Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV

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Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV
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Das Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21

Schwerpunkt

EXTREM
Höher, teurer, polarisierender, weitreichender, gefährlicher, mehr.
Ein Klacks für den Bewerter?

05
Evelyne Binsack an den Polen der Welt

14
Mehrwertausgleich:
Extreme Auswirkungen für Grundstücksbesitzer

28
Ein Dorf rutscht. Versicherungssonderregelung
soll Hausbesitzern helfen.
Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV
— Editorial —
© Christine Kocher

                                                                     DAS EXTREME
                                                                     HAT ETWAS
                                                                     INSPIRIERENDES

                                                                     Liebe Bewerterin
                                                                     Lieber Bewerter
                                   IMPRESSUM

                                    Herausgeber                      Selten hat mich ein Editorial derart gefordert wie dieses. Es fing schon
                                                                     damit an, dass ich nicht wusste, ob ich mich fürs Adjektiv ­«extrem»
                      Schweizer Immobilienschätzer-Verband           oder fürs Substantiv «Extrem» entscheiden sollte. Sollte ich etwas Ext­
                         Oberer Graben 8, 9000 St. Gallen
                                                                     remes beschreiben? Über extreme Situationen berichten, die Bewerter
                          T 071 223 19 19, www.siv.ch
                                                                     in ihrem Alltag erleben? Dem Wort «extrem» und seiner Bedeutung
                                       Partner
                                                                     auf dem Grund gehen? Oder extrem sein, vielleicht indem ich als ein­
                                                                     zigen Satz in diesem Editorial «Das ist extrem» hinschreibe? Letzteres
                                Swiss Institute of
                               Real Estate Appraisal                 würde wohl eher zum Wort Mut passen. Mutig ist gut. Sich Dingen zu
                                                                     stellen, in diesem Fall möglicherweise besser.
                                                                     Tasten wir uns also heran. Der Duden beschreibt «extrem» als etwas,
                            Chambre suisse d’experts
                           en estimations immobilières               das «bis an die äusserste Grenze geht». Im Herkunftswörterbuch
                              Gesamtverantwortung                    ­finden sich Hinweise, dass Adjektiv und Nomen ins 17. beziehungs­
                                   Silvan Mohler                      weise 18. Jahrhundert zurückgehen. Das Fremdwörterbuch spricht von
                                   Präsident SIV
                          silvan.mohler@siv.ch, www.siv.ch            ­Extrem als Hoch- oder Tiefpunkt. Wenn wir nach sinn- und sachver­
                                   Chefredaktion
                                                                       wandten Wörtern suchen, finden sich Adjektive wie ausgeprägt, extre­
                                    Sibylle Jung                       mistisch, radikal, übersteigert, masslos und rücksichtslos. Im Bedeu­
                                    zoom@siv.ch
                                                                       tungswörterbuch ist ein ähnlicher Beschrieb. Was uns hier auffällt, ist,
                                  Redaktionsteam
                     Jürg Aegerter, Martin Frei, Jitka Doytchinov,
                                                                       dass «extrem» zwischen den Worten «extravagant» und «exzellent»
                          Felix Thurnheer, Urs-Peter Zwingli           steht. Und bei dieser Feststellung fällt es uns wie Schuppen von den
                              Redaktioneller Beirat                    Augen. Plötzlich wissen wir, weshalb «extrem» auch extrem triggert:
                              Martin Frei, Silvan Mohler
                                                                       Während «extravagant» und «exzellent» Raum lassen für Gedanken,
                            Konzept und Umsetzung                      Geschichten, Meinungen und als Begriffe inspirieren, macht «extrem»
                          Pur Kommunikation AG, St. Gallen
                            www.pur-kommunikation.ch                   das Gegenteil: Das Extreme – oder vielmehr alles, was wir darunter
                                      Design                           subsummieren – schliesst in erster Linie aus.
                            Agentur formidable, Berneck                Exakt diesem Phänomen wollten wir auf den Grund gehen. Wir woll­
                               www.formidable.ch
                                                                       ten herausfinden, welche Extreme es im Bereich Schätzen gibt, wie ex­
                                       Druck
                                 Cavelti AG, Gossau                    trem diese Extreme sind, was sie für Bewerterinnen und Bewerter be­
                                  www.cavelti.ch                       deuten und wie sie sich – vielleicht mit etwas Distanz betrachtet – auch
                              Auflage / Erscheinung                    aufweichen lassen. In letzterem haben wir einen Zauber gefunden, der
                               3600 Ex., 2 × jährlich
                                                                       uns nur eröffnet wurde, gerade weil wir uns dem «Extrem» gestellt
                                        Cover
                                                                       haben. Dafür sagen wir danke. Und finden jetzt: Auch das E   ­ xtreme hat
                      Das Titelbild zeigt die Gefahrenkarte
                     der Region Albula; rot das Dorf Brienz,           etwas Inspirierendes.
                         dessen Zukunft ungewiss ist.
                       Der Grund: extremer Hangrutsch.

                                                                     Sibylle Jung

                                                                      — Zoom 02 | 21 —
                                                                             2
Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV
— Inhalt —

FOCUS                                                                              05   INTRO

                                                  06
                                                                                        Geschätzt #7 mit
                                                                                        ­Evelyne Binsack,
                                                                                         ­Extremsportlerin

                                                                                   14   MEHRWERT­
                                                                                        AUSGLEICH
                                                                                        Mit Samuel Ramp
                                                                                        durch den Paragrafen­
                                                                                        dschungel
                                          EXTREMEREIGNISSE
                                                                                   22   MARKTREPORT
                                          Die Coronapandemie ist nicht so extrem
                                                                                        Den aktuellen Markt
                                          wie die Null- und Negativzinspolitik.         im Überblick

        08
                                                                                   26   EINMAL
                                                                                        SCHÄTZEN,
                                                                                        BITTE
                                                                                        Bauwerke der Super­
                                                                                        lative werfen knifflige
                                                                                        Fragen auf.

                                                                                   31   ANSICHTSSACHE
                          IN ZAHLEN                                                     Das passiert, wenn
                    AUSGEDRÜCKT                                                         117 Studierende
                                                                                        das gleiche Objekt
Ob Boden, Mieten, oder Mehrfamilien­
                                                                                        bewerten.
häuser: Die Preise steigen seit Jahren.
                                                                                   34   DAS PRÜFSOFA
                                                                                        Wenn es wie bei den

        12
                                                                                        Kutschern zugeht

                                          PANDEMIE UND                             36   AUS- UND
                                                                                        WEITERBILDUNG
                                          WETTEREREIGNISSE
                                                                                        Die aktuellen Lehr­
                                          Was Bewerterinnen und Bewerter                gänge an den
                                          als ­extrem empfinden.                        ­Fachhochschulen

                                                                                   37   VERBANDINFOS
                                                                                        Aus der Welt des SIV

                                                                                   42   SIV-KOPF

                                                   19
                                                                                        Sieben Fragen an
                                                                                        Olivier Aeby

                                          KLEINSTWOHNFORMEN
                                          «Downsizing» ist ein Lebensstil –
                                          auch beim Wohnen.

        28    EIN DORF IN GEFAHR
    Das bündnerische Brienz/Brinzauls
                       rutscht ins Tal.

                                                      — Zoom 02 | 21 —
                                                             3
Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV
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                                                                        Pro                              e–
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                                                                         unserer Sc                      sten-
                                                                            u n te  r s tü tzen Sie ko
                                                                        wir
                                                                                   d  e r E v a lu ation Ihres
                                                                        los be   i
                                                                                      Bewerters.

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Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV
— Intro —

                                                               GESCHÄTZT #7
                                         Auf den höchsten Spitzen und an den entferntesten Polen der Welt fühlt sich die E
                                                                                                                         ­ xtrembergsteigerin
                                              ­Evelyne Binsack in ihrem Element. 2001 bestieg sie als erste Schweizerin den Mount Everest.
                                        Und die ­Bestsellerautorin kämpfte sich mit Expeditionen an den Nord- und an den Südpol. Zoom verrät
                                                                                  sie ihre drei persönlichen Hotspots.
                                                                                             Text: Jürg Aegerter

                                               #1 ZELT
                                    Draussen kann es
                               ­minus 40 Grad Celsius
                                  sein. Man stellt das
                                     Zelt auf, macht es
                                 sturmsicher, schlüpft
                                    rein und fühlt sich
                                  wohl. Das Zelt wird
                                 zum Zuhause für ein
                                paar Stunden, sei dies                                                                                                                   Evelyne Binsack ist
                                        an einem Fels­                                                                                                                   eine bekannte Schweizer
                                vorsprung oder in der                                                                                                                    Extremsportlerin
                                      Weite der Arktis.

