Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich

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Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
Kanton Zürich

Schulblatt
Bildungsdirektion

                                 5/2022

                    Alles Theater
                    Spielerischer Umgang
                              mit der Welt

                             Zeitmaschine
                          Digitales Gedächtnis
                               der Volksschule

                               «Nachtaktiv»
                                 DJ, Bar und
                                MINT-Berufe

                              Detailhandel
                           Wie die Reform die
                         Ausbildung verändert
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
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                                         Magazin                                            Fokus:                                                   Volksschule
                                                                                            Alles Theater
                                         4                                                                                                           22
                                         Kommentar                                          12                                                       Schulgeschichte
                                         Bildungsdirektorin Silvia                           «Toi toi toi!»                                          Das Gedächtnis der
                                         ­Steiner über die demogra­                          Eine 6. Klasse entwickelt ­                             ­Volksschule entdecken
                                          fische Entwicklung                                 ein eigenes Theaterstück
                                                                                                                                                     24
                                         5                                                  16                                                       Stafette
                                         Im Lehrerzimmer                                     Workshop                                                In der Primarschule
                                         Kantonsschule Im Lee,                               Richtig vorbereitet ins                                 ­Mammutwis
                                         Winterthur                                          ­Schauspielhaus gehen
                                                                                                                                                     26
                                         6                                                  18                                                       In Kürze
                                         Persönlich                                          Im Gespräch
                                         Literaturliebhaber: Dirk                            Theaterpädagogin
                                         ­Vaihinger, Leiter des LMVZ                         Mira Sack über Spielarten
                                                                                             und Weltbezug
                                         9
                                         Meine Schulzeit
                                         Michel Péclard, Gastronom
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Inhalt

                                         Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 5/2022, 9.12.2022
                                         Bildungsdirektion: www.zh.ch/bi Generalsekretariat: 043 259 23 09   Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                         Bildungsplanung: 043 259 53 50 Volksschulamt: 043 259 22 51         weise: fünfmal jährlich, 137. Jahrgang, Auflage: 17 400 Ex. Redaktion: jacqueline.olivier@
                                         M                 ­ erufsbildungsamt: 043 259 78 51 Amt für Ju­
                                         ­ ittelschul- und B                                                 bi.zh.ch, 043 259 23 07; Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Abonnement: ­Lehr­-
                                         gend und Berufsberatung: 043 259 96 01 Lehrmittel­verlag Zürich:    personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das ­«Schulblatt» in ihrem ­Schul-
                                         044 465 85 85 Fachstelle für Schulbeurteilung: 043 259 79 00 Bil­   haus ­gratis beziehen (Bestellwunsch an die Schulleitung). Bestellung des «Schulblatts» an
                                         dungsratsbeschlüsse: www.zh.ch/bi > Bildungsrat Regierungsrats­     Privat­adresse s­ owie Abonne­mente für wei­tere Interessierte: ­abonnemente@staempfli.com,
                                         beschlüsse: www.zh.ch > Organisation > Regierungsrat > Aufgaben     031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) ­Online: www.zh.ch/schulblatt G ­ estaltung: www.bueroz.ch
                                         und Beschlüsse                                                      Druck: www.staempfli.com ­Inserate: mediavermarktung@staempfli.com, 031 300 63 87
                                                                                                             Re­daktions- und Inserateschluss nächste Aus­gabe: 2.2.2023 Das ­nächste «Schulblatt»
                                         Titelbild: Dieter Seeger                                            erscheint am: 3.3.2023

                                         Weiterbildungsangebote
                                         Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                         leitende: Volksschulamt: www.zh.ch/bi > Volksschulamt > Aus- und Weiterbildungen Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unter­
                                         strass.edu: www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Inter­
                                         kantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen
                                         des ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W     ­ eiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für
                                         ­Angewandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie
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Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
28                                                                       36
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                 41
                                                                                                      Amtliches
28                                                     34
Scientainment                                          Detailhandelsreform                            44
Bei Drinks und Musik die                               Handlungskompetenz­                            Schule+Kultur
MINT-Welt kennenlernen                                 bereiche ersetzen die Fächer
                                                                                                      46
30                                                     36                                             Agenda
Digitale Unterrichts-                                  Berufslehre heute
projekte                                               Fachmann Bewegungs- und
Filme als Analyseobjekte                               Gesundheitsförderung EFZ

33                                                     39
In Kürze                                               In Kürze

    Editorial
                                                               Als Kind habe ich furchtbar gern «theäterlet». Wenn immer aus dem Schulzim-
                                                                                                                                                   Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Inhalt

                                                               mer eine Theaterwerkstatt wurde, war ich in meinem Element. Viele schöne
                                                               Erinnerungen an solche Erlebnisse sind bis heute wach. Von Theaterpädago-
     Jacqueline Olivier                                        gik war damals jedoch noch keine Rede. Das ist heute ganz anders: Das Ange-
                                                               bot für Schulen im Bereich Theater stellt Schulleitungen und Lehrpersonen
                                                               vor die Qual der Wahl – von der Aufführung, die ins Schulhaus bestellt werden
                                                               kann, über den Workshop zu Improvisation, Zauberei oder Theatersport bis
                                                               zur Kooperation mit grossen und kleinen Theaterhäusern. Warum hat Theater
                                                               diesen Stellenwert und was kann und soll Theaterpädagogik leisten? Für
                                                               ­unseren Fokus sind wir diesen und anderen Fragen nachgegangen und haben
                                                                vor und hinter die Kulissen geblickt. Vielleicht sind Sie, liebe Leserin, lieber
                                                                Leser, gerade jetzt in der Adventszeit mit einem Theaterprojekt beschäftigt?
                                                                Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall frohe und friedvolle Weihnachten und
                                                                ­einen guten Start ins neue Jahr. 
                                                                                                                                                   3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
Kommentar                                                                                                                       Wir alle wissen, dass Kinder und Jugend­

       Mit Herzblut
                                                                                                                                       liche die Leistungsträger der Zukunft
                                                                                                                                       sind. Die Investitionen, die wir heute täti­
                                                                                                                                       gen, zahlen sich in vielfacher Hinsicht

       dabei
                                                                                                                                       aus. Sie schlagen sich in der wirtschaftli­
                                                                                                                                       chen Leistung des Kantons nieder. Was
                                                                                                                                       wir jetzt säen, können wir in einigen Jah­
                                                                                                                                       ren ernten. Dies hat jüngst eine Auswer­

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                          tung von volkswirtschaftlichen Daten des
                                                                                                                                       Bundesamts für Statistik eindrücklich ge­
                                                                                                                                       zeigt. Der Bund verglich dabei Kantone
                                                                                                                                       mit einem hohen Anteil an jungen Men­
                                                                                                                                       schen und solche mit älterer Bevölkerung.
                                                                                                                                           Wir haben darum die Weichen bereits
                                          Der Kanton Zürich ist das wirtschaftliche                                                    seit Längerem gestellt. Dazu gehört, dass
                                          Zentrum der Schweiz. Viele Menschen                                                          wir zusammen mit der Pädagogischen
                                          möchten hier leben und arbeiten. Wir                                                         Hochschule Zürich (PHZH) Lehrperso­
                                          gehören zu den Kantonen mit der mit
                                          ­                                                                                            nen ohne Lehrdiplom einen vereinfach­
                                          ­Abstand jüngsten Bevölkerung des Lan­                                                       ten Zugang zum Studium ermöglichen.
                                           des. Die Anzahl der Schülerinnen und                                                        Wir schaffen damit einen zusätzlichen
                                           Schüler steigt bei uns so stark, dass wir                                                   Weg, noch mehr engagierte und fähige
                                           laufend mehr Lehrpersonen und mehr                                                          Menschen für den Lehrberuf zu gewin­
                                           Schulraum benötigen. Bereits jetzt wächst                                                   nen. Für die zusätzlichen Studienplätze
                                           unsere Volksschule jährlich um mehr                                                         benötigen wir auch mehr Raum. Deshalb
                                           als 100 Schulklassen. Auch in der Berufs­                                                   wird bereits ein Standort für einen zwei­
                                           bildung brauchen wir mehr Ausbildungs­
                                           plätze und an den Gymnasien mehr
                                                                                              «Sie alle leisten                        ten PHZH-Campus in der Stadt Zürich
                                                                                                                                       eva­luiert. Und für die Mittelschulen ha­
                                           Schulraum.
                                               Die überdurchschnittlich junge Bevöl­
                                                                                               tolle Arbeit.»                          ben wir verschiedene Bauprojekte aufge­
                                                                                                                                       gleist. Neben den bereits beschlossenen
                                           kerung ist für mich in erster Linie eine                                                    Gymnasien in Uetikon am See und Wä­
                                           positive Nachricht. Sie macht unseren                                                       denswil sind im Glattal, in Affoltern am
                                           Kanton noch dynamischer. Die vielen jun­                                                    Albis und auch im Stadtzürcher Kreis 4
                                           gen Menschen bedeuten aber auch viel                                                        weitere Kantonsschulen geplant.
                                           Arbeit für die Schulen. Sie verlangen uns       rechnen lernen, sondern mit Freude zur          Es bleibt eine politische Daueraufgabe,
                                           allen viel ab. Zum Glück kann ich als           Schule gehen. Mir ist bewusst, dass die     gute Rahmenbedingungen zu schaffen.
                                           Bildungsdirektorin des Kantons Zürich
                                           ­                                               Arbeit als Lehrperson sehr anspruchsvoll    Nur so können Sie alle – Schulleitende,
                                           auf motivierte Leute zählen. Stolz bin ich      ist. Nicht nur der Unterricht, sondern      Lehrpersonen und Behördenmitglieder –
                                           besonders auf unsere Lehrerinnen und            auch die Vorbereitungsarbeiten, die Koor­   weiterhin mit Motivation und Herzblut
                                           Lehrer, die täglich tolle Arbeit leisten. Sie   dination im Schulteam und die Eltern­       für einen qualitativ guten Unterricht sor­
                                           sorgen mit viel Herzblut dafür, dass unse­      gespräche gestalten sich aufwendig. Doch    gen. Unsere gemeinsamen Anstrengungen
                                           re Kinder nicht nur lesen, schreiben und        der grosse Einsatz lohnt sich.              werden Früchte tragen. 
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Magazin

