschaft tun können, so anspruchsvoll die Aufgabe auch ist. Es entsteht dabei unserer Kinder und Jugendlichen wohl eine der nachhaltigsten Anlagen über- häuser brauchen sozialer Kitt, der enorm wichtig ist für das Zusammenleben. haupt. Moderne Schulhäuser brauchen wir genauso Genau wie beim Ausbau von erneuer- wir für unsere Zukunft genauso wie er- neuerbare Energien. wie erneuerbare baren Energiequellen geht es auch bei der Integration nicht ohne Investitionen. Mo- Dabei geht es nicht nur darum, Ar- beitskräfte für unsere Wirtschaft auszu- Energien.» mentan sind die Belastungen in den Klas- sen teilweise zu gross. Wir müssen die be- bilden. Wenn ich von Nachhaltigkeit im stehenden Lösungen deshalb da und dort Bildungsbereich spreche, dann meine ich Sie sehen, mein Verständnis von Nachhal- noch justieren. viel mehr. Es geht darum, unseren Kin- tigkeit in der Bildung geht weit über den Wir investieren damit in eine nach- dern und Jugendlichen individuelle und Vergleich mit dem Klimaschutz hinaus. haltige Zukunft. Was wie ein abgedro- flexible Bildungswege zu ermöglichen. Wir bilden nicht nur Arbeitskräfte aus, schener Slogan tönt, passt für die Bildung Ziel muss es sein, dass jede und jeder sei- sondern genauso mündige Bürgerinnen sehr gut. Und das macht auch den Lehrer- nen Platz in unserer Gesellschaft finden und Bürger. Wir legen mit der Ausbildung beruf so attraktiv: Ihre tägliche Arbeit kann. Das stärkt unsere Gesellschaft den Grundstein, damit sich künftige Ge- zahlt sich direkt und nachhaltig auf ganze nachhaltig von innen. nerationen in einer immer komplexeren Bildungslaufbahnen aus. Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin Mein Traumschulhaus Mikaela (9), 4. Klasse, Schule Rüschlikon 4
Im Lehrerzimmer Berufsfachschule Uster Wo Transparenz wörtlich zu nehmen ist Fotos: Marion Nitsch Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin Vollen Einblick in die Schulräume gewähren die raumhohen Fenster mit eingelassener Glastür zum Korridor. Grosse Fensterfronten verbinden zudem das Innen mit dem Aussen. Gewöhnungsbedürftig sei diese Transparenz zu Beginn gewesen, sagt Valentin Böhm, Abteilungsleiter Wirtschaft, «aber jetzt passt es wunderbar». Grosszügig ist der Raum, in dem die rund 150 Lehrpersonen und Mit- arbeitenden der Berufsfachschule Uster (BFSU) ihre Pausen verbringen. Treffpunkt sind die beiden hohen Tische in der Mitte. Unter einem Dach befinden sich seit Frühling 2019 Berufsfachschule und Kantonsschule im Bildungszentrum Uster, allerdings auf sepa- raten Etagen. Berührungspunkte gibt es trotzdem, so führt man gemeinsam die Naturwissenschaften und teilt gewisse Zuständig- keiten untereinander auf. 1650 Lernende in fünf Berufen werden an der BFSU unterrichtet, von der Kauffrau bis zum Elektroniker. Drei Berufsmaturitätstypen gehören ebenfalls zum Angebot: Wirtschaft, Dienstleistung und Technik. Beschäftigt ist man derzeit unter anderem mit der KV-Reform und der bevorstehenden Integration des KV Wetzikon. Erfahrung mit Fusionen hat die Schule: Es sind noch keine zehn Jahre, seit das KV Uster mit der Gewerblichen Berufsschule Uster zur heutigen BFSU fusionierte. [jo] 5
Persönlich seinem älteren Bruder war er als Zehn- Eine besondere jähriger in den Iran gereist, ohne das Wis- sen seiner Eltern. Dort arbeiteten die bei- den auf dem Bau. Doch der Bruder kehrte Erfolgsgeschichte bald in die Heimat zurück, worauf der Junge auf sich allein gestellt war. 2016 hörte er, dass die Grenze zu Europa offen sei. Er machte sich ohne Papiere auf den Vor sieben Jahren kam Habibollah Weg, bezahlte Schleppern hohe Summen, ohne zu wissen, ob er jemals ankommen Hashemi auf Fluchtwegen in die Schweiz. würde. Er legte Strecken zusammenge- An den Swiss Skills 2022 stand er als pfercht mit anderen im Kofferraum von Autos zurück und fuhr von der Türkei mit Parkettleger ganz oben auf dem Podest. dem Schlauchboot nach Griechenland. Irgendwann kam er schliesslich im Bun- Text: Andrea Söldi Foto: Stephan Rappo desasylzentrum Kreuzlingen an. Nach einer Woche wurde Habibollah Hashemi für acht Monate dem Bundes asylzentrum Embrach zugeteilt und wech- selte danach in die Asylunterkunft im Busdepot Winterthur. Dort besuchte er Deutschkurse des Vereins Solinetz, bei Ein strahlender junger Mann mit einer mi von einem Kollegen gehört und sich dem sich Menschen ehrenamtlich für Goldmedaille um den Hals. Darunter der beworben. Vor vier Jahren konnte er mit Geflüchtete engagieren. 2017 wurde sein Schriftzug: «1. Rang Habibollah Hashe- einer Integrationsvorlehre starten – ei- Asylantrag genehmigt, worauf er das mi». Das Plakat der Schweizer Berufs- nem einjährigen Programm, das der Bund 10. Schuljahr absolvieren konnte. Mittler- meisterschaften Swiss Skills hängt bei der 2018 zur beruflichen Integration aner- weile lebt er zusammen mit einem Kol Firma Brunner Parkett Sewiteppich AG kannter Geflüchteter lanciert hatte und legen in einer Wohnung. Zusätzlich zum am Eingang. Und auch auf der Website das im Kanton Zürich bereits ab 2016 als Lehrlingslohn erhält er Unterstützung vom wirbt die Winterthurer Bodenbelagsfirma Pilot gestartet war. «Wir wussten, dass der Sozialamt. Unterdessen besitze er die Auf mit ihrem Parkettleger im dritten Lehr- Betreuungsaufwand grösser sein würde enthaltsbewilligung B, erzählt Hashemi jahr: «Bei uns werden Schweizer Meister als bei anderen Lernenden», sagt Ausbild- freudig. «Irgendwann werde ich den ausgebildet.» ner Mathis. «Doch wir dachten, es spricht Schweizer Pass haben.» Der Betrieb mit 35 Mitarbeitenden ist nichts dagegen, es zu probieren. Und wir offensichtlich stolz auf seinen Lernenden. bereuen es nicht.» Der Lernende sei gut Endlich die Familie wiedersehen Der Erfolg des 22-Jährigen ist angesichts integriert im Team und mit seiner ruhi- Der Beruf des Parkettlegers sei streng, er- seines Hintergrunds denn auch eine be- gen, angenehmen Art sehr beliebt bei den zählt Hashemi. «Man arbeitet meist auf sondere Leistung: Habibollah Hashemi Kollegen. den