                                                                                                                                                                            #3 KIRCHEN
                                                                                                                                                                             Kirchen haben Aus­
                                                                                                                                                                             strahlung und geben zum
                                                                                                                                                                             Teil jahrhundertealte
                                                                                                                                                                             ­Geschichte weiter. Men­
                                                                                                                                                                              schen finden hier Ruhe
                                                                                                                                                                              und schöpfen Hoffnung.
                                                                                              #2 MESSETURM FRANKFURT                                                          Es kann eine christliche
                                                                                              1996 kletterte ich als Werbe­                                                 ­Kapelle, ein ­buddhistischer
                                                                                              aktion für Schweiz Touris­                                                      Tempel oder ein Zen-­
                                                                                              mus über 250 Meter hoch                                                         Kloster sein. Auf Reisen
                                                                                              auf den Frankfurter Messe­                                                      gehe ich oft in solche
                                                                                              turm. Nur die ersten Stock­                                                     ­Gebäude und bin ergriffen
                                                                                              werke waren schwierig,                                                           von ­deren Schönheit.
                                                                                              ­wegen der glatten Marmor­
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                                                                                               fassaden. Anschliessend
                                                                                                                               © Mikhail Markovskiy / shutterstock.com

                                                                                               ging die Besteigung
                                                                                               ­relativ einfach und schnell.
                                                                                                Wenn sich eine Chance
                                                                                                ­ergibt, greife ich zu.

                                                GESCHÄTZT
                                                Schweizer Persönlichkeiten zeigen Zoom exklusiv ihre Lieb-
                                                lingsplätze. Es sind Orte, an denen sie gerne Zeit verbrin-
                                                gen; Räume, die sie mit besonderen Erinnerungen verbinden.
                                                Zu Hause, unterwegs oder am Arbeitsplatz. Der «Markt-
                                                wert»: geschätzt nach persönlichen Kriterien. Das ist so gar
                                                nicht schätzertypisch – und trotzdem lesenswert.

                                                                                               — Zoom 02 | 21 —
                                                                                                       5
Schwerpunkt EXTREM zoomDas Fachmagazin für Schweizer Immobilienschätzer 02 | 21 - SIV
— Focus —

         EXTREMEREIGNISSE
    UND IHR EINFLUSS AUF DIE
      ­I MMOBILIENBRANCHE
       Der Klimawandel oder die Pandemie beeinflussen auch die Immobilienwirtschaft und -bewertung.
 Drei ­Exponenten verschiedener Branchen sprechen über Strategien im Umgang mit extremen Entwicklungen.
                                                    Text: Urs-Peter Zwingli

Die Coronapandemie ist das prägen­          ren und Liefer­k etten abgestimmt wer­   bevor man selber aufgrund von Daten
de Ereignis der jüngeren Zeit. Doch         den. «Die Preise werden sich bis Ende    eine fundierte Analyse gemacht hat.»
Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff
­                                           2021 einpendeln, für 2022 erwarte ich           Extreme Entwicklungen zeigt
hebt eine andere Grösse hervor, die für     tiefere Inflationsraten.»                wegen der Coronakrise auch der
die internationale Wirtschaftsentwick­                                               weltweite Markt für Baustoffe. «Über
lung das seit Jahren zentrale Extrem              Daten und Zahlen statt             alle Segmente gesehen haben sich
sei: «Die Null- und Negativzins­politik                   ­M einungen                Produkte im Einkauf für uns um 10
und die damit verbundene Flutung der        Die Preise für Wohneigentum aller­       bis 50% verteuert», sagt Martin To­
Finanzmärkte mit Liquidität.» Diese         dings werden weiter steigen, sagt        bler, CEO des Schweizer Baumaterial­
Entwicklung habe sich durch die welt­       Neff, der für Raiffeisen regelmässig     händlers HG Commerciale (HGC). Be­
weite Ausschüttung staatlicher Gelder       den Schweizer Immobilienmarkt ana­       gonnen habe die Preissteigerung im
in der Krise und die dadurch steigende      lysiert. Die Pandemie habe den Immo­     Herbst 2020 bei den Holzwerkstof­
Verschuldung verstärkt. «Im Moment          bilienmarkt in der Schweiz nicht be­     fen, seit März 2021 seien auch prak­
sieht es so aus, als seien die Zinsen für   schädigt. Vielmehr haben die Preise      tisch alle anderen Materialien wie bei­
Generationen auf null festgenagelt»,        für Eigentumswohnungen und Einfa­        spielsweise Kunststoffprodukte oder

                                                                                                      «
sagt Neff.                                  milienhäuser erneut Höchststände er­
       Das wegen Corona gezündete           reicht, wie die Bank im Frühsommer
«Feuerwerk staatlicher Gelder», wie         2021 zu ihrer Publikation «Immobilien
der Ökonom und Topbanker es nennt,          Schweiz» schreibt. «Die Preise werden     Im Moment sieht
habe aber auch dazu geführt, dass           noch einige Jahre steigen, auch im Be­
die schwerste Rezession der Nach­           reich Anlagenobjekte», sagt Neff.        es so aus, als seien
kriegszeit ungewöhnlich schnell ab­                Für Immobilienbewerter könne
geklungen sei. «Nach drei bis vier          damit der Anreiz bestehen, bei Port­        die Zinsen für
Monaten Krise im Frühjahr 2020 war          foliobewertungen stetig die Wertstei­
bereits eine Erholung beobachtbar.          gerungsrendite auszuschöpfen. «Ich        Generationen auf
Danach wuchs die Nachfrage plötz­           empfehle aber, dabei defensiv vor­
lich schnell.» Eine Folge davon wa­         zugehen. Entscheidend ist die Cash­       null festgenagelt.
ren Preissteigerungen und eine star­
ke Inflation: Im Juni 2021 meldeten
                                            flow-Rendite. Alles andere kann zur
                                            Spekula­tion werden, und das ist nicht
                                                                                                      »
die USA beispielsweise ein Wachs­           nachhaltig.» Grundsätzlich empfiehlt     Gipsplatten betroffen gewesen. «Er­
tum der Inflation um 5,4 Prozent im         Neff, sich in extremen Zeiten bei        schwerend kommt hinzu, dass bei vie­
Vergleich zum Vorjahr – ein Zuwachs,        der Bewertung von wirtschaftlichen       len Produkten die Verfügbarkeit nicht
der zuletzt 2008 erreicht wurde. Neff       Trends oder Vermögenswerten auf          garantiert ist.» Die HGC als Gross­
schätzt, dass dieser «Reboundeffekt»        «nackte Zahlen» zu verlassen. «Man       händler versuche dennoch, ihre La­
sich abschwächen werde, weil welt­          sollte Einschätzungen der Fachpresse     ger möglichst zu füllen und unter­
weite Produk­tionen wieder hochgefah­       oder von Mitbewerbern nicht lesen,       halte dafür enge Kontakte mit ihren

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— Focus —

   Die Null- und Negativzinspolitik und die damit verbundene Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität ist seit Jahren das zentrale Extrem – nicht Corona.

Lieferanten. Die Situation sei «abso­               Problematik spüren auch Raum- und                    Maien­sässe sind sehr beliebt.» In den
lut aussergewöhnlich», dennoch nicht                Immobilienentwickler. «Der Einbezug                  ländlichen Gebieten sei zudem der
nur schlecht. «In den vergangenen 15                von Klimafragen ist bei der Planung                  «Kampf um jeden Quadratmeter Bau­
Jahren sind die Preise für Baumate­                 von Arealen mittlerweile ein grosses                 land» im vollen Gange.
rialien stetig gesunken. Das hat den                Thema. Dazu gehört etwa die Aussen­                        Auf Extremereignisse wie den
starken Preisdruck in der Baubranche                raumgestaltung oder die Energieef­                   Klimawandel braucht es Reaktionen auf
weiter verschärft.» Diese Entwicklung               fizienz», sagt Ueli Strauss-Gallmann.                verschiedenen Ebenen wie beispiels­
sei nun gebremst, damit erhöhe sich                 Er leitete während 17 Jahren das Amt                 weise Bau und Mobilität. Strauss-Gall­
die Wertschöpfung der Branche – auch                für Raumentwicklung und Geoinfor­                    mann schätzt diesbezüglich, dass die
wenn dies aktuell bei laufenden Bau­                mation des Kantons St. Gallen. Heute                 Innovation in den bestehenden, his­
projekten eine grosse Herausforde­                  ist er selbstständiger Berater im Be­                torisch gewachsenen Strukturen der
rung für die Unternehmer sei. Tobler                reich Raum-, Gemeinde- und Immobi­                   Schweiz in kleinen Schritten geschehen
erwartet zudem eine Normalisierung                  lienentwicklung. Wie der Klimawandel                 müsse. «Das fängt im Bereich Immobi­
der Preise bis Ende 2021.                           bei der zukünftigen Planung und Er­                  lienentwicklung bei Details an – etwa
                                                    stellung von Immobilien berücksich­                  der Frage, ob ein tieferer Parkplatz­
     Der Kampf ums Bauland                          tigt wird, werde einen Einfluss auf de­              schlüssel pro Wohneinheit genügt.
Von der extremen Seite zeigte sich                  ren langfristige Nutzungsqualität und                Oder mit dem konsequenten Einbezug
im Sommer 2021 weltweit das Klima:                  damit auch deren Wert haben, sagt er.                von E-Mobilität und Langsamverkehr
Nordamerika, Südeuropa und Skandi­                  Strauss-Gallmann berät regelmässig                   von Beginn an.»
navien litten unter historischen Hitze­             Gemeinden in ländlichen Gebieten. «In
wellen, in der Schweiz richteten wieder­            diesen steigt die Nachfrage nach Im­
holte heftige Gewitter und Hochwasser               mobilien seit dem Frühjahr 2020 ste­
Schäden in Millionenhöhe an. Diese                  tig an. Auch Ferienhäuser oder sogar