                                                                                                                                                       Mein
                                                                                                                                                       Traumschulhaus
                                                                                                                                                       Malea (10),
                                                                                                                                                       5./6. Klasse,
                                                                                                                                                       Schule Trüllikon
4
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                       Kantonsschule Im Lee,
                                 Winterthur
                                                                        Ein altes Bijou in neuem Glanz
                                                                                                                       Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Magazin

Alles neu machte die zweieinhalbjährige Sanierung des fast 100-jährigen Schulhauses. Frisch herausgeputzt präsentiert sich auch
das Lehrerzimmer. Für Behaglichkeit sorgen die Möbel aus Massivholz in unterschiedlichen Ausführungen. Verzichten musste man
auf den alten Parkettboden, er wurde in den Schulzimmern neu verlegt. Zahlreiche Diskussionen wurden laut Prorektorin Susanna
Schaad über die Notwendigkeit der «Fächli» im digitalen Zeitalter geführt. Entbehren wollte man sie schliesslich doch nicht. Farben
aus der Geschichte des Hauses, die punktuell wieder eingesetzt wurden, verleihen dem Innern des Gebäudes eine dezente Buntheit.
Endlich alle unter einem Dach – dies ist für das gut 100-köpfige Team ein grosser Gewinn. Dank kürzerer Wege können nun auch
Lehrpersonen und Mitarbeitende regelmässig ins Lehrerzimmer kommen, die man hier zuvor nur selten antraf. Neue Veranstal-
tungsmöglichkeiten bietet der Musiksaal mit 200 Plätzen im ausgebauten Dachstock; ein Ausweichen in die Aula der jüngeren
Nachbarschule Rychenberg ist nicht mehr nötig. Eng verbunden bleiben die beiden Schulen trotzdem, geteilt werden teilweise noch
die Turnhallen oder alte Traditionen wie die Volleyballnacht vor Weihnachten sowie die Maturreisen ins Hochgebirge. [jo]
                                                                                                                                        5
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                         Auch ein Abstecher auf die Bühne gehört

       Er liebt das
                                                                                                                                          zu seinem Lebenslauf. Beim ehema­ligen
                                                                                                                                         Theater «vis-à-vis» in Basel spielte er in
                                                                                                                                         einem Molière-Stück den königlichen

       G
       ­ edruckte
                                                                                                                                         ­Notar: «Ich durfte nur drei Worte s­agen:
                                                                                                                                          ‹Ein königlicher Notar.›» Bei diesem ei­
                                                                                                                                          nen Satz blieb es, aus der grossen Kar­
                                                                                                                                          riere wurde nichts. «Mich fasziniert das

       Als Verlagsleiter hat sich Dirk Vaihinger                                                                                          Theater zwar bis heute, aber ich bin kein
                                                                                                                                          Schauspieler.» Dirk Vaihinger entschied
       in der Literaturszene einen Namen                                                                                                  sich für Germanistik und Philosophie an

       ­gemacht. Seit Mai 2022 führt er den                                                                                               der Freien Universität Berlin. Dort er­
                                                                                                                                          lebte der Student die Wendezeit und den
        ­Lehrmittelverlag Zürich in die Zukunft.                                                                                          Mauerfall. Er sah, wie die Bürgerinnen und
                                                                                                                                          Bürger der DDR mit ihren 100 D-Mark
       Text: Pascal Turin Foto: Stephan Rappo                                                                                             Begrüs­sungsgeld das Kaufhaus des Wes­
                                                                                                                                          tens stürmten und immer wieder die
                                                                                                                                          Alarmanlage aktivierten, weil sie sich
                                                                                                                                          nicht zurückhalten konnten. «Das zu be­
                                                                                                                                          obachten war mehr bitter als lustig.»
                                          Sein Blick schweift aus dem Fenster. Hin­      er 19 Jahre lang den Zürcher Kleinverlag
                                          ter dem Verlagshaus lassen zwei Männer         Nagel & Kimche. Dort verlegte und lekto­        Kein eigenes Buch geplant
                                          eine Drohne steigen. Dirk Vaihinger ist        rierte er die Werke der Schweizer Bestsel­      Nach dem Studium folgte die Doktor­
                                          seit Mai 2022 Leiter des Lehrmittelver­        lerautoren Charles Lewinsky und Milena          arbeit an der Universität Konstanz. «Aus­
                                          lags Zürich (LMVZ). Der LMVZ hat seine         Moser. Er förderte nicht nur bekannte           zug aus der Wirklichkeit: Eine Geschichte
                                          Räumlichkeiten im Industriequartier Binz,      Schriftstellerinnen und Schriftsteller, son­    der Derealisierung vom positivistischen
                                          das zum Stadtzürcher Kreis 3 gehört. Hier      dern brachte der Deutschschweizer Leser­        Idealismus bis zur virtuellen Realität»
                                          sind neben Gastrobetrieben und Tanz­           schaft durch Über­setzungen auch Autoren        hiess das Ergebnis. Es sollte das bisher
                                          schulen Start-ups aus der IT-Branche           wie den Waadtländer Roland Buti näher.          erste und letzte Buch aus Vaihingers
                                          zu finden. «Es ist natürlich ein spannen­      Dieser gewann mit «Das Flirren am Hori­         Feder sein. «Ich habe damals gemerkt,
                                                                                                                                         ­
                                          des Umfeld für einen Lehrmittelverlag»,        zont» den Schweizer Literaturpreis 2014         wie gross der Aufwand ist, selbst ein
                                          sagt Vaihinger lächelnd und fügt an: «Der      des Bundesamts für Kultur.                      Buch zu schreiben», sagt er. Es gebe auch
                                          Lärm der Drohnen stört aber, wenn im               Dirk Vaihinger ist der Sprache ver­         keine angefangenen Manuskripte in sei­
                                          Sommer das Fenster offen ist.»                 pflichtet. Als Lektor und Verlagsleiter bei     ner Schreibtischschublade, beteuert der
                                               Als Start-up gilt der 1851 gegründete     Nagel & Kimche arbeitete er intensiv mit        Germanist. Als Herausgeber veröffent­
                                          Verlag nicht mehr, vielleicht färben aber      jedem Text. «Einige Autorinnen und Auto­        lichte er hingegen einige Werke. Darunter
                                          die jungen Unternehmen in der Umge­            ren gehen mit Rückmeldungen und Vor­            eine Märchensammlung für Kinder, die
                                          bung etwas ab. «Die Digitalisierung ist für    schlägen ganz professionell um, andere          er seinen beiden heute 14- und 17-jäh­
                                          den LMVZ von entscheidender Bedeu­             wiederum kämpfen um jeden Satz.» Wel­           rigen Söhnen widmete. «Die schönsten
                                          tung», erklärt Dirk Vaihinger. Erklär­videos   che Schriftstellerin oder welcher Schrift­      Märchen der Schweiz» erhielten positive
                                          oder Onlineübungen gehörten bei neuen          steller besonders Mühe damit hatte, die         Rezensionen, waren aber nicht so erfolg­
                                          Lehrmitteln standardmäs­sig dazu. Der Ver­     liebsten Sätze zu streichen oder auf ganze      reich wie gedacht. «Das ist immer etwas
                                          lag hat zudem ein vereinfachtes Digital-       Abschnitte zu verzichten, will der Germa­       ernüchternd, weil man als Verlag grosse
                                          Login entwickelt. Dank diesem können           nist nicht verraten. Nur so viel: «Manche       Hoffnungen in Neuerscheinungen setzt.»
                                          sich Schulkinder auf der Lernplattform         halten sich exakt an alle Vorgaben, liefern          Im Gegensatz zu Belletristikverlagen
                                          des Verlags im Internet einloggen, ohne        die Texte quasi pfannenfertig ab, bei an­       sind beim LMVZ nicht die Neuerschei­
                                          sich ein Passwort merken zu müssen –           deren arbeitet man als Lektor ein Buch          nungen das Wichtigste, vielmehr bildet
                                          ihre Daten bleiben trotzdem geschützt.         fast zur Hälfte um.»                            die sogenannte Backlist das Rückgrat.
                                               Der 56-Jährige selbst ist weniger Ge­                                                     «Das ist schon eine grosse Erleichterung
                                          neration Tablet, sondern ein Mann für das      Abstecher auf die Bühne                         im Lehrmittelwesen, dass sich bewährte
                                          Gedruckte. Auf seinem Nachttisch stapeln       Während der Gymizeit ging Vaihinger für         Bücher längerfristig verkaufen und man
                                          sich Bücher. Einen E-Reader fi    ­ ndet man   ein Austauschjahr in die USA, genauer in        nicht immer den kurzfristigen Erfolg
                                          dort nicht. Aktuell liest er die Lebenserin­   den Rust Belt im ländlichen Nordosten           ­suchen muss, sondern über längere Zeit­
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Magazin