Knien, muss schweres Material her- stammt aus ärmlichen Verhältnissen in umtragen, und die Maschinen sind teil- Afghanistan, hat als Kind keine Schule Er muss mehr lernen als andere weise laut.» Wenn er nicht gerade auf ei- besucht und kam als 15-Jähriger in die Praktische Arbeiten erledige Habibollah ner Baustelle arbeitet, beschäftigt er sich Schweiz. Dass er es in dieser kurzen Zeit Hashemi auf hohem Niveau, fährt Mathis mit dem Modell-Wettbewerb für die Be- so weit gebracht hat, freut ihn ungemein. fort. Im schulischen Bereich müsse er je- rufsfachschule. Er gestaltet einen Wolfs- «Alle meine Kollegen haben mir auf die doch stets mehr arbeiten als andere. Dass kopf mit geometrisch geschnittenen Tei- Schultern geklopft und mir gratuliert.» man sich heute gut mit ihm auf Deutsch len aus hellen und dunklen Hölzern. Das Für die Teilnahme an den Swiss Skills unterhalten kann, ist dem intensiven Sujet gefalle ihm, begründet er seine wurde der Winterthurer von der Berufs- Deutschkurs geschuldet, den der Ausbil- Wahl. «Der Wolf ist ein starkes Tier.» fachschule ausgewählt. Nur die stärksten dungsbetrieb für ihn organisiert hat. Zu- Zurzeit bereitet sich Habibollah Ha Lernenden dürfen teilnehmen. Im Sep- erst sei der Lernende wegen des zusätzli- shemi auf die Lehrabschlussprüfung im tember reiste er nach Bern und trat gegen chen Aufwands wenig begeistert gewesen, Juni vor. Wenn neben Arbeit und Lernen sechs weitere Lernende seines Berufs an. erzählt Fabian Mathis. Doch dann habe er noch etwas Zeit bleibt, spielt er gerne «Ich war ziemlich aufgeregt», erinnert er sich angestrengt und signifikante Fort- Fussball. Nach dem Abschluss hat er die sich. «Es war laut und warm, und wir schritte gemacht. «Unterdessen sind seine Stelle bei derselben Firma bereits auf si- Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin mussten unter Zeitdruck arbeiten.» Die Sprachkenntnisse so gut, dass er manch- cher. Zuerst will er jedoch noch eine sie- beiden Aufgaben waren vorgegeben: Ei- mal sogar einen Witz macht.» Geschriebe- benwöchige Auszeit einlegen. Das erste nerseits plante, zeichnete und konstruier- nes muss Hashemi aber immer noch Mal seit zwölf Jahren wird er zurück nach te Hashemi ein etwa ein Quadratmeter mehrmals lesen, bis er es versteht. Bei Afghanistan reisen und seine Familie be- grosses geometrisches Muster aus ver- Prüfungen mit Zeitdruck ist dies natürlich suchen. Seine Eltern sowie die zwei Brü- schiedenen Holzstücken von Grund auf ein Nachteil. Auch die Autoprüfung habe der und zwei Schwestern hat er seit seiner selbst. Anderseits wurde eine aufwendige er im letzten Herbst bestanden, erzählt er spontanen Abreise damals nur noch über Verlegearbeit verlangt. Beide Werke Has- stolz. Ein pensionierter Mitarbeiter der Videocalls gesehen. Er habe nur unschar- hemis zeugen von hoher Präzision. «Das Firma hat ihm nun angeboten, mit ihm fe Erinnerungen an sein Herkunftsland, Ergebnis liegt deutlich über den Anforde- das Fahren des Lieferwagens mit Gang- sagt er. Zudem wohne seine Familie mitt- rungen des Lehrabschlusses», stellt sein schaltung zu üben. lerweile in einem anderen Dorf, weit weg Ausbildner Fabian Mathis klar. Er beglei- Mithilfe seines privaten Deutschleh- von dort, wo er aufgewachsen ist. Deshalb tet seinen Lernenden im Gespräch, um rers hat Habibollah Hashemi seine Lehr- ist er gespannt auf den Besuch: «Ich freue ihn sprachlich zu unterstützen. abschlussarbeit geschrieben. Darin be- mich sehr, meine Angehörigen endlich Von der offenen Lehrstelle bei der Bo- fasst er sich mit seinem beschwerlichen wieder einmal richtig zu sehen und Zeit denbelagsfirma hatte Habibollah Hashe- Weg von Afghanistan in die Schweiz: Mit mit ihnen verbringen zu können.» 6
Trotz Goldmedaille bleibt Habibollah Hashemi mit beiden Füssen auf dem Boden. Für den Modell-Wettbewerb der Berufsfachschule gestaltet er einen Wolfs- kopf aus hellen und dunklen Hölzern. Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin 7
WEITERBILDUNG UND BERATUNG Dynamische Module Laufbahngestaltung für Lehrpersonen Medien, Informatik und Anwendung (MIA) – – Zur Vertiefung Ihrer Kompetenzen im Aufbaumodule (heil-)pädagogischen Berufsfeld – Anrechenbar auf den Master Schulische ab 13. März 2023 Heilpädagogik oder Heilpädagogische Früherziehung Praxisnahe Vertiefung und Erweiterung der methodischen und didaktischen – Aktuelles wissenschaftliches Fachwissen Unterrichtskompetenzen im Zyklus 2 und 3. und Fokus auf Praxisbezug – Zeitlich flexibel phzh.ch/mia-Z23 Weitere Infos und Modul-Anmeldung www.hfh.ch/laufbahnmodelle Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik HfH_Ins_SBZH_Laufbahnmo_87x137.indd 1 31.01.23 16:18 Erkunden, Spielen, Experimentieren Jetzt Kinder begegnen bestellen auf shop.lmvz.ch Natur und Technik im Kindergarten Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Räffelstrasse 32 8045 Zürich T +41 44 465 85 85 info@lmvz.ch www.lmvz.ch 8 Inserat_KBNT_Schulblatt_178x137mm.indd 1 16.01.23 18:05
Welche Schulreise ist Ihnen speziell Meine Schulzeit «Das Vertrauen in Erinnerung und warum? In der 1. Klasse fand der Schulausflug kurz nach dem Umzug unserer Familie wirkte lange nach» statt. Bei der Rückfahrt verliess meine Klasse den Bus nicht beim Schulhaus, so dass ich meinen Heimweg nicht kannte. Ich getraute mich nicht, jemanden zu fragen, wusste aber: Am Kirchturm würde ich mich orientieren können. Also ging ich Fünf Fragen an Yvonne Gilli, einfach der Strasse entlang, bis im Dorf Präsidentin FMH der Kirchturm sichtbar wurde. Seither steht «die Sicht auf den Kirchturm» für mich symbolisch für meine Orientierung Was haben Sie in der Schule auf meinem Lebensweg. fürs Leben gelernt? Welche Lehrperson werden Sie Es brauchte Jahre, bis ich dankbar war für nie vergessen? das, was ich in der Schule gelernt hatte. Zwei Lehrer prägten mein Leben: Der Unsere hohe Schulqualität schenkt Chan- Lehrer in der 6. Klasse traute mir zu, das cen, eigene Visionen zu verwirklichen. Die Gymnasium zu besuchen. Der