                                                                   — Zoom 02 | 21 —
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        EXTREME PREISENTWICK­
         LUNGEN SEIT JAHREN
  Die Preise für Mehrfamilienhäuser, Mieten und Boden kennen in der Schweiz seit Jahren nur eine Richtung:
            nach oben. Allgemein häufen sich bei verschiedenen Kennzahlen hohe bis extreme Werte.
                                          Text und Recherche: Urs-Peter Zwingli

Die Schweiz ist ein Land,
in dem Siedlungsflächen knapp
sind – insbesondere in S
                       ­ tädten                       Baulandpreisindex: Die Landpreise explodieren
und Agglomerationen. Das                                 Preisindex von Bauland für Mehrfamilienhäuser1.
und weitere Faktoren drücken
die Preise nach oben:                     Region Zürich                                       Region Mittelland
­S owohl ­Bauland, Mehrfamilien-          2008            100                                 2008          100
häuser, Wohnimmobilien als                2012                  152                           2012           121
auch städtische Mieten sind               2015                            235                 2015                       216
seit der Jahrhundertwende ste-            2021                                    351         2021                         249
tig angestiegen. Einige Zahlen
­zeigen gar extreme Z
                    ­ unahmen.            Region Genfersee                                    Region Ostschweiz
Die Zoom-Redaktion hat                    2008            100                                 2008          100
­Fakten und Zahlen zusammen­              2012             118                                2012                 164
getragen, die den Versuch                 2015                    185                         2015                               336
­e iner Übersicht machen.                 2021                            246                 2021                                     415

                                                                                    Mietpreisindex:
                                                                            Stark gesteigen in den Zentren,
                                                                              verhalten in der Peripherie

                                                                                   Stand Mietpreisindex in
                                                                                Schweizer ­Kantonen, Juni 2021
                                                                                    (Januar 2009 = 100)2

                                                                                     Genf: 128,2 Punkte
                                                                                    Waadt: 125,8 Punkte
                                                                                    Zürich: 121,7 Punkte

             115,4
                                                                                    Aargau: 110,8 Punkte
                                                                                    Tessin: 102,4 Punkte

                        Gesamte Schweiz

                                                          — Zoom 02 | 21 —
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          Mehrfamilienhäuser:                                               Die Wohnfläche pro Kopf in der Schweiz nimmt
          Steiler Preisanstieg                                             seit Jahrzehnten zu. Zwar gibt es zwischen Stadt
                seit 2010                                                   und Peripherie Unterschiede, die Zunahme der
                                                                          Wohn­fläche ist aber quer durchs Land beobachtbar.
Die Preise für Mehrfamilienhäuser in der
Schweiz sind seit der Jahrhundertwende
 konstant angestiegen, seit 2010 zudem
                                                                          Schweizer Wohnfläche/Kopf
  besonders steil (Januar 1981 = 100).3
            MFH-Preisindex:                                                                        19804: 35 m2
1. Quartal 2000              106,02
1. Quartal 2010                131,17                                                                      20195: 46 m2
2. Quartal 2021                       194,52

                                                                          Kantone mit höchster Wohnfläche/Kopf5

                                                                                                              SH: 51 m2

                           %
                                                                                                                  AR: 52 m2

                                                                                                                  TG: 52 m2

             Verlauf Basiszinssatz SIV                                    Kantone mit tiefster Wohnfläche/Kopf5

    Der SIV publiziert für Mitglieder seit 2018 eine                                                  GE: 37 m2
Zusammenstellung des risikoarmen Basiszins­satzes
für Mehrfamilienhäuser in der Schweiz (netto, real).                                                    BS: 41 m2
Die Werte beziehen sich auf ein mittel­grosses MFH
 mit Mietwohnungen (praktisch Neubau) in einem                                                           VD: 43 m2
 Top-Stadtquartier von Zürich mit sehr guter Mikro-
  lage. Der Zinssatz wird quartalsweise durch eine
 Umfrage von Fahrländer Partner R   ­ aumentwicklung
                        ermittelt.
                  Durchschnittlicher Wert 2019: 2,11
                  Durchschnittlicher Wert 2020: 1,95
                           Wert Juli: 1,83

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                                                                                                  Bürofläche: Corona wirkt langfristig

                                                                                            Erwarteter Rückgang der Büroflächennachfrage
                                                                                              für 2020 und 2021 kombiniert10: 700 000 m2.
                                                                                  Möglicher Rückgang der B­ üroflächennachfrage in den nächsten zehn
                                                                                 Jahren aufgrund von dauerhaft höherem Homeoffice-Anteil in Firmen11:
                                                                                                                  15 %

                                                                                                   Schweizweit ausgeschriebene Bürofläche
                                                                                                   2021: 3 043 000 m2 2008: 1 500 000 m2

                   Zinsen sinken stetig

     Die Zinssätze sind heute weltweit so tief wie
     nie ­zuvor. Ihren letzten wirklich grossen Peak
erlebten die Leitzinsen weltweit um 1980. Auch um
   die Jahrtausendwende gab es nochmals einige
 Jahre mit Zinssätzen von teils bis zu vier Prozent.
    ­Seither sind die Zinsen aber stetig gesunken,
              zuletzt in den Minusbereich.

                       Diskontsätze der SNB6
                  5,5 (1918) 1,5 (1945) 7,0 (1991)                                                   Handänderungsstatistiken
             1,0 (1998; letztmals publiziert im Jahr 2000)                                     zeigen hochtourigen Immobilienmarkt

                                                                                          Offizielle Statistiken über Handänderungen in aus-
            SNB-Zielband für Dreimonatslibor in CHF7
                                                                                             gewählten Kantonen verdeutlichen, dass der
                zwischen 0,00 und 1,00% (Juni 2005)
                                                                                         Schweizer Immobilienmarkt auf hohen Touren läuft –
                zwischen 3,00 und 4,00% (Juni 2006)
                                                                                                sowohl volumen- als auch preismässig.
                zwischen 2,25 und 3,25 % (Juni 2008)
                                                                                         Hier sind jeweils die aktuellsten verfügbaren Zahlen
               zwischen –1,25 und –0,25 % (Juni 2018)
                                                                                                               ­präsentiert.12

                              SNB-Leitzins8                                                                         Kanton Zürich
              Ab Juni 2019 gleichbleibend auf –0,75%                                                      Wert aller Handänderungen
                                                                                         1995: CHF 3964 Mio. 2015: CHF 6643 Mio. 2020: CHF 8242 Mio.
                  Leitzins der USA zum Vergleich9
              5,25% (Juni 2006) 3,00% (März 2008)                                                   Durchschnittliche Verkaufspreise EFH
            0,25% (Dezember 2008) 0,10% (Juli 2021)                                           1996: CHF 697 000 2010: CHF 870 000 2020: CHF 1 270 000

                                                                                                                 Kanton Basel-Stadt
                                                                                             Wert aller Freihandkäufe von Liegenschaftsparzellen
                                                                                             1996: CHF 547 Mio. 2015: CHF 780 Mio. 2020: CHF 1187 Mio.
Quellen
 1 Fahrländer Partner Raumentwicklung                                                                              Kanton Luzern
 2 Homegate.ch Mietpreisindex
 3 SXW IAZI Investment Real Estate Price Index
                                                                                                            Anzahl Handänderungen
 4 BfS: Ein Porträt der Schweiz – Ergebnisse aus den Volkszählungen 2010–2014                           2005: 15 461 2015: 15 746 2019: 16 674
 5 BfS: Bau- und Wohnungswesen 2019
 6 SNB: Historische Zeitreihen. Zinssätze und Renditen.
 7 SNB Datenportal. Von 2000 bis 2019 bestimmte die SNB ein Zielband für den Dreimonats-Libor in CHF.
 8 SNB Datenportal. Ab dem 13. Juni 2019 löst der SNB-Leitzins das Libor-Zielband ab.
 9 Federal Reserve Bank of St. Louis
10 CS: Büroflächenmarkt Schweiz 2021
11 CS: Büroflächenmarkt Schweiz 2021
12 Kantonale Statistikämter

                                                                                — Zoom 02 | 21 —
                                                                                        11
— Focus —