                                          nerungen «Jeder für sich und Gott gegen        des Landes. Diese Zeit in dem industriel­        räume qualitativ hochstehende Produkte
                                          alle» von Werner Herzog, die Neuerschei­       len und als eher konservativ b    ­ ekannten     entwickeln darf», sagt der Verlagsleiter.
                                          nung «Die Mauersegler» von Fernando            Teil der Vereinigten Staaten sei prägend         Das Prestige, grosse Schriftstellerinnen
                                          Aramburu oder die drei Bände der Ko­           gewesen. «Das Austauschjahr hat meinen           und Schriftsteller zu verlegen, fehle ihm
                                          penhagen-Trilogie von Tove Ditlevsen.          Horizont erweitert. Ich wusste danach,           nicht. «An meinem Job fasziniert mich,
                                          «Ich bin zu ungeduldig, um mich nur            dass ich die Welt entdecken möchte.» In          dass ich viele unterschiedliche Aufgaben
                                          ­einem Buch zu widmen», sagt Vaihinger,        der Schweiz habe er sich als junger Mann         habe.» Die Lehrmittelbranche sei mit der
                                           der von seinem Zuhause in Zollikon je­        eingeengt gefühlt. Nach dem Gymnasium            starken Konkurrenz aus der Schweiz und
                                           den Tag mit dem Velo – ohne Elektro­          zog es ihn darum nach Paris an die Sor­          dem Ausland spannend.
                                           antrieb – ins Büro fährt.                     bonne Université, um französische Lite­              In der Freizeit mag es Dirk Vaihinger
                                               Die Liebe zur Literatur zieht sich wie    ratur zu studieren. «Dort wurde gerade           ebenfalls vielseitig. Da nimmt er sich nicht
                                           ein roter Faden durch sein Leben. Den         gestreikt, also habe ich mitgestreikt, aber      nur Zeit für den Bücherstapel auf seinem
                                           ersten Job in der Branche erhielt der         nur etwa die Hälfte davon verstanden»,           Nachttisch, es ist auch Sport angesagt.
                                           Wahl-Zolliker als Lektor beim Rowohlt         erzählt er. «Ich merkte schnell, dass für ein    Und dann gibt es da noch das Alphorn,
                                           Buchverlag in Hamburg. Bevor er 2018 als      Studium auf Französisch meine Sprach­            das sich von ihm regelmässig urchige
                                           Redaktions­leiter zum LMVZ stiess, leitete    fähigkeiten ein­fach nicht ausreichten.»         Töne entlocken lässt. 
6
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Magazin

   Dirk Vaihinger ist weniger
           Generation Tablet,
   sondern ein Mann für das
­Gedruckte. Beim Lehrmittel-
    verlag Zürich hat für ihn
aber auch die D
              ­ igitalisierung
                                 7

     eine grosse Bedeutung.
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
nt
                                        Fit Tale
                                  Money s 3
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                                  Für Zyk

                                                                                                           MoneyFit Talent:
                                                                                                           Das digitale Lehrmittel
                                                                                                           zum Umgang mit Geld.

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                                                                                                           Weihnachten
                                                                                                           und andere
                                                                                                           Weihnachtsartikel

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Schulblatt Kanton Zürich 5/2022

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Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                  Meine Schulzeit

                                                          «Wer ein Ziel hat,
in Erinnerungen und warum?
Da fällt mir ein Klassenlager in den Ber­
gen ein. Wir waren in einer Berghütte

                                                            kommt voran»
­untergebracht, umgeben von Kühen, Geis­
 sen, Bächen, Wiesen, Wäldern – Natur pur.
 Jeden Morgen hat ein Älpler gesungen.
 Ich habe mich gefühlt wie der Geissen­
 peter. Es war herrlich. Mystische Nebel­
 schwaden zogen über die Berge. Dann
                                                                               Fünf Fragen an Michel Péclard,
 regnete es wie aus Kübeln und wir hock­                                                         Gastronom
 ten alle ums warme Feuer. Haben gejasst,
 «Chabis» gemacht, gelacht und die heile
 Bergwelt genossen. Und damals ging das
 ganz ohne Tiktok, Snapchat oder Insta­
 gram.                                           muss Zahlen nur lebendig machen und
     Welche Lehrperson werden Sie                vermitteln, in welchem Kontext sie ste­
 nie vergessen?                                  hen. Dann wird es spannend und man
 Ganz klar: Kurt Imhof, Direktor der             bekommt selbst als Buchhaltungsdozent
                                                 ­
 Schweizerische Hotelfachschule Luzern –         ­Applaus von der Studentenschaft.
 kurz SHL. Er unterrichtete uns in Perso­             Was haben Sie in der Schule
 nalmanagement. Meine Noten waren soso            fürs Leben gelernt?
 und meine Disziplin war lala. Dennoch            Ich war nie wirklich gut in der Schule
 rekrutierte mich Kurt Imhof während              und musste sogar zweimal wiederholen.
 einer nächtlichen, «flüssigen» Weiterbil­
 ­                                                Mein Learning: Es ist nicht wichtig, ob
 dung als Dozent für Rechnungswesen.              man in der Schule gut ist. Was zählt, ist,
 Ich hätte nie gedacht, dass mich der Di­         dass man an sich glaubt, Freude hat an
 rektor einer der besten Hotelfachschulen         dem, was man tut, und Mut aufbringt, auch
 der Welt anheuern würde. Imhof war für           mal andere Wege zu gehen. Gute Noten
 mich Mentor und Mutmacher. Ohne ihn              bedeuten nicht, dass man ein Ziel oder
 wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.             eine Vision hat. Hat man aber ein Ziel vor
     Welches war Ihr liebstes Fach                Augen, kommt man im Leben voran.
 und weshalb?                                         Was hat Ihnen in der Schule
 Buchhaltung! Zahlen zu verstehen und             gar nicht gefallen?
 diese zu interpretieren war mein Ding.           Dass musische Fächer so stark unterver­
 Manchmal konnte ich sogar mehr aus den           treten waren – und sind. Kreativität ist
 Zahlen lesen als die damaligen Dozen­            doch ebenso wichtig wie Theorie. Der
 ten. Das hat mir natürlich gefallen. Rech­       Spass und die Freude am Lernen von                 Michel Péclard (54) ist ursprünglich gelernter
                                                                                                     ­Buchhalter. Heute betreibt er mit dem Unternehmen
 nungswesen habe ich dann später an der           spannenden, neuen und inspirierenden                Pumpstation G­ astro GmbH 15 Restaurants und
 SHL mit grossem Erfolg unterrichtet. Man         Inhalten gehen sonst verloren.                      gehört zu den erfolgreichsten Gastronomen ­Zürichs.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Personalisierte Lernformen
                                                                                                                                                        9   Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Magazin
Schulblatt5/2022 Alles Theater - Spielerischer Umgang mit der Welt - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus
Fokus

  Alles
Theater  Fotos: Dieter Seeger hat Eindrücke
     von einem Theaterprojekt an der Schule
   Oberengstringen und einem Workshop am
    Literargymnasium Rämibühl gesammelt.

                                        Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus
                                        11
«Toi toi toi!»                                                                                                                     liger jeden Tag mit einem «Warm-up»:

       Theater stärkt
                                                                                                                                          Wachklopfen, Musik, Stimm- und Sprach-
                                                                                                                                          übungen. Dabei geht es darum, körperlich
                                                                                                                                          und mental warm und wach zu werden.