Deutsch- Beziehung zwischen Lehrpersonen und lehrer im Untergymnasium sprach mir Schülern spielt eine zentrale Rolle. Nur diese Fähigkeit ab mit dem wiederholten wenn ein echtes Interesse am Schüler be- Ausspruch: «Mein lieber kleiner Schwan, steht, können Lehrpersonen dessen Ver- du wirst schon noch merken, dass du hier trauen in die eigenen Talente stärken – am falschen Platz bist.» Letzterem ver- und Unmögliches möglich machen. Für danke ich einen Umweg mit Berufslehre meine Eltern, die nie eine Berufslehre und Maturität auf dem zweiten Bildungs- machen konnten, war es nicht vorstellbar, weg. Das Vertrauen meines Primarlehrers dass ihre Tochter einmal an einer Univer- hingegen wirkte lange nach und öffnete sität studiert. mir nicht zuletzt auch die Tür zum Uni- Was hat Ihnen in der Schule versitätsstudium. gar nicht gefallen? Welches war Ihr liebstes Fach Trockene Lerninhalte ohne direkten Be- Foto: FMH und weshalb? zug zu meinem Leben, wie das rein theo- Yvonne Gilli (65) ist Hausärztin und seit Das hing davon ab, ob die Lehrperson retische Lernen einer Fremdsprache, de- 1. Februar 2021 Präsidentin der FMH, der mich begeistern konnte und mir gute Leis- motivierten mich. Erst der Aufenthalt in Dachorganisation aller Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz. Nach der Ausbildung zur tungen zutraute. Interessiert habe ich mich einer fremdsprachigen Gegend, in der ich Pflegefachfrau studierte sie auf dem zwei- früh für Geschichte, anhand von beein- auch die Faszination «fremder» Kulturen ten Bildungsweg Medizin. Sie engagiert sich politisch und war von 2007 bis 2015 National druckenden Biografien, wie etwa jener von erleben durfte, erschloss mir den Wert von rätin für die Grüne Partei. Sie ist Mutter von Rosa Luxemburg oder von Marie Curie. Fremdsprachen. drei erwachsenen Söhnen und wohnt in Wil. Bildungs-Slang Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Schulraumstrategie Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Magazin 9
Fokus Mehr Nach- haltigkeit Fotos: Andreas Schwaiger hat sich an der Kantonsschule Küsnacht und an der Schule Uitikon umgesehen. Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus 11
Nachhaltigkeit als Konzept klopfte die Genossenschaft bei der Ge- Mit Technik und meinde an und fragte nach geeigneten Dächern. Aus den Vorschlägen wählten sie das grösste: jenes auf dem Alters- und Hartnäckigkeit zur Gesundheitszentrum Tägerhalde, auf des- sen Dach es Platz für 736 Solarpanels hat- te. Sie liefern seit 2020 so viel Strom, dass grüneren Schule die Ziele von 2011 übertroffen wurden. Ein anderes Projekt, das Solécole un- terstützt hat, ist die Nutzung der Wärme eines Abwasserkanals, der seit 2016 an An der Kantonsschule Küsnacht wird der Schule vorbeiführt. Auch hier waren diplomatisches Geschick und Hartnäckig- Nachhaltigkeit grossgeschrieben. keit vonnöten, bis das Projekt bewilligt Mit Solaranlagen und anderen technischen wurde. Seit zwei Jahren sind die Wärme- pumpen nun an der Arbeit. Resultat: Die Lösungen hat sie ihre Ökobilanz massiv Schule braucht viel weniger Erdgas zum Heizen und hat ihren CO2-Ausstoss um verbessert. Etwas schwieriger ist es, 70 Prozent gesenkt. Und das ist noch nicht das i ndividuelle Verhalten der Schülerin- das Ende der Fahnenstange: «Wir wollen die Heizung auf Biogas umstellen», sagt nen und Schüler zu ändern. Rainer Mertens. «So kämen wir ganz weg von den fossilen Brennstoffen.» Text: Andreas Minder Das ideale Anschauungsobjekt Die Genossenschaft Solécole will nicht nur umweltfreundliche Energien fördern. In ihren Statuten steht, dass sie auch «die Information über umweltfreundliche Ener- gieproduktion und -nutzung insbesonde- «Technisch können wir die Welt retten, und neun Schülerinnen und Schüler ein re an der Kantonsschule Küsnacht und in wir müssen es nur machen», sagt Rainer Semester lang Gedanken darüber, wie die der Reihe ihrer Mitglieder» fördert. Wie Mertens. Er ist Physiklehrer an der Kan- Panels trotzdem auf das Schulhausdach setzt sie das um? «Wir haben ganz viele tonsschule Küsnacht (KKN) und Kassier kommen könnten. «Die technischen As- spannende Maturarbeiten, die sich mit der Genossenschaft Solécole. Diese hat pekte waren ruckzuck geklärt», erinnert verschiedenen Aspekten der Solaranlage die grossen Solaranlagen auf dem Dach sich Rainer Mertens. Kopfzerbrechen be- befassen», erzählt Rainer Mertens und eines Schulgebäudes und jenem des Küs- reiteten hingegen organisatorische, juris- nennt zwei Beispiele. Eine Schülerin habe nachter Alters- und G esundheitszentrums tische und finanzielle Fragen. Wer trägt gezeigt, dass man die Effizienz von Foto- Tägerhalde realisiert. Zusammen produ- die Anlage? Wie lässt sich das nötige Geld voltaikmodulen steigern kann, wenn man zieren die Kraftwerke fast anderthalbmal auftreiben? Wem wird der Strom ver- sie kühlt. Ein anderer habe einen Putz so viel Strom, wie die Schule braucht. kauft? Am meisten Beharrlichkeit brauch- roboter für die Panels erfunden. Dieser «Eine Lösung, die funktioniert und sich te es, um die nötigen Bewilligungen zu stehe allerdings nicht im Einsatz. rechnet», sagt Mertens. Sie habe unter an- bekommen. Der Denkmalschutz, der Kan- Auch im Unterricht und in Wahlkur- derem den Vorteil, dass sich deswegen tonsbaumeister und der Architekt des sen werde die Anlage immer wieder the- niemand einschränken müsse. «Deshalb neuen Trakts sträubten sich gegen die matisiert, sagt Mertens. Etwa um zu er stossen wir auf viel Akzeptanz.» Das zeigt Eingriffe. Es brauchte den Einsatz der klären, was der Unterschied zwischen sich etwa in der personellen Zusammen- Schulleitung und des Küsnachter Ge- Leistung (Watt) und Energiemenge (Kilo- setzung der Genossenschaft: 60 Prozent meindepräsidenten, bis die kantonalen wattstunde) sei oder was unter dem der rund 600 Mitglieder sind Schüle Stellen einwilligten. Am 21. August 2009 Begriff Wirkungsgrad zu verstehen sei. rinnen und Schüler und Ehemalige, die ging die Anlage ans Netz. Sie bestand aus «Dazu