    «EXTREME ­M EINUNGEN
          SPALTEN DIE
       ­G ESELLSCHAFT»
                Wie nehmen Bewerterinnen und Bewerter das Thema Extreme wahr? Zoom sprach mit der
­Zürcher ­Immobilienfachfrau Mirjam Oegerli darüber und fühlte bei Ilaria Roveda, Tessin, und Yves C
                                                                                                   ­ ache­maille,
           ­Westschweiz, den Puls. Über die Kunst des Antizipierens, schwindende Kompromissbereitschaft
                                            und ­positive Seiten des Wandels.
                                              Aufgezeichnet von Jürg Aegerter

                                           Wann dachten Sie zuletzt:                 dass wir verwundbar und gegenüber
                                           Wow, das ist ja extrem?                   solchen Ereignissen auch ziemlich
                                           Mirjam Oegerli: Ich war extrem beein­     machtlos sind.
                                           druckt davon, wie gut wir in unseren
                                           Projektteams die durch Covid veränder­    Yves Cachemaille: Wie sehen Sie
                                           ten Umstände gemeistert haben. Dank       die Entwicklungen in der Immobilien-
                                           Onlinesitzungen wurden wir gar noch       branche in der Westschweiz?
Mirjam Oegerli                             effizienter. Neue Projekte aufzugleisen   Die Preise von Anlageimmobilien blei­
Die erfahrene Portfoliomanagerin und
                                           gestaltete sich aber herausfordern­       ben weiterhin auf hohem Niveau. Die
Schätzerin Mirjam Oegerli betreut
heute mit ihrer Firma WERTLABOR            der. Hier fehlte der direkte menschli­    Bereiche Einfamilienhäuser und Stock­
GmbH, Zürich, vorwiegend Immobilien        che Kontakt.                              werkeigentum stagnierten während
der öffentlichen Hand.
                                           Ilaria Roveda: Mit der Pandemie muss­     der Gesundheitskrise, erholten sich je­
                                           ten wir wirklich eine Menge Gewohn­       doch schnell wieder. Die Preise steigen
                                           heiten und Überzeugungen ändern.          zurzeit leicht an, wobei die Nachfrage
                                           Noch heute gibt es keine sichere Per­     nach stadtnahen ländlichen Standor­
                                           spektive. In unserem Bereich als Be­      ten deutlich zunimmt. Gleichzeitig ver­
                                           werter sind wir konfrontiert mit einer    zeichneten wir natürlich einen sehr ge­
                                           völlig neuen Situation. Alle Sektoren     ringen Mieterwechsel, der seit Anfang
                                           des Immobilienmarktes sind betroffen.     2021 jedoch durch viele Wechsel bei
Ilaria Roveda                              Yves Cachemaille: Diesen Sommer           den Wohnungsmietern wieder aufge­
Die Tessinerin Ilaria Roveda ist Partner   haben mich die Unwetter beeindruckt,      fangen wird.
bei P&M Real Estate SA in Lugano
und lehrt als Dozentin an der SUPSI –      die vor allem in der West- und Zen­
Scuola Universitaria Professionale         tralschweiz zahlreiche Naturkatastro­     Und welche Entwicklungen
Svizzera Italiana.                         phen verursachten. Viele Gebiete wa­      ­beobachten Sie im Tessin und in der
                                           ren betroffen, durch die ich schon oft     Deutschschweiz, Ilaria Roveda und
                                           gefahren bin. Mir wurde bewusst,           Mirjam Oegerli?
                                                                                      Ilaria Roveda: Im Tessin profitierten
                                                                                      wir davon, dass mehr Schweizerin­
                                                                                      nen und Schweizer im Inland Ferien
                                                                                      machten. Im Wohnungssektor sehen
                                           «Mich stimmt nachdenklich,                 wir seit dem Lockdown eine grössere
Yves Cachemaille                           dass die als typisch                       Nachfrage nach grösseren Wohnein­
Yves Cachemaille ist Senior Director       s­chweizerisch geltende                    heiten, gerne mit einer Grünfläche.
und Head of Valuation and Advisory
bei CBRE Switzerland in Lausanne.          Kompromissbereitschaft zu                  Ansonsten verlaufen die Entwick­
Die CBRE ist schweizweit mit sieben        schwinden scheint.»                        lungen ähnlich wie in der ganzen
Büros im Immobiliensektor tätig.           Mirjam Oegerli                             Schweiz. Der Bürosektor war nach

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— Focus —

«In Zeiten des Wandels                     schweiz aus. Es macht den Anschein,         diese Entwicklungen zu antizipieren –
muss man in der Lage                       als ob der Standort bei der Entschei­       von denen einige möglicherweise nicht
sein, die positive Seite des               dungsfindung immer weniger berück­          von Dauer sind –, damit unsere Werte
­W­andels zu sehen.»                       sichtigt und die kurzfristige Rendite       immer gleich relevant bleiben.
 Ilaria Roveda                             zum einzigen Argument werden, was
                                           langfristig ein grosses Risiko darstel­      Mirjam Oegerli, welche Veränderun-
                                           len kann.                                    gen in Beruf und Gesellschaft
                                           Ilaria Roveda: Die tiefen Zinsen für Kre­   ­beschäftigen Sie?
                                           dite haben im Tessin den Erwerb von          Beruflich positiv sehe ich, dass sich das
der Einführung der Homeofficepflicht       Immobilien sowohl für Privatpersonen         Immobilienportfoliomanagement in öf­
stark betroffen. Auf der anderen Sei­      als auch für Investoren erleichtert. Und     fentlichen Verwaltungen immer stärker
te ist seit der Pandemie beim Logis­       das geht wohl noch so weiter: Derzeit        etabliert – auch gegenüber den Nutzern,
tik- und Lagersektor eine steigende        deutet nichts hin auf eine Änderung der      der Öffentlichkeit und der Politik. Ich be­
Nachfrage zu verzeichnen, was auf die      Geldpolitik der Schweizerischen Natio­       obachte die gesellschaftlichen Entwick­
starke Zunahme des Onlineshoppings         nalbank.                                     lungen. Für viele Menschen ist das Aus­
zurückzuführen ist.                                                                     kommen schwierig, obwohl sie Vollzeit
Mirjam Oegerli: Die Situation mit den      Was beschäftigt Sie zurzeit am               arbeiten und haushälterisch wirtschaf­
tiefen Zinsen ist für uns im Raum Zü­      ­meisten, Ilaria Roveda?                     ten. Zudem stimmt mich nachdenk­
rich auf vielen Ebenen herausfordernd.      In Zeiten des Wandels muss man in der       lich, dass die als typisch schweizerisch
Wir beobachten sie genau, bilden uns        Lage sein, die positive Seite des Wan­      geltende Kompromissbereitschaft zu
ständig weiter und tauschen uns mit         dels zu sehen. Herausforderungen sind       schwinden scheint. Extreme Meinungen
anderen Expertinnen und Experten            sicher neue Raumgestaltungskonzepte         und fehlende Dialogbereitschaft spalten
aus. Der SIV ist hierbei eine wertvolle     und Bautechniken, die auf eine «grüne»      die Gesellschaft.
Unterstützung, weil er bei der Vernet­      Perspektive ausgerichtet sind.
zung hilft und Ressourcen bereitstellt.
                                           Und wo sehen Sie die Herausforde-
Welche Entwicklung lösen die tiefen        rungen, Yves Cachemaille?
Zinsen für Kredite und Negativzinsen       Der Bewerter ist per Definition ein
für Kapital in der Westschweiz und         Marktbeobachter. Er ist es gewohnt,
im Tessin aus?                             solche Entwicklungen schnell mitein­
Yves Cachemaille: Die Preise von An­       zubeziehen. In den letzten Monaten ha­                 «Unsere grosse Heraus­
lageimmobilien sind stark unter Druck.     ben allerdings zahlreiche Paradigmen­                  forderung als Bewerter be­
Die extrem niedrigen Zinsen, die bis­      wechsel stattgefunden, sowohl bei der                  steht darin, zu antizipieren,
her nur in Genf zu beobachten wa­          Wohn- und Arbeitssituation als auch                    welche Veränderungen sich
ren, weiten sich tendenziell auf andere,   beim Konsumverhalten. Unsere gros­                     als nachhaltig erweisen.»
weniger attraktive Regionen der West­      se Herausforderung besteht darin, all                  Yves ­Cachemaille

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— Focus —

                                                                          Die Mehrwertabgabe
                                                                          wird erst fällig, wenn
                                                                          bei einer Überbauung
                                                                          die Baufreigabe erteilt
                                                                          oder aber die nach­
                                                                          trägliche Baubewilli­
                                                                          gung rechtskräftig
                                                                          wird.