       überfachliche
                                                                                                                                          «Die Kinder sollen alles – sich selbst, den
                                                                                                                                          Raum und die anderen – einmal wahrge-
                                                                                                                                          nommen haben», sagt Bolliger. Idealer-

       Kompetenzen
                                                                                                                                          weise seien sie dann präsent und blende-
                                                                                                                                          ten aus, was vor der Probe war und was
                                                                                                                                          nachher kommt. Das sind die Vorausset-
                                                                                                                                          zungen, um improvisieren zu können.
       Ein eigenes Stück entwickeln und es
                                                                                                                                          Gruslige Geräusche finden
       auf die Bühne bringen: Eine 6. Klasse der                                                                                          Zurück auf die Probebühne: Die Hallo-

       Primarschule Oberengstringen hat das                                                                                               weenparty ist in vollem Gang, die Gäste
                                                                                                                                          plaudern miteinander, trinken, tanzen.
       Abenteuer gemeinsam mit ihrer Lehrerin                                                                                             Auf einmal wird es still, eigenartige Ge-
                                                                                                                                          räusche sind zu vernehmen. Es klopft,
       und einer Theaterpädagogin gewagt.                                                                                                 knurrt, quietscht, heult, man hört eine
                                                                                                                                          Flöte, dann ein gellender Schrei. Die
       Text: Andreas Minder
                                                                                                                                          Party­ gäste schrecken auf und nähern
                                                                                                                                          sich zögernd dem Vorhang im hinteren
                                                                                                                                          Teil der Bühne. Schliesslich wagen sie,
                                                                                                                                          ­einen Blick dahinter zu werfen. «Ach, ihr
                                                                                                                                           seids!», rufen alle leicht genervt. Die drei
                                        «Wir sind jetzt in der heissen Phase», sagt     Sinn, Gegensteuer zu geben.» Was nicht             Gruselmusiker kommen grinsend ans
                                        Klassenlehrerin Maja Klemm. Es ist Mon-         bedeute, dass sie bei der Entwicklung des          Licht. Es war alles bloss ein Streich.
                                        tagmorgen, heute beginnt die letzte Wo-         Stücks alles zulasse. «Auf der Mittelstufe             Daniela Bolliger bittet die Klasse, sich
                                        che des Theaterprojekts «Toi toi toi!», eines   orientieren sich die Jugendlichen gerne            in einem Kreis hinzusetzen. Erstes The-
                                        Angebots der Fachstelle Schule+Kultur           an Horror- und Actionfilmen und möch-              ma sind die Gruselgeräusche. «Sie sind
                                        des Zürcher Volksschulamts (siehe Kas-          ten am liebsten Mord und Totschlag.» Bol-          nicht richtig unheimlich», findet Lehrerin
                                        ten). Das Stück ist fast fertig. Die Schüle-    liger lenkt die Handlung in unblutigere            Klemm und schlägt vor, die Flöte wegzu-
                                        rinnen und Schüler müssen sich nur noch         Bahnen. «Der Inhalt sollte einen Bezug zu          lassen. Mischa glaubt, dass das Klopfen zu
                                        eine passende Schlussszene für ihr Werk         ihrer Lebenswelt haben.» Alles trägt sich          rhythmisch war, um schauerlich zu wir-
                                        ausdenken. Das letzte Bild, bevor der Vor-      nun an einer Halloweenparty zu, an der             ken. Emiliano ist überzeugt, dass das Heu-
                                        hang fällt, soll das Publikum beeindrucken.     sich die Gäste gegenseitig erschrecken,            len sparsamer eingesetzt werden sollte.
                                            13 Sechstklässlerinnen und -klässler        unter anderem, indem sie sich tot stellen.         «Okay, das schauen wir uns nachher noch
                                        zählt die Halbklasse 6c vom Schulhaus               Das macht den Kindern Spass, sie               in Ruhe an», sagt Bolliger und geht zum
                                        Lanzrain in Oberengstringen. Beim Be-           spielen begeistert mit, es wird gescherzt          nächsten Thema über: Wie endet das
                                        such des «Schulblatts» haben sie sich im        und gelacht. «Die Klasse funktioniert sehr         Stück? Klar ist schon, dass der Titelsong
                                        Singsaal versammelt, einige mit Grusel-         gut, sie ist sehr offen, sehr einsichtig», sagt    des Films «Ghostbusters» laufen soll. Die
                                        masken, Beatriz trägt ein blutverschmier-       Bolliger. Für dieses Alter sei das nicht           Kinder tanzen dazu und wenn immer die
                                        tes Hemd, Luca einen schwarzen Dracula-         selbstverständlich. «In der Vorpubertät            Musik stoppt, erstarren sie in der Stellung,
                                        Umhang. «Leichen im Keller» heisst das          kann es schwierig werden, weil Theater-            in der sie gerade sind. Und dann? «Wir
                                        Stück, das die jungen Schauspieler am           spielen nicht cool genug ist.» Die 6c habe         könnten alle zusammen einen Kuchen es-
                                        Donnerstag ihren Eltern und Verwandten          sich jedoch auf alles eingelassen. Wohl            sen», schlägt Ewa vor. «Oder wir könnten
                                        vorspielen wollen.                              auch deshalb, weil das Spielen für die             alle rufen: ‹Jetzt gehen wir Süssigkeiten
                                                                                        Klasse nicht ganz neu ist. «Ich baue im            sammeln!›», meint Konstatinos. Den Ge-
                                        Mental wach werden                              Unterricht immer wieder solche Elemente            sichtern der Schauspielerinnen und
                                        «Die Klasse hat sich unisono für das The-       ein», sagt Lehrerin Maja Klemm. Aller-             Schauspieler ist anzusehen, dass sie sich
                                        ma Halloween ausgesprochen», sagt The-          dings müssten sie sich dort weniger expo-          etwas Effektvolleres wünschen.
                                        aterpädagogin Daniela Bolliger. «Wenn ein       nieren als im Theaterprojekt. Damit dies
                                        so klarer Wunsch da ist, hat es keinen          die Kinder nicht überfordert, beginnt Bol-        Motivation hoch halten
                                                                                                                                          «Der Prozess ist immer sehr ähnlich», sagt
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

                                                                                                                                          Bolliger über Theater-Workshops wie «Toi
                                          Kulturvermittlung für alle Schulstufen                                                          toi toi!». Am Anfang seien die Teilneh-
                                          Die Fachstelle Schule+Kultur Kanton Zürich will Schülerinnen und Schülern                       menden begeistert, weil sie frei spielen
                                          Kunst und Kultur näherbringen. Sie ermöglicht Schulklassen die Teilnahme an                     könnten. «Wenn es dann ans Üben geht,
                                          kulturellen Veranstaltungen, bringt Kinder und Jugendliche in Kontakt mit                       kommt meist ein kleiner Durchhänger.»
                                          ­Kulturschaffenden und regt sie dazu an, selbst künstlerisch tätig zu werden.                   Allerdings sei das nicht für alle Kinder
                                           Zum Angebot gehören Workshops, Projekttage oder -wochen in den Bereichen                       gleich. «Einige improvisieren lieber, an­
                                           Theater, Tanz, Musik, Film, Literatur und bildende Kunst. «Toi toi toi! » ist eines            dere sind froh, wenn sie wissen, was sie
                                           von vielen Theaterprojekten im Angebot.                                                        machen und sagen müssen.» Für alle gelte
                                           Schule+Kultur gehört zur Abteilung Pädagogisches im Volksschulamt und                          jedoch, dass es kurz vor der Aufführung
                                           ­arbeitet für die Volks-, Mittel- und Berufsfachschulen und das Berufsvorberei-                noch einmal einen «Boost» gebe. In dieser
                                            tungsjahr. Die Fachstelle unterstützt Schulleitungen und Lehrpersonen bei der                 Phase befindet sich die Klasse 6c.
                                            Planung und Umsetzung von Kulturprojekten fachlich und finanziell. [red]                          Die Frage, ob ihnen das Theater­
                                           www.schuleundkultur.zh.ch                                                                     projekt gefalle, bejahen die Schülerinnen
12

                                                                                                                                          und Schüler ausnahmslos. Für Ewa ist es
Das Publikum soll sich gruseln:
Die Handlung des Theaterstücks
spielt an einer Halloweenparty.
                                             Klassenzusammenhalt und die Interakti-         projekt lohnt, ist für Klemm keine Frage:
                                             on untereinander verbesserten sich. «Das       «Es ist etwas unglaublich Tolles, das ich
                                             sind ganz wichtige Skills für die Zukunft.»    jeder Lehrperson in der Mittelstufenzeit
                                             Der Workshop ermögliche es den Schüle-         empfehle.»
spannend, selbst eine Geschichte erfinden    rinnen und Schülern zudem, «sich anders,
zu können. Aber nicht nur. Ihr gefällt es,   sinnlich, zu erleben». Das fehle in vielen     Endlich ein Schluss
ihre Rolle zu lernen und die Kostüme         schulischen Situationen. Theaterspielen        «Scheisse, in meinem Keller liegt ’ne Lei-
­zusammenzustellen. Konstatinos mag vor      sei ausserdem besonders für Kinder eine        che», dröhnt es durch den Singsaal. Die
 allem das Improvisieren und findet das      Chance, deren Lernwillen wegen negati-         13 Partygäste tanzen zur Musik der Berli-
 Proben anstrengend. Diana findet die        ver Schulerfahrungen gedämpft sei. «Die        ner Band SDP wild durcheinander, einer
                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