müssen wir nicht auf ein weit ent- übrigen sind Lehrpersonen, Eltern und 162 Modulen, die am Rand der Dachfläche ferntes Kraftwerk verweisen, sondern ha- weitere Interessierte. Zwei der sechs Vor platziert waren. ben eines vor Ort.» Beim Haupteingang standsmitglieder sind Schülerinnen. Eine des Klassentrakts steht eine Anzeige, die von ihnen ist Sophia Hummel. «Wir ge- Die Vision mehr als erfüllt angibt, wie hoch die aktuelle Leistung ist Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus stalten das Projekt mit», erzählt sie. «Wir Ein erster Erfolg. Aber Solécole wollte und wie viel Kilowattstunden am jeweili- tragen die Ideen der Schülerinnen und mehr. 2011 formulierte die Genossen- gen Tag produziert worden sind. Schüler in den Vorstand. Und wir stellen schaft eine Vision: Bis zum Jahr 2020 sollte Der Erfolg von Solécole ist messbar: in die Genossenschaft den neuen Klassen mehr elektrische Energie produziert wer- Watt, Kilowattstunden, eingespartem CO2, vor.» Hummel verwaltet ausserdem den den, als die Schule benötigt. Bereits 2012 zurückbezahlten Darlehen und Anzahl Instagram-Account von Solécole. folgte der nächste Schritt auf dem Weg zu Genossenschaftsmitgliedern. Das unter- Entstanden ist die Genossenschaft aus diesem Ziel: Auf dem Schultrakt wurden scheidet das Projekt von anderen Nach- einem Wahlkurs, der im Frühlingssemes- 400 zusätzliche Module montiert, wodurch haltigkeitsbemühungen an der KKN – was ter 2007 stattgefunden hatte. Damals war sich der Stromertrag mehr als verdrei- die Messbarkeit, aber zum Teil auch den der neue Klassentrakt im Bau, ein Ge fachte. Finanziert wurden die Anlagen Erfolg anbelangt. Doch beginnen wir mit bäude mit Flachdach, prädestiniert für über das Genossenschaftskapital und vor dem, was gut funktioniert. Zum Beispiel Solarpanels. Die zuständigen kantonalen allem durch private Darlehen. mit dem wöchentlichen Vegi-Tag in der Stel len hatten jedoch das Geld für eine Das brachte der Schule mediale Auf- Mensa. Er werde längst als «normal» wahr- solche Anlage aus dem Budget gestrichen. merksamkeit und Preise ein, doch die Vi- genommen, sagt Chemielehrerin Daniela 12 Im Wahlkurs machten sich zwei Lehrer sion war noch nicht verwirklicht. Also Matthaei. Auch, dass das Rindfleisch von
Nachhaltigkeit ist an der Kantons- schule Küsnacht immer wieder Thema in Projektwochen. In der letzten Woche vor den Sportferien ging es unter anderem um Insekten als Nahrung oder um Schmuck herstellung aus PET-Flaschen. einem Biohof in Hirzel bezogen werde, sei lern besteht seit knapp drei Jahren. «Wir Es sei gar nicht so einfach, Massnahmen mittlerweile so selbstverständlich, dass es wollen die KKN mit kleineren und grösse- zu finden, die etwas brächten und umsetz- fast vergessen gehe. Zu den Errungen- ren Projekten nachhaltiger gestalten», bar seien, sagt Rainer Kündig. Unter an- schaften zählt sie weiter, dass ökologische sagt Brasse. Im letzten Jahr hätten sie mit derem deshalb, weil sie oft mit Unan- Themen im Unterricht grosses Gewicht einer Plastikflaschensammelaktion sicht- nehmlichkeiten verbunden seien. «Wenn hätten. Im Chemieunterricht thematisiert bar gemacht, wie viel Plastik die Kanti die Kommission vorschlagen würde, nur sie etwa, wie Moleküle von Kunststoffen verbrauche. «Jede Woche gab es mehrere, noch auf 19 Grad zu heizen, würde wahr- strukturiert sind und wie schwierig es riesige Säcke voll Plastik.» scheinlich eher die Begeisterung als die deshalb für die Natur ist, solche Stoffe ab- Raumtemperatur sinken.» Ist es also doch zubauen. Oder wie in Brennstoffzellen Flüge kompensieren mit Taten nicht so weit her mit dem ökologischen elektrische Energie erzeugt wird. Aktuell beschäftigt sich die Kommission Bewusstsein der Schülerinnen und Schü- mit dem Fliegen. An der KKN wird heute ler? Paula Canclini, die ebenfalls im Vor- Durchzogene Abfallbilanz nur noch für Sprachaufenthalte in Spani- stand von Solécole sitzt, nimmt ihre Durchzogen ist die Bilanz hingegen beim en und England ein Flugzeug benutzt. Das «Gspändli» in Schutz: «Die Mehrheit inte- Abfall, wie Schüler Julian Brasse erzählt. ist deutlich weniger als früher, als man ressiert sich schon dafür.» Allerdings stellt Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus So habe man etwa mit dem Verkauf von auch für Wahlkurse und Maturreisen ins die Gymnasiastin fest, dass die Corona- Mehrweg-Geschirr nicht den gewünsch- Flugzeug stieg. Die Nachhaltigkeitskom- pandemie und der Ukrainekrieg die Be- ten E ffekt erzielt. «Das Geschirr wurde mission schlägt nun vor, dass die verblei- mühungen gebremst hätten. «Vorher war gekauft und dann fast nie wieder an der benden Flüge kompensiert werden. Und das Bewusstsein viel grösser. Die Fridays Schule gesehen oder verwendet», sagt er. zwar nicht zwingend mit Franken und for Future haben zu einem Hype geführt. Was bedeutet, dass beim Essen und Rappen, sondern mit Taten. Die Kommis- Es gab sogar eine Klimastreikgruppe.» Trinken weiterhin viel Plastik im Spiel ist. sion hat ausgerechnet, wie viele PET-Fla- Für Prorektor Markus Hanhart ist das «Wenn man schaut, wie es nach der Mit- schen eine Schülerin oder ein Schüler kein Grund, zu resignieren. Es gehe dar- tagspause auf dem Areal aussieht, hat sammeln müsste oder wie oft er oder sie um, ständig am Bewusstsein zu arbeiten, man nicht das Gefühl, an einer nachhalti- auf Fleisch verzichten müsste, um gleich und zwar vor allem durch Bildung. «Wir gen Schule zu sein», stellt Chemielehrer viel CO2 einzusparen, wie der Flug ver sind keine politische Instanz, sondern Rainer Kündig fest. Er ist wie Julian ursacht hat. «Wir werden diesen Vor- eine Bildungsinstitution.» Die Schule kön- Brasse Mitglied der Nachhaltigkeitskom- schlag im Gesamtkonvent der Lehrper ne versuchen, die Jugendlichen mit dem mission der KKN. Die kleine Gruppe aus sonen präsentieren und diskutieren», sagt Thema zu erreichen. «Welchen Effekt das 13 Lehrpersonen, Schülerinnen und Schü- Julian Brasse. hat, liegt nicht in unserer Hand.»