           MEHRWERTAUSGLEICH –
            DER K
                ­ ANTON ZÜRICH
             SCHREITET VORAUS
    Der Mehrwertausgleich kann für Grundstücksbesitzer extreme Auswirkungen haben. Es geht d
                                                                                           ­ abei zum
       ­Beispiel um die steuerlichen Folgen, wenn Grundstücke bei Umzonungen von der L
                                                                                     ­ and­wirtschafts-
     in die ­Bauzone an Wert gewinnen. Der Kanton Zürich regelt seit Anfang 2021 den Mehrwert­ausgleich
          so umfassend wie kein anderer Kanton. Mehrwertausgleichsexperte Samuel Ramp verschafft
                                           ­Überblick im ­Paragrafendschungel.
                                                    Autor: Samuel Ramp

Die Nutzungsmöglichkeiten eines                   Die Kantone haben als Minimal­         digungen im Falle von Rückzonungen
Grundstücks bestimmen dessen Wert.         vorgabe des Bundes planungsbeding­            einzusetzen oder für raumplanerische
Die Nutzung wiederum wird durch            te Vorteile bei Einzonungen mit einem         Massnahmen wie die Gestaltung von
die Raumplanung von Bund, Kanto­           Satz von mindestens 20% zu belasten.          öffentlichen Plätzen oder Bodenverbes­
nen und Gemeinden festgelegt. Durch        Hier geht es insbesondere um Boden,           serungen.
planerische Massnahmen kann ein            der neu und dauerhaft einer Bauzone
Grundstück stark an Wert gewinnen,         zugewiesen wird. Weiter schreibt der            Umsetzung im Kanton Zürich
man denke an Einzonungen, oder, im         Bund den Kantonen vor, dass der Aus­          Im Kanton Zürich trat das Mehrwert­
­Falle von Auszonungen, verlieren. Das     gleich bei der Überbauung des Grund­          ausgleichsgesetz (MAG) und die Mehr­
 Bundesgesetz über die Raumplanung         stücks oder dessen Veräusserung fällig        wertausgleichsverordnung (MAV) am
 (RPG) verpflichtet die Kantone, einen     wird. Auch in der Verwendung der ver­         1. Januar 2021 in Kraft. Damit hat der
 Ausgleich für erhebliche Vor- und Nach­   einnahmten Abgaben sind die Kantone           Kanton nicht nur die bundesrechtli­
 teile der Raumplanung vorzusehen.         nicht frei. Die Gelder sind für Entschä­      chen Minimalvorgaben erfüllt, sondern

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                                                                 Wenn landwirtschaft­
                                                                 liches Land zu Bauland
                                                                 umgewandelt wird,
                                                                 beträgt die Abgabe im
                                                                 Kanton Zürich 20% des
                                                                 Mehrwerts.

Mehrwertermittlung
In dieser Phase wird der konkrete Mehrwert für jedes
Grundstück ermittelt. Die zuständige Behörde prüft,
ob die Berechnung mit dem Landpreismodell ­er­folgen
kann oder ob besondere Gründe vorliegen, die eine indi-
viduelle Schätzung notwendig machen. Das ­Ergebnis
wird den Betroffenen mitgeteilt. Die Betroffenen haben
dann die Möglichkeit, innert zehn Tagen eine ­i ndividuelle
Schätzung zu verlangen. Sie müssen allerdings die
­Kosten selbst tragen. Wird eine individuelle Schätzung
angeordnet oder verlangt, können die Betroffenen
den Schätzer nicht bestimmen.

­ ines der umfassendsten und komple­
e                                                         Kantonaler                      ferenz zwischen den Verkehrswerten
xesten Regelwerke zum Mehrwertaus­                 Mehrwertausgleich –                    eines Grundstücks ohne und mit Pla­
gleich geschaffen.                                      ­E inzonungen                     nungsmassname. Die Mehrwertabga­
       Im Kanton Zürich ist strikt zwi­      Der Kanton Zürich erhebt eine Mehr­          be beträgt beim kantonalen Mehrwert­
schen dem kantonalen Mehrwertaus­            wertabgabe auf Planungsvorteile, die         ausgleich 20% des Mehrwertes. Soweit
gleich, der bei Einzonungen erhoben          durch Einzonung entstehen. Zuständig         der Mehrwert CHF 30 000 übersteigt,
wird, und dem kommunalen Mehrwert­           für den Vollzug des kantonalen Mehr­         setzt die Baudirektion die Höhe der
ausgleich im Falle von Um- oder Auf­         wertausgleichs ist die Baudirektion des      Mehrwertabgabe und die abgabepflich­
zonungen zu unterscheiden. Es sind           Kantons Zürich.                              tige Person in einer Verfügung fest, so­
nicht nur unterschiedliche Behörden                                                       bald die Planungsmassnahme in Kraft
für die Festsetzung und Vollzug zu­          Wie hoch ist die Abgabe?                     tritt (Änderung der Bau- und Zonen­
ständig, auch die Abgabesätze variie­        Der durch die planerische Massnahme          ordnung, BZO). Weiter ordnet sie an,
ren erheblich.                               bewirkte Mehrwert entspricht der Dif­        dass die Mehrwertabgabe im Grund­

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— Focus —

                                           ZUR PERSON
                                           Der Anwalt und dipl. Steuer­
                                           experte S
                                                   ­ amuel Ramp ist Part-
                                           ner der Zürcher Kanzlei ­Fischer
                                           Ramp Buchmann AG.
                                           Ramp ­unterrichtet beim ­Institut
                                           für Schweizerisches und Inter-
                                           nationales Steuerrecht (ISIS)
                                           und an den Fachhochschulen
                                           ­Zürich (zhaw) und St. Gallen
                                           (OST). Er ist Dozent am SIREA
                                           und am Schweizerischen
                                           ­Institut für Steuer­lehre (SIST).

buch angemerkt wird, wenn die Verfü­      gang des Eigentums im Grundbuch             Aufzonung liegt vor, wenn die Nut­
gung rechtskräftig wird.                  und nicht das Verpflichtungsgeschäft        zungsmöglichkeiten einer Bauzone ver­
                                          (öffentliche Beurkundung).                  bessert werden. Von einer Umzonung
Wer muss zahlen?                                Keine Veräusserung stellen            wird gesprochen, wenn ein Grundstück
Abgabepflichtig ist der Grundeigen­       nach Zürcher Auffassung Eigentums­          von einer Bauzone einer anderen Bau­
tümer im Zeitpunkt des Inkrafttretens     wechsel durch Erbgang, Erbteilung,          zone zugewiesen wird.
der Planungsmassnahme. Soweit die­        die Ausrichtung von Vermächtnissen,                 Wenn eine Gemeinde sich für
ser mit der Verfügung nicht einverstan­   Erbvor­bezüge oder Übertragungen im         den kommunalen Mehrwertausgleich
den ist, kann er diese beim Baurekurs­    Rahmen von güterrechtlichen Ausein­         entscheidet, kann sie die Höhe des Ab­
gericht des Kantons Zürich überprüfen     andersetzungen und Schenkungen dar.         gabesatzes zwischen 0 und 40% und
lassen.                                   Ob diese Ausnahmen auch vom Bun­            die Grösse der Freifläche bestimmen,
                                          desgericht geschützt werden, wird sich      für die keine Mehrwertabgabe geschul­
Wann muss ich zahlen?                     weisen, denn andere Kantone haben           det ist. Dies soweit der Mehrwert den
Die Mehrwertabgabe wird erst fäl­         die Ausnahmen restriktiver ausgelegt        Betrag von CHF 250 000 nicht über­
lig, wenn bei einer Überbauung die        als der Kanton Zürich.                      steigt. Übersteigt der Mehrwert die­
Baufreigabe erteilt oder aber die nach­         Die Baudirektion des Kantons          sen Betrag, ist er unabhängig von der
trägliche Baubewilligung rechtskräftig    Zürich setzt nach Eintritt der Fälligkeit   Grundstückgrösse geschuldet. Der
wird. Fällig wird die Mehrwertabgabe      in einer weiteren Verfügung fest, per       Spielraum der Gemeinden bei der Frei­
auch, wenn der Grundeigentümer das        wann die abgabepflichtige Person die        fläche reicht von 1200 bis 2000 Quad­
Grundstück veräussert. Bei einer Ver­     Mehrwertabgabe schuldet, und berech­        ratmeter.
äusserung ist das Verfügungsgeschäft      net allfällige Ausgleichszinsen, denn               Wenn eine Gemeinde den kom­
massgebend. Das heisst, der Über­         die Mehrwertabgabe muss ab Fälligkeit       munalen Mehrwertausgleich einführt,
                                          verzinst werden. Auch bei dieser Verfü­     besteht die Möglichkeit, anstelle der
                                          gung kann der Rechtsweg beschritten         Mehrwertabgabe städtebauliche Verträ­
Bekanntgabe Mehrwert                      werden. Ist der rechtskräftig festgesetz­   ge abzuschliessen. Kommt keine Eini­
Nach der Genehmigung der Planungs-        te Betrag in den Mehrwertausgleichs­        gung zustande, wird die Mehrwertab­
massnahme gibt der Kanton den             fonds einbezahlt worden, wird auch die      gabe erhoben. Solche Verträge können
­e rmittelten Mehrwert gesamthaft –       Anmerkung im Grundbuch gelöscht.            allerdings erst nach dem Inkrafttreten
das heisst für alle betroffenen Grund­                                                der angepassten Bau- und Zonenord­
stücke – bekannt. Zudem erhalten die                  Kommunaler                      nung abgeschlossen werden. Soweit
Grundeigentümer und Baurechtsnehmer              ­M ehrwert­a usgleich – ­­           Gestaltungspläne gegenüber der Re­
die Möglichkeit, zum individuellen              Um- und Aufzonungen                   gelbauweise der BZO zu einer höhe­
Mehrwert innert 30 Tagen Stellung zu      Den Gemeinden im Kanton Zürich steht        ren Nutzungsmöglichkeit führen, qua­
beziehen. Auch hier können Schätzer       es frei, im Falle von Um- oder Aufzo­       lifizieren sie sich normalerweise als
und Schätzerinnen die Betroffenen mit     nungen einen kommunalen Mehrwert­           Auf­ zonungen, welche die kommuna­
ihren Fachkenntnissen unterstützen.       ausgleich in der BZO einzuführen. Eine      le Mehrwertabgabe auslösen können.