 Tanz- und Erstarrszene toll, während        leistungsfreie Theatersituation eröffnet       davon zu wild: Alis Socken rutschen auf
 Emira erzählt, wie sich das Verhalten der   ihnen einen neuen Raum.»                       dem glatten Parkett weg und er fällt der
 Klasse verändert hat: «Am ­Anfang waren          Die gut zehn Tage, die in das Projekt     Länge nach hin. Alle schauen zu ihm hin-
 wir viel mehr am Lachen, jetzt sind wir     gesteckt werden, betrachtet Klemm als          unter. «Geht’s?» Ali lacht nur und steht
 konzentrierter.» Emiliano hat es Spass      vollwertige Schulzeit. Es helfe ihr auch       wieder auf: «Easy, nichts passiert.» Kaum
 ­gemacht, zusammen mit der Klasse etwas     bei der Gesamtbeurteilung der Schülerin-       ist der Schreckmoment vorbei, sagt Thea-
  zu machen. Und Emira ist in Gedanken       nen und Schüler, die kurz vor dem Über-        ter­pädagogin Daniela Bolliger: «Wie wär’s,
  schon bei der Vorstellung: «Hoffentlich    tritt in die Oberstufe stehen. Sie setzt sie   wenn du absichtlich stolpern würdest?»
  klatschen sie im richtigen Moment.»        nicht unter Druck, um verpassten Stoff         Ali ist sofort einverstanden – eine schöne
                                             nachzuholen. Ihr ist aber bewusst, dass es     Gelegenheit, den Zuschauerinnen und Zu-
Zusammenhalt verbessern                      Erfahrung und Mut braucht, um solche           schauern einen echten Schrecken einzu-
Für Lehrerin Maja Klemm ist Theater ein      Abstriche am Programm zu machen – und          jagen. «Und, dann stehe ich auf und sage:
«grossartiges Lernfeld». «Es passiert un-    die Unterstützung der Schulleitung. Letz-      ‹So, jetzt essen wir Kuchen.›» Erleichter-
heimlich viel mit den überfachlichen         teres auch deshalb, weil das Angebot nicht     tes Lachen des Publikums, Applaus, Vor-
                                                                                                                                          13

Kompetenzen einer Klasse», sagt sie. Der     gratis ist. Dass sich ein solches Theater-     hang. Endlich: Der Schluss ist geboren. 
Workshop                                                                                                                     unterschiedliche ästhetische Mittel, um

       Einen anderen
                                                                                                                                    ein Stück auf der Bühne zu gestalten.
                                                                                                                                    Beim Schweizer Milo Rau ist die Hand-
                                                                                                                                    schrift besonders ausgeprägt. Bei ihm gibt

       Zugang
                                                                                                                                    es kaum klassische Erzählstrukturen und
                                                                                                                                    immer viele gesellschaftspolitische Bezü-
                                                                                                                                    ge zur Gegenwart, mag das Stück vor noch

       ermöglichen
                                                                                                                                    so langer Zeit geschrieben worden sein.
                                                                                                                                    Die Zuschauerinnen und Zuschauer müss-
                                                                                                                                   ten nicht alles rational verstehen, was auf
                                                                                                                                   der Bühne vor sich geht, sagt Runge. Aber
       Wie kann man Schülerinnen und Schüler                                                                                       sie sollen immer wachsam bleiben, selber
                                                                                                                                   mitdenken, mitfühlen oder eigenwillig
       auf einen Theaterbesuch vorbereiten?                                                                                        deuten. Das sei auch die Idee von Rau,

       Das Schauspielhaus Zürich bietet dafür                                                                                      insbesondere bei dieser Aufführung.
                                                                                                                                   ­Diese Grundgedanken möchte Runge der
       verschiedene theaterpädagogische Work-                                                                                       Klasse spielerisch näherbringen. Die
                                                                                                                                    Klasse nimmt die Anregung dankbar auf.
       shops und Partnerschaften für Schulen an.
       Ein Besuch am Literargymnasium Rämi-                                                                                        Dramentheorie behandeln
                                                                                                                                   Die Schülerinnen und Schüler laufen nun
       bühl, in einer Partnerklasse des Theaters,                                                                                  kreuz und quer durch den Raum, wech-

       zeigt, was diese erlebt hat.
                                                                                                                                   seln die Richtung und das Tempo – mal
                                                                                                                                   lachen sie hemmungslos, dann sind sie
                                                                                                                                   wieder bitterernst oder klatschen in die
       Text: Walter Aeschimann
                                                                                                                                   Hände. Bis sie schliesslich in Gruppen
                                                                                                                                   spontan Bilder nachstellen, wie eingefro-
                                                                                                                                   ren. Das erste Bild heisst «Revolution».
                                                                                                                                   Eine Gruppe legt sich ungeordnet überei-
                                                                                                                                   nander, eine andere zeigt, wie einer ge-
                                                                                                                                   spielten Autorität die Krone weggerissen
                                                                                                                                   wird, und eine dritte simuliert Gewalt.
                                                                                                                                   Das zweite Bild soll «Freiheit» zeigen. In
                                                                                                                                   einer Gruppe stehen alle auf einem Bein,
                                        Die Klasse hat sich vorgestellt, ihre Stim-   ganzen Klasse hin. Aber weil das eigen-      breiten die Arme aus und deuten an, wie
                                        men aktiviert, Spiele zum Wachwerden          willig arrangierte Stück für die Alters­     ein Vogel wegzufliegen. Andere verflech-
                                        absolviert und schliesslich Begriffe spon-    klasse der 15-Jährigen vielleicht etwas      ten ihre Hände und wollen damit ausdrü-
                                        tan mit «Wilhelm Tell» kombiniert: Rütli-     schwierig zu verstehen ist, hat sie sich –   cken, dass «in der freien Gemeinschaft
                                        schwur, Apfelschuss, Gessler. «Mein Vater     bereits zum zweiten Mal – beim Schau-        alle etwas zu sagen haben». Eine Gruppe
                                        hat mir aus dem ‹Tell› vorgelesen», sagt      spielhaus für einen Workshop angemel-        Knaben kniet am Boden, mimt verschie-
                                        ein Schüler. Über «Schweizer National-        det. Das Gymnasium ist Partnerschule des     dene religiöse Rituale und stellt «Glau-
                                        held» fantasieren sie schliesslich zu ak­     Schauspielhauses und die 4a eine Part-       bensfreiheit» nach.
                                        tuellen Schweizer Sportgrössen weiter –       nerklasse.                                       Die Lehrerin hat bisher mit ihrer
                                        zu Roger Federer, Yann Sommer und Lara                                                     Klasse «Die Physiker» von Dürrenmatt
                                        Gut-Behrami. Bis jemand «Freiheit» sagt.      Auf die Aufführung einstimmen                oder Lessings «Nathan der Weise» gele-
                                        «Bei Wilhelm Tell kommt mir Freiheit in       Das künstlerische Vermittlungsprogramm       sen und Dramentheorie behandelt – «Wil-
                                        den Sinn», sagt die Schülerin, um die Aus-    «Theater & Schule» des Schauspielhauses      helm Tell» war noch nicht dabei. Sie wird
                                        sage nochmals zu bekräftigen. Die Schü-       Zürich bietet verschiedene theaterpäda-      Schillers Dramentext in den nächsten
                                        lerinnen und Schüler sind nun warm­           gogische Formate für Schulen an. So gibt     Lektionen besprechen und sich Tells Frei-
                                        gelaufen und voll dabei. Jemand sagt          es Blicke hinter die Kulissen, man kann      heitsmythos annehmen. Besonders hätten
                                        «Widerstand», andere «Unterdrückung»,         Berufe am Theater kennenlernen oder          sie die Themen interessiert, die an Tell
                                        «Revolution» oder «Gerechtigkeit».            Workshops buchen, in denen die Jugend-       verhandelt würden, und die Frage, welche
                                            Eigentlich hätte die Klasse 4a an die-    lichen auf aktuelle Aufführungen ein­        reale Wirkung der Mythos heute noch in
                                        sem Donnerstagmorgen das Fach Deutsch.        gestimmt und vorbereitet werden. Auch        Bezug auf das Selbstverständnis der
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

                                        Nun sitzen die 21 Schülerinnen und Schü-      Nachbearbeitungen werden offeriert. Ma-      Schweizerinnen und Schweizer entfalte.
                                        ler im Kreis auf dem Teppichboden der         nuela Runge ist Leiterin Künstlerische       Von diesem Workshop erwartet sie vor al-
                                        Studiobühne des Literargymnasiums Rä-         Vermittlung Theater und Schule und be­       lem, dass die Klasse einen offenen und
                                        mibühl in Zürich. Das haben sie eine ihrer    streitet mit Giorgio Dridi, derzeit Hospi-   wachen Zugang zum Theaterstück be-
                                        Lehrerinnen zu verdanken. Die Gymna­          tant am Schauspielhaus, diese Einfüh-        kommen werde.
                                        siallehrerin, die Deutsch und Philosophie     rung. «Ich werde euch nicht erklären, was
                                        unterrichtet, hat kürzlich den «Wilhelm       ihr auf der Bühne seht. Ich versuche mit     Über Freiheit nachdenken
                                        Tell» in der Inszenierung von Milo Rau        euch Räume aufzumachen, in denen wir         Für Manuela Runge ist es nicht zwingend,
                                        am Schauspielhaus besucht. «Das Stück         Ideen sammeln und gemeinsam forschen         dass man das Original gelesen hat, bevor
                                        hat mir sehr gefallen. Aufgrund der aktu-     können. Dabei gibt es kein Richtig oder      man die Aufführung besucht. Fast wichti-
                                        ellen Themen, die im Stück anhand von         Falsch. Es geht darum, dass es einen Aus-    ger seien eine grundsätzliche Offenheit
                                        Laienschauspielerinnen und -schauspie-        tausch zur Inszenierung gibt», sagt Runge    und das Nachdenken darüber, was der
                                        lern verhandelt werden, dachte ich mir,       zu Beginn.                                   Freiheitsmythos um Wilhelm Tell mit dem
                                        dass ‹Wilhelm Tell› der Klasse gefallen           Jede Regisseurin und jeder Regisseur     eigenen Leben gemeinsam haben könnte.
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                                        könnte», sagt sie. Deshalb will sie mit der   im Haus hat eine eigene Handschrift und      Denn während der Theaterproben sei
Die Schülerinnen und Schüler
                             des Literargymnasiums Rämibühl
                                 erhalten dank des Workshops
                              einen spielerischen Zugang zum
                                               Thema Theater.