Energieschule ten. Sie wird unterstützt durch das Kern- Schuleigenes team, das aus je einer Lehrperson aller Schulstufen, der Schulleitung und bei Bedarf der Schulpflege besteht. P rogramm schafft Keine Eintagsfliegen Der Schulgarten ist nur einer von vielen Verbindlichkeit «Meilensteinen» auf dem Weg zur Klima- schule. Unterdessen sind auch die Pau- senplätze Rietwis und Schwerzgrueb na- turnah gestaltet worden. In der weiteren Uitikon ist die erste Schule in der Schulumgebung wird Biodiversität geför- dert. Auf dem Schulhausdach Rietwis ha- Schweiz, die auf dem Weg zur «Klima ben Sekundarschüler unter Anleitung von schule» auch den Leistungsausweis Handwerkern mitgeholfen, Solaranlagen aufzubauen. Der ältere Teil des Schulhau- als «Energieschule» erworben hat. Ihr ses wurde energetisch saniert. Es gab mo- torlose Schulwochen, Biodiversitätstage Engagement färbt auf die Gemeinde ab. oder Recyclingtouren in allen Schulen. «Wir wollen aber auf keinen Fall, dass die- Text: Walter Aeschimann se Projekte Eintags fliegen sind», betont Jermann. Deshalb haben die Lehrperso- nen ein schuleigenes, stufenübergreifen- des Bildungsprogramm erarbeitet. Die drei Kernthemen sind: Ressourcen und Abfall, Energie und M obilität, Biodiversi- tät und Ernährung. Die Themen sollen Julia, Dijana, Felix und Raphael sagen: olen. Denn es ist ein grosses und kom- h verbindlich und langfristig im Unterricht «Auch kleine Tiere wollen ein Zuhause plexes Projekt, das nur funktionieren verankert und mit Aktionen erlebbar ge- haben.» Sie zeigen auf kleine Holz-Hotels kann, wenn alle es unterstützen», sagt macht werden. Das Thema im aktuellen für die Wildbienen und Reisighaufen für Jermann. Die Arbeit lohnte sich. Anfang Schuljahr ist die klimafreundliche Ernäh- die Igel. «Es gibt immer weniger Orte, wo 2021 startete die Schule das Projekt mit rung, im nächsten Schuljahr liegt der diese Tiere leben können», erklären sie. dem sogenannten «Blackout Day»: Als die Schwerpunkt auf der Mobilität. Die vier Kinder aus der 2. Klasse erzählen ersten Schülerinnen und Schüler ihre Wir wechseln ins Schulhaus Schwerz- danach engagiert vom Besuch auf dem Schulhäuser betraten, gab es keinen grueb zur Klasse 4C von Ajla Hasanbego Bauernhof. Dort haben sie versucht, zu Strom. Brennende Fackeln und Kerzen vic. Die Primarlehrerin hat im Rahmen melken, kuhfrische Milch getrunken und wiesen den Weg ins Klassenzimmer. Ein des Fachs Natur, Mensch, Gesellschaft Apfelmost gepresst. Und sie freuen sich Alternativprogramm ohne Energie und (NMG) das Thema «Meeresverschmut- darauf, dass sie in diesem Semester den technische Hilfsmittel musste gestaltet zung» behandelt. Die Klasse stellt nun ihr Schulgarten jäten und bepflanzen dürfen. werden. Wissen in der Aula vor. Es hören andere Sie haben zwar schon mit der Mutter eine Das Bildungs- und Klimaschutzpro- Klassen und Eltern zu. Die Kinder erzäh- Rose umgetopft oder Zwiebeln ausgeris- gramm für Schulen wurde im Rahmen der len, weshalb das Meer für unseren Plane- sen, aber einen ganzen Garten pflegen – Einführung von Bildung für nachhaltige ten so wichtig ist und dass es in vielerlei «das wird sicher schön». Im März gibt es Entwicklung (BNE) mit dem Lehrplan 21 Hinsicht durch das Handeln der Men- im Schulhaus am Projekttag einen «kli- geschaffen. Die Schule Uitikon hat wäh- schen in seiner Existenz gefährdet ist. Auf mafreundlichen» Znüni. «Unsere Lehre- rend des Programms Zugriff auf diverse ihren selbst gemachten Plakaten zeigen rin für Textiles und Technisches Gestalten Bildungsinhalte zu den Themen Klima- die Kinder, wie das Plastik ins Meer ge- hat auch einen Bauernhof. Dort backen schutz und Nachhaltigkeit. Zur Schule langt, wie lange es braucht, bis es in wir die Zöpfe für den klimafreundlichen zählen die Primar- und Sekundarschul- Mikroplastik zerfällt, und wie es Tiere im Znüni, und im Schülerclub machen wir häuser Rietwis, Schwerzgrueb und Mett Meer krank machen kann. Nach dem Vor- die Müesliriegel selbst», erzählen sie. len, in denen rund 500 Schülerinnen und trag erzählen Giulia, Céline und Tom, sie Schüler von über 60 Lehrpersonen unter- hätten viel gelernt. Etwa, dass man sorg- Alle ins Boot holen richtet werden. Edith Jermann ist im Auf- fältiger mit der Natur umgehen muss und Wir stehen im Garten des Schulhauses trag der Schule Leiterin des Projekts und dass es nicht immer Plastik braucht. Auch Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus Rietwis in Uitikon. Das grosse Beet ist mit hat für diese Arbeit ein Zeitbudget erhal- sie sind in ihrem Engagement kaum zu Gründüngung überwuchert, und Edith Jermann erklärt, dass dies eine natürliche Art der Düngung sei. Die Primarlehrerin Zwei Labels – ein Ziel zeigt uns, wo das neue Beet für ihre Die Auszeichnung «Energieschule» wird vom Trägerverein Energiestadt verge- 2. Klasse hinkommt, und erinnert sich: ben. Das Label «Klimaschule» von «My blue Planet». Zwei Leistungsausweise «Hier bei den Wildbienen ist vor vier Jah- mit demselben langfristigen Ziel: Sie wollen Schulen für die Themen Energieef- ren die Idee entstanden, das Thema Natur fizienz, erneuerbare Energien, Klimawandel und nachhaltige Ressourcennut- und Klima umfassender und nachhaltiger zung sensibilisieren. «Energieschule» ist ein Einstieg in Energie- und Klimathe- anzugehen.» Nachhaltiger heisst, dem men und eine Auszeichnung, die sich innerhalb eines Schuljahrs erarbeiten vierjährigen Bildungsprogramm «Klima- lässt. «Klimaschule» ist ein Bildungs- und Klimaschutzprogramm, das Schulen schule» der Organisation «My blue Planet» vier Jahre erlebnisorientiert an die Themen Energie, Klimaschutz und Nachhal- beizutreten und damit allenfalls auch tigkeit heranführt. Die beiden Organisationen arbeiten zusammen und anerken- die Gemeinde zu inspirieren. «Die grosse nen gegenseitig die Leistungen einer Schule. [wa] 14 Herausforderung war, alle ins Boot zu