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— Focus —

                                                              «
                       Eine Aufzonung liegt vor,
            wenn die Nutzungsmöglichkeiten einer Bauzone
             verbessert werden. Von einer Umzonung wird
          gesprochen, wenn ein Grundstück von einer Bauzone
               einer anderen Bauzone zugewiesen wird.
                                                              »

Festsetzung Mehrwert                        der Siedlungsqualität beitragen. Der so   Wo braucht es die ­B ewerterin,
Schliesslich setzt die Behörde den          ermittelte Betrag ist anschliessend mit   den Bewerter?
Mehrwert nach allfälligen Bereinigun-       dem von der Gemeinde festgesetzten        Bevor eine Ein- oder Aufzonung
gen individuell für ­jeden Betroffenen      Abgabesatz zu multiplizieren.             festgesetzt wird, ermittelt die
einzeln in e
           ­ iner Verfügung fest. Gegen                                               ­zuständige Stelle, basierend auf
diese Verfügung kann innert 30 Tagen        Wer muss zahlen?                          einem hedonischen Landpreis­
Rekurs beim Baurekursgericht des            Abgabepflichtig ist der Grundeigentü­     modell, mit den verfügbaren
­K antons ­Zürich erhoben werden. Auch in   mer im Zeitpunkt des Inkrafttretens der   ­I nformationen die sogenannte
dieser Phase ist es von Vorteil, wenn       Planungsmassnahme.                        Mehrwertprognose. Die Bau­
Schätzerinnen und Schätzer mit ihrem                                                  direktion des Kantons Zürich hat
Wissen den Betroffenen bei­s tehen.         Wann muss ich zahlen?                     dafür eigens die Onlineplattform
                                            Die Abgabe wird erst mit der Baufrei­     eMWA geschaffen. Mit diesem
                                            gabe fällig. Wird das Grundstück nicht    Tool kann für jedes Grundstück
Von den 162 Gemeinden im Kanton Zü­         überbaut oder sind die baulichen Än­      im Kanton Zürich der Verkehrs­-
rich haben sich bisher vier gegen einen     derungen nur geringfügig, muss die        wert mit und ohne Planungsmass-
kommunalen Mehrwertausgleich ent­           Mehrwertabgabe nicht bezahlt werden.      nahme berechnet werden. Die
schieden. Rund ein Viertel der Gemein­                                                Mehrwert­p rognose wird im Pla-
den hat beim Kanton die Unterlagen          Informationen zum Mehrwert­-              nungsbericht gesamthaft für die
für die Vorprüfung der BZO-Änderun­         ausgleich im Kanton Zürich können         betroffenen Grund­s tücke aus­
gen zur Einführung des kommunalen           auch hier abgerufen werden:               gewiesen und öffentlich ­a ufgelegt.
Mehrwertausgleichs eingereicht (Stand       www.zh.ch/mehrwertausgleich.              Zudem wird jeder Grundstück­
29. Juli 2021), darunter auch die Städte                                              eigentümer beziehungs­weise Bau-
Zürich, Winterthur und Uster.                                                         rechtsnehmer informiert. Dieser
                                                                                      hat während 60 Tagen Zeit, sich
Wie hoch ist die Abgabe?                                                              zur Einzelprognose zu äussern.
Auch beim kommunalen Mehrwert­                                                        Der Beizug eines Schätzers oder
ausgleich entspricht der Mehrwert                                                     einer Schätzerin in dieser Phase
der Differenz zwischen den Verkehrs­                                                  ist insbesondere dann sinnvoll,
werten eines Grundstücks ohne und                                                     wenn das Grundstück Besonder-
mit Planungsmassname. Allerdings                                                      heiten aufweist, zum Beispiel
ist bei der Berechnung der kommuna­                                                   Denkmalschutz, privatrechtliche
len Mehrwertabgabe der Betrag von                                                     Bau­b eschränkungen oder Aus­
CHF 100 000 in Abzug zu bringen. Wei­                                                 nützungsübertragungen. Diese
ter können Kosten im Zusammenhang                                                     sind zu berücksichtigen.
mit Planungsverfahren abgezogen wer­
den, die massgeblich zur Verbesserung

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Umfassende Immobilienkompetenz
                                                      mit einer massgeschneiderten Weiterbildung von SIREA –
                                                      an einer der Hochschulen in Ihrer Nähe.

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IMMOBILIEN-                                           REAL ESTATE                            REAL ESTATE
BEWERTUNG                                             MANAGEMENT                             MANAGEMENT
Grundlagen | Bewertungselemente                       Finanzierung | Anlagen | Entwicklung   Betriebswirtschaft | Immobilien-,
Bewertungsmethodik | Verfassen                        Bewirtschaftung von Immobilien         Management-, Führungskompetenzen
von Marktwertgutachten                                Kursstart BFH/OST/SUPSI:               Kursstart ZHAW: August 2021
Kursstart BFH/FHNW/HSLU: Oktober 2021,                siehe Website der jeweiligen Schule
OST: Februar 2022, SUPSI: Oktober 2022

       Informationen
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— Focus —

                     Das Ökominihaus von Tanja Schindler umfasst 35 Quad­ratmeter Wohnfläche und produziert den eigenen Strom.

                      IN EINER MOBILIE
                          ­WOHNEN
 Der Trend zum Minimalismus ist auch in der Schweiz angekommen. Ganz nach dem Motto «Weniger ist mehr»
     verzichten Menschen bewusst auf Konsum und Materialismus. Das zeigt sich auch im Bereich Wohnen:
    Das Angebot an Tiny Houses und Mikroappartements steigt. Hat dies Auswirkungen auf die Bewertung?
                                         Text: Carmen Püntener / Fotografie: zVg Tanja Schindler

Urbanes Microliving                              Rund zwei Drittel der Privathaushal­               Tanja Schindler, was ist Ihre
Leben auf wenigen Quadratmetern                  te in der Schweiz sind von nur einer               ­Hauptmotivation zum Wohnen auf
ist ein Lebensstil – auch im urbanen             oder zwei Personen bewohnt. Auf die                 35 Quadratmetern?
Raum. Gerade Singles wollen in                   Wohnbevölkerung berechnet, leben 46                 Ganz einfach, ich hatte kein Geld, um
­Z entren leben, sind aber viel unter-           Prozent der Menschen alleine oder zu                ein Haus zu bauen, wollte aber bau­
wegs und haben kein Geld, um teuren              zweit. Dies geht aus den aktuellsten                biologisch wohnen. Somit konzipier­
Wohnraum zu mieten. Auch ältere                  Zahlen des Bundesamtes für Statistik                te ich ein eigenes Heim in der Grösse,
Menschen reduzieren sich aufs                    hervor. Neue Lösungen für das Woh­                  die ich mir leisten konnte. Bereits als
­Wesentliche, wenn zum Beispiel die              nen auf kleinem Raum sind gefragt –                 Kind hatte ich die Vision eines solchen
Kinder ausgezogen sind, oder wenn                auch weil die Bodenpreise steigen und               Minihauses. Ich fühle mich in kleine­
der Partner stirbt. Städtische                   ein Eigenheim somit für viele kaum                  ren Räumlichkeiten wohler als in ­einer
­M ikroappartements sind zwischen                mehr realisierbar ist. Tanja Schindler,             Loftwohnung. Die genaue Grösse mei­
17 und 45 Quadratmeter gross,                    Baubiologin aus Altdorf im Kanton Uri,              nes Hauses definierte sich durch die
meist teilmöbliert und kosten                    ist Erfinderin und seit 2013 Bewohne­               Transportvorschriften: Für 12 mal 3,8
­z wischen 1100 und 1500 Franken                 rin des Ökominihauses. Damit hat sie                Meter braucht man keine Sonderbe­
­M iete monatlich.                               sich einen Kindheitstraum verwirklicht.             willigung.