auch dauernd über Freiheit gesprochen        vertreten. Die nächste Gruppe stellt eine    Für die Klassenlehrerin gibt es bezogen
worden, etwa, wie Corona unsere Freiheit     Ferienszene nach. Sie will unterschied­li-   auf die Inszenierung zwei verschiedene
eingeschränkt habe oder dass Freiheit für    che soziale Gruppen und verschiedene so-     Ebenen, den Dramentext von Schiller und
alle etwas anderes bedeuten könne, er-       ziale Hierarchien thematisieren. Schliess-   die verfremdete, reale Aufführung mit den
zählt sie der Klasse. So berichten auch      lich spielt für eine Gruppe «finanzielle     Bezügen zur Gegenwart. «Das ist nicht
fünf professionelle Darstellerinnen und      Gerechtigkeit» eine grosse Rolle. Sie ver-   einfach zu verstehen in diesem ­Alter. Ich
Darsteller gemeinsam mit acht Laien auf      teilt unter sich das Geld «gerechter».       denke, hier hat der Workshop sehr gute
der Pfauenbühne aus ihrem Leben und                                                       Unterstützung geleistet», sagt sie. Ausser-
ständen Patinnen und Paten für die Figu-     Persönliche Themen aufgreifen                dem arbeite sie gern mit Theaterpädago-
ren des Dramas von Friedrich Schiller, wie   «Jeder Workshop ist auch eine Moment-        ginnen und -pädagogen zusammen, weil
es im Programmbüchlein zum Theater-          aufnahme der Klasse», sagt Runge. Je         sie Bewegung, Sprache und Unterricht
abend heisst. Es gibt auch «Tellinnen» in    nachdem, woher die Schülerinnen und          kombinieren könnten. Das setze Energien
diesem Stück. «Das finde ich gut», sagt      Schüler gerade kommen, ströme eine an-       frei und es werde lebendiger.
eine Schülerin. «Es ist doch irrational,     dere Energie. Mal seien sie müde, mal to-        Emma hat vor allem «das Spielerische
                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

dass heutzutage die Frauen immer noch        tal aufgedreht. Das heisst, sie müsse auch   grossen Spass gemacht. Es war ange-
benachteiligt sind.»                         angepasst reagieren. «Heute musste ich       nehm, dass nicht alles erklärt worden ist.
     Aus all den Wörtern, Wortfetzen und     das Lebendige in einen kreativen Aus-        Ich bin nun offen und habe eine Ahnung
Halbsätzen, die im Verlauf der Stunde ge-    tausch kanalisieren. Ich fand es am          bekommen, wie das Stück verpackt ist.»
fallen und aufgeschrieben worden sind,       Schluss sehr spannend, dass die Schüle-      Auch Leandro fand das Spielerische «cool»
müssen die Schülerinnen und Schüler          rinnen und Schüler bei sich geblieben        und auch, «dass wir eigene Gedanken zu-
nun in Gruppen ein einziges Thema            sind», erklärt Runge. Sie hätten beim        sammen in einem Stück zeigen durften
­wählen. Dieses sollen sie auf der kleinen   «Tell» sehr reale Themen aufgegriffen –      und dass ich den Tell aus einer ganz ande-
 Bühne im Raum zu einer kurzen Auffüh-       öffentlicher Verkehr, finanzielle Unab-      ren Perspektive kennenlernte». Anna hat
 rung verdichten. Sie haben zehn Minuten     hängigkeit oder Ferien – und mit dem Be-     die Bewegung mit der Gruppe gut ge­
 Zeit, um sich zu einigen und die Handlung   griff der Freiheit verknüpft. «Das ist       funden und dass sie thematisch mehr da-
 einzuüben. Die erste Gruppe spielt eine     wichtig und eine gute Basis, wenn sie das    zugelernt hat. Sie erwarte auf der Bühne
 Gesprächsrunde, die über «Gratistickets     Stück sehen werden. Das Theater geht         «vielleicht auch etwas Chaos», sei aber
 im öffentlichen Verkehr» diskutiert. Hier   uns immer auch persönlich etwas an»,         «besonders gespannt auf die Laienschau-
                                                                                                                                        15

 geht es darum, eine eigene Meinung zu       sagt die Theaterschaffende.                  spielerinnen und Laienschauspieler». 
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Im Gespräch                                                                                                                   In Deutschland hat – im Unterschied zur

       «Theater
                                                                                                                                     Schweiz – in den letzten zehn, fünfzehn
                                                                                                                                     Jahren eine enorme Entwicklung statt­
                                                                                                                                     gefunden, was den Theaterunterricht und

       ist angewandte
                                                                                                                                     das Theaterverständnis betrifft. In vielen
                                                                                                                                     Bundesländern sind die Schulen heute
                                                                                                                                     verpflichtet, von der 1. Klasse bis zum

       Philosophie»
                                                                                                                                     ­Abitur Theaterunterricht anzubieten. Teil­
                                                                                                                                      weise gilt Theater auch als Prüfungsfach
                                                                                                                                      für das Abitur. Dies hat unter anderem
                                                                                                                                      zur Folge, dass viele Ausbildungsangebote
       Theaterspielen hat in der Schule                                                                                               für Lehrpersonen ins Leben gerufen wor-
                                                                                                                                      den sind.
       Tradition. Doch was kann und soll Theater                                                                                           Und wo steht die Schweiz

       überhaupt und welche Möglichkeiten                                                                                             ­diesbezüglich?
                                                                                                                                       Die Schweiz hat eine ungebrochene Tra-
       bietet es? Theaterpädagogin Mira Sack                                                                                           dition der Theatervereine, Laientheater ist
                                                                                                                                       in vielen Gemeinden stark verankert. Die-
       über Rollenspiele, Startpunkte, Weltbezug                                                                                       se Theaterkultur macht sich auch in den

       und Zwischenräume.                                                                                                              Schulen bemerkbar. Viele Lehrpersonen
                                                                                                                                       sind sehr engagiert, haben Freude daran,
       Interview: Jacqueline Olivier                                                                                                   mit ihren Schülerinnen und Schülern
                                                                                                                                       Theaterprojekte zu realisieren. Oft ziehen
                                                                                                                                       sie zur Unterstützung auch jemanden von
                                                                                                                                       aussen bei. Dies geschieht aber vielfach
                                                                                                                                       im Freifachbereich und ist eben immer
                                                                                                                                       noch stark am Rollenspiel festgemacht.
                                                                                                                                       Nicht selten prägt diese Erfahrung das
                                                                                                                                       Theaterverständnis der Kinder bis in die
                                                                                                                                       Pubertät hinein. Für mich ist Theater fun-
                                                                                                                                       damentaler. Während meines Studiums
                                        An welches spezielle Theatererlebnis           eine Klangwelt auf, die mir erlauben, auf       hat eine Theaterdozentin mal einen Satz
                                        aus Ihrer Schulzeit erinnern Sie sich?         Distanz zu meinem Alltag zu gehen und           gesagt, der mich lange begleitet hat: «Im
                                        In der Schule hatte ich wenig Kontakt mit      anders auf das Alltägliche zu blicken. Das      Theater geht es nicht um den Menschen,
                                        dem Theater, aber meine Eltern besassen        hat mich fasziniert und in mir den Wunsch       sondern um menschliche Beziehungen.»
                                        ein Theater-Abo. Und immer, wenn mein          geweckt, mich auf diesen anderen Um-                Was heisst das konkret?
                                        Vater keine Zeit hatte, durfte ich mit mei-    gang mit der Wirklichkeit einlassen zu          Im Theater geht es um den Zwischenraum
                                        ner Mutter mitgehen. Da gab es einen           können.                                         zwischen einer anderen Person und mir.
                                        ­besonderen Moment, in dem ich gespürt             In der Schule spielt das Theater            Erst in diesem Zwischenraum findet The-
                                         habe, dass mich die Theaterwelt stark         eine grosse Rolle, über alle Stufen             ater statt. Hier befinde ich mich im Dialog,
                                         ­interessiert.                                ­hinweg. Warum ist das so?                      kann mich neu erfinden, anderes von mir
                                              Was war das für ein Moment?               Eine lange Tradition in der Schule hat si-     kennenlernen, was ich so nicht könnte,
                                          Das war in einer Inszenierung von «Romeo      cher das Rollenspiel. Dabei geht es aber       wenn ich diese andere Person nicht ge-
                                          und Julia» am Staatstheater Stuttgart, in
                                          der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt
                                          Romeo und Julia ausgezogen und nackt
                                          weitergespielt haben. Für mich als 13-
                                          oder 14-Jährige war dies zunächst irritie-
                                          rend, aber dann habe ich gemerkt, dass                 «Im Theater geht es um den
                                          auf der Bühne offenbar ein anderes Regel­
                                          system gilt und es durchaus Sinn ergibt,
                                                                                                Zwischenraum zwischen einer
                                          dass diese beiden Figuren mit gros­    ser              anderen Person und mir.»
                                          Selbstverständlichkeit in ihrer Nacktheit
                                          vor dem Publikum miteinander umgin-
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