Die Kinder der Klasse 4C haben sich mit der Meeresverschmutzung auseinandergesetzt und geben ihr Wissen nun in der Aula an andere Klassen und Eltern weiter. Co-Schulleiterin Claudia Ruoss (Bild unten, rechts) und Schul pflegepräsidentin Caroline Cada verfolgen in Sachen Nachhaltigkeit von Schule und Verwaltung die gleichen Ziele. bremsen. Sie geben praktische Tipps für verständlich in den Schulalltag zu integ- Schulhäusern optimiert, auch dank einer die Reduktion der Meeresverschmutzung. rieren», sagt Ruoss. So wird zum Beispiel Zusammenarbeit mit dem Energiever Sie haben Stoff-Tragtaschen bedruckt und bei Schulfesten kein Einweggeschirr sorgungsunternehmen Elektrizitätswerke Bienenwachstücher selbst hergestellt, um mehr verwendet. Für Klassenlager erstellt des Kantons Zürich (EKZ). Computer Plastik im Alltag zu vermeiden. Am das Projektteam einen Leitfaden für und Tablets würden nicht geleast, son- Schluss berichten sie, dass sie eine Woche nachhaltige Ernährung und Tipps, um dern gekauft. So müsse man selbst über- lang jeden Plastikabfall von zu Hause in Lebensmittelverschwendung zu vermei- legen, wie die Geräte fachgerecht entsorgt die Schule mitgenommen hätten. «Bei den. Für die Schulleitung hat sich mit dem oder allenfalls nochmals verwendet wer- 140 Plastikstücken haben wir aufgehört Projekt ein weiterer positiver Aspekt er- den könnten. In der Allmend wird derzeit zu zählen», sagen sie. Bevor die Plastik- geben. «Wir sind ein attraktiver Arbeits- ein neues Schulhaus für die Sekundar- stücke endgültig entsorgt werden, hat die ort», sagt Ruoss. In den Bewerbungs schule gebaut. Neben diversen Schulzim- 4C ein grosses Wort daraus geformt und in gesprächen werde das Engagement der mern und Gruppenräumen ist auch eine der Aula ausgestellt: «PLASTIK». Schule in Klimafragen stets als Mehrwert Dreifach-Turnhalle vorgesehen. Man hervorgehoben. habe auf ein nachhaltiges Energiekonzept Im Schulalltag integrieren geachtet, sagt Čada, und Synergien mit Als Claudia Ruoss vor eineinhalb Jahren Schulverwaltung zieht mit der Gemeinde genutzt. Geplant sind eine ihre Stelle als Co-Schulleiterin an der Caroline Čada ist Schulpflegepräsidentin Wärmepumpenanlage mit Erdsonden so- Schule Uitikon antrat, war der Prozess zur und Vorsteherin des Ressorts Bildung im wie Fotovoltaikanlagen. Diese liefern Klimaschule schon im Gang. Sie dachte Gemeinderat. Sie freut sich über die Fort- nicht nur Strom und Wärme für die neue nicht an den Mehraufwand, den dieses schritte der Schule in Sachen Klima- und Schulanlage, sondern ebenso für das ge- Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus Vorhaben bedeuten könnte: «Ich habe Umweltfreundlichkeit. «Die Impulse aus plante Veranstaltungs- und Jugendhaus mich sehr gefreut, dass ich dieses Projekt der Schule haben dazu geführt, dass auch sowie das Hallenbad. übernehmen kann», erzählt sie. Und sie die Gemeinde bewusster über den Einsatz Für Primarlehrerin Edith Jermann, die regte auch gleich eine Optimierung an: von Ressourcen nachdenkt», sagt sie. Die diesen «umweltbewussten Prozess» ange- Man könnte doch auf dem Weg zur Klima- Schule wolle gesamtheitlich klimafreund- stossen hat, sind das sehr gute Ansätze. schule erst die Auszeichnung «Energie- lich sein. Auch der Hort integriere den Sie freut sich, dass «ein breites Umden- schule» erwerben. «Wir erfüllten schon Ansatz der Klimafreundlichkeit in seinen ken» stattgefunden hat. Ihr Wunsch ist alle Kriterien.» So kam es, dass die Schule Betrieb, zum Beispiel bei der Menügestal- nun, dass sich die Gemeinde weiter von Uitikon heute die erste Schule in der tung oder bei der Auswahl der Lieferan- der Schule inspirieren lässt und sich auf Schweiz ist, die sich im Prozess zur Kli- ten. Die Schulverwaltung gestalte ihre den Weg begibt, eine «Energiestadt» zu maschule auch den Leistungsausweis als Kommunikation weitgehend papierlos und werden. Caroline Čada ist zuversichtlich, Energieschule erarbeitet hat. Im vergan- achte auf die Klimafreundlichkeit, wenn dass sich der Rest der Gemeinde den Zie- genen November hat sie die Auszeich- sie einen Anlass organisiere. Bei Apéros len der Schule anschliessen wird: «Es sind nung offiziell erhalten. «Das Ziel muss würden häufiger lokale Produkte aufge- sich alle der Wichtigkeit dieser Themen 15 sein, Energie- und Klimathemen selbst- tischt. Der Stromverbrauch werde in den bewusst.»
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Im Gespräch alternativer Technologien und Stoffe oder «Abfall trennen mithilfe von Kreislaufwirtschaft. Suffizienz wiederum bedeutet, weniger zu produzie- ren und zu konsumieren. Nachhaltige allein ist noch Entwicklung ist also ein sehr komplexer Prozess: Man sollte Wirtschaft, Gesell- schaft und Ökologie ausbalancieren, sich nicht nachhaltig» nicht auf Kosten anderer weiterentwi- ckeln, und dies alles so, dass das Potenzial für die Zukunft nicht geschmälert wird. Wie lässt sich denn feststellen, Viele Schulen auf allen Stufen sind wo wir stehen? Wir können den Blick auf einzelne The- heute um mehr Nachhaltigkeit bemüht. men wie Biodiversität, CO2-Ausstoss oder Was bringt das, wie werden wir als Durchschnittstemperaturen, die messbar sind, richten, um festzustellen, ob wir bei Gesellschaft nachhaltig und welche diesen Themen auf einem nachhaltigen Weg sind oder uns auf einem Weg befin- Rolle spielt dabei die in den Schulen den, der dem Ziel widerspricht, dass wir in verankerte Bildung für nachhaltige Zukunft noch die gleichen Lebensgrund- lagen haben. Und wir sind eindeutig nicht Entwicklung (BNE)? Antworten von auf einem nachhaltigen Weg. Wir müssen Urs Müller von der Zürcher Hochschule folglich dringend handeln. Zudem sagt die Forschung heute klar, dass es nicht reicht, für Angewandte Wissenschaften. nur auf Effizienz und Konsistenz zu set- zen, sondern dass wir den gesamten Res- Interview: Jacqueline Olivier sourcen-Verbrauch reduzieren müssen. Wir müssen mit weniger auskommen. Suffizienz ist deshalb sicher die schwie- rigste Strategie. Und wie Sie zu Beginn gesagt haben: Unter Nachhaltigkeit ver- stehen alle etwas anderes, alle schmücken sich heute mit dem Begriff, alles ist heute nachhaltig, aber wenn man die Modelle und Konzepte ernst nimmt, sind wir eben überhaupt nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit ist heute in aller nerationen zu decken, jedoch nicht zulas- Und doch besteht ein Konsens, Munde, es scheint aber jeder ein wenig ten der künftigen Generationen. Diese dass wir handeln müssen. Bildung für etwas anderes darunter zu verstehen. Definition ist natürlich sehr vage. Deshalb nachhaltige Entwicklung ist seit Was bedeutet Nachhaltigkeit genau? existieren verschiedene Modelle, wie man einigen Jahren ein Auftrag der Schulen Zu unterscheiden ist erst einmal zwischen sich eine nachhaltige Entwicklung kon- und in den Lehrplänen verankert. Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwick- kreter vorstellen soll – beispielsweise auf Was kann sie leisten? lung. Viele, die heute von Nachhaltigkeit sprechen, meinen im Grunde nachhaltige Entwicklung. Diese lässt sich definieren, Nachhaltigkeit hingegen nicht. Das klingt verwirrend – können Sie das genauer erklären? «Wenn man eine langfristige Nachhaltigkeit ist das angestrebte Ziel, nämlich der Zustand einer nachhaltigen Veränderung erreichen will, Welt. Von dieser können wir heute aller- ist Bildung der zentrale Hebel.» dings noch nicht sagen, wie sie aussehen soll, da wir noch gar nicht wissen, was schliesslich nachhaltig ist. Nachhaltige Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus Entwicklung hingegen ist der Prozess, der dorthin führen soll, ein sogenannter Such-, Lern- und Gestaltungsprozess un- Basis der drei Dimensionen Wirtschaft, Wenn man eine langfristige Veränderung ter Berücksichtigung aller Bedürfnisse Gesellschaft und Ökologie, die miteinan- hin zu nachhaltigeren Denk- und Hand- heutiger und künftiger Generationen mit der in Einklang gebracht werden sollen. lungsweisen erreichen will, ist Bildung der Vorstellung, die zukunftsfähige Welt Und es gibt bekannte Strategien: Effi der zentrale Hebel und die Verankerung gemeinsam zu gestalten. Es handelt sich zienz, Konsistenz, Suffizienz. der BNE in den Lehrplänen deshalb eine also notwendigerweise um einen sehr de- Was ist unter diesen Begriffen fantastische Sache. Es geht darum, die mokratischen Prozess. zu verstehen? Schülerinnen und Schüler dazu zu er- Und wie lässt sich nachhaltige Bei der Effizienz geht es um die Frage von mächtigen, an der Gestaltung einer nach- Entwicklung definieren? In- und Output, also darum, mit den glei- haltigeren Zukunft mitzuwirken, indem Es gibt verschiedene Definitionen, die be- chen Ressourcen etwas mehr Output zu man mit ihnen reflektiert, welche Werte kannteste ist die sogenannte Brundtland- erzielen oder den gleichen Output mit uns wie viel bedeuten, und ihnen vermit- Definition von 1987. Demnach geht es weniger Ressourcen zu erreichen. Kon telt, dass man sich einbringen und etwas 18 darum, die Bedürfnisse der heutigen Ge- sistenz meint, naturnäher zu leben, dank bewirken kann. Es geht auch um vernetz-
tes Denken, damit man sich die Auswir- kungen unseres Handelns auf Wirtschaft, Gesellschaft und Natur überhaupt vor- stellen kann. Und es ist enorm wichtig, dies auf allen Schulstufen – möglichst schon in der Frühkindförderung – zu verankern. Wie und wo kann man denn in der Frühkindförderung ansetzen? Wirtschaft, Natur und Soziales lässt sich in ganz einfache Geschichten und Hand- lungen übersetzen. Etwa, dass man Papier, PET oder Glas nicht einfach wegwirft, sondern sammelt. So bekommen die Kin- der ein Gefühl für den Wert verschiedener Ressourcen und lernen, dass man sie wie- derverwenden und etwas Neues daraus herstellen kann. Das lässt sich sehr spie- lerisch vermitteln. Man kann mit den Kin- dern auch über Glück reden: Wann ist man zufrieden, womit ist man zufrieden, was bedeutet Besitz – etwa von Spielsa- chen – und so weiter. Sozialkompetenzen im Bereich des Umgangs miteinander oder der Konfliktlösungsmöglichkeiten sind ebenfalls wichtig. Man könnte oft schon viel früher ansetzen, um in den Kindern das Verständnis für eine gerech- tere Welt zu wecken. Stichwort Kinder bücher, die zu einem grossen Teil noch immer nicht gendergerecht sind. Inwiefern hat ein Thema wie Gendergerechtigkeit mit Nachhaltig keit zu tun? Bei der nachhaltigen Entwicklung geht es um ein ganzheitliches Konzept, in dem alle Faktoren mitspielen: ökologische, ökonomische und eben auch soziale. Gendergerechtigkeit ist ein wichtiges so- ziales Kriterium, wie auch gleiche Bil- dungschancen, ein Recht auf Arbeit oder auf Gesundheit – all dies wird bei Nach- haltigkeitsratings ebenfalls untersucht. Nachhaltigkeit kann man nicht auf den Urs Müller (50) studierte Geografie an der Universität ökologischen Aspekt reduzieren. Gerade ürich und promovierte über «Die Kraft der Bilder in der Z in den Schulen muss das Verständnis nachhaltigen Entwicklung». Er arbeitete unter anderem am Geografischen Institut der Universität Zürich, als Partner dafür geschaffen werden, dass Umwelt in einem Büro für Nachhaltigkeit und als Leiter Kurse lebenswichtig ist, man aber auch die Ba- und Öffentlichkeitsarbeit sowie als Mitglied der Geschäfts- leitung bei der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz lance halten muss mit der Wirtschaft – (Pusch). Seit 2013 ist er an der Zürcher Hochschule für unserem Selbsterhalt – und der sozialen Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Lehre und Forschung tätig. Er ist Professor für Nachhaltigkeits Gerechtigkeit. Um die unterschiedlichen transformation und leitet die Forschungsgruppe Nach Interessen gerecht aushandeln zu kön- haltigkeitskommunikation und Umweltbildung. nen, sind verschiedene sogenannte Soft Skills gefordert: Kommunikation, verhan- deln, unterschiedliche Interessen verste- Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus hen, verschiedene Perspektiven einneh- men können und so weiter. Das muss man in den Schulen stufengerecht themati durchführt, kann man den Transfer in den Tafel angebracht, die darauf hinwirken sieren und üben. Abfall trennen allein ist Schulalltag mitdenken. So kann beispiels- sollen, dass man lieber das Vegi- statt das noch nicht nachhaltig. Es ist zwar umwelt- weise in einer Projektwoche thematisiert Fleisch-Menü wählt. Strukturelle Verän- freundlich und deshalb sicher positiv, werden, wie sich eine nachhaltigere, kli- derungen machen das Handeln anschlies aber es ist nicht nachhaltig im umfassen- maverträglichere Verpflegung in der Men- send für alle einfacher. den Sinn. sa realisieren lässt. An einem Zürcher Bedeutet dies, je mehr solche Gewisse Kompetenzen zu Gymnasium wurde dies von den Schüle- Projekte man realisiert, desto nach vermitteln, ist das eine, der Transfer rinnen und Schülern in einer Studien haltiger wird eine Schule? nachhaltigen Handelns in den woche behandelt, was dazu führte, dass Ein Stück weit funktioniert das vermut- Schulalltag das andere. Wie kann Menü-Anpassungen gefordert wurden. lich, ich finde es jedoch wichtig, dass dieser Transfer gelingen? Zusätzlich wurde eine Kommunikations- nachhaltige Entwicklung in den Schulen Wenn man in der Schule Kurse oder Pro- kampagne entwickelt und in der Mensa nicht nur in einzelnen Unterrichtslektio- 19 jektwochen zum Thema Nachhaltigkeit wurden witzige Kleber auf der Menü- nen oder Projektwochen Thema ist, son-