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— Focus —

                                                  «
          Weniger Besitz bedeutet für mich, ­weniger Aufwand,
                           weniger Stress.
                                                  »
Tiny House Movement             «Weniger ist mehr» – das scheint ein       den können. Das Ökominihaus besteht
Die Tiny-House-Bewegung         Trend zu sein. Was sind die Vorzüge        vor allem aus Holz und wird mit einem
startete in den 70er-Jahren     dieses Lebensstils?                        Holzspeicherofen beheizt. An der Fas­
in den USA, hat es in der       Wer in einem Tiny House lebt, braucht      sade ist eine Photovoltaik­anlage ange­
Schweiz aber nie wirklich       von allem weniger: weniger Boden,          bracht, die die benötigte Energie liefert.
über das Wohnen im Zir-         weniger Energie, weniger Baumateri­        Die Komposttoilette sorgt für einen ge­
kuswagen hinausgeschafft.       alien, weniger Wasser. Das Bild täuscht    ringen Wasserverbrauch. Und, eben­
Der aktuelle Trend des          aber, ich habe durchaus Platz. Jeder       falls sehr wichtig: das Ökominihaus
­« Gesundschrumpfens» oder      hat Dinge, auf die er nicht verzichten     kann bei Bedarf an einen neuen Stand­
«Down­sizing» hat – gerade      will: B
                                      ­ ücher, Musikinstrumente, Schu­     ort gezügelt werden.
im umweltbewussten              he. Man reduziert dort, wo es nicht weh
­E uropa – einen neuen          tut. Bei mir darf die Kaffeemaschine       Ein Ökominihaus kostet zirka 250 000
Boom ausgelöst. So dreht        nicht fehlen. Weniger Besitz bedeutet      Franken, dazu braucht man rund
es sich heute längst nicht      für mich, weniger Aufwand, weniger         300 Quadratmeter Bauland. Ist das
mehr um das kreative Aus-       Stress. So muss ich heute weniger Geld     nicht etwas teuer für 35 Quadrat­
bauen von Bauwagen. Die         verdienen, um gut leben zu können.         meter Wohnraum?
modernen Tiny Houses sind                                                  Die Idee bei diesen ­Kleinstwohnformen
wahre Wunderboxen, pro-         Sie haben das Ökominihaus                  ist nicht, dass man sich den Boden
duzieren ihren Strom s­ elber   selbst konzipiert und zur Marktreife       kauft, sondern, dass man diesen pach­
und brauchen wenig Was-         gebracht, was sind seine Kern­             tet oder mietet. Es ist eine Lebens­
ser. Meist sind sie zwischen    elemente?                                  philosophie, den Boden nicht zu be­
20 und 45 Quadratmeter          Die Baubiologie versucht, eine Kreis­      sitzen. Dieser sollte der Gesellschaft
gross und können an einen       laufwirtschaft ins Bauen zu integrieren.   gehören. Der Wert ergibt sich unter an­
anderen Standort gezügelt       So arbeiten wir nur mit natürlichen Ma­    derem dadurch, dass die Lebenshal­
werden.                         terialien, die wieder zurückgebaut wer­    tungskosten viel kleiner sind.

                                            — Zoom 02 | 21 —
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                                                                                         Das sagt Martin Bühler, Im-
                                                                                         mobilienexperte bei Fahrlän-
                                                                                         der Partner und Architekt…

                                                                                         … zu Mikroappartements:
                                                                                         «Bei gegebener Absorption ha-
                                                                                         ben Liegenschaften mit vielen
                                                                                         kleinen Wohnungen trotz höhe-

                                       «                                                 ren Erstellungskosten einen
                                                                                         höheren Marktwert als Liegen-

              Der Wert ergibt sich unter                                                 schaften mit wenigen grossen
                                                                                         Wohnungen. Weil es bei Klein-

              anderem dadurch, dass die                                                  wohnungen häufiger zu Mieter-
                                                                                         wechseln kommt, erhöhen sich
              Lebenshaltungskosten viel                                                  die Betriebskosten. Gleichzeitig
                                                                                         können aber auch Mietzins­
                    kleiner sind.                                                        anpassungen in kürzeren Ab-

                                       »                                                 ständen erfolgen. Dasselbe gilt
                                                                                         grundsätzlich auch für Mikro­
                                                                                         appartements. Aktuell haben
                                                                                         wir zu dieser Wohnform noch
                                                                                         keine verlässlichen statisti-
                                                                                         schen Daten. Untersuchungen
                                                                                         haben aber gezeigt, dass sie
                                                                                         eher einem urbanen Lebensstil
                                                                                         entsprechen. In ländlichen Ge-
                                                                                         bieten würden wir von solchen
                                                                                         Konzepten deshalb abraten.»
                                                                                         … zu Tiny Houses: «Als Archi-
                                                                                         tekt reagiere ich eher gelassen
Banken verleihen kein Geld für             Schränkt dies die Nachfrage nach              auf den Trend. Es gibt durchaus
­bewegliche Wohnformen. Das heisst,        Tiny Houses ein?                              erschwingliche Wohnmobile,
 man muss 250 000 Franken auf              Es gäbe Tausende in der Schweiz, die          die fast den gleichen Komfort
 dem Konto haben, um so wohnen             so leben möchten. Und doch wird es            bieten wie ein Tiny House.
 zu ­können.                               vorerst ein Nischenprodukt bleiben. Ich       Insofern muss das Tiny House
 Ja, das ist schade. Ohne Bauland be­      würde mir wünschen, dass sich mehr            architektonisch überzeugen,
 kommt man heute keine Hypothek.           Gemeinden auf solche Projekte einlies­        wenn es auf dem Markt beste-
 Dazu kommt, dass 250 000 Franken für      sen. Sie besitzen Bauland, das brach          hen soll. Einen ökologischen
 eine Bank zu wenig Geld für ein loh­      liegt, das für zukünftige öffentliche Ge­     Vorteil bringt das Tiny House
 nendes Geschäft sind. Ich finde, hier     bäude reserviert ist. Wir suchen Grund­       kaum, denn auch ein herkömm-
 wäre ein Umdenken nötig.                  stücke, die für eine Nutzung von min­         liches Einfamilienhaus kann
                                           destens zehn Jahren gepachtet werden          ressourcensparend gebaut und
Gibt es weitere Hindernisse                könnten.                                      betrieben werden. Auch raum-
für ­Interessierte?                                                                      planerisch führt das Tiny House
Bei der Eingabe für ein Tiny House         Mehr Infos:                                   nicht zu verdichtetem Bauen.
muss man die gleichen Vorgaben be­         www.oekominihaus.ch                           Es macht aber den Wunsch
züglich Baubewilligungen einhalten                                                       vieler Menschen nach einem
wie beim Bau eines Einfamilienhau­                                Tanja Schindler        erschwinglichen Eigenheim
                                                                  Baubiologin, lebt
ses auf eigenem Grund. Die Behörden                                                      möglich.»
                                                                  in ­einem Tiny House
sind kaum bereit, Sonderbewilligun­                               in Altdorf, UR.
gen zu erteilen. Das treibt den Initial­                                                 Martin Bühler ist Architekt und
aufwand in die Höhe.                                                                     Partner bei Fahrländer Partner
                                                                                         Raumentwicklung in Zürich. Er
                                                                                         ist zudem Immobilienschätzer
                                                                                         und Mitglied beim SIV.

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— Marktreport —

                WEITERHIN SINKENDE
                     WERTE IM
           ­B ÜROLIEGENSCHAFTSMARKT
        Im Büroliegenschaftsmarkt sind die Auswirkungen der Coronakrise nach wie vor stark spürbar,
   insbesondere durch die gestiegene Anfangsrendite. Auch gemischt genutzte Liegenschaften verzeichnen
       negative Trends. Einzig die Werte für Wohnimmobilien haben sich im ersten Semester 2021 erholt.
                                                   Text: Felix Thurnheer

         3,7
                                          nochmals stark gesunken: gegenüber          ferenzliegenschaft für Wohnimmobi­
                                          dem letzten Semester um 21,0% von           lien ist im Vergleich zum letzten Se­
                                          CHF 14,3 Mio. auf CHF 11,3 Mio. Die         mester von CHF 5,7 Mio. auf CHF 6,0
                                          Mieten bei Vertragsneuabschlüssen in        Mio. gestiegen, das entspricht einem
     % Nettoanfangsrendite Büro           Mittel- und Kleinzentren sind jedoch        Wachstum von 6,6%. Die aktuelle Net­