                                          gen. Meine Mutter hingegen fühlte sich
                                          spürbar unwohl, dass ich in dieser Insze-
                                          nierung neben ihr sass, und versuchte auf
                                          der Heimfahrt, mit mir über das Gesehene     immer darum, dass ein Kind eine Rolle         genüber hätte. Dies ist für mich der Be-
                                          ins Gespräch zu kommen. Was für uns          ausfüllt, die bereits irgendwo geschrieben    ginn von Theater, und dies möchte ich in
                                          beide nicht ganz einfach war.                steht – ob man nun ein bekanntes Mär-         den Schulen als ein wesentliches Element
                                              Warum war diese Aufführung für           chen oder ein Stück aus der Theaterlitera-    des Theaterspielens vermitteln. Dabei ist
                                          Sie eine wichtige Erfahrung?                 tur aufführt. Theater ist jedoch viel mehr    mir sehr wichtig, dass die Kinder Gestal-
                                          Mir wurde damals klar, dass ich im Thea-     als das. Ich ziehe sogar eine klare Grenze    tungsfreiheit haben in der Art und Weise,
                                          ter einen anderen Zugang zur Welt be-        zwischen Rollenspiel und Theater. Rollen      wie sie Dinge erzählen wollen.
                                          komme, dass ich hier andere Perspektiven     spielen die Kinder sowieso, das ist wichtig      Warum ist Ihnen diese Gestal­
                                          einnehmen, Situationen, Beziehungen          für ihre Entwicklung, aber dafür braucht      tungsfreiheit wichtig?
                                          oder Konflikte anders infrage stellen und    es kein Theater.                              Für eine künstlerische Praxis besteht die
                                          einordnen kann. Ich habe gemerkt: Im             Was braucht es denn hinsichtlich          Notwendigkeit, dass ich etwas tun will,
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                                          Theater gehen eine Bildlichkeit, ein Raum,   Theater in der Schule?                        dass ich mich mit einer Frage beschäfti-
gen möchte oder das Interesse habe, et-
was genauer zu verstehen. Genau das
möchte ich auch bei den Kindern auf der
Bühne sehen – dass sie ein persönliches
Interesse haben an dem, was sie tun. Das
Resultat muss auch nicht immer eine Auf-
führung sein, vielleicht kommt man ge-
meinsam zum Schluss, was wir erzählen
wollen, lässt sich nur über eine Installati-
on erzählen, wir treten zurück und das
Publikum bekommt uns nur als Videobild
zu sehen. Wir leben nämlich längst im
Untergrund.
     Sie sind Erziehungswissen­
schafterin und Theaterpädagogin. Gibt
es zwischen diesen beiden Fachberei­
chen irgendwelche Schnittstellen?
Die gibt es auf jeden Fall. Für mich ist die
Schnittstelle der Bildungsgedanke. In der
Erziehungswissenschaft geht es letztlich
um die Frage: Wie gelingt Bildung? Was ist
Bildung, welche Art von Bildung brau-
chen wir heute? Heute lautet die zentrale
Frage, die wir in die Schule bringen müs-
sen, sicher: Wie schaffen wir es, unseren
Planeten in gemeinsamer Verantwortung
überlebensfähig zu gestalten? Im Theater
ist der Bildungsgedanke genauso zentral.
Indem man mit einer gewissen Distanz
auf sich selbst blickt und sich von dem,
was man bisher in seinem Alltag gelebt
und praktiziert hat, freisetzt, merkt man:
Ich kann mit der Art und Weise, wie ich
lebe, anders umgehen, ich kann mit mir
selbst in ein spielerisches Verhältnis tre-
ten und Dinge verändern.
     Mit sich selbst in ein spielerisches
Verhältnis treten – was meinen Sie
­damit?
                                                                                                      Mira Sack (54) studierte Erziehungswissenschaften in
 Indem ich mit mir selbst in ein spieleri-                                                           Hamburg und Theaterpädagogik an der Universität der
 sches Verhältnis trete, nehme ich mir den                                                          Künste Berlin. Sie promovierte über Probenstrategien in
                                                                                                         der Theaterpädagogik und war freiberuflich und im
 Raum, um für mich zu erkunden, was                                                                ­Rahmen von Projektarbeiten im Bereich von Schule und
 sonst noch möglich wäre, wie ich mich                                                                  Soziokultur tätig. In Zürich arbeitete sie als Theater­
                                                                                                 pädagogin am Theater an der Sihl und nahm Lehraufträge
 auch noch verhalten könnte. Ich öffne                                                             für Hochschulen und Weiterbildungen wahr. Seit 2001 ist
 also die Tür in eine Zukunft hinein, die ich                                                    sie Dozentin und Professorin für Theaterpädagogik an der
                                                                                                     Zürcher Hochschule der Künste. Ausserdem ist sie Mit­
 noch nicht kenne, die mich aber verän-                                                             herausgeberin der Fachzeitschrift für Theaterpädagogik.
 dern darf. Und wo ich in Bezug zu anderen
 Menschen anders agieren und anders
 denken kann. Es geht darum, sich über die
 eigene Umwelt zu definieren und zu be-
 fragen. Das ist eine wesentliche Kompo-
 nente von Bildung: sich nicht nur auf-         Stärken und ihre Interessen eingebracht          jekt die Klasse eher auseinandertreibt.
 grund des eigenen Wissens oder der             haben, kann man zusammen etwas Grös­             Das Produkt sagt noch nichts darüber aus,
 eigenen Erfolge für gebildet zu halten,        seres auf die Beine stellen. Zusammenar-         ob die Teambildung funktioniert hat, und
                                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

 sondern zu erkennen, dass Bildung auch         beit sorgfältig zu gestalten, ist aber gleich-   ein gemeinsames Theaterprojekt ist nicht
 heisst, verantwortlich für diese Welt und      zeitig eine grosse Herausforderung. Wenn         zwingend eine positive Erfahrung. Wenn
 in dieser Welt unterwegs zu sein.              sich zwei nicht einig sind, müssen sie           ich meine Studentinnen und Studenten in
     Theater in der Schule bedeutet             Wege finden, um gemeinsam weitergehen            der ersten Stunde Theaterpädagogik nach
 Teamwork – die einen entwickeln viel­          zu können. Sie müssen nicht die gleiche          ihren Theatererfahrungen aus der Schul-
 leicht das Stück, die anderen studieren        Meinung haben, aber sie müssen sich bei-         zeit frage, werden immer auch schwierige
 es ein, die Dritten kümmern sich um            de entwickeln können. Wie man mitein-            Beispiele genannt: «Ich durfte nur den
 das Bühnenbild oder die Kostüme.               ander umgeht, hat ebenfalls mit dem              Baum spielen.» Oder es kommt zum Aus-
 Wie wichtig ist dieser Aspekt?                 Weltbezug zu tun: Die andere Person kann         druck, dass die Lehrperson die Schülerin-
 Gemeinsam ist man intelligenter als al-        einem nicht einfach egal sein.                   nen und Schüler nichts entscheiden liess,
 lein – das ist in einem Theaterprojekt un-         Tragen Theaterprojekte auch dazu             sondern einfach einmal Regie führen
 bedingt zu erfahren. Ohne dass dabei je-       bei, den Zusammenhalt in der Klasse              wollte.
 der das Gleiche tun muss. Allein hätte         zu stärken?                                          Gehört die klassische Theater­
 man das Projekt nicht realisieren können,      Im Idealfall ja. Es kann aber auch schei-        aufführung in der Schule in den
                                                                                                                                                           19