dern eingebettet wird in einem Leitbild. In Das muss man gut kommunizieren, indem Politische Bildung und BNE hängen einem solchen kann man nicht nur fest- man erklärt, warum das in der Schule demnach zusammen? halten, dass man eine nachhaltigere Thema ist, warum man wie vorgeht und Das Verständnis von unserem politischen Schule sein will, sondern auch klare Ziele mit welchem Ziel. So kann man skepti- System und das Bewusstsein, wie wichtig vorgeben und die Wege aufzeigen, wie sche Eltern gewinnen. Gleichzeitig bin ich es ist, sich politisch einzubringen und mit- man diese Ziele zu erreichen gedenkt. der Meinung, dass man auch vorsichtig zubestimmen, gehört auf jeden Fall da- Idealerweise bildet man zudem eine sein muss mit individuellen Verhaltens- zu – ob man es jetzt zu BNE zählt oder Nachhaltigkeitsgruppe, in der die wech- änderungen und der individuellen Vor- nicht. Und ebenso Argumentationskom- selnde Schülerschaft Einsitz nimmt. So bildfunktion. petenzen: Wie bringe ich meine Ansichten kann sichergestellt werden, dass man Wie meinen Sie das? ein, wie gehe ich mit Gegenargumenten nicht irgendwelche Eintagsfliegen produ- Wenn man sich in der Schule mit nach- um, wie findet man Kompromisse? Es ziert, deren Wirkung rasch verpufft. haltiger Entwicklung auseinandersetzt, haben ja alle legitime Gründe, warum sie Womit beginnt man denn gehört es natürlich dazu, den eigenen auf die eine oder die andere Art handeln. am besten? Handlungsspielraum zu thematisieren: Das muss man ernst nehmen und zu Mit einem ökologischen Projekt zu begin- Was kannst du tun, warum machst du es verstehen versuchen, um anschliessend nen, ist ein guter Einstieg – etwas mög- nicht, wie kannst du Hindernisse über- darüber diskutieren zu können. Das lässt lichst Konkretes und nicht allzu Schwieri- winden? Gleichzeitig ist nachhaltige sich grundsätzlich in jedem Schulfach ges. Da eignen sich Themen wie Recycling, Entwicklung aber ein Thema, das auch üben, völlig unabhängig von BNE. Energieverbrauch eines Schulhauses, Mo- strukturell umgesetzt werden muss. Es ist Sollten Schulen ihre Aktionen bilität – wie komme ich zur Schule? – oder vermessen, von allen Leuten zu erwarten, und Strategien im Bereich nachhaltige das Menü in der Mensa. Ein entscheiden- dass sie auf Flugreisen verzichten, wenn Entwicklung mehr untereinander koordinieren oder hängt der Erfolg gerade davon ab, dass jede ihren eigenen Weg finden und gehen kann? Ich erlebe immer wieder Lehrpersonen, die enorm motiviert sind und unbedingt «Ein entscheidender Punkt ist, etwas tun wollen. Solche Lehrpersonen möchten oft möglichst viel selbst auf die dass man rasch einen Erfolg sieht Beine stellen, quasi neu erfinden, obwohl und merkt: Man ist wirksam.» es vermutlich schon vieles gibt, was man für die eigene Schule oder den eigenen Unterricht übernehmen oder adaptieren könnte. Andere Lehrpersonen, die viel- leicht weniger motiviert sind, sind hinge- gen froh, etwas Bestehendes übernehmen zu können. Mein Eindruck ist aber schon, der Punkt ist, dass man rasch einen Erfolg Fliegen x-mal günstiger ist, als mit dem dass die meisten Lehrpersonen, die im sieht und merkt: Man ist wirksam. Dies Zug innerhalb der Schweiz in die Ferien Nachhaltigkeitsbereich aktiv sind, wirk- motiviert, um weiterzumachen. Solche zu fahren. Auch solche Aspekte muss man lich selbst etwas entwickeln und nicht einfachen, konkreten Dinge wirken dann ansprechen, statt den moralischen Zeig- einfach standardisierte Modelle, Vorlagen wie Dominosteine, die einen längerfristi- finger zu erheben und irgendwelche Ein- oder Lektionen umsetzen möchten. So gen Prozess anstossen und unterstützen. zelpersonen abzustrafen, die nicht so nach- entstehen nicht selten gute neue Ideen, Gleichzeitig können passende ökonomi- haltig leben – weil halt unser derzeitiges was grundsätzlich positiv ist. sche und gesellschaftliche Aspekte auf System nachhaltiges Handeln nicht erfor- Wie kann denn eine Schulleitung Basis des konkreten Projekts thematisiert derlich macht. möglichst das ganze Team ins Boot und einbezogen werden. Wie können denn gerade junge holen, auch jene Personen, die weniger Zu Hause erleben die Kinder allen Menschen damit umgehen, dass das, motiviert sind? falls eine andere Haltung in Bezug was sie tun, zwar positiv ist, letztlich Die erste Voraussetzung ist natürlich, dass auf das Thema, vielleicht Gleichgültig aber kaum etwas bewirkt? die Schulleitung selbst eine nachhaltige keit oder auch Ablehnung. Sollte man Wie sehr dies Schülerinnen und Schüler Entwicklung anstrebt. In dem Fall sollte als Schule versuchen, die Eltern einzu beschäftigt, ist sicher stufenabhängig. Auf zunächst ein Austausch mit den Lehr beziehen, damit Kinder nicht in eine den höheren Schulstufen, wo auch die personen sowie mit allen anderen Mit Zwickmühle geraten? Klimastreiks ein Thema sind, besteht das arbeitenden der Schule – von der Verwal- Natürlich hört der Handlungsspielraum Risiko, dass dieser Zwiespalt oder dieser tung bis zum Hausdienst – stattfinden. Schulblatt Kanton Zürich 1/2023 Fokus der Schulen ausserhalb ihres eigenen Be- Frust zu einem Problem werden kann, Auch der Einbezug der Schülerinnen und reichs auf, dann entscheiden die Eltern, weil Jugendliche psychisch ausbrennen. Schüler ist ein wesentliches Element. Es wie man sich kleidet, sich fortbewegt, sich Für Betroffene gibt es psychologische Hilfs- braucht ja erst einmal eine Vision, ein ernährt, wie viel Taschengeld das Kind angebote. Um Frust vorzubeugen, sollte Idealbild, wohin man steuern will. Diese bekommt und so weiter. Die Eltern einzu- man als Lehrperson oder Schule immer Vision sollte eine gewisse Zugkraft haben, beziehen, ist sicher möglich, aber auch den Erfolg betonen, denn alles, was man damit eine Motivation entsteht, sich da nicht unproblematisch. Wenn der Ein- macht, bringt etwas. Direkte Effekte las- rauf einzulassen. Und wenn es Personen druck entsteht, man versuche über die sen sich aufzeigen, etwa mithilfe von Öko- gibt, die nicht mitmachen wollen, muss Kinder Einfluss auf die Eltern zu nehmen, bilanzierungen oder CO2-Einsparungen. man sich mit deren Gründen auseinan- kann dies politische Reaktionen auslösen, Eine Fotovoltaikanlage auf dem Schul dersetzen, verstehen, welches die Hand- da besteht ein beträchtliches Spannungs- hausdach überdauert Generationen von lungshindernisse sind, und versuchen, feld. Ein Weg ist sicher, den Eltern klarzu- Schülerinnen und Schülern. Und es geht Lösungen zu finden. Denn sich als nach- machen, dass nachhaltige Entwicklung in auch darum, den Jugendlichen bewusst zu haltige Schule auszuzeichnen, ist mittler- der Schweiz gesetzlich verankert ist und machen, dass es bei Wahlen und Abstim- weile auch eine Imagefrage – und je län- 20 ein Bildungsauftrag der Schulen besteht. mungen auf jede Stimme ankommt. ger, je mehr.
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