         2,9
                                          wieder am Steigen, nachdem sie im           toanfangsrendite ist entsprechend ge­
                                          letzten Semester gesunken sind. In den      sunken: von 3,1% im letzten Semester
                                          Grosszentren ist eine stabile Entwick­      zu 2,9% im aktuellen Semester. Somit
                                          lung zu verzeichnen.                        liegen beide Werte wieder auf demsel­
                                                                                      ben Niveau wie vor der Covid-19-Pan­
  % Nettoanfangsrendite Wohnraum                  Sinkende Mieten in                  demie. Bei Vertragsneuabschlüssen
                                             ­g emischten Liegenschaften              von Mietwohnungen sind keine Verän­
                                          Auch bei den gemischt genutzten Lie­        derungen feststellbar, die Mietpreise
                                          genschaften setzt sich der Abwärts­         verharren auf stabilem Niveau. Die Zei­
                                          trend weiter fort. Der Wert der SIV-Refe­   chen deuten auf eine Rückkehr zur Nor­
Die Schweizer Wirtschaft konnte sich im   renzliegenschaft sank gegenüber dem         malität im Wohnimmobilienmarkt hin.
ersten Semester 2021 deutlich von der     letzten Semester um 7,2% von CHF 11,8
Coronakrise erholen. Dank der Impf­       Mio. auf CHF 11,0 Mio., dies bei stabi­
kampagne wird sich die Wirtschafts­       len Nettoanfangsrenditen. Die Markt­
lage voraussichtlich weiter verbes­       mieten haben sowohl in den Gross-,
sern. Die Arbeitslosenquote ist seit      Mittel- als auch Kleinzentren alle eine
Ende 2020 von 3,5% auf aktuell 2,8%       klar sinkende Entwicklung zu verzeich­
gesunken und die Anzahl der offenen       nen: Im Median nahmen die Mieten
Stellen hat sich im selben Zeitraum       um CHF 30.– bis CHF 40.– pro Quad­
mehr als verdoppelt. Dennoch ver­         ratmeter und Jahr ab. Diese Abnahme
zeichnet insbesondere der Büroliegen­     könnte ein Effekt der Covid-19-Pande­
schaftsmarkt weiterhin eine stark nega­   mie sein.
tive Wertentwicklung. Das Homeoffice
ist gekommen, um zu bleiben. Somit              Wohnimmobilienmarkt                                       Felix Thurnheer
wird dem Markt für Büroliegenschaf­            ­w ieder im Aufschwung                                     MBA, Internationales
                                                                                                          Immobilienmanage­
ten aktuell das höchste Risiko beige­     Während im kommerziellen Immobi­                                ment; Geschäftsführer
messen. Die Nettoanfangsrendite für       lienmarkt die negative Wertentwicklung                          ImmoCompass AG, Zü­
Büro­liegenschaften ist gegenüber dem     des letzten Semesters weiter voran­                             rich

letzten Semester abermals gestiegen,      schreitet, hat sich der Wohnimmobi­
nämlich von 2,9% auf 3,7%. Der Wert       lienmarkt vom Wertrückgang bereits
der SIV-Referenzbüroliegenschaft ist      wieder erholt. Der Wert der SIV-Re­

                                                      — Zoom 02 | 21 —
                                                            22
— 2. Semester 2021 —

WERTENTWICKLUNG EINER SIV-REFERENZLIEGENSCHAFT

   Index                                                                                    GLOSSAR

    190
                                                                                            Liegenschafts­
    180                                                                                     abrechnung und Ren-
                                                                                            ditekennzahlen ent­
    170
                                                                                            sprechen dem «Swiss
    160                                                                                     Valuation Standard»,
                                                                                            auch der Aufbau der
    150                                                                                     REIDA-Datenbank

    140                                                                                     richtet sich danach.
                                                                                            Alle Werte werden,
    130                                                                                     wenn möglich, auf den
                                                                                            Quadratmeter der ver­
    120
                                                                                            mietbaren Fläche nach
     110                                                                                    SIA d_0165 normiert.
                                                                                            Die Mehrwertsteuer-
    100
                                                                                            optierung wird nicht
     90                                                                                     berücksichtigt.
                                                                                            Die Ertragswert­
     80
                                                                                            berechnung erfolgt
           2015      2016       2017       2018       2019        2020        2021   Jahr   nach der Methode
                                                                                            des SIV-Schätzerhand­
                                                                                            buches, Seiten 196
                                                                                            bis 198, Ertragswert­
                                                                                            berechnung mit
                                                                                            Netto­k apitalisierung.
                                                                                            Zur Darstellung der
                                                                                            Marktwerte und der
                                                                                            Wertberechnung wur­
                                                                                            den jeweils das 30-Pro­

   WOHNEN                              BÜRO                           GEMISCHT              zent-Quantil (= von),
                                                                                            der Median und das
                                                                                            70-Prozent-Quantil
                                                                                            (= bis) verwendet.
                                                                                            Extremwerte wurden
                                                                                            entfernt.
                                                                                            Die Marktwerte ste­
              SIV-MARKTREPORT                                                               hen für die typischen
                                                                                            Eigenschaften der je­
              Der Marktreport bietet eine aktuelle Markteinschätzung von                    weiligen SIV-Referenz­
              Gewerbe-, Wohn- und gemischt genutzten Liegenschaften –                       liegenschaft, Bezugs­
              ­gegliedert nach Gross-, Mittel- und Klein­zentren, dargestellt               gebiet ist die jeweilige
              an Beispielobjekten. Aufgezeigt werden unter anderem die                      Region.
              ­relevanten Treiber: Ertrag, Kosten und Renditeerwartungen –                  Grosszentrum,
              über­s ichtlich, klar, transparent. Mit dem Marktreport können                ­M ittelzentrum und
              ­Werte somit noch besser, effizienter und vor allem objek­-                   Kleinzentrum wur­
              tiver ver­glichen werden – von Schätzern, aber auch von                       den auf der Basis
              der ­breiten Ö
                           ­ ffentlichkeit. Der Bericht basiert auf Daten des               eines schweizwei­
              ­u n­abhängi­gen Vereins REIDA, die ­s ituativ mit regionalen                 ten Lageratings be­
              ­Daten ­ergänzt ­werden.                                                      stimmt.
                                                                                            Die Datenquellen
                                                                                            stammen von REIDA.

                                                  — Zoom 02 | 21 —
                                                         23
— Marktreport —

OBJEKT / REFERENZLIEGENSCHAFT                                                                   WERT

                                                                      Bruttomietertrag (Soll)            234 000 CHF / a

                                                                      Bruttomietertrag (Ist)             228 000 CHF / a

                                                                      – Betriebskosten                    16 000 CHF / a

                                                                      – Unterhaltskosten                  30 000 CHF / a

                                                                      – Investitionen                      7 000 CHF / a
             WOHNEN
                                                                      Nettomietertrag                    176 000 CHF / a

                                                                      Nettoanfangsrendite                   2,91 %
         1,5 Zimmer       3 × 30   m2
         2,5 Zimmer       3 × 50   m2                                 Marktwert                        6 052 000 CHF
         3,5 Zimmer       3 × 80   m2
                                                                      Ertragsausfallsquote                  2,65 %
         4,5 Zimmer      3 × 110   m2
         Total Fläche        810   m2
                                                                      Wertänderung                          6,65 %
         Parkplätze           12   Stk.

                                                                      Bruttomietertrag (Soll)            788 000 CHF / a

                                                                      Bruttomietertrag (Ist)             723 000 CHF / a

                                                                      – Betriebskosten                    94 000 CHF / a

                                                                      – Unterhaltskosten                 188 000 CHF / a

                                                                      – Investitionen                     23 000 CHF / a
                BÜRO                                                  Nettomietertrag                    419 000 CHF / a

                                                                      Nettoanfangsrendite                   3,70 %
         Gewerbe         4 × 200   m2
         Gewerbe         2 × 400   m2                                 Marktwert                        11 321 000 CHF
         Gewerbe         1 × 800   m2
                                                                      Ertragsausfallsquote                  8,19 %
         Lager           1 × 400   m2
         Total Fläche       2800   m2                                 Wertänderung                        –20,98 %
         Parkplätze           20   Stk.

                                                                      Bruttomietertrag (Soll)            439 000 CHF / a

                                                                      Bruttomietertrag (Ist)             423 000 CHF / a

                                                                      – Betriebskosten                    38 000 CHF / a

                                                                      – Unterhaltskosten                  67 000 CHF / a

                                                                      – Investitionen                     12 000 CHF / a
           GEMISCHT
                                                                      Nettomietertrag                    305 000 CHF / a

     Verkauf / Gewerbe    je 2 × 200      m2                          Nettoanfangsrendite                   2,78 %
     1,5 Zimmer               3 × 30      m2
                                                                      Marktwert                        10 982 000 CHF
     2,5 Zimmer               3 × 50      m2
     3,5 Zimmer               3 × 80      m2                          Ertragsausfallsquote                  3,57 %
     4,5 Zimmer              3 × 110      m2
     Total Fläche               1610      m2                          Wertänderung                         –7,20 %
     Parkplätze                    5      Stk.

                                                   — Zoom 02 | 21 —
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