 aber weil andere an anderer Stelle ihre        tern, es kann sein, dass ein solches Pro-        ­Mottenschrank?                           
Eine solche Theateraufführung hat sicher       Schüler gemerkt hatten, dass sie in der       wirken und die beiden Seiten miteinander
                                        noch ihren Platz, aber man muss sie im         Lage waren, Geschichten zu erzeugen und       in Kontakt bringen.
                                        Bewusstsein angehen, dass dies nicht           zu erzählen, konnten sie sich auch als Ge-         Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll,
                                        das einzige Angebot ist, das Kinder und        meinschaft anders wahrnehmen und ihre         dass Lehrpersonen in der Ausbildung
                                        Jugendliche im Bereich Theater an der          unterschiedlichen Blickwinkel auf die         Basiskenntnisse der Theaterpädagogik
                                        Schule erfahren sollten. Wenn ich in der       Welt anerkennen.                              mitbekommen würden?
                                        Musik nur die Volksmusik thematisieren             Eine andere Art, sich mit Theater         Es gibt an der Pädagogischen Hochschule
                                        würde, wäre das auch nicht im Sinne un-        zu beschäftigen, ist der Besuch einer         Bestandteile, die das aufgreifen, Theater-
                                        seres heutigen Bildungsverständnisses.         Aufführung. Auf den oberen Stufen ist         pädagogik ist aber kein Fach, sondern
                                        Musik hat viele Facetten, und die gilt es zu   das oft mit der Literatur verknüpft:          eine Art Methodentool, integriert in ande-
                                        vermitteln. Im Falle des Theaters ist aber     Man liest im Unterricht ein Stück und         re Fächer. Und sie erreicht nicht alle Stu-
                                        das Problem, dass es kein Curriculum           schaut es sich dann im Theater an.            dierenden. Ich fände es wichtig, dass alle
                                        gibt, kein eigenes Fach, deshalb besteht       Was bringt das?                               Lehrpersonen eine Grundlage der Thea-
                                        keine Gewähr, dass die Kinder im Laufe         Da passiert etwas ganz anderes. Die meis-     terpädagogik mitbekommen. In ihrem Be-
                                        ihrer neunjährigen Volksschulzeit ver-         ten Jugendlichen freuen sich, das Stück       ruf befinden sie sich permanent im Dialog
                                        schiedene Möglichkeiten kennenlernen           endlich auf der Bühne zu sehen, denn          und in der Künstlichkeit von Schulzim-
                                        und so selbst entscheiden können, was sie      Theatertexte zu lesen, ist oft Knochenar-     mern, sie gestalten den Raum, in dem sie
                                        davon interessiert und was nicht, womit        beit. Doch dann sieht man auf der Bühne       und die Schulklasse gemeinsam Zeit ver-
                                        sie sich allenfalls nach der Schulzeit noch    etwas völlig anderes als das Erwartete. In    bringen. Und die Art und Weise, wie eine
                                        beschäftigen möchten.                          diesem Fall kann eine Theaterpädagogin        Lehrperson diesen Raum gestaltet, ist be-
                                            Wie geht denn eine Theater­                mit der Klasse die Inszenierung erörtern.     reits eine theaterpädagogische Frage.
                                        pädagogin vor, können Sie ein Beispiel         Auch dabei geht es aber um das persönli-           Lehrpersonen sind also ein Stück
                                        nennen?                                        che Interesse der Schülerinnen und Schü-      weit selbst Theaterpädagogen?
                                        Entscheidend ist immer, einen Startpunkt       ler am Stück und nicht darum, ob sie es       Ja, als Lehrperson bin ich sozusagen im-
                                        zu finden, von dem aus man etwas entwi-        verstanden haben. Vielleicht hat eine Per-    mer in der Vermittlung und immer kör-
                                        ckeln kann. Ich habe einmal mit einer          son von 20 Seiten nur einen Satz verstan-     perlich präsent in einem Raum mit ande-
                                        Klasse gearbeitet, in der es nur schon         den, weil er etwas in ihr ausgelöst hat,      ren Personen. Diesen Raum muss ich
                                        schwierig war, die Schülerinnen und            weil sie ihn spannend findet oder sich da-    irgendwie gestalten, indem ich etwas tue,
                                        Schüler im Kreis aufzustellen, ohne dass       rin wiedererkennt. Genau das macht auch       was wir als Wirklichkeit annehmen, was
                                        nicht ein paar angefangen haben, sich ge-      die Inszenierung: Interesse an dem Stück      aber letztlich eine Behauptung ist. Wir
                                        genseitig zu provozieren. In der Pause         herausschälen, sodass man zu geschrie-        müssen hier nicht Mathe unterrichten.
                                        habe ich dann beobachtet, was die Ju-          bener Sprache in ein spielerisches Ver-       Das erfinden wir, weil wir der Meinung
                                                                                                                                     sind, dass es wichtig ist. In der Welt gibt es
                                                                                                                                     keinen Matheunterricht. Es gibt Bäume,
                                                                                                                                     Berge, Flüsse. Wir hingegen machen
                                                                                                                                     Mathe­  unterricht, weil wir davon ausge-

                                               «Ich fände es wichtig, dass alle                                                      hen, ihn zu brauchen. Es ist ein Spiel. Und
                                                                                                                                     die Lehrperson muss damit klug oder
                                             ­Lehrpersonen eine Grundlage der                                                        eben spielerisch umgehen.

                                             Theaterpädagogik mitbekommen.»                                                               Vom Unterricht zum ­Theater ist
                                                                                                                                     es folglich nur ein kleiner Schritt?
                                                                                                                                     Im Grunde ja, eine Weiterentwicklung von
                                                                                                                                     dem, was ich im Unterricht mache oder
                                                                                                                                     machen könnte. Ich könnte einen flies­
                                                                                                                                     senden Übergang vom Unterricht zum
                                        gendlichen machten, und mit ihnen dar-         hältnis kommt und merkt, dass es kein         Theaterprojekt herstellen, ohne dass wir
                                        aus eine Art Patchwork erarbeitet: «Dich       Richtig oder Falsch gibt, wie man «Woy-       merken, dass das jetzt ein Theaterprojekt
                                        habe ich gesehen, wie du an die Fenster-       zeck» oder «Romeo und Julia» inszeniert.      ist. Ausser vielleicht am Schluss, wenn wir
                                        scheibe gehaucht und mit dem Finger et-            Die meisten Theaterhäuser haben           die Eltern dazu einladen.
                                        was reingeschrieben hast. Und ihr beide        heute ein grosses Angebot im Bereich               Jetzt geraten wir ins Philo­
                                        habt den Ball genommen und ihn immer           der Pädagogik. Was ist ihr Interesse          sophieren: Ist das Leben im Grunde
                                        wieder an die Wand gespielt. Das bringen       daran?                                        nichts anderes als Theater?
                                        wir nun mal nacheinander auf die Bühne,        Die Häuser haben den Auftrag, Theater         Ihre Aussage «Jetzt geraten wir ins Philo-
                                        ohne zu wissen, was es erzählt.»               für Kinder und Jugendliche anzubieten.        sophieren» finde ich sehr treffend, denn
Schulblatt Kanton Zürich 5/2022 Fokus

                                             Was ist passiert?                         Als Theaterpädagogin am Theater hatte         ich glaube, mit Theater zu tun zu haben,
                                        Es waren alle voll bei der Sache, weil sie     ich stets die Möglichkeit, Einfluss auf den   heisst immer auch, mit Philosophie zu tun
                                        auf der Bühne das zeigen konnten, was sie      Spielplan und auf die Auswahl des Regis-      zu haben. Philosophie fängt mit Fragen
                                        auch sonst tun, wenn sie sich in Tätigkei-     seurs oder der Regisseurin zu nehmen.         an: Was kann ich wissen? Was ist die Welt,
                                        ten hineinfallen lassen, die für sie irgend-   Darum war es für mich wertvoll, den un-       was das Leben? Sich auf produktive Weise
                                        einen Sinn ergeben. Anschliessend habe         mittelbaren Kontakt mit Schulklassen zu       in Fragen zu verfangen, sich immer wie-
                                        ich sie gefragt, was wir denn nun für eine     haben und zu erfahren, welche Inszenie-       der selbst zu fragen, was mache ich hier,
                                        Geschichte gespielt hätten und wie sie         rung welche Möglichkeiten bietet, um mit      in dieser Welt, in meiner Funktion, in der
                                        heissen sollte. Auch da waren alle bereit,     ihnen in einen Austausch zu kommen. Für       Gesellschaft?, hilft uns, unsere Wahrneh-
                                        zu erzählen, was sie gesehen hatten, und       Theaterschaffende ist das, was in den Zu-     mung wachzuhalten und das Wahrgenom-
                                        schliesslich erhielt die Geschichte einen      schauerinnen und Zuschauern passiert,         mene zu reflektieren. Dasselbe passiert
                                        wunderschönen Titel, den ich ihr so nie        weitgehend eine Blackbox. Es kommt sel-       im Theater. Auch das Theater stellt Fra-
                                        hätte geben können. Dieses Beispiel zeigt,     ten vor, dass man miteinander über das        gen, löst Denkprozesse aus, führt zu ver-
                                        welche Bildungsprozesse das Theater bie-       Stück und die Inszenierung nachdenkt.         änderter Wahrnehmung. Theater ist ange-
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                                        tet: Dadurch, dass die Schülerinnen und        Die Theaterpädagogik kann als Türöffner       wandte Philosophie. 
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